DIAKONIE 35 - Diakonie Düsseldorf
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<strong>Diakonie</strong> <strong>35</strong> Jugend und Familie<br />
14 <strong>Diakonie</strong> <strong>35</strong><br />
Jugend und Familie<br />
Der Trauer Raum geben, das Unfassbare fassen<br />
Wie Eltern den Verlust eines Kindes verarbeiten können<br />
Es ist ein kleines Wunder,<br />
dass Nathalie und Robert<br />
Schlosser* noch ein Paar sind.<br />
Mehr noch: dass sie heute<br />
eine fünfköpfige Familie sind,<br />
mit ihren drei Kindern Anna,<br />
Paul und Ben. Eigentlich<br />
gehört noch ein viertes dazu,<br />
doch ihr Erstgeborener David<br />
ist im Alter von zweieinhalb<br />
Jahren an einer Lebererkrankung<br />
gestorben. Pfarrer Olaf<br />
Schaper, der das Paar anschließend seelsorglich<br />
betreute, weiß: „Mehr als die<br />
Hälfte der Paare, die ein Kind verlieren,<br />
trennt sich zwei bis drei Jahre danach.“<br />
Dass die Schlossers hier zur anderen<br />
Hälfte gehören, ist einerseits ihrer offenen<br />
Art zu verdanken, sie reden miteinander<br />
und mit anderen, sorgen für sich selbst.<br />
Anderseits haben sie sich aber auch nicht<br />
gescheut, auf professionelle Hilfe bei der<br />
Bewältigung ihrer Trauer zurückzugreifen.<br />
Seit David im Alter von acht Monaten<br />
eine neue Leber eingepflanzt worden war,<br />
hatten sie Kontakt zu einem Kinderhospiz.<br />
Dort konnten sie in den ersten Tagen<br />
nach Davids Tod übernachten, wurden<br />
einfühlsam aufgefangen und bei den<br />
ersten Schritten der Trauerbewältigung<br />
begleitet. Sie konnten an der hauseigenen<br />
Trauergruppe für verwaiste Eltern teilnehmen<br />
und kamen in Kontakt mit Olaf<br />
Schaper, der die Notfallseelsorge <strong>Düsseldorf</strong><br />
leitet. Für Robert Schlosser wurde<br />
Am 7. November beginnt die Trauergruppe<br />
für verwaiste Eltern der<br />
Evangelischen Beratungsstelle in der<br />
Altstadt. Nach Anmeldung und einem<br />
Vorgespräch können Eltern gemeinsam<br />
oder einzeln an zehn Treffen teilnehmen.<br />
Die Teilnahme ist kostenfrei<br />
und unabhängig von Wohnort, Alter,<br />
Konfession oder Religion. Mehr Informationen,<br />
auch über Einzelberatung, und<br />
Anmeldung unter Telefon 866040<br />
er ein wichtiger Gesprächspartner, regelmäßig<br />
besuchte er ihn im Haus der Kirche.<br />
Schaper war in den 90er-Jahren auf den<br />
Bedarf nach Trauerarbeit für verwaiste<br />
Eltern gestoßen und startete im Jahre<br />
2001 ehrenamtlich eine Trauergruppe.<br />
Bei trauernden Eltern gibt es eine Hemmschwelle,<br />
an einer solchen Trauergruppe<br />
teilzunehmen, überhaupt aus ihrer Isolation<br />
herauszugehen. Robert Schlosser<br />
erinnert sich noch sehr genau: „Das erste<br />
halbe Jahr war grausam, man<br />
sitzt im Büro und bekommt<br />
überhaupt nicht mit, was um<br />
einen herum geschieht.“ Die<br />
Ehepartner lasen viele Bücher,<br />
von denen sie das Gefühl<br />
hatten, sie würden helfen<br />
und nicht helfen zugleich. Zu<br />
groß waren der Schmerz und<br />
die Verwirrung, zu unfassbar<br />
das Unfassbare. Sie saßen<br />
zusammen am Tisch und<br />
hatten doch das Gefühl, alleine zu sein<br />
mit ihrem Schmerz. Sie lebten ihr Leben<br />
gemeinsam weiter, aber es fühlte sich<br />
nach reinem Überleben an. Hier beginnt<br />
dann die Entfremdung, die so oft zur<br />
Trennung führt. Der Mut, diese doppelte<br />
Isolation zu verlassen und gemeinsam<br />
mit anderen zu trauern, überhaupt seiner<br />
Trauer Raum zu geben, wird oft belohnt<br />
durch beständige Freundschaften zu<br />
Menschen, die ein ähnliches Schicksal<br />
zu bewältigen haben. Nach acht Jahren<br />
brauchte Olaf Schaper eine Pause und<br />
stellte seine Trauergruppe ein. Ab Herbst<br />
nun führt die evangelische Beratungsstelle<br />
der <strong>Diakonie</strong> in der Altstadt diese<br />
wichtige Arbeit fort. Erfahrene Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeiter bieten sowohl Einzelberatung<br />
als auch eine Trauergruppe<br />
für verwaiste Eltern an.<br />
Manuel Falkenberg<br />
*Alle Namen geändert<br />
Wer eine Tagespflege für sein Kind<br />
sucht oder selbst Tagesmutter<br />
oder -vater werden möchte, kann sich<br />
beim Team der Tagespflege für<br />
Kinder informieren und beraten lassen:<br />
Telefon 0211 60 10 11 18<br />
Arbeiten unter Palmen – und nur die<br />
Affen gucken zu: In dem großen, hellen<br />
Spielzimmer mit der tropisch bemalten<br />
Wand würden sicher viele Mütter liebend<br />
gern ihr Kind abgeben. Vor allem, weil<br />
sie hier eine so engagierte „Vertretung“<br />
vorfinden: Jutta Köhnen arbeitet in einer<br />
freundlichen 60-Quadratmeter-Wohnung<br />
als Tagesmutter. Die 51-jährige spielt,<br />
tröstet, wickelt, putzt Nasen, liest Bilderbücher<br />
vor und kocht. Und sie freut<br />
sich jeden Tag, wenn die Mütter „ihre<br />
Vier“ bringen: Nina (1), Julia (2), Jannik<br />
(2) und Enno (1). „Jedes Kind hat eine<br />
so eigene Persönlichkeit, dass ich oft<br />
lachen muss. Und sie sind so lieb zueinander“,<br />
erzählt Jutta, wie die Kinder<br />
sie nennen. Das hört sich nach Friede,<br />
Freude, Eierkuchen an, aber natürlich<br />
gibt es auch mal Zank und Streit. Jutta<br />
Köhnen macht jedoch den Eindruck,<br />
dass solche Situationen sie nicht aus der<br />
Ruhe bringen. Sie habe viel Geduld, sagt<br />
sie, sei konsequent und – das Wichtigste<br />
– sie liebe Kinder.<br />
Über ihren Alltag erzählt Jutta Köhnen:<br />
„Die Kinder spielen die Hauptrolle, aber<br />
unser Tag ist sehr strukturiert. Die<br />
Mütter bringen ihre Kinder um 8 Uhr,<br />
dann frühstücken wir. Anschließend<br />
geht es an die frische Luft, bei jedem<br />
Wetter, auf den Spielplatz oder in den<br />
Park.“ Das gehe prima, lacht Jutta<br />
Köhnen: „Ich habe einen Doppelbuggy,<br />
und die Großen halten sich links und<br />
Doppelbuggy und Spielteppich Auch mit 51 Jahren hat<br />
Jutta Köhnen Spaß an ihrem Job als vierfache Tagesmutter<br />
rechts fest.“ Mittags wird immer frisch<br />
gekocht, nach dem Essen schlafen die<br />
Kinder zwei Stunden. Zeit für Jutta<br />
Köhnen, die Küche aufzuräumen und bei<br />
einer Tasse Kaffee mal durchzuatmen.<br />
Nachmittags spielen alle im Garten oder<br />
auf dem großen bunten Teppich, bauen<br />
oder kuscheln, und dabei liest „ihre<br />
Jutta“ ihnen etwas vor.<br />
Seit 20 Jahren ist Jutta Köhnen Tagesmutter,<br />
seit 2008 wird sie dabei, wie<br />
über 200 weitere Tagesmütter und<br />
-väter in <strong>Düsseldorf</strong>, von der <strong>Diakonie</strong><br />
betreut. Margarete Marseille ist Fachberaterin<br />
im Tagespflegeteam der <strong>Diakonie</strong><br />
und damit Ansprechpartnerin für alle<br />
Fragen rund um die Kinderbetreuung:<br />
„Wir beraten die Tagespflegepersonen zu<br />
allen Betreuungsthemen und motivieren<br />
sie, unsere Fortbildungen zu nutzen.<br />
Eltern wiederum vermitteln wir an<br />
geeignete Tagesmütter und -väter.“ Bevor<br />
jemandem Kinder anvertraut werden,<br />
wird er oder sie „auf Herz und Nieren“<br />
geprüft. Neben dem Schulabschluss,<br />
ärztlichem Attest und polizeilichem Führungszeugnis<br />
sind die persönliche und<br />
die Sachkompetenz entscheidend. „Wir<br />
führen Gespräche, die Bewerber müssen<br />
einen Fortbildungskurs absolvieren, und<br />
erst dann erteilt das Jugendamt die Pflegeerlaubnis“,<br />
so Margarethe Marseille.<br />
Danach überzeugen sich die Fachberater<br />
mindestens einmal jährlich davon, dass<br />
das häusliche Umfeld noch „stimmt“.<br />
15<br />
Im Durchschnitt bleiben die Kinder zwei<br />
Jahre in der Tagespflege, dann geht’s in<br />
die Kita. So ist es auch bei Jutta Köhnen.<br />
Abschiedsschmerz hat sie keinen. „Die<br />
Kinder brauchen den Wechsel, um<br />
sich weiter zu entwickeln“, sagt sie.<br />
Außerdem bleibe der Kontakt häufig<br />
erhalten. Ihr Berufsende als Tagesmutter<br />
sieht sie vorerst noch nicht: „Ich mach<br />
das gerne, und die Kinder geben mir so<br />
viel zurück.“<br />
Martina Peters