Konstrukteure der Zukunft - DAAD-magazin
Konstrukteure der Zukunft - DAAD-magazin
Konstrukteure der Zukunft - DAAD-magazin
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nr. 3 dezember 2010, 30.Jg.<br />
<strong>Konstrukteure</strong> <strong>der</strong> <strong>Zukunft</strong><br />
Deutsche Ingenieurskunst weltweit gefragt<br />
<strong>DAAD</strong>-Präsidentin<br />
Sabine Kunst im Interview<br />
Guten Appetit<br />
Essen in <strong>der</strong> Mensa<br />
Sprache <strong>der</strong> Ideen<br />
Prämierte Essays
© iStock<br />
© Sven Paustian<br />
2<br />
Inhalt<br />
titel:<br />
Praxisnah: Ingenieurausbildung<br />
an deutschen Hochschulen<br />
S.10<br />
Vielseitig: Laserstrahlen sind präzise<br />
Alleskönner<br />
S.20<br />
Vereint: Seit 20 Jahren gibt es keine<br />
Grenze mehr durch Deutschland<br />
S.22<br />
Einfühlsam: Schriftsteller Aris<br />
Fioretos erinnert an eine jüdische<br />
Literaturnobelpreisträgerin<br />
S.40<br />
© A. Eckert & A. Hed<strong>der</strong>gott/TU München<br />
© dpa<br />
<strong>DAAD</strong> Letter – Das Magazin für <strong>DAAD</strong>-Alumni<br />
Dialog Seite 4<br />
Hochschulerfahrungen für die neue Arbeit nutzen<br />
Interview mit <strong>DAAD</strong>-Präsidentin Sabine Kunst<br />
Spektrum Deutschland Seite 8<br />
Titel Seite 9<br />
Ingenieure made in Germany<br />
Technik aus Deutschland ist ein Markenzeichen<br />
und weltweit im Einsatz S. 9<br />
Monster jagen<br />
Interview mit Sabina Jeschke,<br />
RWTH Aachen S. 13<br />
Hochschule Seite 14<br />
Neues vom Campus S. 14<br />
Studieren geht durch den Magen<br />
Mensaköche versorgen ein anspruchsvolles Publikum S. 16<br />
Ortstermin Seite 18<br />
Erfurt, Weimar, Jena: Dichter und Denker<br />
Wissenschaft Seite 20<br />
Siegeszug des Lichts<br />
Laserforschung in Deutschland<br />
Trends Seite 22<br />
Ohne Mauer<br />
Wie einig sind die Deutschen<br />
Europa Seite 24<br />
Nachbarschaftshilfe<br />
Seit 20 Jahren för<strong>der</strong>t Tempus<br />
die mo<strong>der</strong>ne Hochschulbildung<br />
Arbeiten weltweit Seite 26<br />
Mittendrin: persönlich und professionell<br />
Als Managerin und Buchhändler in <strong>der</strong> Türkei<br />
Rätsel/Sprachecke Seite 28<br />
<strong>DAAD</strong> Report Seite 30<br />
Deutsch – Sprache <strong>der</strong> Ideen<br />
Auszüge aus prämierten Essays<br />
von <strong>DAAD</strong>-Stipendiaten S. 30<br />
Filmfestival <strong>der</strong> Begegnungen<br />
Vietnamesisch-deutsches<br />
Dokumentarfilmfest in Potsdam S. 32<br />
In ständigem Kontakt<br />
50 <strong>DAAD</strong>-Informationszentren agieren<br />
auf dem globalisierten Bildungsmarkt S. 33<br />
Stipendiaten forschen S. 34<br />
Nachrichten S. 36<br />
Gestern Stipendiat – und heute ...<br />
Aris Fioretos S. 40<br />
Köpfe S. 41<br />
Bücher von unseren Lesern / Impressum S. 42<br />
Deutsche Chronik Seite 43<br />
<strong>DAAD</strong> Letter 3/10
Der Deutsche <strong>Zukunft</strong>spreis ist die wichtigste<br />
nationale Auszeichnung für Innovation.<br />
Als <strong>der</strong> damalige Bundespräsident Roman<br />
Herzog die Auszeichnung 1997 ins Leben<br />
rief, wollte er den Erfin<strong>der</strong>geist in Deutschland<br />
beflügeln. Der Preis wirkte. 2010 hatten drei<br />
Ingenieure die Nase vorn: Peter Post und Markus<br />
Fischer vom Esslinger Maschinenbau-Unternehmen<br />
Festo und Andrzej Grzesiak vom<br />
Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik<br />
und Automatisierung in Stuttgart. Sie entwickelten<br />
mit ihren Teams einen flexiblen Greifarm,<br />
<strong>der</strong> an einen Elefantenrüssel erinnert<br />
und behutsam weiche Tomaten o<strong>der</strong> ein Glas<br />
Wasser weiterreichen kann. Deshalb ist sein<br />
Einsatz nicht nur in <strong>der</strong> Industrie, son<strong>der</strong>n<br />
auch durchaus in <strong>der</strong> Kranken- und Altenpflege<br />
denkbar.<br />
Der mit 250 000 Euro dotierte <strong>Zukunft</strong>spreis<br />
macht deutlich: Ingenieure entwickeln innovative<br />
Produkte und Dienstleistungen „made in<br />
Germany“, die weltweit begehrt sind. Ebenso<br />
gefragt wie die deutsche Ingenieurskunst ist<br />
das hiesige Ingenieurstudium; es zählt zu den<br />
besten <strong>der</strong> Welt (Titelgeschichte Seite 9).<br />
<strong>DAAD</strong> Letter 3/10<br />
Laserstrahlen haben seit ihrer Entdeckung<br />
vor 50 Jahren die Forschung revolutioniert<br />
und sind vielfältig im Einsatz: Laser entfernen<br />
entzündetes Gewebe im Mund, tasten CDs ab,<br />
schneiden Stahl und schweißen ihn zusammen.<br />
Doch das ist wohl erst <strong>der</strong> Anfang. Wohin<br />
die Lasertechnik geht und welchen Anteil<br />
deutsche Forscher daran haben, stellen wir Ihnen<br />
in <strong>der</strong> Rubrik Wissenschaft vor (Seite 20).<br />
Die <strong>Zukunft</strong> in die Hand genommen haben<br />
die drei Städte Erfurt, Weimar und Jena<br />
mit ihren Hochschulen und Forschungseinrichtungen.<br />
Sie verstehen sich als Motor für<br />
Wachstum in Thüringen. Über ihre Beson<strong>der</strong>heiten<br />
erfahren Sie mehr im Ortstermin<br />
(Seite 18). Dass es in <strong>der</strong> Mitte Deutschlands<br />
heute ganz an<strong>der</strong>s aussieht, als es sich die<br />
Menschen vor <strong>der</strong> deutschen Wie<strong>der</strong>vereinigung<br />
1990 hätten träumen lassen, steht außer<br />
Frage. Wie geht es den Deutschen heute ohne<br />
Mauer? (Seite 22)<br />
Titelfoto:<br />
Gemessen an ihrer Spannweite ist die 1998 fertiggestellte Brücke über den<br />
Großen Belt (Dänemark) eine <strong>der</strong> größten <strong>der</strong> Welt und die größte Europas.<br />
An Konstruktion und Bau waren Ingenieure aus Deutschland beteiligt.<br />
Drei Ingenieure gewinnen den Deutschen<br />
<strong>Zukunft</strong>spreis mit einem gelenkigen Greifarm<br />
EdItorIal 3<br />
Die neue <strong>DAAD</strong>-Präsidentin Sabine Kunst<br />
erwartet in den nächsten Jahren finanzielle<br />
Ressourcen in <strong>der</strong> Entwicklungszusammenarbeit.<br />
Sie hält es deshalb für wichtig, das<br />
Interesse <strong>der</strong> Hochschulen für diesen Bereich<br />
stärker zu wecken, zumal sie Bildung als „die<br />
intelligenteste Hilfe für eine Zusammenarbeit<br />
auf Augenhöhe“ betrachtet. Welche weiteren<br />
Schwerpunkte die <strong>DAAD</strong>-Präsidentin künftig<br />
setzen will, lesen Sie im Letter-Interview auf<br />
Seite 4.<br />
Wir freuen uns über Ihre Anregungen,<br />
Kommentare und Kritik. Sie erreichen<br />
uns per E-Mail unter: spross@trio-medien.de<br />
Allen Leserinnen und Lesern wünschen wir<br />
ein friedliches und gesundes neues Jahr.<br />
Der <strong>DAAD</strong> und die Letter-Redaktion<br />
© DZP/Ansgar Pudenz
4 dIalog<br />
Frau Professorin Kunst, internationales<br />
Denken und Handeln gehören für Sie zum<br />
Alltagsgeschäft – als Wissenschaftlerin,<br />
als Präsidentin einer Hochschule und nun<br />
als Präsidentin des <strong>DAAD</strong>, <strong>der</strong> weltweit<br />
größten Organisation für internationalen<br />
Austausch. Welche Chancen sehen Sie<br />
in <strong>der</strong> internationalen wissenschaftlichen<br />
Zusammenarbeit?<br />
Für die Profilierung <strong>der</strong> deutschen Wissenschaftslandschaft<br />
in die <strong>Zukunft</strong> hat die<br />
internationale Zusammenarbeit einen sehr<br />
großen Stellenwert. Diese Zusammenarbeit<br />
ist entscheidend, um – neben guter Grundversorgung<br />
für Forschung und Lehre – Wissenschaft<br />
auf internationalem Niveau von<br />
Grund auf und über Personen zu entwickeln.<br />
Gerade hier macht <strong>der</strong> <strong>DAAD</strong> mit seinem<br />
Programm und seiner Regionalkompetenz ein<br />
beson<strong>der</strong>es, einzigartiges Angebot. Ich finde<br />
es äußerst wichtig, dass die Studierenden<br />
dies möglichst früh als natürliches Element<br />
ihrer wissenschaftlichen Ausbildung mitbekommen.<br />
Dafür ist <strong>der</strong> <strong>DAAD</strong> die ideale<br />
Institution.<br />
Zu Ihren Plänen gehört es, dass<br />
mindestens je<strong>der</strong> zweite deutsche<br />
Studierende Auslandserfahrung sammeln<br />
soll. Wie wollen Sie das erreichen?<br />
Unter dem Ziel „50 Prozent Mobilität“ verstehe<br />
ich ein breites Spektrum an Auslandsaufenthalten:<br />
etwa um Sprachkenntnisse zu<br />
vertiefen o<strong>der</strong> um in speziellen, beispielsweise<br />
industrienahen Praktika das Wissen im<br />
eigenen Fach zu erweitern o<strong>der</strong> um etwa als<br />
Geisteswissenschaftler an<strong>der</strong>e wissenschaftliche<br />
Methoden kennenzulernen. Beim Sprung<br />
ins Ausland helfen zum einen Stipendien,<br />
zum an<strong>der</strong>en strukturierte Programme, die<br />
sicherstellen, dass die im Ausland erbrachten<br />
Leistungen anerkannt werden – ein wichtiger<br />
Aspekt für Studierende. Dazu ist ein Umdenken<br />
in den Hochschulen nötig, denn <strong>der</strong><br />
hochschulerfahrungen für die<br />
neue arbeit nutzen<br />
Interview mit <strong>DAAD</strong>-Präsidentin Sabine Kunst<br />
Bologna-Prozess meint: gleiche Kompetenzen<br />
anerkennen und nicht gleiche Inhalte. Das<br />
gilt auch für meine eigene Hochschule, die<br />
Universität Potsdam. Es freut mich, dass ich<br />
diese praktischen Erfahrungen in meine neue<br />
Arbeit für den <strong>DAAD</strong> einbringen kann.<br />
Mobilität ist ein Teil <strong>der</strong><br />
Internationalisierung. Wie werden Sie<br />
die Internationalisierung an deutschen<br />
Hochschulen vorantreiben?<br />
Der <strong>DAAD</strong> sieht hier nach wie vor eine grundlegende<br />
Aufgabe. Es reicht nicht, Stipendien<br />
zu finanzieren, son<strong>der</strong>n die Hochschulen<br />
müssen in dem Prozess unterstützt werden,<br />
strukturierte Herangehensweisen für die<br />
Internationalisierung zu entwickeln. Mit<br />
welchen Fächern, mit welchen Programmen,<br />
welchen Kooperationspartnern und in welchem<br />
Zeitrahmen? Zu klären ist auch, wie die<br />
Maßnahmen systematisch in <strong>der</strong> jeweiligen<br />
Infrastruktur <strong>der</strong> Hochschule verankert werden<br />
können. Gibt es beispielsweise Graduate<br />
Schools, in denen sich junge internationale<br />
Wissenschaftler begegnen können? Wie kann<br />
<strong>der</strong> Austausch mit ausländischen Kollegen<br />
genutzt werden, um das Forschungsspektrum<br />
<strong>der</strong> eigenen Hochschule zu erweitern?<br />
Internationalisierungsstrategien umfassen<br />
strukturierte und gezielte Aktivitäten in drei<br />
Fel<strong>der</strong>n: Studium, Nachwuchsför<strong>der</strong>ung,<br />
Netzwerkbildung. Hier wird <strong>der</strong> <strong>DAAD</strong> in <strong>der</strong><br />
<strong>Zukunft</strong> weiter för<strong>der</strong>n.<br />
Die Zahl ausländischer Studieren<strong>der</strong> in<br />
Deutschland ist in den letzten zehn Jahren<br />
um 40 Prozent gestiegen. Inwieweit<br />
wird ihr Potenzial für den deutschen<br />
Arbeitsmarkt erkannt?<br />
Mit <strong>der</strong> Lockerung <strong>der</strong> Aufenthaltsregelungen<br />
hat sich vieles zum Positiven gewendet.<br />
Ausländische Absolventen deutscher<br />
Hochschulen können beispielsweise ein<br />
Jahr in Deutschland bleiben, um eine Stelle<br />
zu finden. Dies scheint jedoch noch nicht<br />
genug bekannt zu sein und muss stärker<br />
beworben werden. Außerdem müssen diese<br />
Absolventen, die neben den Fachkenntnissen<br />
interkulturelle Kompetenz besitzen, für<br />
mögliche Arbeitgeber sichtbarer werden. Mit<br />
einem Mentoring-Programm könnte man<br />
Absolventen dabei unterstützen, das eigene<br />
spezifische Profil auf bestimmte Berufsfel<strong>der</strong><br />
auszurichten. Zugleich könnten die Stärken,<br />
die diese internationalen Absolventen für den<br />
deutschen Arbeitsmarkt haben, deutlicher<br />
hervorgehoben werden.<br />
Armut, freier Zugang zu Trinkwasser<br />
und Energie, Bildung, Bekämpfung<br />
von Krankheiten – diese globalen<br />
Herausfor<strong>der</strong>ungen drängen nach<br />
Lösungen, zu denen <strong>der</strong> <strong>DAAD</strong> noch<br />
stärker beitragen will, wie Sie bei Ihrem<br />
Amtsantritt angekündigt haben. Wird<br />
<strong>der</strong> <strong>DAAD</strong> künftig themenspezifisch statt<br />
individuell för<strong>der</strong>n?<br />
Die individuelle För<strong>der</strong>ung nach Qualität<br />
<strong>der</strong> Stipendiaten hat sich bewährt und muss<br />
erhalten bleiben, unabhängig davon, was<br />
an Programmför<strong>der</strong>ung hinzukommt. Ich<br />
sehe im großen Netzwerk <strong>der</strong> <strong>DAAD</strong>-Alumni<br />
eine Möglichkeit, für die Millenniumsziele<br />
zu arbeiten. Alumni äußern auf den Treffen<br />
immer wie<strong>der</strong> den Wunsch, an bestimmten<br />
Themen gemeinsam zu arbeiten. Wenn etwa<br />
auf diese Weise eine Gruppe zum Thema<br />
Wasser zusammenkommt, dann können über<br />
diese Gruppe Verbindungen beispielsweise<br />
zu Wasserprojekten für Afrika, geför<strong>der</strong>t vom<br />
Bundesforschungsministerium, entstehen.<br />
<strong>DAAD</strong> Letter 3/10
Es geht also darum, Qualifikationsprofile <strong>der</strong><br />
Alumni mit relevanten Themen zu verschränken<br />
und so die weltweite Zusammenarbeit<br />
<strong>der</strong> Experten untereinan<strong>der</strong> zu intensivieren.<br />
Werden Sie regionale Schwerpunkte<br />
setzen?<br />
Wenn man schaut, wo in den nächsten Jahren<br />
weitere finanzielle Ressourcen zu erwarten<br />
sind, so ist das in <strong>der</strong> Entwicklungszusammenarbeit.<br />
Ich halte es für eine wichtige<br />
Scout-Funktion des <strong>DAAD</strong>, sich dorthin zu<br />
wenden, wo das Interesse <strong>der</strong> deutschen Kollegen<br />
mit dem Blickwinkel Wissenschaft zurzeit<br />
noch nicht unbedingt liegt. Dabei ist ein<br />
<strong>DAAD</strong> Letter 3/10<br />
Angebot für Bildung, wie es <strong>der</strong> <strong>DAAD</strong> macht,<br />
die intelligenteste Hilfe für eine Zusammenarbeit<br />
auf Augenhöhe. Der <strong>DAAD</strong> engagiert<br />
sich dabei in vielen Regionen etwa in Afrika<br />
und Lateinamerika.<br />
Zum ersten Mal leiten zwei Frauen den<br />
<strong>DAAD</strong>. Inwiefern wird dies den <strong>DAAD</strong> und<br />
seine Arbeit verän<strong>der</strong>n?<br />
Es macht schon einen Unterschied, ob ein<br />
Mann o<strong>der</strong> eine Frau an <strong>der</strong> Spitze steht,<br />
weil die Form und die Methode des Führens<br />
an<strong>der</strong>s sind. Was macht den Unterschied<br />
nun aus? Ich bemühe mich darum, dass ich<br />
vor einer Entscheidung sorgfältig zuhöre.<br />
dIalog<br />
Das meint nicht nur zu hören, was einzelne<br />
Wortführer zu sagen haben, son<strong>der</strong>n auch,<br />
verschiedene Gruppen zu Wort kommen zu<br />
lassen und so die Stimmungen eines ganzen<br />
Hauses zu einem Thema zu erfassen. Hier<br />
führen Frauen meist an<strong>der</strong>s als Männer.<br />
Kaum Unterschiede gibt es dagegen in <strong>der</strong><br />
Bereitschaft zur Entscheidung und in <strong>der</strong><br />
klaren Umsetzung. Was in einer Führungsposition<br />
an <strong>der</strong> Spitze aber auch notwendig<br />
ist, ist das uneitle, unaufgeregte Nachbessern<br />
von Entscheidungen. Da handeln Frauen oft<br />
pragmatischer als Männer.<br />
Das Gespräch führte Uschi Heidel<br />
© Daniela Schmitter<br />
5
6 SpEktrum<br />
dEutSchland<br />
Mainzer Synagoge<br />
Rheinisches Jerusalem<br />
Magenza – so die hebräische Bezeichnung<br />
für das jüdische Mainz – war lange Zeit ein<br />
bedeutendes jüdisches Zentrum am Rhein.<br />
Zwischen dem 11. und 13. Jahrhun<strong>der</strong>t blühte<br />
hier die jüdische Kultur, so dass die Stadt oft<br />
als „rheinisches Jerusalem“ galt. Diese Tradition<br />
hielt lange an, endete aber spätestens im<br />
November 1938: Nationalsozialisten zerstörten<br />
die alte Mainzer Synagoge während <strong>der</strong><br />
Reichspogromnacht.<br />
Auf den Tag genau 98 Jahre nach Einweihung<br />
<strong>der</strong> alten Synagoge wurde am 3. September<br />
an <strong>der</strong>selben Stelle eine neue eröffnet. Der<br />
Entwurf stammt von dem Kölner Architekten<br />
Manuel Herz. Das Gebäude soll den jüdisch-liturgischen<br />
Begriff Keduscha, auf Deutsch „Erhöhung“,<br />
körperlich anfassbar reflektieren.<br />
Die fünf hebräischen Buchstaben sind in den<br />
fünf Bereichen des jüdischen Zentrums für Gemeindeveranstaltungen,<br />
Erwachsenenbildung<br />
und als Hebräisch-Schule für schulpflichtige<br />
Kin<strong>der</strong> versinnbildlicht. Der 1937 von Mainz<br />
in die USA emigrierte Jude Fritz Weinschenk<br />
nannte die Synagoge bei <strong>der</strong> Eröffnungsfeier<br />
ein „Mahnmal, aber auch Zeichen <strong>der</strong> Zuversicht“.<br />
Bundespräsident Christian Wulff lobte<br />
die Anstrengungen <strong>der</strong> Mainzer Bürger, die es<br />
möglich gemacht hätten, dass das Judentum<br />
einen neuen geistlichen Mittelpunkt in <strong>der</strong><br />
Stadt erhalte.<br />
Der Bedarf für ein Zentrum ist groß: Nach<br />
dem Zweiten Weltkrieg lebte in Mainz lange<br />
Zeit nur eine kleine Schar zurückgekehrter<br />
Gemeindemitglie<strong>der</strong>. Die hohe Anzahl von Zuwan<strong>der</strong>ern<br />
aus Osteuropa vergrößerte die Gemeinde<br />
in den 1990er Jahren jedoch erheblich.<br />
Inzwischen zählt sie mehr 1000 Mitglie<strong>der</strong>.<br />
Literatur-Nobelpreis<br />
Subversiv und konservativ<br />
„Literatur sollte sich von dem anstecken lassen,<br />
was draußen passiert, sonst wird sie trivial<br />
und dekadent“, sagt <strong>der</strong> peruanische Schriftsteller<br />
Mario Vargas Llosa. 2010 erhielt Mario<br />
Vargas Llosa den Nobelpreis für Literatur.<br />
Damit ist er nach dem gebürtigen Chinesen<br />
Gao Xingjian, dem Ungarn Imre Kertész und<br />
<strong>der</strong> Deutschen Herta Müller <strong>der</strong> vierte <strong>DAAD</strong>-<br />
Alumnus, <strong>der</strong> seit <strong>der</strong> Jahrtausendwende den<br />
renommiertesten Literaturpreis erhält.<br />
Mario Vargas Llosa war 1997 bis 1998 Gast<br />
des Berliner Künstlerprogramms des <strong>DAAD</strong>.<br />
Während dieser Zeit schrieb er „Das Fest des<br />
Ziegenbocks“ über die Schreckensherrschaft<br />
des dominikanischen Präsidenten Rafael Trujillo.<br />
Damals hatte er bereits ein gutes Dutzend<br />
Romane verfasst und den Friedenspreis<br />
des Deutschen Buchhandels erhalten. Bei <strong>der</strong><br />
© Isolde Ohlbaum<br />
Verleihung in Frankfurt schrieb Vargas Llosa<br />
dem Schriftsteller die Aufgabe zu, gegenüber<br />
dem herrschenden Zeitgeist subversive Ideen<br />
zu verbreiten. „Ich empfinde es als wesentlich<br />
für meine Arbeit, mich an <strong>der</strong> politischen<br />
Debatte zu beteiligen“, erklärte er in einem<br />
Interview.<br />
Laut Nobelpreis-Komitee hat Vargas Llosa<br />
eine genaue „Kartographie von Machtstrukturen“<br />
und „scharf geschnittene Bil<strong>der</strong> individuellen<br />
Wi<strong>der</strong>stands“ geschaffen. „Wenn<br />
Menschen für irgendwelche Utopien sterben<br />
müssen, ist das durch nichts zu rechtfertigen“,<br />
Literaturnobelpreisträger<br />
Mario Vargas Llosa war 1997<br />
bis 1998 Gast des Berliner<br />
Künstlerprogramms des<br />
<strong>DAAD</strong><br />
<strong>DAAD</strong> Letter 3/10
<strong>DAAD</strong> Letter 3/10<br />
© dpa<br />
sagt <strong>der</strong> Laureat. Mit dieser Überzeugung erscheint<br />
er als ein Konservativer in <strong>der</strong> lateinamerikanischen<br />
Geisteswelt, im Unterschied<br />
etwa zu Gabriel García Márquez.<br />
In Berlin ist Vargas Llosa mehrfach präsent:<br />
Die Bibliothek des spanischen Kulturinstituts<br />
trägt seinen Namen. Seit 2005 ist er zudem<br />
Ehrendoktor <strong>der</strong> Humboldt-Universität.<br />
„Berlin ist eine inspirierende Erfahrung“,<br />
sagt er. „Die Stadt ist ständig im Zustand <strong>der</strong><br />
Transformation.“<br />
Ausstellung WeltWissen Berlin<br />
Staub, Zettel und Planeten<br />
Christian Gottfried Ehrenberg, einer <strong>der</strong> Begrün<strong>der</strong><br />
<strong>der</strong> Mikropaläontologie und Mikrobiologie,<br />
interessierte sich naturgemäß für<br />
alles Winzige. Er sammelte für seine Studien<br />
im 19. Jahrhun<strong>der</strong>t den Staub <strong>der</strong> Stadt Berlin<br />
ein, um ihn unter die Lupe zu nehmen. Die<br />
Gläser, die er dafür verwendete, können Besucher<br />
<strong>der</strong>zeit in <strong>der</strong> Ausstellung „WeltWissen:<br />
300 Jahre Wissenschaften in Berlin“ im Martin-Gropius-Bau<br />
bewun<strong>der</strong>n – ein fächer- und<br />
epochenübergreifen<strong>der</strong> Blick auf die spannende<br />
Wissenschaftsgeschichte <strong>der</strong> Hauptstadt.<br />
Die Schau ist ein gemeinsames Projekt von<br />
vier Berliner Wissenschaftseinrichtungen, die<br />
in diesem Jahr Jubiläum feiern: die Humboldt-<br />
Universität (200 Jahre), die Universitätsmedizin<br />
Charité (300), die Berlin-Brandenburgische<br />
Akademie <strong>der</strong> Wissenschaften (300) und<br />
die Max-Planck-Gesellschaft (100). Bis Januar<br />
2011 präsentieren sie auf mehr als 3200<br />
Quadratmetern 500 Exponate – historische<br />
Mahnmal und Zeichen <strong>der</strong> Zuversicht: Neue Mainzer Synagoge<br />
ist auch architektonischer Anziehungspunkt<br />
Originaldokumente, technische Apparate,<br />
Expeditionsausrüstungen und visuelle Umsetzungen<br />
neuer Entdeckungen und Ideen.<br />
Dazu zählen auch Notizzettel <strong>der</strong> Brü<strong>der</strong><br />
Grimm, die in <strong>der</strong> preußischen Metropole<br />
akribisch an ihrer „Geschichte <strong>der</strong> deutschen<br />
Sprache“ arbeiteten, o<strong>der</strong> Skizzen von Albert<br />
Einstein, die in Berlin während <strong>der</strong> Vollendung<br />
seiner Relativitätstheorie entstanden. Außerdem:<br />
Ein Tisch mit Arbeitsgeräten, auf dem<br />
1938 dem deutschen Chemiker und Nobelpreisträger<br />
Otto Hahn die erste Spaltung eines<br />
Atomkerns gelang, o<strong>der</strong> die anatomisch-pathologischen<br />
Präparate aus <strong>der</strong> weltberühmten<br />
Sammlung des Mediziners Rudolf Virchow, einem<br />
<strong>der</strong> Begrün<strong>der</strong> <strong>der</strong> Pathologie. Studien zu<br />
künstlicher Intelligenz o<strong>der</strong> faszinierende 3D-<br />
Bil<strong>der</strong> aus einem Kartierungsprojekt für den<br />
Planeten Mars veranschaulichen, dass Berlin<br />
nach wie vor ein wichtiger Forschungsstandort<br />
ist. Info: www.weltwissen-berlin.de<br />
Passend zur Ausstellung erschien im Herbst<br />
2010 ein Buch, das seine Leser in die Labors<br />
und Büros von Berliner Wissenschaftlern<br />
<strong>der</strong> Gegenwart führt: Die Autoren Kristina<br />
Vaillant und Ernst Fesseler berichten in „Ideen<br />
täglich. Wissenschaft in Berlin“ (Nicolai-<br />
Verlag) vom Forschungsalltag, von Erfolgen<br />
und Rückschlägen bei <strong>der</strong> Arbeit mit alten<br />
SpEktrum dEutSchland<br />
Handschriften, winzigen Kristallen o<strong>der</strong> vermeintlich<br />
unscheinbaren Pflanzen.<br />
Kristina Vaillant, Ernst Fesseler: Ideen<br />
täglich. Wissenschaft in Berlin, Nicolai<br />
Verlag, Berlin 2010. ISBN: 978-3894795177,<br />
24,90 Euro.<br />
München bis Berlin<br />
Elektroauto schafft Rekordstrecke<br />
Weltrekord: Ohne aufzuladen, ist ein zum<br />
Elektroauto umgebauter Audi A2 in sieben<br />
Stunden von München nach Berlin gefahren.<br />
Auf <strong>der</strong> 605 Kilometer langen Strecke kam<br />
das Gefährt auf durchschnittlich 90 Kilometer<br />
pro Stunde. Ähnliche Langstrecken-Versuche<br />
gab es bereits mit eigens für das Experiment<br />
konstruierten Autos. So meldeten japanische<br />
Ingenieure erst kürzlich einen Erfolg: Ihr<br />
Elektroauto legte 1000 Kilometer ohne Aufladung<br />
zurück. Allerdings ist das Fahrzeug im<br />
Gegensatz zum deutschen Rekordauto nicht<br />
alltagstauglich.<br />
Der umgebaute Audi ist wie ein herkömmlicher<br />
Benziner mit vier Sitzen ausgestattet und<br />
hat einen vollständig nutzbaren Kofferraum.<br />
Bislang musste das Gepäck den großen Batterien<br />
Platz machen. Die neue, weitaus kleinere<br />
Batterie auf Lithium-Metall-Polymer-Basis<br />
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7
8 SpEktrum<br />
© DBMEnergy<br />
dEutSchland<br />
Am Ziel: Elektro-Rekordauto vor dem<br />
Brandenburger Tor<br />
hat einen weiteren Vorteil: Sie kann bis zu<br />
500 000 Kilometer schaffen, ehe man sie austauschen<br />
muss.<br />
Entwickelt haben die Batterie das junge Berliner<br />
Technologieunternehmen DBM Energy<br />
und <strong>der</strong> Energieanbieter „lekker Energie“, das<br />
Bundeswirtschaftsministerium unterstützte<br />
die Kooperation. Die Bundesregierung hatte<br />
in ihrem Nationalen Entwicklungsplan Elektromobilität<br />
erst für das Jahr 2015 Fahrten<br />
mit alltagstauglichen E-Autos angepeilt. DBM<br />
Energy will die Batterie nun für eine Serienproduktion<br />
optimieren.<br />
Diplomaten im Dritten Reich<br />
Späte Aufarbeitung<br />
Das Auswärtige Amt, das Außenministerium<br />
Deutschlands, hat sich an Gewaltverbrechen<br />
während <strong>der</strong> nationalsozialistischen Diktatur<br />
1933 bis 1945 beteiligt – stärker als bislang<br />
angenommen. Das hat eine Historikerkommission<br />
festgestellt, die <strong>der</strong> damalige Außenminister<br />
Joschka Fischer (Bündnis 90/Die Grünen)<br />
2005 beauftragt hatte. Im Oktober erschien<br />
<strong>der</strong>en mittlerweile viel beachtete Studie „Das<br />
Amt und die Vergangenheit“. Sie belegt zum<br />
Beispiel die Mitwirkung von Diplomaten an<br />
<strong>der</strong> Verfolgung und Ermordung von Juden<br />
und zeigt, wie sehr die nationalkonservative<br />
Oberschicht mit <strong>der</strong> NS-Diktatur kooperierte<br />
und kollaborierte. „Dass auch <strong>der</strong> angeblich<br />
‚anständige’ Mensch die Grenzen des Anstandes<br />
leicht überschreiten kann, wenn sich<br />
die Grundregeln än<strong>der</strong>n“, sei eines <strong>der</strong> Kernergebnisse<br />
gewesen, sagte <strong>der</strong> israelische<br />
Historiker und Mitautor <strong>der</strong> Studie, <strong>DAAD</strong>-<br />
Alumnus Moshe Zimmermann, gegenüber<br />
<strong>der</strong> Berliner Tageszeitung „Der Tagesspiegel“.<br />
„Erstaunlich“, nannte es die Kommission,<br />
dass viele Mittäter später in <strong>der</strong> Bundesrepublik<br />
wie<strong>der</strong> Karriere machten und lange kaum<br />
Diskussion um Datenschutz<br />
angestoßen: Google Street<br />
View in Deutschland<br />
jemand dagegen protestierte. Nach Aussage<br />
<strong>der</strong> Historiker versuchten die Beteiligten nach<br />
dem Ende des Zweiten Weltkriegs 1945, die<br />
eigene Rolle zu vertuschen. Aus alter Verbundenheit<br />
hätten sie sich gegenseitig unterstützt.<br />
So sei <strong>der</strong> Mythos entstanden, das Auswärtige<br />
Amt habe sich weitgehend aus den Verbrechen<br />
<strong>der</strong> Nationalsozialisten herausgehalten.<br />
Der amtierende Außenminister Guido Westerwelle<br />
(FDP) kündigte an, die fast 900 Seiten<br />
starke Studie zu einem festen Bestandteil <strong>der</strong><br />
Diplomatenausbildung zu machen.<br />
cho<br />
Eckart Conze, Norbert Frei, Peter Hayes,<br />
Moshe Zimmermann: Das Amt und die<br />
Vergangenheit: Deutsche Diplomaten im<br />
Dritten Reich und in <strong>der</strong> Bundesrepublik,<br />
Karl Blessing Verlag, München 2010.<br />
ISBN: 978-3-89667-430-2., 34,95 Euro.<br />
Google Street View<br />
Verschwommene Häuser<br />
Die Privatsphäre hat in Deutschland eine<br />
hohe Priorität. Deshalb protestierten viele<br />
Deutsche, als die Firma Google im Juli 2008<br />
erstmals ihre Kamera-Autos durch deutsche<br />
Straßen schickte, um alle Häuser, Gärten und<br />
Kreuzungen für den Online-Dienst Street View<br />
detailliert abzufotografieren. Google musste<br />
versprechen, zufällig eingefangene Gesichter<br />
zu verpixeln. Fast 250 000 Menschen beantragten<br />
zudem, dass ihre Häuser unkenntlich<br />
gemacht werden. Wer nun virtuell durch deutsche<br />
Straßen spaziert, sieht verschwommene<br />
Flecken, wo eigentlich Häuser stehen sollten.<br />
Inzwischen sind die ersten 20 Städte online,<br />
darunter Berlin, Köln und München. Paradox:<br />
Trotz aller Bedenken meldet Google aus<br />
Deutschland so viele Seitenaufrufe wie aus<br />
keinem an<strong>der</strong>en Land.<br />
Deutsch-türkischer Übersetzerpreis<br />
Herausragende Vermittler<br />
Die ersten Preisträger des Deutsch-Türkischen<br />
und Türkisch-Deutschen Übersetzerpreises<br />
„Tarabya“ sind Ingrid Iren und Ahmet Cemal.<br />
Ausgezeichnet werden sie für ihre herausragenden<br />
Leistungen und ihre Vermittlungsarbeit<br />
zwischen beiden Län<strong>der</strong>n.<br />
Der Preis ist ein Gemeinschaftsprojekt des<br />
Auswärtigen Amtes, des türkischen Ministeriums<br />
für Kultur und Tourismus, des Goethe-<br />
Instituts Istanbul, <strong>der</strong> S. Fischer Stiftung und<br />
Robert Bosch Stiftung im Rahmen <strong>der</strong> Ernst-<br />
Reuter-Initiative für Dialog und Verständigung.<br />
„Tarabya“ ist nach einem Istanbuler<br />
Stadtteil benannt, in dem sich die historische<br />
Sommerresidenz <strong>der</strong> deutschen Botschaft befindet<br />
– heute ein Ort des deutsch-türkischen<br />
Dialogs.<br />
Den Preis gibt es jeweils für die besten Übersetzungen<br />
deutscher Literatur ins Türkische<br />
und türkischer Literatur ins Deutsche. Die<br />
1930 in Berlin geborene Ingrid Iren hat unter<br />
an<strong>der</strong>em vier Romane des Nobelpreisträgers<br />
Orhan Pamuk ins Deutsche übertragen. Ahmet<br />
Cemal übersetzte Werke wie Ingeborg<br />
Bachmanns Roman „Malina“ und das philosophische<br />
Werk „Also sprach Zarathustra“ von<br />
Friedrich Nietzsche ins Türkische.<br />
Boris Hänßler<br />
<strong>DAAD</strong> Letter 3/10
<strong>DAAD</strong> Letter 3/10<br />
tItEl<br />
Ingenieure made in germany<br />
Technik aus Deutschland ist ein Markenzeichen und weltweit im Einsatz<br />
Präsidenten polieren:<br />
Deutsche Hochleistungsreiniger<br />
geben <strong>der</strong> nationalen Gedenkstätte<br />
am Mount Rushmore in den USA neuen<br />
Glanz<br />
Wer an Deutschland denkt, denkt häufig<br />
an Dichter, Denker und Komponisten.<br />
Und an „made in Germany“, an Hightech-<br />
Produkte allerhöchster Qualität.<br />
Sie sind weltweit gefragt und rücken<br />
selbst den aus Stein gehauenen US-Präsidenten<br />
zu Leibe. Die technischen Erfolge<br />
verdankt das Land vor allem seinen<br />
Ingenieuren, denn sie sind ausgestattet<br />
mit breitem Fachwissen und <strong>der</strong> Fähigkeit,<br />
dies praktisch anzuwenden. Damit<br />
Deutschland Technologieprimus und<br />
Exportweltmeister bleibt, braucht es genügend<br />
Ingenieurnachwuchs – auch aus<br />
dem Ausland.<br />
9<br />
© Kärcher
10 tItEl<br />
Engineers made in germany<br />
Engineers play a major part in the stream of innovation<br />
that ensures the popularity of German<br />
products and services in the global market.<br />
And no won<strong>der</strong>: the education that engineers<br />
receive in German universities is the best in<br />
the world. A study by the Boston Consulting<br />
Group gave German engineering schools the<br />
top grade of 1.7 (using the German scholastic<br />
grading scale from 1 to 6). A broad foundation<br />
in mathematical and theoretical knowledge<br />
combined with expertise in realization is the<br />
German formula for training successful engineers.<br />
But Germany urgently needs new engineering<br />
students: some 75,000 new students<br />
start a course of study in engineering every<br />
year, but that is not enough to fill the demand.<br />
There is already a deficit of 34,000 engineers.<br />
One hope is to attract students or graduates<br />
from other countries. A special advantage<br />
of engineers from other cultures is that they<br />
help to develop new markets, thus reinforcing<br />
Germany’s position as a leading exporter.<br />
Universities also hope to increase the proportion<br />
of women engineering students, to make<br />
courses more compatible with social aspects of<br />
students’ lives, and to lower the drop-out rate.<br />
Leonardo da Vinci war wohl <strong>der</strong> erste Ingenieur<br />
<strong>der</strong> Geschichte. Der geniale Erfin<strong>der</strong><br />
und Künstler bezeichnete sich als<br />
„ingegnier“, was damals ein Zeugmeister für<br />
militärische Ausrüstung war. Auch wenn <strong>der</strong><br />
Ingenieurberuf seine Wurzeln in Italien und<br />
Frankreich hat, hat kein Land das Berufsbild<br />
und das Image so geprägt wie Deutschland.<br />
Der König von Preußen führte 1899 „auf allerhöchsten<br />
Erlass“ die Titel Diplom-Ingenieur<br />
Säge mit Benzinmotor: Andreas Stihl stellte 1929 die Motorsäge vor –<br />
seit 1971 ist das Stuttgarter Unternehmen Weltmarktführer<br />
© Ullstein<br />
und Doktor-Ingenieur ein. 111 Jahre Diplom-<br />
Ingenieur – ein schöner Anlass, den Erfolg<br />
dieser „Marke“ zu feiern und zurückzublicken<br />
auf die Erfolge von Carl Benz, Robert Bosch<br />
und vielen weiteren Ingenieuren, ohne die das<br />
20. Jahrhun<strong>der</strong>t nicht so ein Zeitalter des Fortschritts<br />
gewesen wäre.<br />
Auch heute haben Ingenieure großen Anteil<br />
am Innovationsstrom, <strong>der</strong> Produkten<br />
und Dienstleistungen made in Germany zu<br />
Erfolgen auf dem Weltmarkt verhilft. Jüngste<br />
Beispiele sind die Erfindungen, die 2010 für<br />
den Deutschen <strong>Zukunft</strong>spreis nominiert sind,<br />
den <strong>der</strong> Bundespräsident jedes Jahr verleiht:<br />
das Laserauge <strong>der</strong> Karlsruher Firma Unisensor,<br />
das Kunststoffgranulat sortiert, o<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />
Greifroboter <strong>der</strong> Firma Festo in Esslingen, <strong>der</strong><br />
wie ein Elefantenrüssel aussieht und sogar<br />
rohe Eier bewegen kann.<br />
Breites Fundament<br />
Der Erfolg kommt nicht von ungefähr. Die Ausbildung<br />
an deutschen Hochschulen ist Weltspitze,<br />
auch wenn internationale Rankings<br />
häufig die einschlägig bekannten Eliteunis<br />
© Andreas Stihl AG & Co. KG<br />
aus den USA und Großbritannien auf die<br />
ersten Plätze setzen. Bei den Ingenieuren ist<br />
das Bild eindeutig: Mit <strong>der</strong> Note 1,7 (auf einer<br />
Schulnotenskala von eins bis sechs) rangiert<br />
die deutsche Ingenieurausbildung in einer<br />
Studie <strong>der</strong> Boston Consulting Group an oberster<br />
Stelle.<br />
Die Kombination aus einem breiten Fundament<br />
mathematisch-theoretischen Wissens<br />
und Know-how in <strong>der</strong> Umsetzung ist<br />
das Erfolgsrezept <strong>der</strong> deutschen Ingenieurausbildung.<br />
„An<strong>der</strong>s als im Ausland ist das<br />
Studium hierzulande sehr praxis- und industrieorientiert“,<br />
sagt Sabina Jeschke, Professorin<br />
für Informationsmanagement im Maschinenwesen<br />
an <strong>der</strong> RWTH Aachen. Hinzu<br />
kommt die Möglichkeit, je nach Neigung eher<br />
theoretisch an Universitäten zu studieren o<strong>der</strong><br />
praxisorientiert mit frühem Kontakt zu Unternehmen<br />
an Fachhochschulen. Auch wählen<br />
etliche junge Menschen den Weg über eine<br />
Berufsausbildung in einem Betrieb, bevor sie<br />
studieren.<br />
Dieses breite Spektrum, die Fähigkeit, ein<br />
Problem gleichzeitig theoretisch und praktisch<br />
zu durchdringen und über den eigenen<br />
Tellerrand hinauszublicken, ist wohl eines <strong>der</strong><br />
Erfolgsrezepte. Das bestätigt Theodor Strobl,<br />
ehemaliger Professor für Wasserbau an <strong>der</strong><br />
Technischen Universität München: „Bei Bauingenieuren,<br />
die nach dem angelsächsischen<br />
System ausgebildet wurden, habe ich vor allem<br />
im Ausland die Erfahrung gemacht, dass<br />
sie zwar hervorragende Spezialisten sind, aber<br />
oft die Zusammenhänge nicht erkennen.“<br />
Kein Wun<strong>der</strong>, dass Ingenieure von deutschen<br />
Hochschulen weltweit gefragt sind,<br />
häufig stechen sie Absolventen von Eliteunis<br />
wie MIT o<strong>der</strong> Stanford aus. Nicht verschweigen<br />
sollte man aber die Defizite: Die kompromisslose<br />
Ausrichtung auf Hightech führt<br />
mitunter dazu, dass einfachere Lösungen, die<br />
vielleicht praktischer für die Nutzer wären<br />
und vielleicht sogar kostengünstiger, nicht<br />
gesehen werden. Im Deutschen gibt es dafür<br />
ein Sprichwort: Warum einfach, wenn es auch<br />
kompliziert geht?<br />
<strong>DAAD</strong> Letter 3/10
© Porshce<br />
Doch die Ingenieure haben dazugelernt, sie<br />
gehen heute mehr auf das ein, was <strong>der</strong> Kunde<br />
wirklich braucht. Die Anfor<strong>der</strong>ungen an die<br />
Absolventen dieser Studiengänge haben sich<br />
dementsprechend verän<strong>der</strong>t. „Soft Skills“ sind<br />
zunehmend gefragt, also die Fähigkeit, mit<br />
Menschen umzugehen, zu kommunizieren, zu<br />
überzeugen und das in perfektem Englisch –<br />
vor allem wenn Ingenieure in Führungspositionen<br />
arbeiten und viel Kundenkontakt haben.<br />
Internationale Erfahrung zählt<br />
„Internationalität und interkulturelle Kompetenz<br />
gehören zu den gefragtesten Persönlichkeitsmerkmalen<br />
von Ingenieuren, die bei<br />
internationalen Unternehmen anheuern wollen“,<br />
sagt Personalberater Heiko Mell, <strong>der</strong> regelmäßig<br />
im Branchenblatt des Vereins Deutscher<br />
Ingenieure „VDI-Nachrichten“ Karrieretipps<br />
gibt. Auslandsaufenthalte sind während<br />
des Studiums fast schon obligatorisch, und<br />
auch Studierende und Absolventen aus dem<br />
Ausland haben zunehmend gute Chancen auf<br />
dem deutschen Arbeitsmarkt.<br />
Der Branchenverband Elektrotechnik, Elektronik,<br />
Informationstechnik VDE warnt jedoch<br />
davor, diese Fähigkeiten überzubewerten. Vor<br />
lauter Soft Skills dürfe <strong>der</strong> Markenkern <strong>der</strong> Ingenieurstätigkeit,<br />
nämlich das profunde technische<br />
Wissen, nicht vernachlässigt werden.<br />
Das wird in immer mehr spezialisierten Studienprogrammen<br />
gelehrt. Zwar gibt es auch heute<br />
noch klassische Fächer wie Elektrotechnik<br />
o<strong>der</strong> Maschinenbau, doch <strong>der</strong> technische Fortschritt<br />
ist so rasant, dass eine Diversifizierung<br />
in neue Studiengänge wie Mechatronik o<strong>der</strong><br />
Erneuerbare Energien nötig ist. Ein beson<strong>der</strong>es<br />
Erfolgsmodell ist <strong>der</strong> Wirtschaftsingenieur,<br />
ein Abschluss, mit dem Absolventen alle Türen<br />
und Aufstiegsmöglichkeiten offenstehen.<br />
Er verbindet technisches mit betriebswirtschaftlichem<br />
Wissen und stößt damit genau in<br />
die Lücke, in <strong>der</strong> es im Berufsleben häufig zu<br />
Missverständnissen kommt.<br />
Der Universalingenieur, wie es ihn zu Zeiten<br />
von Automobilpionier Carl Benz und Robert<br />
Bosch, dem Grün<strong>der</strong> des gleichnamigen<br />
<strong>DAAD</strong> Letter 3/10<br />
Elektrotechnikkonzerns, noch<br />
gab, existiert heute nicht mehr.<br />
Kein Mensch kann alles technologische<br />
Wissen überblicken.<br />
Deshalb müssen Ingenieure<br />
immer häufiger in Teams<br />
arbeiten, die für Entwicklungsprojekte<br />
zusammengestellt<br />
werden. Das bietet gute Chancen<br />
für Selbstständige. Insbeson<strong>der</strong>e<br />
in <strong>der</strong> Konstruktion<br />
und Software-Entwicklung gibt<br />
es viele Freiberufler, die Unternehmen<br />
zeitlich begrenzt zuarbeiten.<br />
Zu den rund 50 000<br />
selbstständigen Ingenieuren<br />
in Deutschland kommen etwa<br />
15 000 beratende Ingenieure<br />
hinzu, mit steigen<strong>der</strong> Tendenz,<br />
wie das Auftragsvermittlungsportal<br />
Gulp bestätigt. „In wirtschaftlich<br />
schwierigen Zeiten<br />
steigt die Zahl <strong>der</strong>jenigen<br />
deutlich an, die mit <strong>der</strong> Selbstständigkeit<br />
einer drohenden<br />
Arbeitslosigkeit entgehen wollen“,<br />
weiß Willi Oberlan<strong>der</strong>,<br />
Geschäftsführer am Institut<br />
für freie Berufe an <strong>der</strong> Friedrich-Alexan<strong>der</strong>-Universität<br />
in<br />
Erlangen-Nürnberg. Bei guter<br />
Konjunktur gehen manche<br />
dann wie<strong>der</strong> feste Arbeitsverhältnisse<br />
ein.<br />
Nachwuchs gesucht<br />
Die Weltwirtschaftskrise infolge <strong>der</strong> Bankenkrise<br />
hat auch auf dem Arbeitsmarkt für<br />
Ingenieure Spuren hinterlassen. Nicht alle<br />
Absolventen fanden 2009 sofort eine Stelle.<br />
Dennoch herrscht unter den Ingenieuren nahezu<br />
Vollbeschäftigung: Nur 2,4 Prozent von<br />
ihnen waren 2009 arbeitslos. Jetzt nach <strong>der</strong><br />
Krise im Wirtschaftsaufschwung wird umso<br />
deutlicher sichtbar, was Experten schon vorher<br />
prophezeit hatten: Es fehlen, so schätzt<br />
<strong>der</strong> VDI, über 30 000 Ingenieure. Der Mangel<br />
Von <strong>der</strong> Motorkutsche zum Hybridfahrzeug:<br />
Die Automobilbranche ist nach wie vor<br />
Deutschlands Zugpferd<br />
Know-how in <strong>der</strong> Umsetzung:<br />
Erfolgsrezept <strong>der</strong> Ingenieurausbildung<br />
tItEl<br />
an Fachkräften hat einen Wertschöpfungsverlust<br />
<strong>der</strong> deutschen Volkswirtschaft von schätzungsweise<br />
3,4 Milliarden Euro zur Folge.<br />
Deutschland braucht also dringend Nachwuchs.<br />
Doch die rund 75 000 Abiturienten,<br />
die jedes Jahr ein Ingenieurstudium beginnen,<br />
können die Lücke nicht schließen. Drei<br />
Maßnahmen sollen helfen, die Zahl <strong>der</strong> Studierenden<br />
zu steigern: Erstens sollen mehr junge<br />
Frauen für das Studium von MINT-Fächern<br />
11<br />
© Andreas Hed<strong>der</strong>gott/TU München
12 tItEl<br />
Frachter lernen segeln: Hamburger Technik<br />
hilft den Treibstoffverbrauch zu senken<br />
(Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften,<br />
Technik) begeistert werden. Zwar steigt<br />
<strong>der</strong> Frauenanteil seit einigen Jahren kontinuierlich<br />
an, dennoch ist erst etwa je<strong>der</strong> siebte<br />
Ingenieur weiblich. Zweitens sollen mehr Studierende<br />
o<strong>der</strong> Fachkräfte aus dem Ausland angeworben<br />
werden. Heute hat nur je<strong>der</strong> zehnte<br />
Ingenieur im Erwerbsalter bis 65 Jahre eine<br />
ausländische Staatsbürgerschaft, auch <strong>der</strong><br />
Anteil dieser Gruppe steigt langsam an. 2009<br />
studierten 27240 angehende Ingenieure aus<br />
an<strong>der</strong>en Län<strong>der</strong>n an deutschen Universitäten.<br />
Diese Ingenieure aus an<strong>der</strong>en Kulturkreisen<br />
sind auch deshalb wertvoll, weil sie helfen,<br />
neue Märkte zu erschließen und die Position<br />
Deutschlands als Exportweltmeister zu festigen.<br />
Und drittens sollen die Studiengänge<br />
studierbarer und die hohen Abbrecherquoten<br />
gesenkt werden.<br />
Damit sich auch in <strong>Zukunft</strong> begabte Studierende<br />
für eine Ingenieurausbildung an deutschen<br />
Hochschulen entscheiden, muss <strong>der</strong><br />
gute Ruf <strong>der</strong> Studiengänge verteidigt werden.<br />
Doch <strong>der</strong> könnte bedroht sein, fürchten die<br />
Rektoren <strong>der</strong> neun großen Technischen Universitäten<br />
(TU9). Im Zuge <strong>der</strong> sogenannten<br />
Bologna-Reform haben die Nationen <strong>der</strong> Europäischen<br />
Union beschlossen, Bachelor- und<br />
Master-Abschlüsse zur Regel zu machen. Das<br />
trifft insbeson<strong>der</strong>e den Diplom-Ingenieur, <strong>der</strong><br />
nicht allein ein Abschlussgrad ist, son<strong>der</strong>n<br />
auch für hohe Qualität in <strong>der</strong> Ausbildung<br />
steht. „Das ist so, als würde Mercedes mit <strong>der</strong><br />
Einführung des Laserschweißens den Stern<br />
auf <strong>der</strong> Motorhaube abschaffen“, findet Professor<br />
Ernst Schmachtenberg, Rektor <strong>der</strong> Exzellenzuniversität<br />
RWTH Aachen. Dieter Zetsche,<br />
Vorstand <strong>der</strong> Daimler AG, pflichtet bei: „Ein<br />
Dipl.-Ing. vor dem Namen ist wie ein Mercedes-Stern<br />
auf <strong>der</strong> Haube.“ Deshalb plädieren<br />
© SkySails<br />
© KA-RaceIng e.V.<br />
die Rektoren <strong>der</strong> TU9 für eine Gleichstellung<br />
des Diplom-Ingenieurs mit dem Mastergrad,<br />
wie es etwa in Österreich geregelt ist, um auch<br />
weiterhin das Diplom verleihen zu können.<br />
Trotz aller Erfolge und seiner Bedeutung für<br />
die Volkswirtschaft hat <strong>der</strong> Ingenieurberuf ein<br />
Imageproblem. Viele Vorabend-TV-Serien für<br />
das junge Publikum zeichnen das Bild von<br />
Tüftler willkommen: Studierende des<br />
Karlsruher Instituts für Technologie bauen<br />
ihr eigenes Rennauto<br />
coolen jungen Leuten, die in <strong>der</strong> Werbebranche<br />
o<strong>der</strong> als Rechtsanwälte arbeiten. Ingenieure,<br />
wenn sie überhaupt in solchen Sendungen<br />
auftauchen, tragen dicke Hornbrillen und<br />
verwaschene Pullis. Dass sich solche Bil<strong>der</strong><br />
hartnäckig halten, beweist eine Straßenumfrage<br />
des VDI-Nachrichten-Verlags, wo nach<br />
typischen Eigenschaften, zum Beispiel <strong>der</strong><br />
Kleidung von Ingenieuren, gefragt wurde. Danach<br />
ist <strong>der</strong> typische Ingenieur eher trocken<br />
und spießig, trägt einen grauen Anzug und<br />
einen Aktenkoffer, in dem sich Lineal und<br />
Taschenrechner befinden. Doch es gab auch<br />
Lichtblicke bei <strong>der</strong> Umfrage, die über positive<br />
Attribute wie zielstrebig und präzise hinausgingen.<br />
Eine Passantin: „Ingenieure sind<br />
charmant und sexy – und ein guter Kontrast<br />
zu mir.“ Bernd Müller<br />
<strong>DAAD</strong> Letter 3/10
monster jagen<br />
Interview mit Sabina Jeschke, Professorin für<br />
Informationsmanagement im Maschinenwesen an<br />
<strong>der</strong> RWTH Aachen<br />
Globalisierung, Interdisziplinarität, geän<strong>der</strong>tes<br />
Lernverhalten – die Ingenieurstudiengänge<br />
stehen vor großen Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />
in <strong>der</strong> Ausbildung ihrer Studierenden.<br />
Die RWTH Aachen, die Technische<br />
Universität Dortmund und die Ruhr-Universität<br />
Bochum bauen deshalb ein Zentrum<br />
für neue Lehr- und Lernformen in den<br />
Ingenieurwissenschaften auf. Sabina Jeschke<br />
hat das Konzept „TeachING-Learn-<br />
ING“ mitentwickelt. Die VolkswagenStiftung<br />
und die Stiftung Mercator för<strong>der</strong>n das<br />
Projekt mit 1,5 Millionen Euro.<br />
Es gibt bereits viele Ansätze an<br />
Hochschulen, die akademische Ausbildung<br />
zu verbessern. Was macht TeachING-<br />
LearnING an<strong>der</strong>s?<br />
Die meisten Initiativen verlaufen im Sande,<br />
wenn sie abgeschlossen sind, weil es keine<br />
Netzwerke gibt, die die Erkenntnisse nutzen<br />
und verbreiten. Das wollen wir in <strong>der</strong> Dreierkonstellation<br />
än<strong>der</strong>n. TeachING-LearnING<br />
beschäftigt sich zudem nicht allein mit E-<br />
Learning, son<strong>der</strong>n will auch herausfinden,<br />
welche Inhalte künftig in den Ingenieurwissenschaften<br />
wichtig sind und wie man sie<br />
vermittelt.<br />
Warum gerade die<br />
Ingenieurwissenschaften?<br />
Weil sich dort die Ausbildung in Deutschland<br />
stark von <strong>der</strong> im Ausland unterscheidet.<br />
Sie ist praxis- und industrienäher, was den<br />
Diplom-Ingenieur zu einer so weltbekannten<br />
<strong>DAAD</strong> Letter 3/10<br />
Marke gemacht hat. Mathematik dagegen<br />
wird – mit gewissen kulturellen Nuancen –<br />
weltweit ähnlich gelehrt.<br />
Was ist an Praxis- und Industrienähe<br />
schlecht?<br />
Daran ist überhaupt nichts schlecht. Aber es<br />
wird deutlich, dass sich die Studieninhalte in<br />
<strong>der</strong> Ingenieurausbildung än<strong>der</strong>n müssen. Innovationen<br />
finden nicht mehr innerhalb <strong>der</strong><br />
Disziplinen statt, son<strong>der</strong>n an den Grenzen zu<br />
an<strong>der</strong>en Disziplinen. Beispiel Auto: Innovativ<br />
sind dort zum Beispiel Fahrerassistenzsysteme,<br />
die aber mit klassischem Fahrzeugbau<br />
nichts mehr zu tun haben. Das ist Informatik,<br />
auch die Psychologie spielt da hinein. Wir<br />
müssen damit rechnen, dass rein klassisch<br />
ausgebildete Ingenieure die Aufgaben <strong>der</strong> <strong>Zukunft</strong><br />
nicht mehr bewältigen werden.<br />
Sind sich die Hochschulen dieser<br />
Herausfor<strong>der</strong>ung bewusst? Momentan<br />
scheinen eher die Bologna-Reform und die<br />
neuen Bachelor- und Master-Abschlüsse<br />
Priorität zu haben.<br />
Die Diskussion um Bachelor und Master wird<br />
unter den Ingenieuren heftig geführt, weil<br />
<strong>der</strong> Diplom-Ingenieur eine so wertvolle Marke<br />
ist. Dabei wird die Bologna-Reform allein<br />
auf die Titel-Debatte verkürzt, obwohl sie vor<br />
allem inhaltliche Ziele hat. Ich habe den Eindruck,<br />
dass <strong>der</strong>zeit bei allen Akteuren eine<br />
Reflexion eingesetzt hat, bei <strong>der</strong> es wie<strong>der</strong><br />
mehr um Inhalte geht. Eine wichtige Frage<br />
ist, wie man die Lehre effizienter machen<br />
tItEl<br />
kann. Das ist notwendig, wenn man an<strong>der</strong>e<br />
Inhalte stärker gewichten will.<br />
Welche Inhalte sind das?<br />
Ingenieure müssen zum Beispiel künftig bei<br />
ihrer Arbeit Diversity-Aspekte stärker berücksichtigen,<br />
also etwa Herkunft o<strong>der</strong> Alter<br />
von Partnern o<strong>der</strong> Kunden. Und sie müssen<br />
interdisziplinär denken, etwa Kenntnisse in<br />
Psychologie o<strong>der</strong> Biologie haben.<br />
Wie kann sich das in neuen, effizienteren<br />
Lernformen nie<strong>der</strong>schlagen?<br />
Wir beobachten, dass sich junge Leute heute<br />
kaum noch 90 Minuten lang konzentrieren<br />
können o<strong>der</strong> wollen – so lange dauert eine<br />
Vorlesung. Dafür sind sie reaktionsschneller,<br />
bildorientierter, hoch-kommunikativ, selbstbewusster<br />
und spielerischer veranlagt. Diese<br />
Fähigkeiten müssen wir nutzen, zum Beispiel<br />
mit Lernformen, die in dreidimensionalen virtuellen<br />
Räumen stattfinden, die Elemente von<br />
Wikis o<strong>der</strong> Computerspielen aufgreifen. Eine<br />
Idee wäre, gemeinsam online mathematische<br />
Probleme zu lösen, zum Beispiel in einer Art<br />
Skype mit Formel-Editor o<strong>der</strong> in einer Spiele-<br />
Umgebung. Letztlich wäre das nichts an<strong>der</strong>es<br />
als ein Online-Multiplayerspiel, bei dem man<br />
Monster jagen muss – auch da handelt es<br />
sich um eine Aufgabe, die in einem Team<br />
gelöst werden muss, und bei <strong>der</strong> bestimmte<br />
Problemlösungsstrategien entwickelt, erprobt<br />
und schließlich vollzogen werden.<br />
Das Gespräch führte Bernd Müller<br />
13<br />
© RWTH Aachen
14<br />
HocHscHule<br />
Neues vom campus<br />
Thüringen<br />
Ost-Hochschulen sind spitze<br />
Bei <strong>der</strong> Ausstattung von Bibliotheken, Räumen,<br />
Laboren o<strong>der</strong> <strong>der</strong> IT-Infrastruktur haben<br />
ostdeutsche Hochschulen die Nase vorn.<br />
Das ergab eine Befragung des Centrums für<br />
Hochschulentwicklung (CHE) in Gütersloh<br />
unter 150 000 deutschen Studierenden. Ausschlaggebend<br />
für die Platzierung war, wie oft<br />
die Fachbereiche an staatlichen Hochschulen<br />
eines Bundeslandes überdurchschnittlich<br />
gute Bewertungen erhielten. Spitzenreiter ist<br />
demnach Thüringen mit 55 Prozent solcher<br />
Top-Noten, gefolgt von Mecklenburg-Vorpommern<br />
mit 50 Prozent. Laut CHE sind vor allem<br />
Investitionen, die nach <strong>der</strong> Wende in die<br />
Ausstattung <strong>der</strong> Ost-Unis geflossen sind, ein<br />
Grund für die guten Plätze. Die Hochschulen<br />
westdeutscher Bundeslän<strong>der</strong> sind weit abgeschlagen.<br />
Am besten schnitt das Land Baden-<br />
Württemberg mit 38 Prozent ab, Nordrhein-<br />
Westfalen liegt mit 20 Prozent im unteren<br />
Mittelfeld.<br />
Augsburg<br />
Lebenshilfe im Ohr<br />
Ob Wohnungssuche, Behördengänge, Lerntechniken<br />
o<strong>der</strong> zwischenmenschliche Kontakte:<br />
Studium und Alltag in Deutschland stellen<br />
ausländische Studierende vor viele Herausfor<strong>der</strong>ungen.<br />
Doch ein neues Kooperationsprojekt<br />
von Studentenwerk und dem Institut für<br />
Medien und Bildungstechnologie <strong>der</strong> Universität<br />
Augsburg verspricht Hilfe. Studierende des<br />
Studiengangs Medien und Kommunikation<br />
entwickeln <strong>der</strong>zeit ein Audio-Angebot, das ab<br />
kommendem Jahr unterhaltsam durchs Hochschulleben<br />
führt. „Wir nutzen Interviews, Dialoge,<br />
Reportagen und Erfahrungsberichte und<br />
© N. Mohadjer/Bauhaus-Universität Weimar<br />
berücksichtigen, dass die Deutschkenntnisse<br />
<strong>der</strong> Studierenden sehr unterschiedlich sind“,<br />
sagt Michael Noghero vom Studentenwerk. Einige<br />
Beiträge greifen spezifische Augsburger<br />
Themen auf, etwa den örtlichen Dialekt, an<strong>der</strong>e,<br />
wie „Heimweh“ o<strong>der</strong> „Wissenschaftliches<br />
Arbeiten“, treffen auf breiteres Interesse.<br />
Wo genau Informationsbedarf besteht, haben<br />
die Entwickler unter an<strong>der</strong>em von internationalen<br />
Studierenden und Hochschulangehörigen<br />
erfahren. Aktuell entsteht ein Audio-<br />
Guide über den Augsburger Uni-Campus mit<br />
einzelnen Stationen wie „Bibliothek“ o<strong>der</strong><br />
„Rechen zentrum“. Zu Beginn des Sommersemesters<br />
2011 stehen erste Inhalte kostenfrei<br />
als Podcasts zum Herunterladen o<strong>der</strong> Anhören<br />
unter www.studentstories.de bereit. Auch auf<br />
den gängigen sozialen Internet-Plattformen,<br />
allen bekannten Podcast-Verzeichnissen und<br />
bei Apple-iTunes sollen die Dateien verfügbar<br />
sein. Michael Noghero: „Zuerst auf Deutsch,<br />
aber bald auch in den Heimatsprachen <strong>der</strong> internationalen<br />
Studierenden.“<br />
© Hagenguth/<strong>DAAD</strong><br />
Studieren leicht<br />
gemacht:<br />
Audio-Guides für<br />
den Augsburger<br />
Campus<br />
Osnabrück<br />
Weiterbildung für Imame gestartet<br />
Die Universität Osnabrück hat als erste Hochschule<br />
in Deutschland eine Weiterbildung<br />
für Imame gestartet. Von 80 Interessenten<br />
Schritt zur Integration: Imame lernen<br />
an deutschen Unis<br />
© dpa<br />
nahmen im Wintersemester 30 ihr zweisemestriges<br />
Studium auf. Unterrichtet wird<br />
auf Deutsch. So sollen aus <strong>der</strong> Türkei stammende<br />
Imame ihre Deutschkenntnisse verbessern,<br />
um sich zu verständigen und ihre<br />
theologischen Lehren auf Deutsch weitergeben<br />
zu können. Außerdem behandelt das<br />
Studium Themen wie deutsche Geschichte,<br />
Politik, Recht und Gesellschaft. Auch die für<br />
die Jugend- und Gemeindearbeit wichtigen<br />
pädagogischen Kenntnisse werden den Studierenden<br />
vermittelt. Für 2012 ist zudem ein<br />
Bachelorstudiengang für die Ausbildung von<br />
Imamen geplant.<br />
<strong>DAAD</strong> Letter 3/10
Beste Bedingungen: Architekturstudierende arbeiten<br />
an <strong>der</strong> Bauhaus-Universität Weimar in großzügigen Ateliers<br />
Die Hochschule ist damit eines von drei Zentren<br />
für Islamische Studien in Deutschland.<br />
Zwei weitere entstehen an den Universitäten<br />
Tübingen und Münster. Bereits seit 2004<br />
werden in Münster und Osnabrück Lehrer<br />
in islamischer Religionspädagogik ausgebildet.<br />
In Tübingen soll das neue Zentrum zum<br />
Wintersemester 2011/2012 starten. Bis zu 40<br />
Studierende pro Jahr können sich dann zu<br />
Imamen, Religionslehrern und Sozialarbeitern<br />
ausbilden. Die Hochschule will sich dabei an<br />
Lehrplänen renommierter islamischer Hochschulen<br />
orientieren. Auch Module an<strong>der</strong>er<br />
Studiengänge <strong>der</strong> Universität Tübingen sollen<br />
einbezogen werden. Dazu gehören die säkulare<br />
Islamwissenschaft, Religionspädagogik, Politikwissenschaft,<br />
Soziologie und Ethnologie.<br />
In Münster ist <strong>der</strong> Studienbeginn <strong>der</strong> Islamischen<br />
Theologie ebenfalls ab dem Wintersemester<br />
2011/2012 geplant. Schwerpunkte<br />
sollen neben Islamischer Geschichte und<br />
Religionspädagogik auch die Einführung in<br />
christliche und jüdische Theologie sowie die<br />
Auseinan<strong>der</strong>setzung mit europäischer Kulturgeschichte<br />
sein. Auch die Ausbildung von<br />
Imamen ist dabei geplant. Alle drei Zentren<br />
sollen einen Beirat erhalten, in dem islamische<br />
Verbände und unabhängige Muslime<br />
über Lehrinhalte und Personal ein Mitspracherecht<br />
haben.<br />
Göttingen/Adelaide<br />
Kröten als Schutz für Kakaopflanzen<br />
Kakaopflanzen in Indonesien haben einen<br />
kleinen, aber aggressiven Feind: die gelbe<br />
Spinnerameise, die in den 1970er Jahren dort<br />
eingeschleppt wurde. Im Gegensatz zu einheimischen<br />
Arten ist sie Hauptüberträgerin<br />
<strong>der</strong> Kakao-Schwarzfäule, eine <strong>der</strong> wichtigsten<br />
Ursachen für Ernteausfälle bei <strong>der</strong> Kakao-Produktion.<br />
Zudem min<strong>der</strong>n die deutlich größeren<br />
und dominanten Insekten<br />
die natürliche Ameisenvielfalt.<br />
Forscher <strong>der</strong> Universität<br />
Göttingen und <strong>der</strong><br />
University of Adelaide, Australien,<br />
haben jetzt herausgefunden,<br />
dass eine Tropen-<br />
Krötenart Abhilfe schaffen<br />
kann. „Kommt die Sulawesi-<br />
Kröte zur Nahrungssuche<br />
auf die Kakaofel<strong>der</strong>, ernährt<br />
sie sich vor allem von <strong>der</strong><br />
Übertragen gefährliche<br />
Pilzkrankheit:<br />
gelbe Spinnerameisen<br />
<strong>DAAD</strong> Letter 3/10<br />
gelben Spinnerameise“ erklärt Professor Teja<br />
Tscharntke von <strong>der</strong> Agrarwissenschaftlichen<br />
Fakultät <strong>der</strong> Uni Göttingen.<br />
Die Kröte ist somit eine natürliche und effektive<br />
Alternative zu den Pestiziden, die<br />
auch harmlose Ameisenarten töten. Allerdings<br />
brauchen die Kröten einen beson<strong>der</strong>en<br />
Schutz, so die Forscher: Neben den Kakaoflächen<br />
zur Nahrungsaufnahme sind das Naturwaldreste<br />
als Rückzugsgebiet und Reisfel<strong>der</strong><br />
zur Ei-Ablage. Teja Tscharntke hofft: „Ein enges<br />
Nebeneinan<strong>der</strong> dieser drei Lebensräume<br />
sollte die Krötenpopulation erhöhen.“ Welche<br />
genauen Folgen das für den Kakaoertrag hat,<br />
wollen die Wissenschaftler in den kommenden<br />
Jahren weiter erforschen.<br />
Berlin<br />
Nah am Patienten<br />
Die Berliner Charité hat ihre Medizinerausbildung<br />
reformiert. Das Studium ist ab sofort<br />
beson<strong>der</strong>s patientennah und praxisorientiert.<br />
Soziale und kommunikative Kompetenzen stehen<br />
vom ersten bis letzten Semester auf dem<br />
Lehrplan. So lernen die Studierenden von Anfang<br />
an Krankheiten im Kontakt mit Patienten<br />
kennen o<strong>der</strong> trainieren verschiedene Techniken<br />
ärztlicher Gesprächsführung. Auch auf<br />
Wissenschaftlichkeit wird nach wie vor viel<br />
Wert gelegt. Daher beginnt <strong>der</strong> Einstieg in die<br />
Forschung bereits im zweiten Semester. Über<br />
ihr neu gegründetes „Fachzentrum für medizinische<br />
Hochschullehre und evidenzbasierte<br />
Ausbildungsforschung“ wird die Charité den<br />
neuen Modellstudiengang wissenschaftlich<br />
begleiten und ständig verbessern. Das Zentrum<br />
ist benannt nach dem ehemaligen Dekan,<br />
Professor Dieter Scheffler. Der Mediziner<br />
ist geistiger Vater <strong>der</strong> Studienreform. Immer<br />
wie<strong>der</strong> kritisierte er die Theorielastigkeit des<br />
Medizinstudiums.<br />
© Thomas C. Wanger<br />
In kürze<br />
hochSchulE 15<br />
Das kleine ovale Gebäude mit <strong>der</strong> Holzverkleidung<br />
fällt auf. Gleich neben den Studentenwohnheimen,<br />
im Herzen des Campus<br />
Westend <strong>der</strong> Goethe-Universität in Frankfurt<br />
Main, steht das „Haus <strong>der</strong> Stille“. In diesem<br />
Interreligiösen Begegnungszentrum können<br />
Studierende und Lehrkräfte aller Religionen<br />
meditieren, innehalten, abschalten und sich<br />
zurückziehen. Es ist ein leiser Beitrag zur Integration<br />
von Menschen aus 130 Nationen, die<br />
den Campus täglich mit Leben füllen.<br />
Nur zwölf Prozent aller Führungspositionen<br />
in <strong>der</strong> deutschen Forschung sind mit Frauen<br />
besetzt. Das neue Internetportal „Academia<br />
Net“, initiiert von <strong>der</strong> Robert Bosch Stiftung<br />
und „Spektrum <strong>der</strong> Wissenschaft“, soll das<br />
än<strong>der</strong>n. In dem Portal präsentieren sich die<br />
Forscherinnen mit ihren Qualifikationen –<br />
Forschungseinrichtungen können gezielt<br />
nach weiblichen Führungskräften suchen.<br />
Bisher sind rund 500 Profile exzellenter Wissenschaftlerinnen<br />
aller Disziplinen bei Academia<br />
Net verzeichnet. Wer in das hochkarätige<br />
Netzwerk aufgenommen wird, entscheidet ein<br />
wissenschaftlicher Ausschuss. www.academia-net.de<br />
Platznot macht erfin<strong>der</strong>isch. Das beweist die<br />
Universität Kassel, die mit <strong>der</strong>zeit 20 616 Studierenden,<br />
<strong>der</strong> höchsten Zahl ihrer Geschichte,<br />
aus allen Nähten platzt. Die Hochschule<br />
veranstaltet daher kurzerhand zusätzliche<br />
Vorlesungen in zwei Kasseler Kirchen und hat<br />
unter an<strong>der</strong>em den Hörsaal des Klinikums<br />
und Klassenräume an Schulen angemietet.<br />
Außerdem startete die Universität einen<br />
„Rundumbetrieb“ von Montag acht Uhr morgens<br />
bis Freitag 21 Uhr mit einem erweiterten<br />
Angebot an Lehrveranstaltungen.<br />
Das Zentrum für Entwicklungsforschung<br />
(ZEF) <strong>der</strong> Universität Bonn wird neuer Campus<br />
des „Alternativen Nobelpreises“ (Right<br />
Livelihood Award). Weltweit gibt es noch drei<br />
weitere Standorte in Malaysia, Schweden und<br />
Äthiopien. Alle vier Universitäten wollen gemeinsam<br />
die Arbeit <strong>der</strong> Preisträger international<br />
stärken. Zudem soll <strong>der</strong> Austausch zwischen<br />
den Inhabern des Preises und jungen<br />
Wissenschaftlern auf praktische Weise durch<br />
Sommerschulen o<strong>der</strong> Forschungsaufenthalte<br />
im Ausland geför<strong>der</strong>t werden. Der „Alternative<br />
Nobelpreis“ wird seit 1980 jedes Jahr<br />
für herausragendes Engagement im Bereich<br />
Friedens-, Umwelt- und Menschenrechtsarbeit<br />
verliehen. Der neue Campus in Bonn wird vom<br />
<strong>DAAD</strong> geför<strong>der</strong>t. Sabine Wygas
16<br />
© Dawin Meckel/OSTKREUZ<br />
hochSchulE<br />
Studieren geht durch den magen<br />
Mensaköche versorgen ein anspruchsvolles Publikum<br />
Die Mensen an deutschen Hochschulen arbeiten<br />
für Millionen von Kunden: 85 Prozent<br />
aller Studierenden gehen mindestens<br />
einmal wöchentlich in die Mensa. Und wer<br />
heute dort isst, will nicht nur zum günstigen<br />
Preis seinen hungrigen Magen füllen –<br />
Frische, Qualität und guter Service werden<br />
den Studierenden immer wichtiger.<br />
Unsere Gäste sind in den letzten Jahren<br />
anspruchsvoller geworden, aber nicht<br />
unbedingt gesundheitsbewusster“, schmunzelt<br />
Franz-Josef Wehmöller, stellvertreten<strong>der</strong><br />
Küchenleiter <strong>der</strong> Mensa am Aasee in Münster.<br />
Das interne Ranking beweist es: Hähnchenschnitzel<br />
mit Pommes frites ist nach wie vor<br />
das beliebteste Gericht. Doch Auswahl und<br />
Service machen den Unterschied: So gibt es<br />
in <strong>der</strong> Münsteraner Mensa auch eine große<br />
Salatbar, für die Franz-Josef Wehmöller am<br />
Morgen noch selbst Antipasti einlegt. Und Studierende,<br />
die eine Diät einhalten müssen, versorgt<br />
die Mensa auf Wunsch mit einem speziellen<br />
Menü. „Obwohl das Essen natürlich ganz<br />
an<strong>der</strong>s als zu Hause schmeckt, finde ich es sehr<br />
lecker“, sagt <strong>DAAD</strong>-Alumna Yijing Wang aus<br />
China. Die Studentin <strong>der</strong> Betriebswirtschaftslehre<br />
isst auch bei ihrem zweiten Studienaufenthalt<br />
in Münster regelmäßig in <strong>der</strong> Mensa.<br />
Heute steht regionale Küche auf dem Speiseplan:<br />
Den westfälischen Pfefferpotthast, ein<br />
scharfes Schweinegulasch, gibt es für 1,95<br />
Euro – drei Beilagen inklusive. Das Fleisch<br />
für das Traditionsgericht bestellt Franz-Josef<br />
Wehmöller bei Großlieferanten aus <strong>der</strong> Gegend.<br />
„Wir versuchen, auf Nachhaltigkeit zu<br />
achten“, sagt <strong>der</strong> Fachmann, <strong>der</strong> schon seit<br />
14 Jahren in Münster am Kochtopf steht. In<br />
<strong>der</strong> Mensa am Aasee kommt zum Beispiel nur<br />
Reis aus biologischem Anbau auf den Teller.<br />
Persönliche Note<br />
Dass sich ein individuelles Mensa-Konzept<br />
auszahlt, beweist in Heidelberg die Zeughaus-<br />
Mensa im Marstall. Die Einrichtung des Studentenwerks<br />
Heidelberg hat 2010 den Preis<br />
für die beste Mensa im Wettbewerb <strong>der</strong> Studierendenzeitschrift<br />
UNICUM gewonnen. Im<br />
Dreimal gut:<br />
Geschmack, Service, Auswahl<br />
Ranking überzeugte die Zeughaus-Mensa in<br />
den Kategorien Geschmack, Service und Auswahl.<br />
Das 24-köpfige Team um Küchenchef<br />
Dieter Maluschke bekocht seine Gäste mit<br />
einem ständig wechselnden Angebot – einen<br />
festen Speiseplan, <strong>der</strong> sich nach einigen Wochen<br />
wie<strong>der</strong>holt, gibt es nicht. Wichtigster Anhaltspunkt<br />
für das Angebot ist das Feedback<br />
<strong>der</strong> Studierenden. „Wir haben eine Lob-und-<br />
Tadel-Funktion auf <strong>der</strong> Homepage des Studentenwerks“,<br />
erklärt Achim Track, Gastronomie-<br />
Chef des Studentenwerks Heidelberg. „Dort<br />
bekommen wir täglich Rückmeldungen von<br />
unseren Kunden.“<br />
Die persönliche Note versteht sich nicht von<br />
selbst: In <strong>der</strong> Münsteraner Mensa am Aasee<br />
gehen täglich knapp 5000 Essen über die Theke,<br />
bei den Heidelberger Kollegen sind es fast<br />
halb so viele. Nach Umfragen des Deutschen<br />
Studentenwerks (siehe Kasten) sind niedrige<br />
Preise für die Studierenden an deutschen<br />
Hochschulen das zweitwichtigste Kriterium<br />
für den Mensabesuch, gleich nach <strong>der</strong> Nähe<br />
<strong>der</strong> Mensa zum Hörsaal, Seminarraum o<strong>der</strong><br />
<strong>DAAD</strong> Letter 3/10
© Rolf Schultes<br />
Rundum versorgt durch das Studentenwerk<br />
Sie wollen nicht nur satt, son<strong>der</strong>n auch zufrieden machen: 58 Studentenwerke<br />
sorgen an den deutschen Hochschulstandorten dafür, dass<br />
die Rahmenbedingungen für das Studium stimmen. Sie betreiben neben<br />
790 Mensen und Cafeterien unter an<strong>der</strong>em 1000 Studentenwohnheime<br />
und 205 Kin<strong>der</strong>tagesstätten und sind Ansprechpartner für Fragen<br />
zur Studienfinanzierung. Viele Studentenwerke bieten kostenlose<br />
Beratung in allen Lebenslagen – bei Rechtsstreitigkeiten, finanziellen<br />
Engpässen o<strong>der</strong> psychischer Belastung. Die Studentenwerke erhalten<br />
ihre Mittel zum Teil aus den Sozialbeiträgen, die die Studierenden pro<br />
Semester entrichten, sowie aus den Töpfen <strong>der</strong> Bundeslän<strong>der</strong>; 2009<br />
erwirtschafteten sie aber zwei Drittel ihrer Gesamteinnahmen selbst.<br />
Obwohl alle Studentenwerke im Dachverband Deutsches Studentenwerk<br />
zusammengeschlossen sind, hat je<strong>der</strong> Hochschulstandort sozial<br />
und kulturell sein eigenes Gesicht.<br />
Labor. Doch während die Ansprüche <strong>der</strong> Gäste<br />
an Qualität und Atmosphäre steigen, ist die<br />
Bezuschussung <strong>der</strong> Mensen durch die Bundeslän<strong>der</strong><br />
seit 1992 von durchschnittlich 24<br />
Prozent auf elf Prozent gesunken. Die Folge<br />
an vielen Standorten: Die Preise steigen. Der<br />
Spagat zwischen Wirtschaftlichkeit und Qualität<br />
ist für viele Mensen nicht einfach. „Wir<br />
hatten zum Beispiel kurzzeitig ein komplettes<br />
Bio-Gericht im Angebot“, sagt Franz-Josef<br />
Wehmöller. „Das hat sich aber nicht rentiert.“<br />
Meine Mensa<br />
Bei schmackhaftem Essen hört eine gute Mensa<br />
nicht auf – dort fängt sie an. Mit mehreren<br />
Räumen auf verschiedenen Etagen, hellem<br />
Holz und viel Licht punktet die Mensa am<br />
Aasee beim UNICUM-Ranking regelmäßig<br />
durch ihre angenehme Atmosphäre. „In keiner<br />
an<strong>der</strong>en Münsteraner Mensa sitzen die<br />
Gäste durchschnittlich so lange wie hier“, sagt<br />
Franz-Josef Wehmöller.<br />
An <strong>der</strong> Heidelberger Zeughaus-Mensa schätzen<br />
die Studierenden vor allem, dass fast<br />
<strong>DAAD</strong> Letter 3/10<br />
rund um die Uhr für ihr Wohl<br />
gesorgt ist. Bis ein Uhr nachts<br />
ist die Mensa geöffnet, bis 22<br />
Uhr steht warmes Essen bereit.<br />
Im Sommer werfen Dieter<br />
Maluschke und seine Kollegen<br />
den Grill auf <strong>der</strong> Terrasse an.<br />
hochSchulE 17<br />
Viele Angebote für internationale Studierende<br />
Für ausländische Studierende sollte das lokale Studentenwerk einer<br />
<strong>der</strong> ersten Ansprechpartner sein, denn dort gibt es bereits vor <strong>der</strong><br />
Ankunft in Deutschland umfangreiche Unterstützung. Zum Beispiel<br />
durch das Servicepaket: Darin ist immer ein Zimmer im Wohnheim<br />
enthalten, die an<strong>der</strong>en Leistungen variieren je nach Standort. So können<br />
beispielsweise Verpflegung, ein Semesterticket für öffentliche<br />
Verkehrsmittel, Exkursionen und die Vermittlung von Versicherungen<br />
inbegriffen sein. Die Kosten für ein Servicepaket liegen zwischen 158<br />
und 358 Euro pro Monat; es wird meist für ein o<strong>der</strong> zwei Semester zur<br />
Verfügung gestellt.<br />
Mit Kontakt- und Patenprogrammen helfen außerdem viele Studentenwerke<br />
bei <strong>der</strong> Integration im Gastland. Wohnheime haben oft spezielle<br />
Tutoren, die unter an<strong>der</strong>em Begrüßungsveranstaltungen für<br />
internatio nale Studierende organisieren.<br />
Weitere Informationen unter: www.internationale-studierende.de<br />
www.studentenwerke.de<br />
© Robert Kneschke/Zoonar.com<br />
Zum Ausklang des Uni-Tages werden im angeschlossenen<br />
Marstall-Café aktuelle Filme<br />
gezeigt – immer in <strong>der</strong> Originalversion mit<br />
deutschen Untertiteln, damit internationale<br />
Gäste besser folgen können. Darüber hinaus<br />
gibt es oft internationale Abende, an denen<br />
ausländische Studierende ihr Heimatland präsentieren.<br />
Achim Track ist sicher: Die Zeughaus-Mensa<br />
im Marstall funktioniert als Gesamtpaket:<br />
„Das größte Lob ist für mich, wenn<br />
die Studierenden von ‚meinem Zeughaus‘<br />
sprechen und damit die Mensa, das Café und<br />
den begrünten Innenhof meinen.“ Julia Walter<br />
Sustaining Students’ Stomachs<br />
Abstract: The 58 Studentenwerke — student services<br />
organizations — in Germany’s university<br />
towns keep students supplied with the basic<br />
necessities. They operate 1000 residence halls<br />
and 205 nurseries, and provide information on<br />
financial aid for students. Many of the Studentenwerke<br />
also offer free counselling in all kinds<br />
of situations, including legal disputes, financial<br />
difficulties and psychological stress. And they<br />
provide affordable hot meals and snacks: Studentenwerk<br />
cooks in 790 cafeterias feed millions<br />
of meals, and 85 percent of all students eat at<br />
a Studentenwerk cafeteria at least once a week.<br />
Today’s university cafeterias not only offer affordable<br />
meals for hungry students, but also address<br />
students’ growing interest in quality, fresh foods,<br />
and good service. “Our guests have become more<br />
demanding in recent years — but not necessarily<br />
more health-conscious,” says Franz-Josef<br />
Wehmöller, Sous-Chef of the Aasee cafeteria in<br />
Münster. Internal statistics back him up: fried<br />
chicken and chips remains the most popular dish.<br />
www.international-students.de
18<br />
© Maik Schuck/weimar GmbH<br />
ortStErmIn<br />
Drei Städte verstehen sich als Wachstumsmotor<br />
Thüringens und als wissenschaftliche<br />
Impulsgeber in <strong>der</strong> Mitte Deutschlands:<br />
Jena hat sich als herausragen<strong>der</strong><br />
Standort <strong>der</strong> Spitzenforschung etabliert,<br />
Weimars Bauhaus-Universität ist eine <strong>der</strong><br />
ersten Adressen für kreative Berufe und<br />
die Universität Erfurt profiliert sich mit ihrer<br />
geisteswissenschaftlichen Ausrichtung.<br />
Keine 50 Kilometer liegen sie auseinan<strong>der</strong>,<br />
die thüringische Landeshauptstadt Erfurt<br />
im Westen, die Technologiestadt Jena im Osten<br />
und die Kulturstadt Weimar dazwischen. Wer<br />
hier studiert o<strong>der</strong> forscht, findet touristische<br />
Höhepunkte eingebettet in eine alte deutsche<br />
Kulturlandschaft aufs Engste verbunden mit<br />
großen Namen: Die Dichter Johann Wolfgang<br />
von Goethe und Friedrich Schiller, <strong>der</strong> Komponist<br />
Franz Liszt und <strong>der</strong> Reformator Martin<br />
Luther lebten und arbeiteten in <strong>der</strong> Region. So<br />
empfing Luther an <strong>der</strong> Universität Erfurt 1505<br />
seine Magisterwürde, im Erfurter Augustinerkloster<br />
verbrachte er sechs Jahre als Mönch,<br />
im Dom wurde er zum Priester geweiht. All<br />
diese Orte sind heute Teil <strong>der</strong> denkmalgeschützten<br />
Erfurter Altstadt, einer <strong>der</strong> größten<br />
in Deutschland.<br />
Goethe und Schiller<br />
Der stärkste Besuchermagnet ist jedoch Weimar,<br />
wo Goethe und Schiller ihre Spuren hinterließen.<br />
Rund 3,5 Millionen Gäste kommen<br />
jedes Jahr, um die Bauhaus-Architektur sowie<br />
die Orte <strong>der</strong> Weimarer Klassik, inzwischen<br />
UNESCO-Weltkulturerbe, zu sehen: Goethes<br />
Gartenhaus im romantischen Park an <strong>der</strong> Ilm,<br />
seine Privatbibliothek in seinem Stadthaus,<br />
geordnet wie zu seinen Lebzeiten. Nur 150<br />
Meter weiter schrieb Friedrich Schiller in einem<br />
Dachzimmer an dem Drama „Wilhelm<br />
Tell“, Tintenfass und Fe<strong>der</strong> finden sich noch<br />
Dichterfürsten in Weimar: Johann Wolfgang<br />
von Goethe (links) und Friedrich Schiller<br />
Erfurt, Weimar, Jena<br />
dichter und denker<br />
auf dem Schreibtisch. Arm in Arm sind die<br />
Dichter auf dem Weimarer Theaterplatz in<br />
Bronze verewigt. Nur wenige Kilometer weiter<br />
steht ein erschütterndes Zeugnis <strong>der</strong> jüngeren<br />
deutschen Geschichte: Im Konzentrationslager<br />
Buchenwald wird <strong>der</strong> Wahnsinn des deutschen<br />
Nationalsozialismus greifbar.<br />
Erfurt, Weimar und Jena haben sich in den<br />
letzten Jahren zu einer einmaligen Wissenschaftslandschaft<br />
entwickelt: Mehr als 40.000<br />
junge Leute studieren an <strong>der</strong> Friedrich-Schiller-Universität<br />
Jena, <strong>der</strong> Universität Erfurt<br />
und <strong>der</strong> Bauhaus-Universität Weimar sowie<br />
an zwei Fachhochschulen und <strong>der</strong> Musikhochschule<br />
Franz Liszt in Weimar. Auf zwölf<br />
Einwohner kommt ein Studieren<strong>der</strong> – deutlich<br />
mehr als im Schnitt an an<strong>der</strong>en Uni-Orten.<br />
In <strong>der</strong> alten Kunstschule Weimars, wo Walter<br />
Gropius 1919 das Staatliche Bauhaus gründete,<br />
befindet sich heute die Fakultät für Architektur<br />
<strong>der</strong> Bauhaus-Universität. Die Architektenausbildung<br />
steht in dem Ruf, eine <strong>der</strong> besten<br />
und innovativsten in Deutschland zu sein.<br />
Darüber hinaus hat sich die Universität ein<br />
einmaliges Profil mit ingenieurwissenschaftlichen<br />
und kreativen Fächern geschaffen, das<br />
viele Studierende aus dem In- und Ausland<br />
nach Weimar zieht.<br />
Die Universität Erfurt konzentriert sich auf<br />
geisteswissenschaftliche Forschung und Ausbildung.<br />
Erfurt ist einer <strong>der</strong> ältesten Universitätsstandorte<br />
Deutschlands, die erste Universität<br />
wurde 1392 gegründet und 1816 geschlossen.<br />
Die Neugründung 1994 nutzte man, um<br />
die Kräfte zu bündeln: Für die Schwerpunkte<br />
Erziehungswissenschaften und Religion ist<br />
die Universität weit über die thüringischen<br />
Landesgrenzen hinaus bekannt, die Interdisziplinarität<br />
<strong>der</strong> Religionsforschung ist<br />
deutschlandweit einmalig – an <strong>der</strong> vom thüringischen<br />
Exzellenz-Programm geför<strong>der</strong>ten<br />
Graduiertenschule „Religion in Mo<strong>der</strong>nisierungsprozessen“<br />
promovieren Studierende<br />
aller Fakultäten.<br />
Wie stark die Region auf Wissenschaft setzt,<br />
wird eindrucksvoll in Jena sichtbar. Seit <strong>der</strong><br />
Wie<strong>der</strong>vereinigung und dem Ende <strong>der</strong> DDR-<br />
Industrie entwickelt sich die Stadt zu einem<br />
Zentrum <strong>der</strong> Spitzenforschung. Über 3000<br />
Wissenschaftler sind auf dem Beutenberg-<br />
Campus tätig, einem Musterbeispiel für die<br />
Verzahnung von Wissenschaft und Wirtschaft,<br />
© dpa<br />
vor allem in <strong>der</strong> Biologie, Chemie und Physik.<br />
Zehn hochkarätige Forschungsinstitute haben<br />
sich hier angesiedelt, darunter zwei Max-<br />
Planck-Institute, ein Fraunhofer-Institut und<br />
zwei Leibniz-Institute. In zwei Grün<strong>der</strong>zentren<br />
sind mehr als 50 Firmen entstanden.<br />
Optik und Photonik<br />
Der Beutenberg-Campus wird gerne als<br />
Herzstück des „Optical Valley“ an <strong>der</strong> Saale<br />
bezeichnet, weil sich gleich mehrere Forschungsinstitute<br />
mit Optik und Photonik beschäftigen,<br />
etwa das Fraunhofer-Institut für<br />
angewandte Optik und Feinmechanik o<strong>der</strong><br />
das Institut für Photonische Technologien.<br />
Jena ist als Traditionsstandort für die optische<br />
Industrie bekannt. Im 19. Jahrhun<strong>der</strong>t gründete<br />
Carl Zeiss hier eine Firma von Weltruf.<br />
Heute sind die Konzerne Zeiss, Jenoptik und<br />
Schott wichtige Arbeitgeber sowie rund 100<br />
weitere Unternehmen <strong>der</strong> optischen Industrie.<br />
Knapp ein Viertel <strong>der</strong> Unternehmen gab 2009<br />
in einer Umfrage an, mit ihrem Hauptprodukt<br />
Technologieführer zu sein. Das liegt auch an<br />
<strong>der</strong> engen Zusammenarbeit mit <strong>der</strong> Wissenschaft,<br />
die bereits Carl Zeiss betrieb. Sogar<br />
Jenas touristische Seite ist von <strong>der</strong> Industrietradition<br />
geprägt: Das Optische Museum zeigt<br />
Instrumente vom Mittelalter bis heute, und<br />
das 1926 eröffnete Zeiss-Planetarium ist das<br />
älteste betriebene Planetarium <strong>der</strong> Welt.<br />
<strong>DAAD</strong> Letter 3/10
Auch die Friedrich-Schiller-Universität Jena<br />
(FSU) hat einen von fünf Forschungsschwerpunkten<br />
auf Optik und Photonik gelegt. 2008<br />
wurde an <strong>der</strong> FSU die „Abbe School of Photonics“<br />
gegründet, um die Graduiertenausbildung<br />
weiter zu professionalisieren und zu<br />
internationalisieren. Mit <strong>der</strong> Abbe School will<br />
sich die Universität zum „führenden Optik-<br />
Zentrum in Europa entwickeln“, sagt Koordinator<br />
Falk Le<strong>der</strong>er. Die Masterausbildung wird<br />
auch auf Englisch angeboten. Ausländische<br />
Studierende können sich auf attraktive Stipendien<br />
bewerben – im ersten Jahrgang waren 26<br />
Nationen vertreten.<br />
In <strong>der</strong> neuen Runde <strong>der</strong> bundesweiten Exzellenzinitiative,<br />
eines von <strong>der</strong> Regierung und<br />
den Bundeslän<strong>der</strong>n getragenen Wettbewerbs<br />
<strong>der</strong> Hochschulen, bewirbt sich die FSU Jena<br />
um den Titel Elite-Universität. An <strong>der</strong> Universität<br />
Erfurt hofft man in demselben Wettbewerb<br />
mit einer Graduiertenschule zum Thema<br />
„Religion and the Individual“ überzeugen<br />
zu können, um den Religionsschwerpunkt<br />
auszubauen und international sichtbarer zu<br />
machen.<br />
Für ausländische Studierende wird die Region<br />
immer interessanter. Ihre Zahl an thüringischen<br />
Hochschulen hat sich in <strong>der</strong> letzten<br />
Dekade mit 3749 jungen Menschen aus 127<br />
Län<strong>der</strong>n mehr als verdoppelt. Das thüringische<br />
Bildungsministerium will diesen Trend<br />
<strong>DAAD</strong> Letter 3/10<br />
Staunen und lernen: Das Optische Museum<br />
in Jena präsentiert Miniatur-Himmelskuppel<br />
und zeigt optische Instrumente aus fünf<br />
Jahrhun<strong>der</strong>ten<br />
för<strong>der</strong>n. Thomas Deufel, Staatssekretär für<br />
Bildung, Wissenschaft und Kultur, betont, wie<br />
wichtig die ausländischen Master-Studierenden,<br />
Doktoranden und Forscher für das Wissenschaftsland<br />
Thüringen seien. Die landeseigenen<br />
Hochschulen lobt er als „Motor und<br />
Impulsgeber <strong>der</strong> Internationalisierung“.<br />
Mirco Lomoth<br />
Adressen online<br />
Friedrich-Schiller-Universität Jena<br />
www.uni-jena.de<br />
Universität Erfurt<br />
www.uni-erfurt.de<br />
Bauhaus-Universität Weimar<br />
www.uni-weimar.de<br />
Hochschule für Musik Franz Liszt Weimar<br />
www.hfm-weimar.de<br />
Beutenberg-Campus<br />
www.beutenberg.de<br />
Fraunhofer-Institut für angewandte<br />
Optik und Feinmechanik<br />
www.iof.fraunhofer.de<br />
Abbe School of Photonics<br />
www.asp.uni-jena.de<br />
Institut für Photonische Technologien<br />
www.ipht-jena.de<br />
Jena School of Microbial Communication<br />
www.jsmc.uni-jena.de<br />
Klassik Stiftung Weimar<br />
www.klassik-stiftung.de<br />
Optisches Museum<br />
www.optischesmuseum.de<br />
2011 ist Liszt-Jahr in Thüringen:<br />
www.liszt-2011.de<br />
Ein Gefühl von zu Hause<br />
ortStErmIn<br />
Steinernes Wahrzeichen aus dem<br />
14. Jahrhun<strong>der</strong>t: Krämerbrücke in Erfurt<br />
In Erfurt werden Bürgerinnen und Bürger<br />
Paten von ausländischen Studierenden. Für<br />
diese Initiative zeichnete das Auswärtige<br />
Amt die Universität, die Fachhochschule<br />
und die Stadt Erfurt 2010 mit dem „Preis<br />
für exzellente Betreuung ausländischer Studieren<strong>der</strong><br />
an deutschen Hochschulen“ aus.<br />
Die Paten vermitteln Alltag und Kultur in<br />
Deutschland, ob bei Ausflügen, Museumsbesuchen<br />
o<strong>der</strong> Konzerten, beim gemeinsamen<br />
Essen o<strong>der</strong> Kochen. 2002 startete die<br />
Initiative, inzwischen sind über 900 Verbindungen<br />
entstanden. Die gute Idee geht auf:<br />
Aus Fremden werden Freunde.<br />
land of poets and philosophers<br />
Abstact: The state capital Erfurt in the Western<br />
part of Thuringia is less than fifty kilometres<br />
from the tech town of Jena in the East. Weimar,<br />
the centre of German Classicism, lies between<br />
them. Students and scientists who come here<br />
discover a landscape of German cultural history<br />
studded with points of interest. These three cities<br />
are consi<strong>der</strong>ed the driving force of Thuringia’s<br />
economic growth, and as stimulating scientific<br />
centres in the heart of Germany. Jena has<br />
become established as an outstanding centre<br />
of cutting-edge research. The Beutenberg Campus,<br />
where 3000 scientists in several research<br />
institutes explore new directions in optics and<br />
photonics, is the centrepiece of Jena’s “Optical<br />
Valley.” Weimar’s Bauhaus University is among<br />
the top addresses for creative professions,<br />
while the University of Erfurt claims distinction<br />
through its emphasis on the humanities.<br />
© TerraVista/LOOK-foto<br />
19
20 WISSEnSchaft<br />
Siegeszug<br />
des lichts<br />
Laserforschung in Deutschland<br />
Vor 50 Jahren leuchtete zum ersten Mal<br />
ein Laser in einem US-Laboratorium.<br />
Seither hat diese Form des Lichts einen<br />
unvergleichlichen Siegeszug erlebt: Laser<br />
schweißen Autos zusammen, verbessern<br />
die Sehschärfe und tasten CDs ebenso wie<br />
den Himmel ab. Doch das scheint erst <strong>der</strong><br />
Anfang zu sein.<br />
In <strong>der</strong> Nacht vom 13. auf den 14. April 2010<br />
maßen Seismologen ein Erdbeben <strong>der</strong> Stärke<br />
2,5 am südisländischen Gletscher Eyjafjallajökull.<br />
Am folgenden Morgen brach in dem Vulkan<br />
unter dem Gletscher eine zwei Kilometer<br />
lange Spalte auf. Dunkle Aschewolken stiegen<br />
mehrere Tausend Meter hoch und bewegten<br />
sich nach Osten auf das europäische Festland<br />
zu. Dort legten sie in den folgenden Wochen<br />
mehrmals den kompletten Flugverkehr lahm.<br />
Für die Wissenschaft war <strong>der</strong> Vulkanausbruch<br />
eine einmalige Chance: EARLINET, das<br />
europäische LIDAR-Netzwerk, konnte die Entwicklung<br />
<strong>der</strong> Wolke an 22 permanenten und<br />
drei temporären Stationen in zwölf Län<strong>der</strong>n<br />
detailliert verfolgen. LIDAR steht für „Light<br />
detection and ranging“ und ist eine Methode<br />
zur optischen Fernmessung atmosphärischer<br />
Parameter. Statt Funkwellen wie bei einem<br />
Radar verwenden die Forscher Laserstrahlen,<br />
um die Konzentration von Aerosolpartikeln –<br />
Schwebeteilchen wie Asche, Staub o<strong>der</strong> Pollen<br />
– in <strong>der</strong> Troposphäre zu messen.<br />
Das Leibniz-Institut für Troposphärenforschung<br />
(IfT) in Leipzig ist so ein LIDAR-Standort.<br />
Die dortigen Wissenschaftler richteten<br />
ihre Laser auf den Himmel über ihrer Stadt<br />
und machten eine Woche lang Aschepartikel<br />
in einer Höhe von bis zu zehn Kilometern aus.<br />
„Da wir über die weltbesten Fernerkundungsgeräte<br />
verfügen, haben wir einen exzellenten<br />
Überblick über das Verhalten <strong>der</strong> Aschewolke<br />
erhalten“, sagt Albert Ansmann, Leiter <strong>der</strong> IfT-<br />
Gruppe „Optische Fernmessungen“.<br />
Die IfT-Forscher wollten auch herausfinden,<br />
ob Vulkanpartikel die Wolkenbildung beeinflussen.<br />
Mit ihrem LIDAR-System schickten<br />
sie Laserpulse in die Troposphäre und maßen<br />
ihre Rückstrahlung. Eine Software analysierte<br />
das Farbspektrum und weitere Streueigenschaften.<br />
Die Instrumente erfassten nach dem<br />
Vulkanausbruch eine für den Frühling völlig<br />
untypische Wolkenentwicklung: Eisbildung<br />
setzte schon bei -8 bis -13°C ein, und nicht<br />
erst bei unter -20°C. Damit sei bewiesen, dass<br />
Vulkanasche Auswirkung auf die Atmosphäre<br />
habe, so Ansmann.<br />
Ausgezeichnete Präzision<br />
Solche Messungen wären ohne Laser in dieser<br />
Präzision nicht möglich. Laserstrahlen<br />
haben in den vergangenen Jahrzehnten die<br />
Forschung revolutioniert – und Deutschland<br />
gehörte schon immer zu den Vorreitern. 2005<br />
ging <strong>der</strong> Physiknobelpreis an den deutschen<br />
Laserforscher Theodor W. Hänsch, Direktor<br />
des Max-Planck-Instituts für Quantenoptik in<br />
Garching bei München. Der <strong>DAAD</strong>-Alumnus,<br />
<strong>der</strong> seit den 1960er Jahren zur Laserspektroskopie<br />
forscht, teilte sich den Preis mit zwei<br />
amerikanischen Kollegen. Gemeinsam entwickelten<br />
sie eine Technik, mit <strong>der</strong> sich Frequenzen<br />
von Licht mit bisher unerreichter Genauigkeit<br />
messen lassen. Je nach Farbe schwingt<br />
Licht mehrere Milliarden Mal pro Sekunde -<br />
viel zu schnell, um dies mit herkömmlichen<br />
Methoden zu zählen. Selbst Atomuhren arbeiten<br />
mit nur zehn Milliarden Schwingungen<br />
pro Sekunde. Hänschs Technik ist eine Art<br />
optisches Getriebe, das die zu messende Frequenz<br />
in eine niedrigere übersetzt. Die kann<br />
dann gemessen werden, und Physiker leiten<br />
daraus die ursprüngliche Frequenz ab.<br />
Mit <strong>der</strong> Frequenzkammtechnik kann man<br />
hochpräzise „Stoppuhren“ entwickeln. Damit<br />
lässt sich beispielsweise prüfen, ob sich<br />
Naturkonstanten mit <strong>der</strong> Zeit än<strong>der</strong>n können.<br />
Die Frequenztechnik erleichtert sogar<br />
die Suche nach Planeten außerhalb unseres<br />
Sonnensystems. Astronomen entdecken sie<br />
meist indirekt durch Schwankungen, die ihre<br />
Gravitation bei ihrem Zentralstern verursacht.<br />
Präzisere Instrumente auf <strong>der</strong> Grundlage von<br />
Lasertechnik können solche Schwankungen<br />
besser erfassen.<br />
Hänsch und seine Kollegen haben eine Technologie<br />
weiterentwickelt, <strong>der</strong>en Grundlagen<br />
auf einen an<strong>der</strong>en deutschen Physiker zurückgehen:<br />
Albert Einstein. Der weltberühmte Wissenschaftler<br />
vermutete früh, dass Licht aus<br />
einzelnen „Energiepaketen“ besteht – heute<br />
nennt man sie Photonen. Einstein hatte eine<br />
Theorie: Beschießt man Atome mit solchen<br />
Lichtteilchen, werden die Atome „angeregt“.<br />
Beschießt man sie in diesem Zustand erneut,<br />
gibt das Atom zwei Photonen in gleicher Richtung<br />
ab. Auf diese Weise lässt sich Licht verstärken.<br />
Damit hatte <strong>der</strong> Physiker das Grundprinzip<br />
eines Lasers entdeckt: die sogenannte<br />
stimulierte Emission.<br />
<strong>DAAD</strong> Letter 3/10
1960 gelang es dem US-Physiker Theodore<br />
Maiman, Einsteins Theorie erstmals umzusetzen.<br />
Er nutzte das Mineral Rubin in Kombination<br />
mit einer Blitzlampe. Mit Hilfe von Spiegeln<br />
lenkte Maimann den Lichtstrahl immer<br />
wie<strong>der</strong> durch den Rubinkristall. Damit regte<br />
er immer mehr Atome an, die helle rote Lichtteilchen<br />
aussendeten. Die Lichtteilchen animierten<br />
an<strong>der</strong>e Atome, weitere Lichtteilchen<br />
auszusenden. Das Ergebnis war ein intensiver,<br />
bisher nie gesehener Lichtstrahl. Der Name<br />
dieser Technik: „Light Amplification by Stimulated<br />
Emission of Radiation“, o<strong>der</strong> kurz: Laser.<br />
Laserlicht im Auto<br />
Bis heute arbeiten deutsche Wissenschaftler<br />
intensiv an <strong>der</strong> Verfeinerung <strong>der</strong> Lasertechnik.<br />
Ihren Innovationen ist es zu verdanken, dass<br />
die deutsche Laserindustrie einen Anteil von<br />
30 Prozent am Weltmarkt hat. In Deutschland<br />
gilt <strong>der</strong> Laser als eine Schlüsseltechnologie,<br />
die die Bundesregierung beson<strong>der</strong>s för<strong>der</strong>t.<br />
Größter Anwen<strong>der</strong> ist die Automobilindustrie,<br />
gefolgt von <strong>der</strong> Medizin. Um auf dem Weltmarkt<br />
auch künftig zu bestehen, müssen Laser<br />
noch schneller, kräftiger und präziser sein.<br />
An <strong>der</strong> Universität Hamburg ist man deshalb<br />
auf Rekordjagd. Professor Günter Huber,<br />
Leiter <strong>der</strong> Gruppe „Festkörperlaser“ am Institut<br />
für Laserphysik, entwickelt <strong>der</strong>zeit Laser,<br />
die auf Kristallen des chemischen Elements<br />
<strong>DAAD</strong> Letter 3/10<br />
© Thorsten Naeser/MPQ<br />
Leistungsstark: Lasertechnologie am<br />
Max-Planck-Institut für Quantenoptik<br />
Ytterbium basieren. Die bei 2500 Grad hergestellten<br />
Kristalle ermöglichen Leistungen und<br />
Effizienzen, die bisher nirgendwo erreicht<br />
wurden. „Unsere Ytterbium-Scheibenlaser<br />
halten den Weltrekord“, sagt Huber. „Mit ihnen<br />
lässt sich so gut wie alles wirkungsvoll<br />
bearbeiten.“<br />
Hubers Team arbeitet auch an <strong>der</strong> Verbesserung<br />
von sichtbaren Lasern: Hierzu werden an<br />
seinem Institut Laser auf <strong>der</strong> Grundlage des<br />
chemischen Elements Praseodym getestet. Bei<br />
Beamern können die neuen Laser ein breiteres<br />
Farbspektrum abbilden als bisherige Techniken<br />
wie LED o<strong>der</strong> LCD. Durch Frequenzverdopplung<br />
lassen sich damit ultraviolette Strahlen<br />
erzeugen. Der Vorteil: Diese Laser sind nur<br />
zehn bis 20 Zentimeter groß und ermöglichen<br />
viel kleinere UV-Geräte, als bisher auf dem<br />
Markt erhältlich.<br />
Die Lasertechnik, die in den Hamburger<br />
Laboren entwickelt wird, ist für Head-Up-Displays<br />
interessant – ein Anzeigesystem, das in<br />
die Windschutzscheibe von Autos Informationen<br />
projiziert. In Kampfflugzeugen existieren<br />
solche Systeme schon lange, die Automobilhersteller<br />
haben sie seit einigen Jahren für sich<br />
entdeckt. Autofahrer sehen dann die Fahrzeuggeschwindigkeit,<br />
Motordrehzahl o<strong>der</strong><br />
Abbiegehinweise des Navigationssystems direkt<br />
vor sich auf <strong>der</strong> Scheibe und müssen den<br />
Kopf nicht von <strong>der</strong> Fahrtrichtung abwenden.<br />
WISSEnSchaft<br />
Bisherige Head-Up-Displays nutzen LED-Licht.<br />
Würde künftig Laserlicht zum Einsatz kommen,<br />
wäre es <strong>der</strong> Technologienation Deutschland<br />
gelungen, zwei ihrer führenden Technologien<br />
zu verschmelzen: Deutschland, das<br />
Auto-Laser-Land. Boris Hänßler<br />
laser research in germany<br />
Abstract: When the cloud of ash from the<br />
Icelandic volcano passed over Europe in<br />
April, 2010, scientists at the Leibniz Institute<br />
for Tropospheric Research (IfT) in Leipzig<br />
studied it using state-of-the-art LIDAR instruments.<br />
Top-flight research in laser technology<br />
is performed at other institutions in Germany,<br />
too. In 2005, Theodor W. Hänsch shared the<br />
Nobel Prize in physics with two Americans.<br />
Hänsch is a pioneer in laser spectroscopy<br />
and Director of the Max Planck Institute for<br />
Quantum Optics in Garching near Munich.<br />
At the University of Hamburg’s Institute for<br />
Laser Physics, a new type of visible-light laser<br />
is currently being developed which is of particular<br />
interest to the automotive industry.<br />
21<br />
Wegweisend: Laserlicht<br />
auf <strong>der</strong> Windschutzscheibe<br />
© BMW AG
22 trEndS<br />
© dpa<br />
20 Jahre nach <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>vereinigung sind<br />
die Konturen <strong>der</strong> beiden deutschen Staaten<br />
verblasst. Trotzdem sind Ost und West<br />
noch immer ein Thema. Im Jubiläumsjahr<br />
stellte sich den Deutschen vor allem die<br />
Frage nach <strong>der</strong> inneren Einigung.<br />
Die Wende habe ich als Befreiung erlebt“,<br />
erzählt Anett Quint. Die heute 40 Jahre<br />
alte Pädagogin aus Bad Muskau an <strong>der</strong><br />
Grenze zu Polen hat ihr halbes Leben in <strong>der</strong><br />
Deutschen Demokratischen Republik (DDR)<br />
und die an<strong>der</strong>e Hälfte in <strong>der</strong> vereinigten Bundesrepublik<br />
(BRD) verbracht. „Ich hatte ein<br />
DDR-typisches Leben, stand mit 19 Jahren<br />
kurz vor meiner Hochzeit und wäre mit einem<br />
sogenannten Ehekredit in einer zugewiesenen<br />
Wohnung gelandet.“ Das Hochzeitskleid war<br />
schon gekauft, als die Mauer fiel. Den Freund<br />
zog es sofort in den Westen. Anett Quint aber<br />
wollte an <strong>der</strong> Lausitzer Neiße bleiben. „Damit<br />
flogen alle Hochzeits- und Wohnungspläne<br />
auseinan<strong>der</strong>. Die Zeit stellte sich auf null, und<br />
ich fing neu an.“<br />
Biografien im westlichen Teil Deutschlands<br />
än<strong>der</strong>ten sich selten. Die Vereinigung <strong>der</strong><br />
ohne mauer<br />
Wie einig sind die Deutschen?<br />
Berliner Markgrafenstraße: Wo einst die Mauer stand, pulsiert heute das Leben<br />
beiden Staaten bedeutete in erster Linie die<br />
Umstellung für ehemalige DDR-Bürger und<br />
ein strukturelles Aufholen von Ost gegenüber<br />
West. Was zur Zeit <strong>der</strong> Wende noch augenfällig<br />
war – in den neuen Bundeslän<strong>der</strong>n zerfielen<br />
die Häuser, die Straßen hatten Schlaglöcher,<br />
die Luft war durch die Verbrennung von<br />
Braunkohle belastet, viele Leute fuhren Autos<br />
<strong>der</strong> Marke Trabant –, ist 20 Jahre später<br />
nicht mehr erkennbar. Die einstigen Umrisse<br />
<strong>der</strong> DDR sind verblasst. Eine seit 25 Jahren<br />
regelmäßig erhobene Milieustudie, die in ganz<br />
Deutschland Lebensräume auch für das Konsumverhalten<br />
untersucht, hat die Ost-West-<br />
Einteilung aufgegeben. Aktuelle Bestandsaufnahmen<br />
stellen fest, dass die Wirtschaftskraft<br />
in den neuen Bundeslän<strong>der</strong>n enorm zugelegt<br />
hat, auch wenn sie im Vergleich noch 30 Prozent<br />
unter <strong>der</strong> liegt, die in den alten Bundeslän<strong>der</strong>n<br />
erreicht wird.<br />
„Die Konturen <strong>der</strong> DDR tauchen aber in<br />
Landkarten über Arbeitslosigkeit o<strong>der</strong> durchschnittliche<br />
Löhne wie<strong>der</strong> auf“, sagt Elmar<br />
Brähler. Der Leiter <strong>der</strong> Abteilung für Medizinische<br />
Psychologie und Medizinische Soziologie<br />
an <strong>der</strong> Universität Leipzig stellte gemeinsam<br />
mit <strong>der</strong> Berliner Politologin Irina Mohr eine<br />
Forschergruppe zusammen, die stärker nach<br />
<strong>der</strong> „inneren“ Vereinigung fragte. Gibt es noch<br />
Unterschiede in Gewohnheiten, in den Werten<br />
o<strong>der</strong> im Befinden?<br />
Händeschütteln versus Wangenkuss<br />
Unter dem Titel „Facetten einer geteilten Wirklichkeit“<br />
erschienen jüngst die Ergebnisse. So<br />
ist zum Beispiel das Händeschütteln zur Begrüßung<br />
im Osten weiter verbreitet als im Westen,<br />
wo sich die Menschen eher das Küssen auf die<br />
Wangen angewöhnt haben. Unterschiedliche<br />
Gewohnheiten lassen sich auch im Fernsehkonsum<br />
feststellen. Im Westen bevorzugt man<br />
an<strong>der</strong>e Kanäle als im Osten. Auf an<strong>der</strong>e Werte<br />
weist hin, dass im Osten mehr uneheliche Kin<strong>der</strong><br />
geboren werden. „Tiefliegend unterschiedlich<br />
ist die Bewertung <strong>der</strong> Arbeit <strong>der</strong> Frauen“,<br />
sagt <strong>der</strong> medizinische Psychologe. Während<br />
sich arbeitende Frauen in den alten Bundeslän<strong>der</strong>n<br />
oft dem Vorwurf <strong>der</strong> „Rabenmutter“<br />
ausgesetzt sehen, das heißt als Mütter gelten,<br />
die sich angeblich nicht ausreichend um ihre<br />
Kin<strong>der</strong> kümmern, ist das Bild <strong>der</strong> berufstätigen<br />
Frau in den neuen Bundeslän<strong>der</strong>n für<br />
<strong>DAAD</strong> Letter 3/10
Männer und Frauen selbstverständlich. Für<br />
Unruhe sorgt die Tatsache, dass die Menschen<br />
im Osten des Landes durchschnittlich immer<br />
noch weniger verdienen als westdeutsche Kolleginnen<br />
und Kollegen. „Das wird zunehmend<br />
als entwertend erlebt“, meint Elmar Brähler.<br />
Wenn die wirtschaftlichen Differenzen zu<br />
groß blieben und die Einkommensschere weiter<br />
auseinan<strong>der</strong>gehe, könne das langfristig<br />
die Unterscheidungen zwischen Ost und West<br />
zementieren.<br />
„Ostdeutsch“ als eine eigene Identität ist erst<br />
nach <strong>der</strong> Wende entstanden. Nur 24 Prozent<br />
<strong>der</strong> Menschen in den neuen Bundeslän<strong>der</strong>n<br />
fühlen sich nach neuesten Umfragen als „richtige“<br />
Bundesbürger. „Die Sehnsucht nach verflossener<br />
Jugendzeit, nach einer Lebenszeit,<br />
in <strong>der</strong> man ganz an<strong>der</strong>e Erfahrungen gemacht<br />
hat, führt in eine Erinnerungsgemeinschaft“,<br />
sagt Brähler. Das gilt vor allem für Menschen,<br />
die heute 60 Jahre alt sind und älter. „Meine<br />
Mutter hatte nach <strong>der</strong> Wende das Gefühl, ihr<br />
ganzes Leben sei unter den falschen Vorzeichen<br />
gelaufen“, erzählt Anett Quint. Der Großvater<br />
habe bis zu seinem Tod damit zu tun<br />
gehabt, sein Leben in <strong>der</strong> DDR immer wie<strong>der</strong><br />
Im Osten noch üblich:<br />
Begrüßung mit Händedruck<br />
<strong>DAAD</strong> Letter 3/10<br />
© iStock<br />
© iStock<br />
zu hinterfragen und zu durchdenken. „Solche<br />
Erfahrungen werden weitergegeben und gehen<br />
auf die nächste Generation über“, betont<br />
<strong>der</strong> medizinische Psychologe Brähler. Das<br />
könnte erklären, warum sich auch unter den<br />
18- bis 24-jährigen Ostdeutschen, die bereits<br />
im vereinten Deutschland aufwuchsen, nur 40<br />
Prozent als Bundesbürger betrachten.<br />
Ein Land mit vielen Regionen<br />
„Ich habe in Polen gelernt zu sagen, dass ich<br />
Deutsche bin“, sagt Anett Quint und meinte<br />
damit das vereinte Deutschland. Seit Ende<br />
1990 engagiert sie sich für den deutsch-polnischen<br />
Jugendaustausch. Der Umweg über<br />
den unmittelbaren Nachbarn habe ihr Selbstvertrauen<br />
im Umgang mit <strong>der</strong> eigenen nationalen<br />
Herkunft geschenkt. Heute fühlt sie<br />
sich in erster Linie in ihrer Region zu Hause,<br />
<strong>der</strong> Oberlausitz. Diese Einstellung teilt sie<br />
mit 59 Prozent <strong>der</strong> Menschen in den neuen<br />
Bundeslän<strong>der</strong>n, die sich we<strong>der</strong> als „ost-“ noch<br />
als „gesamtdeutsch“ betrachten. „Aus polnischer<br />
Sicht nimmt man Deutschland ohnehin<br />
als Land mit vielen Regionen und Sprachen<br />
wahr“, erzählt die Pädagogin aus Gesprächen<br />
mit polnischen Kollegen. „Man betrachtet die<br />
Leute eher als Bayern o<strong>der</strong> Sachsen.“<br />
Auch aus nie<strong>der</strong>ländischer Perspektive ist<br />
die innere Vereinigung Deutschlands kein<br />
vorrangiges Thema. „Vor 20 Jahren war das<br />
noch an<strong>der</strong>s“, sagt Friso Wielenga, Direktor<br />
des Zentrums für Nie<strong>der</strong>lande-Studien<br />
an <strong>der</strong> Westfälischen Wilhelms-Universität<br />
Münster und <strong>DAAD</strong>-Alumnus. „Die Nie<strong>der</strong>län<strong>der</strong><br />
hatten viel Sympathie für den kleineren<br />
Staat und waren <strong>der</strong> Meinung, die große<br />
trEndS<br />
Ausgemustert: das DDR Auto „Trabant“<br />
alte Bundesrepublik habe die kleine DDR im<br />
Osten zu sehr geschluckt.“ Bei manchen rief<br />
die Wie<strong>der</strong>vereinigung Skepsis hervor, und in<br />
den frühen 1990er Jahren reagierten viele Nie<strong>der</strong>län<strong>der</strong><br />
empfindlich auf politische Entwicklungen<br />
in <strong>der</strong> nun größeren Bundesrepublik.<br />
Das legte sich Mitte <strong>der</strong> 1990er Jahre, meint<br />
Wielenga, als politisch dagegengesteuert und<br />
die Begegnung zwischen den Län<strong>der</strong>n intensiviert<br />
wurde. „Es hat eine starke Versachlichung<br />
stattgefunden, und die deutsch-nie<strong>der</strong>ländischen<br />
Beziehungen sind heute ganz<br />
unproblematisch.“<br />
Anett Quint wünscht sich noch mehr innerdeutsche<br />
Begegnung: „Es ist schade, wenn die<br />
Generationen wenig voneinan<strong>der</strong> wissen.“<br />
Noch immer gibt es Missverständnisse und<br />
Vorurteile zwischen „Wessis“ und „Ossis“, die<br />
sich gerne gegenseitig eine „Mauer im Kopf“<br />
vorwerfen. Es würde viel helfen, meint die<br />
Pädagogin, wenn man sich häufiger seine unterschiedlichen<br />
Lebensgeschichten erzählen<br />
würde. Denn seit sie selbst Kin<strong>der</strong> hat, fällt ihr<br />
doch auf, dass sie in einem ganz an<strong>der</strong>en Staat<br />
groß geworden und davon geprägt ist. Elektrisches<br />
Licht zu sparen hat sie ihnen von klein<br />
auf automatisch beigebracht. „In <strong>der</strong> DDR wurde<br />
uns wegen <strong>der</strong> Ressourcenknappheit eingetrichtert,<br />
das Licht zu löschen, wenn wir den<br />
Raum verlassen“, erklärt sie. Ihre Prägung<br />
ist heute ein Vorteil, wenn argumentiert wird:<br />
Energie sparen, um das Klima zu schonen. „In<br />
an<strong>der</strong>en Facetten ist diese Prägung so unterschiedlich,<br />
dass sie einfach Irritation auslöst.“<br />
Wer sich dann nicht darüber verständige, renne<br />
auseinan<strong>der</strong> und verschleppe einmal mehr<br />
die alten Geschichten. Bettina Mittelstraß<br />
23
24 Europa<br />
Die Ingenieurausbildung in Sibirien kann<br />
sich sehen lassen: Hochspezialisierte<br />
Fachkräfte verlassen die Hochschulen, wie<br />
zum Beispiel Absolventen des Studiengangs<br />
Öl- und Gasbohrung in Irkutsk. Ihre potenziellen<br />
Arbeitgeber, internationale Firmen, erwarten<br />
jedoch etwas mehr, zum Beispiel gute englische<br />
o<strong>der</strong> deutsche Sprachkenntnisse. Doch<br />
da hapert es an den Universitäten. „Sibirische<br />
Fachdozenten lesen traditionell im Seminar<br />
ein Skript ab, ohne Blickkontakt zu ihren Studenten;<br />
im Sprachunterricht wird oft von <strong>der</strong><br />
Fremdsprache ins Russische übersetzt, ohne<br />
kommunikative Praxis“, sagt Klaus Schwienhorst<br />
vom Fachsprachenzentrum <strong>der</strong> Leibniz<br />
Universität Hannover. Keine Spur von mo<strong>der</strong>nem<br />
Fach- o<strong>der</strong> Fremdsprachenunterricht und<br />
höchste Zeit für einen Wandel.<br />
Der kam im Jahr 2008 mit dem Tempus-<br />
Projekt „Updating the language policy of Siberian<br />
technical universities“. Seit 20 Jahren<br />
verfolgt die Europäische Kommission mit dem<br />
Tempus-Programm das Ziel, die Hochschulbildung<br />
in Nachbar- und Partnerlän<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Europäischen<br />
Union zu mo<strong>der</strong>nisieren. Tempus<br />
steht für „Trans-European Mobility Scheme for<br />
University Studies“, denn ursprünglich startete<br />
das Programm als Mobilitätsför<strong>der</strong>ung.<br />
Heute steht die Hochschulentwicklung im<br />
Vor<strong>der</strong>grund. Finanzielle Unterstützung gibt<br />
es einerseits für Kooperationen, in denen die<br />
Lehrpläne für neue Studiengänge entwickelt<br />
werden. Außerdem fließt Geld an Hochschulen,<br />
die ihre Strukturen verän<strong>der</strong>n wollen,<br />
zum Beispiel das Uni-Management voranbringen<br />
o<strong>der</strong> die Qualität <strong>der</strong> Lehre sichern.<br />
Bessere Berufsaussichten<br />
Im sibirischen Beispiel taten sich die Universitäten<br />
Omsk, Tjumen und Irkutsk mit<br />
dem Fachsprachenzentrum in Hannover<br />
zusammen. Als weitere Partner kamen die<br />
Universität im polnischen Poznan und die<br />
Warwick University in Großbritannien dazu.<br />
Ziel des Verbundes war, dass sibirische Universitätslehrer<br />
sich in <strong>der</strong> Praxis ansehen<br />
konnten, wie die Ausbildung an europäischen<br />
Universitäten funktioniert. Außerdem reisten<br />
europäische Dozenten nach Sibirien, um die<br />
Entwicklung des neuen Curriculums, Studierende<br />
und Lehrkräfte zu begleiten. Brüssel<br />
stellte zu diesem Zweck knapp 300 000 Euro<br />
zur Verfügung.<br />
Das Ergebnis war eine Verbesserung <strong>der</strong><br />
Lehre und <strong>der</strong> Berufsaussichten <strong>der</strong> jungen<br />
Ingenieure. Vorher hatten nur zwei Prozent<br />
ein höheres Niveau in den Fremdsprachen<br />
Deutsch und Englisch erreicht. Am Ende des<br />
Projekts waren es 30 Prozent. „Wir haben<br />
dann auch noch während <strong>der</strong> Laufzeit von ersten<br />
Festanstellungen gehört“, freut sich Klaus<br />
Schwienhorst.<br />
„Tempus passt gut zu uns“<br />
In den 20 Jahren seines Bestehens hat das<br />
Tempus-Programm viele solcher Reformen<br />
© Tobias Bohm/<strong>DAAD</strong><br />
© Tobias Bohm/<strong>DAAD</strong><br />
nachbarschaftshilfe<br />
Seit 20 Jahren för<strong>der</strong>t Tempus die mo<strong>der</strong>ne Hochschulbildung<br />
27 Nachbarstaaten <strong>der</strong> Europäischen Union sind heute<br />
Partner im Tempus-Programm – vom westlichen Balkan<br />
über Zentralasien bis nach Nordafrika. In internationalen<br />
Konsortien mo<strong>der</strong>nisieren die Hochschulen ihr Management<br />
und die Lehre.<br />
Tempus-Steckbrief<br />
Was wird geför<strong>der</strong>t?<br />
Mit Tempus unterstützt die Europäische<br />
Union die Mo<strong>der</strong>nisierung des Hochschulwesens<br />
in 27 Nachbarstaaten.<br />
Wer wird geför<strong>der</strong>t?<br />
Das Geld geht an internationale Konsortien,<br />
in denen Partner aus EU- und Nachbarlän<strong>der</strong>n<br />
zusammenarbeiten. Neben den Hochschulen<br />
können auch Organisationen, Sozialpartner,<br />
Forschungseinrichtungen o<strong>der</strong><br />
Unternehmen an Projekten teilnehmen.<br />
Wie viel Geld ist im Spiel?<br />
Das Gesamtbudget beträgt jährlich rund<br />
50 Millionen Euro. Die einzelnen Projektbudgets<br />
liegen zwischen 500 000 Euro und<br />
1,5 Millionen Euro.<br />
Wer ist zuständig?<br />
Die Gel<strong>der</strong> verteilt die Exekutivagentur<br />
für Bildung, Audiovisuelles und Kultur<br />
(EACEA) in Brüssel. Ansprechpartner in<br />
Deutschland ist <strong>der</strong> <strong>DAAD</strong>.<br />
Es geht bergauf: Studierende erreichen durch Tempus höheres Niveau<br />
<strong>DAAD</strong> Letter 3/10
angestoßen. Während das Geld<br />
zu Anfang nur an wenige osteuropäische<br />
Län<strong>der</strong> floss, sind<br />
inzwischen 27 Nachbarstaaten<br />
<strong>der</strong> Europäischen Union Tempus-<br />
Partner – vom westlichen Balkan<br />
über Osteuropa und Zentralasien<br />
bis nach Nordafrika. Der <strong>DAAD</strong><br />
ist Nationale Kontaktstelle für<br />
das Programm in Deutschland.<br />
Er informiert und berät deutsche<br />
Hochschulen bei <strong>der</strong> Antragstellung<br />
und beim Management von<br />
Tempus-Projekten. „Tempus passt<br />
gut zu uns“, sagt Nina Salden, die<br />
zuständige Referatsleiterin, „denn<br />
Tempus unterstützt die internationale<br />
Zusammenarbeit <strong>der</strong> Hochschulen.<br />
Dies liegt dem <strong>DAAD</strong> am<br />
Herzen.“<br />
nachrichten<br />
Europäisches Sprachensiegel<br />
Erfolgreich mit Shakespeare<br />
Wer auf dem globalisierten<br />
Arbeitsmarkt erfolgreich sein<br />
will, <strong>der</strong> braucht hervorragende<br />
Fremdsprachenkenntnisse. Der<br />
Wettbewerb „Europäisches Sprachensiegel“<br />
belohnt Projekte, die<br />
vorbildhaft Fremdsprachen für<br />
das Berufsleben vermitteln. Mitte<br />
November zeichneten in Berlin<br />
<strong>der</strong> <strong>DAAD</strong>, die Europäische Kommission<br />
und das Bundesministerium<br />
für Bildung und Forschung die<br />
Preisträger für das Jahr 2010 aus.<br />
Gewinner sind die Fachhochschule<br />
Nordhausen, die Hochschule<br />
Reutlingen, die Ruhr-Universität<br />
Bochum, Alwis e.V. ArbeitsLeben<br />
Wirtschaft Schule in Saarbrücken<br />
und die startHaus GmbH aus<br />
Offenbach. Ihre Projekte sollen<br />
europaweit zum Nachahmen animieren.<br />
Neben einem Preisgeld in<br />
Höhe von 500 Euro erhalten die<br />
Einrichtungen das Recht, das „Europäische<br />
Sprachensiegel 2010“<br />
als Logo zu führen und damit zu<br />
werben.<br />
Der Hochschule Reutlingen verschaffte<br />
Shakespeare das Gütesiegel.<br />
Studierende aus verschiedenen<br />
Län<strong>der</strong>n probten ein Semester<br />
lang zusammen das Theaterstück<br />
„Macbiz“ – die Geschichte<br />
vom schottischen Königsmör<strong>der</strong>,<br />
<strong>DAAD</strong> Letter 3/10<br />
Die EU-För<strong>der</strong>ung stellt dabei<br />
eine Anschubfinanzierung dar.<br />
„Um die Nachhaltigkeit <strong>der</strong> Tempus-Projekte<br />
zu sichern, sind die<br />
Hochschulen angehalten, die Projekte<br />
fest in den Partnerhochschulen<br />
zu verankern und sich gegebenenfalls<br />
auch um alternative Geldquellen<br />
zu bemühen“, sagt Nina<br />
Salden. Hier liegt ein Problem des<br />
Tempus-Programms. Niemand<br />
weiß, ob die finanziellen Ressourcen<br />
und die Motivation an den<br />
Hochschulen nach Abschluss <strong>der</strong><br />
Projekte ausreichen. „Wir hätten<br />
uns eine Kontrolle in ein bis zwei<br />
Jahren gewünscht“, sagt Klaus<br />
Schwienhorst über sein Sibirien-<br />
Projekt. Alexandra Straush<br />
versetzt ins Wirtschaftsleben des<br />
21. Jahrhun<strong>der</strong>ts – und lernten<br />
dabei spielerisch Wirtschaftsenglisch.<br />
Mit ihrem Konzept einer<br />
„Internationalen Projektwoche“<br />
setzte sich die Fachhochschule<br />
Nordhausen durch. Die Projektwoche<br />
ist fester Bestandteil <strong>der</strong><br />
Fremdsprachenausbildung. Die<br />
Universität Bochum bekam die<br />
Auszeichnung für ihre Kurse am<br />
Zentrum für Fremdsprachenausbildung<br />
(ZFA). Dort lernen jedes<br />
Semester rund 3 000 Studierende<br />
Fremdsprachen. Die startHAUS<br />
GmbH überzeugte die Jury durch<br />
ihren berufsbezogenen Sprachunterricht<br />
für Analphabeten mit Migrationshintergrund,<br />
<strong>der</strong> Verein<br />
Alwis durch seine Unterrichtsmodule<br />
„Interkulturelle Kompetenz<br />
in Englisch“ und „Interkulturelle<br />
Kompetenz in Französisch“.<br />
Das Siegel prämiert seit 1997<br />
Projekte und Initiativen aus dem<br />
Bereich des Lehrens und Lernens<br />
von Fremdsprachen. Die Europäische<br />
Kommission koordiniert den<br />
Wettbewerb, die Durchführung<br />
liegt in den Händen <strong>der</strong> Mitgliedstaaten.<br />
2010 vergab erstmalig<br />
die Nationale Agentur für EU-<br />
Hochschulzusammenarbeit beim<br />
<strong>DAAD</strong> das Siegel. cho<br />
Europa<br />
ANZEIGE<br />
25
26<br />
arbEItEn WEltWEIt<br />
mittendrin: persönlich und<br />
professionell<br />
Als Managerin und<br />
Buchhändler in Istanbul<br />
© Serkan Balci<br />
Der Weg zwischen dem europäischen und<br />
dem asiatischen Teil von Istanbul kann<br />
trotz <strong>der</strong> Brücke über den Bosporus und des<br />
regelmäßigen Bootsverkehrs sehr lang sein.<br />
Monika Tug˘utlu war früher jeden Tag mindestens<br />
vier Stunden unterwegs, um zwischen<br />
ihrer Wohnung auf <strong>der</strong> asiatischen Seite und<br />
ihrem Büro im Bezirk Beyog˘lu auf <strong>der</strong> europäischen<br />
Seite hin und her zu pendeln. Doch<br />
vor gut einem halben Jahr hat ihr Arbeitgeber<br />
aus Deutschland das Büro <strong>der</strong> türkischen Nie<strong>der</strong>lassung<br />
auf die asiatische Seite, ganz in die<br />
Nähe ihres Zuhauses, verlegt.<br />
Monika Tug˘utlu leitet die türkische Tochtergesellschaft<br />
des Familienunternehmens Hohenstein<br />
Institute mit Sitz im Schwäbischen<br />
seit fünfeinhalb Jahren. Als Geschäftsführerin<br />
organisiert sie gemeinsam mit zwölf Mitarbeitern<br />
von Istanbul aus die Prüfung von Textilien<br />
und Zubehör wie etwa Knöpfen, die in <strong>der</strong><br />
Türkei hergestellt werden und für den Export<br />
Istanbul ist die einzige Metropole, die auf zwei Kontinenten liegt. Die 2600 Jahre alte<br />
Stadt mit ihren knapp 13 Millionen Einwohnern steht für die Verbindung von Europa<br />
und Asien, für religiöse und ethnische Vielfalt. Monika Tug˘ utlu lebt und arbeitet zwischen<br />
türkischer und deutscher Kultur. Auch Thomas Mühlbauer ist mittendrin: Seine<br />
deutsche Buchhandlung ist die einzige in <strong>der</strong> ganzen Türkei und als Kontaktbörse für<br />
Deutsche und Türken eine Institution.<br />
bestimmt sind. „Ich kümmere mich darum,<br />
dass die Textilproben unserer über 1000 Kunden<br />
in <strong>der</strong> ganzen Türkei in den deutschen<br />
Laboren geprüft werden. Darüber bekommen<br />
die Hersteller dann einen Bericht“, sagt die gelernte<br />
Juristin. Wenn alles gut geht, dürfen die<br />
Kleidungsstücke mit dem Zertifikat Öko-Tex-<br />
Standard 100 ausgezeichnet und exportiert<br />
werden.<br />
Chefin ganz persönlich<br />
Als Managerin fühlt sich Monika Tug˘utlu aber<br />
nicht nur für den reibungslosen Ablauf <strong>der</strong><br />
Geschäfte verantwortlich. „Ich bin gleichzeitig<br />
auch die ‚Mutter’ für mein deutsch-türkisches<br />
Team“, so beschreibt sie ihre Rolle. „Ich sorge<br />
für das Wohl meiner Mitarbeiter, auch wenn<br />
es um den Weg zwischen Arbeitsplatz und Zuhause<br />
o<strong>der</strong> das Mittagessen geht.“ Auch bei<br />
persönlichen Problemen könnten ihre Mitarbeiter<br />
je<strong>der</strong>zeit zu ihr kommen. Eine solche<br />
enge persönliche Beziehung zu den Mitarbeitern<br />
zu pflegen, das sei in <strong>der</strong> Türkei üblich.<br />
Monika Tug˘utlu hatte gerade ihr Jurastudium<br />
in Berlin abgeschlossen, als sie vor 15 Jahren<br />
mit ihrem deutsch-türkischen Ehemann<br />
nach Istanbul zog. „Damals bin ich so richtig<br />
in die Familie meines Mannes und die türkische<br />
Kultur eingetaucht“, erinnert sie sich. Sie<br />
sei von Anfang an integriert gewesen, aber<br />
das sei keineswegs selbstverständlich für Auslän<strong>der</strong>,<br />
die es aus beruflichen Gründen nach<br />
Istanbul verschlägt. Viele verkehrten nur untereinan<strong>der</strong><br />
o<strong>der</strong> innerhalb <strong>der</strong> Oberschicht<br />
<strong>der</strong> türkischen Weltstadt.<br />
Dennoch, es gibt Momente, in denen sie über<br />
eine Rückkehr nach Deutschland nachdenkt.<br />
Zum Beispiel dann, wenn sie mal wie<strong>der</strong> in einem<br />
endlos scheinenden Verkehrsstau steckt,<br />
wenn sie erlebt, wie unbedacht manchmal mit<br />
<strong>der</strong> Natur umgegangen wird, o<strong>der</strong> wenn sie<br />
sich über die Haltung <strong>der</strong> Behörden gegenüber<br />
<strong>DAAD</strong> Letter 3/10<br />
© Christian Lohse<br />
© Erol Gülsen/Wikipedia
Kultureller Mix prägt Istanbul:<br />
Monika Tug˘utlu und Thomas Mühlbauer<br />
fühlen sich als Weltbürger<br />
den Bürgern ärgert. „Aber ich glaube ich könnte<br />
gar nicht mehr in Deutschland leben“, sagt<br />
die 49-Jährige. Die deutschen Alltagssorgen<br />
erscheinen ihr unbedeutend verglichen mit<br />
den Gedanken über Umwelt und Menschenrechte<br />
o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Angst vor dem nächsten Erdbeben,<br />
die sie und ihre Nachbarn und Freunde<br />
umtreiben.<br />
Lesung mit Kemal und Grass<br />
Neben ihrem Beruf engagiert sich Monika<br />
Tug˘utlu für die Kulturstiftung <strong>der</strong> deutschtürkischen<br />
Wirtschaft, die 2005 auf Initiative<br />
<strong>der</strong> Deutschen Botschaft gegründet wurde.<br />
„Im Moment kämpfen wir noch immer darum,<br />
vom türkischen Staat als Stiftung anerkannt<br />
zu werden“, berichtet Monika Tug˘utlu, die<br />
im Verwaltungsrat <strong>der</strong> Stiftung sitzt. Solange<br />
dieser Status und damit die Gemeinnützigkeit<br />
<strong>der</strong> Organisation nicht gewährt werde, seien<br />
Unternehmen mit Spenden zögerlich. Mit einem<br />
wichtigen Ereignis konnte die Kulturstiftung<br />
dennoch zu den Feiern zur Kulturhauptstadt<br />
Europas beitragen, die in diesem Jahr<br />
in Istanbul begangen wurden: Sie lud Yas˛ar<br />
Kemal, einen <strong>der</strong> bedeutendsten türkischen<br />
Schriftsteller, und Literaturnobelpreisträger<br />
Günter Grass zu gemeinsamen öffentlichen<br />
Lesungen und Diskussionen ein. Die beiden<br />
Schriftsteller kennen sich gut. Günter Grass<br />
hielt 1997 die Laudatio, als Yas˛ar Kemal mit<br />
dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels<br />
ausgezeichnet wurde.<br />
In ihrer Freizeit liest Monika Tug˘utlu gerne<br />
deutsche Literatur. „Früher habe ich kofferweise<br />
Bücher aus Deutschland mitgebracht“, erzählt<br />
sie. Und als sie noch jeden Tag zu ihrem<br />
Büro am Taksim-Platz auf <strong>der</strong> europäischen<br />
Seite fuhr, besuchte sie häufig die türkischdeutsche<br />
Buchhandlung. Sie liegt am an<strong>der</strong>en<br />
Ende einer Flaniermeile mit Cafés, Kinos und<br />
Kaufhäusern, die den Taksim-Platz und den<br />
Galata-Turm miteinan<strong>der</strong> verbindet.<br />
Hier, auf <strong>der</strong> Istiklal Caddesi (Straße <strong>der</strong> Unabhängigkeit),<br />
im Herzen des alten Stadtteils<br />
Beyog˘lu, führt Thomas Mühlbauer die Buchhandlung<br />
in zweiter Generation. Die „Türk<br />
Alman Kitabevi“, so <strong>der</strong> türkische Name <strong>der</strong><br />
Buchhandlung, liegt unweit <strong>der</strong> Deutschen<br />
Guter Standort: Die deutsche<br />
Buchhandlung liegt an <strong>der</strong> quirligen Istiklal Caddesi<br />
<strong>DAAD</strong> Letter 3/10<br />
Schule Istanbul. An dieser Privatschule, die<br />
zur Deutschen Botschaft in Ankara gehört,<br />
werden hauptsächlich türkische Schüler unterrichtet.<br />
„Unser Hauptgeschäft sind Schulbücher“,<br />
sagt Thomas Mühlbauer, „aber wir<br />
haben das gesamte Spektrum deutscher Bücher<br />
auf Lager.“ Beson<strong>der</strong>s groß ist die Auswahl<br />
an Sprach- und Lehrwerken, an Reiseführern<br />
und Büchern, die sich mit <strong>der</strong> Türkei und<br />
dem Islam befassen. Außerdem gibt es eine<br />
Abteilung für Kin<strong>der</strong>- und Jugendbücher und<br />
in <strong>der</strong> zweiten Etage eine Spezialabteilung<br />
für naturwissenschaftliche und medizinische<br />
Fachliteratur. „Meine Kunden“, so Mühlbauer,<br />
„sind Deutsche, die in <strong>der</strong> Türkei leben, ebenso<br />
wie Türken, die in <strong>der</strong> Türkei Deutsch gelernt<br />
o<strong>der</strong> längere Zeit in Deutschland gelebt<br />
haben.“ Seine Kunden interessieren sich für<br />
die gesamte Bandbreite: von Trivialliteratur<br />
bis hin zu anspruchsvolleren Werken o<strong>der</strong><br />
Fachliteratur. Die „Türk Alman Kitabevi“ ist<br />
die einzige deutschsprachige Buchhandlung<br />
in <strong>der</strong> Türkei – und in Istanbul ist sie eine<br />
Institution.<br />
Treffpunkt für Deutsche<br />
Thomas Mühlbauers Kunden kommen nicht<br />
nur wegen <strong>der</strong> deutschen Bücher, „für Deutsche<br />
ist die Buchhandlung häufig erste Anlaufstelle,<br />
wenn sie in Istanbul ankommen“,<br />
berichtet er. Sie kommen wegen des Schwarzen<br />
Bretts, an dem Gesuche und Angebote für<br />
Wohnungen, für Sprachunterricht o<strong>der</strong> auch<br />
Jobs aushängen. In einem Reiseführer wird<br />
die Buchhandlung deshalb direkt unter dem<br />
Goethe-Institut als wichtige „Kontaktbörse“<br />
aufgeführt.<br />
© José Fuste Raga/AGE/F1online<br />
arbEItEn WEltWEIt<br />
Die Buchhandlung versorgt die Stadt am Bosporus<br />
seit 1955 mit deutschen Büchern. Gegründet<br />
hat sie Thomas Mühlbauers Vater, ein<br />
Österreicher aus Graz, <strong>der</strong> nach dem Zweiten<br />
Weltkrieg in Istanbul Zwischenstation machte.<br />
Eigentlich sei er auf dem Weg nach Persien<br />
gewesen, dorthin wollte er auswan<strong>der</strong>n. „Er ist<br />
aber in Istanbul hängengeblieben“, so drückt<br />
es sein Sohn aus, die Stadt habe ihm sehr gut<br />
gefallen. Im Alter von zwölf Jahren zieht <strong>der</strong><br />
1967 geborene Thomas Mühlbauer gemeinsam<br />
mit Mutter und Bru<strong>der</strong> von Istanbul nach<br />
Deutschland um. Als 25-Jähriger kommt er<br />
nach Istanbul zurück, um nach dem Tod des<br />
Vaters die Geschäfte weiterzuführen. Die Entscheidung,<br />
nach Istanbul zurückzukehren,<br />
sei ihm nicht schwergefallen, erinnert sich<br />
Thomas Mühlbauer. Auch nach 13 Jahren in<br />
Deutschland seien ihm türkische Kultur und<br />
Sprache noch vertraut gewesen. Er spricht perfekt<br />
Türkisch, nur mit dem Schreiben und Lesen<br />
habe er Schwierigkeiten, weil er nie eine<br />
türkische Schule besucht habe.<br />
„Ich fühle mich zwar als Deutscher, aber ich<br />
denke teilweise auf Türkisch“, sagt Thomas<br />
Mühlbauer, <strong>der</strong> an seiner Heimatstadt vor allem<br />
„die Vielfalt und das bunte Leben“ schätzt.<br />
Damit meint er die vielen Nationalitäten, die<br />
hier zusammenleben, und seinen Freundeskreis,<br />
zu dem neben Türken und Deutschen<br />
Menschen aus allen Ecken <strong>der</strong> Welt gehören.<br />
Nur selten bereitet es ihm Unannehmlichkeiten,<br />
als Deutscher in <strong>der</strong> Türkei zu leben. „Lediglich<br />
wenn ich meine Aufenthaltsgenehmigung<br />
verlängern muss, dann werde ich daran<br />
erinnert, dass ich Deutscher bin, obwohl ich<br />
mich doch eigentlich als Weltbürger fühle.“<br />
Kristina Vaillant<br />
27
28 rÄtSEl<br />
W<br />
eit mehr als hun<strong>der</strong>t Vogelarten sind in<br />
Deutschland und Mitteleuropa heimisch:<br />
von A wie Adler bis Z wie Zaunkönig. In diesem Rätsel<br />
wird <strong>der</strong> richtige Vogelname gesucht. Die gefundenen Anfangsbuchstaben<br />
ergeben hintereinan<strong>der</strong> gelesen das Lösungswort:<br />
Es handelt sich um einen Vogeltyp, <strong>der</strong> extrem<br />
schnell zu fliegen vermag.<br />
eise<br />
msel<br />
hu<br />
lster<br />
abe<br />
pecht<br />
isvogel<br />
ans<br />
erche<br />
ule<br />
eiher<br />
Wer war’s? Professor Grübler fragt<br />
Schreiben Sie das Lösungswort an ▼<br />
Unter den richtigen Lösungen werden zehn Hauptgewinne und fünf Trostpreise vergeben. Bei<br />
diesem Rätsel nehmen an <strong>der</strong> Auslosung nur Einsendungen von Leserinnen und Lesern teil,<br />
<strong>der</strong>en Muttersprache nicht Deutsch ist. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Bitte die vollständige<br />
Adresse des Absen<strong>der</strong>s angeben!<br />
DIE GEWINNER KÖNNEN ZWISCHEN FOLGENDEN PREISEN WÄHLEN:<br />
1. Duden – Die deutsche Rechtschreibung. Dudenverlag<br />
2. Thomas Steinfeld: Der Sprachverführer. Die deutsche Sprache – was sie ist und was sie kann.<br />
Carl Hanser Verlag<br />
3. Grimms Märchen. Vollständige Ausgabe. Mit Illustrationen von Otto Ubbelohde.<br />
Anaconda Verlag<br />
4. Günter Grass: Grimms Wörter. Eine Liebeserklärung. Steidl Verlag<br />
5. Lied – gut! Die schönsten deutschen Volkslie<strong>der</strong>. Calmus Ensemble Leipzig.<br />
Edition chrismon<br />
Ein strenges Internat für Offizierskin<strong>der</strong> muss er durchlaufen: Wecken<br />
um fünf Uhr in <strong>der</strong> Frühe, ab sieben Uhr bereits steht Latein-Unterricht auf<br />
dem Lehrplan. Fremdsprachen-Unterricht bekommt er außerdem in Griechisch,<br />
Französisch, Englisch und Italienisch. Als Erwachsener denkt er voller Groll an<br />
diese Schule zurück – mit ihren zahllosen Schikanen wie Postzensur, Prügelstrafe,<br />
Uniformzwang und Ausgehverbot.<br />
Immerhin: Die guten Fremdsprachen-Kenntnisse legen den Grundstein zu einer umfassenden<br />
Bildung. Mit 29 Jahren avanciert er zum Professor für Geschichte an <strong>der</strong><br />
Universität Jena. Doch eine winzige Klippe gibt es noch vor <strong>der</strong> endgültigen Berufung:<br />
Er steht ohne Doktor-Titel da. Also schreibt <strong>der</strong> designierte Professor in formvollendetem<br />
Latein einen Brief an den Dekan <strong>der</strong> Philosophischen Fakultät und bittet darum, ab sofort<br />
einen Doktor-Titel führen zu dürfen. Schon zwei Tage später bekommt er eine Promotionsurkunde<br />
zugeschickt. Nun steht seiner Antrittsvorlesung nichts mehr im Wege,<br />
und er spricht vor rund 500 Studenten über die Bedeutung <strong>der</strong> „Universalgeschichte“.<br />
Nach einem Jahr Dozenten-Tätigkeit notiert er voller Selbstzweifel: „Zu einem musterhaften<br />
Professor werde ich mich nie qualifizieren.“ Ein halbes Jahr später klingt<br />
das schon ganz an<strong>der</strong>s: „Ich sehe nicht ein, warum ich nicht, wenn ich ernsthaft<br />
will, <strong>der</strong> erste Geschichtsschreiber in Deutschland werden kann.“ Nur wenig<br />
später endet seine akademische Laufbahn wegen seiner angegriffenen<br />
Gesundheit. Eines seiner wichtigsten Werke aus jener Zeit ist eine<br />
umfassende Darstellung zur Geschichte des Dreißigjährigen<br />
Krieges. Viel bekannter ist er allerdings heutzutage als<br />
Dramatiker und Balladen-Dichter.<br />
Professor Grübler fragt: Wer war’s?<br />
Unter den richtigen Lösungen werden<br />
fünf Gewinner ausgelost. Der Rechtsweg<br />
ist ausgeschlossen. Bitte wählen<br />
Sie unter den links unten genannten<br />
Preisen. Senden Sie die Lösung an ▼<br />
Bitte geben Sie mit <strong>der</strong> Lösung auch den von Ihnen gewünschten Preis an.<br />
Redaktion <strong>DAAD</strong> Letter<br />
Trio MedienService GbR<br />
Chausseestraße 103<br />
10115 Berlin, Germany<br />
Fax: +49 30/85 07 54 52<br />
E-Mail: raetsel@trio-medien.de<br />
Einsendeschluss ist <strong>der</strong> 10. März 2011<br />
Die Lösung und die Gewinner<br />
<strong>der</strong> vorigen Letter-Rätsel<br />
finden Sie auf Seite 42<br />
<strong>DAAD</strong> Letter 3/10
© Ullstein<br />
<strong>DAAD</strong> Letter 3/10<br />
SprachWErkStatt<br />
Mit Satire gegen die Staatsmacht<br />
Die so genannten lokalen Präpositionen<br />
geben jeweils einen Ort (im<br />
Haus) o<strong>der</strong> eine Richtung (ins Haus;<br />
aus dem Haus) an. Sie können aber<br />
auch im übertragenen Sinn gebraucht<br />
werden (auf einer Meinung beharren).<br />
Bitte wählen Sie das jeweils passende<br />
Wort aus: an, auf, aus, bei, bis, gegen,<br />
gen, hinter, in, nach, nahe, neben, über,<br />
unter, vor, zu.<br />
Peter Panter, Theobald Tiger, Ignaz Wrobel und Kaspar Hauser – _____ all diesen<br />
Pseudonymen steckt einer <strong>der</strong> bedeutendsten deutschen Schriftsteller und Journalisten<br />
_____ <strong>der</strong> Zeit <strong>der</strong> Weimarer Republik: Kurt Tucholsky, <strong>der</strong> im Dezember vor 75<br />
Jahren starb (09.01.1890 – 21.12.1935).<br />
Der vielseitige Autor verstand sich nicht nur _____ das Schreiben von Leitartikeln, Gerichtsreportagen,<br />
Glossen, Literatur- und Theaterkritiken, son<strong>der</strong>n auch _____ das Verfassen<br />
von Chansons, Gedichten und Romanen, darunter die Erzählung „Rheinsberg“<br />
(1912) und <strong>der</strong> Kurzroman „Schloß Gripsholm“ (1931). Zusammen mit John Heartfield<br />
veröffentlichte er 1929 das satirische Bil<strong>der</strong>buch „Deutschland, Deutschland _____<br />
alles“. Bekannt geworden ist <strong>der</strong> politisch links stehende Demokrat, Kriegsgegner<br />
und Gesellschaftskritiker vor allem durch Texte, _____ denen er sich geistreich und<br />
spöttisch mit den politischen Machtverhältnissen, <strong>der</strong> öffentlichen Verwaltung und dem<br />
Militär auseinan<strong>der</strong>setzte.<br />
Als Sohn eines Bankkaufmanns jüdischer Abstammung wurde Tucholsky _____ Berlin<br />
geboren. Schon als er noch _____ Schule ging, erschien sein erster Text _____ <strong>der</strong><br />
satirischen Zeitschrift „Ulk“, <strong>der</strong>en Chefredaktion er später (1919) übernehmen sollte.<br />
Noch _____ <strong>der</strong> Uni, wo er ab 1909 Jura studierte, entschied er sich dafür, _____<br />
Zeitung zu gehen: 1913 begann er seine langjährige Arbeit für die Zeitschrift „Schaubühne“,<br />
später „Weltbühne“.<br />
Trotz <strong>der</strong> journalistischen Arbeit schloss Tucholsky sein Jurastudium 1915 mit <strong>der</strong> Promotion<br />
ab. Kurz darauf wurde er _____ Wehrdienst einberufen und _____ die Ostfront<br />
geschickt. _____ Militär gab er 1916 eine Feldzeitung heraus und wurde nach Kriegsende<br />
als überzeugter Pazifist _____ seiner publizistischen Tätigkeit auch politisch<br />
aktiv, ab 1920 _____ <strong>der</strong> Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands<br />
(USPD). Dabei schreckte er auch _____ beißen<strong>der</strong> Kritik an politischen Gegnern nicht<br />
zurück, was _____ hin _____ Gerichtsprozessen führte.<br />
Ab 1924 lebte Tucholsky als Korrespondent <strong>der</strong> „Weltbühne“ und <strong>der</strong> „Vossischen Zeitung“<br />
überwiegend _____ Paris. 1930 zog es ihn endgültig weg _____ Deutschland,<br />
und zwar _____ Norden, _____ Schweden. Von da an lebte er in Hindås, _____Göteborg.<br />
Sein Vertrauen _____ die aufklärerische Macht des Schreibens aber war enttäuscht:<br />
Ab 1931 stellte er das Schreiben ein. Schon früh hatte sich Tucholsky _____<br />
Hitler und dessen Kriegsvorbereitungen gewandt. Bei <strong>der</strong> Bücherverbrennung durch<br />
die Nationalsozialisten waren 1933 auch seine Bücher dabei; gleichzeitig wurde ihm<br />
die deutsche Staatsbürgerschaft aberkannt.<br />
Tucholsky, <strong>der</strong> mit <strong>der</strong> jüdischen Ärztin Else Weil und bis 1933 mit <strong>der</strong> _____ Riga<br />
stammenden Mary Gerold verheiratet war, blieb kin<strong>der</strong>los. Er starb, schwer erkrankt,<br />
an einer Überdosis Schlaftabletten und wurde _____ schwedischen Mariefred _____<br />
einer Eiche begraben.<br />
Christine Hardt<br />
LÖSUNG: hinter; aus; auf; auf; über; in; in; zur; in; an; zur; zum; an; beim; neben; in; vor; bis; zu; in; aus; gen;<br />
nach; nahe; in; gegen; aus; im; unter.<br />
aufgESpIESSt<br />
SprachEckE<br />
Ganz tief drin<br />
Gibt es die einst weltberühmte deutsche Innerlichkeit<br />
noch? Ja, jedenfalls in <strong>der</strong> Sprache! Zum<br />
Beispiel «Im tiefsten Grunde meines Herzens …»,<br />
eine Redewendung, die heute noch recht gebräuchlich<br />
ist, im Alltag wie auch in <strong>der</strong> Literatur.<br />
Man lese nur einmal die Bücher von Christa<br />
Wolf. Das Innerste, <strong>der</strong> tiefste Grund, ganz tief<br />
drinnen: Wenn ein Satz so beginnt, ist Vorsicht<br />
geboten. Denn dann kommt es oft zu womöglich<br />
peinlichen Geständnissen, die eigentlich keiner<br />
hören will.<br />
Unverfänglicher als <strong>der</strong> «Grund» und deshalb<br />
sprachlich auf dem Vormarsch ist <strong>der</strong> «Kern»,<br />
laut Wörterbuch <strong>der</strong> «innere, mittlere Teil» von<br />
irgendetwas o<strong>der</strong> irgendjemandem. Der kerngesunde<br />
Deutsche kommt auch im Ausland gern<br />
schnell zum Kern <strong>der</strong> Sache. Nachdem er sich<br />
auf seine Kernkompetenzen besonnen hat, natürlich.<br />
Seine Firma mag nach etlichen Ausflügen<br />
in an<strong>der</strong>e Branchen nun wie<strong>der</strong> zum Kerngeschäft<br />
zurückgekehrt sein. Die Kernenergie hat<br />
in Deutschland gerade eine Renaissance, wozu<br />
manches kernige Managergesicht begeistert<br />
strahlt. Ob Kernkraftwerke dem Kernobst schaden<br />
o<strong>der</strong> dem Kernbeißer im deutschen Wald, ist<br />
im Kern noch nicht geklärt.<br />
Relativ neu ist <strong>der</strong> «Glutkern», das Innerste einer<br />
glühenden Masse also. Im Ofen sucht man ihn<br />
selten, in <strong>der</strong> Sonne kaum. Eher vielleicht bei<br />
einer glutäugigen Schönen? Nein, die modische<br />
Rede vom «Glutkern» verzichtet von vornherein<br />
auf jede konkrete Bedeutung. Heiß sollte er<br />
schon sein, <strong>der</strong> Kern, aber bitte nur metaphorisch<br />
gesprochen. Ein Journalist, <strong>der</strong> wissen<br />
möchte, was einen Zeitgenossen leidenschaftlich<br />
begeistert und was ihn eigentlich antreibt, fragt<br />
heute nach dem «Glutkern», ob beim Fußballtrainer,<br />
Politiker o<strong>der</strong> Popstar. Der «Glutkern»<br />
verspricht Elementares, Authentizität, Magma<br />
des Lebens – Leben pur sozusagen.<br />
«Wir sind immer auf <strong>der</strong> Suche nach den Glutkernen<br />
<strong>der</strong> gesellschaftlichen Entwicklungen»,<br />
skizziert ein Verleger die Kernaufgabe seines<br />
Hauses. «Verbrennt euch bloß nicht die Finger<br />
dabei!», möchte man da rufen. Geht es auch eine<br />
Nummer kühler? Sachlicher, konkreter, weniger<br />
innerlich? Der harte Kern <strong>der</strong> unverbesserlichen<br />
Raucher wusste auf die Frage nach dem Zustand<br />
seiner innersten Organe schon immer die rechte<br />
Antwort: «Wie es drinnen aussieht, geht keinen<br />
etwas an»! Ob da vielleicht doch was dran ist,<br />
fragt sich<br />
29
30 daad<br />
Jahr <strong>der</strong> deutschen Sprache<br />
D as Jahr 2010 hat das Auswärtige Amt<br />
unter das Motto „Deutsch – Sprache <strong>der</strong><br />
Ideen“ gestellt. Weltweit sprechen über 100<br />
Millionen Menschen Deutsch als Muttersprache;<br />
als Fremdsprache wird Deutsch aktuell<br />
von fast 15 Millionen Menschen gelernt. Allerdings<br />
ist die Zahl <strong>der</strong> Deutschlerner in den<br />
letzten Jahren zurückgegangen. Diesem Trend<br />
will die Bundesregierung entgegentreten.<br />
Der <strong>DAAD</strong> hat die Kampagne in Deutschland<br />
und – mit Hilfe seiner Außenstellen und des<br />
Lektoren-Netzwerks – weltweit unterstützt. Zu<br />
den Veranstaltungen zählten etwa eine Reihe<br />
von Vorträgen und Gesprächen unter dem<br />
Motto „Die deutsche Sprache und ich“, bei <strong>der</strong><br />
<strong>DAAD</strong>-Alumni in vielen Län<strong>der</strong>n über ihre<br />
persönlichen Erfahrungen mit <strong>der</strong> Sprache<br />
Deutsch berichteten, Podiumsdiskussionen<br />
zur Lage <strong>der</strong> Fächer Germanistik und Deutsch<br />
als Fremdsprache beim Weltkongress <strong>der</strong> Germanisten<br />
in Warschau und beim Deutschen<br />
Germanistentag, ein Kreativwettbewerb zu<br />
deutschen Lehnwörtern im Englischen o<strong>der</strong><br />
ein deutscher Vorlesewettbewerb in Taiwan.<br />
Ein Höhepunkt: Der Essaywettbewerb unter<br />
Absolventen Deutscher Schulen im Ausland,<br />
die nun mit einem <strong>DAAD</strong>-Stipendium in<br />
Deutschland studieren. Etwa 90 Stipendiaten<br />
aus 33 Län<strong>der</strong>n schrieben über „Deutschland<br />
– wie ich es sehe“ und „Deutschland 2025 –<br />
Perspektiven für das Land meines Studiums“.<br />
Das Auswärtige Amt zeichnete 23 junge Autoren<br />
aus. Wir veröffentlichen hier Auszüge aus<br />
einigen prämierten Essays.<br />
deutsch – Sprache <strong>der</strong> Ideen<br />
Auszüge aus prämierten Essays von <strong>DAAD</strong>-Stipendiaten<br />
freies denken<br />
Ich weiß die deutsche Lebensfreude und Freundlichkeit zu schätzen.<br />
Ich mag das Lächeln und die netten Worte, die so viele Deutsche sogar<br />
völlig fremden Leuten auf <strong>der</strong> Straße, beim Einkaufen o<strong>der</strong> im<br />
Verkehr schenken. Es macht mich froh, in einem Laden den Gruß:<br />
„Schönes Wochenende!“ zu hören. Meiner Meinung nach findet das<br />
auch in dem hohen Lebensstandard eine Erklärung. In einem finanziell<br />
gesicherten Leben ist es selbstverständlich, Zufriedenheit, positive<br />
Auffassung und Freude nach außen zu zeigen. Hier müssen die<br />
meisten Leute nicht deprimiert und hoffnungslos sein, weil sie sich<br />
keine Sorgen darum machen müssen, ob sie am nächsten Tag genug<br />
Geld haben werden. Sie müssen auch nicht den Blick nach unten<br />
lenken, wenn sie durch die Stadt gehen, um die Blicke <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en zu<br />
vermeiden, weil sie sich nicht schämen o<strong>der</strong> wertlos fühlen müssen.<br />
Da ich aus einer Gesellschaft komme, in <strong>der</strong> oftmals noch die von <strong>der</strong><br />
Sowjetunion aufgezwungene Denkweise zu finden ist, fühle ich mich<br />
in Deutschland frei und entspannt. Hier hat niemand das Gefühl, von<br />
den an<strong>der</strong>en beurteilt zu werden, und man muss sich auch nicht die<br />
Frage stellen, was die an<strong>der</strong>en von einem denken.<br />
Die Lettin Anete Ziraka studiert Politikwissenschaft<br />
und Anglistik/Amerikanistik an <strong>der</strong> Universität Greifswald<br />
nicht einwandfrei, aber liebenswert<br />
Als das erste Semester begann, wurde ich kommunikativer, fand neue Freunde, mit denen<br />
ich lernen, ausgehen, lachen konnte. Ich telefonierte nicht mehr so oft mit meinen<br />
Eltern und fühlte mich immer wohler in meiner neuen Umgebung, bis mir irgendwann<br />
bewusst wurde, dass ich hier und jetzt in Deutschland zu Hause bin.<br />
Ich habe mich damit abgefunden, dass Deutschland nicht einwandfrei ist, aber trotzdem<br />
liebenswert. Und jetzt freue ich mich noch mehr, wenn ich vom Flugzeug die breiten<br />
Straßen und die bunten Fel<strong>der</strong> meines Deutschlands sehe. Ich liebe es, wie es hier im<br />
Frühling riecht, wie prächtig rosa die Bäume in <strong>der</strong> Nachbarstraße blühen, wie lecker die<br />
Süßigkeiten sind. Ich liebe es auch, dass die Leute in Bussen und Straßenbahnen lesen,<br />
man in riesigen Einkaufszentren einkaufen und jede Menge Spaß haben kann. Ich liebe<br />
es vor allem, dass mir Deutschland so viel bietet. Hier kann ich jede Sprache lernen, die<br />
ich möchte, jedes Buch finden, das ich gesucht habe, jede Kultur entdecken.<br />
Der Bulgare Kolyo Marinov studiert Nano-Engineering an <strong>der</strong> Universität Duisburg-Essen<br />
<strong>DAAD</strong> Letter 3/10
<strong>DAAD</strong> Letter 3/10<br />
daad<br />
Sprache meiner gedanken<br />
Deutschland und ich, unsere gemeinsame Geschichte ist nicht so lang.<br />
Zuerst war es für mich nur ein Schulfach mit einer strengen Lehrerin.<br />
Deutsch waren damals Räuchermännchen, Weihnachtsmarkt, Glühwein,<br />
Knödel, Currywurst und noch ein paar an<strong>der</strong>e Begriffe. Nichts<br />
weiter als Zungenbrecher für mich und doch gehörten sie angeblich<br />
zur deutschen Kultur. Wie <strong>der</strong> dicke gelbe Duden.<br />
Die deutsche Sprache erlebe ich heute an<strong>der</strong>s. Nun erlaubt sie mir,<br />
mich auszudrücken und über Sachen zu reflektieren, so wie ich es<br />
selbst in meiner Muttersprache nicht immer kann. Sie eröffnet mir<br />
wun<strong>der</strong>volle Bücher, die mich faszinieren. Sie ist längst kein Schulfach<br />
mehr. Sie ist die Sprache meiner Gedanken, meiner Träume, meines<br />
Alltags, und inzwischen sind wir beide gute Freunde geworden.<br />
Von <strong>der</strong> Zuschauerin zur teilnehmerin<br />
Vor kurzem hörte ich auf dem Weg von <strong>der</strong> Uni nach Hause Tauben gurren und<br />
dachte für ein paar Sekunden, ‚Ach, das hört sich doch genauso an wie in Deutschland!‘.<br />
Während ich die Tiere beim Balancieren im Gerüst des Bahnhofsdaches<br />
<strong>der</strong> S-Bahn beobachtete, fiel mir ein, dass ich doch tatsächlich in Deutschland bin.<br />
Obwohl ich schon seit Oktober in Berlin studiere, muss ich zugeben, dass mir so<br />
etwas öfter passiert: Fast täglich vergesse ich, dass ich jetzt in Deutschland wohne.<br />
Natürlich gibt es in chilenischen Städten auch Tauben; die gurren aber an<strong>der</strong>s.<br />
Inzwischen sind auch in Chile die wun<strong>der</strong>baren Fußgängerampeln verbreitet, es<br />
wurden ein paar Fahrradwege auf die Straßen gemalt, die zwar nicht so richtig benutzt<br />
und respektiert werden, aber die dazu einladen, mal sportlicher zu sein. Es<br />
gibt sogar eine deutsche Supermarktkette, die den etwas misstrauischen Chilenen<br />
Haribo-Bärchen, Pumpernickel, Salzstangen und Lakritz verkauft. Bei Lakritz haben<br />
sie lei<strong>der</strong> nicht viel Erfolg, vielleicht weil die Angestellten die Lakritzkätzchen<br />
nicht so richtig einordnen können und sie, wegen des Bildes auf <strong>der</strong> Packung, in<br />
die Katzenfutterabteilung stellen.<br />
Allmählich werden die Beson<strong>der</strong>heiten Deutschlands zum Alltag. Trotzdem bin<br />
ich immer wie<strong>der</strong> von den unendlichen Möglichkeiten in Deutschland begeistert;<br />
noch nie habe ich gleichzeitig solch ein großes kulturelles Angebot und wissenschaftliche<br />
Forschungsmöglichkeiten erlebt, die von <strong>der</strong> internationalen Vielfalt<br />
enorm bereichert werden. Obwohl ich eng verbunden mit <strong>der</strong> deutschen Kultur<br />
aufgewachsen bin, fühle ich zum ersten Mal, dass ich vollständig dazugehöre. Endlich<br />
bin ich von <strong>der</strong> Zuschauerin zur Teilnehmerin geworden.<br />
Die Bulgarin Yoanna Zhecheva studiert Psychologie an <strong>der</strong> Albert-Ludwigs-Universität Freiburg<br />
Die Chilenin Christina Heroven studiert Biochemie an <strong>der</strong> Freien Universität Berlin<br />
© Michael Jordan/<strong>DAAD</strong> (4)<br />
31
32 daad<br />
filmfestival <strong>der</strong> begegnungen<br />
Vietnamesisch-deutsches Dokumentarfilmfest in Potsdam<br />
Vietnam und Deutschland feiern 35 Jahre<br />
diplomatische Beziehungen. In beiden<br />
Län<strong>der</strong>n beteiligt sich <strong>der</strong> <strong>DAAD</strong> mit einem<br />
umfangreichen Veranstaltungsprogramm.<br />
Das Dokumentarfilmfest in Potsdam für<br />
128 vietnamesische Stipendiaten verwies<br />
auf viele Lebensgeschichten, die beide<br />
Län<strong>der</strong> eng verbinden.<br />
Der Blick, den die Dokumentarfilme auf<br />
mein Land richten, ist ganz neu für<br />
mich“, staunt Pham Thanh Tam. Die vietnamesische<br />
<strong>DAAD</strong>-Stipendiatin, die in Jena an ihrem<br />
Doktor in Materialwissenschaft arbeitet,<br />
ist <strong>der</strong> Einladung des <strong>DAAD</strong> zum Filmfest nach<br />
Potsdam/Babelsberg gefolgt. Im Kinosaal <strong>der</strong><br />
Hochschule für Film und Fernsehen „Konrad<br />
Wolf“ (HFF) hat sie unter an<strong>der</strong>em die Dokumentation<br />
„Reise durch das Champa-Land“<br />
gesehen. Die 1992 gedrehte Prüfungsarbeit an<br />
<strong>der</strong> Babelsberger Hochschule erzählt von einer<br />
<strong>der</strong> 53 in Vietnam offiziell gezählten Min<strong>der</strong>heiten.<br />
Die Physikerin Tam war begeistert:<br />
„Wir haben so unterschiedliche Kulturen im<br />
eigenen Land und verstehen sie selbst kaum.<br />
Die Deutschen müssen eine große Liebe zu Vietnam<br />
haben.“<br />
Die jungen Doktoranden aus Vietnam sahen<br />
außerdem Geschichten über Künstler in<br />
Hanoi o<strong>der</strong> Kutscher in Potsdam, über den<br />
schmerzvollen und tragischen Lebensweg<br />
eines im Vietnamkrieg verletzten Kindes o<strong>der</strong><br />
über das Wie<strong>der</strong>sehen ehemaliger vietnamesischer<br />
Schüler eines Internats bei Dresden<br />
mit ihrer deutschen Lehrerin nach 50 Jahren.<br />
Alle unterschiedlichen Dokumentationen beeindruckten<br />
tief. „Wir erleben die Perspektiven<br />
von Deutschland auf Vietnam und umgekehrt“,<br />
sagt <strong>DAAD</strong>-Stipendiat Truong Nguyen<br />
Quang, <strong>der</strong> in Bonn an seiner Doktorarbeit<br />
über die Diversität von Reptilien und Amphibien<br />
arbeitet. „Den deutschen Stil im Blick eines<br />
vietnamesischen Kameramanns zu erkennen<br />
war für mich beson<strong>der</strong>s interessant.“<br />
Beteiligt an Regie und Kamera einiger Filme<br />
war etwa Tran Dung Tien, <strong>der</strong> seit 1984<br />
an <strong>der</strong> damaligen Hochschule für Filmkunst<br />
in Babelsberg den deutschen Blick durch die<br />
Filmkamera lernte und sein anschließendes<br />
Regiestudium nach <strong>der</strong> politischen Wende in<br />
Deutschland an <strong>der</strong> HFF abschloss. „Junge Filmemacher<br />
brauchen viel kulturelles Wissen“,<br />
sagt Hans Hattop, <strong>der</strong> seit über 30 Jahren an<br />
<strong>der</strong> HFF und seit 1997 auch in Hanoi lehrt und<br />
das Festival für den <strong>DAAD</strong> konzipierte. „Wenn<br />
sie etwas über das Leben erzählen wollen,<br />
müssen sie das Leben und die Gefühle <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en<br />
kennen.“ In Tien vereinigen sich zwei<br />
Wahrnehmungswelten: „Die Filmhochschule<br />
hat meine Denkweise und meinen Charakter<br />
geprägt. Ich bin eine Mischung aus Deutschem<br />
und Vietnamesen geworden.“<br />
Dokumentarfilm: Vietnamesen<br />
reisen an den Ort ihrer Kindheit –<br />
Moritzburg bei Dresden<br />
Zwei Kulturen im Herzen und im suchenden<br />
Blick – durch alle neun gezeigten Filme zog<br />
sich dieses Thema. „Die Filme dokumentieren<br />
in hohem Maß die Begegnung <strong>der</strong> Kulturen“,<br />
sagt Hans Hattop. Nur in Dokumentarfilmen<br />
sei man berechtigt, Fragen zu stellen, mit denen<br />
man Menschen auch zu nahe treten kann.<br />
„Da sind dann Irritationen zu spüren, die aber<br />
nicht kränkend sind. Der Wechsel <strong>der</strong> Perspektiven<br />
ist wichtig.“<br />
Bettina Mittelstraß<br />
Deutschlandjahr in Vietnam<br />
Am Deutschlandjahr unter dem Motto<br />
„Stadt <strong>der</strong> <strong>Zukunft</strong> – <strong>Zukunft</strong> <strong>der</strong> Stadt“ beteiligte<br />
sich die <strong>DAAD</strong>-Außenstelle in Hanoi<br />
mit vielen Veranstaltungen.<br />
Zum Essaywettbewerb in deutscher Sprache<br />
reichten vietnamesische Studierende 33<br />
Aufsätze über ihre Visionen einer lebenswerten<br />
„Traumstadt“ ein. Zu gewinnen gab<br />
es Hochschulsommerkurse in Deutschland.<br />
Zehnjähriges Jubiläum feierte das Vietnamesisch-Deutsche<br />
Zentrum an <strong>der</strong> Technischen<br />
Universität Hanoi mit einem Tag<br />
<strong>der</strong> offenen Tür und 400 Ehrengästen. Seit<br />
Bestehen des Begegnungszentrums für wissenschaftliche<br />
Zusammenarbeit wurden<br />
hier mehr als 500 Veranstaltungen mit über<br />
10 000 Teilnehmern organisiert.<br />
14 Workshops mit 265 <strong>DAAD</strong>-Alumni und<br />
insgesamt 870 Teilnehmern zeigten über<br />
das Jahr hinweg die Bandbreite des wissenschaftlichen<br />
Austausches im Maschinenbau,<br />
Transport, Ingenieurswesen, Didaktik,<br />
Wasserwirtschaft, Agrarwissenschaft, Verkehrstechnik,<br />
Elektronik, Mathematik und<br />
Recht.<br />
<strong>DAAD</strong> Letter 3/10
In ständigem kontakt<br />
50 <strong>DAAD</strong>-Informationszentren agieren auf dem<br />
globalisierten Bildungsmarkt<br />
Die Leiter <strong>der</strong> Informationszentren sind Botschafter des Studien- und Forschungsstandorts<br />
Deutschland und wichtiger Teil des weltumspannenden <strong>DAAD</strong>-Netzwerks. Die Zentren<br />
sind in 46 Län<strong>der</strong>n vertreten, im Oktober startete das 50. in Kamerun.<br />
Für Hongkonger Studierende ist die Sache<br />
relativ klar: Auslandssemester streben sie<br />
in den USA, Großbritannien o<strong>der</strong> Australien<br />
an. Für ihr Interesse an einem Studien- o<strong>der</strong><br />
Forschungsaufenthalt in Deutschland sorgt<br />
Sylvia Brandt, seit drei Jahren Leiterin des<br />
<strong>DAAD</strong>-Informationszentrums (IC) in Hongkong.<br />
„Da wir nicht auf einen vorhandenen<br />
Pool an Interessierten zurückgreifen können,<br />
setzen wir mit unserer Marketingarbeit weit<br />
unten an“, sagt Sylvia Brandt. „Wir punkten<br />
mit Argumenten – mit <strong>der</strong> Konkurrenzfähigkeit<br />
des deutschen Hochschulsystems gegenüber<br />
den englischsprachigen Län<strong>der</strong>n.“<br />
Hongkong sei ein spannen<strong>der</strong>, aber gleichzeitig<br />
schwieriger Markt, sagt sie. Es gibt eine<br />
lange Tradition des Auslandsstudiums, aber<br />
das Angebot ist groß und die Studierenden<br />
wollen umworben werden. Sylvia Brandt besucht<br />
deshalb Schulen und Hochschulen in<br />
Hongkong, lädt zu Präsentationen über Studien-<br />
und Lebensbedingungen in Deutschland<br />
<strong>DAAD</strong> Letter 3/10<br />
© <strong>DAAD</strong><br />
Traumhafter Ausblick:<br />
Hochschulmarketing<br />
in Hongkong<br />
ein, produziert Werbe- und Informationsmaterial<br />
und berät in ihrem Büro Abiturienten und<br />
Universitätsabsolventen. Gleichzeitig ist sie<br />
Ansprechpartnerin für Universitäten bei<strong>der</strong><br />
Län<strong>der</strong>, die an einer Zusammenarbeit interessiert<br />
sind. „Beson<strong>der</strong>s wichtig ist in Hongkong<br />
<strong>der</strong> persönliche Kontakt. Ich muss genau<br />
wissen, wen ich wo anspreche, muss präsent<br />
sein und wichtige Partner immer wie<strong>der</strong> persönlich<br />
treffen“, so die IC-Leiterin.<br />
Das weltumspannende Netzwerk <strong>der</strong> <strong>DAAD</strong>-<br />
Informationszentren wird seit Ende <strong>der</strong> 1990er<br />
Jahre geknüpft. „Dabei haben das bestehende<br />
Netzwerk von über 400 <strong>DAAD</strong>-Lektoren weltweit<br />
genutzt“, berichtet Alexandra Gerstner,<br />
Referatsleiterin beim <strong>DAAD</strong> in Bonn. Auch die<br />
IC-Leiter unterrichten als <strong>DAAD</strong>-Lektoren an<br />
Universitäten in ihren Gastlän<strong>der</strong>n. Mit <strong>der</strong><br />
IC-Leitung ist die Unterrichtstätigkeit aber<br />
nur noch eine unter vielen Aufgaben. „Unsere<br />
IC-Leiter spüren hochschulpolitische Trends<br />
und Entwicklungen in ihren Gastlän<strong>der</strong>n auf<br />
daad<br />
Yaoundé: Rektor (Mitte), Hochschulminister und<br />
<strong>DAAD</strong>-Lektorin eröffnen das Informationszentrum<br />
und sind im ständigen Kontakt mit unserer<br />
wichtigsten Zielgruppe: Studierende und Wissenschaftler,<br />
die wir für einen Aufenthalt in<br />
unserem Land gewinnen wollen“, fasst <strong>DAAD</strong>-<br />
Präsidentin Sabine Kunst die Aufgaben und<br />
das Profil <strong>der</strong> <strong>DAAD</strong>-Repräsentanten im Ausland<br />
zusammen.<br />
Starke Expansion<br />
Beginnend mit Standorten in Argentinien,<br />
Thailand, Malaysia und Chile hat sich das<br />
Netzwerk in den vergangenen zehn Jahren<br />
rasant ausgedehnt. Ende 2003 gehörten 34<br />
Informationszentren dazu, Ende Oktober 2010<br />
wurde das 50. Informationszentrum in Kameruns<br />
Hauptstadt Yaoundé eröffnet.<br />
Dort hat IC-Leiterin Katja Buchecker an<strong>der</strong>e<br />
Sorgen als ihre Kollegin in Hongkong.<br />
Deutschland ist für Kameruner bereits eines<br />
<strong>der</strong> beliebtesten Studienziele im Ausland,<br />
die deutsche Sprache genießt in dem zentralafrikanischen<br />
Land hohes Ansehen, viele<br />
Kameruner lernen in <strong>der</strong> Schule Deutsch. Ein<br />
weiteres Plus: <strong>der</strong> Schulabschluss in Kamerun<br />
ist dem deutschen Abitur gleichgestellt.<br />
Dagegen steht die Zusammenarbeit zwischen<br />
kamerunischen und deutschen Hochschulen<br />
erst am Anfang. „Aktuell för<strong>der</strong>t <strong>der</strong> <strong>DAAD</strong><br />
nur ein Kooperationsprojekt zwischen den<br />
Universitäten Ngaoundéré und Bremen“, berichtet<br />
Buchecker. Deshalb will sie künftig<br />
auch Hochschulmitarbeiter beraten, die sich<br />
um eine Zusammenarbeit mit Deutschland<br />
bemühen.<br />
„Der Vorschlag für die Eröffnung neuer Informationszentren<br />
kommt in <strong>der</strong> Regel aus<br />
den Regionalreferaten des <strong>DAAD</strong>, die einzelne<br />
Län<strong>der</strong> o<strong>der</strong> ganze Regionen betreuen“,<br />
sagt Alexandra Gerstner. Zusätzlich werde<br />
das Potenzial vor Ort mit Hilfe von Bildungsmarktanalysen<br />
abgeschätzt. Allerdings ist ein<br />
weiterer Ausbau vorerst nicht geplant. „Nach<br />
<strong>der</strong> Expansionsphase kommt jetzt die Konsolidierungsphase.“<br />
Kristina Vaillant<br />
© <strong>DAAD</strong><br />
33
34 daad<br />
Stipendiaten forschen<br />
© York University<br />
Umweltwissenschaften<br />
Oasen in <strong>der</strong> Kältewüste<br />
Im harschen Klima des kanadischen<br />
Polar Bear Pass haben es<br />
Flora und Fauna schwer: Geringe<br />
Nie<strong>der</strong>schläge und Dauerfrostboden<br />
machen die hohe Arktis zu<br />
einer unwirtlichen Gegend. Nur<br />
eine ausgedehnte Teichlandschaft<br />
spendet hier Leben. „Die Teiche<br />
sind wie eine Oase in <strong>der</strong> Wüste“,<br />
erklärt <strong>DAAD</strong>-Stipendiatin Anna<br />
Abnizova. „Am Wasser leben unter<br />
an<strong>der</strong>em seltene Vogelarten und<br />
das Karibu, eine nordamerikanische<br />
Rentierart.“<br />
Die Umweltwissenschaftlerin<br />
von <strong>der</strong> York University in Toronto<br />
untersuchte über drei Jahre<br />
den natürlichen Kohlenstoffgehalt<br />
in arktischen Teichen Kanadas<br />
und Sibiriens, um auf den Stoffaustausch<br />
in diesen Gewässern<br />
schließen zu können. Für ihre Forschungen<br />
zur sibirischen Arktis arbeitete<br />
Anna Abnizova im Frühjahr<br />
und Sommer 2010 sieben Monate<br />
am Alfred-Wegener-Institut (AWI)<br />
in Potsdam. „Das <strong>DAAD</strong>-Stipendium<br />
hat mir ermöglich, vor Ort bei<br />
meinen deutschen Kollegen zu sein“, sagt<br />
die gebürtige Kasachin. „Man vergisst heute<br />
oft, dass Internet und Telefonkonferenzen<br />
den persönlichen Kontakt nicht ersetzen.“<br />
Das hatte Anna Abnizova bereits im Sommer<br />
2007 bei einem Praktikum im AWI schätzen<br />
gelernt. Bei ihrem Forschungsaufenthalt 2008<br />
begleitete sie die Wissenschaftler vom AWI auf<br />
einer Expedition nach Sibirien und nutzte das<br />
internationale Netzwerk des renommierten<br />
deutschen Instituts.<br />
Für ihre Dissertation verglich die 30-Jährige<br />
den Kohlenstoffgehalt <strong>der</strong> arktischen Teiche<br />
in Kanada und Sibirien über drei Jahre. Die<br />
Schwankungen des Werts geben Aufschluss<br />
darüber, wie es um die Ökosysteme <strong>der</strong> Teichlandschaft<br />
steht und welche Umweltfaktoren<br />
für den Zustand entscheidend sind. Die Umweltwissenschaftlerin<br />
warnt: „Die Teiche reagieren<br />
schon auf kleine Temperaturschwankungen,<br />
da sie sehr flach sind. Ein besseres<br />
Verständnis <strong>der</strong> Wasser- und Kohlenstoffbalance<br />
dieses empfindlichen Ökosystems zeigt<br />
uns, wie es auf Klimaän<strong>der</strong>ung in <strong>der</strong> Arktis<br />
reagiert.“<br />
Artenreiche Teichlandschaft in <strong>der</strong> Arktis: Der kanadische Polar Bear Pass<br />
Journalistik<br />
Keine Story ohne Stringer<br />
Kaum jemand kennt den Beruf des Stringers –<br />
doch ohne ihn wüssten wir wenig davon, was<br />
am an<strong>der</strong>en Ende <strong>der</strong> Welt geschieht. Stringer<br />
sind Einheimische in Entwicklungslän<strong>der</strong>n,<br />
die ausländische Reporter bei <strong>der</strong> Berichterstattung<br />
unterstützen. Die meisten Stringer<br />
arbeiten als Journalisten, manche aber auch<br />
als Taxifahrer o<strong>der</strong> Barchef. Ihre wichtigste<br />
Kompetenz: Sie haben gute Kontakte in ihrem<br />
Land. „Gebuchter Pauschalreiseanbieter für<br />
Journalisten“ beschrieb ein deutscher Reporter<br />
im Interview mit <strong>DAAD</strong>-Stipendiatin Annika<br />
Zeitler den Job. Die Journalistikstudentin<br />
von <strong>der</strong> Technischen Universität Dortmund<br />
beschäftigt sich in ihrer Diplomarbeit mit dem<br />
Alltag von Stringern in Sambia. Dafür recherchierte<br />
sie im Sommer 2010 zwei Monate vor<br />
Ort im südlichen Afrika.<br />
Zuerst traf sie deutsche Auslandskorrespondenten<br />
deutscher Fernsehsen<strong>der</strong> in Johannesburg<br />
und sprach mit ihnen über ihre Erfahrungen<br />
mit den einheimischen Freiberuflern.<br />
„Obwohl die deutschen Berichterstatter die<br />
Stringer für ihre wichtigste Informationsquelle<br />
halten, ist die Zusammenarbeit oft lose und<br />
schwierig“, erklärt Annika Zeitler. Die einheimischen<br />
Journalisten übersetzen, verschaffen<br />
Kontakte zu hochkarätigen Interviewpartnern,<br />
regeln Anreise und Unterkunft – und verschwinden<br />
nach getaner Arbeit wie<strong>der</strong>. Diese<br />
Flüchtigkeit beklagten auch die Stringer, mit<br />
denen sich Annika Zeitler in Sambia<br />
traf. „Viele von ihnen bemängeln außerdem,<br />
dass sie thematisch nicht eingebunden<br />
werden und die deutschen<br />
Journalisten ihre eigenen, oft stereotypen<br />
Geschichten im Kopf haben“, sagt<br />
die Diplomandin. Mit ihrer Arbeit will<br />
sie Anregungen für ein besseres Verhältnis<br />
zwischen Stringern und Auslandskorrespondenten<br />
geben.<br />
Afrika soll auch nach ihrem Abschluss<br />
ein wichtiges Thema für die<br />
Unersetzlich:<br />
Einheimische Journalisten<br />
unterstützen deutsche Kollegen<br />
<strong>DAAD</strong> Letter 3/10
junge Journalistin bleiben. „Afrika-Korrespondentin<br />
zu werden ist mein großer Traum“,<br />
sagt die freie Mitarbeiterin des Westdeutschen<br />
Rundfunks.<br />
Logistik<br />
Autos für die Stadt <strong>der</strong> <strong>Zukunft</strong><br />
Statt Lampen wird über Spiegel gelenktes Sonnenlicht<br />
benutzt, Solarpanels versorgen eine<br />
ganze Stadt mit Strom, geschickt kanalisierter<br />
Wind ersetzt Klimaanlagen: Was wie eine Vision<br />
aus einem Science-Fiction-Roman klingt,<br />
wollen die Vereinigten Arabischen Emirate<br />
mit <strong>der</strong> Konzeptstadt Masdar City Wirklichkeit<br />
werden lassen – mitten in <strong>der</strong> Wüste.<br />
<strong>DAAD</strong>-Stipendiatin Katharina Müller reichte<br />
einen Entwurf für das Transportsystem <strong>der</strong><br />
CO2-neutralen Stadt ein und schloss damit<br />
ihr Masterstudium ab. Für ihre Masterarbeit<br />
forschte sie ein halbes Jahr am Masdar Institute,<br />
in dem Mitarbeiter des renommierten<br />
Massachusetts Institute of Technology (MIT)<br />
arbeiten.<br />
Katharina Müller begann zuerst ein Mathematikstudium<br />
an <strong>der</strong> Universität Ulm, was<br />
sie bald zu praxisfern fand. Als an <strong>der</strong> Fachhochschule<br />
Ulm <strong>der</strong> Studiengang Logistik<br />
eingeführt wurde, wechselte sie. „Die ersten<br />
Semester waren aufgrund des vorangegangenen<br />
Mathematikstudiums nicht schwer“, erinnert<br />
sich die 28-Jährige. „Deshalb lernte ich<br />
nebenher noch Arabisch.“ Durch einen Professor<br />
ihrer Fachhochschule kam sie bereits<br />
im Bachelorstudium für ein Praktikum in die<br />
Vereinigten Arabischen Emirate.<br />
Als Katharina Müller im März 2009 mit ihrer<br />
Masterarbeit begann, gab es noch kein ausgereiftes<br />
Konzept für den öffentlichen Transport<br />
in Masdar City. Nur eins war klar: In <strong>der</strong><br />
Stadt sollte es keinen Privatverkehr geben und<br />
Personen und Güter sollten in kleinen Elektrofahrzeugen<br />
beför<strong>der</strong>t werden, die an Stationen<br />
bereitstehen. Katharina Müller versucht in<br />
<strong>DAAD</strong> Letter 3/10<br />
© privat<br />
© picture-alliance/Godong<br />
CO2-frei fortbewegen: Elektromobil für die Ökostadt Masdar City<br />
ihrer Arbeit das Service-Zeit-Verhältnis sowie<br />
den Energieverbrauch zu optimieren. Anhand<br />
von Tabellen musste sie bestimmen, mit wie<br />
vielen Nutzern an welchen Orten zu rechnen<br />
ist. Sie schrieb ein neues Programm, das die<br />
Fortbewegung <strong>der</strong> intelligenten fahrerlosen<br />
Elektromobile und verschiedene Nachfrage-<br />
und Störungsszenarien simulierte. Die erste<br />
Testschleife des Transportsystems wird <strong>der</strong>zeit<br />
in Betrieb genommen, und die Simulation<br />
<strong>der</strong> Ulmer Absolventin kann nun um die<br />
exakten Betriebsdaten ergänzt werden. In <strong>der</strong><br />
Heimat wurde ihre Mühe belohnt: Katharina<br />
Müller erhielt den mit 2 000 Euro dotierten<br />
Wieland-Preis für Nachhaltigkeit 2010.<br />
Musikwissenschaft<br />
Symbiose von Musik und Macht<br />
„Das Gewandhausorchester war das musikalische<br />
Aushängeschild <strong>der</strong> DDR“, sagt <strong>der</strong> amerikanische<br />
Musikwissenschaftler Jonathan<br />
Yaeger über die Vergangenheit des noch heute<br />
weltberühmten Leipziger Orchesters. Der<br />
<strong>DAAD</strong>-Stipendiat von <strong>der</strong> Indiana University<br />
forschte 13 Monate in Leipzig zur Geschichte<br />
des Gewandhausorchesters in <strong>der</strong> DDR. In<br />
sechs Archiven durchforstete er hauptsächlich<br />
Akten aus den Jahren 1970 bis 1990 – darunter<br />
auch Dokumente des DDR-Geheimdienstes<br />
– und führte rund zwanzig Interviews mit ehemaligen<br />
Orchestermitglie<strong>der</strong>n, Kulturfunktionären<br />
und Komponisten. Das Verhältnis von<br />
Orchester und Partei beschreibt <strong>der</strong> US-Amerikaner<br />
als symbiotisch. Die Sozialistische Einheitspartei<br />
Deutschlands (SED) habe das Prestige<br />
des Gewandhausorchesters gebraucht, um<br />
im Ausland den Eindruck eines kultivierten,<br />
humanistischen Staates zu vermitteln. „Die<br />
Musiker erhielten im Gegenzug Privilegien“,<br />
erläutert <strong>der</strong> Musikwissenschaftler. „Deshalb<br />
hat auch nur eine verschwindend geringe Zahl<br />
von ihnen die internationalen Tourneen zur<br />
Flucht genutzt.“<br />
daad<br />
Trotzdem waren die Musiker in <strong>der</strong> Bevölkerung<br />
nicht etwa als Opportunisten verschrien<br />
– die Leipziger liebten ihr Orchester. Grund<br />
dafür war nicht zuletzt <strong>der</strong> hoch geschätzte<br />
Star-Dirigent Kurt Masur, <strong>der</strong> das Gewandhausorchester<br />
ab 1970 leitete. Während <strong>der</strong><br />
Protestmärsche 1989 setzte er seine moralische<br />
Autorität ein, um die Leipziger Demonstranten<br />
und die SED-Führung von einem<br />
friedlichen Vorgehen zu überzeugen. „Heute,<br />
20 Jahre nach dem Mauerfall, sind mir die immer<br />
noch bestehenden ökonomischen Unterschiede<br />
zwischen Ost- und Westdeutschland<br />
aufgefallen“, sagt Jonathan Yaeger. „Aber gerade<br />
unter jungen Leuten hatte ich das Gefühl,<br />
dass sie keine Grenze mehr sehen.“<br />
Auch mit <strong>der</strong> heutigen Leipziger Musikszene<br />
kam Jonathan Yaeger in Kontakt: Er sang<br />
während seines Aufenthalts selbst im Gewandhauschor.<br />
Dort habe er Freundschaften<br />
geschlossen und viel über die deutsche Kultur<br />
und Mentalität gelernt. „Die Deutschen sind<br />
nicht sehr aufgeschlossen, aber wenn man<br />
sie einmal ‚geknackt‘ hat, schließen sie einen<br />
wirklich fest ins Herz“, sagt <strong>der</strong> 35-Jährige.<br />
Julia Walter<br />
Kurt Masur 1990:<br />
künstlerisch und politisch eine Autorität<br />
© dpa<br />
35
36<br />
© <strong>DAAD</strong>/Lichtenscheidt<br />
© Bundespresseamt<br />
daad<br />
nachrichten<br />
<strong>DAAD</strong>-Generalsekretärin<br />
Seit Oktober im Einsatz<br />
Nur wenige Tage nachdem Dorothea<br />
Rüland am 1. Oktober ihr<br />
Amt als <strong>DAAD</strong>-Generalsekretärin<br />
übernommen hatte, reiste sie an<br />
die German University in Cairo,<br />
um dort die frischgebackenen<br />
Graduierten zu beglückwünschen.<br />
Weitere Auslandsbesuche<br />
folgten Schlag auf Schlag: Spanien,<br />
Türkei, Jordanien, Thailand,<br />
Irak. Auch in Deutschland reißen<br />
die Termine nicht ab. In Berlin<br />
begrüßte sie 500 neu geför<strong>der</strong>te<br />
<strong>DAAD</strong>-Stipendiaten, die in <strong>der</strong><br />
Hauptstadtregion studieren und<br />
forschen, in Bonn diskutierte sie<br />
mit chinesischen Akademikern,<br />
Dorothea Rüland:<br />
Internationalisierung<br />
aktiv mitgestalten<br />
wie stärkere Verbindungen zu<br />
Deutschland geknüpft werden<br />
können.<br />
Die promovierte Germanistin<br />
kennt den <strong>DAAD</strong> in all seinen Facetten:<br />
Zu Beginn ihrer Karriere<br />
arbeitete sie als Lektorin in Thailand,<br />
von 1994 bis 1999 leitete sie<br />
die Außenstelle in Jakarta, Indonesien.<br />
Bevor sie 2008 an die Freie<br />
Universität Berlin wechselte, um<br />
dort das Center for International<br />
Cooperation zu führen, war sie<br />
vier Jahre lang stellvertretende<br />
Generalsekretärin des <strong>DAAD</strong>.<br />
Was ausländische Studierende<br />
angeht, stehen die Zeichen auf<br />
Expansion: Trotz des harten internationalen<br />
Wettbewerbs um hochqualifizierten<br />
Nachwuchs ist ihre<br />
Zahl in Deutschland im vergangenen<br />
Jahrzehnt um 40 Prozent<br />
auf 245 000 gestiegen. „Hochschulmarketing,<br />
internationale<br />
Studienangebote und vereinfachte<br />
Aufenthaltsregelungen machen<br />
sich bemerkbar“, sagt Dorothea<br />
Rüland. Auf diesem Erfolg will<br />
sie sich aber nicht ausruhen. „Ich<br />
werde mit meinen Erfahrungen<br />
dazu beitragen, dass <strong>der</strong> <strong>DAAD</strong><br />
diesen Prozess weiterhin aktiv<br />
mitge staltet.“ KS<br />
Herzlicher Dank: Neben vielen Weggefährten verabschiedete auch<br />
Bundesaußenminister Guido Westerwelle (l.) den scheidenden<br />
<strong>DAAD</strong>-Generalsekretär Christian Bode. Bei <strong>der</strong> Feier am 28. September<br />
im Französischen Dom in Berlin würdigte <strong>der</strong> FDP-Politiker<br />
Bodes „nachhaltiges Engagement“ – sowohl für die innere Einheit<br />
Deutschlands als auch für die Verwurzelung in <strong>der</strong> internationalen<br />
Gemeinschaft.<br />
Deutsch-Türkische Universität<br />
Grundstein gelegt<br />
Die Deutsch-Türkische Universität<br />
(DTU) hat einen weiteren Meilenstein<br />
erreicht. Bundespräsident<br />
Christian Wulff und sein türkischer<br />
Amtskollege Abdullah Gül<br />
legten Mitte Oktober in Istanbul<br />
den Grundstein für die Hochschule.<br />
Die DTU soll zu einer international<br />
führenden Forschungsuniversität<br />
mit Schwerpunkt in den<br />
Ingenieurwissenschaften und zu<br />
einer Plattform für den kulturellen<br />
Austausch heranwachsen. Die<br />
Grundsteinlegung ist auch ein großer<br />
Erfolg für den <strong>DAAD</strong>: Die Bundesregierung<br />
hatte ihn beauftragt,<br />
das Universitätsprojekt zu entwickeln<br />
und zu koordinieren. Im<br />
Wintersemester 2011/12 soll die<br />
DTU ihre Arbeit aufnehmen. Zum<br />
Gründungsrektor ernannte <strong>der</strong><br />
türkische Präsident den Bauingenieur-Professor<br />
Ziya Sanal von <strong>der</strong><br />
Hochschule München. boh<br />
Indien/Göttingen<br />
Besser verstehen<br />
Der Vielvölkerstaat Indien ist<br />
unter den Entwicklungs- und<br />
Schwellenlän<strong>der</strong>n <strong>der</strong>zeit einer<br />
<strong>der</strong> interessantesten Partner für<br />
die Industrielän<strong>der</strong>. Das am 26.<br />
November offiziell eröffnete Centre<br />
for Mo<strong>der</strong>n Indian Studies<br />
(CeMIS) an <strong>der</strong> Universität Göttingen<br />
will einen Beitrag zu einem<br />
besseren Verständnis <strong>der</strong> indischen<br />
Gesellschaft leisten.<br />
In Lehre und Forschung geht es<br />
dort um das mo<strong>der</strong>ne Indien, als<br />
Ergänzung zur Indologie. Wichtig<br />
sind dabei aktive Partnerschaften<br />
mit indischen Universitäten. Das<br />
vom Land Nie<strong>der</strong>sachsen ko-finanzierte<br />
Zentrum ist ausdrücklich<br />
Start für Prestigeprojekt: Präsidenten Abdullah Gül<br />
(links) und Christian Wulff legen den Grundstein <strong>der</strong><br />
Deutsch-Türkischen Universität<br />
<strong>DAAD</strong> Letter 3/10<br />
© Reiner Zensen
interdisziplinär ausgerichtet. „Wir <strong>DAAD</strong>/OSI-Programm<br />
sind Anlaufstelle für Indologen,<br />
Wirtschafts- und Sozialwissen- Wegbereiter des Wandels<br />
schaftler o<strong>der</strong> auch Historiker Ihr Ziel ist eine starke Zivilge-<br />
und Philosophen“, erläutert Holk sellschaft, ihr Weg die Wissen-<br />
Stobbe, Geschäftsführer des Zentschaft. Seit zehn Jahren vergeben<br />
rums. Das CeMIS bietet Bachelor- <strong>der</strong> <strong>DAAD</strong> und das Open Society<br />
und Masterstudiengänge an. Institute (OSI) gemeinsam Sti-<br />
Daneben för<strong>der</strong>t <strong>der</strong> <strong>DAAD</strong> zwei pendien an Geistes-, Sozial- und<br />
weitere Einrichtungen an den Uni- Wirtschaftswissenschaftler aus<br />
versitäten Köln und Würzburg, als Ost- und Südosteuropa sowie aus<br />
„Zentrum für Mo<strong>der</strong>ne Indienstu- Zentralasien. Die kritischen jundien“<br />
im Rahmen seiner Initiative gen Denker sollen sich in ihren<br />
„A New Passage to India“. mk Heimatlän<strong>der</strong>n für mehr Frieden<br />
www.uni-goettingen.de/de/131257.html und Demokratie einsetzen. An-<br />
www.uni-goettingen.de/de/131257.html fang September feierten die Partner<br />
zusammen mit 40 aktiven<br />
Lücke schließen<br />
Der <strong>DAAD</strong> hat Anfang Oktober das deutsch-kolumbianische Exzellenzzentrum<br />
für Meereswissenschaften (CEMarin) in Santa Marta<br />
eröffnet. Das neue Zentrum hilft bei <strong>der</strong> Erforschung <strong>der</strong> extrem<br />
artenreichen Gewässer. „Bislang ist die marine Forschung jedoch<br />
unterrepräsentiert“, erklärt Thomas Wilke, Programmdirektor des<br />
CEMarin und Professor für Spezielle Zoologie und Biodiversitätsforschung<br />
an <strong>der</strong> am Zentrum beteiligten Universität Gießen. Das<br />
CEMarin will diese Lücke schließen. Dafür bietet es Nachwuchswissenschaftlern<br />
bei<strong>der</strong> Län<strong>der</strong> ein forschungsintensives und interdisziplinäres<br />
Ausbildungsprogramm.<br />
CEMarin erhält in den kommenden fünf Jahren 1,5 Millionen Euro<br />
För<strong>der</strong>mittel. Auf kolumbianischer Seite sind neben dem Meeresforschungsinstitut<br />
INVEMAR sieben Universitäten beteiligt, auf deutscher<br />
Seite sind es neben Gießen drei weitere Universitäten.<br />
www.cemarin.org<br />
Starkes Fundament<br />
Auf eine bereits bestehende Einrichtung kann das deutsch-chilenische<br />
Exzellenzzentrum für Forschung und Lehre in Santiago de Chile<br />
aufbauen, das Mitte Oktober eröffnet wurde. Es erweitert das 2002<br />
gegründete Heidelberg Center Lateinamerika – eine Art auswärtiges<br />
Graduiertenkolleg <strong>der</strong> Universität Heidelberg – um vier Fachrichtungen:<br />
Astronomie, Geowissenschaften, Medizinische Physik sowie<br />
Medizinische Informatik.<br />
Bislang lag <strong>der</strong> Fokus auf den Rechtswissenschaften und <strong>der</strong><br />
Psychotherapie. In Kooperation mit den beiden renommiertesten<br />
<strong>DAAD</strong> Letter 3/10<br />
Stipendiaten sowie 40 Alumni das<br />
Jubiläum in Berlin.<br />
„Viele sagen, dass sie heute die<br />
Auseinan<strong>der</strong>setzungen in ihren<br />
Heimatregionen von einer Außenperspektive<br />
betrachten – das heißt<br />
wissenschaftlich-distanzierter<br />
und damit auch friedlicher“, erzählt<br />
Manja Hussner, Leiterin des<br />
<strong>DAAD</strong>-Referats für den Kaukasus<br />
und Zentralasien. Das Programm<br />
wurde schnell so beliebt, dass es<br />
sich von acht auf 18 Län<strong>der</strong> ausdehnte.<br />
Insgesamt 700 Talente<br />
unterstützten die Partner bislang.<br />
www.daad.de/osi-bilanzbroschuere<br />
JW<br />
Exzellenzzentren – gemeinsame Spitzenforschung<br />
Im Rahmen <strong>der</strong> Außenwissenschaftsinitiative des Auswärtigen Amtes för<strong>der</strong>t <strong>der</strong> <strong>DAAD</strong><br />
weltweit vier Exzellenzzentren über die nächsten fünf Jahre. Diese sollen exzellente Spitzenforschung<br />
aus dem Ausland mit <strong>der</strong> deutschen Forschung vernetzen. Nach <strong>der</strong> Gründung<br />
des German-Russian Interdisciplinary Science Centers in Sankt Petersburg im März<br />
(siehe Letter Nr. 1/2010) folgte im Lauf des Jahres die Eröffnung <strong>der</strong> drei an<strong>der</strong>en.<br />
Universitäten Chiles – <strong>der</strong> Universidad de Chile und <strong>der</strong> Pontificia<br />
Universidad Católica de Chile – entwickelt das Center Studien- und<br />
Weiterbildungsprogramme für den lateinamerikanischen Bildungsmarkt<br />
und bietet diese auch an. „Wir haben uns in Lateinamerika<br />
positioniert, als viele ihren Blick noch ausschließlich auf Asien und<br />
Osteuropa richteten“, sagt Walter Eckel, Leiter des Heidelberg Center.<br />
In den kommenden fünf Jahren fließen 2,1 Millionen Euro in das<br />
Exzellenzzentrum.<br />
www.heidelberg-center.uni-hd.de<br />
Gute Regierungsführung<br />
Einen an<strong>der</strong>en Ansatz verfolgt das Exzellenzzentrum für Public Policy<br />
und gute Regierungsführung (German-Southeast Asian Center für Public<br />
Policy and Good Governance, CPG) in Thailand, das im November<br />
offiziell eingeweiht wurde. Im CPG, das an <strong>der</strong> Thammasat University<br />
in Bangkok angesiedelt ist, vergleichen und erforschen Wissenschaftler<br />
deutsches und südostasiatisches Recht. Ein zweiter Schwerpunkt<br />
ist die Lehre: Deutsches Recht, fachspezifisches Deutsch und Fortbildungen<br />
für Juristen stehen auf dem Programm. Zentrales Anliegen<br />
des CPG sei ein Rechtsstaatsdialog, so Jura-Professor Dirk Ehlers,<br />
Direktor des Instituts für öffentliches Wirtschaftsrecht <strong>der</strong> Universität<br />
Münster. „Wir sind fest davon überzeugt, dass ein solcher Dialog<br />
positive politische Auswirkungen haben wird.“<br />
Das Zentrum wird vom <strong>DAAD</strong> über fünf Jahre mit insgesamt 1,2<br />
Millionen Euro geför<strong>der</strong>t. Die Universitäten Münster, Frankfurt und<br />
Passau sind als gleichberechtigte Partner beteiligt.<br />
www.cpg-online.de dvr<br />
daad 37<br />
Große Sprünge wagen Daring to take a leap<br />
Zehn Jahre <strong>DAAD</strong>/OSI-Programm 10 years of the <strong>DAAD</strong>/OSI Programme<br />
Stipendien für Studierende und Wissenschaftler aus dem Kaukasus,<br />
aus Zentralasien, Weißrussland, Moldau, <strong>der</strong> Ukraine und Südosteuropa<br />
Scholarships for students and academics from the Caucasus,<br />
Central Asia, Belarus, Moldova, Ukraine and South Eastern Europe<br />
GEFÖRDERT DURCH<br />
20131 OSI-Bilanzbroschüre.indd 1 24.08.10 16:23
38<br />
daad<br />
10 Jahre IC Prag<br />
Wachsendes Interesse<br />
Auch 20 Jahre nach den politischen<br />
Umbrüchen in Europa<br />
wächst die gute Zusammenarbeit<br />
zwischen Tschechien und<br />
Deutschland weiter. Das zeigte<br />
deutlich das Symposium „Jenseits<br />
<strong>der</strong> Grenzen“, das das <strong>DAAD</strong>-<br />
Informationszentrum (IC) in<br />
Prag anlässlich seines zehnten<br />
Geburtstags zusammen mit <strong>der</strong><br />
Akademie <strong>der</strong> Wissenschaften <strong>der</strong><br />
Tschechischen Republik und <strong>der</strong><br />
Deutschen Botschaft im Oktober<br />
organisierte.<br />
Schwerpunkt des Symposiums<br />
waren die Neurowissenschaften<br />
– kein Zufall, denn das Fach<br />
steht beispielhaft für eine neue<br />
Entwicklung. „Immer häufiger<br />
interessieren sich in Tschechien<br />
die naturwissenschaftlichen Disziplinen<br />
für die Arbeit des <strong>DAAD</strong><br />
– auch Architekten und Ingenieurwissenschaftler“,<br />
sagt IC-Leiterin<br />
Astrid Winter.<br />
Darüber hinaus würde sich<br />
die tschechische Forschungslandschaft<br />
stark verän<strong>der</strong>n. Weil<br />
es etwa Graduiertenschulen in<br />
Tschechien noch nicht gibt, boten<br />
das Beispiel <strong>der</strong> Göttinger<br />
Graduiertenschule für Neurowissenschaften<br />
und <strong>der</strong> Beitrag des<br />
Medizin-Nobelpreisträgers Erwin<br />
Neher auf dem Symposium viele<br />
Anregungen für die <strong>Zukunft</strong>. bcm<br />
Entwicklungslän<strong>der</strong><br />
Lebensgrundlage sichern<br />
Abgeholzte Regenwäl<strong>der</strong>, verschmutztes<br />
Wasser, ineffizienter<br />
Umgang mit Energie – insbeson<strong>der</strong>e<br />
in Entwicklungslän<strong>der</strong>n<br />
kämpfen Menschen, Tiere und<br />
Pflanzen mit den Auswirkungen<br />
dieser Probleme. Weltweit „Ökologische<br />
Nachhaltigkeit“ for<strong>der</strong>t daher<br />
das siebte Millenniumsziel <strong>der</strong><br />
Vereinten Nationen. Dazu beitragen<br />
will das vom <strong>DAAD</strong> geför<strong>der</strong>te<br />
„Center for Natural Resources and<br />
Development“ (CNRD), das Mitte<br />
September an <strong>der</strong> Fachhochschule<br />
Köln eröffnet wurde.<br />
„Umdenken ist angesagt: Zur<br />
Sicherung unserer Lebensgrundlage<br />
muss das Gleichgewicht des<br />
Slums in Saigon: Menschen in Entwicklungslän<strong>der</strong>n leiden beson<strong>der</strong>s<br />
unter verschmutzten Gewässern<br />
Ökosystems und die Interaktion<br />
von Mensch und Umwelt in den<br />
Mittelpunkt rücken“, erklärt Antonio<br />
Reyes, <strong>der</strong> am CNRD die neu<br />
geschaffene Professur für „Management<br />
natürlicher Ressourcen“<br />
übernimmt. Im Verbund mit<br />
Partnerhochschulen in Mexiko,<br />
Brasilien, Vietnam, Ägypten, Jordanien,<br />
Mosambik, Chile, Nepal<br />
und Indonesien bauen die Kölner<br />
Wissenschaftler Masterstudiengänge<br />
sowie einen Doktoranden-<br />
und Dozentenaustausch auf. Den<br />
Studierenden soll die Fähigkeit<br />
vermittelt werden, Ressourcen<br />
im regionalen Kontext nachhaltig<br />
zu managen. Der Fokus liegt auf<br />
Wasser, Land und Energie. bcm<br />
www.tt.fh-koeln.de/e/itt/index.htm<br />
Germanisten-Weltkongress<br />
Krise und Aufschwung<br />
In immer mehr Län<strong>der</strong>n werden<br />
Germanistik-Institute geschlossen<br />
o<strong>der</strong> in allgemeine Fremdsprachenabteilungen<br />
integriert. Die<br />
Konsequenz: Die Auslandsgermanistik<br />
muss neue Wege gehen.<br />
Über künftige Alternativen diskutierten<br />
Experten beim zwölften<br />
Weltkongress <strong>der</strong> Internationalen<br />
Vereinigung für Germanistik<br />
im Sommer in Warschau.<br />
„Eine Möglichkeit ist die stärkere<br />
Anbindung an Nachbarfächer<br />
o<strong>der</strong> die Kooperation mit eher<br />
anwendungsbezogenen Fächern<br />
wie Betriebswirtschaft o<strong>der</strong> Tourismus“,<br />
sagte Florian Gräfe, Lektor<br />
des <strong>DAAD</strong> an <strong>der</strong> Universidad<br />
de Guadalajara in Mexiko, bei einer<br />
vom <strong>DAAD</strong> organisierten Podiumsdiskussion.<br />
An dem Kongress<br />
nahmen mehr als 1500 Fachleute<br />
aus <strong>der</strong> ganzen Welt teil, etwa<br />
ein Drittel <strong>der</strong> Referenten waren<br />
<strong>DAAD</strong>-Alumni.<br />
Eine Untersuchung des Auswärtigen<br />
Amtes zur „Deutschen Sprache<br />
in <strong>der</strong> Welt“ hat allerdings<br />
ergeben, dass Deutsch in vielen<br />
Län<strong>der</strong>n noch immer die wichtigste<br />
Zweitsprache an Schulen<br />
ist. Teilweise habe die Zahl <strong>der</strong><br />
Deutsch-Lernenden sogar wie<strong>der</strong><br />
zugenommen. MCM<br />
www.ivg.uw.edu.pl<br />
Mexiko<br />
Talente vernetzen<br />
Netzwerke spielen für den Austausch<br />
in Wissenschaft und Wirtschaft<br />
eine wichtige Rolle. Wie<br />
man beide Bereiche geschickt<br />
verbindet, erlebten die rund 500<br />
Teilnehmer <strong>der</strong> Konferenz <strong>der</strong><br />
Deutschland-Alumni Ende Oktober<br />
in Mexiko-Stadt. Der <strong>DAAD</strong><br />
hatte sie fe<strong>der</strong>führend organisiert.<br />
Thema war die Bedeutung von<br />
Netzwerken zwischen Deutschland<br />
und Mexiko auf den Gebieten<br />
„Neue Medien“, „Energie<br />
und Klima“ sowie „Gesundheit“.<br />
Die Netzwerke können als mediale<br />
Plattform das Alumniportal<br />
Deutschland nutzen, dessen<br />
Launch in Mexiko den Rahmen<br />
<strong>der</strong> Konferenz bildete. Das Internetportal<br />
genießt dort hohes<br />
Ansehen: „Das Alumniportal<br />
Deutschland baut eine internationale<br />
Gemeinschaft qualifizierter<br />
Talente auf, die sich in Mexiko<br />
und Deutschland als exzellente<br />
Botschafter ihres Gast- und Heimatlandes<br />
hervorheben“, sagte<br />
Celia Toro, Generaldirektorin des<br />
Instituts Matías Romero im mexikanischen<br />
Außenministerium. Die<br />
parallel stattfindende Messe, auf<br />
<strong>der</strong> sich deutsche Unternehmen,<br />
wie Volkswagen, BMW, Bosch und<br />
Siemens, präsentierten, nutzten<br />
die Alumni als Kontakt- und Jobbörse.<br />
CW<br />
www.alumniportal-deutschland.org<br />
Alumni-Treffen<br />
Umwelt-Themen im Fokus<br />
Den Elementen Erde, Feuer, Wasser<br />
und Wind widmete sich Ende<br />
Oktober ein Alumni-Treffen des<br />
<strong>DAAD</strong> und <strong>der</strong> Alexan<strong>der</strong> von<br />
Humboldt-Stiftung in New York.<br />
Unter dem Motto „Facing the four<br />
Elements: Developing a Transatlantic<br />
Approach to Sustainability“<br />
begrüßten <strong>der</strong> stellvertretende Generalsekretär<br />
des <strong>DAAD</strong>, Ulrich<br />
<strong>DAAD</strong> Letter 3/10<br />
© ITT/FH Köln
Grothus, und <strong>der</strong> Generalsekretär<br />
<strong>der</strong> AvH-Stiftung, Enno Auf<strong>der</strong>heide,<br />
120 ehemalige Stipendiaten<br />
aus den USA und Kanada. Die<br />
Alumni beschäftigten sich mit<br />
Landwirtschaft, Kernenergie und<br />
Versteppung sowie mit Nachhaltigkeit<br />
in Kunst und Wissenschaft.<br />
Die Ergebnisse sollen in einem<br />
Son<strong>der</strong>band <strong>der</strong> Zeitschrift „The<br />
Environmentalist“ veröffentlicht<br />
werden. Der kanadische Alumniverein<br />
des <strong>DAAD</strong> feierte seine<br />
Wie<strong>der</strong>gründung.<br />
Umwelt-Themen standen auch<br />
beim zeitgleich stattfindenden<br />
Alumni-Treffen „Pakistani and<br />
German Universities – Joining<br />
Forces for a Better Future“ in Islamabad<br />
im Mittelpunkt. Mehr als<br />
120 pakistanische Absolventen<br />
deutscher Universitäten und zehn<br />
deutsche Wissenschaftler diskutierten<br />
über Biowissenschaften,<br />
Anthropologie, Wasser-Ressource-<br />
Management und Konflikt-Studien.<br />
Neben aktuellen Forschungsergebnissen<br />
ging es um die Stärkung<br />
<strong>der</strong> Zusammenarbeit: „Unser Ziel<br />
ist ein lebendiges Netzwerk <strong>der</strong><br />
Kooperation zwischen deutschen<br />
und pakistanischen Hochschulen“,<br />
sagte Dr. Helmut Blumbach, Abteilungsleiter<br />
Süd im <strong>DAAD</strong>. CW<br />
Alumni-Verband Nigeria<br />
<strong>Zukunft</strong> Deutsch<br />
Deutschland hat sie geprägt. Darüber<br />
sind sich viele Nigerianer,<br />
die in <strong>der</strong> Bundesrepublik studieren,<br />
forschen und Deutsch lernen<br />
konnten, einig. Damit diese Zeit<br />
nicht in Vergessenheit gerät und<br />
Kontakte nicht verloren gehen,<br />
hat sich im Juli die <strong>DAAD</strong> Alumni<br />
Association of Nigeria gegründet.<br />
Die Idee entstand im November<br />
2009 während einer Veranstaltung,<br />
die das Institut für<br />
Medizinische Mikrobiologie <strong>der</strong><br />
Otto-von-Guericke-Universität<br />
in Magdeburg organisiert hatte.<br />
„Das Institut hatte seine einstigen<br />
Studierenden aus Afrika zu einem<br />
Alumni-Treffen eingeladen“,<br />
berichtet Adesola Ajayi, <strong>der</strong> Vorsitzende<br />
des frisch gegründeten<br />
Verbands. Unter den Teilnehmern<br />
waren viele Nigerianer, die von<br />
<strong>der</strong> Idee eines eigenen Verbandes<br />
<strong>DAAD</strong> Letter 3/10<br />
begeistert waren. Beim Auftakt<br />
hatte die Alumni-Vereinigung<br />
bereits 50 Mitglie<strong>der</strong>. „Zukünftig<br />
möchten wir qualifizierte Studierende<br />
ermuntern, sich um ein<br />
<strong>DAAD</strong>-Stipendium zu bewerben“,<br />
so Adesola Ajayi.<br />
Vorangetrieben hat die Gründung<br />
Shaban Mayanja aus Uganda,<br />
<strong>der</strong> bis Juli als <strong>DAAD</strong>-Dozent<br />
im nigerianischen Ile Ife gearbeitet<br />
hat. Seine Begeisterung für<br />
das Deutsche hat er an seine Studierenden<br />
weitergegeben und ist<br />
überzeugt: „Deutsch hat <strong>Zukunft</strong><br />
in Nigeria.“ KG<br />
10 Jahre CSP<br />
Verantwortung übernehmen<br />
In Berlin feierten Anfang November<br />
120 Alumni mit ihren För<strong>der</strong>ern<br />
das zehnjährige Bestehen des<br />
Carlo-Schmid-Programms (CSP).<br />
Der <strong>DAAD</strong> bietet darin gemeinsam<br />
mit <strong>der</strong> Studienstiftung des deutschen<br />
Volkes Praktikumsplätze in<br />
© Anne-Kathrin Herrmann<br />
Begeistert von<br />
<strong>der</strong> deutschen Sprache:<br />
Shaban Mayanja<br />
internationalen Organisationen.<br />
Viele Alumni arbeiten heute in<br />
verantwortungsvollen Positionen.<br />
Zu den Gästen zählte auch die<br />
Betriebswirtin Theresia Redigolo,<br />
2001 eine <strong>der</strong> ersten Stipendiatinnen.<br />
Mit 26 Jahren arbeitete<br />
sie bereits in New York bei <strong>der</strong><br />
UNO im Department of Peacekeeping<br />
Operations und stellte ziviles<br />
internationales Personal für<br />
UNO-Friedensmissionen ein. „Ich<br />
wollte meinen Beitrag zum Frieden<br />
leisten, indem ich kompetente<br />
Menschen suche und zusammenbringe.“<br />
Seit sechs Jahren ist sie<br />
Licht und Schatten in Jerusalem:<br />
Fotowettbewerb zum CSP-Jubiläum zeichnet Anne-Kathrin Herrmann aus<br />
© <strong>DAAD</strong><br />
daad 39<br />
beim Office of the United Nations<br />
High Commissioner for Human<br />
Rights in Genf und betreut nun<br />
selbst CSP-Praktikanten.<br />
Auch die an<strong>der</strong>en Alumni verstreut<br />
es in alle Welt. Dennoch<br />
pflegen sie untereinan<strong>der</strong> eine<br />
enge Verbindung - ein Teil <strong>der</strong><br />
Erfolgsgeschichte. Jährlich organisiert<br />
das 2003 gegründete<br />
CSP-Netzwerk für internationale<br />
Politik und Zusammenarbeit Tagungen<br />
für seine Mitglie<strong>der</strong>. Zum<br />
Jubiläum ging es um das Thema<br />
„Engagement für eine bessere<br />
Welt“. bcm
40 daad<br />
Als Aris Fioretos von 2003 bis 2007 Botschaftsrat<br />
für Kultur an <strong>der</strong> schwedischen<br />
Botschaft in Berlin war, machte er die Erfahrung:<br />
„Als Schwede kann man hier wenig<br />
falsch machen. Die Vorstellungen <strong>der</strong> Deutschen<br />
über Schweden sind von vornherein<br />
und fast übertrieben positiv.“ Jetzt haben es<br />
die Deutschen auch noch einem Schweden zu<br />
verdanken, dass die erste deutschsprachige Literaturnobelpreisträgerin<br />
aus ihrem Schattendasein<br />
befreit wurde: Im Berliner Jüdischen<br />
Museum erinnerte Fioretos im Frühjahr dieses<br />
Jahres mit einer von ihm zusammengestellten<br />
eindrucksvollen Ausstellung an die<br />
Dichterin Nelly Sachs (1891–1970).<br />
Die Berliner Jüdin war im Mai 1940 aus dem<br />
nationalsozialistischen Deutschland nach<br />
Stockholm entkommen. Dort schrieb sie in 30<br />
Jahren Exil ihr großes lyrisches Werk, das als<br />
literarisches Zeugnis für die ermordeten Juden<br />
gilt. Die Dichterin, die 1966 den Literaturnobelpreis<br />
erhielt, lebte sehr zurückgezogen,<br />
wollte als Person „anonym bleiben“. Dennoch<br />
gelang es Fioretos – ganz ohne indiskret zu<br />
sein – anhand von zahlreichen Objekten aus<br />
ihrem Leben und weitgehend unbekannten<br />
Fotos, Ton- und Bilddokumenten, die fast vergessene<br />
Dichterin einem großen Berliner Publikum<br />
nahezubringen.<br />
Begleitend zu <strong>der</strong> Ausstellung legte Fioretos<br />
die exquisite Bildbiografie „Flucht und Verwandlung“<br />
sowie eine vierbändige kommentierte<br />
Nelly-Sachs-Werkausgabe (beides im<br />
Suhrkamp Verlag) vor. Das alles verdankt sich<br />
spürbar nicht nur dem Engagement eines Literaturwissenschaftlers.<br />
„Das bin ich schon lange<br />
nicht mehr“, sagt Fioretos von sich selbst.<br />
Es ist vielmehr das einfühlsame Werk eines<br />
Autors über eine Autorin, die ihn seit<br />
seiner Studienzeit nie ganz losgelassen<br />
hat – vielleicht auch, weil es sich hier<br />
um ein Leben und Werk im Exil handelt.<br />
Emigrant war auch Aris Fioretos’ Vater.<br />
Der verließ Anfang <strong>der</strong> 1950er Jahre seine<br />
Heimat Griechenland, heiratete im Wiener<br />
Exil eine Österreicherin und ging mit ihr nach<br />
Schweden. In Göteborg wurde Aris Fioretos<br />
1960 geboren. Bis zu seinem fünften Lebensjahr<br />
war die Familiensprache Deutsch. Doch<br />
dann befand das Einwan<strong>der</strong>erkind, dass es<br />
sich durch sein Aussehen und<br />
© Sven Paustian<br />
© dpa<br />
den fremden Namen schon zu sehr von den<br />
Spielkameraden unterschied, und bestand<br />
darauf, zu Hause Schwedisch zu sprechen.<br />
Lachend erzählt Fioretos, dass sein Vater, Medizinprofessor<br />
in Lund, ihn schon als Zehnjährigen<br />
dazu heranzog, das Schwedisch seiner<br />
Vorlesungen zu korrigieren.<br />
Fioretos, <strong>der</strong> heute mit seiner schwedischen<br />
Frau und <strong>der</strong> sechsjährigen Tochter in Berlin<br />
und Stockholm lebt, kam als 18-Jähriger<br />
zum ersten Mal nach Berlin. Damals war es<br />
aus Liebe zur deutschsprachigen Literatur,<br />
wie er sagt. Er studierte Literaturwissenschaft<br />
in Stockholm und Yale (USA) und forschte<br />
1989/90 als Stipendiat des <strong>DAAD</strong> an <strong>der</strong> Freien<br />
Universität Berlin für seine Doktorarbeit<br />
über Höl<strong>der</strong>lin, Benjamin und Celan, die er<br />
1991 abschloss. Danach unterrichtete er<br />
Gestern Stipendiat – und heute...<br />
aris fioretos<br />
Schwedischer Schriftsteller<br />
Vergleichende Literaturwissenschaft an verschiedenen<br />
Universitäten <strong>der</strong> Welt, habilitierte<br />
sich 2001 – und wusste doch bereits, dass<br />
die akademische Laufbahn für ihn ein Irrweg<br />
war.<br />
„Ich wollte mich nur in <strong>der</strong> Nähe <strong>der</strong> Literatur<br />
aufhalten“, sagt <strong>der</strong> heute hoch angesehene<br />
Autor. „Erst nachträglich wurde mir klar,<br />
dass <strong>der</strong> akademische Umgang mit Literatur<br />
ein an<strong>der</strong>er ist als <strong>der</strong> des Schreibenden.“ Fioretos<br />
hat Autoren wie Höl<strong>der</strong>lin, Nabokov und<br />
Paul Auster ins Schwedische übersetzt und<br />
veröffentlichte seit 1991 selbst Prosa. Im Jahr<br />
2000 legte er seinen ersten, sehr erfolgreichen<br />
Roman „Stockholm noir“ (deutsch „Die<br />
Seelensucherin“) vor. Als Gast des Berliner<br />
Künstlerprogramms des <strong>DAAD</strong> recherchierte<br />
er 1997/98 bereits für seinen zweiten, 2002<br />
erschienenen Roman „Die Wahrheit über Sascha<br />
Knisch“.<br />
Das Buch spielt im Berlin <strong>der</strong> 20er Jahre,<br />
changiert zwischen Kriminalgeschichte und<br />
historischem Roman vor dem Hintergrund<br />
<strong>der</strong> damals aktuellen Sexualforschung. Es<br />
geht vor<strong>der</strong>gründig um Verkleidungen des<br />
Sexuellen, in Wahrheit um die Suche nach<br />
einem neuen Menschen in <strong>der</strong> Zeit kurz<br />
vor <strong>der</strong> politischen Katastrophe durch<br />
den Faschismus.<br />
Aris Fioretos begibt sich als Autor auf<br />
Wahrheitssuche, betreibt „Seelenarchäologie“,<br />
wie er es in seinem vom Berliner Künstlerprogramm<br />
herausgegebenen Essay „Mein<br />
schwarzer Schädel“ (2003) formuliert. Dazu<br />
gehört auch, dass er den Schreibprozess im<br />
Roman reflektiert, den Leser daran teilhaben<br />
lässt. In seinem jüngsten, 2009 erschienenen<br />
Roman „Der letzte Grieche“ bildet ein Kasten<br />
mit Karteikarten den erzählerischen Rahmen.<br />
Daraus entfaltet sich das vielschichtige Porträt<br />
<strong>der</strong> Hauptfigur, des Griechen Jannis Georgiadis,<br />
<strong>der</strong> in den 1960er Jahren nach Schweden<br />
emigrierte. Das Buch erscheint im Frühjahr<br />
2011 in deutscher Sprache.<br />
Die Wan<strong>der</strong>-Ausstellung „Flucht und Verwandlung“<br />
über Nelly Sachs wird nach Stationen<br />
in Berlin und Stockholm in Zürich<br />
(Dezember 2010 bis Februar 2011) und Dortmund<br />
(Oktober bis Dezember 2011) gezeigt.<br />
(www.nellysachs.com) Leonie Loreck<br />
<strong>DAAD</strong> Letter 3/10
© Privat<br />
köpfe<br />
Fasziniert und begeistert“ war<br />
die griechische Archäologin<br />
Maria Trumpf-Lyritzaki, als sie<br />
1956 von Athen nach Bonn kam,<br />
um hier ihren Doktor zu machen.<br />
„Deutschland war damals für<br />
Archäologie die erste Adresse“,<br />
erinnert sie sich. „In Griechenland<br />
war sie zu <strong>der</strong> Zeit noch kein<br />
eigenständiges Hauptfach, wir<br />
hatten nicht einmal Lehrbücher.“<br />
Sie selbst kam damals ohne Stipendium<br />
nach Deutschland, und<br />
auch heute, so bedauert sie, sind<br />
die Aussichten auf För<strong>der</strong>ung in<br />
dem Fach nicht gut. Deshalb finanziert<br />
sie in den nächsten fünf<br />
Jahren ein Stipendium für einen<br />
ein- bis zweijährigen Forschungsaufenthalt<br />
für junge griechische<br />
Nachwuchswissenschaftler und<br />
-wissenschaftlerinnen in Deutschland.<br />
Erste Stipendiatin ist die<br />
Athenerin Anastasia Meintani, die<br />
nun in München forscht.<br />
Maria Trumpf-Lyritzaki hat die<br />
Verwaltung ihrer Stiftung dem<br />
<strong>DAAD</strong> anvertraut, entscheidet<br />
aber – nach <strong>der</strong> Vorauswahl durch<br />
ein Professorengremium – über<br />
die Vergabe des Stipendiums<br />
selbst. Denn fachkundig ist sie<br />
bis heute geblieben – auch wenn<br />
sie selbst die Archäologie nie zu<br />
ihrem Beruf machen konnte. Mit<br />
ihrem Ehemann, dem deutschen<br />
<strong>DAAD</strong> Letter 3/10<br />
Diplomaten Jürgen Trumpf, führte<br />
sie ein „Wan<strong>der</strong>leben“, zog von<br />
Kairo über London nach Brüssel.<br />
Kennengelernt hatten sich die beiden<br />
als Studenten 1956 in Athen.<br />
„Er hatte damals das Glück, ein<br />
<strong>DAAD</strong>-Stipendium zu bekommen.“<br />
Llo<br />
Südkorea hat seit dem 1. Oktober<br />
einen Premierminister,<br />
<strong>der</strong> Deutschland eng verbunden<br />
ist. Der Jurist Kim Hwang-Sik war<br />
1978/79 <strong>DAAD</strong>-Stipendiat an <strong>der</strong><br />
Universität Marburg, wo er sich<br />
beson<strong>der</strong>s mit dem deutschen<br />
Zivilrecht beschäftigte. Nach Abschluss<br />
seines Studiums an <strong>der</strong><br />
Seoul National University war Kim<br />
als Richter tätig, zuletzt am Obersten<br />
Gerichtshof seines Landes.<br />
Bevor <strong>der</strong> 62-Jährige in das hohe<br />
Staatsamt berufen wurde, war er<br />
zwei Jahre lang Präsident des südkoreanischen<br />
Rechnungshofes.<br />
Gerade eine Woche als Premierminister<br />
im Amt, nahm er in<br />
Seoul an einem Symposium des<br />
„Alumninetzwerks Deutschland<br />
Korea“ (ADeKo) teil, dessen Vorstandsmitglied<br />
er ist. Das will er<br />
auch als Premierminister bleiben,<br />
versicherte er. Die Alumniarbeit<br />
bilde eine „stabile Brücke“ in den<br />
deutsch-koreanischen Beziehungen.<br />
Kim möchte sie in seinem<br />
neuen Amt „vollends unterstützen“.<br />
Gute politische und akademische<br />
Kontakte bedeuten ihm<br />
viel. Als Student in Marburg bewun<strong>der</strong>te<br />
er Deutschland als „ein<br />
Land, das sich mit seinen Nachbarlän<strong>der</strong>n<br />
versöhnt hat“. Llo<br />
© dpa<br />
Bereits im Alter von 14 Jahren<br />
wusste sie, dass sie<br />
einmal Forscherin werden wollte.<br />
So kaufte sich Ulla Bonas bereits<br />
während ihrer Schulzeit Bücher<br />
über Biochemie – und entschied<br />
sich schließlich für die Lebenswissenschaften.<br />
Schon früh hat<br />
die Genetik sie fasziniert, deshalb<br />
studierte die gebürtige Kölnerin<br />
Biologie und Botanik in ihrer Heimatstadt<br />
und spezialisierte sich<br />
schnell. Von Köln ging sie 1985<br />
mit einem Post-Doc-Stipendium<br />
des <strong>DAAD</strong> an die University of California<br />
in Berkeley (USA). In den<br />
USA begann sie die Forschungen,<br />
für die sie jetzt als eine von zehn<br />
Preisträgern mit dem wichtigsten<br />
und höchstdotierten deutschen<br />
För<strong>der</strong>preis für Grundlagenforschung,<br />
dem Gottfried Wilhelm<br />
Leibniz-Preis <strong>der</strong> Deutschen<br />
Forschungsgemeinschaft, ausgezeichnet<br />
wird.<br />
„Während <strong>der</strong> Auslandsaufenthalte<br />
in den USA und Frankreich<br />
konnte ich den Grundstein für<br />
meine Karriere legen“, ist sich die<br />
Professorin vom Institut für Biologie<br />
an <strong>der</strong> Martin-Luther-Universität<br />
Halle-Wittenberg sicher. Nun<br />
kann sie sich – wenige Tage vor ihrem<br />
55. Geburtstag – über 2,5 Millionen<br />
Euro Preisgeld freuen. Den<br />
Preis, <strong>der</strong> ihr im März 2011 überreicht<br />
wird, erhält die Genetikerin<br />
als weltweit führende Forscherin<br />
zu Wechselwirkungen zwischen<br />
krankheitsauslösenden Bakterien<br />
und Pflanzen. Ihr Schwerpunkt ist<br />
<strong>der</strong> Krankheitserreger Xanthomona,<br />
<strong>der</strong> die Fleckenkrankheit auf<br />
Paprika und Tomate verursacht,<br />
indem er <strong>der</strong>en Gene manipuliert.<br />
bw<br />
© Maike Glöckner<br />
daad 41<br />
Die „Villa“ galt in <strong>der</strong> DDR als<br />
Haus eines Partei-Bonzen,<br />
in Westdeutschland lediglich als<br />
schönes Wohnhaus für wohlhabende<br />
Bürger. Es gibt eine ganze<br />
Reihe solcher Wörter, die in <strong>der</strong><br />
DDR mit sehr stark positiven o<strong>der</strong><br />
negativen Assoziationen belegt<br />
waren und sich vom Sprachgebrauch<br />
in <strong>der</strong> Bundesrepublik<br />
deutlich unterschieden. Diese<br />
Wörter lassen sich schwer in an<strong>der</strong>e<br />
Sprachen übersetzen, ohne<br />
an Bedeutung zu verlieren. Die<br />
italienische Germanistin Marcella<br />
Costa hat sich mit diesem Problem<br />
beschäftigt, als sie Anfang <strong>der</strong><br />
1990er Jahre in Leipzig studierte.<br />
Heute ist Costa Professorin für<br />
germanistische Linguistik an<br />
<strong>der</strong> Universität Turin und hat<br />
sich in Forscherkreisen mit ihren<br />
innovativen Arbeiten einen<br />
Namen gemacht. Sie hat erheblich<br />
dazu beigetragen, dass sich<br />
die germanistische Linguistik in<br />
Italien etablieren konnte. Noch<br />
vor zehn Jahren gab es an italienischen<br />
Hochschulen kaum Stellen<br />
für das Fach, das inzwischen<br />
obligatorisch ist. Costa erhielt im<br />
September während <strong>der</strong> Deutsch-<br />
Italienischen Hochschultage in<br />
Trient den Ladislao Mittner-Preis.<br />
Der unter dem Dach des Deutsch-<br />
Italienischen Hochschulzentrums<br />
vergebene <strong>DAAD</strong>-Preis zeichnet<br />
italienische Wissenschaftler aus,<br />
die sich für die deutsch-italienische<br />
Verständigung engagieren.<br />
Er ist mit 5 000 Euro und einem<br />
einmonatigen Forschungsstipendium<br />
dotiert. boh<br />
© Privat
42<br />
daad<br />
bücher von unseren lesern<br />
Unterwegs in Venedig<br />
Venedig, Traumziel für Touristen<br />
aus aller Welt, fasziniert mit seiner<br />
kunsthistorischen Schönheit<br />
stets aufs Neue. Das museale<br />
sowie mo<strong>der</strong>ne Flair <strong>der</strong> italienischen<br />
Lagunenstadt beschreibt<br />
die ehemalige <strong>DAAD</strong>-Stipendiatin<br />
Birgit Weichmann einfühlsam in<br />
ihrem Reiseführer „Venedig und<br />
die Lagune“, <strong>der</strong> mehrfach neu<br />
aufgelegt und mit einem Buchpreis<br />
ausgezeichnet worden ist.<br />
Nun hat die gelernte Romanistin<br />
erneut ihr Expertenwissen<br />
zu Venedig ausgebreitet: „City-<br />
Trip Venedig“ heißt ihr neuestes<br />
Taschenbuch über die Stadt im<br />
Wasser – bestens geeignet auch<br />
für Jüngere, die ohne pralle Geldbörse<br />
auf Entdeckungsreise gehen<br />
möchten. Weichmann, die über<br />
den venezianischen Dichter Carlo<br />
Goldoni promovierte, lebt heute<br />
als Journalistin und Buchautorin<br />
in Berlin.<br />
Birgit Weichmann: Venedig und<br />
die Lagune. Verlag Peter Rump<br />
(6., neu bearbeitete Auflage) 2010<br />
Birgit Weichmann: City-Trip<br />
Venedig. Verlag Peter Rump 2010<br />
Sorge um Israel<br />
Erneut verhandeln Israelis und<br />
Palästinenser über eine Friedenslösung<br />
im Nahen Osten. Doch die<br />
Traumziel für Touristen: Venedig<br />
Chancen auf einen Kompromiss<br />
sind nach Ansicht des israelischen<br />
Historikers Moshe Zimmermann<br />
denkbar schlecht. Der Professor<br />
an <strong>der</strong> Hebräischen Universität Jerusalem,<br />
<strong>der</strong> vom <strong>DAAD</strong> bei mehreren<br />
Forschungsaufenthalten in<br />
Deutschland geför<strong>der</strong>t und mit<br />
dem Jacob- und Wilhelm-Grimm-<br />
Preis des <strong>DAAD</strong> ausgezeichnet<br />
wurde, geht in seinem neuen<br />
Buch mit <strong>der</strong> eigenen Regierung<br />
hart ins Gericht.<br />
Israels Kabinett, schreibt Zimmermann,<br />
mache sich zunehmend<br />
abhängig von nationalistischen<br />
Zionisten, Religiös-Orthodoxen,<br />
fanatischen Araber-Hassern,<br />
radikalen Siedlern und einer<br />
übermäßig einflussreichen „Militärkaste“.<br />
Die wirklich friedenswillige<br />
Min<strong>der</strong>heit gelte indessen<br />
weithin als Ansammmlung von<br />
Schwächlingen. Zimmermanns<br />
Buch hat in Israel heftige Kontroversen<br />
ausgelöst.<br />
Moshe Zimmermann: Die Angst<br />
vor dem Frieden. Aufbau Verlag<br />
2010<br />
Theorie des Übersetzens<br />
Texte zu übersetzen, ist für die Rumänin<br />
Larisa Cercel zwar durchaus<br />
eine praktische Tätigkeit, aber<br />
© Weichmann<br />
vielmehr noch ein Prozess, <strong>der</strong> theoretisch<br />
hinterfragt werden muss.<br />
Von Haus aus Romanistin und<br />
Germanistin und als Übersetzerin<br />
erfahren, forschte sie nach dem<br />
Masterstudium an <strong>der</strong> Universität<br />
Bukarest als <strong>DAAD</strong>-Stipendiatin<br />
in Darmstadt und Freiburg für<br />
ihre Doktorarbeit über hermeneutische<br />
Übersetzungstheorien von<br />
Schleiermacher bis heute.<br />
Als Herausgeberin des Bandes<br />
„Übersetzung und Hermeneutik“<br />
(in deutscher und französischer<br />
Sprache) gibt Cercel einen Überblick<br />
über die neueren Entwicklungen<br />
eines interdisziplinären<br />
Übersetzungskonzepts: Dieses<br />
bezieht Einsichten aus <strong>der</strong> sprachphilosophischen<br />
Hermeneutik<br />
ebenso ein wie Aspekte <strong>der</strong> Literatur-<br />
und Übersetzungswissenschaft.<br />
International renommierte<br />
Autoren befassen sich in<br />
dem Band unter an<strong>der</strong>em mit <strong>der</strong><br />
Rolle <strong>der</strong> übersetzenden Person<br />
im Übertragungsprozess und ihrem<br />
Umgang mit Texten in Bezug<br />
auf Verstehen, Interpretation und<br />
Kreativität.<br />
Larisa Cercel (Hrsg.): Übersetzung<br />
und Hermeneutik/Traduction et<br />
herméneutique. Zeta Books 2009<br />
Llo<br />
Rätsel-Lösungen<br />
Die LöSUNG des vorigen Letter-Rätsels lautet:<br />
APFELKUCHEN<br />
Die LÖSUNG ergibt sich aus folgenden Wörtern: Salat,<br />
pfeffer, Senf, Tee, leberwurst, kraut, Butter, Hechtsuppe,<br />
honig, Wein, Braten<br />
Einen Hauptpreis haben gewonnen:<br />
Hossein Sagheby, Berlin/Deutschland; Khrystyna<br />
Dyakiv, Lwiw/Ukraine; Shadi Amiri (Iran), Giessen/<br />
Deutschland; Olena Katny, Myslowice/Polen; Donald<br />
Mwathi, Maylands/Australien; Chryssowergis Nikolaos,<br />
Athen/Griechenland; Frédéric Cavallier, Brüssel/Belgien;<br />
Asel Mamytbaeva (Kirgistan), Berlin/Deutschland;<br />
Auri Rantakari, Kokkola/Finnland; Volodymyr Vladimir<br />
Goncharov (Ukraine), Freiburg/Deutschland<br />
Einen Trostpreis erhalten:<br />
Jan Čanda, Lhenice/Tschechien; Karolina Lulic, Sisak/<br />
Kroatien; Sanjar Islomov, Termiz/Usbekistan; Tetiana<br />
Chepurko, Simferopol/Ukraine; Sergio Navarro (Chile),<br />
Soest/Deutschland; Tünde Beatrix Karnitscher (Ungarn),<br />
München/Deutschland; Núria Picallo i Soler (Spanien),<br />
Bamberg/Deutschland; Mateo Ureña de Vivanco,<br />
München/Deutschland; Bernadetta Krkošková, Bratislava/<br />
Slowakei; Maria Popova, Sankt Petersburg/Russland<br />
Wer ist’s?<br />
CHRISTIANE NÜSSLEIN-VOLHARD<br />
Einen Preis erhalten:<br />
Natalia Iukhtina, Bischkek/Kirgistan; Lorina Coseac,<br />
Chisinau/Moldawien; Boglárka Török, Baja/Ungarn; Kyllikki<br />
Männikkö, Turku/Finnland; Davood Farshi, Zürich/Schweiz<br />
<strong>DAAD</strong> Letter<br />
Das Magazin für <strong>DAAD</strong>-Alumni<br />
Herausgeber:<br />
Deutscher Akademischer Austauschdienst e.V., Bonn<br />
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Weitere Autoren: Katrin Gänsler (KG), Boris Hänßler (boh),<br />
Christine Hardt, Christian Hohlfeld (cho), Dr. Klaus Hübner<br />
(Michel), Christoph Kessler (CK), Mareike Knoke (mk), Mirko<br />
Lomoth (lom), Bettina Mittelstraß (bcm), Bernd Müller (BM)<br />
Dietrich von Richthofen (dvr), Horst Willi Schors (ors), Kristina<br />
Vaillant (kv), Claudia Wallendorf (CW), Julia Walter (JW),<br />
Dr. Birgit Weichmann (bw), Sabine Wygas<br />
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Scholtes, Frie<strong>der</strong>ike Schomaker, Julia Vitz<br />
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Auch nicht ausgezeichnete Beiträge geben nicht in jedem Fall<br />
die Meinung des Herausgebers wie<strong>der</strong>.<br />
<strong>DAAD</strong> Letter erscheint dreimal im Jahr.<br />
Einzelpreis 6,– Euro, Jahresabonnement 15,– Euro<br />
inklusive Porto und MwSt.<br />
Printed in Germany – Imprimé en Allemagne PVST 20357<br />
Dieser Ausgabe liegt das Magazin Letter Literatur bei.<br />
Einem Teil dieser Ausgabe liegt ein Faltblatt des <strong>DAAD</strong>-<br />
Freundeskreises bei.
<strong>DAAD</strong> Letter 3/10<br />
Deutsche chronik<br />
Eine Auswahl von Ereignissen, die in <strong>der</strong> Bundesrepublik Schlagzeilen machten (1. August bis 30. November 2010)<br />
21. August<br />
Abschied vom Ausnahmetalent<br />
Der Regisseur, Autor und Aktionskünstler<br />
Christoph Schlingensief<br />
stirbt im Alter von 49 Jahren an<br />
den Folgen von Lungenkrebs. Kreativ<br />
und vielseitig, charmant und<br />
provokant – Schlingensief gilt als<br />
einer <strong>der</strong> wichtigsten deutschen<br />
Künstler <strong>der</strong> letzten Jahrzehnte.<br />
23. August<br />
Ende <strong>der</strong> Wehrpflicht<br />
Reform: Bundeswehr soll<br />
kleiner werden<br />
Verteidigungsminister Karl-Theodor<br />
zu Guttenberg (38) will die<br />
Wehrpflicht junger Männer aussetzen<br />
und die Bundeswehr um<br />
ein Drittel auf 163 500 Soldaten<br />
verkleinern. Das sieht das Konzept<br />
zur Bundeswehrreform vor,<br />
das <strong>der</strong> CSU-Politiker den Koalitionspartnern<br />
CDU und FDP vorstellt.<br />
Bislang galt die Wehrpflicht<br />
als unantastbar.<br />
30. September<br />
Protest gegen Bahnhofsbau<br />
Bei Protesten gegen den seit Februar<br />
2010 laufenden Umbau des<br />
Stuttgarter Hauptbahnhofs in einen<br />
unterirdischen Durchgangsbahnhof<br />
kommt es zu gewalttätigen<br />
Auseinan<strong>der</strong>setzungen. Das<br />
Bauprojekt „Stuttgart 21“ gilt als<br />
umstritten, die Zahl <strong>der</strong> Demonstranten<br />
steigt auf mehrere Zehntausende.<br />
Ab dem 22. Oktober<br />
vermittelt <strong>der</strong> CDU-Politiker Heiner<br />
Geißler (80) zwischen Projektbefürwortern<br />
und -gegnern.<br />
3. Oktober<br />
Keine Schulden mehr<br />
Zum 20. Jahrestag <strong>der</strong> deutschen<br />
Wie<strong>der</strong>vereinigung erlischt die<br />
Reparationsschuld, die Deutschland<br />
nach dem Ersten Weltkrieg<br />
(1914–1918) zu leisten hatte. Bis<br />
dahin musste das Land noch<br />
für Zinsen und Tilgung auf alte<br />
Staatsanleihen zahlen, die zur<br />
Finanzierung <strong>der</strong> Reparationszahlungen<br />
an die Siegermächte aufgenommen<br />
wurden.<br />
© dpa<br />
4. Oktober<br />
Bester Roman<br />
Die ungarisch-schweizerische<br />
Schriftstellerin Melinda Nadj<br />
Abonji (42) erhält den Deutschen<br />
Buchpreis für ihr Werk „Tauben<br />
fliegen auf“. Der beste Roman in<br />
deutscher Sprache wird jährlich<br />
gekürt. Der Preis ist mit 25 000<br />
Euro dotiert.<br />
14. Oktober<br />
Visionär gestorben<br />
Im Alter von 66 Jahren stirbt <strong>der</strong><br />
Umweltexperte und SPD-Politker<br />
Hermann Scheer. Weltweit bekannt<br />
wurde er durch seinen<br />
Einsatz für eine globale Energiewende.<br />
1999 erhielt er den Alternativen<br />
Nobelpreis in Anerkennung<br />
seines Engagements für die<br />
Solartechnik.<br />
27. Oktober<br />
Job-Wun<strong>der</strong>land<br />
Die Zahl <strong>der</strong> Arbeitslosen in<br />
Deutschland sinkt unter die Drei-<br />
Millionen-Marke. Das ist <strong>der</strong> niedrigste<br />
Stand seit 1992. Ursache ist<br />
<strong>der</strong> rasche wirtschaftliche Aufschwung<br />
nach <strong>der</strong> Krise.<br />
28. Oktober<br />
Umstrittenes Energiekonzept<br />
Mit den Stimmen <strong>der</strong> Koalition<br />
von CDU und FDP beschließt <strong>der</strong><br />
Bundestag ein umstrittenes Energiekonzept:<br />
Atomkraftwerke dürfen<br />
nun im Schnitt zwölf Jahre länger<br />
am Netz bleiben. Die Entscheidung<br />
mobilisiert die Anti-Atomkraft-Bewegung:<br />
Zehntausende<br />
demonstrieren am 6. November<br />
im norddeutschen Wendland gegen<br />
den Atommüll-Transport von<br />
<strong>der</strong> französischen Wie<strong>der</strong>aufarbeitungsanlage<br />
La Hague in das<br />
deutsche Zwischenlager Gorleben<br />
und die Energiepolitik <strong>der</strong> Regierung.<br />
30. Oktober<br />
Versöhnung durch Musik<br />
Der Preis des Westfälischen Friedens<br />
2010 geht an den Dirigenten<br />
Daniel Barenboim sowie die<br />
jungen Musiker des West-Eastern<br />
Divan Orchestra. Die mit 50 000<br />
Euro dotierte Auszeichnung belohnt<br />
<strong>der</strong>en Bemühungen um Annäherung<br />
und Versöhnung zwischen<br />
Israelis und Palästinensern.<br />
3. November<br />
Integration überprüfen<br />
Rund 120 Teilnehmer treffen sich<br />
im Bundeskanzleramt in Berlin<br />
zum vierten Integrationsgipfel,<br />
darunter Vertreter von Migranten-<br />
organisationen, aus Politik, Wirt-<br />
schaft und öffentlichem Leben.<br />
Im Mittelpunkt stehen Integrationskurse<br />
und die Anwerbung von<br />
Migranten für den öffentlichen<br />
Dienst. Die Bundesregierung kündigt<br />
einen nationalen Aktionsplan<br />
an. Er soll die Umsetzung von<br />
Integrationszielen verbindlicher<br />
und besser nachprüfbar machen.<br />
13. November<br />
Ausgezeichnetes Engagement<br />
Literaturwissenschaftler Jan Philipp<br />
Reemtsma und Wirtschaftsmanager<br />
Hubertus Erlen erhalten<br />
den „Preis für Verständigung und<br />
Toleranz“ des Jüdischen Museums<br />
Berlin. Die Auszeichnung<br />
würdigt das Engagement für die<br />
Auseinan<strong>der</strong>setzung mit den Verbrechen<br />
des Nationalsozialismus<br />
sowie gegen Antisemitismus und<br />
Rassismus.<br />
14. November<br />
Jung, jünger, Vettel<br />
Formel-1-Pilot Sebastian Vettel sichert<br />
sich durch den Sieg im letzten<br />
Rennen in Abu Dhabi, Vereinigte<br />
Arabische Emirate, erstmals<br />
den Weltmeister-Titel. Mit 23 Jah-<br />
© WEDO/Luis Castilla<br />
© dpa<br />
Jüngster Formel-1-Champion:<br />
Sebastian Vettel<br />
ren ist er <strong>der</strong> jüngste Titelträger<br />
in <strong>der</strong> Königsklasse des Autorennsports.<br />
15. November<br />
Merkel bestätigt<br />
Die CDU wählt Bundeskanzlerin<br />
Angela Merkel (56) erneut zur<br />
Parteivorsitzenden. Sie erhält<br />
beim Parteitag in Karlsruhe 90,4<br />
Prozent <strong>der</strong> Stimmen – rund vier<br />
Prozentpunkte weniger als 2008.<br />
24. November<br />
Gentechnik-Gesetz rechtens<br />
Landwirte, die auf Gentechnik<br />
setzen, müssen zahlen, wenn verän<strong>der</strong>te<br />
Pollen ein Nachbarfeld<br />
verunreinigen. Mit dieser Entscheidung<br />
bestätigt das Bundesverfassungsgericht<br />
in Karlsruhe<br />
das geltende Gentechnik-Gesetz.<br />
28. November<br />
Vorzeitiges Aus in Hamburg<br />
Die Grün-Alternative Liste verkündet<br />
den Ausstieg aus dem<br />
Regierungsbündnis mit <strong>der</strong> CDU<br />
in Hamburg. Damit steht die erste<br />
schwarz-grüne Koalition in einem<br />
Bundesland nach nur zwei Jahren<br />
vor dem Aus. Das Verhältnis <strong>der</strong><br />
beiden Koalitionsparteien hatte<br />
sich nach dem Wechsel des Ersten<br />
Bürgermeisters – auf Ole von<br />
Beust (55) folgte im August 2010<br />
Christoph Ahlhaus (40), beide<br />
CDU – verschlechtert.<br />
Grenzen überwinden: Daniel Barenboim<br />
und das West-Eastern Divan Orchestra<br />
43