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Blutungen in der 2. Schwangerschaftshälfte

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<strong>Blutungen</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>2.</strong> <strong>Schwangerschaftshälfte</strong><br />

1. Def<strong>in</strong>ition und Häufigkeit<br />

Unter diese Def<strong>in</strong>ition fallen alle <strong>Blutungen</strong> ab 20 SSW, diese s<strong>in</strong>d mit 2-10% relativ häufig und<br />

können zu schweren mütterlichen und k<strong>in</strong>dlichen Komplikationen führen. Die beiden häufigsten<br />

Ursachen s<strong>in</strong>d die Plazenta praevia und die vorzeitige Plazentalösung.<br />

• Plazenta praevia: Darunter versteht man die teilweise o<strong>der</strong> vollständige Implantation <strong>der</strong> Plazenta<br />

im unteren Uter<strong>in</strong>segment. Es gibt verschiedene Grade e<strong>in</strong>er Plazenta praevia:<br />

- Plazentatiefsitz: Plazentarand ≤ 5cm vom <strong>in</strong>neren MM entfernt.<br />

- marg<strong>in</strong>alis: Die Plazenta reicht an den <strong>in</strong>neren MM heran<br />

- partialis: Die Plazenta bedeckt den <strong>in</strong>neren MM teilweise<br />

- totalis: Vollständige Bedeckung des <strong>in</strong>neren Muttermundes<br />

• Vorzeitige Plazentalösung: Es gibt verschieden Grade e<strong>in</strong>er vorzeitigen Plazentalösung:<br />

- vollständig: Vollständige Ablösung <strong>der</strong> Plazenta von <strong>der</strong> Uterushaftfläche, ke<strong>in</strong>e mütterliche<br />

Perfusion <strong>der</strong> Plazenta mehr.<br />

- teilweise: Nur teilweise Ablösung <strong>der</strong> Plazenta von ihrer Haftfläche, Versorgung des Fetus je<br />

nach Grösse <strong>der</strong> Haftfläche noch gewährleist. E<strong>in</strong> Hämatom kann sich zentral o<strong>der</strong> randständig<br />

entwickeln, im letzteren Fall mit e<strong>in</strong>er Blutung nach aussen.<br />

• Vasa praevia: Insertio velamentosa <strong>der</strong> Nabelschnur im Bereiche des unteren Uter<strong>in</strong>segments<br />

mit frei über die Eihäute laufenden Gefässen. Bei spontanem Blasensprung o<strong>der</strong> Amniotomie<br />

kann es zu Gefässzerreissung mit lebensbedrohlicher k<strong>in</strong>dlicher Blutung kommen.<br />

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<strong>Blutungen</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>2.</strong> <strong>Schwangerschaftshälfte</strong><br />

• Uterusruptur: Verschiedene Formen:<br />

- komplett: Vollständige Zerreissung <strong>der</strong> Uteruswand mit Eröffnung des viszeralen Perito-<br />

neums, Fetus und ev. Plazenta liegen <strong>in</strong> <strong>der</strong> freien Bauchhöhle.<br />

- gedeckt: Dehiszenz e<strong>in</strong>er Uterusnarbe nach vorheriger Operation ohne offene Verb<strong>in</strong>dung<br />

mit <strong>der</strong> Bauchhöhle. Da die Dehiszenz ohne Beschwerden e<strong>in</strong>hergeht auch "stille Ruptur"<br />

genannt.<br />

• Fetomaternale Blutung: Übertritt von fetalem Blut <strong>in</strong> den mütterlichen Kreislauf durch e<strong>in</strong><br />

Trauma o<strong>der</strong> spontane rezidivierende <strong>Blutungen</strong>.<br />

<strong>2.</strong> Häufigkeit<br />

In <strong>der</strong> Spätschwangerschaft treten <strong>in</strong> 2-10% aller Schwangerschaften <strong>Blutungen</strong> auf, davon s<strong>in</strong>d<br />

2-3% schwer (> 800ml Blutverlust). Die Plazenta ist <strong>in</strong> 40-70% aller Fälle für die Blutung verantwortlich.<br />

E<strong>in</strong>e Plazenta praevia tritt <strong>in</strong> 0.3-0.5% aller Schwangerschaften auf (20% totalis, 30% partialis,<br />

50% Plazentatiefsitz). E<strong>in</strong>e vorzeitige Plazentalösung tritt <strong>in</strong> 0.2-<strong>2.</strong>6% aller Schwangerschaften<br />

auf. Die Uterusruptur tritt mit e<strong>in</strong>er Häufigkeit von 1:1500 Geburten auf.<br />

3. Ätiologie und Pathogenese<br />

Die primären Ursachen e<strong>in</strong>er vorzeitigen Plazentalösung o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>er Plazenta praevia s<strong>in</strong>d meistens<br />

unbekannt, doch gibt es e<strong>in</strong>e Reihe von Risikofaktoren.<br />

• Plazenta praevia: Es s<strong>in</strong>d die folgenden prädisponierende Faktoren bekannt:<br />

- Anzahl vorausgegangener Curettagen (Interruptiones)<br />

- Anzahl vorausgegangener Sectiones<br />

- ältere Multipara<br />

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<strong>Blutungen</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>2.</strong> <strong>Schwangerschaftshälfte</strong><br />

- Zwill<strong>in</strong>gsschwangerschaften<br />

- Koka<strong>in</strong><br />

Seite 3<br />

• Vorzeitige Plazentalösung: Verän<strong>der</strong>ungen im Bereich <strong>der</strong> kle<strong>in</strong>en arteriellen Gefässe <strong>der</strong><br />

Dezidua s<strong>in</strong>d verantwortlich für e<strong>in</strong>e Ansammlung von Blut zwischen Dezidua und Chorion,<br />

welche den Prozess <strong>der</strong> Ablösung begünstigt. Die Versorgung des Fetus wird e<strong>in</strong>erseits durch<br />

die verm<strong>in</strong><strong>der</strong>te Durchblutung <strong>der</strong> Plazenta, an<strong>der</strong>erseits durch die Kompression des <strong>in</strong>tervillösen<br />

Raums bee<strong>in</strong>trächtigt. Zusätzlich kann Plazentargewebe zerstört werden. Kle<strong>in</strong>e <strong>Blutungen</strong><br />

können selbst zum Stillstand kommen, grössere Hämatome führen zur weiteren Ablösung <strong>der</strong><br />

Plazenta. Die Blutung kann sich entlang <strong>der</strong> Eihäute nach aussen (vag<strong>in</strong>ale Blutung), durch das<br />

E<strong>in</strong>reissen <strong>der</strong> Eihäute nach <strong>in</strong>nen (blutiges Fruchtwasser) o<strong>der</strong> <strong>in</strong>s Myometrium bis zum Peritoneum<br />

(Couvelaire-Uterus) ausbreiten, was die Kontraktilität des Uterus verm<strong>in</strong><strong>der</strong>t.<br />

Prädisponierende Faktoren e<strong>in</strong>er vorzeitigen Plazentalösung umfassen:<br />

- Trauma: Schlag, äussere Wendung, Amniozentese, Chordozentese, Fetoskopie<br />

- Druck/Volumenschwankung: Amniotomie, Punktion Hydramnion, Geburt des ersten Zwill<strong>in</strong>gs<br />

- Uterusanomalie: Plazentationsstörung durch Myom o<strong>der</strong> Uterusmissbildung<br />

- Extrem kurze Nabelschnur: Nach Blasensprung/Tiefertreten des Kopfes mechanischer Zug<br />

- Hypertonie <strong>der</strong> Mutter: Schweregrad <strong>der</strong> Hypertonie und Häufigkeit <strong>der</strong> Lösung korrelieren<br />

- Vorzeitiger Blasensprung: VBS komb<strong>in</strong>iert mit Hypertonie ergeben e<strong>in</strong> erhöhtes Risiko<br />

- Nikot<strong>in</strong>abusus: Deziduanekrosen, ke<strong>in</strong> e<strong>in</strong>deutiger Zusammenhang mit Lösung gefunden<br />

- Multiparität: Risiko steigt mit <strong>der</strong> Parität, v.a. bei rasch aufe<strong>in</strong>an<strong>der</strong>folgenden Schwangerschaften<br />

- Mangelernährung: Intrauter<strong>in</strong>e Wachstumsretardierung assoziiert mit vorzeitiger Lösung<br />

- Koka<strong>in</strong>: Vasoaktive Wirkung von Koka<strong>in</strong> begünstigt Plazentalösung<br />

• Eröffnungsblutung bei drohen<strong>der</strong> Frühgeburt: Abgang von blutig t<strong>in</strong>giertem Schleim bei<br />

Eröffnung <strong>der</strong> Zervix ("Zeichnen").<br />

• Uterusruptur: Die häufigste Ursache ist e<strong>in</strong>e vorangegange Operation am Uterus.<br />

- Sectio: Rupturrisko je nach Schnittführung am Uterus (Längsschnitt 3-4% vs. 0.25% bei<br />

isthmischem Querschnitt)<br />

- Myomenukleation (auch laparoskopisch)<br />

- Operation bei Uterusanomalien<br />

- Spontanrupturen bei Lageanomalien o<strong>der</strong> Kopfbeckenmissverhältnis (v.a. Mehrgebärende)<br />

- Traumatisch: Unfall, ärztliche Interventionen<br />

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<strong>Blutungen</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>2.</strong> <strong>Schwangerschaftshälfte</strong><br />

4. Symptomatik und kl<strong>in</strong>ische Leitsymptome<br />

• Plazenta praevia: Schmerzlose Blutung ohne Wehentätigkeit bei völligem Wohlbef<strong>in</strong>den. Ev.<br />

Seite 4<br />

auslösende Faktoren (Geschlechtsverkehr, vag<strong>in</strong>ale Untersuchung). Häufig <strong>in</strong>termittierende,<br />

leichte <strong>Blutungen</strong> ("annoncierende <strong>Blutungen</strong>"). In 10% begleitende Lösung, deshalb ev. vielschichtige<br />

Symptomatik.<br />

• Vorzeitige Plazentalösung: Symptomatik von Grösse und Lokalisation des Hämatoms abhängig.<br />

Typisch s<strong>in</strong>d plötzlich e<strong>in</strong>setzende starke abdom<strong>in</strong>ale Schmerzen, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Hälfte begleitet<br />

von tachysystolischer Wehentätigkeit und erhöhtem Uterustonus. Innere Unruhe, Schwäche,<br />

Ängstlichkeit, Durst und Übelkeit bis zum Vollbild des Schocks mit Tachykardie, schwachem<br />

Puls, kaltschweissiger Haut, Blässe o<strong>der</strong> Zyanose. Kl<strong>in</strong>isch f<strong>in</strong>det sich das Bild e<strong>in</strong>es akuten<br />

Abdomens mit Schock. Uter<strong>in</strong>e Dauerkontraktion ("Tetanus uteri") mit vag<strong>in</strong>aler Blutung<br />

(bei 80%).<br />

Dunkle vag<strong>in</strong>ale Blutung, bei schweren Formen nicht ger<strong>in</strong>nend. Seröser Flüssigkeitsabgang<br />

(Serum aus Koagel) kann mit Fruchtwasserabgang verwechselt werden.<br />

NB: In 20-30% ist e<strong>in</strong>e vorzeitige Plazentalösung asymptomatisch bzw. kann nur <strong>in</strong>direkt diagnostiziert<br />

werden.<br />

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<strong>Blutungen</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>2.</strong> <strong>Schwangerschaftshälfte</strong><br />

• Zeichnungsblutung: Mit Wehen und reifem Zervixbefund e<strong>in</strong>hergehend, schleimig-blutig.<br />

DD: Plazentarandblutung: Stärkere Blutung bei noch unreifem Zervixbefund.<br />

• Uterusruptur: Bei e<strong>in</strong>er drohenden Uterusruptur erhöht sich die Wehenfrequenz bis zum We-<br />

Seite 5<br />

hensturm ("Tetanus uteri"), die Wehen s<strong>in</strong>d sehr schmerzhaft ("als ob etwas zerreissen würde"),<br />

<strong>in</strong>nere Unruhe und Angstzustände. Es gibt ke<strong>in</strong>e Erholungsphasen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Wehenpause.<br />

Stark druckschmerzhaftes unteres Uter<strong>in</strong>segment, auch ausserhalb <strong>der</strong> Wehentätigkeit. Geburtsstillstand<br />

bei im Beckene<strong>in</strong>gang fixiertem vorangehenden K<strong>in</strong>dsteil.<br />

Aufsteigen <strong>der</strong> "Bandl-Furche" (Kontraktionsr<strong>in</strong>g an <strong>der</strong> oberen Grenze des unteren Uter<strong>in</strong>segments)<br />

über Nabelhöhe, ev. zusätzlich Hämaturie.<br />

Bei e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>getretenen Uterusruptur f<strong>in</strong>det sich e<strong>in</strong> Abfall <strong>der</strong> fetalen Herzfrequenz und e<strong>in</strong><br />

schlagartiges Aufhören <strong>der</strong> Wehentätigkeit. Charakteristischer Gegensatz zwischen <strong>der</strong> aussergewöhnlich<br />

starken und schmerzhaften Wehentätigkeit und dem plötzlichen Sistieren <strong>der</strong><br />

Wehen, die Schwangere hat das Gefühl, "dass etwas zerrissen ist". Ausbildung e<strong>in</strong>er abdom<strong>in</strong>alen<br />

Abwehrspannung (ev. verzögert). Schocksymptomatik. Vag<strong>in</strong>ale Blutung unterschiedlichen<br />

Ausmasses. Der vorangehende Teil ist wie<strong>der</strong> leicht aus dem Becken abschiebbar, das<br />

K<strong>in</strong>d lässt sich direkt durch die Bauchdecken palpieren. Sicherung <strong>der</strong> Diagnose sonographisch.<br />

• Vasa praevia Blutung: Starke vag<strong>in</strong>ale Blutung meistens nach Amniotomie o<strong>der</strong> Blasensprung,<br />

rasche Hypoxie des Feten.<br />

5. Spezielle Diagnostik<br />

• Kl<strong>in</strong>ik: BD, Puls, Atmung, Hautfarbe, Ur<strong>in</strong>ausscheidung (Schock?). Abdomenpalpation (Fundusstand,<br />

Uterustonus, schmerzhafte Uteruspalpation)<br />

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<strong>Blutungen</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>2.</strong> <strong>Schwangerschaftshälfte</strong><br />

• Vag<strong>in</strong>ale Untersuchung (nach sonographischem Ausschluss e<strong>in</strong>er Plazenta praevia):<br />

Spekulum (Blutungsstärke, Farbe, Koagula, Fruchtwasser). Palpation <strong>der</strong> Zervix.<br />

• Ultraschall: Plazentalokalisation sonographisch, da sich die Plazentalage im Verlaufe <strong>der</strong><br />

Seite 6<br />

Schwangerschaft verän<strong>der</strong>t (Rate an tiefliegen<strong>der</strong> Plazenta vor 24 SSW 30%, bei 24 SSW 18%<br />

und am Term<strong>in</strong> nur noch 3%). Vor allem von vag<strong>in</strong>al lässt sich <strong>der</strong> Bezug von Plazenta zu <strong>in</strong>nerem<br />

Muttermund genau festlegen.<br />

Im Falle e<strong>in</strong>e vorzeitigen Plazentalösung lässt sich nur <strong>in</strong> <strong>der</strong> M<strong>in</strong><strong>der</strong>zahl <strong>der</strong> Fälle das Hämatom<br />

darstellen, da dieses e<strong>in</strong>e ähnliche Echogenität wie die Plazenta aufweist. Vor allem <strong>in</strong> <strong>der</strong> akuten<br />

Phase lässt sich das Hämatom oft nicht darstellen, erst wenn sich dieses <strong>in</strong>nert 1-2 Wochen<br />

verflüssigt, wird es sichtbar. E<strong>in</strong> zweiter Grund für die niedrige Entdeckungsrate ist die Tatsache,<br />

dass die meisten Lösungen kle<strong>in</strong> (< 10% <strong>der</strong> Haftfläche) und an <strong>der</strong> Peripherie <strong>der</strong> Plazenta<br />

lokalisiert s<strong>in</strong>d. Zuletzt können sich organisierende Hämatome mit Myomen o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>er abnormal<br />

dicken Plazenta verwechselt werden.<br />

Mit dem Farbdoppler und neueren Geräten kann hier die diagnostische Ausbeute <strong>in</strong> Zukunft<br />

vielleicht gesteigert werden, auch bei <strong>der</strong> Darstellung von Vasa praevia.<br />

• Labordiagnostik: Hb, Blutbild <strong>in</strong>kl. Tc, Ger<strong>in</strong>nungsstatus, ev. clot observation test, D-Dimere<br />

(Fibr<strong>in</strong>spaltprodukte), Fibr<strong>in</strong>ogen; 4-stündliche Verlaufskontrollen bis zur Geburt (o<strong>der</strong> häufiger<br />

bei kl<strong>in</strong>ischer Verschlechterung)<br />

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<strong>Blutungen</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>2.</strong> <strong>Schwangerschaftshälfte</strong><br />

6. Risiken für Mutter und K<strong>in</strong>d<br />

Die Risiken für Mutter und K<strong>in</strong>d s<strong>in</strong>d von Ursache und Schwere <strong>der</strong> Blutung sowie von <strong>der</strong> Grun<strong>der</strong>krankung<br />

abhängig.<br />

• Plazenta praevia: Für die Mutter besteht das Risiko e<strong>in</strong>er Verblutung im irreversiblen Kreis-<br />

Seite 7<br />

laufschock. Dank heutiger mediz<strong>in</strong>ischer Möglichkeiten liegt die mütterliche Mortalität 2500g überleben bereits 98% <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>.<br />

E<strong>in</strong>e <strong>in</strong>trauter<strong>in</strong>e Wachstumsretardierung wird <strong>in</strong> bis zu 80% gefunden. Fetale <strong>Blutungen</strong> können<br />

zu Anämie und selten zu Ger<strong>in</strong>nungsstörungen beim Feten führen.<br />

Das Wie<strong>der</strong>holungsrisiko nach vorzeitiger Plazentalösung beträgt 5-17% und steigt auf 25%<br />

nach 2-maliger Plazentalösung.<br />

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<strong>Blutungen</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>2.</strong> <strong>Schwangerschaftshälfte</strong><br />

7. Management<br />

Antepartale <strong>Blutungen</strong> s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> Stärke und Verlauf unvorhersehbar und es kann <strong>in</strong>nert kürzester<br />

Zeit zu schwersten mütterlichen und k<strong>in</strong>dlichen Komplikationen kommen. E<strong>in</strong>e rasche Hospitalisierung<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong> Zentrum mit <strong>der</strong> Möglichkeit e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>tensivmediz<strong>in</strong>ischen Betreuung von Mutter und<br />

K<strong>in</strong>d ist notwendig.<br />

•<br />

•<br />

Allgeme<strong>in</strong>e Massnahmen : Unabhängig von <strong>der</strong> Blutungsursache <strong>in</strong>itial bei allen Schwange-<br />

ren gleich:<br />

• Kl<strong>in</strong>ische Untersuchung:<br />

- Puls, Blutdruck, Atemfrequenz<br />

- Schockzeichen (Unruhe, Blässe, kaltschweissige Extremitäten)<br />

- Abdomenpalpation (Fundusstand, Wehentätigkeit, Schmerzen, Dauertonus)<br />

- vag<strong>in</strong>ale Spekulumuntersuchung (Blutungsstärke und -ursache)<br />

- Zervixbefund (nicht bei Plazenta praevia)<br />

• Allgeme<strong>in</strong>e therapeutische Massnahmen:<br />

- i.v.-Zugang (grosslumig)<br />

- Blutentnahme (Blutbild, Ger<strong>in</strong>nung, Leberfunktion, Elektrolyte)<br />

- Bestellung von Ec-Konzentraten<br />

- Volumensubstitution<br />

- Atemwege freihalten, ev. O2-Gabe über Maske<br />

- Ultraschall<br />

Spezielles Vorgehen gemäss <strong>der</strong> Ursache<br />

•<br />

Plazenta praevia : Je nach Situation kann aktiv o<strong>der</strong> abwartend vorgegangen werden<br />

• Aktiv: Bei lebensbedrohlicher Blutung ist unabhängig vom Gestationsalter die Sectio<br />

<strong>in</strong>diziert, bei Placenta praevia totalis kann diese auch < 24 SSW notwendig se<strong>in</strong>.<br />

Bei reifem K<strong>in</strong>d wird auch bei ger<strong>in</strong>ggradiger Blutung die Sectio rasch durchgeführt.<br />

Da mit verstärkten <strong>Blutungen</strong> bei <strong>der</strong> K<strong>in</strong>dsentwicklung und <strong>der</strong> Lösung <strong>der</strong> Plazenta<br />

zu rechnen ist, soll die Sectio <strong>in</strong> Allgeme<strong>in</strong>narkose durchgeführt werden.<br />

Seite 8<br />

Die Inzision am Uterus soll sonographisch geplant werden und nach Möglichkeit nicht<br />

transplazentar erfolgen, sie erfolgt wie üblich transversal. Muss durch die Plazenta gegangen<br />

werden, soll dieser Schritt rasch erfolgen, um den k<strong>in</strong>dlichen Blutverlust ger<strong>in</strong>g<br />

zu halten. Als Alternative kann auch <strong>der</strong> Plazentarand aufgesucht werden, bevor die<br />

Fruchthöhle eröffnet wird, wobei hier e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>trauter<strong>in</strong>e Asphyxie durch die Ablösung<br />

<strong>der</strong> Plazenta provoziert wird.<br />

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<strong>Blutungen</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>2.</strong> <strong>Schwangerschaftshälfte</strong><br />

•<br />

Seite 9<br />

Durch die verm<strong>in</strong><strong>der</strong>te Kontraktionsfähigkeit des unteren Uter<strong>in</strong>segments kommt es zu<br />

verstärkten <strong>Blutungen</strong> aus dem Plazentabett. Gel<strong>in</strong>gt die lokale Blutstillung nicht, können<br />

die aszendierenden und deszendierenden Äste <strong>der</strong> A. uter<strong>in</strong>a umstochen werden.<br />

Weiters können <strong>in</strong>trauter<strong>in</strong>e Nalador-Injektionen o<strong>der</strong> als ultima ratio die Ligatur <strong>der</strong> A.<br />

ilica <strong>in</strong>terna bzw. die Hysterektomie durchgeführt werden.<br />

Liegt gleichzeitig e<strong>in</strong>e Placenta accreta vor, steigt die Rate <strong>der</strong> Blutungskomplikationen.<br />

Wichtig ist bei e<strong>in</strong>em entsprechenden Verdacht die genügende Bereitstellung von Ec-<br />

Konzentraten sowie die Patientenaufklärung (Hysterektomie). E<strong>in</strong> beson<strong>der</strong>s grosses Risiko<br />

liegt vor bei Vor<strong>der</strong>wandplazenta und St.n. Sectio.<br />

• Vag<strong>in</strong>ale Entb<strong>in</strong>dung: Bei tiefreichen<strong>der</strong> Plazenta o<strong>der</strong> Placenta praevia marg<strong>in</strong>alis<br />

kann mit Tiefertreten des Kopfes nach Amniotomie und Syntoc<strong>in</strong>on-Stimulation die<br />

Blutung sistieren. Wichtig ist bei angestrebter vag<strong>in</strong>aler Entb<strong>in</strong>dung die Sectiobereitschaft<br />

bzw. die grosszügige Durchführung <strong>der</strong> Sectio bei zunehmen<strong>der</strong> Blutung.<br />

• Abwartendes Vorgehen: Bei ger<strong>in</strong>ger Blutung und Frühgeburtlichkeit ist primär e<strong>in</strong><br />

expektatives Vorgehen <strong>in</strong>diziert. Unter Bettruhe sistiert die Blutung häufig, bei Placenta<br />

praevia marg<strong>in</strong>alis wird vielleicht später die vag<strong>in</strong>ale Entb<strong>in</strong>dung möglich.<br />

Falls e<strong>in</strong>e Wehentätigkeit besteht wird e<strong>in</strong>e Tokolyse und Lungenreifung durchgeführt,<br />

wobei zuerst e<strong>in</strong>e Plazentalösung ausgeschlossen werden muss.<br />

Bei Hb < 8g/l müssen Ec-Konzentrate verabreicht werden, diese müssen auch laufend<br />

bereit gehalten werden. Regelmässige Blutbild-Kontrollen.<br />

Regelmässige CTG-Überwachung des Feten.<br />

Nach Sistieren <strong>der</strong> Blutung über mehrere Tage und Abschluss <strong>der</strong> Lungenreifung kann<br />

die Schwangere ambulant weiterbetreut werden, falls die Schwangere im Bedarfsfall<br />

<strong>in</strong>nert 15-30 M<strong>in</strong>uten das Spital aufsuchen kann und ke<strong>in</strong>e Plazenta praevia totalis vorliegt.<br />

An<strong>der</strong>nfalls stationäre Überwachung bis zur Geburt.<br />

Vorzeitige Plazentalösung : Das Management ist abhängig vom Schweregrad <strong>der</strong> Lösung,<br />

dem Zustand <strong>der</strong> Mutter und dem K<strong>in</strong>d sowie dem Gestationsalter.<br />

• Aktiv: Bei bereits abgestorbenen Feten wird die vag<strong>in</strong>ale Entb<strong>in</strong>dung nach Amniotomie<br />

und Syntoc<strong>in</strong>on-Stimulation angestrebt. Im Falle e<strong>in</strong>es Couvelaire-Uterus ist dessen Kontraktilität<br />

bee<strong>in</strong>trächtigt und bei e<strong>in</strong>er Überstimulation besteht das Risiko e<strong>in</strong>er Ruptur.<br />

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<strong>Blutungen</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>2.</strong> <strong>Schwangerschaftshälfte</strong><br />

Seite 10<br />

Bei lebendem K<strong>in</strong>d steht die vag<strong>in</strong>ale Entb<strong>in</strong>dung nur <strong>in</strong> Ausnahmefällen zur Diskussion<br />

(normales CTG und rascher Geburtsverlauf). Bei ger<strong>in</strong>gradiger Lösung (Grade 0 und 1)<br />

kann unter Sectiobereitschaft auch e<strong>in</strong>e Geburtse<strong>in</strong>leitung mit Prostagland<strong>in</strong>en versucht<br />

werden. Wichtig s<strong>in</strong>d die kont<strong>in</strong>uierliche Überwachung und die Vermeidung e<strong>in</strong>er Überstimulation.<br />

Wichtig ist die Überwachung <strong>der</strong> mütterlichen Ger<strong>in</strong>nung, vor allem bei langer Geburtsdauer<br />

ist die Mutter durch e<strong>in</strong>e Ger<strong>in</strong>nungsstörung gefährdet.<br />

Bei höhergradiger Lösung mit fetaler Bee<strong>in</strong>trächtigung muss nach Stabilisierung <strong>der</strong> mütterlichen<br />

Kreislaufsituation rasch e<strong>in</strong>e Sectio erfolgen, da ansonsten die Prognose für das<br />

K<strong>in</strong>d verschlechtert wird. Bei e<strong>in</strong>er primären Sectio ist die per<strong>in</strong>atale Mortalität deutlich<br />

ger<strong>in</strong>ger als bei e<strong>in</strong>em vag<strong>in</strong>alen Geburtsversuch (16% vs., 52%).<br />

Bei starker mütterlicher Bee<strong>in</strong>trächtigung (Schock, Ger<strong>in</strong>nungsstörung, abdom<strong>in</strong>ale<br />

Schmerzen) und unreifer Zervix soll auch bei totem K<strong>in</strong>d rasch e<strong>in</strong>e Sectio durchgeführt<br />

werden. Bei Couvelaire-Uterus mit schlechter Kontraktilität kann ev. e<strong>in</strong>e Hysterektomie<br />

notwendig werden.<br />

• Abwartend: Bei Frühgeburtlichkeit kann expektativ vorgegangen werden, wenn dabei<br />

die Prognose für den Feten verbessert wird und die Mutter nicht zusätzlich gefährdet<br />

wird. Dies betrifft Fälle mit ger<strong>in</strong>ger Lösung (Grade 0 und 1), ger<strong>in</strong>ger Schmerzsymptomatik,<br />

stabilen mütterlichen Kreislaufverhältnissen und normalem CTG.<br />

Stationäre Überwachung; wichtig ist <strong>der</strong> Ausschluss e<strong>in</strong>er Wachstumsretardierung und<br />

das Vorliegen e<strong>in</strong>er normalen Fruchtwassermenge. Doppler-Sonographische Kontrollen<br />

<strong>der</strong> Nabelschnur-Durchblutung 2x/Woche.<br />

E<strong>in</strong>e Lungenreifung ist <strong>in</strong>diziert, die Rolle <strong>der</strong> Tokolyse wird kontrovers beurteilt.<br />

Wie<strong>der</strong>holte <strong>Blutungen</strong>, Schmerzen und Zeichen <strong>der</strong> fetalen Gefährdung sollen zur Beendigung<br />

<strong>der</strong> Schwangerschaft führen.<br />

• Uterusruptur: Bei drohen<strong>der</strong> Uterusruptur soll nach notfallmässiger Tokolyse rasch e<strong>in</strong>e<br />

Sectio durchgeführt werden.<br />

Bei e<strong>in</strong>getretener Uterusruptur ist e<strong>in</strong>e Blitz-Sectio über e<strong>in</strong>e mediane Unterbauchlaparoto-<br />

mie <strong>in</strong>diziert, e<strong>in</strong>erseits um Zeit zu sparen und an<strong>der</strong>erseits genügend Platz für die Explorati-<br />

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<strong>Blutungen</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>2.</strong> <strong>Schwangerschaftshälfte</strong><br />

Seite 11<br />

on des Abdomens nach Entfernung des K<strong>in</strong>des zu haben. Je nach Uteruswunde kann diese<br />

primär versorgt werden, <strong>in</strong> schweren Fällen (Blutung, ausgedehnte Zerreissungen) kann auch<br />

die Hysterektomie notwendig se<strong>in</strong>.<br />

• Vasa praevia: Die Blitz-Sectio ist die e<strong>in</strong>zige Chance, den Verblutungstod des K<strong>in</strong>des abzuwenden.<br />

8. Therapie <strong>der</strong> Komplikationen<br />

Als Komplikationen können sich hämorrhagischer Schock und Ger<strong>in</strong>nungsstörung ausbilden.<br />

• Hämorrhagischer Schock: Bei e<strong>in</strong>em Blutverlust > 1000ml ist mit dem Auftreten e<strong>in</strong>es<br />

Schockzustandes zu rechnen. Vor allem bei vorzeitiger Plazentlösung wird <strong>der</strong> Schweregrad<br />

<strong>der</strong> Blutung oft unterschätzt.<br />

Es gilt die Faustregel: Blutverlust = Volumen <strong>der</strong> Blutkoagula x3<br />

Als Folge <strong>der</strong> Hypovolämie s<strong>in</strong>d vor allem die Durchblutung von Nieren und Plazenta gefährdet.<br />

Überwachung <strong>der</strong> Kreislaufparameter, stündliche Messung <strong>der</strong> Ur<strong>in</strong>ausscheidung (> 60ml/h).<br />

Bei Blutverlust < 30% Gabe von kolloidalen und Elektrolytlösungen, bei Verlust > 30% Ec-<br />

Substitution.<br />

• Ger<strong>in</strong>nungsstörungen: Wichtig ist die Beseitigung <strong>der</strong> primären Ursache (dh. Uterusentleerung)<br />

sowie Volumen- und Erythrozyten-Ersatz.<br />

Thrombozyten-Substitution bei Tc-Zahl < 50'000/mm 3 . FFP bei Verbrauchskoagulopathie und<br />

Massentransfusion.<br />

Hepar<strong>in</strong> ist bei DIC aufgrund vorzeitiger Plazentalösung kontra<strong>in</strong>diziert.<br />

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