Stadtzeitung - in Hall in Tirol
Stadtzeitung - in Hall in Tirol
Stadtzeitung - in Hall in Tirol
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
6 <strong>Stadtzeitung</strong> Nr. 22/2010<br />
Heimsuchung heißt Begegnung<br />
Vor 400 Jahren wurde die Ordensgeme<strong>in</strong>schaft der Heimsuchung Mariens gegründet.<br />
Auch die Schwestern des Klosters Thurnfeld <strong>in</strong> <strong>Hall</strong> gehören diesem Orden an.<br />
Am 6. Juni jährt sich der Gründungstag der<br />
kath. Ordensgeme<strong>in</strong>schaft der Schwestern der<br />
Heimsuchung Mariens zum 400. Mal. Ins Leben<br />
gerufen wurde sie von den Heiligen Franz von<br />
Sales (1567-1622; Bischof von Genf-Annecy) und<br />
Johanna Franziska von Chantal (1572-1641).<br />
Der Name Heimsuchung er<strong>in</strong>nert an die biblische<br />
Begegnung zwischen Maria und Elisabeth aus<br />
dem Lukasevangelium, bei der das Magnificat –<br />
der Lobpreis Gottes – entstand.<br />
Die Schwestern fassen ihre wesentlichen Ziele<br />
folgendermaßen zusammen: „Wir Schwestern<br />
von der Heimsuchung Mariens leben e<strong>in</strong>e<br />
Spiritualität der Begegnung, die <strong>in</strong> der biblischen<br />
Begegnung von Maria und Elisabeth<br />
wurzelt. Wir möchten Antwort geben auf<br />
die Beziehungslosigkeit, Sprachlosigkeit und<br />
E<strong>in</strong>samkeit unserer Zeit. Wir leben dies vor allem<br />
aus der Begegnung mit Gott, unserer Mitte<br />
und Quelle. Wir leben dies <strong>in</strong> der Begegnung<br />
mit den Mitschwestern, Mitarbeiter<strong>in</strong>nen und<br />
Mitarbeitern, Mitmenschen, Kirche und Welt<br />
nach dem Vorbild unserer Gründer Franz von<br />
Sales und Johanna Franziska von Chantal.“<br />
Ordensgründung <strong>in</strong> Annecy<br />
Die Wurzeln der Ordensgeme<strong>in</strong>schaft gehen<br />
zurück <strong>in</strong> das Jahr 1598. Franz von Sales lernte<br />
damals <strong>in</strong> Rom die Geme<strong>in</strong>schaft um die heilige<br />
Francesca Romana (1384-1440) kennen, e<strong>in</strong>e<br />
Gruppe von Frauen, die im Gebet und <strong>in</strong> der<br />
Sorge um die Kranken und Armen der Stadt Gott<br />
dienen wollten. Sechs Jahre später, am 5. März<br />
1604, begegnete er dann <strong>in</strong> Dijon der Baron<strong>in</strong><br />
Johanna Franziska von Chantal, e<strong>in</strong>er Witwe und<br />
Mutter von vier K<strong>in</strong>dern, die 1601 ihren Mann<br />
durch e<strong>in</strong>en tragischen Jagdunfall verloren hatte.<br />
Zwischen ihnen entwickelte sich e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>zigartige<br />
spirituelle Freundschaft, aus der die Idee erwuchs,<br />
auch <strong>in</strong> Annecy e<strong>in</strong>e ähnliche Geme<strong>in</strong>schaft von<br />
Frauen zu gründen, die e<strong>in</strong>erseits „Töchter des<br />
Gebetes“ s<strong>in</strong>d, und andererseits den Armen helfen<br />
und Kranke pflegen. Am 6. Juni 1610 war es<br />
dann soweit: Die ersten vier Schwestern – Johanns<br />
Franziska von Chantal, Jeanne-Charlotte de<br />
Bréchard, Jaquel<strong>in</strong>e Favre und Anne-Jaquel<strong>in</strong>e<br />
Coste – konnten ihr geme<strong>in</strong>sames Ordensleben<br />
Festmesse mit Bischof<br />
Die Schwestern des <strong>Hall</strong>er Thurnfeldklosters<br />
laden herzlich e<strong>in</strong> zur Festmesse<br />
am kommenden Sonntag, 6. Juni, 18 Uhr,<br />
mit Diözesan bischof Manfred Scheuer.<br />
Musikalische Gestaltung durch das Musikkollegium<br />
Schwaz.<br />
"Heimsuchung", Ausschnitt aus dem Altarbild<br />
von Franz Hellweger (1863)<br />
im so genannten „Haus der Galerie“ mit Blick<br />
auf den See von Annecy beg<strong>in</strong>nen. Schon bald<br />
gesellten sich weitere Frauen h<strong>in</strong>zu, so dass schon<br />
nach zwei Jahren e<strong>in</strong> größeres Gebäude gesucht<br />
und bezogen werden musste.<br />
1615 sollte dann außerhalb der Diözese Genf-<br />
Annecy und des Herzogtums Savoyen e<strong>in</strong>e weitere<br />
Gründung erfolgen, nämlich im französischen<br />
Lyon. Der dortige Erzbischof Denis-Simon<br />
des Marquemont (1572-1626) verlangte allerd<strong>in</strong>gs<br />
für die kirchliche Anerkennung, dass der<br />
Heimsuchungsorden e<strong>in</strong>e klassisch-kontemplative<br />
Schwesterngeme<strong>in</strong>schaft mit strenger Klausur<br />
nach den Regeln des Hl. August<strong>in</strong>us werden<br />
müsse. Die apostolische Tätigkeit der Armen-<br />
und Krankenpflege außerhalb der Klostermauern<br />
müsse also e<strong>in</strong>gestellt werden. Franz von Sales, der<br />
dar<strong>in</strong> den Willen Gottes erkannte, stimmte dieser<br />
Änderung zu. Beibehalten wurde jedoch, dass die<br />
Heimsuchungsklöster weiterh<strong>in</strong> offen für gebrechliche<br />
Frauen s<strong>in</strong>d, außerdem sollten sich Frauen<br />
für e<strong>in</strong>e gewisse Zeit <strong>in</strong>s Kloster zurück ziehen<br />
können, um dort Ruhe und geistliche Nahrung<br />
zu f<strong>in</strong>den. Der Grundsatz sollte gültig bleiben:<br />
Wenn die Schwestern nicht zu den Menschen<br />
h<strong>in</strong>aus gehen dürfen, dann sollten die Türen offen<br />
bleiben, damit Bedürftige und Ratsuchende <strong>in</strong>s<br />
Kloster h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> kommen können. Franz von Sales<br />
und Johanna Franziska von Chantal können also<br />
als Erf<strong>in</strong>der von „Kloster auf Zeit“ betrachtet<br />
werden.<br />
Die Ordensgeme<strong>in</strong>schaft erhielt <strong>in</strong> dieser veränderten<br />
Form die päpstliche Anerkennung am 23.<br />
April 1618 durch Papst Pius V. Die Ausbreitung<br />
der Ordensgeme<strong>in</strong>schaft der Heimsuchung<br />
erfolgter daraufh<strong>in</strong> sehr rasch. Bis zum Tod<br />
des hl. Franz von Sales 1622 gab es bereits 13<br />
Heimsuchungsklöster, bis zum Tod von Johanna<br />
Franziska von Chantal 1641 waren es schon<br />
87 Klöster. Heute leben weltweit etwa 2.500<br />
Schwestern <strong>in</strong> 155 Klöstern <strong>in</strong> 33 Staaten auf<br />
vier Kont<strong>in</strong>enten. Das erste Klos ter im deutschen<br />
Sprachraum wurde 1667 <strong>in</strong> München gegründet.<br />
1717 erfolgte e<strong>in</strong>e Klostergründung <strong>in</strong> Wien.<br />
Spiritualität lebt weiter<br />
Der Orden der Heimsuchung Mariens war und ist<br />
der Garant und Hüter dafür, dass die Spiritualität<br />
ihrer Gründer, Franz von Sales und Johanna<br />
Franziska von Chantal, weiter lebendig bleibt. Im<br />
Gründungskloster von Annecy s<strong>in</strong>d noch heute<br />
zahlreiche Orig<strong>in</strong>aldokumente der beiden Heiligen<br />
archiviert. Im Laufe der 400 Jahre entwickelten<br />
sich viele weitere Ordensgeme<strong>in</strong>schaften und<br />
Institute, die zur salesianischen Familie gezählt<br />
werden: Die Salesianer und Salesianer<strong>in</strong>nen<br />
Don Boscos, die Oblaten und Oblat<strong>in</strong>nen des<br />
hl. Franz von Sales, die Missionare des hl. Franz<br />
von Sales, die Töchter des hl. Franz von Sales<br />
von Lugo, das Säkular<strong>in</strong>stitut des hl. Franz von<br />
Sales und viele andere mehr. Die „Mutter“ all<br />
dieser Salesianer<strong>in</strong>nen und Salesianer ist jedoch<br />
die Schwesterngeme<strong>in</strong>schaft der Heimsuchung<br />
Mariens.<br />
P. Herbert W<strong>in</strong>klehner<br />
(Auszug aus Artikel im Altött<strong>in</strong>ger Liebfrauenboten<br />
vom 7. März 2010)<br />
Die Ordensstifter vor der Dreifaltigkeit, Altarbild<br />
von Franz Hellweger (1863)