09.02.2013 Aufrufe

reformiertes gemeindeblatt juli/august 2011 - ref. Kirche Thun

reformiertes gemeindeblatt juli/august 2011 - ref. Kirche Thun

reformiertes gemeindeblatt juli/august 2011 - ref. Kirche Thun

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

DasThema<br />

Die Zehn Gebote: topaktuell oder total antiquiert?<br />

Du sollst nicht töten<br />

Ehrfurcht<br />

vor dem Leben<br />

Neulich, als ich den Dienst<br />

der Armeeseelsorge neu eingerückten<br />

Rekruten vorzustellte,<br />

da sagte einer: «Jetzt bin ich<br />

Soldat und lerne das Kriegshandwerk.<br />

Wie bringe ich<br />

das mit dem Gebot: ‹Du sollst<br />

nicht töten› zusammen?»<br />

«Im Ernstfall würde ich davonlaufen»,<br />

sagte einer.<br />

Ein anderer meinte: «Wenn wir angegriffen würden,<br />

ich würde keine Sekunde zögern, mich mit allen Mitteln<br />

zu verteidigen.»<br />

«Was denken Sie?», fragte einer mich.<br />

Das ist die Herausforderung, die uns die Zehn Gebote<br />

stellen. Wir sind immer wieder gefordert, uns selbst<br />

dazu zu verhalten. Natürlich kann mit Distanz über<br />

das Gebot nachgedacht werden, letztlich aber sind<br />

wir als Einzelne gefragt.<br />

«Du sollst nicht töten.» Was bedeutet das in meinem<br />

Leben? Was ist der Handlungsspielraum, gibt es<br />

einen? Ich esse einen Apfel – töte ich damit Leben<br />

und übertrete das Gebot? Ich spaziere durch den<br />

Wald und zertrete dabei eine Ameise – übertrete ich<br />

damit das Gebot? Ich esse Fleisch, dafür musste ein<br />

Tier geschlachtet werden – übertrete ich damit das<br />

Gebot? Ich denke schlecht über einen Mitmenschen –<br />

übertrete ich damit das Gebot?<br />

Wer über die Welt und sich selber nachdenkt, merkt,<br />

dass alles, was ihn umgibt, Pflanzen, Tiere, Mitmenschen,<br />

genau gleich am Leben hängt wie er<br />

selber. Wer das begriffen hat, muss oder will ihnen<br />

allen in Liebe begegnen. Das ist das dem Menschen<br />

schöpfungsgemäss angemessene richtige Verhalten.<br />

Bei Albert Schweitzer führte diese Einsicht zum Begriff<br />

«Ehrfurcht vor dem Leben». Ich selbst bin Leben,<br />

das leben will, inmitten von Leben, das Leben will. Leben<br />

erhalten, Leben fördern ist geboten. Damit wird<br />

deutlich, dass das Gebot «Du sollst nicht töten»<br />

weite Kreise zieht hinein in unser ganzes Leben,<br />

in unser Verhältnis zu unseren Mitmenschen, ebenso<br />

zu Tieren und Pflanzen.<br />

Es ist mir ferne unserer Leserschaft zu sagen,<br />

wie das Gebot im Alltag umgesetzt werden muss.<br />

Aber eines will ich doch: darauf hinweisen, dass wir<br />

nicht darum herum kommen, uns immer wieder<br />

von Neuem in fast allen Lebensbereichen mit der<br />

Forderung dieses Gebotes auseinanderzusetzen.<br />

Als Beispiele seien folgende Themenfelder genannt:<br />

Kernenergie; Tierschutzverordnung; pränatale<br />

Diagnostik und Abtreibung; Waffenexport; häusliche<br />

Gewalt; Artenschutz ...<br />

Stefan Junger, Pfr.<br />

2<br />

Haben Sie ES<br />

auch schon getan?<br />

Ich gestehe Ihnen, ich habe<br />

ES getan. Lieber umschreibe ich<br />

dieses Verb mit ES, denn das<br />

besagte Wort tönt hart und<br />

barbarisch. Dennoch finden wir<br />

ES in jedem Wörterbuch und ES<br />

gehört in unseren Sprachschatz.<br />

Ein paar freie Tage locken mich<br />

in die Berge und ich freue mich,<br />

mich in der Ferienwohnung<br />

für eine Weile einzurichten. Mit Gepäck beladen trete<br />

ich ein, stelle aber sofort fest, dass sich bereits andere<br />

«Gäste» eingenistet haben. Grosse schwarze Klammerameisen<br />

drängen sich um den Wasserhahnen in<br />

der Küche, ein unruhiges Gekrabbel auch im und um<br />

das Spülbecken. Ich musste mich entscheiden. Entweder<br />

lasse ich diese geschäftigen Kreaturen weiterarbeiten,<br />

benutze dafür während den nächsten<br />

Stunden oder Tagen die Küche nicht oder ich schaffe<br />

irgendwie Abhilfe. Wer will schon Gift im Bereich von<br />

Lebensmitteln einsetzen? Gibt es etwas Natürliches –<br />

ein Hausmittel? Es ist niemand da, der mir darüber<br />

Auskunft geben könnte. Also greife ich zum Staubsauger,<br />

stecke das Rohr ein und sauge die Klammerameisen<br />

in den Staubbeutel. Wohl ist mir nicht dabei!<br />

Am Abend im Bett stelle ich mir die Frage, ob die<br />

Tierchen den Ausgang bereits gefunden haben, denn<br />

ich habe keine Vorkehrungen dagegen getroffen.<br />

Nur nicht hingehen und nachschauen, es reicht auch,<br />

wenn ich die allfällige Überraschung erst am nächsten<br />

Morgen entdecke.<br />

Die <strong>Kirche</strong>nglocken läuten, es ist Sonntag. Gespannt<br />

bewege ich mich Richtung Staubsauger, es regt sich<br />

nichts (mehr). Aber ich traue meinen Augen nicht,<br />

am Wasserhahnen in der Küche erblicke ich schwarze<br />

Klammerameisen! Sind es diejenigen von Samstag<br />

oder hat bereits eine neue Brigade den Platz übernommen?<br />

Ich wollte ES nicht noch einmal tun, habe<br />

Wasser für Kaffee in einen Krug gegossen und mich<br />

nicht mehr stören lassen. Beim Frühstück studierte<br />

ich noch ein wenig über ES und war erleichtert,<br />

keinen eigenen Garten mit Salat, Gemüse und zarten<br />

Blumensetzlingen zu besitzen ...<br />

Übrigens: Ich habe noch eine Fliegenklatsche in<br />

meinem Hausrat gefunden.<br />

Christine Vogel<br />

Pflugscharen<br />

und Rebmesser<br />

Du sollst nicht töten», das<br />

fünfte Gebot aus der Bibel der<br />

Christen ist klipp und klar.<br />

Du sollst nicht töten, Punkt.<br />

Im Tanach, einem Teil der<br />

hebräischen Bibel, findet man<br />

unter den zehn Worten (Zehn<br />

Gebote) mit «du sollst nicht<br />

morden», ebenfalls klare<br />

Worte. Diese vermitteln das<br />

Gefühl, dass die beiden Religionen doch nicht so weit<br />

voneinander entfernt sein könnten, wie allgemein<br />

angenommen wird. Das Zitat aus dem Talmud:<br />

«Wenn sich ein Nichtjude mit der Thora befasst,<br />

so verdient er den Tod», lässt diese Hoffnung jedoch<br />

sofort wieder schwinden.<br />

Beim Internet-Lesen einiger Suren aus dem Koran,<br />

der heiligen Schrift des Islam, verliert man als sogenannter<br />

Nichtgläubiger rasch den Überblick. Einerseits<br />

ist die Rede vom Leben als höchstes Gut, andererseits<br />

sind die Worte «... dann tötet sie, oder... so tötet<br />

sie» immer wieder präsent. Verstehen kann man in<br />

der komplexen Vielfalt des Geschriebenen im Talmud<br />

und im Koran nur, dass in den beiden Schriften<br />

das Töten von Menschen je nach Sachlage erlaubt,<br />

gar gefordert und zudem unterschiedlich behandelt<br />

und geahndet wird.<br />

Im Matthäus-Evangelium lesen wir in Kapitel zehn,<br />

insbesondere im Vers 34 ebenfalls Erstaunliches über<br />

die Worte Jesu zum Töten: »meinet nyd öppe, i sigi<br />

cho, für e Friden uf d Ärde z bringe. I bi nid cho, für<br />

Fride z bringe, nei, ds Schwärt!» Spätestens nach<br />

dieser Lektüre verliert man entweder den Überblick<br />

oder man beginnt, sich Fragen zu stellen. Fragen zu<br />

den schriftlichen Grundlagen der drei Religionen und<br />

zu den möglichen Zusammenhängen der Texte. Das<br />

unaufhörliche Töten von Menschen auf der ganzen<br />

Welt erscheint plötzlich in einer neuen, unsagbar<br />

grossen Dimension. Töten ist also nicht einfach töten.<br />

Nach den Schriften kommt es darauf an, wer wen,<br />

wann, wie und weswegen tötet. Bei derart vielen<br />

Möglichkeiten der Auslegung ist es kaum noch verwunderlich,<br />

wenn weiter getötet wird. Je nach Auslegung<br />

der jeweils eigenen heiligen Schrift des Vollziehers<br />

ist das Leben des anderen wertlos und kann<br />

deshalb ohne Skrupel ausgelöscht werden. Nach<br />

dieser Erkenntnis ist es kaum noch verwunderlich,<br />

dass das Töten von Andersgläubigen hüben und<br />

drüben weitergeht. Zurück bleibt die Hoffnung auf die<br />

Erfüllung der Prophezeiung des Jesaja zum<br />

kommenden Friedensreich, Jesaja 2, 1–5. «... und sie<br />

werden die Schwerter zu Pflugscharen machen…<br />

... kein Volk wird wider das andere das Schwert<br />

erheben und sie werden den Krieg nicht mehr<br />

lernen…»<br />

Debora Stulz

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!