Bewohnerprojekt Meine Therapie in Bild und Text - Casa Fidelio

5.2 Gedanken zum Bild (Das Tor zur Freiheit)
Meine Therapie in Bild und Text 20
Für mich wird nach der Therapie das Leben noch einmal fast von vorne beginnen
und durch meine Unabhängigkeit stehen mir viele Möglichkeiten offen. Dies ist einer
der positiven Aspekte, die der Aufenthalt im Casa mit sich brachte.
In meinem bisherigen Leben stand mir oft die Vorstellung im Wege, ich hätte etwas
zu verlieren oder ein Ziel würde nicht erreicht, wenn ich etwas Neues ausprobieren
wollte. Diese Frage stellt sich nun nicht mehr, da es weder etwas zu verlieren noch
ein fixes Ziel zu erreichen gilt. So fange ich noch einmal bei Null an und geniesse es,
dass mir nun die Welt offen steht und ich völlig neue Perspektiven habe. Die Schattenseite
des Ganzen ist, dass ich nicht viel mehr als zwei Reisetaschen voller Kleider
besitze und meine Motivation, sauber zu bleiben. Ich bin gespannt und ängstlich
zugleich, was mir die neue Freiheit bringt.
Ich trete ihr aber mit Zuversicht entgegen, obwohl ich nicht mehr viele Chancen sehe
nach dieser Therapie. Mir ist auch bewusst, dass ein langer, steiniger Weg vor mir
liegt, wie die Weite dieses Meeres.
Der Hafen Casa Fidelio bietet guten Schutz vor Sturm, aber irgendwann passiert das
Schiff die Hafenausfahrt und ist Wind und Wetter ausgesetzt ohne die hohen
Schutzmauern.
Auf dem offenen Meer dann kann das Schiff (MS Silvio) jeden erdenklichen Kurs einschlagen
und die Welt steht ihm offen. So ungefähr stelle ich mir den Austritt vor
und hoffe, auch mir gelingt es, den richtigen Kurs einzuschlagen und einen anderen
sicheren Hafen mit guten Mauern zu finden, die für mich sehr wichtig sind, um den
grossen Sturm abzuwehren.
Die Sonne wacht wie ein Auge über dem ganzen und spendet Licht, um Hindernisse
zu sehen und nötigenfalls zu umgehen. Für mich ist die Nachsorge so ein Auge, ein
wichtiger Aspekt für mich damit ich es nie vergesse, dass mein Leben auch mal anders
war.
Das Meer zeigt für mich auch die Zeit, die ich zur Verfügung haben werde, und es ist
noch ziemlich leer da draussen. Einen Teil wird die Arbeit füllen, es braucht aber
auch noch etwas wie eine Insel, auf der man zur Ruhe kommen kann. Diese Insel
habe ich nicht gemalt, da ich noch nicht weiss, wie sie aussehen wird und wo genau
sie ist.
Meine eigene Wohnung wird sicherlich ein grosser Bestandteil dieser Insel sein, da
es für mich sehr wichtig ist, mich zurückziehen zu können. Es birgt aber auch die
Gefahr, dass ich mich abschotte von dem Leben. Darum braucht es auch Bewohner
auf der Insel, ausgewählte Leute, bei denen ich mich gerne aufhalte und die mir Unterstützung
bieten in schwierigen Situationen. Da das Meer zu gross ist, um völlig
überbaut zu werden, wird es noch viele Lücken geben, an denen ich auf mich alleine
gestellt sein werde. Dies habe ich im Casa gelernt, mich selber zu beschäftigen und
das Alleine Sein besser auszuhalten.
Dies wird mein letztes grosses Ziel sein im Casa, mir eine solche Insel zu bauen, damit
ich einen Ort habe, um mich auszuruhen wenn ich müde bin. Wenn diese Insel
nicht bricht wie eine Eisscholle, kann es mir gelingen, ein solides Leben zu führen
ohne immer wieder auf Hilfsmittel zurückzugreifen, die mich ins Elend stürzen. Das
Meer ist sehr ruhig auf dem Bild, aber der nächste Sturm kommt bestimmt und gegen
den werde ich mich wappnen.