PDF 43 - Deutsche Sprachwelt
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Seite 12 Bunte Seite<br />
Wir <strong>Deutsche</strong> oder wir <strong>Deutsche</strong>n?<br />
Von Rominte van Thiel<br />
M<br />
it „uns <strong>Deutsche</strong>n“ gibt es<br />
Schwierigkeiten. Nein, damit<br />
meine ich keine politischen Verwicklungen,<br />
sondern die Verwendung des<br />
Wortes, das uns bezeichnet. Anlaß<br />
ist ein Beitrag Michael Wolffsohns<br />
für die Tageszeitung „Die Welt“ von<br />
Anfang Februar dieses Jahres. Der<br />
Historiker schrieb nämlich, Außenminister<br />
Guido Westerwelle wisse<br />
nicht, wie dieses Wort gebeugt wird,<br />
denn er sage oft „Wir <strong>Deutsche</strong>“.<br />
Und das sei schlichtweg falsch, obwohl<br />
Westerwelle die deutsche Sprache<br />
doch in Wort und Schrift fließend<br />
beherrsche.<br />
Wolffsohn meinte weiter: „Der Bursche<br />
im Singular, die Burschen im<br />
Plural und nicht die Bursche. Oder:<br />
Der Lurch und die Lurche. Also: Der<br />
oder die <strong>Deutsche</strong> im Singular und<br />
die <strong>Deutsche</strong>n im Plural, also auch<br />
Wir <strong>Deutsche</strong>n. Wenn Westerwelle<br />
‚Wir <strong>Deutsche</strong>‘ sagt, vermengt er<br />
Singular und Plural.“<br />
Das ist scheinbar einleuchtend. Wie<br />
ist es aber, wenn wir statt des bestimmten<br />
Artikels den unbestimmten<br />
setzen? Ob „der“ oder „ein“, der<br />
Bursche bleibt ein Bursche. Nicht<br />
so der <strong>Deutsche</strong>, aus ihm wird „ein<br />
<strong>Deutsche</strong>r“. Auch im Plural ist der<br />
<strong>Deutsche</strong> widerspenstig: Ob „die<br />
Burschen“ oder „Burschen“, die<br />
Endung bleibt gleich, nicht so bei<br />
uns <strong>Deutsche</strong>n. Aus „der <strong>Deutsche</strong>“<br />
werden „die <strong>Deutsche</strong>n“. Aus „ein<br />
<strong>Deutsche</strong>r“ werden aber im Plural<br />
„<strong>Deutsche</strong>“.<br />
Des Rätsels Lösung: Was uns bezeichnet<br />
ist eben, anders als bei einem<br />
Franzosen, einem Briten oder<br />
Serben, ein substantiviertes Adjektiv,<br />
Es ist nicht einfach mit unserem Volksnamen<br />
A<br />
ls Bundesverkehrsminister<br />
Ramsauer Ende Dezember<br />
2010 wieder als Hüter<br />
unserer Muttersprache auftrat,<br />
schlugen die Wellen in der<br />
Presse hoch. Er hatte einst in seinem<br />
Ministerium, so die „Financial Times<br />
Deutschland“, eine Anzeige mit dem<br />
Text „Inhouse Meeting über Outsourcing<br />
Projekte“ gelesen, die ihn so erzürnte,<br />
daß er seitdem gegen „überflüssige<br />
Anglizismen“ vorgeht – in seinem<br />
Ministerium wie bei der <strong>Deutsche</strong>n<br />
Bahn (DB). Die Medien überschlugen<br />
sich mit Kritik an ihm. Der „Winterminister“<br />
solle lieber die Probleme lösen,<br />
die durch die unerwarteten großen<br />
Schneemengen und das Blitzeis entstanden<br />
seien, statt gegen Denglisch<br />
durchzugreifen, lautete der Tenor.<br />
Doch was spricht eigentlich dagegen,<br />
neben dem Auftauen eingefrorener<br />
Weichen auch die Weichen für eine<br />
Von Dagmar Schmauks<br />
DSW-Silbenrätsel<br />
1. sehr alter Alkohol (Kurzform) – 2. austauschbare Gefängnisstrafe – 3.<br />
nicht-städtisches Hühnerprodukt – 4. Flaggen schlachtreif füttern – 5. Diener<br />
eines Textilherstellers – 6. streitsüchtige Frucht – 7. freiwillige Übung<br />
des kleinen Wilhelm – 8. jemand, der die Anzahl großer Flüsse feststellt<br />
– 9. Gerät, mit dem man geborgtes Geld fängt – 10. etwas in einen großen<br />
Topf tun – 11. Frau, die kleinen Fingerschmuck nicht hört – 12. Muskelzucken<br />
durch vergorenen Traubensaft – 13. was der Scharfrichter ißt – 14.<br />
jemand, der Honighersteller betastet – 15. Kuriere tragen dieses Gewebe<br />
– 16. Schreibgerät für Arbeitsunterbrechungen – 17. schlüpfriger Regen-<br />
Die Weichen stellen?<br />
verständlichere und damit<br />
bessere Sprache zu stellen?<br />
Was spricht dagegen, neben<br />
der Beseitigung der Schneemassen<br />
und des Blitzeises<br />
an den Oberleitungen auch dafür zu<br />
sorgen, daß wir nicht auf dem denglischen<br />
Sprach-Parkett ausrutschen? Im<br />
übrigen wird das Wetter schon morgen<br />
„Schnee von gestern“ sein oder ist<br />
es heute schon; schön wäre es, wenn<br />
das auch vom „Service Point“, „Kiss<br />
& Ride“ und von anderem DB-Unsinn<br />
gesagt werden könnte, meint<br />
Ihr Anglizismenmuffel<br />
Wolfgang Hildebrandt<br />
Wolfgang Hildebrandt, Mal ganz ehrlich<br />
– denglischst du noch oder sprechen<br />
Sie schon?, Band 2, ISBN 978-3-<br />
929744-52-1, 6,00 Euro. Bestellungen:<br />
Wolfgang Hildebrandt, Am Steingrab<br />
20a, D-27628 Lehnstedt, Telefon +49-<br />
(0)4746-1069, Telefax +49-(0)4746-<br />
931<strong>43</strong>2, hillesimm@t-online.de<br />
schutz – 18. wärmendes Kriechtier – 19. Schlafmöbel oberhalb der Eisenbahn<br />
– 20. jemand, der durch Faserpflanzen kriecht – 21. kleines Unglück<br />
von Borstenvieh – 22. Fernwaffe, die Schmutz verteilt – 23. Lebensraum<br />
eines Kellners – 24. innerster Lotterieschein – 25. Meßlatte für Nachtlokale<br />
– 26. Bulle, der zwei Kühe begattet – 27. haarige Haut des Internets –<br />
28. kleiner Blutsauger als Anwendung für sog. „Smartphones“ – 29. wenn<br />
Mönche ihre Zimmer halbieren – 30. besonders gründliche Reinigung<br />
an – ap – ap – ba – baum – be – ber – ber – ber – bett – bie – bo – che – chen<br />
– dek – den – der – dop – dreck – ei – ein – fah – fal – fein – fel – fer – flä – füh –<br />
fül – ge – gel – gleit – haft – heiz – hen – kalk – ker – kern – kers – kes – knecht<br />
– krampf – kür – land – le – lend – ler – ler – ler – los – lung – mahl – mast<br />
– me – ne – nen – nen – o – pau – pel – pelz – plaus – putz – rin – ro – schirm<br />
– schlan – schleu – schlüp – schul – schwei – sel – seln – sen – stoff – strom –<br />
tau – tei – ten – ter – ti – ü – we – web – wech – wein – will – woll – zäh – zank<br />
– zeit – zell – zug<br />
<strong>Deutsche</strong> <strong>Sprachwelt</strong>_Ausgabe <strong>43</strong>_Frühjahr 2011<br />
Bericht aus Berlin<br />
Lösungen: 1. Antikalk – 2. wechselhaft – 3.<br />
Landei – 4. Fahnenmast – 5. Weberknecht<br />
– 6. Zankapfel – 7. Willkür – 8. Stromzähler<br />
– 9. Schuldenfalle – 10. einkesseln<br />
– 11. Ringeltaube – 12. Weinkrampf – 13.<br />
Henkersmahlzeit – 14. Bienenfühler – 15.<br />
Botenstoff – 16. Pausenfüller – 17. Gleitschirm<br />
– 18. Heizschlange – 19. Bettüberzug<br />
– 20. Baumwollschlüpfer – 21. Schweinelendchen<br />
– 22. Dreckschleuder – 23.<br />
Oberfläche – 24. kernlos – 25. Barometer<br />
– 26. Doppeldecker – 27. Webpelz – 28.<br />
Applaus – 29. Zellteilung – 30. Feinputz<br />
Prof. Dr. Dagmar Schmauks ist in der Arbeitsstelle<br />
für Semiotik an der Technischen Universität<br />
Berlin tätig. Semiotik ist die Wissenschaft<br />
von den Zeichen.<br />
Einladung zum Fünften Köthener Sprachtag<br />
am 24. und 25. Juni 2011 in Köthen/Anhalt, ausgerichtet von der Neuen Fruchtbringenden Gesellschaft<br />
Bitte deutlich schreiben!<br />
das im wesentlichen wie das attributive<br />
(beifügende) Adjektiv gebeugt<br />
wird. Und diese Deklination kann<br />
stark oder schwach sein; schwach<br />
nach dem bestimmten Artikel (der<br />
alte Mann, das kleine Kind), stark<br />
ohne Artikel (alter Mann, kleines<br />
Kind).<br />
So weit, so einfach. Dem Adjektiv<br />
können aber auch andere Adjektive,<br />
unbestimmte Für- und Zahlwörter,<br />
Demonstrativ- und Possessivpronomen<br />
vorangehen, genauso dem substantivierten.<br />
Da treffen wir etliche<br />
nette <strong>Deutsche</strong>, einige unangenehme<br />
<strong>Deutsche</strong>, einzelne <strong>Deutsche</strong>,<br />
manche <strong>Deutsche</strong>(n), mehrere <strong>Deutsche</strong>,<br />
sämtliche <strong>Deutsche</strong>(n), solche<br />
Anmeldung<br />
n Ich nehme am Fünften Köthener Sprachtag (24. und 25. Juni<br />
2011) teil und bringe ________ Personen mit. Bitte senden Sie<br />
mir die Tagungsunterlagen (endgültiges Programm, Hotelliste) zu<br />
___________________________________________________________<br />
Name, Vorname<br />
_________________________________________________________________________________________<br />
Straße<br />
_________________________________________________________________________________________<br />
Postleitzahl und Ort<br />
_________________________________________________________________________________________<br />
Elektronische Post<br />
_________________________________________________________________________________________<br />
Datum und Unterschrift<br />
Schicken Sie die ausgefüllte Anmeldung bitte bis spätestens zum 31. Mai 2011 an:<br />
Neue Fruchtbringende Gesellschaft zu Köthen/Anhalt e. V., Schloßplatz 5, D-06366<br />
Köthen/Anhalt, Telefon und Telefax +49-(0)3496-405740, sprachtag@fruchtbringendegesellschaft.de<br />
<strong>Deutsche</strong>n, wenige <strong>Deutsche</strong>, unsere<br />
<strong>Deutsche</strong>n, diese <strong>Deutsche</strong>n und uns<br />
<strong>Deutsche</strong>.<br />
Es ist also nicht so einfach mit<br />
uns <strong>Deutsche</strong>n. Wie sollen wir<br />
<strong>Deutsche</strong>(n) nun richtig sagen und<br />
schreiben? Die Grammatik belehrt<br />
uns, daß nach Personalpronomen die<br />
Deklination schwankt, besonders im<br />
Nominativ Plural. „Wir <strong>Deutsche</strong>n“<br />
scheint etwas häufiger zu sein als das<br />
Bismarcksche „Wir <strong>Deutsche</strong> (fürchten<br />
Gott …)“. Doch falsch lag Otto<br />
von Bismarck nicht und Westerwelle<br />
in diesem Fall auch nicht. Sollte<br />
noch ein „als“ hinzukommen, wird<br />
übrigens nur stark gebeugt: „Wir als<br />
<strong>Deutsche</strong>“.<br />
E<br />
inmal im Jahr treffen sich Sprachfreunde<br />
und Sprachvereine im<br />
anhaltischen Köthen zum Sprachtag.<br />
Freitag, 24. Juni<br />
„Kleines Volksfest der deutschen<br />
Sprache“ von 16.00 bis 19.30 Uhr<br />
im Schloßbereich mit Informationen<br />
rund um die deutsche Sprache und<br />
mit Mitmachaktionen für Groß und<br />
Klein.<br />
Samstag, 25. Juni<br />
Vorträge und Vorführungen der Städte<br />
entlang der „Straße der deutschen<br />
Sprache“. Der Tagungsort ist in der<br />
Wallstraße 48, D-06366 Köthen/Anhalt.<br />
Von Lienhard Hinz<br />
s lebe Berlin“ heißt der treff-<br />
E liche Wahlspruch der Berliner<br />
Verkehrsbetriebe (BVG.de). „Es lebe<br />
Berlin“ könnte auch das Leitwort<br />
der Ausstellung „Berlins vergessene<br />
Mitte. Stadtkern 1840–2010“ im<br />
Ephraim-Palais sein. Die Stiftung<br />
Stadtmuseum und das Landesarchiv<br />
zeigen noch bis zum 27. März auf<br />
380 Originalfotos und mit Fundstükken<br />
Berlins historische Altstadt rund<br />
um die Kirchen St. Marien und St.<br />
Nikolai, wo heute der Fernsehturm<br />
am Alexanderplatz und das Nikolaiviertel<br />
sind. Die Spuren der Geschichte<br />
unter dem Berliner Pflaster<br />
reizen die heutigen Stadtplaner – das<br />
veranschaulicht ein Kartenausschnitt<br />
des Planwerkes Innenstadt.<br />
„Es lebe Berlin“ – unter diesem Zeichen<br />
stand bis zum 6. März auch die<br />
Ausstellung im <strong>Deutsche</strong>n Historischen<br />
Museum „Reinhold Begas:<br />
Monumente für das Kaiserreich“. Sie<br />
erinnerte an den berühmtesten Bildhauer<br />
des Berliner Neubarocks anläßlich<br />
seines 100. Todestages. Sein<br />
Nationaldenkmal für Kaiser Wilhelm<br />
I. wurde 1950, ein Jahr vor der<br />
Sprengung des Berliner Schlosses,<br />
zerstört. Verschwunden sind auch<br />
seine brandenburgisch-preußischen<br />
Herrscherstandbilder der Siegesallee<br />
im Tiergarten. Dort wurden sie 1954<br />
heimlich vergraben. Erhalten sind<br />
zum Glück nicht nur die Löwengruppen<br />
vom Sockel des Nationaldenkmals<br />
im Tierpark Friedrichsfelde.<br />
Verspielt und lebendig wirken die<br />
Figuren des „Neptunbrunnens“ vor<br />
dem Roten Rathaus. Anziehungspunkte<br />
sind auch das „Alexandervon-Humboldt-Denkmal“<br />
Unter den<br />
Linden, das „Bismarck-Denkmal“<br />
am Großen Stern und natürlich das<br />
Das endgültige Tagungsprogramm<br />
wird sowohl auf www.fruchtbringendegesellschaft.de<br />
veröffentlicht als auch<br />
nach der Anmeldung zugeschickt.<br />
Anreise<br />
Köthen liegt unweit der Autobahnen<br />
A9 (Berlin – München) und A14<br />
(Magdeburg – Dresden). Die nächsten<br />
großen Städte sind Berlin (120<br />
km), Leipzig (50 km), Magdeburg<br />
(50 km), Halle (30 km), Hannover<br />
(200 km). Züge des Fernverkehrs<br />
zwischen Leipzig – Halle – Köthen<br />
– Magdeburg – Braunschweig –<br />
Hannover – Dortmund fahren alle<br />
zwei Stunden. Nahverkehrszüge<br />
zwischen Köthen und Dessau sowie<br />
zwischen Magdeburg und Halle<br />
über Köthen verkehren stündlich.<br />
„Schiller-Denkmal“<br />
auf dem<br />
Gendarmenmarkt.<br />
Die Auseinandersetzung<br />
der<br />
Photographen mit<br />
Begas’ Werken im<br />
Berliner Stadtraum<br />
veranschaulichte bis zum 16. Januar<br />
die Photoschau im Georg-Kolbe-Museum<br />
„Reinhold Begas – Vom Atelier<br />
in die Stadt – Photographien“.<br />
Ergreifend sind die Photoserien zum<br />
Kaiser-Wilhelm-Nationaldenkmal –<br />
die glanzvolle Einweihung und der<br />
Abriß. Dokumentiert sind richtungsweisende<br />
Werke, wie der Neptunbrunnen<br />
und das Schillerdenkmal.<br />
Der Dichter der Freiheit, Friedrich<br />
Schiller, konnte die Huldigung<br />
der Berliner anläßlich seiner Reise<br />
nach Berlin im Mai 1804 entgegennehmen.<br />
Vor der Aufführung seines<br />
Trauerspiels „Die Braut von Messina“<br />
wurde er bei seinem Erscheinen<br />
in der Theaterloge von den Zuschauern<br />
mit endlosem Jubel begrüßt. Eine<br />
Sensation war schon am 23. November<br />
1801 die Berliner Aufführung<br />
der romantischen Tragödie „Die<br />
Jungfrau von Orleans“ unter dem berühmten<br />
Schauspieler Iffland durch<br />
den prunkvoll inszenierten Krönungszug.<br />
Der 100. Geburtstag des<br />
Nationaldichters war den Berlinern<br />
1859 Anlaß für die Errichtung des<br />
auch heute bestaunten Denkmals.<br />
Im wieder reichhaltigen Berliner<br />
Konzertprogramm des Winters machten<br />
die Rockkonzerte der Gruppe<br />
„Unheilig“ von sich reden, weil der<br />
Sänger Graf mit hoher Musikalität<br />
nur deutsch singt. Ein viel gewünschtes<br />
Lied aus dem Album „Große Freiheit“<br />
ist „Geboren um zu leben“.<br />
Der Flughafen Leipzig-Halle ist mit<br />
einer direkten Zugverbindung in 35<br />
Minuten erreichbar.