DIAKONIE 35 - Diakonie Düsseldorf
DIAKONIE 35 - Diakonie Düsseldorf
DIAKONIE 35 - Diakonie Düsseldorf
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
<strong>Diakonie</strong> <strong>35</strong> <strong>Diakonie</strong> und Kirchengemeinden 20 <strong>Diakonie</strong> <strong>35</strong><br />
<strong>Diakonie</strong> und Kirchengemeinden<br />
„Die Gemeinden müssen auf den Zug aufspringen.“<br />
Bürgerschaftliches Engagement eröffnet neue Chancen fürs<br />
Ehrenamt in Kirchengemeinden<br />
Lieber Herr Nolting, lieber Herr Frantzmann,<br />
das Europäische Jahr der Freiwilligentätigkeit<br />
neigt sich dem Ende zu. Da<br />
lohnt es sich zu fragen, welche Impulse<br />
es in Kirche und <strong>Diakonie</strong> Impulse setzen<br />
konnte. Zunächst ganz grundsätzlich:<br />
Welchen Stellenwert messen Sie dem<br />
Ehrenamt in Kirchengemeinden bei?<br />
Heinz Frantzmann: Ehrenamt hat in Kirchengemeinden<br />
immer schon eine hohe<br />
Bedeutung. Ehrenamtliche prägen die<br />
Landschaft einer Gemeinde und sind<br />
auch wegweisend für die Zukunft.<br />
Indem Begabungen stärker eingebunden<br />
werden in vorhandene und neu zu entwickelnde<br />
Arbeitsfelder, werden Weichen<br />
gestellt.<br />
Thorsten Nolting: Im Ehrenamt liegt<br />
für mich der Ursprung der Kirchengemeinde,<br />
denn das freie Engagement für<br />
die Gemeinschaft ist das Ursprungserlebnis<br />
christlicher Gemeinden.<br />
HF: Ja, es muss beides zusammenkommen.<br />
Dabei gibt es feste Aufgaben,<br />
die erledigt werden müssen, und es<br />
gibt Bereiche, die sich freier entwickeln<br />
können, in denen Menschen ihre Begabungen<br />
entfalten können.<br />
Entspricht denn die derzeitige Kultur des<br />
Ehrenamtes in den Kirchengemeinden<br />
Ihren Vorstellungen?<br />
HF: Nicht ganz, wenn ich die Großwetterlage<br />
zum Thema „Bürgerschaftliches<br />
Engagement“ sehe. Da ist viel in<br />
Bewegung, die Prognosen gehen von<br />
einer Zunahme des Engagements aus.<br />
Angesichts der vielen Menschen, die<br />
sich engagieren wollen und können,<br />
müssen die Kirchengemeinden, so mein<br />
Eindruck, aufpassen, dass dieser Zug<br />
nicht an ihnen vorbeifährt. Sondern sie<br />
müssen mit aufspringen und Menschen<br />
für ihre Arbeit werben und gewinnen.<br />
TN: Als ich 2006 zur damaligen Kreissynode<br />
<strong>Düsseldorf</strong>-Ost eingeladen war und<br />
darüber nachzudenken hatte, wie wohl<br />
die Rolle der Pfarrerinnen und Pfarrer in<br />
Zukunft aussehen würde, fiel mir auf: Sie<br />
werden wohl im Wesentlichen ehrenamtliche<br />
Aktivität zu koordinieren haben.<br />
Das ist auch jetzt schon ein großer Teil<br />
der pastoralen Arbeit, scheint mir aber<br />
in Zukunft noch wichtiger zu werden.<br />
Deshalb liegt in einer guten Ausbildung<br />
und einem offenen Verhältnis zu dieser<br />
Aufgabe ein guter Teil Zukunft für die<br />
Kirchengemeinden.<br />
HF: Das setzt voraus, dass Kirchengemeinden<br />
eine Konzeption entwerfen, in<br />
der sie genau diese Ziele beschreiben<br />
– auch im Hinblick auf künftige Pfarrstelleninhaberinnen<br />
und -inhaber. So<br />
lässt sich für die Zukunft ein klares<br />
Arbeitsfeld mit klaren Rahmenbedingungen<br />
abstecken, wie Ehrenamt in der<br />
Gemeinde gesehen und gelebt werden<br />
soll.<br />
Das klingt sehr gut, aber man merkt<br />
auch, dass wir dieses Gespräch ohne<br />
Kirchengemeinde führen. Was ist denn<br />
aus Ihrer Sicht realistisch zu erwarten<br />
in den nächsten Jahren? Sehen Sie eine<br />
Aufbruchbewegung in die Richtung, die<br />
Sie jetzt skizziert haben?<br />
HF: Eine Aufbruchbewegung sehe ich<br />
an Orten wie Familienzentren oder<br />
zentren plus und in der Gemeinwesen-<br />
<strong>Diakonie</strong>. Hier werden neue Arbeitsfelder<br />
in den Blick genommen, in denen<br />
neue Menschen Zugang finden zu den<br />
Gemeinden. Dies bedeutet dann auch,<br />
dass sich Gemeinden verändern, weil<br />
die Menschen, die Zugang finden, neue<br />
Ideen und neue Gedanken mitbringen.<br />
Das heißt für mich Milieu-Öffnung. Darin<br />
sehe ich die Zukunft des Ehrenamtes.<br />
Mit Pfarrer Thorsten Nolting<br />
und Pfarrer Heinz-Werner Frantzmann<br />
sprach Susanne Schwendtke<br />
Von den erheblichen Personalkürzungen,<br />
die die Kirchengemeinden entweder<br />
schon vollzogen haben oder noch vollziehen<br />
müssen, sind ja vor allem die<br />
Gemeindeschwestern betroffen, die<br />
bislang ehrenamtliches Engagement in<br />
Kirchengemeinden organisiert haben.<br />
Müssten nicht ausdrücklich noch mehr<br />
Ressourcen in diesen Bereich der Organisation<br />
des Ehrenamtes gelenkt werden?<br />
HF: Ja und nein. Natürlich ist es gut,<br />
wenn man mit möglichst viel hauptamtlichen<br />
Menschen im Bereich der<br />
Ehrenamtslandschaft wirken kann.<br />
Wenn jedoch diese Ressourcen nicht<br />
mehr gegeben sind, ist es Aufgabe<br />
der Gemeindeleitung nachzudenken:<br />
Wie wollen wir uns zukünftig aufstellen?<br />
Wollen wir den Gemeindeabbau<br />
begleiten oder wollen wir einen Gemeindeaufbau<br />
neu in den Blick nehmen?<br />
Diese Grundentscheidung muss sein,<br />
und dann müssen sich auch Menschen<br />
finden, die die neuen Ziele verfolgen und<br />
die über Formen wie Familienzentren<br />
und gemeinwesenorientierte Arbeit auf<br />
Menschen zugehen, sie ansprechen.<br />
Herr Nolting, kann <strong>Diakonie</strong> diesen Prozess<br />
denn unterstützen? Welche Rolle<br />
spielt <strong>Diakonie</strong> in dieser Entwicklung?<br />
TN: Menschen, die in Kirchengemeinden<br />
engagiert und christlich motiviert sind,<br />
bringen sich bei uns in diakonischen<br />
Einrichtungen ein. Deshalb ist es längst<br />
an der Zeit, unsere Einrichtungen als<br />
Teil der Kirchengemeinde zu sehen.<br />
Zum Beispiel wirkt die <strong>Diakonie</strong>-Tagesstätte<br />
Horizont für Wohnungslose mit<br />
Ehrenamtlichen und mit der Friedenskirchengemeinde<br />
zusammen, aus der<br />
Matthäi-Kirchengemeinde sind viele<br />
Ehrenamtliche im zentrum plus Flingern-Düsseltal<br />
aktiv, und die Arbeit der<br />
dortigen Gemeindepädagogin ist eng<br />
mit Arbeit der <strong>Diakonie</strong> verschränkt.<br />
Besonders die zentren plus haben es an<br />
vielen Stellen ermöglicht, das Engagement<br />
in Kirchengemeinden zu fördern.<br />
Dieses Engagement fordert uns in der<br />
<strong>Diakonie</strong> auch immer wieder heraus,<br />
das Zusammenspiel von Haupt- und<br />
Ehrenamt neu zu justieren. Hier haben<br />
die Kirchengemeinden viel mehr Übung,<br />
21<br />
da Ehrenamtliche die Gemeindearbeit<br />
wesentlich gestalten und Verantwortung<br />
übernehmen.<br />
Bei allem Freiwilligen-Management,<br />
das offensichtlich in Zukunft auch in<br />
Kirchengemeinden ansteht, möchte ich<br />
Sie abschließend fragen: Was bleibt<br />
das Besondere am Ehrenamt in der<br />
Kirchengemeinde?<br />
HF: Wenn Menschen sich in Kirchengemeinden<br />
engagieren, dann brauchen<br />
sie gute Rahmenbedingungen und Anerkennungsformen.<br />
Das ist das eine. Das<br />
Besondere entsteht aber gerade durch<br />
eine theologische und spirituelle Begleitung.<br />
Ehrenamtliche, vor allem Menschen,<br />
die neu in Kirchengemeinden<br />
auftauchen, setzen sich mit Fragen nach<br />
Spiritualität auseinander, mit Glaubensfragen.<br />
Begriffe wie Dankbarkeit, verantwortungsbewusstes<br />
Handeln, Geben<br />
und Nehmen sind Anknüpfungspunkte,<br />
religiöse Wurzeln neu zu entdecken und<br />
zu deuten. Diese Suchprozesse zu unterstützen,<br />
ist eine wichtige Zukunftsaufgabe<br />
in Kirchengemeinden und <strong>Diakonie</strong>.<br />
Und das gibt es wirklich nur bei uns.