Download - Fachverband Schultheater - Darstellendes Spiel ...
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Theater und Unterricht<br />
<strong>Darstellendes</strong> <strong>Spiel</strong> als Schulfach in der Bundesrepublik<br />
Joachim Reiss leitet das <strong>Schultheater</strong>-Studio in Frankfurt am Main und ist Vorsitzender der „Bundesarbeitsgemeinschaft<br />
für das Darstellende <strong>Spiel</strong> in der Schule“, also unseres Dachverbands. Im Gespräch mit<br />
Wilhelm Roth von der Zeitschrift „Die Deutsche Bühne“, Organ des Deutschen Bühnenvereins/ des Bundesverbandes<br />
Deutscher Theater, geht er der Frage nach, ob Theater ein zeitgemäßes Medium für junge Leute ist.<br />
Ist das Theaterspielen an Schulen eigentlich ein Schulfach?<br />
Joachim Reiss Ja, sogar in der Mehrheit der Bundesländer,<br />
am längsten in Hamburg, seit über 20 Jahren, in Hessen<br />
seit 1999, und Schleswig- Holstein ist gerade dabei,<br />
sich dafür zu entscheiden. In der Praxis sieht das so aus,<br />
dass die Oberstufenschüler wählen können zwischen Musik,<br />
Kunst und Darstellendem <strong>Spiel</strong>. Es gibt noch nicht die<br />
Möglichkeit der Abiturprüfung.<br />
Lässt sich denn das Darstellende <strong>Spiel</strong> in den normalen<br />
Unterricht integrieren? Aufführungen zu erarbeiten ist doch<br />
sehr aufwändig?<br />
Das Theaterspielen ist meist im Nachmittagsunterricht<br />
angesiedelt, so dass man zeitlich mehr Freiraum hat. Mindestens<br />
eine Aufführung, manchmal sogar drei bis vier,<br />
kommen dadurch im Verlauf der Oberstufe zustande, das<br />
können kleine oder größere Projekte sein. In der Regel findet<br />
das - und zum Glück -nur an Schulen statt, an denen es<br />
Lehrer gibt, die dafür ausgebildet sind oder zumindest über<br />
viel Erfahrung verfügen und eine Fortbildung gemacht haben.<br />
Es wird also nicht flächendeckend angeboten. In Hessen<br />
bieten es vielleicht 20 Prozent aller Oberstufenschulen<br />
als Fach an, in Hamburg sind es fast 100 Prozent.<br />
Wie reagieren denn die Schüler auf das Angebot?<br />
Ganz normal. In den Schulen, die ich kenne, wählen etwa<br />
40 Prozent der Schüler <strong>Darstellendes</strong> <strong>Spiel</strong>, etwa ähnlich<br />
viele Kunst, und etwa 20 Prozent die Musik Der Musikunterricht<br />
ist noch recht theoretisch orientiert, das Darstellende<br />
<strong>Spiel</strong> dagegen ganz auf die Praxis bezogen - wenn<br />
keine Aufführung zustande kommt, ist das ein Manko. In<br />
der Kunst stellen manchmal die Schüler selbst etwas her<br />
und veranstalten kleine Ausstellungen.<br />
Wenn die Schüler sich für das Darstellende <strong>Spiel</strong> entschieden<br />
haben, ist es dann ein Fach, das sie mit mehr<br />
Begeisterung betreiben als meinetwegen Latein?<br />
Die meisten sind beim Darstellenden <strong>Spiel</strong> mit großer<br />
Begeisterung dabei. Es gibt natürlich in jedem Kurs ein<br />
paar, für die das nur eine Pflicht ist, die sich nur dafür<br />
entschieden haben, weil ihnen Musik und Kunst noch<br />
weniger liegen. Aber durch die praktische Arbeitsweise,<br />
durch die Erfahrungs- und Gestaltungsübungen, die Verbindung<br />
von Bewegung mit Sprache, durch Atemübungen,<br />
durch Raum- und Körpererfahrungen, werden alle<br />
eingebunden - es ist ganz schwer, sich dem zu entziehen.<br />
Das klingt alles sehr erfreulich und positiv. Trotzdem die<br />
Frage: Ist das Theater heute für Jugendliche neben Kino,<br />
Video, Internet, Disco noch ein zeitgemäßes Medium? Welchen<br />
Stellenwert hat das Theaterspielen in der Jugendkultur?<br />
Das Fach <strong>Darstellendes</strong> <strong>Spiel</strong><br />
Schul Theater Info Niedersachsen Nr. 19 3/2002 Seite 24<br />
In der Shell-Jugendstudie 2000 taucht das Theaterspielen<br />
überhaupt nicht auf. Das hängt mit der Recherche-Methode<br />
zusammen. Die Forscher entwickeln ja die Fragestellungen<br />
zusammen mit den Jugendlichen, und wenn da nicht ausdrücklich<br />
ein Interesse formuliert wird, kommt das Thema<br />
dann auch nicht vor. Unsere Erfahrungen an den Schulen<br />
sind da besser: Etwa ein Viertel der Jugendlichen begreift<br />
bewusst das Theater in irgendeiner Form als Medium<br />
für sich - zunächst mit falschen Vorstellungen. Sie setzen<br />
Bühne und Film erst mal gleich und kommen mit ihrer<br />
Fernseherfahrung an, vor allem mit den Soaps, und den<br />
formalen Strukturen und ästhetischen Modellen, die das<br />
Fernsehen bietet. Aber das ändert sich dann. Es gibt tatsächlich<br />
viele Jugendliche, die sich in ihrer Freizeit mit<br />
Theater beschäftigen, wir haben Theaterarbeitsgemeinschaften<br />
in den Schulen, das sind ja in der Regel Freizeitgruppen,<br />
die oft nur noch wenig mit den Schulen zu tun<br />
haben. Das sind vielleicht fünf bis zehn Prozent der Schüler,<br />
die bei etwas einsteigen, was mehr Zeit und Engagement<br />
erfordert.<br />
Und wie wichtig ist der Theaterbesuch innerhalb der<br />
Jugendkultur? Man erlebt ja manchmal Aufführungen, die<br />
zu 80 Prozent von Schülern besucht werden, und das kann<br />
dann sehr deprimierend sein...<br />
Oh ja. Aber man muss auch sagen, dass auch manche Aufführungen<br />
deprimierend sind. Die Schüler sind im Thea-