Ausgabe 1/2009 - Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft
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von Werner Rügemer<br />
Wenn die Finanzakteure, insbesondere<br />
die Banken, sich gerade<br />
jetzt in ihrer bisher freiesten<br />
Phase selbst als handlungsunfähig<br />
erklären <strong>und</strong> die Rettung<br />
beim f<strong>und</strong>amentalistisch kritisierten<br />
Staat suchen, dann müssen<br />
sie wirklich am Ende sein.<br />
Gemessen am eigenen Selbstverständnis<br />
hat das Kapital seinen<br />
Bankrott erklärt.<br />
Nichts wäre systemgerechter<br />
als dass jede zahlungsunfähige<br />
Bank zum Insolvenzrichter geht<br />
oder mit sanfter Gewalt dorthin<br />
begleitet wird. Gerade das aber<br />
passiert nicht. Insolvenzverschleppung<br />
ist eine Straftat, wäre<br />
dies sogar auch in einem betriebswirtschaftlich<br />
gut geführten<br />
Sozialismus. Aber der jetzige, eigentlich<br />
handlungsunfähige Staat<br />
sorgt hurtig <strong>und</strong> eilfertig für die<br />
Brechung seiner eigenen Gesetze.<br />
Und auch die EU-Markt-F<strong>und</strong>is<br />
sind plötzlich ganz flexibel von<br />
der Richtigkeit der Verfahren<br />
überzeugt, die sie bisher verteufelt<br />
haben.<br />
So manche KritikerInnen, die<br />
den „Marktradikalismus“ der<br />
Neoliberalen heftig attackierten,<br />
müssen nun erfahren, dass die<br />
„Marktradikalen“ in Sek<strong>und</strong>enschnelle<br />
zu Staatsradikalen<br />
mutierten <strong>und</strong> dabei offensichtlich<br />
keinerlei Argumentationsprobleme<br />
hatten. Man muss<br />
aber nur genauer hinsehen bzw.<br />
bisher hingesehen haben. In<br />
KOMMENTAR<br />
Verhindert die Bankenrettung!<br />
Wirklichkeit hat die neoliberale<br />
Wirtschaft unter Führung<br />
der Finanzakteure von<br />
vornherein auf die Vollkasko-<br />
Methode gesetzt: volle private<br />
Freiheit <strong>und</strong> volle staatliche<br />
Absicherung.<br />
„Als angemessene kalkulatorische<br />
Verzinsung des von<br />
den Privaten eingesetzten<br />
Eigenkapitals gilt die durchschnittliche<br />
Rendite zehnjähriger<br />
deutscher B<strong>und</strong>esanleihen…<br />
zuzüglich eines<br />
jeweiligen, dem unternehmerischen<br />
Risiko angemessenen<br />
Risikozuschlags“, lautet § 3<br />
Absatz 4 des Gesetzes über<br />
den Bau <strong>und</strong> die Finanzierung<br />
von B<strong>und</strong>esfernstraßen<br />
durch Private, beschlossen<br />
1994 vom B<strong>und</strong>estag auf<br />
Initiative von CDU <strong>und</strong> FDP.<br />
Das gilt, wenn Baukonzerne<br />
<strong>und</strong> Banken den Bau <strong>und</strong><br />
die Finanzierung von Straßen<br />
übernehmen. Staatlich<br />
garantierter Risikozuschlag!<br />
Eigentlich nicht nur nach neoliberaler<br />
Lehre der Widerspruch<br />
in sich selbst. Macht<br />
aber nichts. Ist aber genau<br />
das, was die wollten. Und<br />
jetzt bekommen.<br />
Diese staatliche Gewinn-<br />
Garantie <strong>und</strong> Risiko-Absicherung<br />
findet sich<br />
standardisiert bei allen<br />
Privatisierungen, z.B. in den<br />
Entsorgungsverträgen der<br />
Städte mit privaten Müllofenbetreibern.<br />
Für die In-<br />
SEITE 5<br />
vestoren RWE <strong>und</strong> Veolia, die<br />
im Jahre 2000 die Hälfte der<br />
Berliner Wasserbetriebe für 30<br />
Jahre gekauft haben, gilt dieselbe<br />
Garantie: Wenn die Preise<br />
<strong>und</strong> Gebühren für Trinkwasser<br />
<strong>und</strong> Abwasser es nicht hergeben,<br />
dann muss aus dem<br />
Landeshaushalt nachgeschossen<br />
werden. Und so weiter <strong>und</strong><br />
so fort. Da haben halt auch die<br />
linken Kritiker des „Marktradikalismus“<br />
sich nur an der<br />
Theorie abgearbeitet <strong>und</strong> nicht<br />
an der Praxis.<br />
Ob die Chipwerke von Advanced<br />
Micro Devices in Dresden<br />
oder das Handywerk von<br />
Nokia in Bochum – welcher Investor<br />
baut noch irgendeine Fabrik,<br />
die nicht möglichst weitgehend<br />
vom Staat mitfinanziert