Nr. 2/2012 (pdf) - Kinderärzte Schweiz
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KINDERÄRZTE. SCHWEIZ<br />
22 Erst nach dem zweiten Stich durch das gleiche Insekt<br />
oder die gleiche Familie reagiert das Hymenopteren-Gift<br />
mit den spezifischen IgE-Antikörpern: die Bindung der<br />
Allergene (Gift) mit den mastzellgebundenen IgE-Antikörpern<br />
verursacht die Freisetzung von Mastzellmediatoren<br />
wie z. B. Histamin, Tryptase, Prostaglandine und<br />
Leukotriene, die eine allergische Reaktion auslösen.<br />
Klinik der allergischen Reaktionen<br />
Allergische Reaktionen nach Insektenstichen treten in<br />
den meisten Fällen innerhalb von wenigen Minuten auf<br />
und können von unterschiedlichem Schweregrad sein:<br />
von schweren Lokalreaktionen mit Schwellung an der<br />
Stichstelle von mehr als 10 cm Durchmesser, die länger<br />
als 24 Stunden dauern, zu generalisierten SAR mit Juckreiz,<br />
Urtikaria, gastrointestinalen Symptomen (Übelkeit,<br />
Erbrechen, Durchfall usw.) bis zu lebensbedrohlichen<br />
Kehlkopfödemen mit Atembeschwerden oder anaphylaktischem<br />
Schock (Blutdruckabfall, Kollaps, Bewusstseinsverlust),<br />
die in einigen Fällen zum Tod führen können.<br />
Tabelle 1: Klassifikation der systemischen<br />
allergischen Reaktionen nach H. L. Müller [4]<br />
Grad Klinische Beschwerden<br />
I Generalisierte Urtikaria (Nesselfieber), Juckreiz,<br />
Unwohlsein<br />
II Angioödem, Übelkeit, Erbrechen, Durchfall,<br />
Bauchschmerzen<br />
III Atemnot, Husten, Stridor, Dysphagie,<br />
Schwäche, Benommenheit<br />
IV Blutdruckabfall, Kollaps, Bewusstseinsverlust,<br />
Inkontinenz, Zyanose<br />
Risikofaktoren für systemische allergische<br />
Reaktionen (SAR)<br />
Kinder mit Hymenopterengiftallergie sind in der Regel<br />
nicht Atopiker, d.h. Nahrungsmittelallergien und Pollinosis<br />
sind nicht mit einem erhöhten Risiko für Insektengiftallergien<br />
verbunden [5]. Der Schweregrad der<br />
letzten allergischen Reaktion ist ein guter Prädiktor für<br />
weitere allergische Reaktionen: bei Kindern und Erwachsenen<br />
mit schwerer Lokalreaktion liegt das Risiko<br />
für eine SAR nach einem erneuten Stich bei lediglich<br />
5–10% [6]. Das Risiko für weitere SAR ist bei Patienten<br />
mit initial schwerer SAR am höchsten, vor allem<br />
bei Patienten mit Grad III und IV-Reaktionen, und liegt<br />
im Kindesalter bei 32–58%, im Erwachsenenalter bei<br />
65–77%. Kinder mit initial ausschliesslich kutaner<br />
Manifestation der SAR tolerieren weitere Feld stiche besser<br />
als Erwachsene, das Risiko für eine erneute SAR nach<br />
einem weiteren Stich ist relativ gering [4,6,7]. Aus diesem<br />
Grunde wird bei Kindern mit lediglich verstärkter Lokalreaktion<br />
oder SAR mit ausschliesslich kutanen Symptomen<br />
von eine spezifischen Immuntherapie abgesehen.<br />
FoRTBILdUNg 02 / <strong>2012</strong><br />
Weitere Risikofaktoren für systemische allergische Reaktionen<br />
sind [8]:<br />
– Das Zeitintervall zwischen zwei aufeinanderfolgenden<br />
Stichen: je kürzer das Zeitintervall, desto<br />
schwächer wird die allergische Reaktion. Die spezifischen<br />
IgE-Antikörper wurden bereits bei der ersten<br />
allergischen Reaktion verbraucht. Es dauert 2 bis<br />
4 Wochen, bis das Immunsystem neue spezifische<br />
IgE-Antikörper auf das Insektengift hergestellt hat<br />
(Refraktärzeit).<br />
– Bei erwachsenen Männern kommt es häufiger zu<br />
SAR als bei Frauen und Kindern.<br />
– Co-Morbiditäten, insbesondere Herz-Kreislauf-Krankheiten,<br />
Asthma und systemische Mastozytose.<br />
– Die Behandlung mit Beta-Blockern und/oder ACE-<br />
Hemmern: Sie schränken die Wirkung von Notfall-<br />
Medikamenten, insbesondere von Adrenalin, ein.<br />
– Bienenstiche sind häufiger gefolgt von SAR als Wespenstiche.<br />
– Stiche in der Kopf-/Halsregion.<br />
– Alkohol und körperliche Anstrengung können den<br />
Schwergrad einer allergischen Reaktion verstärken.<br />
Tabelle 2: Welche Kinder sollen an den<br />
Allergologen überwiesen werden?<br />
− Alle allergischen Reaktionen mit Schwergrad III und<br />
IV nach H. L. Müller.<br />
− Wiederholte systemische allergische Reaktionen<br />
(SAR) auf Insektenstiche.<br />
− Kinder mit SAR und hohem Expositionsrisiko (Kinder<br />
auf Bauernhof, Eltern Imker usw.).<br />
− Sensibilisierte Patienten mit unklarer Anamnese.<br />
− Begleiterkrankungen wie Herz-Kreislauf Krankheiten,<br />
Asthma bronchiale und Mastozytose.<br />
− Grosse Angst vor allergischen Reaktionen auf neue<br />
Feldstiche.<br />
− Kinder oder behinderte Patienten mit SAR auf Feldstiche,<br />
die nicht in der Lage sind, die Selbstmedikation<br />
mit Adrenalin zu applizieren.<br />
Wie wird eine Insektengiftallergie<br />
diagnostiziert?<br />
Eine ausführliche Anamnese hilft, das verantwortliche<br />
Insekt zu identifizieren: entsprechende Fragen betreffen<br />
das Aussehen des Insektes, Monat des Stichereignisses,<br />
Vorkommen von Nestern, die Anzahl der Stiche,<br />
das Fehlen oder Vorhandensein des Stachels, das Zeitintervall<br />
zwischen Stich und Beginn der Symptome, die<br />
Art der klinischen Beschwerden (nach der Klassifikation<br />
von H.L. Müller), die Aktivität des Patienten während<br />
dem Ereignis und andere zugrundeliegende Krankheiten<br />
als Risikofaktoren wie z. B. Asthma.<br />
Die Europäische Akademie für Allergologie und klinische<br />
Immunologie (EAACI) empfiehlt in einem Positions-Papier<br />
diagnostische Tests bei allen Patienten<br />
mit SAR nach einem Feldstich. Kinder und Erwachsene<br />
ohne Status nach SAR nach einem Feldstich oder mit