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Inhalt 10/2009 - Liebes Land

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Altes Wissen<br />

Wohlbehütet<br />

unter die Haube<br />

War früher eine Jungfrau heiratswillig, demonstrierte sie ihren Reichtum<br />

mit einer kostbaren Kopfbedeckung. Allerdings entpuppte sich so manche<br />

Braut als Mogelpackung – der Schäppel war geliehen.<br />

132 www.liebes-land.de <strong>10</strong>/<strong>2009</strong><br />

Foto: Grießhaber<br />

Früher mussten Frauen, die als<br />

gute Partie gelten wollten, nicht<br />

nur einiges im, sondern auch auf<br />

dem Kopf haben. An Festtagen trugen sie<br />

Kränze aus Tannenzweigen, Getreide<br />

oder Kräutern, geschmückt mit Blumen,<br />

Bändern und Früchten. Im Lauf der Zeit<br />

verwandelten sich diese schlichten Kopfbedeckungen<br />

in aufwändige Gebilde aus<br />

Glaskugeln, Perlen, Draht und Spiegeln.<br />

Mit diesen prunkvollen Gebilden, den<br />

Schäppeln, demonstrierten die jungen<br />

Frauen, dass sie unberührt und heiratsfähig<br />

waren. Warum sie das mit einer Kopfbedeckung<br />

verkündeten, weiß niemand<br />

mehr. Vielleicht, weil Unberührtheit eine<br />

entsprechende Geisteshaltung voraussetzt.<br />

Wahrscheinlicher ist aber, dass der<br />

ehemals heidnische Brauch im Mittelalter<br />

christianisiert und mit der Marienverehrung<br />

in Verbindung gebracht wurde.<br />

„Die junge Frau, die durch die Heirat<br />

Herrin im Hause wird, wird geschmückt<br />

wie eine Königin“, beschreibt der Buchautor<br />

Kurt Wintermantel die Entwicklung<br />

der Schäppel. „Das Christentum hat dies<br />

umgedeutet. Die Krone gilt als Abbild<br />

des Hoheitszeichens der Himmelskönigin<br />

Maria, Vorbild reiner Jungfräulichkeit.“<br />

Wer Reinheit vortäuschte,<br />

wurde bestraft<br />

So war das Schäppel-Tragen den<br />

Jungfrauen vorbehalten. Klar, dass<br />

Schwangere nicht mit einer solchen<br />

Brautkrone vor den Traualtar treten durften.<br />

Sogar Witwen war es verboten, bei<br />

einer zweiten Heirat einen Schäppel aufzusetzen.<br />

Das wurde peinlich kontrolliert,<br />

Übertretungen hatten unangenehme<br />

Folgen. Mancherorts wurden dem Paar bei<br />

der Trauung Kerzen, Gesang, Glockengeläut<br />

und Orgelspiel verweigert. Anderswo<br />

praktizierte man sogar eine Frühform des<br />

Mobbing: „Böse Mitmenschen deuteten<br />

mit den Fingern auf das Brautpaar, was<br />

oft zum Wegzug desselben aus dem Dorf<br />

geführt hat“, so Kurt Wintermantel. Im<br />

April 1700 wurde zudem festgelegt, dass<br />

„Bräute, welche sich bei der Trauung des<br />

Schäppels fälschlich bedienen, nebst ihren<br />

Chapeau!<br />

Das Wort „Schäppel“ stammt vom mittelhochdeutschen<br />

„Schapel“ ab und bedeutet „Kranz aus Laub oder<br />

Blumen“. Schapel entstand aus dem altfranzösischen<br />

„Chapel“, später wurde daraus das Wort „chapeau“,<br />

das auch als Kompliment („Hut ab!“) verwendet wird.<br />

Das wiederum geht auf das mittellateinische „cappa“<br />

(Kappe) zurück.<br />

Ehemännern mit Gefangenschaft und an<br />

Geld gebührendermaßen abzustrafen“<br />

seien. Da fing die Ehe also gut an . . .<br />

Der Schäppel war Teil der Festtagstracht<br />

und wurde nur an hohen kirchlichen<br />

Feiertagen, bei Prozessionen, Taufen<br />

oder eben Hochzeiten getragen. Als<br />

erste Gelegenheit diente meist die Erstkommunion<br />

oder Konfirmation der Dorf-<br />

Foto: Grießhaber<br />

mädchen, in manchen Gemeinden die<br />

Schulentlassung. Den Schlusspunkt markierte<br />

immer die Hochzeit, denn damit<br />

kam die Frau im wahrsten Sinn des Wortes<br />

„unter die Haube“ – und trug fortan<br />

die Haubentracht. Obwohl der Schäppel<br />

einst von allen Bevölkerungsschichten<br />

und in allen Regionen Deutschlands getragen<br />

wurde, sieht man ihn heute, wenn<br />

überhaupt, nur noch im Schwarzwald.<br />

Rosa Ringwald ist eine der letzten Schwarzwälder Schäppelmacherinnen.<br />

<strong>10</strong>/<strong>2009</strong> www.liebes-land.de 133<br />

Foto: Lampert

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