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Unterfränkische Schule - BLLV

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Auslese für Südafrika<br />

Beratungslehrer Andreas Liebald zum Thema Leistung<br />

Jetzt ist es wieder soweit. Alles dreht<br />

sich um einen runden Gegenstand, der in<br />

ein Netz getrieben werden soll. Und jetzt<br />

schon bewegt die Fußballweltmeisterschaft<br />

die Gemüter: Hat Jogi Löw den<br />

richtigen Kader gewählt? Hütet der richtige<br />

Torhüter das Netz? Entscheidend für<br />

die Auswahl der Spieler ist eindeutig das<br />

Leistungsprinzip. Wer in der Liga Spitzenleistungen<br />

bringt, darf mitspielen.<br />

Leistung lohnt sich. Dieses Prinzip ist<br />

beim Fußball unumstritten. Obwohl ...<br />

Warum fährt Kevin Kuranyi eigentlich nicht<br />

mit? Gute Leistung bringt er definitiv und<br />

die Mitbewerber sitzen oft nur auf der<br />

Reservebank. Aber da gab es einen kleinen<br />

Vorfall, der den Bundestrainer auf die<br />

Palme gebracht hat. Republikflucht oder<br />

so ähnlich lautete der Vorwurf. Die Spieler<br />

müssen also Leistung bringen und sich<br />

auch in das System fügen. Das System,<br />

die Philosophie, das war auch das Argument,<br />

mit dem bei der letzten Weltmeisterschaft<br />

Oliver Kahn seinen Platz im Tor an<br />

Jens Lehmann abtreten musste.<br />

Gefragt ist also Leistung und Konformität.<br />

Wie schwer es ist, bei diesem Geschäft<br />

mitzuschwimmen und ständig Höchstleistung<br />

zu geben, hat nicht zuletzt der tragische<br />

Selbstmord von Robert Enke<br />

gezeigt. Ein sensibler Mensch hat es nicht<br />

mehr ausgehalten, ständig in bester Form<br />

zu sein, ständig in der Kritik zu<br />

stehen, ständig sich behaupten zu<br />

müssen. Das System Fußball verlangt<br />

seine Opfer. Nicht jeder<br />

kann ständig unter Anspannung<br />

leben und die eigenen Möglichkeiten<br />

ausreizen.<br />

Das was im Leistungssport verlangt<br />

wird, ist nicht weit entfernt<br />

von dem, was unser Schulsystem<br />

von den Kindern verlangt. <strong>Schule</strong><br />

ist kein Schonraum, in dem Kinder<br />

in Ruhe lernen können, in dem sie<br />

die Grundfertigkeiten für ihr Leben<br />

erwerben. Schon vor Beginn der<br />

Schulzeit steht für viele Eltern die<br />

Frage der richtigen <strong>Schule</strong> im Vordergrund.<br />

Manche Eltern wollen<br />

ihr Kind um ein Jahr zurückstellen, weil<br />

früh eingeschulte Kinder mit einer geringeren<br />

Wahrscheinlichkeit ans Gymnasium<br />

oder an die Realschule wechseln als später<br />

eingeschulte. Die Grundschule wird zur<br />

Rennstrecke fürs Gymnasium.<br />

Und wie immer in leistungsorientierten<br />

Systemen gibt es Gewinner und Verlierer.<br />

Die Gewinner setzen sich durch und bringen<br />

die geforderte Leistung, die Verlierer<br />

fallen immer weiter zurück. Die Entwicklungspsychologie<br />

kennt den Begriff der<br />

„sich kumulierenden Vorkenntnisdefizite“.<br />

Unterschiede in der Leistungsfähigkeit<br />

werden im Lauf der Schulzeit nicht kleiner<br />

sondern größer. Defizite bei der Einschulung<br />

führen zu immer größeren Rückständen.<br />

Sollte <strong>Schule</strong> nicht eigentlich Defizite ausgleichen<br />

und Schwächen fördern? Auch<br />

internationale Studien belegen, dass in<br />

Deutschland die Unterschiede in der<br />

sozialen Herkunft durch die <strong>Schule</strong> verstärkt<br />

und nicht abgebaut werden. Welche<br />

Anstrengungen unternehmen die Kultuspolitiker,<br />

um Rückstände auszugleichen,<br />

statt sie zu verstärken? Möglich ist es, das<br />

zeigt uns der Blick in andere Länder. Dazu<br />

Thema<br />

sind allerdings Maßnahmen erforderlich,<br />

zu denen besonders die bayerischen Politiker<br />

nicht bereit sind. Es gibt zu wenige<br />

Fördermöglichkeiten durch Förderlehrer,<br />

durch den mobilen sonderpädagogischen<br />

Dienst und andere Fachdienste. Die Klassenlehrer<br />

schauen genau hin, sie sehen,<br />

wo Förderung nötig ist. Wenn sie sich<br />

aber zu viel Zeit für die Schwächeren nehmen,<br />

sitzen ihnen die Eltern im Nacken,<br />

die nur den Übertritt im Auge haben.<br />

Wenn schon zu Beginn der Grundschulzeit<br />

auf die Schullaufbahn nach der vierten<br />

Klasse geschielt wird, statt alle Kinder<br />

angemessen zu fördern, kommen zwangsläufig<br />

die Kinder unter die Räder, die Zeit<br />

brauchen, die Defizite haben, die nicht in<br />

das Leistungssystem passen.<br />

Ein Schulsystem, das zehnjährige Kinder<br />

sortiert, kann nicht angemessen fördern.<br />

Es ist höchste Zeit, dass sich Politiker<br />

weniger um Selektion kümmern, sondern<br />

dass sie Kindern in einem fördernden Rahmen<br />

Zeit geben, ihre Stärken zu entwickeln<br />

und Defizite auszugleichen, statt<br />

immer die Verlierer zu bleiben. Unsere Kinder<br />

haben es alle verdient, dass sie mitspielen<br />

und nicht auf der Reservebank sitzen.<br />

<strong>Unterfränkische</strong> <strong>Schule</strong> Ausgabe 12 Juni 2010<br />

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