MÄRZ 12 - PIGmagazin
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MAGAZIN | KOLUMNE<br />
50 | 51<br />
Das Klischee<br />
Männer streiten nicht!<br />
Die Geschlechter sind unterschiedlich, soviel dürfte feststehen.<br />
Was ist aber dran an den boulevardesquen Klischees über Mann und Frau?<br />
Unsere beiden Kolumnisten streiten sich dieses Mal übers Streiten!<br />
Das tun sie wirklich nicht. Wie wir aus jeder<br />
unterirdisch schlechten Frauenzeitschrift<br />
wissen, haben sie nur ein sehr begrenztes<br />
Kontingent an Worten, das sie pro Tag verschleudern<br />
können. Und davon geht das meiste, wie wir nun aus<br />
eigener Erfahrung wissen, für Fifa-Zocken, Bier und<br />
den ein oder anderen Brüllaffen-Laut drauf. Wie sollen<br />
sie da mit den verbleibenden zehn Wörtern einen<br />
ordentlichen Streit anfangen? Vielleicht müssen wir<br />
dafür erst unsere Definition von Streit widergeben:<br />
Sind sich zwei oder mehrere Parteien uneins über<br />
ein bestimmtes Thema, muss darüber diskutiert<br />
werden. Jeder bringt seine Argumente, die natürlich<br />
die richtigen und besten sind, an, um die anderen davon<br />
zu überzeugen. Funktioniert das nicht, wird der<br />
Ton lauter. Merkt man, dass man mit den Pros und<br />
Contras nicht mehr weiter kommt, folgt der nächste<br />
(nur unter weiblichen Streitern auffindbare) Punkt:<br />
schmollen. Das geht so lange bis eine des Schmollens<br />
überdrüssig ist und den ersten Schritt macht. Das<br />
Wichtigste: Bei der Versöhnung bloß nicht das Thema<br />
des Streits nochmal ansprechen, sonst landet man<br />
wieder bei Schritt 1. Einfach ein nettes, wenn auch<br />
unwahres Kompliment machen, das absolut nichts<br />
mit dem Streit zu tun hat und schon ist alles vergessen<br />
und alle sind wieder Freunde. Spätestens jetzt jeder<br />
überzeugt: Männer streiten nicht. Im besten Fall<br />
brüllen sie sich gegenseitig drei böse Schimpfwörter<br />
an den Kopf, um sich dann, unbesiegbar fühlend, auf<br />
den anderen zu stürzen. Leider sind sie nicht unbesiegbar<br />
und so ist nach dem ersten Kratzer das Geheule<br />
groß. Sie rollen noch einmal sehr maskulin mit<br />
den Augen und trinken dann<br />
schweigend weiter ihr Bier. So<br />
lange bis sie den Vorfall – genetisch<br />
bedingt – nach drei Minuten<br />
vergessen haben. •<br />
Janina Dias Da Silva studiert<br />
in Stuttgart Linguistik.<br />
Wo ist eigentlich die Grenze zwischen<br />
Klischees und Fakten? Und wer entscheidet<br />
darüber? In diesem Fall beißt<br />
die Maus jedoch keinen Faden ab: Männer streiten<br />
nicht. Wieso sollten sie? Dafür gibt es doch<br />
Frauen. Männer argumentieren aufgebracht,<br />
wenn es um Fußball geht, und sie beschimpfen<br />
sich, wenn der Gegenüber keine Ahnung davon<br />
hat. Vielleicht gibt’s mal ein paar Schellen und<br />
dann ist auch wieder gut. Aber so richtig Streiten,<br />
mit Vorwürfen, Gegenargument, pi pa po? Männer<br />
wissen – wenn sie sich unter ihresgleichen<br />
befinden – doch überhaupt gar nicht wie so etwas<br />
funktionieren sollte, geschweige denn sehen<br />
sie einen Sinn dahinter. Den gibt es ja schließlich<br />
auch nicht. Jeder kennt doch das Szenario: Frauen<br />
kratzen sich gegenseitig die Augen aus oder bestrafen<br />
sich mit Schweigen, während sie sich mit<br />
„fiesen“ Blicken die Pest an den Hals wünschen.<br />
Warum? Weil „Julia hat gesagt, dass Laura behauptet<br />
hat, dass Ela dich erwischt hat, wie du<br />
meinen Lippenstift benutzt hast.“ – „Aaaah, du<br />
Schlampe.“ Hää? Am Nachbartisch, ganz lässig,<br />
die weiterentwickelte Art unserer Spezies: „Alter,<br />
hast du grad mein Bier leer getrunken?“ – „Ja,<br />
und?“ – „Penner. Hey, mach uns noch zwei Halbe<br />
bitte.“ Ihr wisst, dass ich Recht habe. Wenn jetzt<br />
jemand behauptet, da seien Äpfel mit Birnen verglichen<br />
worden, weil die Sache mit dem Lippenstift<br />
ja was ganz anderes sei, lasse ich diejenigen<br />
in diesem Glauben. Wenn ihr darüber streiten<br />
wollt, schreibt einfach eine Mail an ichbineinezicke@tschuess-und-a.de,<br />
unter<br />
allen Einsendungen wird ein<br />
Lippenstift verlost. Damit euch<br />
nicht langweilig wird. •<br />
Marc Eppler studiert in Freiburg<br />
IberoCultura und Philosophie.<br />
und jetzt sport!<br />
Experiment gelungen!<br />
KOLUMNE | MAGAZIN<br />
Besserwissen ist schwer in Mode. PIG-Sportexperte Dr. L. Eder hat die<br />
Diskussionsfähigkeit seiner Facebook-Freunde getestet, kommt dabei<br />
aber zu einer bitteren Erkenntnis – und stellt die allumfassende Frage:<br />
Wer sind eigentlich die Guatemalteken Asiens?<br />
Facebook sei Dank! Begibt man<br />
sich freiwillig in das Reich der<br />
Nummer eins der Social Media,<br />
so schlägt einem bisweilen das<br />
nackte Grauen entgegen. Da wird<br />
gestritten und gezankt, dass sich die<br />
Balken biegen. Da wird bessergewusst,<br />
gehasst, gedisst und verleumdet,<br />
dass es einem teilweise die Schamesröte<br />
ins Gesicht treibt. Wenn<br />
man das Ganze eine Weile verfolgt,<br />
dann kommt man kaum umhin zu<br />
urteilen, dass immer mehr Zeitgenossen<br />
erheblich einen an der Waffel<br />
haben. Aber immerhin liefern sie<br />
dadurch reichlich Material, um sie<br />
mal genüsslich durch den Kakao zu<br />
ziehen.<br />
Worum es geht? Natürlich um Fußball.<br />
Über kein anderes Thema lässt sich nämlich<br />
so trefflich streiten. Dank Facebook sogar in bislang<br />
nie gekannter Dimension. Ein jeder fühlt sich<br />
nämlich im blau-weißen Paralleluniversum berufen,<br />
seine Meinung kund zu tun, gar-<br />
niert diese noch mit dem ein oder anderen<br />
Fluch, bei Kritik am Geäußerten<br />
vielleicht auch noch mit einer gepfefferten<br />
Beleidigung – fertig sind die Zutaten<br />
einer kontemporären Diskussion.<br />
Um mal das zwischenmenschliche Miteinander in<br />
meinem „Freundeskreis“ zu testen, habe ich derletzt<br />
einen Selbstversuch unternommen und die<br />
Erfolgsaussichten der deutschen Fußball-Nationalmannschaft<br />
bei der kommenden Europameisterschaft<br />
mit den Worten „Deutschland – Vorrunde<br />
raus!“ diskret in Frage gestellt. Im Sekundentakt<br />
trudelten die Antworten meiner „Freunde“ ein.<br />
„Du hast doch keine Ahnung!“ lauteten noch die<br />
harmlosesten Kommentare. Einige „Gefällt mir“<br />
Von Dr. L. Eder<br />
PIG-Sportexperte Dr.<br />
L. Eder legt gerne den<br />
Finger in die Wunde.<br />
Nicht nur sportlich –<br />
auch gesellschaftlich &<br />
politisch.<br />
gab es natürlich auch – ausnahmslos<br />
von der Fraktion mit Migrationshintergrund.<br />
Für einige meiner<br />
deutschen Freunde ein weiterer<br />
Grund, die Palme hochzuklettern.<br />
Einfach köstlich!<br />
Nach kurzer Reflexion der Antworten<br />
kann ich mit Fug und Recht behaupten:<br />
Mein Experiment ist vollauf<br />
gelungen! Ich wollte antesten, ob<br />
eine andere, nicht ganz so gängige<br />
Meinung akzeptiert wird und zu<br />
einer sachlichen Diskussion führen<br />
kann und muss ehrlich sagen: Nein,<br />
keine Chance! Aber zur Ehrenrettung<br />
der deutschen Fußballfans<br />
darf ich hinzufügen, dass es sich<br />
bei anderen Nationen auch nicht<br />
viel anders verhalten würde. Viele<br />
vermuten immer gleich einen (länder-)feindlichen<br />
Hintergrund, sobald man dies oder das nicht mag.<br />
Dann kommt noch ein kleiner Funken Politik dazu<br />
und schon ist das Feuer entfacht.<br />
Da wird gestritten und gezankt,<br />
dass sich die Balken biegen.<br />
Leute, bitte, nur weil ich zum Beispiel kein Freund<br />
der portugiesischen Fußballphilosophie bin, heißt<br />
das nicht, dass ich generell etwas gegen Portugal<br />
habe. Ganz im Gegenteil, aber elf eitle Gockel über<br />
den Platz stolzieren zu sehen, entspricht eben nicht<br />
meiner Vorstellung von Kunst. Naja, für etwas sind<br />
die selbst ernannten Brasilianer Europas dann doch<br />
zu gebrauchen, haben sie mich doch zumindest zu<br />
meiner nächsten Facebook-Diskussion inspiriert.<br />
Inhalt: Wer sind eigentlich die Norweger Afrikas,<br />
und wer die Guatemalteken Asiens? •