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Privatdozenten im Schatten der Georgia Augusta : zur ... - Oapen

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hiesigen Marionettenpuppen, welche sich nach dem Drahte <strong>der</strong> Mode und Convenienz<br />

wenden und bewegen, und die oft höchst lächerliche Verbeugungen und Knixe machen,<br />

wenn sie zürnend o<strong>der</strong> verachtend den Rücken drehen sollten. 2443<br />

Dass in diesem Spott über das gesellschaftliche Gehabe sich nicht nur jugendlicher<br />

Snobismus eines etwas weltfremden Poeten äußerte, zeigen grundsätzlichere<br />

Bemerkungen an<strong>der</strong>er kritischer Beobachter <strong>der</strong> <strong>Georgia</strong> <strong>Augusta</strong> in den folgenden<br />

Jahren. Der vorsichtige Sodale Friedrich Lücke z. B. schrieb am 1. 2. 1816 an<br />

Schleiermacher:<br />

Ich seh’ und fühle es täglich, wie <strong>der</strong> Geist unter <strong>der</strong> Last des trägen, steifen Lebens erstirbt<br />

und <strong>der</strong> frohe muthige Jugendsinn vor <strong>der</strong> strengen Kälte und dem Zwang alter,<br />

starrer Formen allgemach unterliegt.<br />

Lückes Bemerkung über die die konservative Einstellung des Establishments <strong>der</strong><br />

<strong>Georgia</strong> <strong>Augusta</strong> gegenüber den vielfältigen Bewegungen dieser Zeit, lässt erahnen,<br />

warum <strong>der</strong> romantische Student Ernst Schulze und seine jugendlichen Gesinnungsgenossen<br />

in diesem Generationenkonflikt unter dem Schirm ihrer Sozietät<br />

ein Leben und Studieren eigener Prägung zu entwickeln versuchten. 2444<br />

Die Sozietät war nicht nur ein Ort anspruchsvollen wissenschaftlichen Austausches,<br />

sie entwickelte auch Züge einer Lebensgemeinschaft. Eine Reihe von Sodalen<br />

bildeten zeitweise <strong>im</strong> Wagemannschen Hause eine Art Wohngemeinschaft, <strong>der</strong><br />

auch Schulze angehörte. 2445 Obgleich Schulzes Dichtung nicht selten von empfindsamer<br />

Schwermut best<strong>im</strong>mt ist, war er kein Kind von Traurigkeit. Wie die<br />

meisten Sodalen war er ein tüchtiger Wan<strong>der</strong>er. Von seiner Naturverbundenheit<br />

zeugen die Titel vieler Gedichte. So zog es ihn oft auf die Gleichen […], ein an<strong>der</strong>mal <strong>zur</strong><br />

Kitzkammer am Meißner mit ihren merkwürdigen Basaltbildungen […], und er dichtete unterwegs,<br />

so z. B. „Im Walde hinter Falkenhagen“ und „Auf dem Berge vor Hohlungen“ – beides<br />

am 22. 7. 1814 – o<strong>der</strong> „Auf <strong>der</strong> Bruck“ am 25. 7. 1814, also jenem Göttinger Wan<strong>der</strong>ziel<br />

zwischen dem Söd<strong>der</strong>ich und <strong>der</strong> Mackenrö<strong>der</strong> Spitze mit dem weiten Ausblick über den Seeburger<br />

See bis zum Harz und <strong>der</strong> Porta Eichsfeldica. Dann wie<strong>der</strong> heißt es einmal: „Tychsens<br />

luden mich ein, mit nach B.’s Schenke zu fahren“, womit die Blaubachschenke bei Reinhausen<br />

gemeint ist, und Schulze erinnert sich dabei, daß er früher „fast wöchentlich jenen Ort besuchte. –<br />

Ich hatte damals eine herrliche Anlage <strong>zur</strong> Lie<strong>der</strong>lichkeit“. 2446<br />

Wie Karl Lachmann war Schulze einer <strong>der</strong> eifrigsten Beiträger zu den Diskussionen<br />

<strong>der</strong> Sodalen, denn neben <strong>der</strong> Beschäftigung mit <strong>der</strong> klassischen, <strong>der</strong> deutschen<br />

und <strong>der</strong> fremdländischen Literatur zählte auch das Dichten für den Hausgebrauch<br />

zu den bevorzugten Aktivitäten <strong>der</strong> Gesellschaft. Schulze fand unter den Mitglie<strong>der</strong>n<br />

<strong>der</strong> Sozietät begeisterte Zuhörer. Bunsens Sohn hat später berichtet, dass<br />

2443 Rudolph (wie Anm. 41), S. 76.<br />

2444 Weitere kritische St<strong>im</strong>men vgl. oben Anm. 44 und Seite 470 bzw. Seite 488.<br />

2445 Rudolph (wie Anm. 41), S. 69. – Schulze wechselte mindestens siebenmal sein Quartier in Göt-<br />

tingen (ebd. S. 72).<br />

2446 Rudolph (wie Anm. 41), S. 71.

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