HocHmeister Zeitung - Evangelische Hochmeister-Kirchengemeinde
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Seite 6<br />
Ü b e r d e n K i r c h t u r m h i n a u s<br />
Hermann Hesse, 1877–1962<br />
Fantasievolles und rebellisches Kind – Kriegsgegner – Schriftsteller – Maler<br />
Vor 135 Jahren, am 2, Juli<br />
1877 wurde Hermann Hesse<br />
in Calw/Schweiz geboren<br />
und am 9. August jährt sich der 50.<br />
Todestag.<br />
Hesse stammte aus einer christlichen<br />
Missionarsfamilie. Es war eine behütete<br />
und intellektuelle Familienatmosphäre.<br />
Sehr früh schon zeichnete sich sein<br />
fantasievolles und ausdrucksstarkes<br />
Temperament ab. Schon im August<br />
1981 schrieb die Mutter in einem<br />
Brief an den Ehemann: „Ihm mangelt<br />
es nicht an Gedicht-Ideen, und er<br />
zeichnet wunderbare Bilder“.<br />
Umzüge der Eltern brachten<br />
einen häufigen Schulwechsel<br />
mit sich: Internatsschule in Basel,<br />
Calwer Lateinschule, Lateinschule in<br />
Göppingen, Staatsexamen in Stuttgart<br />
und letztendlich das evangelisch-theologische<br />
Seminar in Maulbronn. Hier<br />
kam sein rebellischer Charakter zum<br />
Durchbruch. Er entwich aus dem<br />
Seminar und wurde einen Tag später<br />
auf freiem Feld aufgegriffen. Heftige<br />
Konflikte mit den Eltern führten zu<br />
einer Odyssee durch verschiedene<br />
Lehranstalten und Schulen. Eine heftige<br />
depressive Phase führte im Mai<br />
1892 zu einem Selbstmordversuch mit<br />
einem Revolver, der jedoch durch den<br />
Theologen und Seelsorger Christoph<br />
Friedrich Blumhardt verhindert werden<br />
konnte. Die Eltern brachten ihn<br />
in eine Nervenheilanstalt im Remstal.<br />
Pubertärer Trotz, Einsamkeit und das<br />
Gefühl von seiner Familie unverstanden<br />
und verstoßen zu sein ließen ihn<br />
einen Brief an der Vater schreiben,<br />
der mit „Sehr geehrter Herr“ begann<br />
und in einem aggressiven und sarkastischen<br />
Ton abgefasst war. Er wies<br />
dem Vater schon im Vorfeld die Schuld<br />
für Verbrechen zu, die er, Hermann<br />
Hesse, in Folge des Aufenthaltes in<br />
der Anstalt begehen würde. Er mache<br />
sich Gedanken, wer in dieser ganzen<br />
Angelegenheit der Schwachsinnige sei.<br />
Er fühlte sich von Gott, den Eltern und<br />
der Welt verlassen. In der starren pietistisch-religiösen<br />
Tradition der Eltern<br />
sah er nur noch Scheinheiligkeit.<br />
1982 besuchte er das Gymnasium<br />
in Cannstatt. Er bestand zwar das<br />
Einjährigen Examen, brach dann<br />
aber wieder ab. Auch die erste<br />
Buchhändlerlehre in Esslingen wurde<br />
von ihm abgebrochen. Schul- und<br />
weitere Lehrabbrüche zeichnen seinen<br />
jungen Lebensweg. Immer mehr<br />
verfestigte sich in ihm der Drang zur<br />
Literatur. Er brauchte die geistige<br />
Auseinandersetzung. Tübingen brachte<br />
die Wende, eine neue Buchhändlerlehre<br />
verbunden mit dem Vorsatz nun ernsthaft<br />
zu arbeiten. Die Erfahrungen<br />
seiner Jugend hat er später in seinem<br />
Roman „Unterm Rad“ verarbeitet.<br />
Bis 1901 arbeitete er in den unterschiedlichsten<br />
Buchhandlungen. Dann<br />
erfüllte er sich einen großen Traum,<br />
eine Reise nach Italien. Diese Reise<br />
– sowie die späteren folgenden –<br />
haben ihn geprägt. Er begann kleinere<br />
literarische Texte und Gedichte zu<br />
schreiben und in Zeitschriften zu veröffentlichen.<br />
Er heiratete die Baseler<br />
Fotografin Marie Bernoulli und sein<br />
Roman „Peter Camenzind“ brachte<br />
den Durchbruch. Er konnte als freier<br />
Schriftsteller leben und arbeiten.<br />
Aber nicht nur Hesse, auch seine Frau<br />
waren mit immer wieder kehrenden<br />
psychischen Krisen behaftet und so<br />
scheiterte die Ehe 1923.<br />
Sein Leben war geprägt von dem<br />
Drang sich auszudrücken, Schreiben,<br />
Malen, Reisen und der Suche nach<br />
Heimat. Seine „neue Heimat“ fand<br />
er schließlich im Tessin, wo er bis<br />
1962 lebte und auch verstarb. Der<br />
Ausbruch des ersten Weltkrieges<br />
brachte ihn in heftige politische<br />
Auseinandersetzungen. Er appellierte<br />
1914 in der Neuen Zürcher <strong>Zeitung</strong><br />
an die deutschen Intellektuellen mit<br />
dem Aufsatz „O Freunde, nicht diese<br />
Töne“, doch bitte nicht in nationalistische<br />
Polemik zu verfallen. Die<br />
deutsche Presse sagte sich von ihm<br />
los und er wurde mit Hass- und<br />
Drohbriefen attackiert. Die Folgezeit<br />
bezeichnet er selbst als große Wende<br />
in seinem Leben. Sein Standpunkt<br />
hatte sich jedoch gefestigt: Er war<br />
und blieb Kriegsgegner, politisch ausgegrenzt<br />
und wieder einmal seelisch<br />
verarmt. Er wurde zum Außenseiter<br />
und Aussteiger und verfiel in einen<br />
wahren Arbeitsrausch. Seinen Roman<br />
„Demian“ verfasste er in nur drei<br />
Wochen und veröffentlichte ihn<br />
1919 – nach Kriegsende – unter dem<br />
Pseudonym Emil Sinclair.<br />
Hermann Hesse wurde anerkannt und<br />
es entwickelten sich Freundschaften<br />
zu Thomas Mann, Bertold Brecht,<br />
Martin Buber, zu weiteren Literaten,<br />
Verlegern und Musikern. 1931 begann<br />
er mit der Arbeit zu seinem letzten<br />
großen Werk „das Glasperlenspiel“.<br />
Seine Antikriegs- und antinationalsozialistische<br />
Haltung brachten ihm<br />
im Deutschland der beiden Weltkriege<br />
immer wieder Angriffe seitens der<br />
Presse und der politischen Machthaber<br />
ein. Ab 1937 konnte Hesse nur noch<br />
„unter dem Ladentisch“ erworben<br />
werden.<br />
Nach dem Krieg wurde Hesse<br />
jedoch bei einem großen Teil der<br />
Bevölkerung – besonders bei der<br />
Fortsetzung auf Seite 7