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Artinside Das Museumsmagazin der Region Basel Ausgabe ...

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42<br />

Trois cent cinquante<br />

kilogrammes<br />

par mètre carré<br />

Simon Starlings Skulpturen, Installationen und Reisen artikulieren<br />

sich um Transformations-, Hybridations- und Verschiebungsprozesse<br />

sowie Interventionen vor Ort. Seine Arbeit ist<br />

oft wie eine Erzählung aufgebaut und überlässt es dem Zuschauer, das<br />

Werk weiterzudenken.<br />

Anlässlich seines Projektes in La Kunsthalle Mulhouse unterhält<br />

sich Simon Starling mit Vincent Honoré, dem Kurator <strong>der</strong> Ausstellung.<br />

Vincent Honoré: Ihre Werke sind oft eingebettet in einen spezifischen<br />

sozialen und historischen Kontext. Als Ausgangspunkt dient Ihnen eine<br />

eigentliche – wenn auch subjektive – Archäologie des Wissens.<br />

Für das Projekt in Mulhouse befassten wir uns zuerst mit <strong>der</strong> Geschichte<br />

des Gebäudes und <strong>der</strong> Stadt. Was interessierte Sie im Speziellen an dem,<br />

was Sie vorfanden und in Erfahrung brachten?<br />

Simon Starling: Viele meiner Werke haben ihren Ursprung in einer<br />

Auseinan<strong>der</strong>setzung mit post-industriellen Orten verschiedenster<br />

Prägung. Dies ist natürlich teilweise dem Boom von Ausstellungsgeländen<br />

geschuldet, die in den Nachwehen des industriellen Zusammenbruchs<br />

in Europa und Nordamerika im späten 20. Jahrhun<strong>der</strong>t<br />

an eben solchen post-industriellen Orten ihren Platz fanden, und <strong>der</strong><br />

Rolle <strong>der</strong> Kunst in diesem urbanen Erholungsprozess. MassMOCA<br />

in North Adams, Massachusetts, <strong>der</strong> Kunstraum in Dornbirn, Parc<br />

Saint Léger im ländlichen Burgund – die Liste ist lang, aber alle diese<br />

Orte boten mir einen spezifischen Fokus für mein fortwährendes Interesse<br />

an Fragen zu Arbeit, zum Wert <strong>der</strong> Arbeit, zur Bedeutung des<br />

(Kunst-)Handwerks und so weiter.<br />

<strong>Das</strong> Werk geht Fragen nach wie zum Beispiel: Was ist unsere Beziehung<br />

zu <strong>der</strong> Produktion von Alltagsgegenständen und woher stammen<br />

die Rohmaterialien für die Herstellung dieser Dinge? – Grosse Fragen<br />

mit globaler Resonanz, die aber immer innerhalb von bestimmten lokalen<br />

und charakteristischen Parametern gestellt werden. Giessereien<br />

waren seit den Anfängen meiner Tätigkeit mit Werken wie Work, ma<strong>der</strong>eady<br />

(Kunsthalle Bern, 1997) eine sehr wichtige Inspirationsquelle für<br />

mich, sowohl auf Produktionsstufe wie auch auf einer konzeptuellen<br />

Ebene als Ort für Verän<strong>der</strong>ungen und Nachdenken.<br />

Simon Starling<br />

Trois cent cinquante kilogrammes<br />

par mètre carré<br />

24.05.2012 – 26.08.2012<br />

La Kunsthalle Mulhouse<br />

www. kunsthallemulhouse.com<br />

Als ich erfuhr, dass die Kunsthalle in Mulhouse früher eine ausgesprochen<br />

produktive Giesserei war, war dies für mich sofort interessant als<br />

Ausgangspunkt für ein Projekt. Mich reizte die Idee, ihre jetzige Funktion<br />

als Ausstellungsort zu ihrer früheren Funktion als Giesserei in<br />

Bezug zu stellen. Diese Spannung zwischen Vergangenheit und Gegenwart<br />

wird greifbar in den Verän<strong>der</strong>ungen, die vorgenommen wurden,<br />

um sie zu einem Ausstellungsort umzubauen.<br />

Ich fing an zu spekulieren, wie ein Stück Schwermaschinerie, wie es<br />

früher in <strong>der</strong> Giesserei hergestellt wurde, an die neuen Räumen und <strong>der</strong>en<br />

Sicherheitsvorschriften angepasst aussehen könnte.<br />

VH: Sie werden oft als Konzeptkünstler bezeichnet. In gewisser Weise<br />

wird diese Kategorisierung aber we<strong>der</strong> Ihnen noch <strong>der</strong> Bandbreite Ihrer<br />

Werke gerecht. Ich kann mich erinnern, einmal die naive, aber doch berechtigte<br />

Frage an Jason Dodge gestellt zu haben: Was sind Sie eigentlich?<br />

Er antwortete: Ich bin ein Bildhauer.<br />

Nun frage ich Sie: Was sind Sie eigentlich?<br />

SS: Ich denke, ich würde Jason recht geben und mich auch unter den<br />

Bildhauern einreihen. Alles, was ich mache, seien es Filme, Fotografien,<br />

grossräumige Installationen o<strong>der</strong> kleinräumige Skulpturen, hat seine<br />

Wurzeln in einem grundsätzlichen Skulpturverständnis. Um es mit den<br />

Worten Lawrence Weiners zu sagen: Skulptur wird gemacht von Leuten,<br />

die mit <strong>der</strong> Beziehung zwischen Menschen und Dingen unzufrieden<br />

sind. Auch für mich geht es im Grunde um die Beziehung zwischen<br />

Menschen und Dingen. O<strong>der</strong> vielleicht genauer: um die Beziehung zwischen<br />

Menschen und Orten und Dingen.<br />

Die Arbeit ist ein fortlaufendes Neuverhandeln dieser Beziehungen<br />

und Zusammenhänge. Konzeptkunst hatte zwar einen immensen Einfluss<br />

darauf, wie ich meine Arbeit als Skulptor definiere, aber, wie Sie<br />

sagten, sie ist vielleicht eine zu begrenzte Kategorie. – Ich hüte mich jedoch<br />

vor einer starren Methodologie o<strong>der</strong> einer starren künstlerischen<br />

Sprache.<br />

Es ist mir wichtig, zurückblicken zu können und zu sehen, wie sich das,<br />

was ich mache, entwickelt hat. Was ich heute bin und mache, ist sicher<br />

nicht dasselbe wie vor zehn Jahren.<br />

A City View From the Table of My House<br />

von Sabine Schaschl*<br />

Der kubanische Künstler Carlos Garaicoa (geb. 1967 in Havanna,<br />

lebt in Havanna und Madrid) untersucht in seinen Arbeiten<br />

Architektur und Urbanismus als Abbild und Spiegel politischer<br />

Realität und gesellschaftlicher Entwicklung. In Fotografien,<br />

Zeichnungen, Skulpturen, Installationen und Filmen macht <strong>der</strong><br />

Künstler auf die Krise und Geschichte des städtischen Raums aufmerksam.<br />

Sein Heimatland Kuba nimmt er bereits seit den 1990er-<br />

Jahren immer wie<strong>der</strong> zum Ausgangspunkt seiner Arbeit. In den<br />

neoklassizistischen Ruinen Kubas spiegelt sich <strong>der</strong> verlorene Glanz<br />

<strong>der</strong> spanischen Kolonialzeit und in den oftmals nicht vollständig<br />

realisierten Bauwerken des Sozialismus zeigen sich eindringlich die<br />

Folgen des Nie<strong>der</strong>gangs mo<strong>der</strong>ner Ideologie. Garaicoa fügt dem Vorhandenen<br />

auf kritisch hinterfragende Weise seine eigene Utopie hinzu.<br />

Er ergänzt beispielsweise auf Schwarz-Weiss-Fotos von zerfallenen<br />

Gebäuden mit feinen, farbigen Fäden die zerstörten Teile o<strong>der</strong><br />

vollendet auf diese Weise imaginär Bauwerke, die in Wirklichkeit nie<br />

fertiggestellt worden sind. Dahinter steht eine umfassende Kritik sowohl<br />

an Regierung und Institutionen, die den Verfall <strong>der</strong> Stadt seit<br />

<strong>der</strong> Revolution von 1959 nicht verhin<strong>der</strong>n, als auch an den Ideologien<br />

des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts im Allgemeinen.<br />

Garaicoas Blick auf die Stadt löst sich immer wie<strong>der</strong> von konkreten<br />

Orten <strong>der</strong> Wirklichkeit und lässt künstlerische urbane Visionen entstehen.<br />

Eine fiktive Stadt, die sich zudem mit dem Thema von privatem<br />

und öffentlichem Raum auseinan<strong>der</strong>setzt, stellt das Foto <strong>der</strong><br />

Installation A City View From the Table of My House (1998) dar: antiquiert<br />

wirkende Alltagsgegenstände wie Kristallvasen, Lampen und<br />

Glasflakons formen gemeinsam eine Art Modell, das es dem Besitzer<br />

erlaubt, nach Belieben Gebäude und Plätze zu verrücken. Gleichzeitig<br />

erzählen die Gegenstände selbst eine Geschichte persönlicher Erin-<br />

Carlos Garaicoa<br />

A City View From the Table of My House<br />

01.06.2012 – 15.07.2012<br />

Kunsthaus <strong>Basel</strong>land<br />

www. kunsthausbaselland.ch<br />

<strong>Artinside</strong> <strong>Artinside</strong><br />

Simon Starling, Trois cent cinquante kilogrammes par mètre carré, 2012<br />

Carlos Garaicoa, A City View from The Table of My House, 2001<br />

nerungen und formen so den Charakter dieser eigentümlichen Stadt.<br />

Dagegen ist Bend City (Red), 2008, auf den ersten Blick eine Ansammlung<br />

minimalistisch anmuten<strong>der</strong> Papierskulpturen. Bei näherer Betrachtung<br />

heben sich aus den 96 gefalteten, roten Papierseiten durch<br />

feine Schnitte und Faltungen jedoch Brücken, Gebäude und Denkmäler<br />

empor. Zusammen lassen die individuell gestalteten Bauwerke die<br />

poetisch-bedrückende Utopie einer sozialistischen, gleichförmigen<br />

Stadt entstehen.<br />

Viele seiner Werke sind so fragil wie die Hoffnung in krisengeplagten<br />

Zeiten o<strong>der</strong> die Erinnerung an das längst Vergangene: The<br />

Old and the New (2010) heisst beispielsweise eine 12-teilige Serie von<br />

Papierarbeiten, in denen sich feine Lithografien historischer Fassaden<br />

vorsichtig aufbäumen, welche mit utopisch wirkenden Scherenschnitten<br />

aus schwarzem Karton erweitert und ästhetisch gebrochen<br />

werden.<br />

Die Ausstellung im Kunsthaus <strong>Basel</strong>land vereint erstmals in <strong>der</strong><br />

Schweiz ältere mit neuesten Werken und bietet einen umfassenden<br />

Überblick auf das Schaffen eines <strong>der</strong> wichtigsten kubanischen Künstler<br />

seiner Generation.<br />

*Sabine Schaschl ist Direktorin des Kunsthaus <strong>Basel</strong>land<br />

und Kuratorin <strong>der</strong> Ausstellung<br />

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