Mieterpost 03/2010 - HWG
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12 MIETER & IHRE GESCHICHTEN<br />
Holgers Wohnhaus Gerüchte<br />
Schöne Bescherung<br />
Schon Konfuzius wusste: Am Baum<br />
der guten Vorsätze gibt es viele Blüten,<br />
aber wenig Früchte. Und da<br />
auch ich mir immer wieder Dinge<br />
fürs neue Jahr vornehme, habe ich<br />
mir einmal intensivere Gedanken<br />
zu diesem Thema gemacht. Einer<br />
der häufigsten Neujahrsvorsätze<br />
ist nicht etwa mit dem Rauchen<br />
aufzuhören oder mehr Gehalt vom<br />
Chef zu fordern, sondern es etwas<br />
ruhiger angehen<br />
zu lassen.<br />
Doch genau da<br />
liegt das Problem.<br />
Denn der<br />
Jahresanfang<br />
beginnt meist<br />
alles andere<br />
als entspannt.<br />
Es ist nämlich Zeit für den großen<br />
Geschenke-Umtausch!<br />
Ganze Einkaufspassagen befinden<br />
sich bereits kurz nach dem Weihnachtsfest<br />
im Ausnahmezustand.<br />
Man sieht genervte Mütter mit ihren<br />
Kindern an der Hand auf dem Weg<br />
zum Modegeschäft, um den Pullover<br />
mit dem süßen „Hello Kitty“-<br />
Motiv umzutauschen. Männer, die<br />
flehend auf ihre Frauen einreden,<br />
dass sie doch bitte bei den Computern<br />
und Hifi-Geräten warten dürfen.<br />
Nein, stattdessen geht es mit in die<br />
Deko-Abteilung, um für den von Tante<br />
Helga geschenkten, mintgrünen<br />
Laubfrosch etwas anderes „Schönes“<br />
auszusuchen. Zum Schluss<br />
sind dann da noch die armen Angestellten,<br />
die den Kunden erklären<br />
müssen, dass man die zu kleinen<br />
allerdings schon ausgepackten<br />
Windeln einfach nicht zurückgeben<br />
kann. Doch trösten Sie sich. Jede<br />
Umtauschaktion geht irgendwann<br />
einmal zu Ende.<br />
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen<br />
und Ihrer Familie im Namen des<br />
Teams von Radio Brocken eine<br />
schöne Weihnachtszeit, einen guten<br />
Rutsch ins neue Jahr, und wer weiß,<br />
eventuell sehen wir uns ja demnächst<br />
irgendwo beim Geschenke-<br />
Umtausch.<br />
Wir hören uns!<br />
Ihr Holger Tapper<br />
Mieter der <strong>HWG</strong><br />
Fünf Jahrzehnte<br />
werkeln am<br />
eigenen Glück<br />
Die Reppes fühlen sich nach viel<br />
investierter Kraft in der Merseburger rseburger<br />
Straße 265 wohl<br />
Janina Koch, Susann Schult, Katja<br />
Hoffmann und Josephine Pleß<br />
(v. l.) gratulieren Wolfgang Reppe<br />
als Gewinner bei der Umfrage zu<br />
den <strong>HWG</strong>-Mieterfesten.<br />
Eva-Marie und Wolfgang Reppe haben n in<br />
den letzten 49 Jahren in der Stalinallee allee<br />
221, der Leninallee 293 und in der Mer<br />
seburger Straße 265 gelebt. Umgezogen sind sie<br />
dabei aber nie. Noch immer wohnt der 79-Jährige<br />
mit seiner drei Jahre jüngeren Frau im Erdgeschoss<br />
des drei Etagen hohen Gebäudes im Süden Halles.<br />
Sie sind all die Jahre geblieben, nur die Zeiten<br />
änderten sich eben. Und mit ihnen manchmal<br />
die Straßennamen. Wolfgang Reppe kann Bände<br />
erzählen über das halbe Jahrhundert in dem<br />
Haus, das wohl Anfang der zwanziger Jahre gebaut<br />
wurde. „1923 könnte stimmen, wir haben mal bei<br />
Bauarbeiten eine Zeitung aus dem Inflationsjahr<br />
gefunden. Da hatte wohl jemand vom Bau seine<br />
Stullen eingewickelt ...“, witzelt der rüstige Senior.<br />
Zwei Ordner mit Fotografien aus den letzten<br />
50 Jahren liegen auf dem Tisch, akribisch hat der<br />
einstige Mitarbeiter der Halleschen Verkehrsbetriebe<br />
jede Änderung in der und um die Wohnung<br />
für die Nachwelt festgehalten. Wie jene Zeit, als<br />
die gegenüberliegenden Häuser in der Theodor-<br />
Neubauer-Straße gerade gebaut wurden.<br />
Dass die Reppes 1961 die 3-Raum-Wohnung überhaupt<br />
bekommen haben, verdanken sie wohl<br />
ihrer Hartnäckigkeit. Jung verheiratet landete das<br />
Dresdner Paar 1958 in Halle. Nach drei Jahren in<br />
einem Zimmer zur Untermiete und vergeblicher<br />
Suche in einer von Wohnungsnot geprägten Stadt<br />
wollte das Paar die Saale-Stadt wieder verlassen.<br />
Es gelang Wolfgang Reppes damaligem Betriebsleiter<br />
dann doch noch, diese Wohnung zu besorgen.<br />
„Aber in Schlaf- und Arbeitszimmer gab es<br />
keinen Ofen.“<br />
Also investierte das Ehepaar in den darauffolgenden<br />
Jahren Energie und Geld so gut es ging, um<br />
es sich wohnlicher zu machen. Der alte Ausguss<br />
<strong>HWG</strong> MIETERPOST AUSGABE 3 | <strong>2010</strong><br />
machte eeiner<br />
Dop-<br />
pelspüle aus Keram Keramik Platz.<br />
Kollegen in der Stellmacher-Werkstatt Stellmacher Werk der<br />
Verkehrsbetriebe bauten nach Feierabend und<br />
gegen Bezahlung ein neues Küchenfenster, weil<br />
das alte fast auseinanderfiel. Ein Fortschritt war<br />
auch ein kleiner Durchlauferhitzer in der Küche.<br />
Über Verwandte im Westen besorgte sich Wolfgang<br />
Reppe nach Genehmigung des VEB Gebäudewirtschaft<br />
Halle sogar zwei Außenwandheizungen,<br />
die das Leben vor allem in den kalten<br />
Monaten einfacher machten. Als 1991 für Modernisierungen<br />
Baumaterial und Geräte im Überfluss<br />
zu bekommen waren, modernisierten die Reppes<br />
schließlich ihre Wohnung auf eigene Kosten –<br />
inklusive Fliesenspiegel und Etagenheizung. Das<br />
wiederum machte die Sanierung des Hauses im<br />
Jahr 1997 etwas komplizierter. Reppes brauchten<br />
keinen Anschluss an die zentrale Sammelheizung,<br />
aber durch ihre Erdgeschosswohnung mussten<br />
die entsprechenden Versorgungsstränge für die<br />
darüberliegenden Wohnungen verlegt werden.<br />
Das Ehepaar gab schließlich ein paar Quadratmeter<br />
Küchenraum ab und fühlt sich noch heute<br />
wohl in seiner vor dreizehn Jahren sanierten,<br />
65 Quadratmeter großen Wohnung. „Weg wollen<br />
wir nach so langer Zeit bestimmt nicht mehr“, versichert<br />
Wolfgang Reppe.<br />
Seit 1997<br />
saniert: Das<br />
<strong>HWG</strong>-Haus an<br />
der Mündung<br />
der Theodor-<br />
Neubauer-Straße<br />
auf die Merseburger<br />
Straße.