Bewohnerprojekt Meine Therapie in Bild und Text - Casa Fidelio
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<strong>Bewohnerprojekt</strong><br />
<strong>Me<strong>in</strong>e</strong> <strong>Therapie</strong> <strong>in</strong> <strong>Bild</strong> <strong>und</strong> <strong>Text</strong><br />
Projektleiter/Bewohner: Silvio Wagner<br />
Projektteamer: Herbert Müller<br />
Teamer: Peter Forster<br />
Projektbegleiter: Andi Hofer<br />
E<strong>in</strong>gabedatum: 05. 2. 2008<br />
Abgabedatum: 18. 4. 2008
E<strong>in</strong>leitung<br />
<strong>Me<strong>in</strong>e</strong> <strong>Therapie</strong> <strong>in</strong> <strong>Bild</strong> <strong>und</strong> <strong>Text</strong> 2<br />
Dieses Projekt hatte das Ziel, mich mir selbst <strong>und</strong> me<strong>in</strong>en Gefühlen näher zu br<strong>in</strong>gen<br />
<strong>und</strong> ich denke, das ist mir sehr gut gelungen <strong>und</strong> hat mich sicherlich auch e<strong>in</strong>en<br />
Schritt weitergebracht. Nach anfänglichen Schwierigkeiten hat mir diese Arbeit immer<br />
mehr Freude bereitet <strong>und</strong> ich habe völlig neue Seiten an mir entdeckt.<br />
Ich hoffe, die <strong>Text</strong>e s<strong>in</strong>d für den Leser verständlich <strong>und</strong> er versteht, was ich mit den<br />
<strong>Bild</strong>ern ausdrücken möchte.<br />
Das <strong>Bild</strong> auf der Titelseite ist e<strong>in</strong>es me<strong>in</strong>er Liebl<strong>in</strong>gsbilder, der Mittelpunkt ist vom<br />
Auge e<strong>in</strong>er Katze abgeleitet. Für mich die fasz<strong>in</strong>ierendsten Augen e<strong>in</strong>es Tieres.<br />
Nun wünsche ich viel Vergnügen <strong>und</strong> e<strong>in</strong> kurzweiliges Lesen.<br />
Silvio Wagner
Inhaltsverzeichnis<br />
<strong>Me<strong>in</strong>e</strong> <strong>Therapie</strong> <strong>in</strong> <strong>Bild</strong> <strong>und</strong> <strong>Text</strong> 3<br />
1 Der Auslöser.........................................................................................................4<br />
2 <strong>Me<strong>in</strong>e</strong> Sucht..........................................................................................................5<br />
3 Die wacklige Leiter...............................................................................................9<br />
3.1 Das erste <strong>Bild</strong> entsteht ................................................................................................. 9<br />
3.2 Gedanken zum <strong>Bild</strong> (Die wacklige Leiter).............................................................12<br />
4 Notausgang (Flucht)...........................................................................................13<br />
4.1 Das zweite <strong>Bild</strong> entsteht............................................................................................13<br />
4.2 Gedanken zum zweiten <strong>Bild</strong> (Notausgang) ...........................................................15<br />
5 Das Tor zur Freiheit ...........................................................................................16<br />
5.1 Das dritte <strong>Bild</strong> entsteht.............................................................................................. 16<br />
5.2 Gedanken zum <strong>Bild</strong> (Das Tor zur Freiheit)............................................................20<br />
6 Die wütende Angst .............................................................................................22<br />
6.1 Das vierte <strong>Bild</strong> entsteht.............................................................................................22<br />
6.2 Gedanken zum <strong>Bild</strong> (Die wütende Angst) .............................................................25<br />
7 Das Ende naht….................................................................................................27<br />
8 Der Tag <strong>in</strong> der Fondation Beyeler.......................................................................29<br />
9 <strong>Me<strong>in</strong>e</strong> Erkenntnisse aus dieser Arbeit.................................................................32
1 Der Auslöser<br />
<strong>Me<strong>in</strong>e</strong> <strong>Therapie</strong> <strong>in</strong> <strong>Bild</strong> <strong>und</strong> <strong>Text</strong> 4<br />
<strong>Me<strong>in</strong>e</strong> Themen für dieses Projekt. Ursprünglich waren es e<strong>in</strong>mal drei Vorschläge,<br />
zwei davon die ich eigentlich lieber umgesetzt hätte. Entweder e<strong>in</strong>e Meditationswoche,<br />
alle<strong>in</strong>e <strong>in</strong> der Abgeschiedenheit oder e<strong>in</strong>e Befragung verschiedener Arbeitgeber<br />
zum Thema Stellensuche als Süchtiger.<br />
Im Nachh<strong>in</strong>e<strong>in</strong> muss ich sagen, ist wohl das Malen das S<strong>in</strong>nvollste von allen, da es<br />
mich zur Ause<strong>in</strong>andersetzung mit me<strong>in</strong>en Gefühlen zw<strong>in</strong>gt. Mir ist es bis heute e<strong>in</strong><br />
Rätsel, warum ich mir gegenüber so verschlossen b<strong>in</strong> <strong>und</strong> auch wenn ich will nicht<br />
immer an me<strong>in</strong> Inneres gelangen kann. Wahrsche<strong>in</strong>lich ist es e<strong>in</strong>e Art Selbstschutzmechanismus,<br />
der ohne me<strong>in</strong>e Kontrolle arbeitet <strong>und</strong> dessen Schema ich noch nicht<br />
kenne. Sicherlich b<strong>in</strong> ich auch weniger verletzlich, wenn me<strong>in</strong>e Gefühle im Dunklen<br />
schlummern <strong>und</strong> mir verborgen bleiben.<br />
Schon jetzt während dem Malen spüre ich oft, wie manche Er<strong>in</strong>nerungen nicht zum<br />
Vorsche<strong>in</strong> kommen wollen <strong>und</strong> ich es sofort aufschreiben muss, dass es nicht wieder<br />
vergessen geht. Bei den unangenehmen Themen wie <strong>Therapie</strong>, Scheidung, Verlusten<br />
oder schwierigen Ause<strong>in</strong>andersetzungen fällt es mir besonders schwer mich zu er<strong>in</strong>nern,<br />
ist teils sogar fast verschw<strong>und</strong>en <strong>und</strong> darum spüre ich wie es mir gut tut,<br />
mich <strong>in</strong> solche Situationen zu versetzen. Dann ist da noch me<strong>in</strong>e Ungeduld die mir<br />
ewig im Wege steht <strong>und</strong> mich daran h<strong>in</strong>dert, me<strong>in</strong>e freie Zeit die ich habe, ausgelassen<br />
zu nutzen <strong>und</strong> zu geniessen.<br />
Ich verspüre ständig Angst, die Zeit laufe mir davon <strong>und</strong> ich verpasse etwas, das<br />
me<strong>in</strong>e Zukunft bee<strong>in</strong>flussen könnte. Darum habe ich auch solche Mühe etwas für<br />
mich Unproduktives zu machen, wie Malen. Ich verspüre dabei immer das Gefühl,<br />
dass wichtigere D<strong>in</strong>ge liegen bleiben, die ich auch ohne zu malen sicherlich nicht<br />
Erledigen würde. Das ist wahrsche<strong>in</strong>lich noch e<strong>in</strong> altes Muster von mir, das mir immer<br />
im Weg steht obwohl ich <strong>in</strong>nerlich schon deutlich ruhiger geworden b<strong>in</strong> seit ich<br />
nicht mehr konsumiere.<br />
<strong>Me<strong>in</strong>e</strong> Motivation für dieses Projekt besteht aus den ersten beiden Punkten, Zugang<br />
zu me<strong>in</strong>en Gefühlen <strong>und</strong> was ist nützlich, unnützlich für mich im Moment. Ich b<strong>in</strong><br />
mir sicher, wenn ich mit diesen beiden Punkten e<strong>in</strong>en anderen Umgang f<strong>in</strong>de, wird<br />
sich me<strong>in</strong> Selbstwert aufbessern <strong>und</strong> ich kann viele Aktivitäten ruhiger <strong>und</strong> entspannter<br />
geniessen. Und bestenfalls wird es mir auch gel<strong>in</strong>gen, (für mich) unnütze<br />
Tätigkeiten als Hobby <strong>und</strong> Zeitvertrieb anzusehen <strong>und</strong> auszuüben. Für mich persönlich<br />
br<strong>in</strong>gt das Projekt täglich mehr S<strong>in</strong>n <strong>und</strong> me<strong>in</strong>e anfänglichen Widerstände werden<br />
immer weniger <strong>und</strong> sogar mit fremder Kritik lerne ich umzugehen, was anfangs<br />
nicht vorstellbar war. Mich nimmt es auch w<strong>und</strong>er wie das ganze am Schluss ankommt,<br />
da das Malen, <strong>und</strong> erst noch über Gefühle <strong>und</strong> <strong>Therapie</strong>, nicht viele Menschen<br />
<strong>in</strong>teressiert.<br />
Mit dem werde ich sicherlich auch am meisten Mühe haben, D<strong>in</strong>ge die mich nicht<br />
überzeugen habe ich schon oft getan, aber das M<strong>in</strong>imum an Anerkennung musste<br />
schon spürbar se<strong>in</strong> sonst war ich automatisch beim Punkt, es ist s<strong>in</strong>nlos für mich.<br />
Seit ich am Projekt arbeite ist mir aufgefallen, wenn’s mir schlecht geht <strong>und</strong> es mir<br />
trotzdem gel<strong>in</strong>gt e<strong>in</strong> paar St<strong>und</strong>en zu schreiben oder zu malen geht es mir danach<br />
schnell deutlich besser. Vielleicht ist das e<strong>in</strong>e Art neues Antidepressiva für mich, das<br />
ich auch <strong>in</strong> hohen Dosen e<strong>in</strong>nehmen kann, ohne dabei Nebenwirkungen zu verspüren.
2 <strong>Me<strong>in</strong>e</strong> Sucht<br />
<strong>Me<strong>in</strong>e</strong> <strong>Therapie</strong> <strong>in</strong> <strong>Bild</strong> <strong>und</strong> <strong>Text</strong> 5<br />
Mit diesem Kapitel möchte ich e<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>blick <strong>in</strong> me<strong>in</strong> bisheriges Leben gewähren,<br />
um so die <strong>Text</strong>e besser begreifen zu können <strong>und</strong> um zu wissen, um wen es sich handelt.<br />
1988<br />
Erster Kontakt mit Alkohol <strong>und</strong> Tabak mit Schulkollegen von Sub<strong>in</strong>gen, damals e<strong>in</strong>deutig<br />
als Zeichen der Zugehörigkeit zu werten. Ich war damals 15 Jahre alt <strong>und</strong><br />
sehr unzufrieden <strong>in</strong> der Schule.<br />
1989 – 1992<br />
Beg<strong>in</strong>n der Ausbildung als Landschaftsgärtner, Alkohol auf dem Arbeitsplatz war<br />
Normalität <strong>und</strong> immer zur Hand. Tagsüber bei Lehrl<strong>in</strong>gen noch tabu, aber am Feierabend<br />
gab’s schon mal e<strong>in</strong> Bier für die ganze Belegschaft. Nach der Arbeit traf ich<br />
mich mit Fre<strong>und</strong>en, meistens im Restaurant <strong>und</strong> habe schnell bemerkt, dass mir Alkohol<br />
hilft mich besser zu positionieren <strong>in</strong> der Gesellschaft. Dazu kam zugleich der<br />
Cannabis Konsum, der mich ähnlich beflügelte aber dazumal noch e<strong>in</strong> heikles Thema<br />
war für die Eltern.<br />
Gegen Ende der Lehre kamen dann auch öfters We<strong>in</strong> <strong>und</strong> Spirituosen <strong>in</strong>s Spiel, vor<br />
allem an Wochenenden lief es damals schon Richtung Komatr<strong>in</strong>ken. <strong>Me<strong>in</strong>e</strong>n Führersche<strong>in</strong><br />
machte ich im dritten Lehrjahr <strong>und</strong> kurz nach der Ausbildung wurde er auch<br />
schon wieder entzogen, wegen Fahren im angetrunkenen Zustand.<br />
1992 – 1994<br />
Nach me<strong>in</strong>er Ausbildung arbeitete ich als Strassenbauer <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Firma <strong>in</strong> der Nachbarschaft,<br />
<strong>in</strong> der zum „Znüni“ meistens Tee-Rum getrunken wurde <strong>und</strong> am Mittag<br />
Bier. Getränke, <strong>und</strong> so auch Bier, wurden von der Firma bezahlt <strong>und</strong> logischerweise<br />
auch toleriert.<br />
Und so war es für mich e<strong>in</strong>e Selbstverständlichkeit, dass auch während der Arbeit<br />
getrunken wurde <strong>und</strong> machte es den anderen gleich. Während dieser Zeit absolvierte<br />
ich auch die Rekrutenschule <strong>in</strong> Biere (VD), wo dann auch regelmässiger Konsum<br />
von Hero<strong>in</strong>, Koka<strong>in</strong> <strong>und</strong> auch LSD dazukam, das mich aber nie so richtig <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en<br />
Bann ziehen konnte.<br />
Das Kiffen h<strong>in</strong>gegen hat’s mir angetan, auch das war me<strong>in</strong> täglicher Begleiter <strong>und</strong><br />
auch beim ganzen Fre<strong>und</strong>eskreis bekannt.<br />
1994 – 1996<br />
Ich zog von Solothurn nach Rhe<strong>in</strong>felden, weil ich dort e<strong>in</strong>e Stelle als Vorarbeiter <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>er Gartenbaufirma antrat, da es mir zu wenig Herausforderung war als Hilfskraft<br />
im Strassenbau. Damit kam auch das Alle<strong>in</strong>e Se<strong>in</strong> <strong>und</strong> die Selbstkontrolle über me<strong>in</strong><br />
Tun <strong>und</strong> Lassen, <strong>und</strong> ich genoss es anfangs sehr so viel Freiheit zu haben.<br />
Der Alkoholkonsum nahm stetig zu <strong>und</strong> vor allem abends sass ich oft <strong>in</strong> Beizen um<br />
die Zeit zu vertreiben <strong>und</strong> lernte so schnell das halbe Baselbiet kennen. Auch das<br />
Kiffen nahm stetig zu, nur der Konsum harter Drogen blieb stabil <strong>und</strong> belief sich auf<br />
e<strong>in</strong> paar Mal im Jahr.<br />
Darauf folgte der zweite Führersche<strong>in</strong> Entzug, wieder wegen Alkohol <strong>und</strong> kurz darauf<br />
kam die Entlassung wegen der „schlechten Arbeitslage“.
<strong>Me<strong>in</strong>e</strong> <strong>Therapie</strong> <strong>in</strong> <strong>Bild</strong> <strong>und</strong> <strong>Text</strong> 6<br />
1996 - 2000<br />
Darauf wechselte ich <strong>in</strong> die Speditionsfirma wo ich sehr schnell Fuss fasste <strong>und</strong> mich<br />
schnell zum Lagerchef hocharbeitete. Dies jedoch war mit extrem viel Stress verb<strong>und</strong>en<br />
<strong>und</strong> die Überst<strong>und</strong>en wuchsen <strong>in</strong>s Horrende <strong>und</strong> wir tranken oft schon am Morgen<br />
früh bevor der grosse Ansturm begann. Durch die LKW-Fahrer lernte ich dann<br />
auch Speed kennen <strong>und</strong> empfand diesen Stoff als perfekt für die Arbeit <strong>und</strong> hatte<br />
dies auch meistens zur Hand als Rampenzoll von englischen Chauffeuren.<br />
Mir wurde dies bald zu viel <strong>und</strong> mit dem Frühl<strong>in</strong>g kam der Drang nach Strassenbau,<br />
<strong>und</strong> ich f<strong>in</strong>g als Vorarbeiter bei e<strong>in</strong>em basler Strassenbauer an. Der Konsum g<strong>in</strong>g<br />
diese Zeit zwar deutlich zurück, doch als es W<strong>in</strong>ter wurde, zog es mich wieder zurück<br />
<strong>in</strong> die alte Spedition wo es dr<strong>in</strong>nen warm <strong>und</strong> trocken war. Und schon g<strong>in</strong>g es<br />
wieder weiter wie zuvor <strong>und</strong> ich wusste, dass der Alkohol e<strong>in</strong> Problem für mich darstellte,<br />
aber es gelang mir bereits nicht mehr für e<strong>in</strong>e gewisse Zeit zu verzichten.<br />
Kurz darauf lernte ich me<strong>in</strong>e Ex-Frau kennen, die im gleichen Betrieb arbeitete <strong>und</strong><br />
es wurde ruhiger um mich. Ich veränderte mich total <strong>und</strong> wurde ziemlich brav. Kiffen<br />
habe ich auf praktisch Null reduziert <strong>und</strong> auch mit dem Tr<strong>in</strong>ken besserte es deutlich,<br />
dafür hatte ich e<strong>in</strong> Defizit an Ausgang <strong>und</strong> war nicht mehr wirklich zufrieden.<br />
2000 – 2001<br />
Es war nicht wirklich ideal mit der Fre<strong>und</strong><strong>in</strong> im<br />
gleichen Betrieb zu arbeiten, <strong>und</strong> so kündigten wir<br />
beide um <strong>in</strong> verschiedenen Betrieben tätig zu se<strong>in</strong>. Ich<br />
wechselte zu e<strong>in</strong>em anderen Spediteur <strong>und</strong> war<br />
anfangs recht zufrieden mit der Stelle <strong>und</strong> hatte<br />
wieder grosse Verantwortung, über 4000 m2<br />
Lagerfläche. Zugleich zog ich mit Monica <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e<br />
geme<strong>in</strong>same Wohnung nach Pratteln <strong>und</strong> führte seit<br />
langem wieder e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong> ganz normales Leben, das<br />
mich total e<strong>in</strong>engte. Es war mir anfangs wohl <strong>und</strong><br />
doch fehlte mir me<strong>in</strong> alter Lebenswandel den ich<br />
jahrelang hatte.<br />
2001 – 2003<br />
Durch die Diagnose Hodenkrebs bei mir <strong>und</strong> der<br />
darauf folgenden Chemotherapie, verlor ich auf e<strong>in</strong>en Schlag me<strong>in</strong>e ganze Energie<br />
<strong>und</strong> me<strong>in</strong> Durchsetzungsvermögen <strong>und</strong> begann öfters heimlich zu tr<strong>in</strong>ken. Kurz<br />
darauf heirateten wir <strong>in</strong> Spanien, der Heimat me<strong>in</strong>er Ex <strong>und</strong> veränderten uns ziemlich<br />
schnell komplett. Es kam mir vor als wären wir auf e<strong>in</strong>en Schlag e<strong>in</strong> altes Ehepaar<br />
geworden, das zu Hause sitzt <strong>und</strong> wartet bis sich etwas verändert. Dazu kamen<br />
bei me<strong>in</strong>er Frau immer stärkere Depressionen, die teils sogar Spitalaufenthalte mit<br />
sich zogen <strong>und</strong> für mich e<strong>in</strong>e extreme Belastung waren, die sich wiederum auf me<strong>in</strong>en<br />
Alkoholkonsum auswirkten. Und so steigerten sich unsere Probleme stetig, ohne<br />
dass wir uns Hilfe holten.<br />
Ich flüchtete erneut <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en anderen Job <strong>und</strong> arbeitete mit e<strong>in</strong>em langjährigen Arbeitskollegen<br />
zusammen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er neu eröffneten Firma ohne e<strong>in</strong>en Vorgesetzten. So<br />
hatten wir freie Hand, zu machen was uns beliebte. Und dies war sehr schlecht für<br />
uns beide, da wir zu wenig Selbstdiszipl<strong>in</strong> hatten um nüchtern zu arbeiten.
<strong>Me<strong>in</strong>e</strong> <strong>Therapie</strong> <strong>in</strong> <strong>Bild</strong> <strong>und</strong> <strong>Text</strong> 7<br />
2003 – 2004<br />
Me<strong>in</strong> Kollege <strong>und</strong> ich sahen beide e<strong>in</strong>, dass es so nicht weitergehen kann <strong>und</strong> entschlossen<br />
uns etwas Neues zu beg<strong>in</strong>nen. Darauf wechselten wir zusammen, wieder<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e grosse Spedition <strong>in</strong> Muttenz. Er als Leiter Umschlag <strong>und</strong> ich als Lagerchef<br />
Export, die Verlockung war der riesen Lohn, weil wir e<strong>in</strong>en guten K<strong>und</strong>en mitbrachten.<br />
In dieser Zeit mussten me<strong>in</strong>er Frau auch noch die Nebennieren entfernt werden <strong>und</strong><br />
sie litt an Depressionen die bis zu Suizidversuchen führten, was mir die letzte Energie<br />
raubte <strong>und</strong> ich auch zu spüren gab. Kurz darauf folgte dann auch schon die<br />
Trennung <strong>und</strong> ich lebte alle<strong>in</strong>e <strong>in</strong> unserer Wohnung <strong>in</strong> Pratteln <strong>und</strong> konnte wieder<br />
tun <strong>und</strong> lassen was ich wollte. Das war dann auch der Anfang vom Ende <strong>und</strong> ich<br />
begann <strong>in</strong>s Endlose zu tr<strong>in</strong>ken, fast schon komatös. Am Morgen brauchte ich jeweils<br />
e<strong>in</strong>e Flasche Vodka, damit ich arbeiten konnte ohne zu Zittern. Ich habe bald bemerkt,<br />
dass ich die Verantwortung me<strong>in</strong>es Jobs mit diesem Pegel nicht mehr wahrnehmen<br />
konnte <strong>und</strong> habe darauf diese Stellung wieder gekündigt.<br />
2004 – 2005<br />
Nun war ich wieder e<strong>in</strong> E<strong>in</strong>zelkämpfer,<br />
auf mich alle<strong>in</strong>e gestellt <strong>und</strong> arbeitete<br />
temporär als Strassenbauer ganz ohne<br />
Führungskompetenz. Somit war ich<br />
me<strong>in</strong>e Verantwortung los <strong>und</strong> es<br />
<strong>in</strong>teressierte lange niemand, dass ich<br />
e<strong>in</strong> erhebliches Alkoholproblem hatte.<br />
Es reichte aus am Morgen pünktlich zu<br />
ersche<strong>in</strong>en.<br />
Bis ich dann e<strong>in</strong>es Tages grössere<br />
Me<strong>in</strong>ungsunterschiede mit me<strong>in</strong>em Polier hatte, <strong>und</strong> ich von der Arbeit davonlief.<br />
Zu dieser Zeit, im Dezember 04, heiratete ich me<strong>in</strong>e jetzige Frau Ana, da sie sonst<br />
nicht bei mir <strong>in</strong> der Schweiz bleiben konnte. Von da an arbeitete ich nur noch wochen-<br />
oder tageweise, wie es gerade kam <strong>und</strong> trank teilweise bis zur Bewusstlosigkeit.<br />
Zu dieser Zeit schnupfte ich auch öfters Koka<strong>in</strong> <strong>und</strong> Hero<strong>in</strong>. Me<strong>in</strong> ges<strong>und</strong>heitlicher<br />
Zustand verschlechterte sich rapide <strong>und</strong> ich nahm 25 Kilogramm an Gewicht<br />
(Wasser) zu.<br />
2005 – 2006<br />
Im Frühl<strong>in</strong>g 05 fand mich e<strong>in</strong> Nachbar <strong>in</strong> me<strong>in</strong>er Wohnung, ich wusste von nichts<br />
(hatte e<strong>in</strong>en mehrtägigen Filmriss) <strong>und</strong> rief die Ambulanz. Im Spital versetzten sie<br />
mich <strong>in</strong> e<strong>in</strong> künstliches Koma, wegen den starken Entzugsersche<strong>in</strong>ungen <strong>und</strong> e<strong>in</strong>er<br />
fortgeschrittenen Lungenentzündung. Zusätzlich wurde festgestellt, dass ich <strong>in</strong> me<strong>in</strong>er<br />
Wohnung e<strong>in</strong>en Entzugs-Krampfanfall (Epilepsie) erlitt.<br />
Nach der Entlassung, begann ich gleich wieder zu arbeiten <strong>und</strong> bald auch wieder zu<br />
tr<strong>in</strong>ken. Innert weniger Tage war ich wieder beim alten Tr<strong>in</strong>kverhalten <strong>und</strong> begann<br />
morgens mit Vodka. Nach e<strong>in</strong>igen mehrtägigen Arbeitsausfällen lies ich mich wieder<br />
völlig gehen <strong>und</strong> es erfolgte e<strong>in</strong> erneuter Krampfanfall, <strong>und</strong> ich erwachte im Spital.<br />
Danach wurde mir von den Ärzten <strong>und</strong> der Suchthilfe dr<strong>in</strong>glichst empfohlen, e<strong>in</strong>e<br />
<strong>Therapie</strong> zu machen. Somit g<strong>in</strong>g ich direkt im Anschluss, im November 05, nach<br />
Ellikon <strong>in</strong> die Forell Kl<strong>in</strong>ik zur <strong>Therapie</strong>.
<strong>Me<strong>in</strong>e</strong> <strong>Therapie</strong> <strong>in</strong> <strong>Bild</strong> <strong>und</strong> <strong>Text</strong> 8<br />
2006 – 2007<br />
Im April 06 war die <strong>Therapie</strong> abgeschlossen <strong>und</strong> ich wechselte den Wohnsitz von<br />
Pratteln BL nach Laupersdorf SO. Nach e<strong>in</strong>igen Rückfällen schaffte ich es dank Antabus<br />
über e<strong>in</strong> halbes Jahr trocken zu bleiben. Ich fand e<strong>in</strong>e Festanstellung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />
Tiefbaufirma <strong>in</strong> Basel wo es mir sofort gefiel. Im W<strong>in</strong>ter 06 begann ich wieder zu<br />
tr<strong>in</strong>ken, <strong>und</strong> setzte das Antabus ab worauf es schnell wieder bergab g<strong>in</strong>g mit me<strong>in</strong>er<br />
Ges<strong>und</strong>heit.<br />
2006-2007<br />
Nach e<strong>in</strong>igen leichten Entzügen mit Valium oder Temesta, landete ich an We<strong>in</strong>achten<br />
schliesslich <strong>in</strong> der KPK Solothurn für e<strong>in</strong>en weiteren Entzug. Zusammen mit<br />
me<strong>in</strong>em Beistand <strong>und</strong> dem Arbeitgeber setzten wir e<strong>in</strong>en Suchtvertrag auf, der mir<br />
noch e<strong>in</strong>e Chance bot, <strong>und</strong> ich begann im Januar wieder zu arbeiten. Aber bereits im<br />
März erfolgte e<strong>in</strong> nächster schwerer Rückfall <strong>und</strong> ich lieferte mich selber mit 4 Promille<br />
<strong>in</strong>s Regionalspital Dornach e<strong>in</strong>. Mir war klar, dass ich noch nicht stark genug<br />
war, <strong>und</strong> nochmals e<strong>in</strong>e <strong>Therapie</strong> brauchte. Ich wartete <strong>in</strong> der KPK Solothurn auf<br />
e<strong>in</strong>en freien <strong>Therapie</strong>platz <strong>in</strong> der Forel Kl<strong>in</strong>ik <strong>in</strong> Ellikon. Währenddessen wurde<br />
me<strong>in</strong> zuständiger Arzt darauf aufmerksam, dass ich an dem ADS-Syndrom leide.<br />
Dies wurde bereits als 12 Jähriger an mir festgestellt <strong>und</strong> empfohlen mit Rital<strong>in</strong> zu<br />
behandeln, was me<strong>in</strong>e Eltern damals nicht wollten, da das Medikament dazumal<br />
neu auf dem Markt war. In Ellikon wurden nun die neurologischen Tests durchgeführt<br />
<strong>und</strong> festgestellt, dass das ADS-Syndrom immer noch vorhanden ist. Im Mai 07<br />
wurde die Behandlung mit Rital<strong>in</strong> begonnen <strong>und</strong> ich stellte e<strong>in</strong>e deutliche Besserung<br />
me<strong>in</strong>es Wohlbef<strong>in</strong>dens <strong>und</strong> des Selbstwertgefühles fest. Zu Beg<strong>in</strong>n der zweiten <strong>Therapie</strong><br />
dachte ich, ich wäre viel weiter <strong>und</strong> offener als das erste Mal (wurde mir vom<br />
Therap. auch bestätigt), doch leider drehten wir uns nur im Kreis. Mir fehlte das Vertrauen<br />
gegenüber dem Therapeuten, sodass ich mich nicht öffnen konnte <strong>und</strong> so <strong>in</strong><br />
me<strong>in</strong>en Augen die Psychotherapie an e<strong>in</strong>em völlig falschen Punkt angesetzt wurde.<br />
Für mich positiv empf<strong>in</strong>de ich, dass ich die <strong>Therapie</strong><br />
beendete <strong>in</strong>dem ich auf me<strong>in</strong> <strong>in</strong>neres hörte, <strong>und</strong> es<br />
nicht weiter im Kreise drehen lies, nur me<strong>in</strong>em<br />
Umfeld zuliebe. Nach zwei Monaten Aufenthalt bei<br />
me<strong>in</strong>en Eltern <strong>in</strong> Sub<strong>in</strong>gen konnte ich nach<br />
schwierigen Abklärungen dann endlich im <strong>Casa</strong><br />
e<strong>in</strong>treten.<br />
Me<strong>in</strong> Liebl<strong>in</strong>gsausblick aus der Kuppel<br />
2008<br />
Über diese Zeit kann man im Projekt mehr lesen<br />
<strong>und</strong> bekommt hoffentlich e<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>blick <strong>in</strong> die Zeit,<br />
die ich <strong>in</strong> Niederbuchsiten verbracht habe. Das<br />
Projekt handelt sich um diese Zeitspanne <strong>und</strong> um<br />
die Erwartungen danach.
3 Die wacklige Leiter<br />
3.1 Das erste <strong>Bild</strong> entsteht<br />
<strong>Me<strong>in</strong>e</strong> <strong>Therapie</strong> <strong>in</strong> <strong>Bild</strong> <strong>und</strong> <strong>Text</strong> 9<br />
22. 2., Freitag<br />
Die erste Sitzung mit Herbert hat stattgef<strong>und</strong>en, um me<strong>in</strong> Projektraster zu besprechen<br />
<strong>und</strong> um mir e<strong>in</strong>e genauere Vorstellung über das weitere Vorgehen zu machen.<br />
Herbert will mich mit Töpfern auf das Projekt vorbereiten, als E<strong>in</strong>stimmung. Und ich<br />
werde während der Projektarbeit e<strong>in</strong>en Besuch beim Bruder von Felix machen, um<br />
zu sehen wie e<strong>in</strong> professioneller Maler (Künstler) arbeitet. Mir ist viel klar geworden<br />
<strong>und</strong> trotzdem weiss ich nicht richtig wie ich vorgehen soll. Ich habe St<strong>und</strong>en damit<br />
verbracht mir zu überlegen, was ich genau machen soll <strong>und</strong> wie ich vorgehen werde.<br />
Ich b<strong>in</strong> zum Entschluss gekommen, dass ich vier <strong>Bild</strong>er malen werde <strong>und</strong> zu jedem<br />
e<strong>in</strong>en <strong>Text</strong> verfasse. Die erste Hürde ist geschafft, das Ziel noch weit entfernt.<br />
25. 2., Montag<br />
Das ganze Wochenende habe ich mit den Gedanken verbracht, was male ich? Das<br />
entpuppte sich als nicht ganz e<strong>in</strong>fach, da ich irgendwie nicht entspannt genug war<br />
um mich mir gegenüber zu öffnen.<br />
Heute Morgen habe ich mit Hans besprochen, wie ich es mit der Arbeitszeit organisiere.<br />
Wir s<strong>in</strong>d verblieben, dass ich am Donnerstag normal arbeite <strong>und</strong> die restlichen<br />
Tage den Fahrdienst übernehmen werde <strong>und</strong> am Projekt arbeite. Mir ist es wichtig,<br />
dass ich schnell vorankomme <strong>und</strong> e<strong>in</strong> Ziel vor Augen habe. Heute Abend werde ich<br />
mit dem ersten <strong>Bild</strong> beg<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> vorher e<strong>in</strong>e geeignete Räumlichkeit suchen, um<br />
ungestört malen zu können. Das erste <strong>Bild</strong> wird me<strong>in</strong> E<strong>in</strong>tritt <strong>in</strong>s <strong>Casa</strong> zeigen mit all<br />
der Ungewissheit die mich begleitete.<br />
27. 2., Mittwoch<br />
Heute hatte ich me<strong>in</strong>e erste St<strong>und</strong>e Tonen mit Herbert. Das war für mich e<strong>in</strong>e gute<br />
Erfahrung <strong>und</strong> natürlich viel ausgelassener als erwartet. Erwartet, da s<strong>in</strong>d wir schon<br />
mitten <strong>in</strong> me<strong>in</strong>em Thema. Me<strong>in</strong> Ausgangspunkt ist meistens, was erwarten (denken)<br />
die anderen von dem, was ich tue. Darum habe ich auch solche Widerstände mit<br />
dem Malen zu beg<strong>in</strong>nen, obwohl me<strong>in</strong> erstes <strong>Bild</strong> <strong>in</strong> Gedanken bereits steht.<br />
Peter hat mir im E<strong>in</strong>zel noch e<strong>in</strong> paar Anregungen gegeben <strong>und</strong> versucht mich zu<br />
ermuntern. Er fand, e<strong>in</strong> <strong>Bild</strong> über Gefühle wäre doch ke<strong>in</strong> Problem für mich mit me<strong>in</strong>em<br />
Flair für Farben. Eigentlich hat er damit Recht, wenn da nicht die Erwartungen<br />
wären die mir im Wege stehen. Nun habe ich mich entschieden, e<strong>in</strong>e Mischung aus<br />
Gefühlen <strong>und</strong> Symbolen zu malen auf me<strong>in</strong>em ersten <strong>Casa</strong> <strong>Bild</strong>. Jetzt beg<strong>in</strong>ne ich mit<br />
der Übung, die Herbert mir vorgeschlagen hat um abzuschalten <strong>und</strong> mich aufs Malen<br />
konzentrieren zu können. Die besteht dar<strong>in</strong>, dass ich e<strong>in</strong> Klumpen Ton <strong>in</strong> die<br />
Hände nehme <strong>und</strong> ihn zu e<strong>in</strong>er Kugel forme mit geschlossenen Augen, bis er warm<br />
<strong>und</strong> geschmeidig wird <strong>und</strong> ich <strong>in</strong> Gedanken frei <strong>und</strong> gelöst b<strong>in</strong>. So, nun widme ich<br />
mich ganz me<strong>in</strong>er schöpferischen Seite <strong>und</strong> lasse mich gehen.
<strong>Me<strong>in</strong>e</strong> <strong>Therapie</strong> <strong>in</strong> <strong>Bild</strong> <strong>und</strong> <strong>Text</strong> 10<br />
28. 2., Donnerstag<br />
Gesagt getan, gestern Abend habe ich trotz allen Widerständen begonnen mit me<strong>in</strong>em<br />
ersten “Werk“.<br />
Ich habe mich <strong>in</strong> me<strong>in</strong>em Zimmer e<strong>in</strong>gerichtet, so gut wie das geht <strong>in</strong> dem grossen<br />
Raum <strong>und</strong> festgestellt dass mir Herbert Acryl <strong>und</strong> Gouache Farben gegeben hat, die<br />
ich unmöglich mite<strong>in</strong>ander mischen kann. Was soll’s, arbeiten wir mit dem was zur<br />
Verfügung steht <strong>und</strong> machen das Beste aus der ohneh<strong>in</strong> schon miserablen Ausgangslage.<br />
Es kam mir anfangs vor wie <strong>in</strong> Laupersdorf <strong>in</strong> me<strong>in</strong>er alten Wohnung<br />
<strong>und</strong> ich war voll konzentriert auf me<strong>in</strong>e Arbeit mit e<strong>in</strong>er fixen Idee was ich will. Und<br />
schon traf me<strong>in</strong>e schlimmste Befürchtung e<strong>in</strong>, <strong>in</strong> dem Fabian <strong>in</strong>s Zimmer kam <strong>und</strong><br />
belächelte, was ich da tue. Normalerweise wäre das eigentlich der Punkt an dem ich<br />
die P<strong>in</strong>sel re<strong>in</strong>ige <strong>und</strong> Feierabend mache, weil ich mich selber h<strong>in</strong>terfrage <strong>und</strong> mir<br />
lächerlich vorkomme. Da ich aber fest entschlossen war, wenigstens den H<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong><br />
fertig zu Malen diese Nacht, ignorierte ich se<strong>in</strong>en Kommentar <strong>und</strong> malte noch<br />
fertig.<br />
Es war für mich das erste Mal, das mir jemand Kommentare abgab über e<strong>in</strong> <strong>Bild</strong> das<br />
noch nicht fertig ist, schlimmer noch, ganz am Anfang war <strong>und</strong> das erst noch mit<br />
Farben <strong>und</strong> Material, das mich nicht zufrieden stellt. Nun, für mich ist die erste Hürde<br />
geschafft. Ich denke dem sagt man über den eigenen Schatten spr<strong>in</strong>gen, also genau<br />
me<strong>in</strong> Thema.<br />
01.3., Samstag<br />
Endlich ist Wochenende, Hausputz erledigt <strong>und</strong> der Brunch e<strong>in</strong>genommen. Jetzt<br />
kehrt endlich die Ruhe e<strong>in</strong> im Haus, die ich benötige um die zweite Etappe me<strong>in</strong>es<br />
ersten <strong>Bild</strong>es <strong>in</strong> Angriff zu nehmen. Und tatsächlich fand ich schnell die Motivation,<br />
um mich richtig <strong>in</strong>s Zeug zu legen.<br />
Das heisst, im Vorfeld habe ich me<strong>in</strong> Zimmer aufgeräumt <strong>und</strong> die Wäsche gemacht,<br />
dass ich frei von jeglichen Verpflichtungen war. Es war e<strong>in</strong> richtig gutes Gefühl, alles<br />
erledigt zu haben.<br />
Und so warf ich mich <strong>in</strong>s Zeug, mit voller Konzentration <strong>und</strong> schon bald sprudelte<br />
es mit Ideen nur so aus mir heraus. Es viel mir ziemlich e<strong>in</strong>fach, kreativ zu arbeiten.<br />
Das hat mich recht erstaunt nach dem harzigen Anfang am Donnerstag, der mich<br />
viel Überw<strong>in</strong>dung kostete.<br />
Als dann irgendwann Samstagnachts das <strong>Bild</strong> fertig war, hat es mich selber verw<strong>und</strong>ert,<br />
wie gut das <strong>Bild</strong> zu me<strong>in</strong>em Gefühl passte, das ich anfangs <strong>Therapie</strong> empfand.<br />
Der Samstag war e<strong>in</strong> toller Erfolg für mich <strong>und</strong> motivierte mich zum weiterarbeiten<br />
am Projekt.
<strong>Me<strong>in</strong>e</strong> <strong>Therapie</strong> <strong>in</strong> <strong>Bild</strong> <strong>und</strong> <strong>Text</strong> 11
3.2 Gedanken zum <strong>Bild</strong> (Die wacklige Leiter)<br />
<strong>Me<strong>in</strong>e</strong> <strong>Therapie</strong> <strong>in</strong> <strong>Bild</strong> <strong>und</strong> <strong>Text</strong> 12<br />
Vor me<strong>in</strong>em E<strong>in</strong>tritt <strong>in</strong>s <strong>Casa</strong> fühlte ich mich, als ob mir alle Türen verschlossen<br />
würden <strong>und</strong> mir jegliche Möglichkeit des Wohlfühlens genommen werde. Es war e<strong>in</strong><br />
beängstigendes Gefühl, das <strong>in</strong> mir Angst <strong>und</strong> Verzweiflung auslöste. Wahrsche<strong>in</strong>lich<br />
war das auch der Gr<strong>und</strong>, warum ich <strong>in</strong> der Forel Kl<strong>in</strong>ik die <strong>Therapie</strong> beendet hatte,<br />
weil es mir schlichtweg zu eng wurde, ganz ohne stimulierende Hilfsmittel.<br />
Die erste Hürde war geschafft, ich stand am 23. Juli 07, e<strong>in</strong>em Montagmorgen, im<br />
<strong>Casa</strong> <strong>und</strong> lieferte e<strong>in</strong>e negative UP ab. Der Anfang war viel e<strong>in</strong>facher als gedacht,<br />
weil kaum Gelegenheiten für Rückfälle geboten wurden <strong>und</strong> immer jemand da war,<br />
um e<strong>in</strong> Gespräch zu führen <strong>und</strong> sich abzulenken <strong>in</strong> schwierigen Situationen.<br />
Und langsam entspannte ich mich <strong>und</strong> hatte Kraft, mich auf das Eigentliche zu konzentrieren.<br />
Ich wurde sicherer <strong>in</strong> me<strong>in</strong>em Handeln ohne jegliche Drogen.<br />
Das möchte ich mit diesem <strong>Bild</strong> zeigen, me<strong>in</strong>en langen, wackligen Weg nach ganz<br />
unten, bis ich wieder auf dem Boden der Realität stand. Die anfangs stabile Leiter<br />
(Drogen) hat mich lange <strong>und</strong> auch ziemlich sicher durch manche Lebensabschnitte<br />
getragen <strong>und</strong> mir Halt geboten.<br />
Dank ihr habe ich me<strong>in</strong> Selbstbewusstse<strong>in</strong> gef<strong>und</strong>en <strong>und</strong> mich <strong>in</strong> der Gesellschaft<br />
bestätigen können, was ich vorher nie geschafft habe. Durch sie ist es mir auch gelungen,<br />
im Job aufzusteigen <strong>und</strong> mir Anerkennung zu schaffen, die mich antrieb <strong>und</strong><br />
motivierte.<br />
Doch die Leiter wurde von Jahr zu Jahr wackliger <strong>und</strong> bot mir immer weniger Halt,<br />
<strong>und</strong> das ganze Spiel drehte sich allmählich um. Die Verengung <strong>in</strong> der Mitte des <strong>Bild</strong>es<br />
könnte genau dies zeigen, die Leiter, die langsam zerbricht <strong>und</strong> ke<strong>in</strong> Halt mehr<br />
bot.<br />
Eigentlich gab es viele Ereignisse <strong>in</strong> me<strong>in</strong>em Leben, auf die dieses <strong>Bild</strong> passen würde,<br />
jedoch geht es bei me<strong>in</strong>em Projekt um verschiedene Stadien während me<strong>in</strong>er <strong>Therapie</strong>,<br />
<strong>und</strong> darum soll es eigentlich me<strong>in</strong>en Start im <strong>Casa</strong> symbolisieren. Am 23. Juli 07<br />
wurde es auf e<strong>in</strong>mal ziemlich eng <strong>und</strong> me<strong>in</strong>e Leiter war das erste Mal <strong>in</strong> me<strong>in</strong>em<br />
Leben komplett weg. Ich fühlte mich damals wie im freien Fall, ohne irgendwelchen<br />
Halt, der mir Hilfe bot. Mit jedem Tag, der verg<strong>in</strong>g, spürte ich e<strong>in</strong> bisschen mehr Boden<br />
unter me<strong>in</strong>en Füssen <strong>und</strong> me<strong>in</strong>e Perspektive wurde wieder breiter.<br />
Es ist der Boden der Tatsachen, auf dem ich nun stehe, <strong>und</strong> auf dem Boden brauche<br />
ich auch ke<strong>in</strong>e Leiter mehr die mir Halt gibt, - <strong>und</strong> ich werde von Tag zu Tag sicherer.<br />
Wahrsche<strong>in</strong>lich ist es auch diese Sicherheit, die es mir ermöglichte, über me<strong>in</strong>en<br />
Schatten zu spr<strong>in</strong>gen, um dieses <strong>Bild</strong> zu malen unter den nicht ganz e<strong>in</strong>fachen Bed<strong>in</strong>gungen<br />
für mich. Me<strong>in</strong> erstes <strong>Bild</strong> ist nun fertig <strong>und</strong> ich muss sagen, das Resultat<br />
stellt mich zufrieden <strong>und</strong> ist besser als ich erwartet hätte.
4 Notausgang (Flucht)<br />
4.1 Das zweite <strong>Bild</strong> entsteht<br />
<strong>Me<strong>in</strong>e</strong> <strong>Therapie</strong> <strong>in</strong> <strong>Bild</strong> <strong>und</strong> <strong>Text</strong> 13<br />
03.3., Montag<br />
Am Sonntag war me<strong>in</strong> Ruhetag <strong>und</strong> ich machte e<strong>in</strong>en Besuch bei me<strong>in</strong>er Grossmutter<br />
im Thurgau. Es hat mich aufgestellt zu sehen, wie sie trotz dem kürzlichen Tod<br />
ihres Gatten glücklich <strong>und</strong> zufrieden ist mit ihrem Leben. Das hat mich dazu ermutigt<br />
zu versuchen, auch me<strong>in</strong> Leben e<strong>in</strong> wenig positiver zu betrachten <strong>und</strong> anzufangen<br />
<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>en Schritten zu schätzen, was ich alles habe. Me<strong>in</strong> ewiger Stress, die Zeit<br />
laufe mir davon, hat sich e<strong>in</strong> bisschen gelegt. Wenn ich daran denke wie alt me<strong>in</strong>e<br />
Grossmutter ist <strong>und</strong> wie viel Zeit mir noch bevorsteht. Dies betrifft eigentlich ziemlich<br />
genau me<strong>in</strong>e Problematik, Zeit aufzuwenden für e<strong>in</strong> <strong>Bild</strong>, das mir materiell gar<br />
nichts br<strong>in</strong>gt, die ich aber ohne zu malen auch nicht nutzen würde. <strong>Me<strong>in</strong>e</strong>r <strong>in</strong>neren<br />
Ruhe b<strong>in</strong> ich schon sehr viel näher gekommen. Sie ist es auch, die mir hilft malen zu<br />
können im <strong>Casa</strong>.<br />
04.3., Dienstag<br />
Ich begann mit dem <strong>Text</strong> zum ersten <strong>Bild</strong>. Das stellte ich mir e<strong>in</strong>facher vor als das<br />
Malen. Allerd<strong>in</strong>gs nach dieser Gruppe am Morgen war me<strong>in</strong>e Motivation gleich<br />
wieder bei Null, <strong>und</strong> es war mühsam <strong>in</strong> die Gänge zu kommen <strong>und</strong> den Anfang zu<br />
machen. Obwohl das <strong>Bild</strong> eigentlich me<strong>in</strong>er Idee entsprach, fiel es mir nicht e<strong>in</strong>fach<br />
e<strong>in</strong>en <strong>Text</strong> zu dem <strong>Bild</strong> zu verfassen, das mit me<strong>in</strong>en Gefühlen zu tun hat. Ich möchte<br />
eigentlich ganz offen <strong>und</strong> ehrlich se<strong>in</strong> <strong>und</strong> bemerke dabei wie es mir schwer fällt<br />
dies zuzulassen. Nach m<strong>in</strong>destens drei St<strong>und</strong>en war ich dann zufrieden mit me<strong>in</strong>em<br />
<strong>Text</strong>, <strong>und</strong> bis auf die Korrektur von Andi, ist er fertig.<br />
06.3., Donnerstag<br />
Die Vorstellung von me<strong>in</strong>em zweiten <strong>Bild</strong> steht <strong>und</strong> ich habe begonnen mit dem<br />
H<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong>. Dabei habe ich mir e<strong>in</strong>e Schwierigkeit e<strong>in</strong>gebaut. Ich werde das <strong>Bild</strong><br />
nur mit blauer <strong>und</strong> weisser Farbe malen <strong>und</strong> trotzdem versuchen me<strong>in</strong>e ursprüngliche<br />
Idee zu verwirklichen, e<strong>in</strong>e Mauer mit e<strong>in</strong>er Tür <strong>und</strong> daneben e<strong>in</strong> Schild mit der<br />
Kennzeichnung Flucht. Dazu hatte ich den Gedanken, ich könnte me<strong>in</strong>en Suchtlebenslauf<br />
mit <strong>in</strong>s Projekt e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen, <strong>und</strong> schon stand ich wieder vor dem Problem,<br />
ob dies nicht zu viel Ehrlichkeit sei, da ich schliesslich nicht weiss wer das Skript<br />
schlussendlich liest. Es wäre aber sicherlich e<strong>in</strong> Weg, endlich e<strong>in</strong>en Strich unter me<strong>in</strong>e<br />
Vergangenheit zu machen <strong>und</strong> re<strong>in</strong>en Tisch zu haben.<br />
08.3., Samstag<br />
Für heute habe ich mir vorgenommen, das zweite <strong>Bild</strong> fertig zu malen <strong>und</strong> mir dafür<br />
den ganzen Tag e<strong>in</strong>geplant. Wenn ich dann e<strong>in</strong>mal begonnen habe, fällt es mir immer<br />
leichter, packt mich sogar richtig <strong>und</strong> ich kann st<strong>und</strong>enlang an der Arbeit bleiben,<br />
ohne grosse Unterbrüche. Das hätte ich mir anfangs nie vorstellen können, zeigt<br />
mir aber, dass ich def<strong>in</strong>itiv gerne male <strong>und</strong> das auch für mich alle<strong>in</strong>e. So wie ich mich<br />
kenne, würde ich sonst nie me<strong>in</strong> Wochenende opfern für e<strong>in</strong>e Arbeit, die mir aufgeb<strong>und</strong>en<br />
wird. Es macht mir richtig Spass <strong>und</strong> ich habe da mit dem Malen etwas gef<strong>und</strong>en<br />
das mir beim Abschalten hilft <strong>und</strong> mich erfüllt. Den Sonntag werde ich für<br />
mich ganz ohne jegliche Verpflichtung nutzen <strong>und</strong> mich auf die heiss ersehnte Putzwoche<br />
e<strong>in</strong>stimmen.
<strong>Me<strong>in</strong>e</strong> <strong>Therapie</strong> <strong>in</strong> <strong>Bild</strong> <strong>und</strong> <strong>Text</strong> 14
4.2 Gedanken zum zweiten <strong>Bild</strong> (Notausgang)<br />
<strong>Me<strong>in</strong>e</strong> <strong>Therapie</strong> <strong>in</strong> <strong>Bild</strong> <strong>und</strong> <strong>Text</strong> 15<br />
Dieses <strong>Bild</strong> zeigt e<strong>in</strong>e Situation, die mir mehr als lieb <strong>in</strong> me<strong>in</strong>em Leben begegnet ist,<br />
die Möglichkeit, e<strong>in</strong> Problem oder e<strong>in</strong>e schwierige Situation zu lösen, oder sie e<strong>in</strong>fach<br />
auszublenden <strong>und</strong> die e<strong>in</strong>fachere Variante zu wählen, die Flucht.<br />
Mir tut’s weh, wenn ich mir vorstelle, was ich erreicht hätte, wäre ich nicht immer<br />
wieder davongerannt vor oftmals kle<strong>in</strong>en Ause<strong>in</strong>andersetzungen, die zum Teil mit<br />
Leichtigkeit zu lösen gewesen wären. Das f<strong>in</strong>g bei der Arbeit an, als ich wegen Bagatellen,<br />
die teils sehr guten Stellungen kündigte, um die es mich noch Jahre danach<br />
reute. Das geht weiter mit Beziehungen, Ex-Frau <strong>und</strong> auch Fre<strong>und</strong>en, um die es sich<br />
gelohnt hätte sich zu bemühen, e<strong>in</strong>en Konflikt zu lösen oder e<strong>in</strong>mal nachzugeben<br />
<strong>und</strong> schwere Zeiten auszuhalten. Und genauso war es auch während me<strong>in</strong>en <strong>Therapie</strong>n,<br />
- lieber aufgeben, als sich dem Neuen <strong>und</strong> Unbekannten zu stellen <strong>und</strong> nie zu<br />
erfahren, wie es geworden wäre.<br />
Für mich ist es fast das Schlimmste, nicht zu wissen, was denn gewesen wäre, wenn<br />
ich mich dem Problem gestellt hätte. Ich werde es auch nie erfahren. Lange nach der<br />
Scheidung von me<strong>in</strong>er Ex-Frau Monica hat mir e<strong>in</strong> guter Fre<strong>und</strong>, „Ismael“, gesagt:<br />
„schaffe de<strong>in</strong>e Konflikte mit ihr aus der Welt <strong>und</strong> sprich mit ihr solange du noch<br />
kannst. Du wirst es sonst immer bereuen, wenn du offene Rechnungen hast mit e<strong>in</strong>em<br />
Menschen, den du e<strong>in</strong>mal geliebt hast <strong>und</strong> sie nicht begleichen kannst“. Als ich<br />
se<strong>in</strong>en Rat befolgte <strong>und</strong> re<strong>in</strong>en Tisch machte mit ihr, konnte ich anfangen loszulassen<br />
<strong>und</strong> es g<strong>in</strong>g mir deutlich besser.<br />
Zurück zur <strong>Therapie</strong>, um die es bei diesem <strong>Bild</strong> geht. November bis Dezember stand<br />
ich wieder vor dieser Entscheidung, unbekannte Türe aufzumachen oder doch den<br />
Notausgang zu wählen. Mit e<strong>in</strong>er eigenen Wohnung <strong>in</strong> dem Moment hätte ich bestimmt<br />
den Notausgang gewählt, obwohl ich auch dann nicht gewusst hätte was<br />
mich erwartet. Aber ich hätte mir erspart, mich me<strong>in</strong>en Gefühlen zu stellen <strong>und</strong> mir<br />
e<strong>in</strong> ganzes Stück näher zu kommen.<br />
Jetzt b<strong>in</strong> ich froh, dass ich <strong>in</strong> dem Moment ke<strong>in</strong>e eigene Wohnung hatte, um mich<br />
wieder zu verkriechen <strong>und</strong> vor mir selber zu flüchten. Da das Leben sowieso nie das<br />
br<strong>in</strong>gt, was man erwartet, ist es mir e<strong>in</strong> Rätsel, wieso ich das Unbekannte immer<br />
meiden will <strong>und</strong> im Nachh<strong>in</strong>e<strong>in</strong> dem nachtraure, was ich nicht geändert habe.<br />
Auch me<strong>in</strong> ewiger Stress, die Zukunft spr<strong>in</strong>ge mir davon, kriege ich nicht <strong>in</strong> den<br />
Griff, wenn ich nichts ändere <strong>und</strong> alles beim Alten belasse. Diesbezüglich hat mir das<br />
<strong>Casa</strong> <strong>Fidelio</strong> bereits sehr viel geholfen. Ich lebe mehr im Heute <strong>und</strong> stelle mich gewissen<br />
Aufgaben <strong>und</strong> weiss, dass sich jeder Gemütszustand auch wieder verändert,<br />
meist bevor e<strong>in</strong>e Besserung e<strong>in</strong>tritt beim „gewohnten“ Verhalten. Für mich wird dieses<br />
<strong>Bild</strong> e<strong>in</strong>e Art Gefühls-Verkehrsschild, das ich mir immer vor Augen halten werde,<br />
wenn ich wieder <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e solche Situation komme.
5 Das Tor zur Freiheit<br />
5.1 Das dritte <strong>Bild</strong> entsteht<br />
<strong>Me<strong>in</strong>e</strong> <strong>Therapie</strong> <strong>in</strong> <strong>Bild</strong> <strong>und</strong> <strong>Text</strong> 16<br />
10.-14. März Putzwoche<br />
Küchenchef Fabian <strong>und</strong> Hauschef Silvio zusammen <strong>in</strong> Action im Haus 1 am Hardcorputzen,<br />
unser beiden absolute Liebl<strong>in</strong>gsbeschäftigung. Wir haben uns als Team<br />
super ergänzt <strong>und</strong> unser Bestes gegeben, damit wir e<strong>in</strong> zufrieden stellendes Resultat<br />
abliefern konnten am Freitag, bevor der Lebensmittel<strong>in</strong>spektor kam. Und schau her,<br />
sogar Roger <strong>und</strong> Felix waren zufrieden, als sie am Donnerstag die Küche kontrollierten<br />
<strong>und</strong> alles wie neu strahlte im Haus.<br />
Dafür sahen Fabian <strong>und</strong> ich aus wie zwei Schwerstarbeiter, die dr<strong>in</strong>glich Urlaub nötig<br />
haben. Schlussendlich waren wir aber beide stolz auf das, was wir zusammen<br />
geschafft haben <strong>und</strong> Fabian me<strong>in</strong>te gar, soviel hätte er am Stück noch nie gearbeitet,<br />
was ich von mir nicht behaupten kann. Diese Woche zeigte mir e<strong>in</strong>mal mehr, dass<br />
ich nach dem <strong>Casa</strong> def<strong>in</strong>itiv e<strong>in</strong>e Putzfrau brauche <strong>und</strong> me<strong>in</strong>e Kraft für andere D<strong>in</strong>ge<br />
aufwende die mir e<strong>in</strong>facher fallen. Und so habe ich mich während der Putzwoche<br />
auch nicht ums Projekt gekümmert, sozusagen e<strong>in</strong>e kreative Pause e<strong>in</strong>gelegt.<br />
16.3., Sonntag<br />
Dieses Wochenende hatte ich wieder e<strong>in</strong>mal stark das Bedürfnis, irgendetwas zu<br />
konsumieren. Es g<strong>in</strong>g mir jetzt so lang gut, dass ich es nicht ganz e<strong>in</strong>ordnen kann<br />
wieso auf e<strong>in</strong>mal das „reissen“ aufkommt. Vermutlich aber weil es mir zu e<strong>in</strong>fach<br />
viel <strong>in</strong> letzter Zeit <strong>und</strong> es doch wieder e<strong>in</strong>mal dr<strong>in</strong>nen läge. Auf Anraten des Teams<br />
blieb ich dann das ganze Weekend im <strong>Casa</strong>, bis auf e<strong>in</strong> langer Spaziergang mit Fabian.<br />
Da ich überhaupt nichts getan habe, war das Ganze mehr schlecht als recht <strong>und</strong> ich<br />
war am Abend recht unzufrieden. Vielleicht h<strong>in</strong>g es auch mit dem ersten Formel-1<br />
Rennen der Saison zusammen, das <strong>in</strong> mir alte Er<strong>in</strong>nerungen aufweckte, an die geme<strong>in</strong>samen<br />
Sonntage mit me<strong>in</strong>en F-1 Kollegen. Im Nachh<strong>in</strong>e<strong>in</strong> denke ich, ist es e<strong>in</strong>fach<br />
Gift für mich, zu Hause zu bleiben wenn’s mir schlecht geht, da ich immer alle<strong>in</strong>e<br />
zuhause konsumiert habe.<br />
17.3., Montag<br />
Ostern steht vor der Tür <strong>und</strong> ich habe diese Woche wieder e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong> Projekte<strong>in</strong>zel<br />
mit Herbert, damit ich e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong> Feedback habe von me<strong>in</strong>er bisherigen Arbeit. Bis<br />
zu unserem Term<strong>in</strong> am Donnerstag werde ich zwei <strong>Bild</strong>er <strong>und</strong> zwei <strong>Text</strong>e, das heisst<br />
die halbe Arbeit fertig haben. Heute b<strong>in</strong> ich me<strong>in</strong>en Ausflug <strong>in</strong> die Fondation Beyeler<br />
am organisieren. B<strong>in</strong> sehr gespannt auf die Sonderausstellung (Action Pa<strong>in</strong>t<strong>in</strong>g) <strong>und</strong><br />
hoffe sie br<strong>in</strong>gt mir noch e<strong>in</strong> paar kreative Ideen.<br />
Der zweite <strong>Text</strong> bereitet mir irgendwie mehr Schwierigkeiten als der letzte, wahrsche<strong>in</strong>lich<br />
weil es e<strong>in</strong> Thema ist bei dem ich immer wieder versagt habe. Schwäche<br />
e<strong>in</strong>gestehen ist etwas, das mir nach wie vor sehr schwer fällt. Willi hat heute Morgen<br />
e<strong>in</strong>e Aussage über mich gemacht, die den Nagel wieder e<strong>in</strong>mal auf den Kopf getroffen<br />
hat: ich bewege mich immer im Bereich des nicht ganz Falschen <strong>und</strong> nicht ganz<br />
Richtigen, dass es schwer macht mich e<strong>in</strong>zuordnen. Diese Aussage machte mich<br />
recht nachdenklich.
<strong>Me<strong>in</strong>e</strong> <strong>Therapie</strong> <strong>in</strong> <strong>Bild</strong> <strong>und</strong> <strong>Text</strong> 17<br />
18.3., Dienstag<br />
Heute hatte ich wieder e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong> E<strong>in</strong>zel bei Dani <strong>und</strong> wir sprachen über me<strong>in</strong> mehrspuriges<br />
Denken. Er ist e<strong>in</strong>er der wenigen Menschen die mich durchschauen, wenn<br />
ich abschweife <strong>und</strong> mir selber etwas vormache. Oftmals b<strong>in</strong> ich selber so überzeugt<br />
von dem was ich spreche, dass ich gar nicht bemerke wie ich mich selbst belüge <strong>und</strong><br />
mir ungewollt Schaden zufüge. Dani hat mir heute die Aufgabe gestellt, mir zu überlegen,<br />
wann das mit me<strong>in</strong>em mehrspurigen Denken angefangen hat <strong>und</strong> ich b<strong>in</strong> mir<br />
sicher, dass es irgendwann <strong>in</strong> me<strong>in</strong>er K<strong>in</strong>dheit mit fünf oder sechs Jahren war. Dies<br />
war mir sofort bewusst, obwohl ich <strong>in</strong> Gedanken selten <strong>in</strong> me<strong>in</strong>er K<strong>in</strong>dheit b<strong>in</strong>, sondern<br />
lieber die Zukunft verändere die sowieso anders kommt als erwartet.<br />
Mir ist nicht bewusst, warum ich nicht gerne <strong>in</strong> me<strong>in</strong>e K<strong>in</strong>dheit abschweife, sie war<br />
eigentlich so wie ich mir e<strong>in</strong>e Jugend vorstelle. Mir fehlte es me<strong>in</strong>em Erachten nach<br />
an nichts. Wir hatten e<strong>in</strong>e grosse <strong>und</strong> herzliche Verwandtschaft, fuhren oft <strong>in</strong> den<br />
Urlaub <strong>und</strong> wohnten immer <strong>in</strong> Häusern, <strong>in</strong> denen es paradiesisch war als K<strong>in</strong>d zum<br />
spielen. Es wird sicherlich e<strong>in</strong>e lange Reise <strong>in</strong> me<strong>in</strong> Ich <strong>und</strong> es ist mir noch unklar,<br />
was ich da entdecken werde oder soll.<br />
E<strong>in</strong>erseits b<strong>in</strong> ich gespannt darauf <strong>und</strong> trotzdem macht es mir Angst alte W<strong>und</strong>en<br />
wieder aufzukratzen, die ich als verarbeitet abgebucht habe.<br />
21.3., Karfreitag<br />
Endlich, die Osterfeiertage haben begonnen <strong>und</strong> mir stehen vier Tage ohne jegliche<br />
Term<strong>in</strong>e bevor, die ich für das Projekt nutzen möchte. Me<strong>in</strong> Ziel ist es, bis am Ostermontag<br />
das dritte <strong>Bild</strong> gemalt zu haben <strong>und</strong> me<strong>in</strong> Sucht Lebenslauf zu schreiben.<br />
Normalerweise bereitet es mir grosse Mühe auf Term<strong>in</strong>druck zu malen oder überhaupt<br />
kreativ zu se<strong>in</strong>, wieder e<strong>in</strong> neues Übungsfeld. Ansonsten werde ich die Zeit<br />
mit dem Fernseher <strong>und</strong> me<strong>in</strong>em Buch über die R<strong>und</strong>en br<strong>in</strong>gen. Und natürlich mit<br />
dem Besuch im Alpamare am Montag, auf den ich mich schon tierisch freue. Was<br />
mich immer mehr beschäftigt ist das Thema Langeweile, wahrsche<strong>in</strong>lich ist das sogar<br />
me<strong>in</strong> grösstes <strong>Therapie</strong>ziel, e<strong>in</strong>en Umgang mit dem Langweilig se<strong>in</strong> zu f<strong>in</strong>den.<br />
Wenn ich momentan <strong>in</strong> der Zukunft umherschweife, ist das Alle<strong>in</strong>e Se<strong>in</strong> me<strong>in</strong>e<br />
grösste Angst, die zu Rückfällen führen könnte.<br />
Allerd<strong>in</strong>gs b<strong>in</strong> ich froh darüber, dass ich gelernt habe me<strong>in</strong>e Ängste wahrzunehmen<br />
<strong>und</strong> jetzt fähig b<strong>in</strong>, mir schwierige Situationen gedanklich vorzustellen. Dieser geschützte<br />
Rahmen hier im <strong>Casa</strong>, muss ich versuchen <strong>in</strong> me<strong>in</strong>em weiteren Leben irgendwie<br />
e<strong>in</strong>zubauen mit Hilfe von Aktivitäten <strong>und</strong> des Bekanntenkreises.
<strong>Me<strong>in</strong>e</strong> <strong>Therapie</strong> <strong>in</strong> <strong>Bild</strong> <strong>und</strong> <strong>Text</strong> 18<br />
24.3., Ostermontag<br />
Die Ostern s<strong>in</strong>d überstanden <strong>und</strong> der Arbeitsalltag kehrt wieder e<strong>in</strong> im Heim. Für<br />
mich gab es zwei Highlights, zum ersten das geme<strong>in</strong>same Nachtessen am Sonntagabend<br />
„Lammschiego mit Kartoffelstock“ <strong>und</strong> natürlich der Besuch im Alpamare.<br />
Das Kochen lief reibungslos <strong>und</strong> auch das geme<strong>in</strong>same Essen empfand ich als viel<br />
angenehmer als wenn alle Bewohner am Tisch sitzen, wir waren zehn. Nach dem<br />
Essen wurde noch mite<strong>in</strong>ender berichtet <strong>und</strong> auch beim aufräumen sprang niemand<br />
e<strong>in</strong>fach so davon, wie ich das gewohnt b<strong>in</strong> von den letzten Anlässen. Ostern war für<br />
mich viel das angenehmere Fest im <strong>Casa</strong> als Weihnachten, ruhig <strong>und</strong> ausgelassen.<br />
Das war der positive Teil des Wochenendes, negativ war me<strong>in</strong>e Motivation beim malen,<br />
da ich ke<strong>in</strong>en Strich gemacht habe, was mit dem Projekt zu tun hatte. Sozusagen<br />
Projektferien oder sagt man Kreativurlaub?<br />
Das schlimmste Ereignis dieser Tage war der gang zur Waage, 95 Kg.. Me<strong>in</strong> absoluter<br />
Rekord <strong>und</strong> Anstoss zu bedenken. E<strong>in</strong> neues <strong>Therapie</strong>ziel, das ich schnellstmöglich<br />
erreichen will, die überschüssigen 15 Kg. wieder abzunehmen, koste es was es<br />
wolle.
<strong>Me<strong>in</strong>e</strong> <strong>Therapie</strong> <strong>in</strong> <strong>Bild</strong> <strong>und</strong> <strong>Text</strong> 19
5.2 Gedanken zum <strong>Bild</strong> (Das Tor zur Freiheit)<br />
<strong>Me<strong>in</strong>e</strong> <strong>Therapie</strong> <strong>in</strong> <strong>Bild</strong> <strong>und</strong> <strong>Text</strong> 20<br />
Für mich wird nach der <strong>Therapie</strong> das Leben noch e<strong>in</strong>mal fast von vorne beg<strong>in</strong>nen<br />
<strong>und</strong> durch me<strong>in</strong>e Unabhängigkeit stehen mir viele Möglichkeiten offen. Dies ist e<strong>in</strong>er<br />
der positiven Aspekte, die der Aufenthalt im <strong>Casa</strong> mit sich brachte.<br />
In me<strong>in</strong>em bisherigen Leben stand mir oft die Vorstellung im Wege, ich hätte etwas<br />
zu verlieren oder e<strong>in</strong> Ziel würde nicht erreicht, wenn ich etwas Neues ausprobieren<br />
wollte. Diese Frage stellt sich nun nicht mehr, da es weder etwas zu verlieren noch<br />
e<strong>in</strong> fixes Ziel zu erreichen gilt. So fange ich noch e<strong>in</strong>mal bei Null an <strong>und</strong> geniesse es,<br />
dass mir nun die Welt offen steht <strong>und</strong> ich völlig neue Perspektiven habe. Die Schattenseite<br />
des Ganzen ist, dass ich nicht viel mehr als zwei Reisetaschen voller Kleider<br />
besitze <strong>und</strong> me<strong>in</strong>e Motivation, sauber zu bleiben. Ich b<strong>in</strong> gespannt <strong>und</strong> ängstlich<br />
zugleich, was mir die neue Freiheit br<strong>in</strong>gt.<br />
Ich trete ihr aber mit Zuversicht entgegen, obwohl ich nicht mehr viele Chancen sehe<br />
nach dieser <strong>Therapie</strong>. Mir ist auch bewusst, dass e<strong>in</strong> langer, ste<strong>in</strong>iger Weg vor mir<br />
liegt, wie die Weite dieses Meeres.<br />
Der Hafen <strong>Casa</strong> <strong>Fidelio</strong> bietet guten Schutz vor Sturm, aber irgendwann passiert das<br />
Schiff die Hafenausfahrt <strong>und</strong> ist W<strong>in</strong>d <strong>und</strong> Wetter ausgesetzt ohne die hohen<br />
Schutzmauern.<br />
Auf dem offenen Meer dann kann das Schiff (MS Silvio) jeden erdenklichen Kurs e<strong>in</strong>schlagen<br />
<strong>und</strong> die Welt steht ihm offen. So ungefähr stelle ich mir den Austritt vor<br />
<strong>und</strong> hoffe, auch mir gel<strong>in</strong>gt es, den richtigen Kurs e<strong>in</strong>zuschlagen <strong>und</strong> e<strong>in</strong>en anderen<br />
sicheren Hafen mit guten Mauern zu f<strong>in</strong>den, die für mich sehr wichtig s<strong>in</strong>d, um den<br />
grossen Sturm abzuwehren.<br />
Die Sonne wacht wie e<strong>in</strong> Auge über dem ganzen <strong>und</strong> spendet Licht, um H<strong>in</strong>dernisse<br />
zu sehen <strong>und</strong> nötigenfalls zu umgehen. Für mich ist die Nachsorge so e<strong>in</strong> Auge, e<strong>in</strong><br />
wichtiger Aspekt für mich damit ich es nie vergesse, dass me<strong>in</strong> Leben auch mal anders<br />
war.<br />
Das Meer zeigt für mich auch die Zeit, die ich zur Verfügung haben werde, <strong>und</strong> es ist<br />
noch ziemlich leer da draussen. E<strong>in</strong>en Teil wird die Arbeit füllen, es braucht aber<br />
auch noch etwas wie e<strong>in</strong>e Insel, auf der man zur Ruhe kommen kann. Diese Insel<br />
habe ich nicht gemalt, da ich noch nicht weiss, wie sie aussehen wird <strong>und</strong> wo genau<br />
sie ist.<br />
<strong>Me<strong>in</strong>e</strong> eigene Wohnung wird sicherlich e<strong>in</strong> grosser Bestandteil dieser Insel se<strong>in</strong>, da<br />
es für mich sehr wichtig ist, mich zurückziehen zu können. Es birgt aber auch die<br />
Gefahr, dass ich mich abschotte von dem Leben. Darum braucht es auch Bewohner<br />
auf der Insel, ausgewählte Leute, bei denen ich mich gerne aufhalte <strong>und</strong> die mir Unterstützung<br />
bieten <strong>in</strong> schwierigen Situationen. Da das Meer zu gross ist, um völlig<br />
überbaut zu werden, wird es noch viele Lücken geben, an denen ich auf mich alle<strong>in</strong>e<br />
gestellt se<strong>in</strong> werde. Dies habe ich im <strong>Casa</strong> gelernt, mich selber zu beschäftigen <strong>und</strong><br />
das Alle<strong>in</strong>e Se<strong>in</strong> besser auszuhalten.<br />
Dies wird me<strong>in</strong> letztes grosses Ziel se<strong>in</strong> im <strong>Casa</strong>, mir e<strong>in</strong>e solche Insel zu bauen, damit<br />
ich e<strong>in</strong>en Ort habe, um mich auszuruhen wenn ich müde b<strong>in</strong>. Wenn diese Insel<br />
nicht bricht wie e<strong>in</strong>e Eisscholle, kann es mir gel<strong>in</strong>gen, e<strong>in</strong> solides Leben zu führen<br />
ohne immer wieder auf Hilfsmittel zurückzugreifen, die mich <strong>in</strong>s Elend stürzen. Das<br />
Meer ist sehr ruhig auf dem <strong>Bild</strong>, aber der nächste Sturm kommt bestimmt <strong>und</strong> gegen<br />
den werde ich mich wappnen.
<strong>Me<strong>in</strong>e</strong> <strong>Therapie</strong> <strong>in</strong> <strong>Bild</strong> <strong>und</strong> <strong>Text</strong> 21
6 Die wütende Angst<br />
6.1 Das vierte <strong>Bild</strong> entsteht<br />
<strong>Me<strong>in</strong>e</strong> <strong>Therapie</strong> <strong>in</strong> <strong>Bild</strong> <strong>und</strong> <strong>Text</strong> 22<br />
26.3., Mittwoch<br />
Gestern war ich sehr lange mit me<strong>in</strong>em dritten <strong>Bild</strong> beschäftigt <strong>und</strong> es nimmt langsam<br />
Gestalt an. Es soll e<strong>in</strong>e Ausfahrt aus e<strong>in</strong>em Hafen zeigen, der Hafen ist für mich<br />
das <strong>Casa</strong> <strong>und</strong> das offene Meer soll me<strong>in</strong>e unbegrenzten Möglichkeiten darstellen die<br />
mir bevorstehen.<br />
Für dieses <strong>Bild</strong> habe ich bis jetzt am meisten Gedanken aufgewendet, da mir unklar<br />
war wie ich me<strong>in</strong>e bevorstehende Freiheit darstellen soll. Es wird immer schwieriger<br />
an Ideen zu gelangen, vielleicht weil ich bereits von der Zukunft male <strong>und</strong> schreibe<br />
<strong>und</strong> mich noch nicht lange <strong>in</strong>tensiv mit ihr befasse. Genau dass hilft mir jedoch e<strong>in</strong><br />
genaues <strong>Bild</strong> davon zu bekommen, was mich erwartet. Mit den Übungen von Dani<br />
zusammen merke ich, wie es mir immer besser gel<strong>in</strong>gt <strong>in</strong> mich h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> zu schauen <strong>in</strong><br />
dem ich mich e<strong>in</strong>fach gehen lasse auf dem Bett oder an e<strong>in</strong>em ruhigen Ort.<br />
Ich hätte anfangs <strong>Therapie</strong> nie gedacht, dass es mir gel<strong>in</strong>gt <strong>in</strong>nerlich dermassen ruhig<br />
zu werden <strong>und</strong> mich e<strong>in</strong>fach gehen lassen kann ohne Stress die Zeit laufe mir<br />
davon. Auch nicht dass ich dermassen abtauchen könnte <strong>und</strong> so konzentriert malen<br />
bei den Unruhen im Haus teilweise.<br />
28.3., Freitag<br />
Endlich Weekend, Zeit zum malen <strong>und</strong> das schöne Wetter geniessen. Ich freue mich<br />
auf den Frühl<strong>in</strong>g <strong>und</strong> die Wärme die er mit sich br<strong>in</strong>gt. Das Ziel dieses Wochenendes<br />
ist es, mit dem Malen abzuschliessen <strong>und</strong> eventuell den <strong>Text</strong> fertig zu schreiben zum<br />
letzten <strong>Bild</strong>.<br />
Es fällt mir aber immer schwieriger über e<strong>in</strong> bestimmtes Thema zu malen, da ich geb<strong>und</strong>en<br />
b<strong>in</strong> <strong>und</strong> normalerweise nach Laune male. Die grösste Veränderung an mir<br />
bemerke ich an me<strong>in</strong>em Ehrgeiz etwas fertig zu stellen, das mir ke<strong>in</strong>en Spass macht.<br />
Früher hätte ich es e<strong>in</strong>fach aufgegeben <strong>und</strong> hätte etwas Neues begonnen, das mir<br />
mehr Spass macht. Schlussendlich gibt es mir aber immer e<strong>in</strong> gutes Gefühl <strong>und</strong> erfüllt<br />
mich mit Stolz, das Resultat.<br />
Diese Veränderung brachte mir e<strong>in</strong>deutig das unumgängliche Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g hier im <strong>Casa</strong><br />
da e<strong>in</strong>em ke<strong>in</strong>e Chancen gelassen werden e<strong>in</strong>fach zu flüchten wie auf me<strong>in</strong>em zweiten<br />
<strong>Bild</strong>. Wenn ich das beibehalten kann bei me<strong>in</strong>em nächsten Job, werde ich viel<br />
erreichen können. Wahrsche<strong>in</strong>lich fängt me<strong>in</strong>e <strong>Therapie</strong> erst dann richtig an, wenn<br />
ich das Gelernte auch umsetzen kann.<br />
30.3., Sonntag<br />
Der Samstag verlief ziemlich faul, Hausputz, schlafen <strong>und</strong> natürlich das Abschiedsessen<br />
von T<strong>in</strong>o am Abend. Das Essen war e<strong>in</strong> voller Erfolg, Pferdefleisch vom Grill<br />
<strong>und</strong> jede menge Salate die Ignazio zubereitet hatte. Dafür blieb das Malen wieder<br />
e<strong>in</strong>mal auf der Strecke <strong>und</strong> wurde bis auf weiteres verschoben da ich sowieso noch<br />
ke<strong>in</strong>e Idee hatte wie genau ich beim letzten <strong>Bild</strong> vorgehen soll. Es wird mit Angst zu<br />
tun haben, aber wie ich es aufs Papier br<strong>in</strong>gen soll weiss ich auch noch nicht so genau.<br />
Dafür habe ich begonnen me<strong>in</strong>en Suchtlebenslauf noch e<strong>in</strong>mal neu zu verfassen<br />
<strong>und</strong> dabei bemerkt, dass er ganz anders geschrieben werden muss als ich es noch<br />
vor der <strong>Therapie</strong> sah.
<strong>Me<strong>in</strong>e</strong> <strong>Therapie</strong> <strong>in</strong> <strong>Bild</strong> <strong>und</strong> <strong>Text</strong> 23<br />
Auch bei dieser Aufgabe sehe ich wieder Veränderung die ich durchgemacht habe,<br />
es fällt mir e<strong>in</strong>facher über Vergangenes zu sprechen oder zu schreiben. Am Sonntag,<br />
der Besuch bei me<strong>in</strong>er Mutter <strong>und</strong> den Schwestern hat mich aufgestellt, es ist jedes<br />
Mal schön, wenn ich zu verstehen bekomme, dass ich nicht alle<strong>in</strong>e b<strong>in</strong> auf dieser<br />
Welt.<br />
01.4., Dienstag<br />
Heute hatte ich e<strong>in</strong> E<strong>in</strong>zel bei Dani <strong>und</strong> b<strong>in</strong> e<strong>in</strong>mal mehr raus gekommen aus se<strong>in</strong>em<br />
Büro mit e<strong>in</strong>em Unverständnis. Ich habe mit Kissen die Distanz von mir zu me<strong>in</strong>em<br />
Körper, me<strong>in</strong>em Denken <strong>und</strong> zu me<strong>in</strong>en Emotionen aufzeigen müssen <strong>und</strong> schlussendlich<br />
auch noch zu me<strong>in</strong>er <strong>in</strong>neren Blockade. Dani verlangte, dass ich mit der Blockade<br />
<strong>und</strong> umgekehrt spreche <strong>und</strong> Erfahrungen austausche, ich kam mir total lächerlich<br />
vor <strong>und</strong> wäre am liebsten davongerannt, wäre ich sicherlich auch unter anderen<br />
Umständen. Dieses E<strong>in</strong>zel muss sich noch e<strong>in</strong> paar Tage setzen, bis ich etwas<br />
daraus ziehen kann, wenn das überhaupt möglich ist. In der SHG haben wir wieder<br />
e<strong>in</strong>mal über Freizeitgestaltung gesprochen <strong>und</strong> ich habe festgestellt, dass dieses<br />
Problem die meisten betrifft, nach dem das Konsumieren fehlt. Ich kann (oder will)<br />
mir nicht vorstellen, wie viel von der Freizeit abhängt, da ich immer dachte das könne<br />
mit der Arbeit kompensiert werden. Die Arbeit hat mich zwar nie ganz glücklich<br />
gemacht, aber immerh<strong>in</strong> konnte ich mit ihr vieles rechtfertigen. Dies möchte ich auf<br />
jeden Fall noch ändern während der <strong>Casa</strong> Zeit, nicht dass ich gleich wieder <strong>in</strong>s alte<br />
Muster zurückfalle.
<strong>Me<strong>in</strong>e</strong> <strong>Therapie</strong> <strong>in</strong> <strong>Bild</strong> <strong>und</strong> <strong>Text</strong> 24
6.2 Gedanken zum <strong>Bild</strong> (Die wütende Angst)<br />
<strong>Me<strong>in</strong>e</strong> <strong>Therapie</strong> <strong>in</strong> <strong>Bild</strong> <strong>und</strong> <strong>Text</strong> 25<br />
Angst <strong>und</strong> Wut, zwei Gefühle, die mich immer begleiten <strong>und</strong> mir oft Schwierigkeiten<br />
bereiten. Für mich hängen diese zwei Gefühle sehr nahe beisammen, e<strong>in</strong>es löst das<br />
andere aus oder umgekehrt <strong>und</strong> sie treiben sich sogar gegenseitig an.<br />
Es s<strong>in</strong>d für mich die beiden unangenehmsten Gefühle, obwohl beide auch positive<br />
Seiten haben, auf die ich nicht verzichten möchte. Da gibt es beispielsweise Ängste<br />
(Gefahren), die mich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Art Rausch versetzen, den e<strong>in</strong>zigen, den ich mir noch<br />
leisten kann <strong>in</strong> Zukunft <strong>und</strong> der mir nicht schadet. Auch bei der Wut gibt es das,<br />
wenn ich völlig überlastet b<strong>in</strong>. Zum beruhigen ist für mich dann oft die letzte Möglichkeit<br />
e<strong>in</strong> Fluch oder e<strong>in</strong> Schlag gegen e<strong>in</strong>en Gegenstand (bestenfalls).<br />
Trotzdem gibt es mehr negative Seiten an diesen Gefühlen als gute. Wenn zum Beispiel<br />
bei der Arbeit Wut aufkommt, kann ich meistens nicht irgendwo draufschlagen<br />
oder mich verbal austoben, also frisst es sich <strong>in</strong> mich h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> <strong>und</strong> stellt mir fast den<br />
Atem ab.<br />
E<strong>in</strong>en anderen Umgang mit diesen Gefühlen zu f<strong>in</strong>den ist e<strong>in</strong> Ziel, an dem ich noch<br />
lange arbeiten werde <strong>und</strong> das ich auch erreichen will. Denn wenn sich bei mir wieder<br />
solche Ängste verbreiten sollten, wäre es schwierig für mich, abst<strong>in</strong>ent leben zu<br />
können.<br />
Seit ich daran b<strong>in</strong>, jede noch so kle<strong>in</strong>e Unannehmlichkeit schnellstmöglich zu erledigen,<br />
habe ich viel weniger Druck, der mich permanent belastet <strong>und</strong> auch Tr<strong>in</strong>kwünsche<br />
hervorruft.<br />
Das Ganze ist wie e<strong>in</strong>e endlose Spirale, wenn ich nicht schon bei Kle<strong>in</strong>igkeiten h<strong>in</strong>schaue<br />
<strong>und</strong> sie zu beheben versuche.<br />
Das versuchte ich <strong>in</strong> diesem <strong>Bild</strong> zu malen, <strong>und</strong> nach langem Überlegen b<strong>in</strong> ich auf<br />
die Farben Rot <strong>und</strong> Gelb (für Feuer) <strong>und</strong> Blau (für Wasser) gekommen, weil Wasser<br />
<strong>und</strong> Feuer für mich etwas mit Angst <strong>und</strong> Wut zu tun haben. So etwa ist das Feuer die<br />
Wut <strong>in</strong> mir <strong>und</strong> das Wasser die Angst dessen Kraft die Wut nicht h<strong>in</strong>auslässt, sie gefangen<br />
hält <strong>in</strong> mir <strong>und</strong> mich zum Kochen br<strong>in</strong>gt. Es kommt mir oft so vor, als wären<br />
me<strong>in</strong>e Emotionen <strong>in</strong> mir gefangen <strong>und</strong> zeigen sich nicht <strong>in</strong> der Öffentlichkeit. Dies<br />
wiederum belastet mich oftmals schwer, weil ich mich nicht so verhalte, wie es mir<br />
<strong>in</strong>nerlich geht <strong>und</strong> ich dadurch oft lache wenn es mir scheisse geht. Im Verlauf dieser<br />
<strong>Therapie</strong> habe ich viele Ängste kennen gelernt, die mir vorher gar nicht bewusst waren,<br />
oder die ich ganz anders zugeordnet habe.<br />
Ich habe sie schlichtweg nicht als das Gefühl „Angst“ akzeptiert, wie zum Beispiel<br />
das Alle<strong>in</strong>e Se<strong>in</strong>, das Versagen, Schwäche, Krankheit oder sogar der Tod. Durch die<br />
Akzeptanz von gewissen Sachen kann man sie auch zu verstehen versuchen <strong>und</strong><br />
etwas daran ändern.<br />
Ich b<strong>in</strong> so lange bl<strong>in</strong>d durchs Leben gelaufen <strong>und</strong> habe die Warnungen me<strong>in</strong>er Gefühle<br />
missachtet, dass ich jetzt oft erschrecke, wenn ich <strong>in</strong> mich h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> gehe <strong>und</strong> genau<br />
fühle, was Sache ist. Es ist oft sogar fast beängstigend <strong>und</strong> damit wären wir<br />
schon wieder mitten <strong>in</strong> me<strong>in</strong>em <strong>Bild</strong>. Und nun gilt es, die Angst zu überw<strong>in</strong>den, um<br />
auf dieser Forschungsreise noch viele neue Erkenntnisse zu entdecken <strong>und</strong> mich selber<br />
besser kennen zu lernen.<br />
Und e<strong>in</strong>s kann ich mit Bestimmtheit sagen, dies ist die <strong>in</strong>teressanteste Reise, die ich<br />
bis jetzt <strong>in</strong> me<strong>in</strong>em Leben angetreten habe. Wie lange sie noch dauert, das liegt <strong>in</strong><br />
den Sternen…
<strong>Me<strong>in</strong>e</strong> <strong>Therapie</strong> <strong>in</strong> <strong>Bild</strong> <strong>und</strong> <strong>Text</strong> 26
7 Das Ende naht…<br />
Die letzten Tage me<strong>in</strong>er Arbeit, das F<strong>in</strong>ale<br />
<strong>Me<strong>in</strong>e</strong> <strong>Therapie</strong> <strong>in</strong> <strong>Bild</strong> <strong>und</strong> <strong>Text</strong> 27<br />
03.4., Donnerstag<br />
Ich hatte am Morgen Projektbesprechung mit Herbert <strong>und</strong> Peter. Herbert hatte das<br />
Gefühl, er wisse nicht viel von dem was ich tue, stimmt e<strong>in</strong>erseits <strong>und</strong> doch hatte ja<br />
schliesslich er kaum Zeit, was mir Spielraum lies um selbständig zu arbeiten.<br />
Nun geht es dem Ende entgegen <strong>und</strong> ich b<strong>in</strong> froh, dass es so wurde wie ich mir das<br />
vorgestellt habe ohne grosse fremde E<strong>in</strong>flüsse. Für mich ist das Ganze so oder so e<strong>in</strong><br />
voller Erfolg <strong>und</strong> mit dem bisherigen Resultat b<strong>in</strong> ich mehr als zufrieden. Anschliessend<br />
fuhr ich nach Basel <strong>in</strong> die Fondation Beyeler, wo ich die Sonderausstellung<br />
Action Pa<strong>in</strong>t<strong>in</strong>g besuchte.<br />
Auch da bemerkte ich wieder e<strong>in</strong>e Veränderung an mir. Noch vor drei Jahren wäre<br />
es sicherlich unmöglich für mich gewesen, so e<strong>in</strong>e Ausstellung <strong>in</strong> Ruhe <strong>und</strong> ganz<br />
alle<strong>in</strong>e zu geniessen.<br />
Was mir auch aufgefallen ist, ich gehe immer wieder gerne nach Basel, es ist für mich<br />
fast wie wenn ich nach Hause käme.<br />
06.4., Sonntag<br />
Dieses Wochenende hat mich noch e<strong>in</strong>mal voll <strong>in</strong> Anspruch genommen, mit dem<br />
Projekt, Formel-1 <strong>und</strong> Fabians Geburtstag. Am Samstag nach dem Hausputz habe<br />
ich mich h<strong>in</strong>ter den Bericht über den Tag im Museum gemacht, so lange mir noch<br />
alles präsent ist.<br />
Und so verg<strong>in</strong>g der Samstag, vertieft <strong>in</strong> die Arbeit. Und mir ist dabei aufgefallen,<br />
dass ich oft erst im Nachh<strong>in</strong>e<strong>in</strong> realisiere was ich alles erlebt habe. Das heisst, wenn<br />
ich direkt nach e<strong>in</strong>em Ereignis etwas gefragt werde, fällt es mir oft schwierig, antworten<br />
zu f<strong>in</strong>den, jedoch am nächsten Tag kommt es mir vor als wäre es eben geschehen.<br />
So geht es mir auch oft beim lesen oder TV schauen <strong>und</strong> am schlimmsten, nach Gesprächen,<br />
die ich zuerst verarbeiten muss. Am Sonntag dann, war das Vorbereiten<br />
der Salate für unseren Grillplausch angesagt <strong>und</strong> danach das F-1 Rennen <strong>in</strong> Bahra<strong>in</strong><br />
<strong>und</strong> um drei Uhr machten wir uns auf den Weg nach Holderbank zu dem Waldhaus,<br />
das Benny reserviert hat.<br />
Wir g<strong>in</strong>gen mit gemischten Gefühlen, da es nur 4 Grad warm war <strong>und</strong> es bereits zu<br />
schneien begann. Doch dieses Häuschen war der absolute Hammer <strong>und</strong> wir feierten<br />
zu sechst e<strong>in</strong>en lustigen Geburtstag <strong>und</strong> kamen total verraucht aber sehr zufrieden<br />
zurück <strong>in</strong>s <strong>Casa</strong>.<br />
Und wir haben beschlossen, <strong>in</strong> Zukunft öfters solche Unternehmungen zu starten.<br />
08.4., Dienstag<br />
Das Schreiben nähert sich dem Ende, <strong>und</strong> die Korrekturen fallen an. Was bis jetzt<br />
geschehen ist, stellt mich mehr als zufrieden <strong>und</strong> ich denke dieses Projekt wird e<strong>in</strong><br />
Erfolg für mich.<br />
Ich hätte nie gedacht, dass es mir gel<strong>in</strong>gt so ernsthaft daran zu bleiben <strong>und</strong> nicht e<strong>in</strong>fach<br />
etwas abzuliefern das mich nicht zufrieden stellt. Das wäre eigentlich genau<br />
me<strong>in</strong>e Art, die ich immer angewendet habe, wenn ich etwas nicht aus Überzeugung<br />
tat.
<strong>Me<strong>in</strong>e</strong> <strong>Therapie</strong> <strong>in</strong> <strong>Bild</strong> <strong>und</strong> <strong>Text</strong> 28<br />
Ich möchte diese Woche noch das fertige Layout zur Inspektion abgeben <strong>und</strong> die<br />
Änderungen nächste Woche abschliessen. Ich verspüre den Drang, wieder etwas<br />
Körperliches tun zu müssen, habe jedoch bemerkt, dass es mir ohne Probleme möglich<br />
ist, tagelang adm<strong>in</strong>istrative Arbeiten durchzuführen, was früher <strong>und</strong>enkbar war.<br />
Ich hätte mir zum Beispiel nie vorstellen können, 100% <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Büro zu arbeiten.<br />
Früher als Lagerchef war das schön ausgewogen, Büro <strong>und</strong> Lagerhalle, <strong>und</strong> ich empfand<br />
dies als optimal. Jetzt h<strong>in</strong>gegen könnte ich mir gut vorstellen den ganzen Tag <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>em Büro zu arbeiten.<br />
Ich bestrebe es sogar an, denn e<strong>in</strong>e Zukunft mit re<strong>in</strong> körperlicher Arbeit will ich mir<br />
nicht mehr antun. Die Frage stellt sich mir immer öfters, wie ich Action <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en solchen<br />
Job br<strong>in</strong>gen kann, vielleicht als Disponent mit tausend Telefongesprächen am<br />
Tag. Aber ich habe beschlossen, mich von der Zukunft überraschen zu lassen, denn<br />
sie br<strong>in</strong>gt sowieso alles anders als ich es erwarte.
8 Der Tag <strong>in</strong> der Fondation Beyeler<br />
<strong>Me<strong>in</strong>e</strong> <strong>Therapie</strong> <strong>in</strong> <strong>Bild</strong> <strong>und</strong> <strong>Text</strong> 29<br />
Am Donnerstag, dem 3. April, am Morgen machte ich mich auf den Weg nach Riehen<br />
<strong>in</strong> die Fondation Beyeler. Eigentlich wollte ich diese Kunstausstellung ja anfangs<br />
des Projektes besuchen, um mir Inspiration zu verschaffen. Doch wie es halt so ist,<br />
s<strong>in</strong>d me<strong>in</strong>e <strong>Bild</strong>er fertig <strong>und</strong> das ist wahrsche<strong>in</strong>lich gar nicht schlecht so. Es fiel mir<br />
auch so nicht leicht, me<strong>in</strong>e Ausdrücke <strong>und</strong> Gefühle aufs Papier zu br<strong>in</strong>gen <strong>und</strong> wäre<br />
nach diesem Besuch sicher noch mehr bee<strong>in</strong>flusst worden.<br />
Wenn ich mich recht er<strong>in</strong>nere, war dies me<strong>in</strong> erster Besuch e<strong>in</strong>er solchen Ausstellung,<br />
jedenfalls bewusst <strong>und</strong> ernsthaft, <strong>und</strong> ich g<strong>in</strong>g auch mit gemischten Gefühlen<br />
nach Basel.<br />
Me<strong>in</strong> Interesse gehörte hauptsächlich der Sonderausstellung „Action Pa<strong>in</strong>t<strong>in</strong>g“, das<br />
klang für mich nach etwas Modernem <strong>und</strong> vor allem nach heutiger Kunst. Ich musste<br />
dann aber feststellen, dass sie auch früher schon Action kannten.<br />
Noch vor zwei Jahren, hätte ich bestimmt nie alle<strong>in</strong>e <strong>und</strong> dies erst noch ernsthaft, <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>er Ausstellung <strong>Bild</strong>er betrachtet <strong>und</strong> das sogar mit Fasz<strong>in</strong>ation <strong>und</strong> Begeisterung.<br />
Gesagt getan, bezahlte ich die E<strong>in</strong>trittskarte <strong>und</strong> betrat die E<strong>in</strong>gangshalle, die mich<br />
überwältigte mit ihrer Architektur <strong>und</strong> Großzügigkeit. Ich sah sofort die Beschilderung<br />
„Action Pa<strong>in</strong>t<strong>in</strong>g“, entschied mich aber zuerst <strong>in</strong> Richtung Sammlung zu gehen<br />
zu den <strong>Bild</strong>ern die immer dort hängen.<br />
Pablo Picasso<br />
Und so stand ich gleich bei e<strong>in</strong>em <strong>Bild</strong> von Pablo Picasso <strong>und</strong> verw<strong>und</strong>erte mich,<br />
dass ich mich ohne Sicherheitsabstand vor das <strong>Bild</strong> stellen durfte <strong>und</strong> es so ganz genau<br />
betrachten konnte.<br />
Es war e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>es <strong>Bild</strong> <strong>und</strong> ich war fasz<strong>in</strong>iert <strong>und</strong> enttäuscht gleichzeitig, da ich etwas<br />
erwartet habe, dass außergewöhnlich <strong>und</strong> nicht kopierbar ist.
<strong>Me<strong>in</strong>e</strong> <strong>Therapie</strong> <strong>in</strong> <strong>Bild</strong> <strong>und</strong> <strong>Text</strong> 30<br />
Doch die Vorstellung, dass dieses <strong>Bild</strong> über 100 Millionen Franken kostet, hat mich<br />
enorm fasz<strong>in</strong>iert <strong>und</strong> <strong>in</strong> mir den Verfolgungswahn ausgelöst. Ab diesem Augenblick<br />
kam ich mir an diesem Ort beobachtet vor, vielleicht auch weil ich bei der H<strong>in</strong>fahrt<br />
von den Bührle-Räubern gelesen habe, die immer noch auf der Flucht s<strong>in</strong>d. Und sicher<br />
hatte es auch mit me<strong>in</strong>er nicht ganz re<strong>in</strong>en Vergangenheit zu tun, was Diebstähle<br />
anbelangt.<br />
Gleich danach wurde ich überschüttet mit E<strong>in</strong>drücken, e<strong>in</strong> <strong>Bild</strong> nach dem anderen<br />
von den bekanntesten Malern dieser Welt wie Monet, van Gogh, Cézanne, Klee <strong>und</strong><br />
wie gesagt Picasso, an dem mich am meisten erstaunte, dass er <strong>in</strong> me<strong>in</strong>em Geburtsjahr<br />
Gestorben ist, ich dachte das war schon viel länger her.<br />
van Gogh<br />
Van Gogh`s <strong>Bild</strong>er haben mich enttäuscht, von diesem Namen hätte ich viel mehr<br />
erwartet <strong>und</strong> ich fragte mich an was wohl diese Werke beurteilt würden, dass sie so<br />
teuer s<strong>in</strong>d.<br />
Am Aufwand der Arbeit kann’s bestimmt nicht liegen, sonst würden noch ganz andere<br />
<strong>Bild</strong>er von unbekannten Künstlern auch so viel Geld kosten. Dann gab es aber<br />
auch <strong>Bild</strong>er von Künstler wie Henri<br />
Rousseau mit den Urwäldern, die man<br />
st<strong>und</strong>enlang betrachten könnte <strong>und</strong> immer<br />
wieder etwas Neues entdeckt.<br />
Wahrsche<strong>in</strong>lich ist wegen solchen<br />
Gemälden der E<strong>in</strong>tritt auch nicht zeitlich<br />
limitiert, denn Stress an e<strong>in</strong>em solchen Ort<br />
wäre wirklich nicht angesagt. E<strong>in</strong>es der<br />
schönsten Werke für mich war das <strong>Bild</strong><br />
Nymphèas von Claude Monet, weil es e<strong>in</strong>e<br />
so beruhigende Wirkung ausstrahlte auf<br />
mich. E<strong>in</strong> Teich mit Seerosen an dem ich<br />
den ganzen Tag hätte verweilen können<br />
<strong>und</strong> sofort begann vom Sommer zu<br />
träumen, den ich schon so sehnlich erwarte.<br />
Claude Monet, Nymphèas
<strong>Me<strong>in</strong>e</strong> <strong>Therapie</strong> <strong>in</strong> <strong>Bild</strong> <strong>und</strong> <strong>Text</strong> 31<br />
Und dann, nach langem Staunen <strong>und</strong> Träumen, g<strong>in</strong>g ich Richtung Sonderausstellung,<br />
die <strong>in</strong> der anderen Gebäudehälfte lag <strong>und</strong> war erneut überwältigt. Riesige, farbenfrohe<br />
Gemälde, die e<strong>in</strong>em zum Staunen brachten mit ihrer Schlichtheit. E<strong>in</strong> <strong>Bild</strong><br />
löste <strong>in</strong> mir sofort Unverständnis aus, es war riesengroß <strong>und</strong> nur zweifarbig, die l<strong>in</strong>ke<br />
Hälfte blau <strong>und</strong> die rechte rot, so schlicht <strong>und</strong> es hätte fast gereicht e<strong>in</strong>e Hausfassade<br />
zu verkleiden. So s<strong>in</strong>d halt die Geschmäcker verschieden, e<strong>in</strong>em Farbenbl<strong>in</strong>den<br />
würde dieses <strong>Bild</strong> jedenfalls nichts aussagen, wäre e<strong>in</strong>fach e<strong>in</strong>e uni Fläche. Andere<br />
<strong>Bild</strong>er wiederum waren mit so harmonischen Farben gestaltet, dass es e<strong>in</strong>em zum<br />
Verweilen e<strong>in</strong>lud, noch dazu <strong>in</strong> dieser Ruhe. Ich denke e<strong>in</strong> schreiendes K<strong>in</strong>d wäre <strong>in</strong><br />
dieser Umgebung e<strong>in</strong> erheblicher Störfaktor, diese Ruhe ist e<strong>in</strong>fach notwendig um<br />
solche <strong>Bild</strong>er wirken zu lassen.<br />
Im Untergeschoss war e<strong>in</strong> Videoraum e<strong>in</strong>gerichtet mit Filmen über Künstler bei der<br />
Arbeit. Dabei hat mir Jackson Pollock am meisten imponiert, e<strong>in</strong> Name den ich noch<br />
nie gehört habe, der aber ansche<strong>in</strong>end bekannt war <strong>in</strong> der Kunst Szene. Er lebte <strong>in</strong><br />
den USA, ganz abgeschieden <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Bauernhaus, ohne fließend Wasser <strong>und</strong> sanitäre<br />
E<strong>in</strong>richtungen <strong>und</strong> wen w<strong>und</strong>ert’s, er war schwerer Alkoholiker. Ich dachte dabei<br />
an mich <strong>und</strong> b<strong>in</strong> mir sicher, unter solchen Bed<strong>in</strong>ungen hätte ich auch ke<strong>in</strong>e Chancen<br />
zum trocken bleiben.<br />
Und wie anfangs erwähnt, dachte ich das wären alles neuere <strong>Bild</strong>er, aber die meisten<br />
stammten aus der Zeit der beiden Weltkriege, also ziemlich alt für so moderne <strong>Bild</strong>er.<br />
Ich würde gerne die Gedanken lesen können von solchen Künstlern, denn es steckt<br />
sicherlich viel mehr dah<strong>in</strong>ter als man auf den ersten Blick erkennen kann. Zum<br />
Schluss g<strong>in</strong>g ich noch e<strong>in</strong>mal zum Ausgangspunkt mit der Absicht, alles noch e<strong>in</strong>mal<br />
zu überfliegen um mir e<strong>in</strong>ige Namen merken zu können, bemerkte jedoch schnell,<br />
dass ich gleich wieder hängen blieb <strong>und</strong> gab dann schnell wieder auf. Und so machte<br />
ich mich durch die w<strong>und</strong>erschöne Parkanlage wieder auf den Rückweg zur Tramstation.<br />
Und das ganze gemächlich, weil mich als ehemaliger Gärtner schöne Parkanlagen<br />
natürlich <strong>in</strong>teressieren <strong>und</strong> auch zum verweilen e<strong>in</strong>laden. Auf dem Rückweg liess<br />
ich die ganzen E<strong>in</strong>drücke des Tages auf mich wirken <strong>und</strong> kam zum Entschluss, dass<br />
es eigentlich schön ist se<strong>in</strong>e Gedanken auf diese Weise zu beflügeln. Früher hätte ich<br />
so etwas nie gekonnt, ohne es <strong>in</strong>s Lächerliche zu ziehen <strong>und</strong> heute war es e<strong>in</strong> zufrieden<br />
stellender Tag, der mich glücklich machte. Und e<strong>in</strong>es ist sicher, solche Aktivitäten<br />
werde ich <strong>in</strong> Zukunft öfters unternehmen <strong>und</strong> das mit Genuss.
9 <strong>Me<strong>in</strong>e</strong> Erkenntnisse aus dieser Arbeit<br />
<strong>Me<strong>in</strong>e</strong> <strong>Therapie</strong> <strong>in</strong> <strong>Bild</strong> <strong>und</strong> <strong>Text</strong> 32<br />
Sicherlich darf ich behaupten, dass ich ke<strong>in</strong>erlei Erwartungen hatte von diesem Projekt.<br />
Mehr noch, ich hatte richtige Widerstände <strong>und</strong> fand kaum Motivation mit der<br />
Arbeit zu beg<strong>in</strong>nen. Doch wie das so geht im Leben, sah die Situation schnell ganz<br />
anders aus <strong>und</strong> ich konnte mich richtig vertiefen <strong>in</strong> diese Arbeit. Es war nicht immer<br />
e<strong>in</strong>fach <strong>und</strong> ich brauchte viel Ruhe, daher habe ich viel abends <strong>und</strong> an Wochenenden<br />
gemacht.<br />
Die grösste Schwierigkeit war es, Überw<strong>in</strong>dung zu f<strong>in</strong>den e<strong>in</strong>e Arbeit zu machen, <strong>in</strong><br />
der ich für mich ke<strong>in</strong>en Nutzen sehe. Dies war anfangs me<strong>in</strong>e grösste Hürde, mir<br />
wurde aber schnell bewusst, dass dies alle<strong>in</strong>e mir schon etwas br<strong>in</strong>gt <strong>und</strong> es e<strong>in</strong>e<br />
gute Übung ist, um Überw<strong>in</strong>dung zu tra<strong>in</strong>ieren. Dabei habe ich bemerkt, dass jede<br />
St<strong>und</strong>e, die ich mich überw<strong>und</strong>en habe, mich mit Stolz <strong>und</strong> Zufriedenheit erfüllte.<br />
Ich werde mir dies auch <strong>in</strong> me<strong>in</strong>em späteren Leben immer vor Augen haben, wenn<br />
ich anstehe <strong>und</strong> aufgeben will um den leichteren Weg zu wählen.<br />
Was mir am meisten Mühe bereitet bei solchen Aufgaben, ist mit Kritik umzugehen<br />
da ich selber nicht überzeugt b<strong>in</strong> von dem was ich tue. Dies hat sich bei diesem Projekt<br />
komischerweise schnell gelegt, vielleicht weil ich doch ziemlich schnell e<strong>in</strong>en<br />
Nutzen dah<strong>in</strong>ter sah <strong>und</strong> es selber nicht <strong>in</strong>s Lächerliche zog.<br />
Die verschiedenen Stationen me<strong>in</strong>er <strong>Therapie</strong> zu malen <strong>und</strong> dokumentieren, war das<br />
Ziel das ich vor Augen hatte <strong>und</strong> dies ist mir mehr als gut gelungen. Obwohl die Idee<br />
des Teams nicht erfüllt wurde, passt es für mich trotzdem <strong>und</strong> zeigt mir e<strong>in</strong>mal<br />
mehr, dass ich mit me<strong>in</strong>er Sturheit meistens das mache, was ich für richtig empf<strong>in</strong>de.<br />
Dafür kann ich jetzt h<strong>in</strong>ter dem stehen, was ich geleistet habe <strong>und</strong> muss es nicht belächeln.<br />
<strong>Me<strong>in</strong>e</strong>n Gefühlen näher zu kommen, war e<strong>in</strong> weiters Ziel das h<strong>in</strong>ter diesem Projekt<br />
steckte.<br />
Diesbezüglich ist mir e<strong>in</strong> grosser Schritt gelungen, zusammen mit den E<strong>in</strong>zeln bei<br />
Dani war das e<strong>in</strong>e geniale Komb<strong>in</strong>ation <strong>und</strong> hat mich mir selber viel näher gebracht.<br />
Oftmals b<strong>in</strong> ich richtig erschrocken auf der Reise zu mir, als längst vergessene Situationen<br />
wieder <strong>in</strong> mir auftauchten, die ich teils gar nicht zulassen wollte. Früher wäre<br />
mir das nie möglich gewesen, so entspannt zu se<strong>in</strong> das ich mich me<strong>in</strong>en Gefühlen<br />
<strong>und</strong> Gedanken h<strong>in</strong>geben kann, ohne mir etwas vor zu machen.<br />
Da es mir schwierig fällt, me<strong>in</strong> wahres Ich zu zeigen, habe ich versucht, me<strong>in</strong>e ersten<br />
Gedanken aufzuschreiben <strong>und</strong> möglichst nicht mehr zu korrigieren, damit es auch<br />
der Wahrheit entspricht.