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Falk Gastro-Kolleg Pädiatrische Gastro - Dr. Falk Pharma GmbH

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Morbus Crohn im<br />

Kindes- und Jugendalter<br />

Zusammenfassung<br />

Die Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit Morbus Crohn ist aufgrund der<br />

epidemiologischen Entwicklung sowie wegen der z. T. gravierenden Auswirkungen der<br />

Krankheit auf die Lebensqualität und Entwicklung Heranwachsender eine anspruchsvolle<br />

medizinische Herausforderung. Der sich mit offensichtlich steigender Inzidenz in<br />

immer jüngere Lebensabschnitte verlagernde Morbus Crohn fordert die Beachtung der<br />

physiologischen Besonderheiten chronisch kranker Kinder und die Erfüllung ihres<br />

„Rechtsanspruchs“ auf kompetente und qualifizierte medizinische Versorgung: Kinder<br />

sind keine kleinen Erwachsenen!<br />

Die absolut notwendige und von Kindergastroenterologen fast nahezu empirisch<br />

favorisierte Individualisierung der Therapie bei jedem einzelnen Kind erfährt derzeit<br />

durch Ansätze zur Erforschung verschiedener Geno- und Phänotypen der Krankheit eine<br />

wissenschaftliche Begründung und wird perspektivisch zu einer nebenwirkungsärmeren<br />

und dennoch effektiveren Behandlung führen.<br />

Die Gesellschaft für <strong>Pädiatrische</strong> <strong>Gastro</strong>enterologie und Ernährung (www.gpge.de)<br />

bemüht sich derzeit nachhaltig um die Verbesserung der strukturellen Voraussetzungen<br />

zur Optimierung der medizinischen Betreuung von Kindern und Jugendlichen mit CED.<br />

Schlüsselwörter<br />

Morbus Crohn | Kindesalter | adäquate Diagnostik und Therapie<br />

<strong>Falk</strong><br />

<strong>Gastro</strong>-<strong>Kolleg</strong><br />

<strong>Pädiatrische</strong><br />

<strong>Gastro</strong>enterologie<br />

Prof. <strong>Dr</strong>. M. Radke<br />

<strong>Gastro</strong>enterologe für Kinder<br />

und Jugendliche<br />

Klinikum Ernst von Bergmann<br />

Charlottenstr. 72<br />

14467 Potsdam<br />

Fragebeantwortung unter<br />

www.falkfoundation.de<br />

<strong>Falk</strong> <strong>Gastro</strong>-<strong>Kolleg</strong><br />

37


Morbus Crohn im Kindes- und Jugendalter<br />

Einleitung<br />

Chronisch entzündliche Darmerkrankungen (CED) sind in den entwickelten Industrienationen<br />

innerhalb von etwa 50 Jahren zu den häufigsten chronischen Krankheiten<br />

des <strong>Gastro</strong>enterons im Kindes- und Jugendalter geworden. Etwa 0% aller an CED<br />

leidenden Menschen sind jünger als 8 Jahre, und etwa ein <strong>Dr</strong>ittel aller CED werden<br />

innerhalb der ersten 2 Lebensdezennien diagnostiziert. Das Interesse von Kindergastroenterologen<br />

an diesen Krankheiten ist daher zwangsläufig gestiegen. Der fachliche<br />

Fokus lag bis in die jüngere Vergangenheit vor allem darin, diagnostische und<br />

therapeutische Daten aus der Erwachsenen-<strong>Gastro</strong>enterologie an die Bedingungen<br />

und Besonderheiten bei Kindern und Jugendlichen mit CED zu adaptieren und für<br />

diese Patientengruppe nutzbringend in die klinische Praxis zu integrieren. Die Gründe<br />

für diese Entwicklung lagen in der geringeren Inzidenz und Prävalenz von CED im<br />

Vergleich zu Erwachsenen, dem damit zusammenhängenden Mangel an validen<br />

Daten aus kontrollierten Therapiestudien bei Kindern und Jugendlichen mit CED sowie<br />

an ethischen und administrativen Hemmnissen zur Durchführung von Studien in<br />

dieser Altersgruppe. Neue Erkenntnisse der Grundlagenforschung zu Epidemiologie,<br />

Immunologie und Genetik des Morbus Crohn (MC) sowie Neuentwicklungen von<br />

therapeutisch nutzbaren sog. „Biologicals“ machen CED und besonders den MC bei<br />

Kindern und Jugendlichen zu einer medizinischen Herausforderung von hohem<br />

Stellenwert.<br />

Epidemiologie/Strukturfragen der medizinischen Versorgung<br />

Beobachtungen, wonach der MC in jüngeren Altersabschnitten zunimmt, sind durch<br />

mehrere retro- und prospektive Studien belegt worden. Danach ist in den entwickelten<br />

Industrienationen Westeuropas und Nordamerikas von einer erheblichen Zunahme<br />

der MC-Inzidenz innerhalb weniger Jahrzehnte auszugehen. Sie betrug vor etwa<br />

30 Jahren 0, und stieg bis zum Jahr 2003 auf 4,6 Erkrankungsfälle bei Kindern und<br />

Jugendlichen pro 00.000 Einwohner und Jahr an. Die Häufigkeit des MC nahm damit<br />

doppelt so stark zu, wie jene der Colitis ulcerosa (CU).<br />

Die kritische Analyse der Methodik und Vergleichbarkeit epidemiologischer Studien<br />

hinsichtlich diagnostischer Kriterien, untersuchter Altersgruppen, Populationsumfang,<br />

Untersuchungszeitraum, ethnischer Unterschiede und Studiendesign ändern an<br />

der Grundaussage einer erheblichen Zunahme des MC im Kindes- und Jugendalter<br />

kaum etwas.<br />

Die wissenschaftliche Aufarbeitung der Ursachen dieser Entwicklung ist für das Verständnis<br />

von Ätiologie, Pathogenese und natürlichem Verlauf des MC prospektiv aus<br />

folgenden Gründen wichtig:<br />

• Genetische Risiken mit Beeinträchtigung der Funktionen des Immunsystems sind<br />

bei MC im Kindes- und Jugendalter möglicherweise stärker als bisher zu gewichten<br />

und können zum Verständnis der Genese aber auch zur einer Individualisierung der<br />

Therapie der Erkrankung beitragen.<br />

• Kinder und Jugendliche stellen eine „homogenere“ Untersuchungspopulation dar,<br />

in der Umwelt- und andere Einflüsse eine geringere Rolle spielen als im höheren<br />

Lebensalter.<br />

• Die Erhebung objektiver Daten bei Kindern und Jugendlichen mit MC eröffnet eine<br />

gute Quelle für prospektive Langzeitstudien mit Rückschlüssen auf das Erwachsenenalter.<br />

P Der Morbus Crohn hat seit etwa 1970<br />

in den entwickelten Industrienationen<br />

bei Kindern und Jugendlichen<br />

erheblich zugenommen.<br />

38


Nach Vorarbeiten im Freistaat Sachsen (Sächsisches CED-Register für Kinder und<br />

Jugendliche) wurde durch die Gesellschaft für <strong>Pädiatrische</strong> <strong>Gastro</strong>enterologie und<br />

Ernährung (GPGE) am .7.2004 in Deutschland das CEDATA-Projekt mit folgenden<br />

Zielsetzungen gestartet:<br />

• Erhebung und Validierung klinisch-epidemiologischer Daten über CED im Kindes-<br />

und Jugendalter<br />

• Verbesserung und Sicherung der medizinischen Behandlungsqualität<br />

• Standardisierung von Diagnostik und Therapie<br />

• Erfassung und Erarbeitung von Maßnahmen zur Verbesserung der Lebensqualität<br />

der Patienten und ihrer Familien<br />

• Koordinierung und Durchführung wissenschaftlicher Studien<br />

In die Datenerfassung sind derzeit über 60 Zentren in Deutschland, Österreich und<br />

der Schweiz involviert, mit Stand vom .4.2006 waren Datensätze von 629 Kindern<br />

und Jugendlichen mit CED verfügbar, davon mehr als 56% mit MC.<br />

Durch diese Aktivität, durch Forcierung der Öffentlichkeitsarbeit und ein stärkeres<br />

Engagement für die Fort- und Weiterbildung erhofft sich die GPGE mittelfristig eine<br />

spürbare Verbesserung der medizinischen Versorgung von Kindern und Jugendlichen<br />

mit MC in Deutschland. Ein Schlüssel hierzu ist der Erwerb der in fast allen Landesärztekammern<br />

etablierten Zusatzbezeichnung „Kindergastroenterologe“ nach einer<br />

8-monatigen Weiterbildungsphase an einem kindergastroenterologischen Zentrum<br />

(www.gpge.de).<br />

Ätiologie: Morbus Crohn – Folge eines angeborenen Immundefekts?<br />

In den letzten 20 Jahren sind eine Reihe von Tiermodellen mit genetischem Hintergrund<br />

(IL-2- und IL- 0-Gen-knockout-, T-Zellrezeptor-knockout-, HLA-B27-transgene<br />

Mäuse) entwickelt worden, die gezeigt haben, dass ganz offensichtlich nicht ein einzelnes<br />

Gen allein für die Genese des MC verantwortlich ist, sondern dass in die Ätiologie<br />

und Pathogenese chronisch entzündlicher Darmerkrankungen (CED) insgesamt<br />

eine größere Anzahl genetischer Mutationen involviert ist. Für die Wirksamkeit mehrerer<br />

Genmutationen als Risikofaktoren für CED spricht u. a. die erhebliche Variabilität<br />

des Phänotyps des MC, die sich im Kindes- und Jugendalter quasi modellhaft an folgenden<br />

Kriterien offenbart:<br />

• Manifestationsalter<br />

• Ausdehnung der Erkrankung im <strong>Gastro</strong>enteron bei Primärmanifestation<br />

• Symptomausprägung, Intensität und natürlicher Verlauf der Krankheit<br />

• extraintestinale Organbeteiligung<br />

• Häufigkeit, Schwere und Dauer akuter Schübe<br />

• Notwendigkeit einer multimodalen Therapie<br />

• Dosierung der antiinflammatorischen und immunsuppressiven Medikation<br />

• Ansprechen auf eine Immunsuppression und ihr lebenslanger (?) Bedarf<br />

Dass Gendefekte bei MC ätiologisch eine Rolle spielen, wurde an der Identifizierung<br />

des NOD2-Gens gezeigt, welches die Modulation der primären Immunantwort auf<br />

mikrobielle Antigene kodiert. Es scheinen allerdings noch eine Reihe weiterer CEDassoziierter<br />

genetischer Mutationen zu existieren, was jedenfalls ihr Nachweis bei Kindern<br />

mit Immundefekten nahelegt. Einige der resultierenden Gendefekte (Tab. ) sind<br />

z. T. sehr selten, sie betreffen oft sehr junge Kinder und sind demzufolge kaum oder<br />

gar nicht bekannt. Möglicherweise liegt in der Identifizierung ihrer Wirkungsweise<br />

und Funktion ein Schlüssel zur Klärung der Pathogenese der CED. Ein Teil dieser genetisch<br />

bedingten Störungen verursacht MC-identische bzw. MC-ähnliche gastrointestinale<br />

Symptome.<br />

P Strukturelle Defizite bei der<br />

medizinischen Versorgung von Kindern<br />

und Jugendlichen mit chronisch<br />

entzündlichen Darmerkrankungen<br />

in Deutschland unverkennbar.<br />

P Morbus Crohn im Kindesalter –<br />

mögliches Modell für wissenschaftlichen<br />

Fortschritt bei der Klärung der<br />

Ätiologie und Pathogenese dieser<br />

Autoimmunkrankheit.<br />

39


Diagnostik<br />

Eine Arbeitsgruppe (IBD Working Group) der European Society for Paediatric <strong>Gastro</strong>enterology,<br />

Hepatology and Nutrition (ESPGHAN) hat anlässlich ihrer Jahrestagung<br />

2005 in Porto (Portugal) Empfehlungen zur Diagnostik von CED (MC) im Kindes- und<br />

Jugendalter verabschiedet (Porto-Kriterien). Folgende Überlegungen standen hierbei<br />

im Mittelpunkt:<br />

Anamnese<br />

Bei Kindern und Jugendlichen soll eine CED vermutet und ausgeschlossen werden,<br />

wenn folgende Symptome über einen Zeitraum von ≥ 4 Wochen bestehen bzw. 2<br />

oder mehr Episoden innerhalb von 6 Monaten auftreten: Bauchschmerzen, Durchfall,<br />

rektaler Blutabgang, Gewichtsverlust.<br />

Cave: Nach den Ergebnissen einer Studie mit insgesamt 623 Kindern und Jugendlichen<br />

mit CED ist für eine möglichst frühe Diagnosestellung des MC unbedingt zu<br />

beachten, dass die klassische Symptomtrias, bestehend aus Bauchschmerzen, Durchfall<br />

und Gewichtsverlust nur bei einer Minderheit von etwa 25% der heranwachsenden<br />

Patienten dokumentiert wurde. Die Mehrheit der MC-Patienten in dieser Studie<br />

wies eher uncharakteristische Beschwerden auf, wie geringes bis mäßiges Krankheitsgefühl<br />

und abdominellen Diskomfort. Folgende anamnestische Informationen bzw.<br />

Symptome und Beschwerden können bei Kindern und Jugendlichen auf einen MC<br />

hinweisen und bedürfen daher der genauen Dokumentation und Beachtung: Wachstumsretardierung<br />

oder -stillstand, Gedeihstörung (Gewichtsstillstand oder -abnahme),<br />

Fieber, Malnutrition, Übelkeit und/oder Erbrechen, perianale Läsionen, Arthropathien,<br />

Erythema nodosum, sekundäre Amenorrhoe und retardierte Pubertätsentwicklung<br />

bzw. Pubertätsstillstand, psychiatrische Symptome (cave: psychogene Essstörungen).<br />

Bei Vorherrschen extraintestinaler Symptome besteht die Gefahr der Verzögerung der<br />

Diagnosestellung.<br />

Besteht zusätzlich zu diesen Angaben bei Verwandten . Grades eine CED, muss diese<br />

bis zum Beweis des Gegenteils auch beim Kind/Jugendlichen angenommen werden.<br />

Tab. 1<br />

Primäre Immundefekte und ihre Manifestation am <strong>Gastro</strong>enteron<br />

Immundefekt/Immundefizienz- Molekularer/zellulärer Defekt Manifestation/Komplikation<br />

Syndrom am <strong>Gastro</strong>enteron<br />

Chronische granulomatöse<br />

Erkrankung<br />

Glykogenspeicherkrankheit<br />

Typ Ib<br />

Hermansky-Pudlak-Syndrom (HPS)<br />

Wiskott-Aldrich-Syndrom (WAS)<br />

NEMO (NFκB-modifier)-Mutation<br />

Defizienz der NADPH-Oxidase<br />

Phagozytosefunktionsstörung<br />

Mutation im Glukose-6-<br />

Phosphattransporter<br />

Neutropenie, Defekt der<br />

Neutrophilenfunktion<br />

HPS-Gene/Proteine<br />

Gestörte Lysosomenfunktion<br />

Alteriertes CD b-Protein<br />

WAS-Protein<br />

Störung des Aktin-Zytoskeletts<br />

Gestörte Chemotaxis<br />

Alterierte NFκB-Funktion<br />

Gestörte NK-Zell-Zytotoxizität<br />

Gastritis/Hypertrophie der Antrummukosa<br />

Granulomatöse Kolitis<br />

MC-ähnliche Ileokolitis<br />

perianale Läsionen<br />

MC-ähnliche Kolitis<br />

Kolitis<br />

Kolitis mit fokalen<br />

Ulzerationen<br />

P Konsensus über diagnostische<br />

Strategie bei Morbus Crohn im Kindes-<br />

und Jugendalter: Porto-Kriterien<br />

40


Klinische Untersuchung<br />

Neben den „typischen“ oder „klassischen“ MC-Symptomen muss die initiale und wiederholte<br />

Dokumentation des Wachstumsverlaufs (Körperlänge und -gewicht), jeweils<br />

bezogen auf das Lebensalter (z-Score), im Mittelpunkt jeder klinischen Visite stehen.<br />

Bereits bei einer Primärvorstellung sollte versucht werden, (retrospektive) die Wachstumsgeschwindigkeit<br />

zu bestimmen. Wachstumsdynamik und Zielgröße sind unter<br />

Verwendung somatischer Daten (Länge, Gewicht) der Eltern abzuschätzen. Die Dokumentation<br />

der somatischen Pubertätsentwicklung nach Tanner ist eine conditio sine<br />

qua non. Weitere klinische Untersuchungen gleichen denen bei Erwachsenen:<br />

• Inspektion der Haut: Blässe, Erythema nodosum (Abb. ), Pyodermie, Vitiligo<br />

• Inspektion von Lippen und Mundhöhle: Cheilitis, Gingivahyperplasie, Aphthen<br />

• abdominelle Palpation: Schmerzen/Abwehrspannung während der Untersuchung,<br />

Beschaffenheit und Größe von Leber und Milz, „Tumor“ im rechten Unterbauch (infiltratives<br />

Konglomerat, Abszess)<br />

• Inspektion der Analregion/rektale Untersuchung: Erytheme, Marisken, Fissuren,<br />

perianale Fisteln, Blutung<br />

• Skelettsystem: Beweglichkeit der Wirbelsäule, Klopf- und/oder <strong>Dr</strong>uckschmerz<br />

12-jähriges Mädchen mit Morbus Crohn:<br />

schmerzhaftes Erythema nodosum an beiden Unterschenkeln und Knien<br />

Labordiagnostik<br />

Hier sind orientierende oder Screeninguntersuchungen von spezielleren Tests zu unterscheiden.<br />

Zu den ersteren gehören:<br />

• Vollständiges Blutbild mit Differenzierung der Leukozyten<br />

• Entzündungsparameter: CRP, BSG<br />

• Harnstoff/Kreatinin, Protein- und Immunelektrophorese, Leberfunktionsparameter<br />

• Antikörper gegen Gliadin und Gewebstransglutaminase<br />

Selbst bei starken Normabweichungen ermöglichen einzelne oder alle Parameter keinesfalls<br />

die Diagnosestellung einer CED bzw. eines MC, da sie letztlich unspezifisch<br />

bleiben.<br />

Spezielle Laboruntersuchungen sind vor allem aus differenzialdiagnostischen Gründen<br />

indiziert:<br />

• Bakteriologische Stuhluntersuchungen zum Ausschluss einer Enteritis oder Kolitis:<br />

Salmonellen, Shigellen, Yersinien, Campylobacter, Clostridium difficile (einschl. Toxin<br />

A und B)<br />

Abb. 1<br />

4


• Parasiten (insbesondere bei Reiseanamnese): Lamblien, Entamoeba histolytica<br />

• Wichtig ist ferner die differenzialdiagnostische Berücksichtigung der Tuberkulose,<br />

besonders bei Kindern aus epidemiologisch risikoreichen Regionen bzw. bei entsprechender<br />

Familienanamnese<br />

Die Untersuchung von Antikörpern gegen Saccharomyces cerevisiae (ASCA) oder<br />

Anti-Neutrophilen zytoplasmatische Antikörper (ANCA) gehört wegen einer unzureichenden<br />

diagnostischen Ausbeute (Sensitivität


M. Crohn: akuter Schub im Ultraschall<br />

<strong>Dr</strong>. Helga Kivelitz, Abt. für diagnost. Radiologie, Schwerpunkt Kinderradiologie, Klinikum Ernst v. Bergmann Potsdam<br />

2,7 cm lange Wandverdickung im terminalen Ileum mit deutl. Hyperperfusion im Farbdoppler<br />

und Subileus durch Stenosierung des Darmlumens<br />

14-jährige Patientin mit akutem Schub eines Morbus Crohn<br />

Röntgendiagnostik<br />

Die konventionelle Röntgendiagnostik gehört nicht zu den primären Standardverfahren<br />

bei der Sicherung der Verdachtsdiagnose MC. Sie ist bei Verdacht oder Bestehen<br />

von Komplikationen (Stenosen, Strikturen, Fisteln), (Abb. 4) eines MC im Kindes- und<br />

Jugendalter allerdings nach wie vor unverzichtbar.<br />

16-jähriger Jugendlicher mit Morbus Crohn:<br />

fuchsbauartiges Fistelsystem bei enterokutaner<br />

Fistel im Narbenbereich einer zuvor<br />

chirurgisch behandelten Rektovesikalfistel<br />

Abb. 3<br />

Abb. 4<br />

43


Magnetresonanz-Enteroklysma<br />

Die Gadolinium-verstärkte Magnetresonanztomografie findet auch in der Kindergastroenterologie<br />

zur Diagnostik von Komplikationen bzw. zur Dünndarmbeurteilung<br />

bei MC zunehmend M. Crohn: Anwendung akuter (Abb. 5). Erfahrungen Schub und im Studiendaten MRT sind bei<br />

Kindern allerdings noch begrenzt.<br />

<strong>Dr</strong>. Helga Kivelitz, Abt. für diagnost. Radiologie, Schwerpunkt Kinderradiologie, Klinikum Ernst v. Bergmann Potsdam<br />

T2-TSE-fs T1-SE-fs nativ T1-SE-fs + KM<br />

- Wandverdickung - starkes Enhancement im Coecum<br />

und hyperintenses Ödem und term. Ileum als Ausdruck der<br />

im Coecum und term. Ileum Hyperperfusion bei akuter Entzündung<br />

Legende:<br />

Kapselendoskopie<br />

Für diese Methode gelten die gleichen Indikationsstellungen wie für Erwachsene.<br />

Essenziell ist die Beachtung „kleiner Verhältnisse“ bei jüngeren Kindern, ggf. die Applikation<br />

eines „Dummys“. Die Erfahrungen in der Kindergastroenterologie sind bis dato<br />

begrenzt, eine Kooperation mit der „Erwachsenen“-<strong>Gastro</strong>enterologie ist generell<br />

optimal, hier jedoch zwingend.<br />

Endoskopie<br />

Zeichen eines Subileus im distalen Ileum durch<br />

entzündliche Wandverdickung des terminalen Ileums und<br />

Coecum auf 14 mm mit Stenosierung des Darmlumens<br />

TSE: Tubo-Spin-Echo SE: Spin-Echo fs: Fettunterdrückung<br />

15-jähriger Patient mit Morbus Crohn<br />

Endoskopische Untersuchungen des oberen und unteren <strong>Gastro</strong>intestinaltrakts sind<br />

heute in jedem Lebensalter möglich und besonders bei CED- bzw. MC-Verdacht indiziert.<br />

Je jünger ein CED-Patient ist, desto wichtiger ist die Beachtung kindgerechter<br />

Untersuchungsverfahren, einschl. Untersuchungsvorbereitung:<br />

• Aufklärung von Patient und Eltern<br />

• Darmreinigung<br />

• Analgosedierung/Narkose<br />

• geeignetes Equipment<br />

• Erfahrung des endoskopierenden Arztes<br />

Colon desc.: 6 mm<br />

- geringere Wandverdickung und<br />

KM-Enhancement i.S. einer<br />

chronischen Entzündung<br />

Ferner entspricht es einem kindgerechten Vorgehen, bei einer initialen endoskopischen<br />

Untersuchung sowohl das untere als auch obere <strong>Gastro</strong>enteron in einer<br />

Sitzung, d. h. mit einer Analgosedierung (Allgemeinnarkose meist nicht notwendig)<br />

zu endoskopieren. Diese Strategie deckt sich mit den o.g. Porto-Empfehlungen zur<br />

Diagnostik und Differenzialdiagnostik von CED im Kindes- und Jugendalter.<br />

Abb. 5<br />

44


Koloskopie<br />

Eine vollständige hohe Koloskopie mit Intubation des Ileums gehört auch bei Kindern<br />

zum diagnostischen Standard bei Verdacht bzw. zur Verlaufskontrolle chronisch entzündlicher<br />

Darmerkankungen (Abb. 6). Die Darmreinigung bereitet bei entsprechendem<br />

Handling kaum Probleme. Die Entnahme multipler Biopsien aus mehreren<br />

Abschnitten (Ileum, Zökum, Colon ascendens, transversum und descendens sowie<br />

Sigma und Rektum) ist essenziell. Bei Verdacht auf MC ist die endoskopische Beurteilung<br />

des terminalen Ileums (einschl. Biopsieentnahme) notwendig, da bei bis zu 9%<br />

der Kinder/Jugendlichen mit MC eine isolierte MC-Ileitis bei makroskopisch normalem<br />

Dickdarm gefunden wird.<br />

Ösophagogastroduodenoskopie<br />

In Ergänzung zur möglichen Detektion MC-typischer makroskopischer Läsionen<br />

(aphthoide Ulzerationen) im oberen <strong>Gastro</strong>intestinaltrakt liegt der besondere Wert<br />

dieser Methode in der Gewinnung von Biopsiematerial aus dem oberen Dünndarm,<br />

Magen (Antrum, Corpus) und der Speiseröhre. Die systematische Suche nach histologischen<br />

Veränderungen bei makroskopisch suspekter und unauffälliger Schleimhaut<br />

hat in den letzten Jahren zu neuen Erkenntnissen in der Diagnostik und Differenzialdiagnostik<br />

des MC im Kindes- und Jugendalter geführt. Dazu zählt insbesondere der<br />

im Gegensatz zu bisherigen Lehrmeinungen geführte Nachweis einer vergleichsweise<br />

häufigen Koinzidenz der CU mit histologisch unspezifischen Entzündungsreaktionen<br />

im Duodenum, Magen und Ösophagus, die bislang ganz überwiegend und fast ausschließlich<br />

dem MC beigemessen wurden (s. u.).<br />

Histopathologische Befunde bei Kindern und Erwachsenen<br />

nicht vergleichbar<br />

Qualität und Quantität histologischer Befunde bei Kindern mit CED (MC und CU) sind<br />

mit jenen bei Erwachsenen nicht vollständig deckungsgleich. Wie bei Erwachsenen<br />

hat sich auch in der Kindergastroenterologie durchgesetzt, bei MC- bzw. CED-Verdacht<br />

vergleichsweise großzügig Biopsien aus makroskopisch auffälligen und „normal“<br />

erscheinenden Schleimhautarealen zu entnehmen. Bei entsprechend zugeschnittenen<br />

Studien im Kindes- und Jugendalter wurden Daten erhoben, die von den<br />

Verhältnissen bei erwachsenen CED-Patienten z. T. abweichen:<br />

. Unterer <strong>Gastro</strong>intestinaltrakt<br />

9-jährige Patientin mit Morbus Crohn<br />

(Koloskopie):<br />

hochgradig stenosierender Entzündungsprozess<br />

im Colon ascendens<br />

• Bei Kindern sind fleckförmige, d. h. diskontinuierliche Entzündungen der Kolonmukosa<br />

mit relativer Aussparung des Rektums nicht nur beim MC, sondern auch<br />

bei einer primären, d. h. Frühform einer (unbehandelten) CU häufiger zu finden.<br />

Histologische Zeichen der Chronizität finden sich kaum oder viel seltener als bei<br />

Erwachsenen.<br />

• Bei Kindern im Alter unter 0 Jahren mit CU werden signifikant weniger Plasmazellinfiltrationen<br />

der Lamina propria, Kryptitiden, Kryptenabszesse und Epithelläsionen<br />

gefunden als bei Erwachsenen.<br />

P Eine konsequente und kindgerechte<br />

endoskopische Untersuchung ist<br />

eine conditio sine qua non zur<br />

erfolgreichen Langzeitbehandlung<br />

des Morbus Crohn im Kindesalter.<br />

Abb. 6<br />

45


2. Oberer <strong>Gastro</strong>intestinaltrakt<br />

Unabhängig vom Vorhandensein einer Oberbauchsymptomatik wird die endoskopische<br />

Untersuchung von Duodenum, Magen und Speiseröhre bei Kindern mit Verdacht<br />

auf MC (CED) nach neueren Erkenntnissen aus folgenden Gründen empfohlen<br />

(Porto-Kriterien):<br />

• Bei Kindern mit MC muss von einer hohen Prävalenz epitheloidzelliger Granulome<br />

ausgegangen werden: In einer Studie von Tobin et al. hatten 40% der untersuchten<br />

Kinder Granulome im oberen <strong>Gastro</strong>intestinaltrakt, demgegenüber fanden sich bei<br />

der Hälfte dieser Kinder im unteren <strong>Gastro</strong>intestinaltrakt keine Granulome. Andere<br />

Autoren gehen – im Gegensatz zu früheren Auffassungen – davon aus, dass bei bis<br />

zu 75% aller Kinder mit CU histologisch unspezifische Entzündungen im oberen<br />

<strong>Gastro</strong>enteron nachweisbar sind.<br />

• Bei –29% der Kinder mit MC sind Granulome ausschließlich im oberen <strong>Gastro</strong>intestinaltrakt<br />

nachweisbar.<br />

• Bei über 50% der Kinder mit MC und bei bis zu 20% mit CU bestehen fokale Gastritiden,<br />

die von normaler Mukosa abgegrenzt sind.<br />

• Differenzialdiagnose: Tobin et al. diskutieren aufgrund der Ergebnisse ihrer geblindeten<br />

Nachuntersuchungen von Biopsien aus Duodenum, Magen und Speiseröhre<br />

von 30 Kindern mit MC, 5 mit CU und 22 Kontrollen die Gefahr vorschneller (Fehl)-<br />

Diagnosen allein aufgrund histologischer Befunde. Sie schlussfolgern, dass die Differenzialdiagnose<br />

zwischen MC und CU im Kindesalter nicht aufgrund eher milder<br />

Entzündungszeichen im oberen <strong>Gastro</strong>enteron, sondern nur mit Granulomnachweis<br />

möglich ist.<br />

Wachstumsretardierung, Störungen des Knochenstoffwechsels und<br />

verzögerte Pubertätsentwicklung – gravierende Komplikationen bei<br />

Morbus Crohn im Kindes- und Jugendalter<br />

Die gastroenterologischen Komplikationen des MC im engeren Sinne (z. B. Stenosen,<br />

Fisteln) unterscheiden sich bei Kindern und Jugendlichen nicht wesentlich von denen<br />

Erwachsener, wenngleich ihre Auswirkungen auf die körperliche Entwicklung erheblich<br />

sein können. Besonderes Augenmerk muss in diesem Rahmen auf Störungen der<br />

somatischen Entwicklung (Wachstumsretardierung, Gedeihstörung), des Knochenstoffwechsels<br />

und der physiologischen Pubertätsentwicklung (Pubertas tarda) gelegt<br />

werden. Diese Störungen sind typisch für den MC – weniger für die CU. Sie stellen im<br />

Entwicklungsalter nicht selten eine erhebliche Einschränkung der Lebensqualität betroffener<br />

Kinder und Jugendlicher dar.<br />

Störungen des Längenwachstums (Abb. 7, oben), Gedeihstörungen (Abb. 7, unten)<br />

und retardierte Knochenentwicklung treten bei bis zu 40% der Kinder und Jugendlichen<br />

mit MC auf. Oftmals geht die Wachstumsstörung den „typischen“ gastroenterologischen<br />

Symptomen des MC um Jahre voraus und zeigt nicht selten bei der Initialvorstellung<br />

gravierende Ausmaße:<br />

• Bei ca. 5% der jungen MC-Patienten kommt es zur Abbremsung der Wachstumsgeschwindigkeit<br />

bevor die Gewichtsentwicklung betroffen ist.<br />

• Bei 30–50% der Kinder und Jugendlichen mit MC persistiert die Wachstumsretardierung<br />

bis in die Adoleszenz bzw. das Erwachsenenalter.<br />

Die Störung des Längenwachstums und der Gewichtsentwicklung hat ihre Hauptursache<br />

wahrscheinlich in der (konsumierenden) chronischen Entzündung. Im wissenschaftlichen<br />

Fokus hierbei stehen proinflammatorische Zytokine, besonders Tumor-<br />

Nekrose-Faktor α (TNFα), dem eine wachstumssupprimierende Wirkung zugeschrieben<br />

wird. Hohe Konzentrationen von TNFα und weiteren Zytokinen (Interleukine) stimulieren<br />

den Knochenabbau, stören die Funktion der hypothalamisch-hypophysären<br />

Achse und interferieren mit einer physiologischen STH-Antwort.<br />

Ein weiterer wichtiger Faktor der Wachstumsretardierung ist die Malnutrition. Ihre z. T.<br />

vielschichtigen Ursachen sind in Tab. 2 zusammengefasst.<br />

P Histologische Befunde bei Kindern<br />

und Erwachsenen mit CED differieren.<br />

P Wachstumsstörungen und -defizite<br />

bzw. ihre weitgehende Vermeidung bei<br />

Morbus Crohn stellen eine entscheidende<br />

Messgröße zur Qualitätsbeurteilung<br />

der Langzeitbehandlung dar.<br />

46


Abb. 7<br />

Tab. 2<br />

Pathophysiologie der Malnutrition bei Kindern und Jugendlichen mit Morbus Crohn<br />

Malnutrition durch Mechanismus, Folge von<br />

Reduzierte Energie- Anorexie, Störung des Geschmackssinns, Bauchschmerzen, Diarrhoe, frühes Sättigungs-<br />

aufnahme gefühl, Malabsorption von Makro- und Mikronutrients, Zytokinwirkung<br />

Exzessive Verluste Eiweiß-verlierende Enteropathie, enterale Verluste von Mineralien, Spurenelementen und<br />

Gallensalzen, gastrointestinale Blutungen<br />

Endokrine Imbalanzen Erhöhte Wachstumshormon (STH)- und reduzierte IGF -Spiegel, periphere STH-Resistenz,<br />

alterierte oder unterbrochene Funktion des IGF-bindenden Proteins (IGFBP), gestörte<br />

Schilddrüsenfunktion, Steroidwirkung (iatrogen)<br />

Unerwünschte Nebenwir- Sulfasalazin: Interferenz mit Folatresorption, Eisen-Kalzium-Interaktionen, verstärkte<br />

kungen von Medikamenten Steroidnebenwirkung durch hohe Salz- und Kalorienzufuhr<br />

Psychologische Faktoren Depression, eingeschränkte Leistungsfähigkeit, Müdigkeit, gestörtes Körperempfinden,<br />

mit Einfluss auf die psychischer <strong>Dr</strong>uck durch Bezugspersonen (Eltern, andere Bezugspersonen), „Mobbing“ in<br />

Nahrungsaufnahme der Schule, begleitende oder sich herausbildende Essstörung<br />

47


Störungen des Knochenstoffwechsels<br />

Knochenstoffwechselstörungen bzw. pathologische Knochenmineralisation sind<br />

bekannte und gefürchtete Befunde bei MC (Abb. 8), wenngleich die Angaben über<br />

die Prävalenz dieser Komplikation sowohl bei Erwachsenen als auch bei Kindern stark<br />

variieren. Bei erwachsenen Patienten schwankt die Osteopenierate zwischen 9% und<br />

78%, die Osteoporoserate soll zwischen 4,35% und 4 % liegen, je nach zugrunde gelegter<br />

Messmethode. Bei Kindern ist das Bild ähnlich: In 9 Studien zum Knochenstoffwechsel<br />

bei Kindern und Jugendlichen mit CED hatten zwischen 22% und 70% der<br />

Patienten Osteopenien und 7–30% Osteoporosen. In einer aktuellen Studie zum<br />

Knochenstoffwechsel bei Kindern mit CED konnten Befunde aus früheren Studien bestätigt<br />

werden, wonach sich eine Osteoporose schon vor einer Kortikosteroid-Therapie<br />

manifestiert. Gleichzeitig wird zur Vermeidung von Fehlinterpretationen und zur<br />

besseren Vergleichbarkeit künftiger Messergebnisse zur Knochendichte dafür plädiert,<br />

das Knochenvolumen zu berücksichtigen, um Interpretationsfehler aus Wachstumsstörungen<br />

zu kompensieren.<br />

13-jähriger Junge mit Morbus Crohn:<br />

Röntgendarstellung des lumbosakralen Übergangs:<br />

vor allem iatrogen bedingte extreme<br />

Osteoporose und Wirbelkörperdeckplatteneinbrüche<br />

(Pfeile) infolge unkritischer lang<br />

dauernder Steroidtherapie<br />

Abb. 8<br />

48


Störungen der Pubertätsentwicklung<br />

Verzögerungen der Pubertätsentwicklung kommen bei CED-Patienten, insbesondere<br />

bei MC gehäuft vor. Sie betragen bei Mädchen mit MC ca. 8 Monate, bei Jungen<br />

2 Monate und sind so gravierend, dass bei jedem Kind/Jugendlichen mit Gewichtsstillstand<br />

bzw. -verlust und verzögerter Pubertätsentwicklung eine CED (MC) ausgeschlossen<br />

werden sollte. Besonders schwierig sind die Verhältnisse, wenn darüber<br />

hinaus noch psychische Symptome offensichtlich werden und zunächst (fälschlicherweise)<br />

an eine Anorexia nervosa gedacht wird, deren Diagnostik/Therapie zur Verzögerung<br />

der eigentlichen Ursachenforschung beitragen kann.<br />

Therapie<br />

Therapieziele und -prinzipien<br />

Grundlegendes Therapieziel ist die weitgehende Wiederherstellung der Lebensqualität<br />

eines Kindes/Jugendlichen mit MC und seine Teilnahme an alterstypischen sozialen<br />

und sonstigen Aktivitäten (Spiel, Schule, Berufswahl und -ausbildung, Partnersuche),<br />

die Beherrschung bzw. Zurückdrängung der Symptome, die Sicherstellung<br />

eines normalen Längenwachstums, einer regelrechten Pubertätsentwicklung und die<br />

Vermeidung krankheitsbedingter bzw. krankheitstypischer Langzeitfolgen durch:<br />

• Reduktion der Entzündung und möglichst langfristigen Erhalt eines entzündungsfreien<br />

Intervalls (Remission)<br />

• Korrektur allgemeiner (Makronutrients) und spezieller (Mikronutrients) Ernährungsdefizite<br />

• Umgehende, d. h. kurzfristige interventionelle Korrektur bestehender oder im Verlauf<br />

aufgetretener dramatischer Läsionen: Strikturen, Fisteln, Abszesse<br />

Zur Erreichung dieser Therapieziele ist die Umsetzung pharmakologischer, ernährungsmedizinischer,<br />

endoskopisch-interventioneller und chirurgischer Behandlungsmethoden<br />

– bei vielen eine Kombination dieser Methoden – unter Beachtung der<br />

individuellen Bedingungen bei jedem konkreten Patienten notwendig. Ein hohes Maß<br />

an Variabilität, Flexibilität und Erfahrung des Kindergastroenterologen stellt am<br />

ehesten die bestmöglichen Behandlungsergebnisse sicher.<br />

Folgende Prämissen für eine erfolgreiche Therapie gilt es zu beachten:<br />

• Die Sicherstellung einer möglichst altersgerechten somatischen Entwicklung (Körperlänge,<br />

-gewicht) sollte als unmittelbarer Gradmesser für den Therapieerfolg bei<br />

MC im Entwicklungsalter aufgefasst werden.<br />

• Eine individuell optimierte pharmakologische und ernährungsmedizinische Intervention<br />

ist am ehesten zur Abwendung von Wachstumsstörungen geeignet.<br />

• Die Kontrolle gastrointestinaler Symptome mittels einer das Wachstum und den<br />

Knochenstoffwechsel beeinträchtigenden Langzeitanwendung von Kortikosteroiden<br />

ist ausdrücklich nicht als erfolgreiche MC-Therapie zu werten.<br />

Die einzelnen Komponenten der bei Kindern und Jugendlichen mit MC oft indizierten<br />

multimodalen Therapieansätze und ihre Veränderung in Abhängigkeit vom Verlauf<br />

der Erkrankung und der Erreichung der Therapieziele sind in Tabelle 3 aufgelistet.<br />

P Verzögerungen der Pubertätsentwicklungen<br />

bei Morbus Crohn sind ein<br />

starker psychischer Belastungsfaktor,<br />

der in der Langzeittherapie zu<br />

beachten ist.<br />

P Therapieziele bei Morbus Crohn<br />

im Kindesalter umfangreicher<br />

als bei Erwachsenen.<br />

49


Die ggf. multimodale <strong>Pharma</strong>kotherapie bei der MC-Behandlung von Kindern und Jugendlichen<br />

ist im Einzelnen folgendermaßen zu bewerten:<br />

Kortikosteroide<br />

• Aktiver MC: Die Indikationen zur Anwendung von Kortikosteroiden bei MC im Kindes-<br />

und Jugendalter dürften denen bei Erwachsenen ähneln (s. Tab. 3). Auch bei<br />

Kindern kommt es durch Kortikosteroide am schnellsten zur klinischen Remission,<br />

ohne dass die Mukosa abgeheilt sein muss. Unterschiedliche Dosierungen sind in<br />

größeren Studien bei Kindern untersucht worden, wobei eine Dosis von mg/kg/<br />

Tag mit der Option einer Verdoppelung auf 2 mg/kg (maximal 60 mg/Tag) bei therapierefraktärem<br />

Verlauf in mehr als 90% der Fälle mit aktivem MC zur Remission<br />

führt.<br />

• Remissionserhaltung: Die bei Erwachsenen im Einzelfall berechtigte Langzeitanwendung<br />

von Kortikosteroiden ist bei Kindern inakzeptabel. Die IGF- -Suppression<br />

und die damit assoziierte nachhaltige Störung des Längenwachstums bei längerfristiger,<br />

täglicher Anwendung sind bei Kindern de facto nicht hinnehmbar. Die gelegentlich<br />

noch durchgeführte alternierende, niedrig dosierte Kortikosteroid-Anwendung<br />

ist nicht Evidenz-basiert und sollte durch alternative Therapieansätze ersetzt<br />

werden.<br />

Tab. 3<br />

Synopsis eines für das Kindesalter limitierten Evidenz-basierten Einsatzes antiinflammatorischer und<br />

immunsuppressiver Medikamente zur Behandlung des Morbus Crohn<br />

Morbus Crohn – Aktiver Morbus Crohn Remissionserhaltung<br />

Lokalisation bzw. Verlauf<br />

1. Ileum/Dünndarm<br />

• Geringgradige Ausprägung<br />

• Gering/moderat<br />

• Moderat/schwer<br />

• Therapierefraktär/extensiv<br />

2. Kolon<br />

• Gering/moderat<br />

• Moderat/schwer<br />

• Therapierefraktär/extensiv<br />

3. Perianale Läsionen<br />

5-ASA* (oral, 50– 00 mg/kg/Tag<br />

bis zu 4 g/Tag)<br />

Budesonid (oral, 9 mg/Tag bei Ileumund/oder<br />

Rechtskolonbeteiligung)<br />

Kortikosteroide (oral, mg/kg/Tag bis<br />

max. 60 mg Prednisolon)<br />

Infliximab*<br />

5-ASA (oral, s. oben bzw.<br />

5-ASA-Klysmen), ggf. Sulfasalazin<br />

Metronidazol (oral, 0–20 mg/kg/Tag<br />

bis g/Tag<br />

Ciprofloxazin* (20 mg/kg/Tag)<br />

Kortikosteroide (oral, mg/kg/Tag bis<br />

max. 60 mg Prednisolon)<br />

Infliximab<br />

Metronidazol<br />

(oral, 0–20 mg/kg/Tag bis g/Tag<br />

Ciprofloxazin (20 mg/kg/Tag),<br />

Azathioprin, MTX, Infliximab<br />

5-ASA (Studiendaten zu<br />

Erfolgen divergierend)<br />

Azathioprin (oral, 2–2,5 mg/kg/Tag),<br />

alternativ: 6-MP, MTX*<br />

Infliximab<br />

5-ASA oral oder Sulfasalazin<br />

(Studiendaten zu Erfolgen<br />

divergierend)<br />

Azathioprin (oral, 2–2,5 mg/kg/Tag),<br />

alternativ: 6-MP, MTX<br />

Infliximab<br />

Metronidazol<br />

(oral, 0–20 mg/kg/Tag bis g/Tag<br />

Ciprofloxazin (20 mg/kg/Tag),<br />

Azathioprin, MTX, Infliximab<br />

* Zu beachten ist, dass für die wenigsten Medikamente indikationsgerechte bzw. generelle Zulassungen für Kinder/Jugendliche existieren. Internationale<br />

Bemühungen (FDA, EMEA) sowie Initiativen auf Bundesebene versprechen perspektivisch klare Regelungen. Bis dato ruht die Verantwortung der<br />

Anwendung von nicht zugelassenen <strong>Pharma</strong>ka allein auf den Schultern des behandelnden Kindergastroenterologen, der diese nur im Rahmen eines<br />

individuellen Heilversuchs nach vorheriger intensiver Aufklärung des Patienten und dessen Eltern anwenden kann.<br />

50


Budesonid<br />

• Aktiver MC: Die Indikation für dieses lokal wirksame Kortikosteroid mit deutlich geringerem<br />

Nebenwirkungspotenzial als bei konventionellen Kortikosteroiden liegt in<br />

der Behandlung des MC mit überwiegender Ileum- und/oder Rechtskolonbeteiligung.<br />

In einer randomisierten Studie bei 48 MC-Patienten im Alter von 6 bis 6 Jahren<br />

wurden entweder 9 mg Budesonid/Tag für 8 Wochen und 6 mg/Tag für 4 Wochen<br />

bzw. Prednisolon mg/kg/Tag für 4 Wochen, optional für 8 Wochen verabreicht.<br />

Die Nebenwirkungsrate, gemessen an der Suppression der morgendlichen Plasmakortisolkonzentration,<br />

war unter Budesonid signifikant geringer. Allerdings wies die<br />

Prednisolon-Gruppe günstigere Remissionsraten (PCDAI ≤ 50) auf (7 % vs. 55%),<br />

dieser Unterschied war jedoch nicht signifikant.<br />

• Remissionserhaltung: Im Gegensatz zur aktiven Entzündung muss die Budesonid-<br />

Langzeittherapie bei Kindern kritischer gesehen werden. 4 randomisierte Studien<br />

bei Erwachsenen mit MC haben gezeigt, dass die Langzeitremissionserfolge mit<br />

Budesonid (6 bzw. 3 mg/Tag, > Jahr) begrenzt sind und sich nicht wesentlich von<br />

Plazebo unterscheiden. Zudem ist unbekannt ob, zumindest aber zu befürchten,<br />

dass die Langzeitanwendung von Budesonid bei Kindern zu Beeinträchtigungen<br />

des Längenwachstums führen könnte.<br />

Mesalazin (5-ASA)<br />

• Aktiver MC: 5-ASA-Präparate stehen in verschiedenen Galeniken zur Verfügung. Sie<br />

werden auch bei Kindern und Jugendlichen mit geringgradig aktivem MC zur Primärbehandlung<br />

eingesetzt. Problematisch ist, dass es zur Dosierung und Wirkungsweise<br />

bei Kindern kaum Daten aus Studien gibt, so dass die Dosierungen (s. Tab. 3)<br />

von Erwachsenen extrapoliert werden müssen. 5-ASA wird von den meisten Kindergastroenterologen<br />

Sulfasalazin vorgezogen, da das Nebenwirkungspotenzial (besonders<br />

Idiosynkrasien) geringer ist.<br />

• Remissionserhaltung: Studiendaten zur Remissionsverlängerung durch Mesalazin<br />

bei Kindern mit MC fehlen fast vollständig, bei Erwachsenen sind sie durchaus<br />

widersprüchlich. In den meisten kindergastroenterologischen Ambulanzen gehört<br />

5-ASA gleichwohl zum therapeutischen Standardrepertoire bei MC. Die Dosierung<br />

und Dauer bzw. das Aussetzen der 5-ASA-Applikation werden sehr stark vom klinischen<br />

Verlauf bestimmt.<br />

Azathioprin<br />

• Die Immunsuppression mit Azathioprin bei Kindern/Jugendlichen mit moderatem<br />

oder schwerem MC hat sich etabliert. Das Medikament hat prinzipiell ein gutes Sicherheitsprofil<br />

(u. a. auch gestützt durch die Bestimmung der Thiopurinmethyltransferaseaktivität,<br />

TPMT), die Compliance ist wegen fehlender (sichtbarer) Nebenwirkungen<br />

gut und führt – im Gegensatz zu Kortikosteroiden – zur Mukosaheilung.<br />

Wegen des um Wochen nach Applikationsbeginn verzögerten Wirkungseintritts ist<br />

eine Akuttherapie ausgeschlossen, bei Azathioprin handelt es sich daher um ein<br />

ideales Medikament zur MC-Remissionserhaltung bzw. Langzeittherapie über Jahre.<br />

Viele Kindergastroenterologen sind dazu übergegangen, Azathioprin bei jedem<br />

neu an MC erkrankten Kind/Jugendlichen einzusetzen. Wenn der Verlauf der Krankheit<br />

für das Absetzen von Azathioprin spricht, so sollte dies erst nach Jahren, keinesfalls<br />

jedoch in der Präpubertät bzw. Pubertät erfolgen. Mit einem solchen Verfahren<br />

sichert man Kindern mit MC am ehesten ein hinreichendes Längenwachstum und<br />

kann den (wachstumsbremsenden) Einsatz von Kortikosteroiden in diesen vulnerablen<br />

Phasen der somatischen Entwicklung vermeiden.<br />

Infliximab<br />

Infliximab, ein immunmodulierender chimärer Antikörper gegen TNFα ist im Kindes-<br />

und Jugendalter in Deutschland nicht zugelassen. Gleichwohl sind auch hierzulande<br />

seit Zulassung dieses Medikaments mehrere hundert MC-Patienten unter 8 Jahren<br />

im Rahmen eines individuellen Heilversuchs behandelt worden. Die Entscheidung für<br />

oder gegen eine Infliximab-Therapie soll anhand aktueller Daten kursorisch kommentiert<br />

werden:<br />

5


• Pro: Soeben publizierte Daten einer dänischen Studie weisen nach, dass die Behandlung<br />

von Kindern mit schwerem bzw. steroid- oder generell therapierefraktärem<br />

MC eine gute Option sein kann. Über eine 3-Jahres-Periode erhielten 24 Patienten<br />

(9 Jungen/ 5 Mädchen, mittleres Alter 5,4 Jahre, mittlere Krankheitsdauer<br />

26 Monate) Infliximab in einer Dosierung von 5 mg/kg KG. Das klinische Ansprechen<br />

auf das Medikament wurde nach 30 Tagen evaluiert. Ergebnisse: 8 Patienten<br />

(33%) sprachen komplett und 0 (42%) partiell auf das Medikament an. Bei 6 Patienten<br />

(25%) war keinerlei Verbesserung der klinischen Symptomatik zu erreichen.<br />

Das Langzeitansprechen wurde 90 Tage nach Beendigung der letzten Infliximab-<br />

Gabe evaluiert, die Anzahl der Dosen wurde innerhalb eines 30-tägigen Beobachtungsintervalls<br />

je nach klinischem Ansprechen festgelegt. 7 Patienten (29%) erreichten<br />

nach der jeweils letzten Infliximab-Gabe ein mehr als 90-tägiges symptomfreies<br />

Intervall, 0 (42%) waren Infliximab-„abhängig“, jene 6 Patienten (25%) ohne initiales<br />

Ansprechen (s. o.) zeigten auch in der Langzeitbeobachtung keinen Therapieeffekt.<br />

• Contra: Aktuell publizierte Daten über gravierende Nebenwirkungen nach Infliximab<br />

sprechen a priori gegen die Behandlung von Kindern mit diesem Immunmodulator.<br />

Dies würde allerdings bedeuten, dass Kindern und Jugendlichen mit<br />

schwerem MC Behandlungschancen vorenthalten werden. Die AG CEDATA der<br />

GPGE hat daher nochmals die schon strengen Indikationsstellungen klar definiert,<br />

unter denen eine Applikation von Infliximab verantwortbar ist:<br />

a) Hohe Entzündungsaktivität und<br />

• fehlender therapeutischer Effekt von Kortikosteroiden<br />

• fehlender therapeutischer Effekt von Kortikosteroiden in Kombination mit Azathioprin<br />

bzw. 6-MP oder MTX<br />

• fehlende Operationsindikation bzw. -möglichkeit<br />

b) Fistelleiden<br />

• fehlender therapeutischer Effekt von Kortikosteroiden<br />

• fehlender therapeutischer Effekt von Kortikosteroiden in Kombination mit Azathioprin<br />

sowie von Metronidazol/Ciprofloxazin<br />

• fehlender Effekt von <strong>Dr</strong>ainage-Operationen<br />

Damit wird die schon bisher insgesamt restriktive Anwendung von Infliximab bei Kindern<br />

und Jugendlichen mit MC durch diese neuerliche Position betont.<br />

Ernährungstherapie<br />

Eine initiale ausschließliche bzw. begleitende ernährungsmedizinische Intervention<br />

ist im Hinblick auf die o. g. Alteration der Gewichts- und Längenentwicklung bei Kindern<br />

mit MC plausibel. Zur Indikationsstellung einer Ernährungstherapie bei MC werden<br />

u. a. folgende Hypothesen diskutiert:<br />

• Stabilisierung bzw. Wiederherstellung eines gestörten Gleichgewichts zwischen<br />

Makroorganismus und der intestinalen Mikroflora, der ein pathogenetischer Effekt<br />

bei MC zugeschrieben wird<br />

• Reduzierung bzw. sogar Vermeidung des transmukosalen Transports von Nahrungsantigenen<br />

• Verminderung der Synthese inflammatorischer Zytokine in der Darmmukosa durch<br />

Reduktion von Nahrungsfetten<br />

• Verminderung der Verluste bzw. Ersatz bereits verloren gegangener essenzieller Mikronutrients<br />

Die Notwendigkeit einer supplementären Ernährungstherapie bei mittel- und höhergradigem<br />

MC findet in der Kindergastroenterologie zunehmende Akzeptanz, wenngleich<br />

die Methoden und Konzepte (z. B. totale vs. partielle enterale Ernährung, Nutzung<br />

von Aminosäuren-, Oligopeptid- oder polymeren Formelnahrungen etc.) zur<br />

Erreichung einer altersgerechten Gewichts- und Längenentwicklung noch nicht harmonisiert<br />

sein dürften. Eine aktuell publizierte randomisierte Studie zum Vergleich<br />

einer partiellen (PEN) bzw. totalen enteralen Ernährung (TEN) von Kindern mit aktivem<br />

52


MC konnte zeigen, dass eine 6-wöchige ernährungsmedizinische Intervention in<br />

jedem Fall hilfreich ist. Allerdings war die Remissionsrate unter alleiniger TEN nach<br />

6 Wochen signifikant besser als unter alleiniger PEN (42% vs. 5%). Darüber hinaus<br />

fanden sich unter TEN signifikante Zeichen einer antiinflammatorischen Wirkung:<br />

Reduktion des Durchfalls, Anstieg von Hämoglobin und Albumin, Abfall von Thrombozyten<br />

und BSR.<br />

So effektiv die TEN auch sein mag, belastet sie in jedem Fall die Compliance derart,<br />

dass eine ausschließliche Langzeitbehandlung zur Remissionserhaltung aus heutiger<br />

Sicht bei vielen Kindern unrealistisch erscheint.<br />

Psychologische Betreuung<br />

Zweckmäßig und indiziert ist eine klinisch-psychologische Mitbehandlung von<br />

MC-Patienten, insbesondere bei Verzögerungen der körperlichen und/oder Pubertäts-<br />

bzw. Sexualentwicklung. Diese können zu einem gestörten Körperempfinden<br />

und damit zu gravierenden psychischen Stresssituationen und psychopathologischen<br />

Reaktionen führen.<br />

Weitere Behandlungsoptionen<br />

Obwohl das Fehlen valider Daten für die Beantwortung vieler Fragen zur MC-Behandlung<br />

von Kindern und Jugendlichen problematisch ist, sollten neue Therapieoptionen<br />

bzw. experimentelle Therapien gemäß den Helsinki-Kriterien zur „good clinical practice“<br />

(GCP) zunächst bei Erwachsenen evaluiert werden. Auf dieser Grundlage sind wissenschaftlich<br />

haltbare Aussagen zur Behandlung des MC bei Kindern und Jugendlichen<br />

mit den folgenden Therapeutika kaum oder gar nicht möglich bzw. auf kasuistische<br />

Darstellungen und Problemfälle beschränkt: Cyclosporin A, Tacrolimus, neue „Biologicals“<br />

(Adalimumab), Trichuris suis, Thalidomid, chirurgische oder endoskopisch-interventionelle<br />

Verfahren u. a.<br />

Compliance<br />

Die Herstellung und Aufrechterhaltung eines Vertrauensverhältnisses im <strong>Dr</strong>eieck Arzt-<br />

Patient-Eltern ist eine unverzichtbare Größe im Behandlungsspektrum des MC. Nur<br />

wenn es gelingt, Kindern und Jugendlichen „in Augenhöhe“ zu begegnen und auf<br />

ihre spezifischen Lebensumstände einzugehen, kann mit einem Behandlungserfolg<br />

gerechnet werden. Die frühzeitige Einbeziehung – auch junger Kinder – in Therapieentscheidungen<br />

und die offene Auseinandersetzung mit dem Für und Wider der Therapie<br />

ist eine conditio sine qua non. Ein eigens für Kinder und Jugendliche erstellter<br />

CED-Pass* soll genau diesem Ansatz dienen.<br />

*Mein CED-Pass<br />

Patiententagebuch für Kinder und Jugendliche mit einer<br />

chronisch entzündlichen Darmerkrankung (CED)<br />

Autoren: A. Grothe, J. Schildt, M. Radke und R. Behrens<br />

(70 Seiten, DIN A6)<br />

Bestell-Nr. S89<br />

Dieser CED-Pass kann kostenlos bei der <strong>Falk</strong> Foundation e. V. bezogen werden.<br />

P Die <strong>Pharma</strong>kotherapie des Morbus<br />

Crohn fußt bei Kindern und Jugendlichen<br />

ganz überwiegend auf empirischen<br />

Daten und den klinischen Erfahrungen<br />

des Arztes. Das Problem fehlender<br />

Zulassungen für die meisten Medikamente<br />

im Kindes- und Jugendalter ist<br />

evident.<br />

53


Zu empfehlende Literatur<br />

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The role of esophagogastroduodenoscopy in the initial evaluation of childhood<br />

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Literatur<br />

56


Fragen zum Morbus Crohn<br />

bei Kindern<br />

Frage 1:<br />

Welche Aussage trifft zu?<br />

w Der Morbus Crohn bei Kindern ist sehr selten und zeigt die gleiche<br />

Symptomatik wie bei Erwachsenen<br />

w Der Morbus Crohn bei Kindern ist sehr häufig, blutige Stühle sind die<br />

typische Symptomatik<br />

w Der Morbus Crohn bei Kindern und Jugendlichen nimmt in den<br />

entwickelten Industrienationen zu<br />

w Der Morbus Crohn kommt im Säuglingsalter nicht vor<br />

w Der Morbus Crohn kommt bei Kindern unter 0 Jahren nicht vor<br />

Frage 2:<br />

Der Morbus Crohn bei Kindern ist<br />

w eine chronisch granulomatöse Entzündung unbekannter Ätiologie<br />

w Folge einer frühkindlichen Infektion mit Enteroviren<br />

w Folge einer frühkindlichen Infektion mit Masernviren<br />

w Folge einer frühkindlichen Infektion mit Mykobakterien<br />

w Folge einer proteinreichen Ernährung in der Säuglingszeit<br />

Frage 3:<br />

Was trifft zu? Der Morbus Crohn<br />

w ist ein monogenes Erbleiden<br />

w wird autosomal-dominant vererbt<br />

w unterliegt keinen genetischen Einflüssen<br />

w ist Folge klar definierter Umwelt- und Ernährungseinflüsse<br />

w zeigt eine familiäre Häufung<br />

Frage 4:<br />

Welche Aussage ist richtig? Die Diagnostik des Morbus Crohn im<br />

Kindesalter<br />

w wird überwiegend mit molekulargenetischen Methoden durchgeführt<br />

w erfolgt endoskopisch<br />

w wird mit molekulargenetischen und laborchemischen (immunologischen)<br />

Methoden durchgeführt<br />

w unterscheidet sich in keiner Weise von der Diagnostik im Erwachsenenalter<br />

w kann wegen ihrer Invasivität bis zum Ausbruch weiterer Symptome<br />

aufgeschoben werden<br />

<strong>Falk</strong><br />

<strong>Gastro</strong>-<strong>Kolleg</strong><br />

<strong>Pädiatrische</strong><br />

<strong>Gastro</strong>enterologie<br />

Bitte beachten Sie:<br />

Bei der Beantwortung der Fragen<br />

ist immer nur 1 Antwort möglich.<br />

Die Beantwortung der Fragen und<br />

Erlangung des Fortbildungszertifikats<br />

ist nur online möglich.<br />

Bitte gehen Sie dazu auf unsere Homepage<br />

www.falkfoundation.de.<br />

Unter dem Menüpunkt <strong>Falk</strong> <strong>Gastro</strong>-<strong>Kolleg</strong><br />

können Sie sich anmelden und die Fragen<br />

beantworten.<br />

Bitte diesen Fragebogen nicht<br />

per Post oder Fax schicken!<br />

Wichtig:<br />

Fragebeantwortung unter<br />

www.falkfoundation.de<br />

<strong>Falk</strong> <strong>Gastro</strong>-<strong>Kolleg</strong><br />

57


Frage 5:<br />

Welche Aussage zur Diagnostik des Morbus Crohn bei Kindern/<br />

Jugendlichen ist richtig?<br />

w Die endoskopische Untersuchung des oberen <strong>Gastro</strong>intestinaltrakts<br />

bei Kindern mit Morbus Crohn ist im Intervall von 2 bis 3 Wochen<br />

nach einer Ileokoloskopie indiziert<br />

w Die endoskopische Untersuchung des unteren und oberen <strong>Gastro</strong>intestinaltrakts<br />

bei Kindern mit Morbus Crohn ist primär und möglichst<br />

in einer Sitzung indiziert<br />

w Die endoskopische Untersuchung des oberen <strong>Gastro</strong>intestinaltrakts<br />

ist nur bei dort lokalisierten Morbus-Crohn-Symptomen indiziert<br />

w Die diagnostische Aussage der endoskopischen Untersuchung fußt<br />

allein auf der makroskopischen Beurteilung<br />

w Die diagnostische Aussage der endoskopischen Untersuchung fußt<br />

allein auf der histologischen Beurteilung<br />

Frage 6:<br />

Welche Aussage ist richtig? Der histologische Nachweis unspezifischer<br />

Entzündungszeichen im oberen <strong>Gastro</strong>intestinaltrakt<br />

findet sich<br />

w nur beim Morbus Crohn<br />

w nur bei der Colitis ulcerosa<br />

w nur bei der Colitis indeterminata<br />

w beim Morbus Crohn und bei der Colitis ulcerosa<br />

w bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen überhaupt nicht<br />

Frage 7:<br />

Welche Aussage ist falsch? Zur Behandlung eines akuten Schubs<br />

eines Morbus Crohn bei Kindern sind in Abhängigkeit von Schwere<br />

und Ausdehnung differenzialtherapeutisch folgende Therapieoptionen<br />

zu berücksichtigen<br />

w Wachstumshormon<br />

w antiinflammatorische Behandlung, z. B. mit 5-ASA<br />

w Immunsuppressiva<br />

w ernährungsmedizinische Intervention (Hydrolysate, Polymerdiäten)<br />

w Immunmodulation (Infliximab)<br />

Frage 8:<br />

Welche Aussage für die Behandlung des Morbus Crohn bei Kindern<br />

mit Infliximab trifft zu?<br />

w Die Immunmodulation mit Infliximab ist unter 8 Jahren absolut<br />

kontraindiziert<br />

w Die Immunmodulation mit Infliximab ist bei Kindern unter 0 Jahren<br />

absolut kontraindiziert<br />

w Die Immunmodulation mit Infliximab ist der Behandlung mit Kortikosteroiden<br />

vorzuziehen<br />

w Die Immunmodulation mit Infliximab gehört zur „First line“-Therapie<br />

im Kindesalter<br />

w Die Immunmodulation mit Infliximab ist schweren und therapierefraktären<br />

sowie Verläufen mit Komplikationen (z. B. Fistelleiden)<br />

vorbehalten<br />

<strong>Falk</strong><br />

<strong>Gastro</strong>-<strong>Kolleg</strong><br />

<strong>Pädiatrische</strong><br />

<strong>Gastro</strong>enterologie<br />

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Frage 9:<br />

Die bevorzugte Option zur Behandlung eines akuten Schubs eines<br />

mittelschweren Morbus Crohn bei Kindern mit isoliertem Befall von<br />

terminalem Ileum und Zökum ist<br />

w ein konventionelles orales Kortikosteroid<br />

w ein konventionelles intravenöses Kortikosteroid<br />

w Metronidazol<br />

w Budesonid<br />

w Infliximab<br />

Frage 10:<br />

Welche Antwort ist richtig? Die Sicherstellung einer möglichst<br />

physiologischen somatischen Entwicklung (Körperlänge, Körpergewicht)<br />

und altersgerechten Pubertätsentwicklung von Kindern<br />

und Jugendlichen mit Morbus Crohn gelingt am ehesten durch<br />

Behandlung mit<br />

w Tacrolimus<br />

w Kortikosteroiden<br />

w ernährungsmedizinischer Intervention<br />

w neuen „Biologicals“<br />

w Probiotika<br />

<strong>Falk</strong><br />

<strong>Gastro</strong>-<strong>Kolleg</strong><br />

<strong>Pädiatrische</strong><br />

<strong>Gastro</strong>enterologie<br />

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