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Steiermark Report April 2008 - einseitige Ansicht - Kommunikation ...

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Geschichten zur Geschichte<br />

130 Jahre Weizklammstraße<br />

Rüdeger Frizberg<br />

Die Straße durch die Weizklamm gilt als besonders witterungsanfällig<br />

und kostenintensiv in der Erhaltung. Ihre Errichtung vor 130 Jahren war<br />

eine technische Meisterleistung und brachte der Region einen großen<br />

wirtschaftlichen Aufschwung.<br />

Vor der Fertigstellung der<br />

Straße konnte die Weizklamm<br />

von Fußgängern<br />

nur über zwei halsbrecherische<br />

Steige, auf denen über 40 Meter<br />

tiefe Abgründe einfach nur Baumstämme<br />

gelegt waren, passiert<br />

werden: Beide Steige wurden immer<br />

wieder von Unwettern weggerissen.<br />

Fuhrwerke konnten nur<br />

das oft unpassierbare Bett des<br />

Weizbaches als Fahrtrasse benützen.<br />

Tote und Verletzte waren damals<br />

keine Seltenheit, weil Fuhrwerke<br />

mitten in der Klamm von<br />

Unwettern überrascht wurden.<br />

Lange Zeit hatten die in einem<br />

abgelegenen Talkessel isolierten<br />

Gemeinden Fladnitz und Passail<br />

auf eine Verbesserung dieser so<br />

gefährlichen Verkehrsanbindung<br />

an Weiz gedrängt. Auch die breite<br />

Bevölkerung war für den Bau einer<br />

Straße durch die Klamm.<br />

Eine Gefährdung des Wachtelkönigs<br />

bestand damals offensichtlich<br />

nicht.<br />

Nach der Prüfung einer Ende<br />

1873 von den Gemeinden gemachten<br />

Eingabe an den Steiermärkischen<br />

Landtag beschloss<br />

dieser 1874 eine Entwurfsausarbeitung.<br />

Der vom Landesbauamt<br />

1876 vorgelegte Entwurf sah vier<br />

Abschnitte vor: Der erste, ca. 1,4<br />

Kilometer lang, führte von Passail<br />

weg in Richtung Klamm und war<br />

mit 3.700 Gulden veranschlagt.<br />

Der zweite mit rund 3,7 Kilometern<br />

reichte bis zur Wasserscheide<br />

Lamgraben und kostete<br />

27.000 Gulden. Mit 53.3000 Gulden<br />

am teuersten war der 3,4 Kilometer<br />

lange Abschnitt direkt in<br />

der Weizklamm. Die restliche<br />

Strecke bis Weiz mit 5,6 Kilome-<br />

18<br />

Kolumne Verwaltung Chronik Kultur SteirerBlitze<br />

zurück zum Inhalt<br />

tern kostete 12.000 Gulden. Am<br />

14. <strong>April</strong> 1877 genehmigte der<br />

Landtag den Bau und die Übernahme<br />

der Kosten bis zu 82.300<br />

Gulden. Welche Bedeutung die<br />

Straße für die Bevölkerung damals<br />

hatte, lässt sich an deren<br />

großen Natural- und Geldopfern<br />

dafür erkennen: Unter Anderem<br />

brachten 112 Weizer Bürger die<br />

für damalige Verhältnisse sehr<br />

hohe Summe von 4.452 Gulden<br />

auf. Der Beitrag der Anrainergemeinden<br />

und einzelner Bürger<br />

belief sich auf insgesamt 39.394<br />

Gulden. Die Weizer Sparkasse<br />

erklärte sich zu einem Darlehen<br />

von 10.000 Gulden bereit, das<br />

„im Ernstfall“ nicht zurückgezahlt<br />

werden brauchte.<br />

Den Bauauftrag erhielt die Firma<br />

Pratschniker & Co aus Stein bei<br />

Laibach. Sie hatte das günstigste<br />

und für sie letztendlich verlustreiche<br />

Angebot gelegt, weil sie<br />

nach dem Auslaufen eines Großauftrages<br />

unbedingt ihre Stammbelegschaft<br />

erhalten und mit diesem<br />

Auftrag auch die laufenden<br />

Kosten ihres Maschinenparks finanzieren<br />

wollte. Im Mai 1878<br />

wurde der junge Diplomingenieur<br />

Guido Edler von Toncourt als<br />

Bauführer engagiert. Seine Ingenieurskanzlei<br />

und das Verwaltungsbüro<br />

für die Baustelle waren<br />

in der nahen Steffelmühle untergebracht.<br />

Die notdürftigen Unterkünfte<br />

für die Arbeiter befanden<br />

sich in Bauernhäusern oder<br />

Scheunen. Es wird von einem<br />

durch die Unvorsichtigkeit eines<br />

Arbeiters ausgelösten Brand<br />

eines Bauernhauses im Winter<br />

1878 berichtet, bei dem die<br />

Quartiergeber für die Arbeiter ihr<br />

Leopold Farnleitner,<br />

Franz Hauser und<br />

Hans Ritz haben die<br />

Geschichte der Weizklammstraße<br />

in ihrem<br />

Buch „Weiz, Geschichte<br />

und<br />

Geschichten“ beschrieben.<br />

Wirtschafts- und Wohnhaus verloren.<br />

Ihr Neugeborenes konnten<br />

sie vor dem Flammentod nur retten,<br />

indem sie es durch das Fenster<br />

in den weichen Schnee warfen.<br />

Dank der umsichtigen Bauleitung<br />

durch Toncourt machte der technisch<br />

anspruchsvolle Bau gute<br />

Fortschritte. Die Mühsal der Arbeit<br />

lässt sich erahnen, wenn<br />

man bedenkt, dass für einen halben<br />

Meter Vortrieb in den Stein<br />

– etwa für Sprengungen - 3800<br />

Hammerschläge notwendig waren.<br />

Dabei waren zwei Arbeiter<br />

beschäftigt, einer, der den Hammer<br />

schlug und ein zweiter, der<br />

nach jedem Schlag den Meisel<br />

nachdrehen musste. Trotzdem<br />

konnten die Arbeiten bereits im<br />

September 1879 abgeschlossen<br />

werden. Obwohl der Auftrag verlustreich<br />

war, lud die Baufirma<br />

die Weizer Bevölkerung zur Eröffnung<br />

ein. Alle waren von der sich<br />

in die Natur einfügenden Trassenführung<br />

begeistert.<br />

Direkt an der Straße entstanden<br />

mehrere Labestationen für die<br />

Pferde. Viele neue Gasthäuser,<br />

wie etwa der „Felsenkeller“,<br />

sorgten für die oft auch über das<br />

unbedingte Erfordernis hinausgehende<br />

Labung mancher Kutscher.<br />

Aber nicht nur direkt an der Straße,<br />

sondern in der ganzen Region,<br />

brachte die Straße einen wirtschaftlichen<br />

Aufschwung.<br />

Für Guido von Toncourt bedeutete<br />

dieses Projekt den Beginn einer<br />

großen Karriere: Er wurde<br />

danach in den Staatsdienst übernommen<br />

und mit einer Reihe von<br />

Aufgaben an der Südostgrenze<br />

der Monarchie beauftragt. Zuerst<br />

Leiter des technischen Dienstes<br />

zur Schiffbarmachung des Pruth<br />

(Rumänien), stieg er danach weiter<br />

zum Schifffahrtsinspektor<br />

und Vorsitzenden des Schiedsgerichtes<br />

für Schifffahrtsangelegenheiten<br />

auf. Den Naturbegeisterten<br />

zum Trost: Auch im Falle des<br />

Baues des Weizklammtunnels<br />

würde die unter seiner Leitung<br />

erbaute Weizklammstraße erhalten<br />

bleiben.<br />

Foto: Helmuth Gschuanes

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