Vorwort Liebe Leserinnen und Leser, Etwa 60 Jahre nach dem Ende der nationalsozialistischen Diktatur in Deutschland kehrt rechtsextremes Gedankengut in Europa wieder verstärkt zurück in die Mitte der Gesellschaft. Immer öfter werden wieder Gruppierungen, sogar Parteien und Abgeordnete hörbar, die zum Sturz der Demokratie, zur Errichtung einer Volks- und Schicksalsgemeinschaft und zur Hetze gegen Jüdinnen und Juden, MigrantInnen, Behinderte, Obdachlose und Homosexuelle aufrufen. Die Zustimmung zu solchen Ideologien gerade bei jungen Menschen muss alle DemokratInnen alarmieren. Die Öffentlichkeit in der Bundesrepublik Deutschland reagierte mit Bestürzung auf die Meldungen über die Serie von Tötungsdelikten, die von Mitgliedern einer rechtsextremistischen Zelle aus Sachsen und Thüringen begangen worden sind. Ist die Demokratie richtig aufgestellt, um dem neu aufkommenden Rechtsextremismus wirksam entgegenzutreten? Es gilt die Auseinandersetzung mit den Rechtsextremen offensiv zu führen und gemeinsam für eine demokratische Erinnerungskultur einzutreten. Rassismus etwa ist kein Phänomen der Neuzeit, sondern tief in der Geschichte der Menschen verankert. Und nach wie vor haben wir auch in unserer Gesellschaft einen hohen Anteil von latentem Antisemitismus. Ein Blick auf die aktuellen politischen Entwicklungen in verschiedenen europäischen Ländern macht schnell deutlich, dass es nicht nur politischen Handlungsbedarf auf parlamentarischen Ebenen gibt, sondern dass es mehr denn je darauf ankommt, die Zivilgesellschaft in demokratischem Denken und bürgerlichem Engagement zu bestärken. Rechtsextremismus ist längst nicht mehr nur ein Problem des Umgangs mit uneinsichtigen Verherrlichern/-innen des Nationalsozialismus, vielmehr erhalten rechtsextreme Ideologien in ganz unterschiedlichen Schattierungen Einzug. Es gilt daher, sich diesen Phänomenen stärker zuzuwenden und Wege des Widerstandes auf den unterschiedlichen Ebenen aufzuzeigen. Offenkundig <strong>wird</strong> die Diskussion um ein Verbot rechtsextremer Parteien der Vielschichtigkeit des Problems längst nicht mehr gerecht. Denn obwohl Rechtsex- treme etwa in Deutschland wegen innerer Zerstrittenheit und der besonders geprägten Öffentlichkeit selten Erfolg auf konventionellen politischen Wegen haben, zeigt sich eine Ausbreitung rechtsextremer Ideologien in Europa und sogar weltweit. Um die aktuelle Entwicklung der NPD besser zu verstehen, sollen die ideologischen und strategischen Besonder heiten der Partei gesondert veranschaulicht werden. Hin sichtlich des erstgenannten Gesichtspunktes geht es dabei um den völkischen Nationalismus als ideologischem Kern der Partei, die von ihr propagierten Feindbilder „Ausländer”, „Juden” und „System”, den neuen Agitationsschwerpunkt Sozial- und Wirtschaftspolitik und die Gemeinsamkeiten und Übereinstimmungen mit der Ideologie des Nationalsozialis mus. Danach soll die neue Strategie in Gestalt des „Vier-Säulen-Modells” näher betrachtet werden: der „Kampf um die Köpfe”, der „Kampf um die Straße”, der „Kampf um die Parlamente” und der „Kampf um den organisierten Willen”. Den Beitrag von Prof. Dr. Pfahl-Traughber können Sie auf Seite 11 nachlesen. Wie zufrieden sind die Bürger mit ihrer Demokratie? Bisherige Repräsentativbefragungen bestätigen den ernüchternden Befund, den Theodor W. Adorno bereits 1959 formulierte: „Demokratie hat sich nicht derart eingebürgert, dass sie die Menschen wirklich als ihre eigene Sache erfahren.“ Im Gegenteil: Die entstandenen „Mitte-Studien“ der Friedrich-Ebert-Stiftung legten offen, welch erschreckend hohe Zustimmung für rechtsextreme, fremdenfeindliche, antisemitische und menschenfeindliche Aussagen auch im 21. Jahrhundert in Deutschland manifestiert ist. Die aktuelle „Mitte-Studie“ können Sie auf Seite 18 lesen. Es gibt keine allgemeingültige Strategie, die eine optimale Bekämpfung der radikalen Rechten garantiert. Tatsächlich können Strategien nur dann erfolgreich sein, behauptet Britta Schellenberg von der Uni München in ihrer Studie auf Seite 32, wenn sie dem spezifischen politischen und sozialen Kontext ge- recht werden und sich möglichst viele Akteure (aus Politik, Justiz, Medien, Bildungsinstitutionen und Zivilgesellschaft) auf sie verständigen. Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus machen auch vor dem Fußball nicht halt. Der Beitrag von Michaela Glaser vom Deutschen Jugendinstitut auf Seite 37 bietet einen kurzen Problemaufriss, um sodann existierende Gegenaktivitäten vorzustellen. Er zeigt spezifische Potenziale des Fußballs für die Prävention auf, aber auch Defizite aktueller Zugänge. Als besondere Herausforderungen erweisen sich die präventive Arbeit im Amateurbereich sowie die Weitung des Blicks für alltägliche und strukturelle Problemdimensionen. Was kann man tun, wenn man Zeuge von rassistischen und/oder sexistischen Witzen unter KollegInnen <strong>wird</strong>? Wie geht man mit rechtsextremen Sprüchen und Stammtischparolen um, die beispielsweise der nächste Vorgesetzte oder eine Büromitarbeiterin äußert? Grundannahme für diesen Text von der Jounalistin Ricarda Fröhlich auf Seite 47 ist, dass es sich um rechtsextreme Äußerungen im direkten Arbeitsumfeld handelt und somit eine Handreichung gegeben <strong>wird</strong>, was man selbst aktiv dagegen tun kann. Für mögliche Ausprägungen von rassistischen und populistischen Sprüchen werden im Folgenden Beispiele genannt sowie soziopsychologische Hintergründe und Wirkungen von Vorurteilen und Feindbildern erklärt. Der Artikel schließt mit Hinweisen, was auf der betrieblichen Ebene in privatwirtschaftlichen Firmen und im öffentlichen Dienst gegen Diskriminierung und Rassismus getan werden kann. Wir wünschen Ihnen viel Spaß, informative Unterhaltung und Vergnügen beim Lesen. Bei Bedarf können wir Ihnen weitere Exemplare dieser Ausgabe zur Verfügung stellen. Teilen Sie bitte dem Verlag die Anzahl der noch benötigten Hefte mit. Über Meinungsäußerungen und Leserbriefe würden wir uns sehr freuen. Ihr Redaktionsteam DAS BEHÖRDENMAGAZIN Februar/2012 3