Es ist eine Rolle, in die man hineinwächst. - w-fFORTE
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Monika Bukovnik<br />
Interview: Anita Zieher | September 2005<br />
„<strong>Es</strong> <strong>ist</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong> <strong>Rolle</strong>, <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>man</strong> h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>wächst.“<br />
Fotos: Lisa Holzer<br />
12 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie
Nah an ihren K<strong>in</strong>dheitsträumen <strong>ist</strong><br />
Monika Bukovnik <strong>in</strong> ihrer Berufswahl<br />
geblieben. „Eisenbahnspielen hat mich<br />
schon immer <strong>in</strong>teressiert, Flugzeugspielen<br />
auch.“ Sie <strong>ist</strong> zwar nicht Lokomotivführer<strong>in</strong><br />
oder Pilot<strong>in</strong> geworden.<br />
Aber dafür arbeitet sie mit ihrer Firma<br />
psiA-Consult mit Zügen und Flugzeugen<br />
<strong>in</strong> den Gebieten „Schall und<br />
Rauch“ und führt akustische Mes-<br />
sungen bei Eisenbahnen und Schadstoffemissionsberechnungen<br />
bei<br />
Flugzeugen durch.<br />
Für <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Frau, noch dazu mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r<br />
Brille, gab es damals k<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Chancen<br />
Ausbildung:<br />
Studium Masch<strong>in</strong>enbau,<br />
Stu<strong>die</strong>nzweig<br />
Verfahrens<strong>in</strong>genieurwesen,<br />
an der TU Wien<br />
Position:<br />
Geschäftsführer<strong>in</strong> von<br />
psiA-Consult GmbH<br />
Branche:<br />
Forschung und Entwicklung<br />
im Bereich Naturwissenschaften<br />
auf <strong>die</strong> Ausbildung zur Berufspilot<strong>in</strong>.<br />
Deshalb war das Masch<strong>in</strong>enbaustudium<br />
<strong>die</strong> nahe liegende Alternative. Der<br />
Hang zur Technik liegt offenbar <strong>in</strong> der<br />
Familie: der Vater promovierte <strong>in</strong> Elektrotechnik,<br />
ihr Bruder stu<strong>die</strong>rte ebenso<br />
wie sie Masch<strong>in</strong>enbau. Von ihm habe<br />
sie viel profitiert beim Studium, <strong>die</strong> geschw<strong>ist</strong>erliche<br />
Rivalität sei dabei auch<br />
e<strong>in</strong> Ansporn für sie gewesen, sagt sie.<br />
Aus ihrem ersten Job nach dem Studium<br />
hat sich für Monika Bukovnik auch<br />
gleich <strong>die</strong> Möglichkeit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r betrieblichen<br />
PartnerInnenschaft ergeben. Der<br />
damalige Leiter <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Zivil<strong>in</strong>genieur-<br />
büros wollte sich neu orientieren und<br />
fragte sie, ob sie mit ihm <strong>e<strong>in</strong>e</strong> GmbH<br />
gründen wolle. Dank <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Erbschaft<br />
war Geld für <strong>die</strong> E<strong>in</strong>lage vorhanden und<br />
so nahm sie <strong>die</strong> Herausforderung <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r<br />
Firmengründung und Geschäftsführungstätigkeit<br />
an.<br />
Inst<strong>in</strong>kt für erfolgversprechende<br />
Entwicklungen<br />
Den Firmennamen psiA-Consult leiteten<br />
sie von der Psychoakustik ab, <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m<br />
Spezialgebiet der Akustik, auf das sich<br />
der Betrieb ursprünglich konzentrierte,<br />
13
weil es zu <strong>die</strong>ser Zeit e<strong>in</strong> großes Thema<br />
war. Mittlerweile arbeiten sie hauptsächlich<br />
im Bereich des klassischen<br />
Lärmschutzes, e<strong>in</strong> Schwerpunkt liegt<br />
bei Eisenbahnlärm. „<strong>Es</strong> br<strong>in</strong>gt nichts,<br />
wenn ich überall <strong>e<strong>in</strong>e</strong> vier Meter<br />
hohe Lärmschutzwand baue. Um den<br />
Eisenbahnlärm leiser zu machen, muss<br />
<strong>man</strong> dort ansetzen, wo er entsteht,<br />
beim Kontakt Rad-Schiene“, erklärt sie<br />
den Ansatz ihrer Forschungstätigkeiten.<br />
Ihre Firma führt auch Messungen<br />
durch, beispielsweise bei neuen Entwicklungen<br />
wie dem Low Noise Tra<strong>in</strong>,<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m besonders leisen Güterwaggon.<br />
Die Bege<strong>ist</strong>erung für <strong>die</strong> Forschungstätigkeit<br />
<strong>ist</strong> ihr anzumerken. „Am<br />
me<strong>ist</strong>en Spaß machen <strong>die</strong> Messungen<br />
und Analysen neuer Entwicklungen,<br />
wenn <strong>man</strong> sieht, ob das gewünschte<br />
Ergebnis e<strong>in</strong>getroffen <strong>ist</strong>“.<br />
In der Geschäftsführung widme sie sich<br />
jetzt nur mehr teilweise der Projektarbeit<br />
und überwiegend den adm<strong>in</strong><strong>ist</strong>rativen<br />
und Controll<strong>in</strong>g-Tätigkeiten.<br />
Wobei sie <strong>die</strong> Fähigkeiten, <strong>die</strong> sie dafür<br />
braucht weniger durch das Studium<br />
als durch „learn<strong>in</strong>g by do<strong>in</strong>g“ erworben<br />
habe, erzählt <strong>die</strong> lebensfrohe Frau.<br />
Dazu gehörte auch, <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Inst<strong>in</strong>kt für<br />
erfolgversprechende Entwicklungen<br />
zu beweisen, wie beispielsweise beim<br />
Ankauf <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Schienenrauigkeitsmessgeräts<br />
für <strong>die</strong> Analyse von Lärmwerten.<br />
Da nicht viele Firmen über e<strong>in</strong> solches<br />
Gerät verfügen, wird psiA-Consult<br />
GmbH nun auch nach Deutschland, <strong>in</strong><br />
<strong>die</strong> Schweiz und nach Griechenland<br />
zu Aufträgen gerufen. Trotz <strong>die</strong>ser<br />
erfreulichen Nachfragen sei ihr Ziel<br />
für das Unternehmen primär jedoch<br />
nicht Wachstum, sondern Stabilität.<br />
Die Firma mit den sechs Mitarbeiter-<br />
Innen, <strong>die</strong> sie vom ursprünglichen<br />
Betrieb übernommen hat, besitzt <strong>die</strong><br />
richtige Größe. „Manche Entwicklungen<br />
kann <strong>man</strong> nicht vorher sagen. Da <strong>ist</strong><br />
Flexibilität gefragt, und das <strong>ist</strong> auch<br />
der Vorteil <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s kl<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Betriebs. Wenn<br />
ich mich nicht an den Markt anpassen<br />
kann, dann brauche ich auch k<strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
Firma zu gründen.“<br />
Von der Mitarbeiter<strong>in</strong> zur Firmen<strong>in</strong>haber<strong>in</strong><br />
aufzusteigen erforderte e<strong>in</strong><br />
Umdenken, von ihr wie auch von den<br />
MitarbeiterInnen und dem Geschäftspartner,<br />
erzählt Monika Bukovnik. „Am<br />
Anfang habe ich selber auch irgendwie<br />
damit gekämpft, weil ich <strong>die</strong> <strong>Rolle</strong><br />
nicht wirklich kannte und den Überblick<br />
nicht hatte. <strong>Es</strong> <strong>ist</strong> doch <strong>e<strong>in</strong>e</strong> <strong>Rolle</strong>,<br />
<strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>man</strong> h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>wächst.“ Auch <strong>die</strong><br />
Zusammenarbeit mit den FirmenpartnerInnen<br />
musste erst reifen. Dass das<br />
gelungen sei, mache sie besonders stolz.<br />
Bei ihren MitarbeiterInnen zähle für sie,<br />
dass sie sich auf sie verlassen könne.<br />
„Da geht es nicht um Arbeits- oder<br />
Kernzeiten, sondern dass sie dann, wenn<br />
sie gebraucht werden, auch <strong>die</strong> Le<strong>ist</strong>ung<br />
br<strong>in</strong>gen, dass sie Eigen<strong>in</strong>i tiative haben<br />
und auch selbst erkennen, was jetzt<br />
wichtig <strong>ist</strong> und was zu tun <strong>ist</strong>.“<br />
Klarheit von Anfang an<br />
Mit Vorurteilen von KundInnen, weil<br />
sie <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Frau <strong>ist</strong>, sehe sie sich <strong>in</strong> ihrer<br />
Funktion nicht konfrontiert, was sie im<br />
technischen Bereich gewundert hat.<br />
Das Alter spiele im H<strong>in</strong>blick auf Akzeptanz<br />
eher <strong>e<strong>in</strong>e</strong> <strong>Rolle</strong>, denn „je<strong>man</strong>d<br />
Jungen nimmt <strong>man</strong> nicht so ernst.“<br />
Sich selbst beschreibt sie als „Selbstdarsteller<strong>in</strong>“,<br />
<strong>die</strong> sich gerne vorne h<strong>in</strong>stellt,<br />
Vorträge hält und auf Tagungen<br />
fährt. „Auch wenn der erste Vortrag,<br />
den ich gehalten habe, fürchterlich <strong>in</strong><br />
<strong>die</strong> Hosen gegangen <strong>ist</strong>, aber da muss<br />
<strong>man</strong> durch.“ Besonderen Spaß mache<br />
es ihr, unterwegs zu se<strong>in</strong>, mit den Leuten<br />
zu reden – und ihre eigene Chef<strong>in</strong><br />
zu se<strong>in</strong>. „Sozusagen das ganze Paket<br />
wirklich selbst <strong>in</strong> der Hand zu haben<br />
und nicht je<strong>man</strong>den um etwas bitten<br />
zu müssen, sondern sagen zu können:<br />
das gefällt mir oder das werden wir<br />
verändern.“ Aus ihrer eigenen Erfahrung<br />
hält sie es für besonders wichtig,<br />
als junger Mensch flexibel und hartnäckig<br />
zu se<strong>in</strong>.<br />
Von Anfang an hat sie ihrem Geschäftspartner<br />
klar gemacht, dass sie<br />
weiterh<strong>in</strong> Teilzeit arbeiten will, um<br />
Zeit für sportliche Aktivitäten wie<br />
Bergsteigen, Klettern, Radfahren und<br />
Schifahren zu haben. Sie hatte auch<br />
angekündigt, dass sie zu <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m späteren<br />
Zeitpunkt e<strong>in</strong>mal ausfallen werde –<br />
zur Familiengründung. „Da jetzt zwei<br />
K<strong>in</strong>der auf e<strong>in</strong>mal kommen, falle ich<br />
weniger lang aus“, erzählt sie lachend<br />
von den Zwill<strong>in</strong>gen, <strong>die</strong> sie erwartet.<br />
Der Veränderung sieht sie mit real<strong>ist</strong>ischer<br />
Gelassenheit entgegen. „Am<br />
Anfang falle ich wohl komplett aus,<br />
weil das sicher sehr <strong>in</strong>tensiv wird, aber<br />
dafür b<strong>in</strong> ich relativ früh wieder da.“<br />
Mit dem Lebenspartner hat sie vere<strong>in</strong>bart,<br />
<strong>die</strong> K<strong>in</strong>derbetreuung aufzuteilen,<br />
wobei er den größeren Anteil übernehmen<br />
wird, da er <strong>e<strong>in</strong>e</strong> größere berufliche<br />
Flexibilität hat als sie. Ihren Partner<br />
hat Monika Bukovnik übrigens <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m<br />
Flugsportvere<strong>in</strong> kennen gelernt, dem<br />
14 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie
sie beigetreten <strong>ist</strong>, nachdem sie <strong>in</strong><br />
den USA den PrivatpilotInnensche<strong>in</strong><br />
gemacht hat und sich somit ihren<br />
K<strong>in</strong>dheitstraum vom Fliegen verwirklicht<br />
hat.<br />
„Erfolg bedeutet für mich, sich rundum wohl zu fühlen. Nämlich sich wohl zu<br />
fühlen, wenn ich <strong>in</strong>s Büro fahre oder wenn ich nach Hause komme. Und wenn<br />
es wirklich funktioniert, <strong>die</strong> Familie und den Beruf unter <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Hut zu br<strong>in</strong>gen<br />
und dabei nichts und nie<strong>man</strong>d zu kurz kommt.“<br />
15
Susanne Draxler<br />
Interview: Knoll&Szalai, Teresa Arrieta | Mai 2007<br />
„<strong>Es</strong> <strong>ist</strong> me<strong>in</strong> Geschäft, <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Tatsache so zu verpacken,<br />
dass e<strong>in</strong> Politiker sagt: Hier können wir ansetzen.“<br />
Fotos: Kathar<strong>in</strong>a Gossow<br />
16 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie
Vergiftete Atemluft,<br />
vertraulich<br />
Die Chemie-Ingenieur<strong>in</strong> analysiert<br />
Luftschadstoffe und erforscht<br />
Fe<strong>in</strong>staub- und Ozonverursacher. Ihr<br />
brisantes Wissen gehört aber ihren<br />
AuftraggeberInnen.<br />
Susanne Draxler beißt sich oft auf <strong>die</strong><br />
Zunge, doch das <strong>ist</strong> Teil ihres Jobs.<br />
Vieles von dem, was sie über unsere<br />
Luftqualität weiß, <strong>ist</strong> vorerst nicht für<br />
<strong>die</strong> Öffentlichkeit bestimmt. Und das,<br />
Ausbildung:<br />
Studium der Technischen Chemie<br />
an der Technischen Universität Wien<br />
Position:<br />
2004 Gründer<strong>in</strong> von ChemData<br />
Forschungsgesellschaft Technische<br />
Chemie und Informationstechnik GmbH<br />
Branche:<br />
Außeruniversitäre Forschung<br />
Technische Chemie<br />
was PolitikerInnen über Fe<strong>in</strong>staub und<br />
Ozon verbreiten, entspricht nur teilweise<br />
den Fakten. Draxler weiß das, denn<br />
sie tätigt jene Stu<strong>die</strong>n und Analysen<br />
zur Luftqualität, <strong>die</strong> Behörden und PolitikerInnen<br />
als Entscheidungsgrundlage<br />
vorgelegt werden. „Was <strong>die</strong>se daraus<br />
machen, dafür b<strong>in</strong> ich dann nicht<br />
mehr verantwortlich“. Im Zuge ihrer<br />
Arbeit hat sie gelernt, dass politisches<br />
Handeln nur bed<strong>in</strong>gt auf harten wissenschaftlichen<br />
Daten beruhen kann.<br />
<strong>Es</strong> muss auch sozial verträglich se<strong>in</strong> -<br />
dafür hat <strong>die</strong> Luft-Expert<strong>in</strong> Verständnis:<br />
Denn wie soll <strong>man</strong>, s<strong>in</strong>niert Draxler, auf<br />
soziale Weise der Luftre<strong>in</strong>heit gerecht<br />
werden, wenn es etwa um den Pendlerverkehr<br />
geht? E<strong>in</strong> brenzliges Thema:<br />
Klar, dass <strong>die</strong>se f<strong>in</strong>anziell geförderten<br />
VielfahrerInnen <strong>die</strong> Luft belasten, dass<br />
sie das bodennahe Ozon und den Fe<strong>in</strong>staub<br />
vermehren. Doch ebenso klar <strong>ist</strong>,<br />
dass <strong>in</strong> <strong>man</strong>chen Gebieten e<strong>in</strong> massives<br />
Arbeitsplatz-Problem ex<strong>ist</strong>iert.<br />
Soll nun den Arbeitnehmer Innen im<br />
Interesse unserer Atemluft das Pendeln<br />
erschwert werden? „Luftqualität<br />
verbessern, heißt nicht unbed<strong>in</strong>gt, den<br />
17
Verkehr zu reduzieren“, hat Susanne<br />
Draxler erkannt. „<strong>Es</strong> kann auch heißen,<br />
mehr Arbeitsplätze <strong>in</strong> strukturschwachen<br />
Regionen zu schaffen.“ Das<br />
Spannungsfeld, dem Susanne Draxler <strong>in</strong><br />
ihrem beruflichen Alltag ausgesetzt <strong>ist</strong>,<br />
erträgt sie mittlerweile mit Gelassenheit.<br />
„Häufig überrascht es mich,<br />
wie maßnahmengerecht politisches<br />
Handeln trotz allem <strong>ist</strong>“, sagt sie.<br />
Rasterfahndung für<br />
Luftverpester<br />
Geme<strong>in</strong>sam mit ihrem Mann hat<br />
Susanne Draxler im Jahre 2004 das<br />
Unternehmen „Chemdata“ gegründet.<br />
Und sie leitet das „Technische Büro<br />
für Technische Chemie“. Mit <strong>die</strong>sen<br />
Firmen analysiert sie jedoch nicht nur<br />
unser tägliches Luftdesaster, sondern<br />
sie entwickelt auch Gegenmaßnahmen:<br />
E<strong>in</strong>e wahre Luftverbesserungs-Pionier<strong>in</strong><br />
<strong>ist</strong> <strong>die</strong> selbstständige Ingenieur<strong>in</strong>. Unlängst<br />
hat sich ihr Büro beispielsweise<br />
der noch nie gestellten Frage gewidmet,<br />
wie viel Methan aus Erdgasleitungen<br />
entweicht. „Was emittiert jedes<br />
Haushaltsgerät <strong>in</strong> Österreich? Das <strong>ist</strong><br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Zahl, <strong>die</strong> hab ich noch nirgends<br />
gefunden, wir erarbeiten sie zum ersten<br />
Mal“, sagt sie stolz. In solchen Fällen<br />
entwickelt das Unternehmen <strong>in</strong>novative<br />
Berechnungsmethoden und Lösungsansätze,<br />
für <strong>die</strong> es kaum Vorbilder gibt.<br />
Ebenso hat ihr Büro Emissionskataster<br />
für e<strong>in</strong>zelne Bundesländer entworfen:<br />
Welches Spektrum an Luftschadstoffen<br />
stößt jede Geme<strong>in</strong>de aus und wie könnte<br />
<strong>man</strong> <strong>die</strong>se verr<strong>in</strong>gern? Da <strong>die</strong> zitierte<br />
„soziale Verträglichkeit“ als politische<br />
Berechnungsgröße h<strong>in</strong>zukommt, muss<br />
Draxler zwar damit rechnen, dass von<br />
ihr vorgeschlagene Lösungsansätze <strong>in</strong><br />
der Schublade verschw<strong>in</strong>den. Doch das<br />
verdrießt sie nicht, denn: „E<strong>in</strong>iges wird<br />
ja doch umgesetzt. Außerdem erwerbe<br />
ich mit jedem Projekt neues Wissen,<br />
das dann <strong>in</strong> das nächste Projekt e<strong>in</strong>fließt.“<br />
Auch <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Maßnahmenkatalog<br />
zur Erreichung der Kyoto-Ziele hat<br />
Susanne Draxler im Auftrag der Behörde<br />
geme<strong>in</strong>sam mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m privaten Forschungs<strong>in</strong>stitut<br />
erstellt, wiederum <strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
außergewöhnliche wissenschaftliche<br />
Le<strong>ist</strong>ung. Als größte Luftverschmutzer<br />
hat sie dabei den Individualverkehr und<br />
<strong>die</strong> privaten Haushalte identifiziert.<br />
Doch auch natürlichen Bösewichten<br />
<strong>ist</strong> sie auf <strong>die</strong> Schliche gekommen:<br />
Beispielweise Österreichs idyllische<br />
Nadelwälder - <strong>in</strong> Wahrheit schlichtweg<br />
oft Monokulturen, <strong>die</strong> unsere Atemluft<br />
mit Terpenen belasten. „Wenn dort<br />
auch noch <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Autobahn gebaut wird,<br />
kommen Stickoxide h<strong>in</strong>zu: Mit dem<br />
Sonnenlicht ergibt beides Ozon“, seufzt<br />
<strong>die</strong> Chemiker<strong>in</strong>.<br />
Sauerteigrezepturen im<br />
Chemiestudium<br />
Seit sieben Jahren <strong>ist</strong> sie nun schon<br />
selbstständig, geme<strong>in</strong>sam mit ihrem<br />
Mann. Beide haben an der Universität<br />
Wien „Technische Chemie“ stu<strong>die</strong>rt<br />
und sich dort auch kennen gelernt. Das<br />
Studium sei „außerordentlich herausfordernd<br />
gewesen“, <strong>die</strong> weiblichen<br />
Mitstu<strong>die</strong>renden verflüchtigten sich im<br />
Laufe der Semester: „Viele Kolleg<strong>in</strong>nen<br />
haben das Handtuch geworfen, wir<br />
hatten nur fünf Prozent Absolvent<strong>in</strong>nen.“<br />
Das habe vor allem an den<br />
miserablen Ressourcen gelegen: zu<br />
wenig Laborplätze, zu kl<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Hörsäle.<br />
„Ich hab trotzdem durchgehalten,<br />
weil ich von zu Hause aus gewöhnt<br />
b<strong>in</strong>, nicht aufzugeben.“ Dabei kam<br />
ihr auch <strong>die</strong> „technische Erziehung“<br />
seitens ihrer Eltern zugute: Susanne<br />
Draxler wuchs <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m großen Haus<br />
im ländlichen Niederösterreich auf.<br />
Ganz selbstverständlich sei sie <strong>in</strong> den<br />
Reparaturalltag h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>gewachsen:<br />
Ihr Vater brachte ihr bei, als junges<br />
Mädel an der Drehbank zu sitzen, <strong>die</strong><br />
Bohrmasch<strong>in</strong>e anzupacken und Räume<br />
auszumalen. Als sich <strong>in</strong> der Schulzeit<br />
ihre naturwissenschaftliche Begabung<br />
heraus kr<strong>ist</strong>allisierte, entschloss sie sich<br />
ohne zu zögern zum Chemiestudium <strong>in</strong><br />
Wien, wo sie bald Alltagsbezüge bis <strong>in</strong><br />
<strong>die</strong> Küche herstellte: Mit ihrem Professor<br />
diskutierte sie nicht nur Prüfungsfragen,<br />
sondern er flüsterte ihr auch <strong>die</strong><br />
biochemische Formel für den perfekten<br />
Sauerteig zum Brotbacken zu, „denn<br />
ich wollte den Sauerteig selbst zu Hause<br />
ansetzen, aber er <strong>ist</strong> mir zuvor jedes<br />
Mal schimmelig geworden.“<br />
Homeoffice für<br />
Nachtschichten<br />
Mit dem Studium wurden sie und ihr<br />
Mann zeitgleich fertig, danach meldeten<br />
sie beide mehrere Gewerbesch<strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
an und gründeten dazugehörige Kle<strong>in</strong>unternehmen:<br />
„Mittlerweile br<strong>in</strong>gen<br />
wir es auf sechs Gewerbe s ch<strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
und drei Firmen.“ Der Schwerpunkt<br />
ihres Mannes liegt im EDV-Bereich,<br />
sie h<strong>in</strong>gegen <strong>ist</strong> auch ge<strong>ist</strong>es- und<br />
marktwissenschaftlich orientiert – das<br />
kommt zum Tragen, wenn ihre Firma<br />
18 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie
Fragebögen erstellt und Me<strong>in</strong>ungsforschung<br />
betreibt. Auf chemischem<br />
Gebiet wird dann zusammengearbeitet.<br />
Als Mutter von drei K<strong>in</strong>dern genießt sie<br />
heute ihre Selbstständigkeit. Ihr Büro<br />
bef<strong>in</strong>det sich <strong>in</strong> der eigenen Wohnung,<br />
das „Switchen zwischen Beruf- und<br />
Privatleben, das durch <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Raumwechsel<br />
passieren kann“ sei sehr<br />
angenehm, wenn es auch viel Diszipl<strong>in</strong><br />
verlangt. Hier kann sie auf <strong>die</strong> Hilfe<br />
„Ich habe nur positive Erfahrungen als selbstständige Ingenieur<strong>in</strong><br />
gemacht, ich muss mich nicht an Amtsstunden halten.“<br />
ihres Mannes zählen, denn nicht nur<br />
auf der beruflichen, sondern auch auf<br />
der privaten Ebene arbeiten <strong>die</strong> beiden<br />
erfolgreich zusammen: „Er macht als<br />
Vater ganz selbstverständlich mit,<br />
hilft im Haushalt und betreut <strong>die</strong> K<strong>in</strong>der.<br />
Das hält mir den Rücken frei.“ Als<br />
Unternehmer<strong>in</strong> wird <strong>man</strong> zum Multitalent:<br />
Man muss <strong>die</strong> PartnerInnensuche<br />
perfektionieren (der/<strong>die</strong> passende SteuerberaterIn,<br />
der/<strong>die</strong> passende NotarIn,<br />
der/<strong>die</strong> passende GeschäftspartnerIn),<br />
sich gut präsentieren (bei der Aquisa),<br />
auf Leute zugehen (bei Tagungen). Als<br />
selbstständige Frau hat sich Draxler<br />
immer geschätzt gefühlt: „Ich wurde<br />
beruflich nie anders wahrgenommen<br />
als e<strong>in</strong> Mann. Ich denke, ich komme<br />
sogar besonders gut an, weil ich sehr<br />
kommunikativ b<strong>in</strong>.“<br />
19
Sab<strong>in</strong>e Eglsäer<br />
Interview: Teresa Arrieta | November 2006<br />
„Weibliche Stu<strong>die</strong>rende werden an der TU mitunter<br />
immer noch belächelt, aber zusehends setzt sich<br />
<strong>die</strong> Erkenntnis durch, dass Frauen <strong>in</strong> der Technik e<strong>in</strong><br />
großer Gew<strong>in</strong>n s<strong>in</strong>d.“<br />
Fotos: Kathar<strong>in</strong>a Gossow<br />
20 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie
Die Stahl-Alchim<strong>ist</strong><strong>in</strong><br />
Sab<strong>in</strong>e Eglsäer schildert s<strong>in</strong>nliche<br />
Erlebnisse mit Stahl, schätzt das Gespür<br />
von Frauen beim Forschen und<br />
scheut hantige KollegInnen nicht.<br />
Stahl hat e<strong>in</strong> Innenleben. Je nach<br />
Zusammensetzung legt er unterschiedlichste<br />
Verhaltensweisen an den Tag,<br />
verfärbt sich, rostet, widersteht, gibt<br />
nach. Sab<strong>in</strong>e Eglsäer liebt Stahl und<br />
beschreibt s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Eigenschaften, als<br />
Ausbildung:<br />
Studium Technische Chemie TU Wien,<br />
Doktorat am Institut für Chemische<br />
Technologien und Analytik<br />
Position:<br />
Entwicklungstechniker<strong>in</strong> bei<br />
Böhler-Edelstahl<br />
Wissenschaftsdiszipl<strong>in</strong>:<br />
Technische Chemie<br />
spräche sie von <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m guten Freund.<br />
„Ich greife den Werkstoff gerne an, ich<br />
muss ihn <strong>in</strong> der Hand fühlen und s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n<br />
Glanz genießen“. Für <strong>die</strong> Chemiker<strong>in</strong> bedeutet<br />
Stahl S<strong>in</strong>nlichkeit, sie erforscht<br />
s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Geheimnisse, wenn sie mit dem<br />
Mikroskop „<strong>in</strong> <strong>die</strong> Mikrostruktur h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>geht“,<br />
denn Stahl <strong>ist</strong> nicht gleich Stahl.<br />
Sab<strong>in</strong>e Eglsäer <strong>ist</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong> neuzeitliche<br />
Alchim<strong>ist</strong><strong>in</strong>. In der Böhler Hexenküche<br />
braut sie geheime Mixturen zusammen,<br />
lässt köcheln, verschmilzt, gießt ab<br />
und wartet gespannt auf das fühl- und<br />
sichtbare Ergebnis. Derzeit soll sie<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n korrosionsbeständigen Lagerwerkstoff<br />
für Turb<strong>in</strong>en <strong>in</strong> der Luftfahrt<strong>in</strong>dustrie<br />
herstellen, es können jedoch<br />
auch Metalle für Hüftprothesen, Zahnspangendrähte<br />
oder <strong>Es</strong>sbestecke für<br />
daheim se<strong>in</strong>. Bis zu zehn Jahre arbeiten<br />
<strong>die</strong> Böhler EntwicklungstechnikerInnen<br />
an <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Werkstoff. <strong>Es</strong> geht um <strong>die</strong><br />
Herausbildung gewisser stählerner<br />
Eigenschaften, <strong>die</strong> höchsten Anforderungen<br />
entsprechen müssen: Besonders<br />
zäh, besonders rostfrei, besonders hart.<br />
21
Mutig durch das<br />
Männerstudium<br />
Sab<strong>in</strong>e Eglsäer arbeitet seit zwei Jahren<br />
im Unternehmen und hat durch ihre<br />
rasche Auffassungsgabe viele erstaunt:<br />
„Nach <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Jahr hab ich bereits <strong>die</strong><br />
Richtung bei unserem Großprojekt<br />
vorgegeben“, schildert sie stolz. Ihr<br />
Selbstbewusstse<strong>in</strong> hat sie sich hart<br />
erarbeitet, denn das Studium an der TU<br />
Wien war nicht immer leicht: Weibliche<br />
Stu<strong>die</strong>rende waren deutlich <strong>in</strong> der<br />
M<strong>in</strong>derheit, „ich b<strong>in</strong> aufgefallen als<br />
Frau.“ Alle<strong>in</strong> unter lauter Männern fiel<br />
es nicht leicht, Fragen zu stellen oder<br />
zu sagen: „Ich kann was.“ Die Burschen<br />
kamen vielfach von HTLs und hatten<br />
den Mädels e<strong>in</strong>iges Wissen voraus. Die<br />
angehende Ingenieur<strong>in</strong> freundete sich<br />
jedoch bald mit drei Mitstudent<strong>in</strong>nen an,<br />
„zu viert s<strong>in</strong>d wir dann mutig durchs<br />
Studium gegangen“ er<strong>in</strong>nert sie sich<br />
an <strong>die</strong> herausfordernde Uni-Zeit. E<strong>in</strong><br />
Schlüsselerlebnis hatte sie dann im<br />
Labor, als e<strong>in</strong> Ass<strong>ist</strong>ent ihr bestätigte,<br />
dass bei den Frauen <strong>die</strong> Trefferquote<br />
<strong>in</strong> der Laboranalyse weit höher sei.<br />
„Frauen haben häufig das bessere Gespür,<br />
weil sie ihrem Bauch vertrauen“,<br />
schloss Eglsäer daraus und fand das<br />
auch im späteren Berufsleben bestätigt.<br />
Vorträge vor Publikum<br />
machen stark<br />
Beispielsweise hat <strong>die</strong> Technik<strong>in</strong>genieur<strong>in</strong><br />
bei Böhler geme<strong>in</strong>sam mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r<br />
Kolleg<strong>in</strong> e<strong>in</strong> Werkstoffproblem gelöst,<br />
<strong>in</strong>dem sie sich auf ihr Gefühl verließ.<br />
Während <strong>die</strong> männlichen Kollegen mit<br />
konventionellen Analysemethoden<br />
scheiterten, holten <strong>die</strong> beiden Techniker<strong>in</strong>nen<br />
auch externe Me<strong>in</strong>ungen<br />
e<strong>in</strong> und beschritten neue Wege, <strong>die</strong><br />
anfangs belächelt wurden. Stille habe<br />
jedoch geherrscht, als sich herausstellte,<br />
dass <strong>die</strong> Frauen Recht gehabt<br />
hatten. Den Kollegen sei es nicht leicht<br />
gefallen, ihren Irrtum e<strong>in</strong>zugestehen.<br />
Frauen h<strong>in</strong>gegen können das, wie<br />
Sab<strong>in</strong>e Eglsäer weiß: „Wir stehen zu<br />
unseren Fehlern und tun uns deswegen<br />
leichter, neue Wege zu gehen. E<strong>in</strong><br />
Mann verbeißt sich oft und bleibt <strong>in</strong><br />
s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Sackgasse stecken.“ Heute <strong>ist</strong> sie<br />
so weit, ihre Stärken präsentieren zu<br />
können, geholfen haben ihr dabei auch<br />
ihre Universitätserfahrungen. Denn mit<br />
der Dissertation kam <strong>die</strong> Weltläufigkeit:<br />
Da Institute aus Spanien, Italien und<br />
Schweden am Doktoratsprojekt beteiligt<br />
waren, re<strong>ist</strong>e sie viel, verbesserte<br />
so ihre Englischkenntnisse und präsentierte<br />
ihre Forschungsergebnisse bei<br />
zahlreichen Kongressen. Anfangs fühlte<br />
sie sich gehemmt, vor so vielen Leuten<br />
zu reden, aber <strong>die</strong> Reaktionen waren<br />
immer positiv: „Bei Vorträgen s<strong>in</strong>d <strong>die</strong><br />
Menschen sehr offen und geben viel<br />
Feedback“ schildert Sab<strong>in</strong>e Eglsäer.<br />
Sich der Öffentlichkeit zu stellen sei<br />
„<strong>e<strong>in</strong>e</strong> wahns<strong>in</strong>nig wichtige Erfahrung“<br />
gewesen.<br />
22 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie
Menschenkenntnis durch<br />
politisches Engagement<br />
Zugute kommen ihr für <strong>die</strong> Karriere<br />
auch jene „social skills“, <strong>die</strong> sie sich<br />
im Rahmen ihres Engagements <strong>in</strong> der<br />
Hochschulpolitik aneignen konnte:<br />
Eglsäer brachte es bis zur Mitgliedschaft<br />
<strong>in</strong> der Stu<strong>die</strong>nkommission und<br />
verhandelte mit ProfessorInnen <strong>in</strong><br />
paritätischer Verteilung neue Stu <strong>die</strong>npläne<br />
und Prüfungsfragen aus. Hier<br />
erfuhr sie viel über Machtstrukturen,<br />
dass ProfessorInnen auch nur Menschen<br />
s<strong>in</strong>d und „dass <strong>man</strong> auch mit<br />
den Hantigen und Unfreundlichen gut<br />
zusammenarbeiten kann, wenn <strong>man</strong> sie<br />
zu nehmen versteht“. Dort, wo sie heute<br />
steht, fühlt sie sich sehr wohl: „Das <strong>ist</strong><br />
der Job, den ich wirklich machen will.“<br />
Die Stahlexpert<strong>in</strong> genießt im Rahmen<br />
ihrer Projekte ausreichend Freiraum<br />
und sieht auch Karriereperspektiven.<br />
Kopfzerbrechen bereitet ihr h<strong>in</strong>gegen<br />
das Thema Familiengründung, denn e<strong>in</strong><br />
K<strong>in</strong>d würde wohl mehr als zwei Jahre<br />
Karriereverzögerung bedeuten, wie sie<br />
befürchtet. Umso wichtiger <strong>ist</strong> es ihr<br />
heute, gesehen zu werden und <strong>die</strong> ihr<br />
zustehende Anerkennung zu erhalten.<br />
„Eigene Forschungsergebnisse muss<br />
<strong>man</strong> immer selbst s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Vorgesetzten<br />
präsentieren, denn <strong>in</strong> der Forschung<br />
<strong>ist</strong> <strong>die</strong> Gefahr des E<strong>in</strong>-Igelns gegeben.<br />
Gerade als Frau muss <strong>man</strong> aufstehen<br />
und s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Arbeit selber vertreten.“<br />
„Frauen akzeptieren k<strong>e<strong>in</strong>e</strong> vorgegebenen Ergebnisse,<br />
sondern h<strong>in</strong>terfragen und berücksichtigen neue<br />
Sichtweisen.“<br />
23
Dorothea Erharter<br />
Interview: Teresa Arrieta | September 2006<br />
„Mir geht es darum, mit e<strong>in</strong>fachen Mitteln gesellschaftlich<br />
etwas zu verändern oder aufzuzeigen.“<br />
Fotos: Kathar<strong>in</strong>a Gossow<br />
24 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie
Erfrischend direkt<br />
Doro Erharter arbeitet an <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m<br />
benutzerInnenfreundlichen Internet,<br />
lässt sich nicht e<strong>in</strong>schüchtern und<br />
weiß, warum Frauen <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n BMW<br />
brauchen.<br />
Klares Sprechen <strong>ist</strong> wichtig, f<strong>in</strong>det <strong>die</strong> IT<br />
Expert<strong>in</strong> Dorothea Erharter. Beim Mailen<br />
sollten k<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Formulierungen benutzt<br />
werden, <strong>die</strong> frau kl<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r machen. Also<br />
besser „hilf mir“ statt „könntest du mir<br />
helfen“, s<strong>in</strong>niert sie über männliche und<br />
Ausbildung:<br />
Philosophie Studium, Innenausbau<br />
Kolleg, Architekturstudium TU Graz,<br />
Multimedia Design Lehrgang<br />
Position:<br />
Dozent<strong>in</strong> für Webtechnologien und<br />
Usability Eng<strong>in</strong>eer<strong>in</strong>g<br />
Wissenschaftsdiszipl<strong>in</strong>:<br />
Informationstechnologie<br />
weibliche Kommunikationsformen. Sie<br />
hat beobachtet, dass sich User<strong>in</strong>nen <strong>in</strong><br />
Internet-Frauenforen oft für abweichende<br />
Me<strong>in</strong>ungen entschuldigen. Die<br />
Furcht vor der <strong>Es</strong>kalation geht um „und<br />
zwar an Punkten, wo ich mir dachte:<br />
Das war jetzt erfrischend direkt“. Solche<br />
Direktheit braucht Doro Erharter wohl,<br />
denn an der Fachhochschule St. Pölten,<br />
wo sie derzeit IT unterrichtet, <strong>ist</strong> ihr<br />
Fach stark männerdom<strong>in</strong>iert. Arbeitssitzungen<br />
werden dort <strong>in</strong> Sitzreihen<br />
abgehalten, <strong>man</strong> muss sich umdrehen,<br />
um mite<strong>in</strong>ander zu reden. „Da hab ich<br />
gesagt: Leitln, setz´ma uns doch im<br />
Kreis.“ Bis ihr klar wurde, dass sie mit<br />
<strong>die</strong>sem Wunsch auf wenig Verständnis<br />
stieß. Manchmal habe sie das Gefühl,<br />
Frauen kämen von <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m anderen Stern,<br />
so unterschiedlich seien <strong>die</strong> Bedürfnisse.<br />
E<strong>in</strong>e Kolleg<strong>in</strong> habe unlängst geme<strong>in</strong>t,<br />
jetzt muss ich mir <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n BMW kaufen,<br />
sonst b<strong>in</strong> ich nicht erfolgreich. Ist zwar<br />
lustig geme<strong>in</strong>t, hat aber <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n ernsten<br />
H<strong>in</strong>tergrund, fügt Erharter bedauernd<br />
h<strong>in</strong>zu. D<strong>in</strong>ge aufzuzeigen, das hat sie<br />
immer schon <strong>in</strong>teressiert. Impulse geben<br />
für gesellschaftliche Veränderungen,<br />
25
das zog sich als roter Faden durch ihre<br />
nicht-l<strong>in</strong>eare Karriere.<br />
Demokratisierung des<br />
Internets<br />
Nach dem Gymnasium kam e<strong>in</strong><br />
Philosophiestudium. Dann e<strong>in</strong> Jahr<br />
Olivenernte <strong>in</strong> Griechenland. Hernach<br />
e<strong>in</strong> Kolleg für Innenausbau an der HTL<br />
Mödl<strong>in</strong>g, schließlich der E<strong>in</strong>tritt <strong>in</strong>s<br />
Berufsleben bei der Firma Lichtdesign<br />
<strong>in</strong> Köln. Als sie daran scheiterte, <strong>die</strong><br />
dort von ihr geforderten Lampenentwürfe<br />
zu gestalten, hängte <strong>die</strong> Vielseitige<br />
noch e<strong>in</strong> Architekturstudium an<br />
und wurde dabei zur Künstler<strong>in</strong>. Nebenher<br />
leitet sie seit siebzehn Jahren<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong> eigene IT-Firma, <strong>in</strong> deren Rahmen<br />
sie beispielsweise weibliche EDV-<br />
Tra<strong>in</strong>er<strong>in</strong>nen an <strong>die</strong> Frauenhaftanstalt<br />
Favoriten vermittelt. Ja, es bestehe<br />
dr<strong>in</strong>gender Bedarf, dass Frauen andere<br />
Frauen <strong>in</strong> IT-Fertigkeiten unterrichten.<br />
Denn Stu<strong>die</strong>n belegen, dass Frauen<br />
ihre männlichen Kollegen immer noch<br />
für <strong>die</strong> besseren Computerexperten<br />
halten. Im <strong>in</strong>timen Rahmen <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r<br />
Frauengruppe trauen sich <strong>die</strong> Teilnehmer<strong>in</strong>nen<br />
dann eher, Fragen zu stellen,<br />
s<strong>in</strong>d weniger schüchtern. Nach ihren<br />
anfänglichen künstlerischen Berufserfahrungen<br />
blieb Doro Erharter bis<br />
auf weiteres im gesellschaftspolitisch<br />
motivierten IT-Bereich hängen: Denn<br />
im Zuge <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Multimedia-Webdesign<br />
Lehrgangs kam sie mit der Welt der<br />
Usability <strong>in</strong> Berührung, e<strong>in</strong> Thema,<br />
das sie bis heute nicht mehr loslässt.<br />
<strong>Es</strong> geht um <strong>die</strong> Vere<strong>in</strong>fachung des<br />
Internet. Das Web soll benutzerInnenfreundlicher<br />
werden und dadurch auch<br />
ungeschultem Publikum zugänglich.<br />
An der Fachhochschule St. Pölten <strong>ist</strong><br />
sie heute Mitarbeiter<strong>in</strong> am Institut für<br />
Me<strong>die</strong>n<strong>in</strong>formatik und leitet dort den<br />
Forschungsschwerpunkt „Technikferne<br />
User“. Sie unterrichtet Stu<strong>die</strong>rende<br />
also dar<strong>in</strong>, benutzerInnenfreundliche<br />
Homepages und Computerapplikationen<br />
zu gestalten.<br />
Pionierarbeit für<br />
Computerlaien<br />
Viele große Firmen verfügen heute<br />
bereits über <strong>e<strong>in</strong>e</strong> eigene Usability Abteilung,<br />
denn was nützen <strong>die</strong> schönsten<br />
Homepages und Computerprogramme,<br />
wenn sie zu kompliziert aufgebaut s<strong>in</strong>d.<br />
Untersuchungen belegen, dass viele<br />
Internet-Shops rasch wieder verlassen<br />
werden, weil der kauffreudige Konsument<br />
nicht herausf<strong>in</strong>det, wie viel das<br />
angebotene Produkt kostet. Usability<br />
<strong>ist</strong> als Thema also bereits <strong>in</strong> den Köpfen<br />
verankert. Pionierarbeit le<strong>ist</strong>et Dorothea<br />
Erharter jedoch im Bereich der<br />
technikfernen UserInnen - Menschen,<br />
<strong>die</strong> den Computer nicht so häufig<br />
benutzen, <strong>die</strong> nicht wissen, wie sie mit<br />
der rechten Maustaste umgehen sollen,<br />
<strong>die</strong> aufklappbare Internet-Menüs nicht<br />
26 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie
e<strong>die</strong>nen können. Mit <strong>die</strong>sem Spezialgebiet<br />
der technikfernen UserInnen<br />
kann <strong>man</strong> sich zwar nicht so gut<br />
brüsten, denn Applikationen werden<br />
erheblich schlichter, wenn sie vom<br />
St. Pöltner Usability Center aufs Korn<br />
genommen werden. Doch <strong>die</strong> Kunst der<br />
Vere<strong>in</strong>fachung <strong>ist</strong> dennoch aufwendig:<br />
Mit ihren Stu<strong>die</strong>renden entwirft<br />
Erharter ausgeklügelte Tests mit Internet-Laien,<br />
um deren mentale Modelle<br />
nachvollziehen zu können. Nebenbei<br />
leitet <strong>die</strong> IT-Expert<strong>in</strong> e<strong>in</strong> FEMtech-Projekt,<br />
um mehr Frauen <strong>in</strong> <strong>die</strong>se techniklastige<br />
Stu<strong>die</strong>nrichtung here<strong>in</strong>zuholen,<br />
weil <strong>man</strong> ja alle<strong>in</strong> auf weiter Flur „ganz<br />
deppert wird“. Sie hat zwar gelernt, sich<br />
an männliche Kommunikationsformen<br />
anzupassen, aber <strong>man</strong>chmal werde es<br />
trotzdem sperrig.<br />
Netzwerke und<br />
Seilschaften<br />
Immer muss beispielsweise erklärt werden,<br />
warum es <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Ungleichbehandlung<br />
darstellt, wenn e<strong>in</strong> Kollege <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r<br />
Mitarbeiter<strong>in</strong> Kompli mente wegen ihres<br />
Styl<strong>in</strong>gs macht. Ist zwar wertschätzend<br />
geme<strong>in</strong>t, frau wird dann aber bloß<br />
wegen ihres Äußeren gelobt und nicht<br />
wegen ihrer Le<strong>ist</strong>ung. Das verstärke das<br />
Gefühl, anders zu se<strong>in</strong> als <strong>die</strong> männlichen<br />
Kollegen, erklärt Erharter, <strong>die</strong> selbst<br />
erst spät, im Zuge der Entwicklung<br />
eigener Karrierestrategien, über derlei<br />
Genderthemen nachgedacht hat. Fürs<br />
berufliche Fortkommen seien darüber<br />
h<strong>in</strong>aus Kontakte wichtig, doch auch hier<br />
klafft <strong>die</strong> Geschlechterschere ause<strong>in</strong>ander:<br />
Männer bilden Seilschaften, Frauen<br />
Netzwerke. Männer hieven e<strong>in</strong>ander <strong>in</strong><br />
Positionen, Frauen passiert <strong>die</strong>s mehr<br />
zufällig. Mit den Seilschaften geht es<br />
schneller. Deswegen brauchen Frauen,<br />
<strong>die</strong> sich so wie Erharter <strong>in</strong> Männerwelten<br />
bewegen, <strong>e<strong>in</strong>e</strong> gewisse Frechheit:<br />
„Sich nicht e<strong>in</strong>schüchtern lassen“ so <strong>die</strong><br />
Devise der IT-Spezial<strong>ist</strong><strong>in</strong>. E<strong>man</strong>zipation<br />
wünscht sie Männern sogar noch<br />
mehr als Frauen. Letztere haben zwar<br />
angefangen, <strong>die</strong>ses Thema aufzugreifen,<br />
aber eigentlich s<strong>in</strong>d es <strong>die</strong> Männer,<br />
<strong>die</strong> mehr darunter leiden, denn <strong>die</strong>se<br />
werden stärker <strong>in</strong> ihre <strong>Rolle</strong> gezwungen,<br />
erläutert <strong>die</strong> Usability-Pionier<strong>in</strong>. Sie<br />
denkt dabei an Erziehungsmodelle wie:<br />
„E<strong>in</strong> Indianer kennt k<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Schmerz“<br />
oder „Sei e<strong>in</strong> richtiger Mann!“. Männer<br />
würden auf <strong>die</strong>se Art darauf getrimmt,<br />
sich zu überw<strong>in</strong>den – das erleichtert<br />
das Karrierestreben, der Preis dafür sei<br />
jedoch ständiger Anpassungsdruck und<br />
Unfreiheit. Deswegen benötigen Männer<br />
Selbstbestimmung noch viel dr<strong>in</strong>gender<br />
als Frauen - aber Veränderung macht<br />
immer Angst. „Drum glaub ich, es wird<br />
noch vierhundert Jahre dauern, bis sich<br />
da wirklich was ändert.“<br />
„Ich achte darauf, direkt zu formulieren - ich<br />
f<strong>in</strong>de es wichtig, D<strong>in</strong>ge anzusprechen.“<br />
27
Kar<strong>in</strong> Exner-Wöhrer<br />
Interview: Anita Zieher | September 2005<br />
„Erfolg schreibt sich bei mir mit T, U, N.“<br />
Fotos: Kathar<strong>in</strong>a Gossow<br />
28 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie
Auf den ersten Blick lässt das elegantheimelige<br />
Büro <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Wiener Altbau<br />
nicht darauf schließen, dass sich hier<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong> zentrale Schnittstelle der <strong>in</strong>ternational<br />
tätigen Salzburger Alum<strong>in</strong>ium<br />
AG (SAG) bef<strong>in</strong>det. Doch auf den<br />
Sche<strong>in</strong> kommt es Kar<strong>in</strong> Exner-Wöhrer,<br />
F<strong>in</strong>anzvorständ<strong>in</strong> des Unternehmens,<br />
auch nicht an. Völlig selbstverständlich<br />
nimmt sie selbst <strong>die</strong> Anrufe entgegen,<br />
weil <strong>die</strong> SekretärInnen krank s<strong>in</strong>d und<br />
sie all<strong>e<strong>in</strong>e</strong> im Büro <strong>ist</strong>. Eigen<strong>in</strong>itiative<br />
fordert sie schließlich auch von ihren<br />
MitarbeiterInnen.<br />
Ausbildung:<br />
Betriebswirtschaft an der<br />
Wirtschaftsuniversität Wien<br />
Position:<br />
F<strong>in</strong>anzvorständ<strong>in</strong> der Salzburger<br />
Alum<strong>in</strong>ium AG, Wien/Salzburg<br />
Branche:<br />
Metallerzeugung und -bearbeitung<br />
„<strong>Es</strong> war immer e<strong>in</strong> Ziel von mir,<br />
selbständig zu se<strong>in</strong>, selbst e<strong>in</strong> Unternehmen<br />
zu führen, am liebsten e<strong>in</strong><br />
produzierendes Unternehmen“, bekennt<br />
<strong>die</strong> fröhlich wirkende Frau. Wenngleich<br />
sie zur Tätigkeit <strong>in</strong> der SAG eher zufällig<br />
gekommen sei. Sie hat lange Zeit<br />
im Ausland gelebt und wollte wieder<br />
<strong>in</strong>s Ausland, doch es kam alles anders.<br />
1992 übernahm ihr Vater <strong>die</strong> über 100<br />
Jahre alte Alum<strong>in</strong>iumfirma, <strong>die</strong> er zuvor<br />
als Geschäftsführer geleitet hatte. „Damals<br />
war e<strong>in</strong> Management Buyout <strong>in</strong><br />
Österreich noch eher unüblich“, er<strong>in</strong>nert<br />
sie sich. Das Risiko hat sich ausgezahlt.<br />
2001 hat <strong>die</strong> SAG <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n großen<br />
Konkurrenten <strong>in</strong> Europa übernommen,<br />
wodurch vier Länder und vier Sprachen<br />
dazu gekommen s<strong>in</strong>d und sich <strong>die</strong> Zahl<br />
der MitarbeiterInnen verdoppelt hat.<br />
Damit g<strong>in</strong>gen große Veränderungen<br />
im Unternehmen e<strong>in</strong>her. Kulturelle<br />
Unterschiede gab es unter <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Dach<br />
zu vere<strong>in</strong>baren. Die Geschäfte haben<br />
sich gut entwickelt. Da Alum<strong>in</strong>ium<br />
e<strong>in</strong> börsennotiertes Metall <strong>ist</strong>, haben<br />
jedoch Ereignisse wie Hurrikans oder<br />
9/11 ebenso großen E<strong>in</strong>fluss wie <strong>die</strong><br />
29
Entwicklung der Automobilbranche. Die<br />
Beobachtung des Weltmarkts und das<br />
Risk<strong>man</strong>agement gehören deshalb zu<br />
den besonders spannenden Aufgaben<br />
von Kar<strong>in</strong> Exner-Wöhrer, <strong>die</strong> seit 2000<br />
F<strong>in</strong>anzvorständ<strong>in</strong> <strong>ist</strong>.<br />
Klare Kompetenzen im<br />
Familienverbund<br />
Sowohl Vater und Mutter als auch der<br />
Ehe<strong>man</strong>n s<strong>in</strong>d mit ihr im Vorstand des<br />
Unternehmens. „<strong>Es</strong> <strong>ist</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong> eigene Welt<br />
so e<strong>in</strong> Familienunternehmen“, erklärt<br />
Kar<strong>in</strong> Exner-Wöhrer, lacht dabei. „Das<br />
war e<strong>in</strong> Entwicklungsprozess, dass<br />
<strong>man</strong> sich <strong>die</strong> D<strong>in</strong>ge sagen kann“. Lob<br />
und Kritik sei ohneh<strong>in</strong> nicht leicht<br />
anzubr<strong>in</strong>gen, <strong>in</strong> der Familie komme da<br />
noch <strong>e<strong>in</strong>e</strong> andere Komponente dazu.<br />
Abstand zu halten sei nicht ganz e<strong>in</strong>fach.<br />
Deshalb haben sie <strong>e<strong>in</strong>e</strong> ganz klare<br />
Kompetenzverteilung, „wo <strong>die</strong> anderen<br />
nicht re<strong>in</strong>reden, außer <strong>man</strong> möchte<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Rat“. Sie weiß, dass viele sie als<br />
Tochter des Chefs sehen, <strong>die</strong> sich <strong>in</strong>s<br />
gemachte Nest gesetzt hat. Manchmal<br />
trifft sie das schon, auch wenn sie<br />
gelernt hat, damit umzugehen. „Ich<br />
habe das Selbstbewusstse<strong>in</strong>, zu wissen,<br />
ich habe <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n wesentlichen Beitrag<br />
zum Erfolg des Unternehmens gele<strong>ist</strong>et.<br />
Wenn andere das nicht wahrnehmen<br />
wollen, dann <strong>ist</strong> das halt so.“<br />
Ursprünglich wollte sie Masch<strong>in</strong>enbau<br />
stu<strong>die</strong>ren, weil sie immer schon<br />
an Technik <strong>in</strong>teressiert war. Der Vater<br />
habe ihr das aber ausgeredet, weil er<br />
kaum Chancen für sie als Frau gesehen<br />
habe. Also hat sie Betriebswirtschaft<br />
<strong>in</strong> Wien stu<strong>die</strong>rt, sich jedoch <strong>in</strong> der<br />
Dissertation <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m technologienahen<br />
Thema gewidmet. In der männerdom<strong>in</strong>ierten<br />
Metallbranche spüre sie schon<br />
teilweise Vorbehalte von Leuten, <strong>die</strong> sie<br />
nicht kennen, „<strong>die</strong> denken, ich b<strong>in</strong> nur<br />
<strong>die</strong> Begleitung“, wobei das Alter eher<br />
e<strong>in</strong> Problem sei als das Geschlecht.<br />
„Das möchte ich jungen<br />
Menschen mitgeben: dass sie<br />
sich nicht vom Weg abbr<strong>in</strong>gen<br />
lassen sollen. Wenn <strong>man</strong> etwas<br />
will, gibt es gute Gründe, das<br />
auch zu erreichen.“<br />
„Manchmal <strong>ist</strong> das <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Hürde, <strong>die</strong> es<br />
zu überw<strong>in</strong>den gibt. Die wird niedriger,<br />
sobald ich das Gespräch auf <strong>e<strong>in</strong>e</strong> sachliche<br />
Ebene br<strong>in</strong>ge, dann merken <strong>die</strong><br />
Leute: <strong>die</strong> kennt sich aus.“<br />
Das Bedürfnis, <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Woche lang tatenlos<br />
<strong>in</strong> der Sonne zu liegen, kennt sie<br />
nicht. „Für mich <strong>ist</strong> Arbeit nichts negativ<br />
Besetztes. Ich habe es immer als<br />
bereichernd empfunden, etwas wo ich<br />
neugierig se<strong>in</strong> kann, wo ich mit anderen<br />
Menschen zu tun habe und auch <strong>die</strong><br />
Möglichkeit habe zu reisen“, erklärt sie.<br />
Dann schon eher Golf spielen, was sie<br />
nach dem Studium <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Zeit lang regelrecht<br />
süchtig betrieben hat und sich so<br />
den Titel der österreichischen Me<strong>ist</strong>er<strong>in</strong><br />
erspielt hat. Mittlerweile spielt sie<br />
weniger, f<strong>in</strong>det mehr Entspannung beim<br />
Laufen und <strong>in</strong> der Kultur. Kraft schöpft<br />
sie aus Erfolgen ebenso wie aus ihrem<br />
Umfeld. „Im Vergleich zu persönlichen<br />
Erfahrungen relativieren sich berufliche<br />
Probleme schnell e<strong>in</strong>mal“, hat sie für<br />
30 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie
sich festgestellt. „Manchmal hilft<br />
es, <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Nacht darüber zu schlafen,<br />
damit <strong>man</strong> <strong>die</strong> D<strong>in</strong>ge wieder <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m<br />
positiven Licht sehen kann.“ Besonders<br />
stolz <strong>ist</strong> sie auf das gute Verhältnis zur<br />
Tochter ihres Mannes. „K<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Selbstverständlichkeit“,<br />
wie sie ergänzt.<br />
Entschlossen zur Offenheit<br />
Die ersten zehn Lebensjahre hat sie <strong>in</strong><br />
Westafrika verbracht, das hat sie geprägt.<br />
„Ich b<strong>in</strong> überall <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Ausländer<strong>in</strong>,<br />
nicht verwurzelt, wie <strong>man</strong> so schön<br />
sagt. Das hat Vorteile und Nachteile.“<br />
Was sie dadurch besonders gelernt hat,<br />
<strong>ist</strong> offen zu se<strong>in</strong>, auf andere zuzugehen<br />
und neugierig zu se<strong>in</strong>.<br />
„Erfolg schreibt sich bei mir mit<br />
T, U, N.“, def<strong>in</strong>iert Kar<strong>in</strong> Exner-Wöhrer.<br />
Deshalb rät sie jungen Frauen dazu,<br />
„Eigen<strong>in</strong>itiative zu zeigen, den Mut zu<br />
haben, zur eigenen Me<strong>in</strong>ung zu stehen,<br />
auch wenn <strong>man</strong> damit aneckt, bereit zu<br />
se<strong>in</strong>, sich zu zeigen und aus der Menge<br />
rauszutreten.“ Auch wenn es <strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
männliche Domäne sei, sollte <strong>man</strong> sich<br />
nicht davon abbr<strong>in</strong>gen lassen. „Wenn<br />
Frauen <strong>in</strong> Karenz gehen, wird sich im<br />
Unternehmen schon <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Lösung f<strong>in</strong>den,<br />
Männer verlassen Unternehmen auch“,<br />
erklärt sie pragmatisch. Die E<strong>in</strong>stellung<br />
der Gesellschaft gegenüber Müttern sei<br />
das eigentliche Problem, das schlechte<br />
Gewissen ergebe sich durch <strong>die</strong> Reaktion<br />
der Gesellschaft. Das sei <strong>in</strong> anderen<br />
Ländern nicht so.<br />
E<strong>in</strong>e besondere Freude sei es für sie,<br />
das Potenzial ihrer MitarbeiterInnen zu<br />
heben, „zu sehen, wie <strong>man</strong> anderen auf<br />
den Weg helfen kann, wie sehr sie sich<br />
motivieren, wie sie Spaß haben.“ Sie<br />
schätze Menschen <strong>in</strong> ihrer Umgebung,<br />
<strong>die</strong> selbst tätig werden. „Ich gebe nicht<br />
bei jedem Schritt vor, was sie tun sollen.“<br />
MitarbeiterInnen, <strong>die</strong> das erwarten,<br />
treiben sie zur Weißglut.<br />
„Ich erwarte, dass sie selbst mit Ideen<br />
kommen, etwas er reichen, verändern<br />
wollen. Wenn etwas nicht passt, kann<br />
<strong>man</strong> das ändern. Das muss <strong>man</strong> dann<br />
halt <strong>in</strong> Angriff nehmen und nicht leiden<br />
und schmollen.“ Ihren Führungsstil<br />
beschreibt sie so: „Ich entscheide<br />
mich schnell, wohlwissend dass ich<br />
mich <strong>man</strong>chmal auch falsch entscheide.<br />
Abwägen ja, aber nicht zu Tode<br />
diskutieren.“ E<strong>in</strong>e gewisse Ungeduld<br />
attestiert <strong>man</strong> ihr deshalb. Die aber<br />
nichts mit ihrer Jugend zu tun habe,<br />
me<strong>in</strong>t sie. „Ich hoffe, ich werde mit 70<br />
noch so se<strong>in</strong>.“<br />
31
Fatima Ferreira<br />
Interview: Teresa Arrieta | September 2006<br />
„Ehrlichkeit, Vertrauen und Respekt s<strong>in</strong>d <strong>die</strong> Basis<br />
für gutes Teamwork.“<br />
Fotos: Nora Friedel<br />
32 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie
Zur Spitze zählen, aber<br />
Mensch bleiben<br />
Die aus Brasilien stammende<br />
Allergolog<strong>in</strong> Fatima Ferreira kommt<br />
aus e<strong>in</strong>fachsten Verhältnissen, hat<br />
zwei Universitätsstu<strong>die</strong>n absolviert,<br />
bekleidet seit ihrer Stu<strong>die</strong>nzeit<br />
Führungspositionen und <strong>ist</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong> der<br />
ersten Frauen, <strong>die</strong> e<strong>in</strong> privatwirtschaftliches<br />
Forschungslabor leitet.<br />
Das Selbstbewusstse<strong>in</strong> hat sie von<br />
ihrer Mutter. Die war Schneider<strong>in</strong>, hat<br />
Ausbildung:<br />
Zahnarztstudium<br />
Studium der Biochemie<br />
Position:<br />
Leiter<strong>in</strong> des Chr<strong>ist</strong>ian Doppler Labors<br />
für Allergiediagnose und Therapie an<br />
der Universität Salzburg<br />
Department of Molecular Biology<br />
Wissenschaftsdiszipl<strong>in</strong>:<br />
Allergieforschung<br />
all<strong>e<strong>in</strong>e</strong> drei K<strong>in</strong>der groß gezogen, und<br />
immer gesagt: „Das wichtigste <strong>ist</strong> zu<br />
stu<strong>die</strong>ren und <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Beruf zu haben,<br />
denn das kann euch nie<strong>man</strong>d wegnehmen.“<br />
Sichtlich gerührt <strong>ist</strong> Fatima Ferreira,<br />
als sie von ihrer Mutter erzählt,<br />
oder davon, dass sie e<strong>in</strong> „positives<br />
Vorbild“ für ihre Mitar beiterInnen se<strong>in</strong><br />
möchte. Oder auch, dass ihr Wiener<br />
Lehrme<strong>ist</strong>er, der Allergiepapst Professor<br />
Dietrich Kraft „wie e<strong>in</strong> Vater“ für<br />
sie war. E<strong>in</strong>e Frau mit viel Gefühl <strong>ist</strong><br />
sie, sehr ehrgeizig, aber mit Gespür<br />
für Zwischenmenschliches. „Me<strong>in</strong> Ziel<br />
war immer, als Forscher<strong>in</strong> zur Spitze zu<br />
zählen und dabei Mensch zu bleiben“,<br />
fasst sie ihre Lebenshaltung zusammen.<br />
Allergien untersucht <strong>die</strong> Mediz<strong>in</strong>er<strong>in</strong><br />
seit nun schon sechzehn Jahren. Im<br />
Visier hat sie vor allem <strong>die</strong> Pollenallergie,<br />
der sie mit den Mitteln der<br />
Gentechnik beizukommen versucht. Im<br />
Labor isoliert ihr Team jene Pollengene,<br />
<strong>die</strong> Allergien auslösen, um so<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Impfstoff zu entwickeln. Für das<br />
Biotechunternehmen Biomay hat <strong>die</strong><br />
ambitionierte Wissenschafter<strong>in</strong> das<br />
erste künstliche Allergen entwickelt.<br />
33
Biomay war <strong>die</strong> erste Firma weltweit,<br />
<strong>die</strong> rekomb<strong>in</strong>ante - also künstliche -<br />
Allergene auf den Markt gebracht hat.<br />
Brückenschlag zwischen<br />
Industrie und Universität<br />
Die Firma <strong>ist</strong> auch ihre F<strong>in</strong>anzpartner<strong>in</strong><br />
im neuen, von ihr geleiteten Chr<strong>ist</strong>ian<br />
Doppler Labor für Allergiediagnostik<br />
und Therapie <strong>in</strong> Salzburg. Chr<strong>ist</strong>ian<br />
Doppler Labors <strong>die</strong>nen der anwendungsorientierten<br />
Grundlagenforschung<br />
und fördern <strong>die</strong> Zusammenarbeit zwischen<br />
Universitäten und Unternehmen.<br />
Die Labors werden je zur Hälfte von der<br />
öffentlichen Hand und den kooperierenden<br />
Mitgliedsfirmen der Chr<strong>ist</strong>ian<br />
Doppler Gesellschaft f<strong>in</strong>anziert.<br />
Die größte Herausforderung im Rahmen<br />
ihrer neuen leitenden Position <strong>ist</strong> für<br />
sie „auf ihre MitarbeiterInnen e<strong>in</strong>zugehen“.<br />
Die Wissenschafter<strong>in</strong> sieht<br />
dar<strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong> „große Verantwortung“. In<br />
der gruppendynamischen Situation<br />
des Forschungslabors lerne sie <strong>die</strong><br />
„tieferen Beweggründe“ von Menschen<br />
besser verstehen. Auch über sich<br />
erfährt sie dabei viel Neues, es gebe<br />
wohl „k<strong>e<strong>in</strong>e</strong> bessere Therapie“ als das<br />
Feedback der anderen, so Ferreira über<br />
ihren Arbeitsalltag. Das geme<strong>in</strong>same<br />
Ziel des Teams <strong>ist</strong>, ganz oben <strong>in</strong> der<br />
Forschungselite mitzumischen. Was<br />
auch gel<strong>in</strong>gt, denn Österreich zählt<br />
im Bereich der Allergieforschung zur<br />
Weltspitze, berichtet Fatima Ferreira<br />
voller Stolz.<br />
Empor gearbeitet<br />
Sie strahlt, wenn sie von ihren außergewöhnlichen<br />
Le<strong>ist</strong>ungen erzählt.<br />
Fatima Ferreira gehört zu jenem <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n<br />
Prozent BrasilianerInnen, <strong>die</strong> e<strong>in</strong><br />
Universitätsstudium abgeschlossen<br />
haben. Sie selbst hat sogar zwei Stu<strong>die</strong>n<br />
absolviert, beide aus staatlichen<br />
Stipen<strong>die</strong>n f<strong>in</strong>anziert. E<strong>in</strong>en „eisernen<br />
Willen“ braucht es dafür und ohne <strong>die</strong><br />
Unterstützung ihrer Familie hätte auch<br />
der nicht gereicht. Ihr unprätentiöses<br />
Selbstbewusste<strong>in</strong>? Von ihrer Mutter<br />
übernommen, <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r „sehr starken Frau“,<br />
<strong>die</strong> ihren K<strong>in</strong>dern beibrachte, das was<br />
<strong>man</strong> will, <strong>in</strong> <strong>die</strong> eigenen Hände zu nehmen<br />
- und sie auf dem gewählten Weg<br />
vorbehaltlos unterstützt hat. In Fatimas<br />
Fall war <strong>die</strong>ser Weg zuerst e<strong>in</strong> Zahnarztstudium<br />
und dann <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Dissertation<br />
<strong>in</strong> Biochemie. Die Studentenzeit verhalf<br />
ihr zur späteren steilen Karriere, denn<br />
damals erhielt sie <strong>die</strong> Möglichkeit,<br />
ihre Führungsqualitäten zu erproben:<br />
Ferreira war Klassensprecher<strong>in</strong> und<br />
hernach oberste StudentInnenvertreter<strong>in</strong>.<br />
„Ich hab mich immer getraut“,<br />
er<strong>in</strong>nert sie sich heute. In <strong>die</strong>sen Jahren<br />
hat sie verstanden, dass sie k<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Angst<br />
zu haben brauche, etwas falsch zu<br />
machen.<br />
Neues Zuhause <strong>in</strong> Österreich<br />
Nach der Lehrzeit folgte e<strong>in</strong> Postdoc <strong>in</strong><br />
Toronto, das ihren Weg nach Österreich<br />
besiegelte, denn <strong>in</strong> Kanada lernte<br />
Fatima Ferreira ihren zukünftigen<br />
Mann kennen, <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Wiener, ebenfalls<br />
Biochemiker. E<strong>in</strong> „absoluter Traum<strong>man</strong>n“<br />
sei er, sagt sie und ihre Augen<br />
leuchten. Er habe immer alles getan,<br />
damit sie erfolgreich se<strong>in</strong> kann. E<strong>in</strong><br />
weiterer Unterstützer war ihr Wiener<br />
Lehrer, Professor Dietrich Kraft. In <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r<br />
Zeit, wo Gleichbehandlung k<strong>e<strong>in</strong>e</strong>swegs<br />
en vogue war, habe er Frauen<br />
nach Kräften gefördert. Viele s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r<br />
ehemaligen Mitarbeiter<strong>in</strong>nen seien<br />
heute dank s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r unsichtbaren Hand<br />
erfolgreich. Am me<strong>ist</strong>en hat Ferreira<br />
damals s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Ehrlichkeit imponiert: E<strong>in</strong><br />
besonderes Klima des Vertrauens und<br />
des gegenseitigen Respekts habe er zu<br />
schaffen verstanden. Heute bemüht sie<br />
sich, gegenüber ihren MitarbeiterInnen<br />
im Chr<strong>ist</strong>ian Doppler Labor ähnliche<br />
Führungsqualitäten an den Tag zu<br />
legen. „Ehrlichkeit <strong>ist</strong> <strong>die</strong> Basis <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r<br />
guten Zusammenarbeit“, so ihr Leitsatz.<br />
Auch <strong>die</strong> Förderung von Frauen s<strong>in</strong>d der<br />
47jährigen e<strong>in</strong> besonderes Anliegen:<br />
Obwohl sie und ihr Mann sich zur K<strong>in</strong>derlosigkeit<br />
entschlossen haben, legt sie<br />
Wert darauf, dass Frauen mit K<strong>in</strong>dern<br />
<strong>die</strong> Möglichkeit zur Karriere erhalten –<br />
es gibt mehrere All<strong>e<strong>in</strong>e</strong>rzieher<strong>in</strong>nen <strong>in</strong><br />
ihrem ForscherInnenteam, betont<br />
Fatima Ferreira. Wenn sie nicht im<br />
Labor steht, kocht sie brasilianisch, hört<br />
brasilianische Musik, oder erhält Besuch<br />
von ihrer brasilianischen Familie. Natürlich<br />
sei es <strong>in</strong> Österreich anfangs schwer<br />
für sie gewesen, aber <strong>in</strong> der Zwischenzeit<br />
<strong>ist</strong> hier für sie Heimat geworden.<br />
Wenn ich m<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Familie <strong>in</strong> Brasilien<br />
besuche, sag‘ ich zum Abschied immer<br />
„Jetzt fahr‘ ich nach Hause.“<br />
34 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie
„Mir war immer klar, dass ich als Frau nicht zurückstecken brauche.“<br />
35
Mart<strong>in</strong>a Beimel und Gabriele Gailhart<br />
Interview: Anita Zieher | September 2005<br />
Fotos: Nora Friedel<br />
„Ich wollte immer etwas bewegen <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Unternehmen.“<br />
36 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie
Zwei Männer an der Spitze <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Unternehmens<br />
s<strong>in</strong>d nicht ungewöhnlich –<br />
zwei Frauen s<strong>in</strong>d es nach wie vor. Seit<br />
Oktober 2004 haben Mart<strong>in</strong>a Beimel<br />
und Gabriele Gailhart geme<strong>in</strong>sam <strong>die</strong><br />
Verantwortung für das Wartungs- und<br />
Re<strong>in</strong>igungsunternehmen DIW Instandhaltung<br />
mit rund 1.500 Mitarbeiter-<br />
Innen. Diese ungewöhnliche Konstellation<br />
werde von außen besonders<br />
beäugt, der Erfolgsdruck sei groß,<br />
weil sie im Konzern <strong>die</strong> e<strong>in</strong>zigen zwei<br />
Frauen <strong>in</strong> <strong>die</strong>ser Position s<strong>in</strong>d, erzählen<br />
<strong>die</strong> Manager<strong>in</strong>nen. „Uns <strong>ist</strong> natürlich<br />
klar, dass sehr stark darauf geschaut<br />
Mart<strong>in</strong>a Beimel<br />
Ausbildung:<br />
erst Sozialarbeitsausbildung, dann<br />
Schulungen im Gebäudere<strong>in</strong>igungsbereich<br />
und Führungskräftetra<strong>in</strong><strong>in</strong>gs<br />
Position:<br />
Sprecher<strong>in</strong> der Geschäftsführung<br />
Branche:<br />
Gebäudebetreuung<br />
Gabriele Gailhart<br />
Ausbildung:<br />
Kaufmännische Ausbildung<br />
über den 2. Bildungsweg<br />
Position:<br />
Geschäftsführer<strong>in</strong><br />
Branche:<br />
Technische Wartungs- und<br />
Re<strong>in</strong>igungs<strong>die</strong>nstle<strong>ist</strong>ungen<br />
ca. 1.500 MitarbeiterInnen<br />
wird, was machen <strong>die</strong> zwei Damen an<br />
der Spitze“, sagt Mart<strong>in</strong>a Beimel. „Wir<br />
haben uns das Ziel gesetzt, dass wir<br />
als gutes Beispiel vorangehen, damit<br />
Frauen, <strong>die</strong> später e<strong>in</strong>mal <strong>in</strong> <strong>die</strong>se<br />
Positionen kommen, es leichter haben“,<br />
ergänzt Gabriele Gailhart.<br />
Gabriele Gailhart <strong>ist</strong> für den kaufmännischen<br />
Bereich, Mart<strong>in</strong>a Beimel<br />
für das operative Geschäft zuständig.<br />
Diese Teilung erfordere <strong>e<strong>in</strong>e</strong> enge<br />
Zusammenarbeit, betonen sie: „<strong>Es</strong><br />
<strong>ist</strong> wie <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Ehe. Wir haben uns<br />
zusammengesetzt und geklärt, was<br />
wir vone<strong>in</strong>ander erwarten und wir<br />
haben uns ausgemacht, dass wir h<strong>in</strong>ter<br />
verschlossener Tür über alles reden und<br />
nach außen h<strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Sprache sprechen<br />
müssen. Das <strong>ist</strong> das wichtigste, weil wir<br />
sonst gegene<strong>in</strong>ander ausgespielt werden<br />
können“, erklärt Mart<strong>in</strong>a Beimel<br />
<strong>die</strong> Grundlage ihrer Zusammenarbeit.<br />
Das Kerngeschäft des Unternehmens<br />
s<strong>in</strong>d Re<strong>in</strong>igungs<strong>die</strong>nstle<strong>ist</strong>ungen.<br />
Aufgrund des großen Veränderungswettbewerbs<br />
<strong>in</strong> der Branche seien<br />
Veränderungen notwendig geworden,<br />
weshalb technische Dienstle<strong>ist</strong>ungen<br />
37
an Masch<strong>in</strong>en und Anlagen, ähnlich<br />
wie beim deutschen Mutterkonzern,<br />
künftig forciert werden sollen, berichtet<br />
Mart<strong>in</strong>a Beimel. „Wir entwickeln<br />
für <strong>die</strong> KundInnen Gesamtlösungspakete,<br />
sodass sie alles aus <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Hand<br />
erhalten.“ Die Stärkung der technischen<br />
Komponente des Unternehmens<br />
werde auch <strong>die</strong> Position im Konzern<br />
verbessern.<br />
Risiken und Chancen im<br />
Zweierteam abstecken<br />
Der Weg zur Geschäftsführer<strong>in</strong> des<br />
auch <strong>in</strong> Osteuropa tätigen Unternehmens<br />
verlief bei den zwei Frauen sehr<br />
unterschiedlich. Gabriele Gailhart hat<br />
sich im zweiten Bildungsweg das notwendige<br />
Know-how im F<strong>in</strong>anzbereich<br />
angeeignet. Sie war <strong>in</strong> unterschiedlichsten<br />
Branchen im kaufmännischen<br />
Bereich tätig. Im Jahr 2000 kam sie zur<br />
DIW, wo sie viere<strong>in</strong>halb Jahre lang <strong>die</strong><br />
kaufmännische Leiter<strong>in</strong> war. „Me<strong>in</strong> Vorgänger<br />
vom deutschen Mutterkonzern<br />
hat mich dann dafür vorgeschlagen,<br />
geme<strong>in</strong>sam mit Frau Beimel <strong>die</strong> österreichische<br />
Gesellschaft zu leiten.“<br />
Das umfassende Aufgabengebiet gefalle<br />
ihr besonders <strong>in</strong> ihrer jetzigen Position.<br />
„Alles, was mit Zahlen zu tun hat,<br />
da b<strong>in</strong> ich <strong>die</strong> Richtige.“ Sie sehe sich<br />
aufgabenbed<strong>in</strong>gt als <strong>die</strong> Vorsichtigere,<br />
<strong>die</strong> ihrer Kolleg<strong>in</strong> <strong>die</strong> Risiken vor Augen<br />
halte, während <strong>die</strong>se ihr <strong>die</strong> Chancen<br />
neuer Projekte näher br<strong>in</strong>gen würde. In<br />
der Zusammenarbeit mit den MitarbeiterInnen<br />
versuche sie <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n menschlichen<br />
Führungsstil umzusetzen. „Ich<br />
glaube, es <strong>ist</strong> wichtig, <strong>die</strong> Menschen <strong>in</strong><br />
s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Umfeld, so zu behandeln, wie<br />
<strong>man</strong> selber auch behandelt werden<br />
will. Mit viel Respekt, Ehrlichkeit und<br />
Offenheit.“<br />
Mart<strong>in</strong>a Beimel hat ihre Erfahrung aus<br />
zehn Jahren Sozialarbeit sowohl privat<br />
als auch beruflich nützen können. „<strong>Es</strong><br />
hat m<strong>e<strong>in</strong>e</strong> E<strong>in</strong>stellung zu Leuten, zu<br />
MitarbeiterInnen verändert, weil ich<br />
e<strong>in</strong> sehr positiv denkender Mensch<br />
geworden b<strong>in</strong> und Flexibilität gelernt<br />
habe.“ Für den Branchenwechsel habe<br />
sie sich bewusst entschieden. Sie hat<br />
1990 im Gebäudere<strong>in</strong>igungsbereich mit<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Stelle im Sekretariat begonnen,<br />
wo sie sich von der Objektleiter<strong>in</strong>, über<br />
den Vertrieb bis h<strong>in</strong> zur Abteilungsleiter<strong>in</strong><br />
mit Prokura hochgearbeitet<br />
hat. Das Betriebsklima sei jedoch<br />
aufgrund der kritischen E<strong>in</strong>stellung<br />
gegenüber Frauen <strong>in</strong> Führungspositionen<br />
mit mobb<strong>in</strong>gähnlichen Zuständen<br />
zunehmend schlechter geworden. Ich<br />
habe damals gesagt: „Wenn ich k<strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
zufriedene Mitarbeiter<strong>in</strong> b<strong>in</strong>, macht<br />
es k<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Spaß und ich kann nicht<br />
m<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Mit arbeiterInnen motivieren,<br />
wenn ich selbst demotiviert b<strong>in</strong>.“ Von<br />
der DIW wurde sie damals angesprochen,<br />
im ersten Schritt <strong>die</strong> Leitung<br />
im Bereich Wien zu übernehmen. Die<br />
deutlich spürbare positivere E<strong>in</strong>stellung<br />
gegenüber Frauen <strong>in</strong> Managementfunktionen<br />
war für sie ausschlaggebend,<br />
das Angebot anzunehmen, was sie auch<br />
nicht bereut habe.<br />
Ansteckende Euphorie<br />
Mart<strong>in</strong>a Beimel hat für sich e<strong>in</strong> Lebensmotto:<br />
„Träume nicht De<strong>in</strong> Leben,<br />
sondern lebe D<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Traum.“ Als junges<br />
Mädchen hat sie schon von <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Job<br />
geträumt, bei dem sie viel mit dem<br />
Flugzeug re<strong>ist</strong>, e<strong>in</strong> Meet<strong>in</strong>g dort, <strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
Besprechung da hat. „Und ich wollte<br />
immer etwas bewegen <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Unternehmen,<br />
ich wollte nicht irgendwo<br />
se<strong>in</strong>, wo ich nur Anweisungen kriege,<br />
sondern ich wollte eigenständig arbeiten<br />
und das, was ich vorschlage, <strong>in</strong> <strong>die</strong><br />
Praxis umsetzen können.“<br />
Ihre Stärken sieht sie <strong>in</strong> der Kommunikation.<br />
Die Kunden hätten ke<strong>in</strong> Problem<br />
damit, dass Ihnen <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Frau gegenüber<br />
sitze, sagt sie. „Wenn Du <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n guten<br />
KundInnenkontakt hast, und wenn Du<br />
weißt, wovon Du sprichst, akzeptieren sie<br />
auch, wenn ich sage: Ich b<strong>in</strong> nicht <strong>die</strong><br />
Techniker<strong>in</strong>, aber wenn es e<strong>in</strong> Problem<br />
gibt, dann schicke ich den Richtigen,<br />
der das Problem löst“.<br />
Neue KundInnen zu gew<strong>in</strong>nen und <strong>die</strong><br />
MitarbeiterInnen zu überzeugen, dass<br />
sie dort <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n guten Job erledigen, mache<br />
ihr besonders Spaß. Für <strong>die</strong> Motivation<br />
der MitarbeiterInnen sei es wichtig,<br />
dass <strong>die</strong>se auch <strong>in</strong> Entscheidungen<br />
mite<strong>in</strong>bezogen würden. Da habe sie viel<br />
von <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m früheren Chef gelernt, der<br />
immer e<strong>in</strong> offenes Ohr für <strong>die</strong> Anliegen<br />
der MitarbeiterInnen hatte.<br />
„Für mich <strong>ist</strong> es e<strong>in</strong> Erfolg, wenn ich<br />
sehe, dass unsere Euphorie wie e<strong>in</strong><br />
Dom<strong>in</strong>o-Effekt auch <strong>die</strong> Mitarbeiter-<br />
Innen ansteckt“, sagt Mart<strong>in</strong>a Beimel.<br />
„Du b<strong>ist</strong> nur so gut wie de<strong>in</strong> ganzes<br />
Team“, fügt Gabriele Gailhart h<strong>in</strong>zu,<br />
<strong>die</strong> sich besonders freut, wenn sie<br />
schwierige Aufgaben geschafft hat und<br />
im Team abschließen kann.<br />
38 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie
Positive E<strong>in</strong>stellung als Basis<br />
Die Freude an der Arbeit verb<strong>in</strong>det <strong>die</strong><br />
beiden Frauen. Gabriele Gailhart me<strong>in</strong>t<br />
sogar: „Wenn ich <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Lotto-Sechser<br />
hätte, würde ich mir wahrsche<strong>in</strong>lich<br />
trotzdem irgend<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Tätigkeit suchen,<br />
weil ich e<strong>in</strong>fach gerne arbeite.“ Dafür<br />
sei <strong>e<strong>in</strong>e</strong> positive Lebense<strong>in</strong>stellung<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Grundvoraussetzung. Wobei Tiefs<br />
natürlich auch vorkommen, gibt sie zu.<br />
„Krisen gibt‘s immer. Aber wenn <strong>man</strong><br />
wirklich gute FreundInnen hat, mit denen<br />
<strong>man</strong> über solche D<strong>in</strong>ge reden kann,<br />
dann wird‘s immer <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Weg gehen,<br />
damit es weitergeht.“ Die Zusammenarbeit<br />
im Zweierteam erweise sich dabei<br />
als Pluspunkt, weil sie versuchen, sich<br />
gegenseitig positiv aufzubauen, wenn<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong> e<strong>in</strong>mal schlechter drauf <strong>ist</strong>. Sie<br />
s<strong>in</strong>d auch stolz darauf, dass sie <strong>in</strong> der<br />
Firma <strong>e<strong>in</strong>e</strong> gute Streitkultur etabliert<br />
haben, weil „ja nicht jeden Tag <strong>die</strong><br />
Sonne sche<strong>in</strong>t“. Die MitarbeiterInnen<br />
wissen, dass sie „mit allem, auch mit<br />
privaten Problemen“ zu ihnen kommen<br />
können.<br />
Derzeit leben beide Frauen als S<strong>in</strong>gles,<br />
was sie zum Teil auf <strong>die</strong> Zeit<strong>in</strong>tensität<br />
des Berufs zurückführen, <strong>die</strong> für <strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
Partnerschaft <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Schwierigkeit darstellen<br />
könne. Wobei sie sich dagegen<br />
verwehren, dass <strong>die</strong>se Lebenssituation<br />
nur mit dem Job zu tun habe. „<strong>Es</strong> gibt<br />
genug Frauen, <strong>die</strong> S<strong>in</strong>gle s<strong>in</strong>d und nicht<br />
<strong>in</strong> unserer Position s<strong>in</strong>d“, stellt Gabriele<br />
Gailhart fest. Ihre Kolleg<strong>in</strong> ärgert sich<br />
darüber, wenn <strong>in</strong> Zeitungen geschrieben<br />
wird, dass Frauen, <strong>die</strong> nach Karriere<br />
streben alle S<strong>in</strong>gles wären. „Oft<br />
kl<strong>in</strong>gt das dann so, dass Karrierefrauen<br />
k<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Männer f<strong>in</strong>den. Ich denke aber,<br />
das lässt sich ganz gut unter <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n<br />
Hut br<strong>in</strong>gen, wenn beide PartnerInnen<br />
Diszipl<strong>in</strong> haben und mite<strong>in</strong>ander <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n<br />
goldenen Mittelweg suchen.“ Diszipl<strong>in</strong>iertes<br />
Arbeiten während der Woche <strong>ist</strong><br />
für beide <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Selbstverständlichkeit.<br />
Wobei Mart<strong>in</strong>a Beimel betont, dass es<br />
„Erfolg <strong>ist</strong> für mich nicht<br />
f<strong>in</strong>anziell, sondern e<strong>in</strong>fach <strong>die</strong><br />
Genugtuung, dass <strong>man</strong> etwas<br />
mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m guten Gefühl wirklich<br />
gut fertig gebracht hat.“<br />
für sie „nie <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Belastung <strong>ist</strong>, weil ich<br />
es eben gern mache“. In der Freizeit<br />
malt sie gerne, genießt es <strong>in</strong> der Stadt<br />
spazieren zu gehen, sich <strong>die</strong> Auslagen<br />
anzuschauen oder <strong>in</strong> ihrem Garten<br />
Unkraut zu zupfen. Gabriele Gailhart<br />
sucht Erholung am Golfplatz, auf<br />
Reisen oder <strong>in</strong> geme<strong>in</strong>samen Unternehmungen<br />
mit FreundInnen. Seit kurzem<br />
hat sie das Salsa-Tanzen für sich entdeckt,<br />
aus dem sie „viel Kraft schöpfen“<br />
kann. Die Empfehlung der beiden<br />
Frauen für Berufse<strong>in</strong>steiger<strong>in</strong>nen: „Ja<br />
nicht aufgeben, sich immer wieder<br />
weiterbilden, mit anderen Frauen<br />
sprechen, <strong>die</strong> viele Jahre Praxis haben,<br />
Kontakte pflegen und immer positiv an<br />
den nächsten Schritt denken.“<br />
39
Sab<strong>in</strong>e Grupe<br />
Interview: Teresa Arrieta | März 2007<br />
„Ich möchte Wissenschaft und Kunst verb<strong>in</strong>den“<br />
Fotos: Kathar<strong>in</strong>a Gossow<br />
40 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie
E<strong>in</strong> Menschenleben <strong>ist</strong> e<strong>in</strong><br />
Augenklick der Zeit<br />
Die Geolog<strong>in</strong> Sab<strong>in</strong>e Grupe <strong>ist</strong> auf<br />
den Untergrund von Wien spezialisiert<br />
und hat e<strong>in</strong> lichtästhetisches<br />
Verfahren an der Schnittstelle<br />
zwischen Wissenschaft und Kunst<br />
erfunden.<br />
„Im Grunde <strong>ist</strong> immer Geologie“, steht<br />
neben Sab<strong>in</strong>e Grupes Email-Signatur:<br />
E<strong>in</strong> Liebesbekenntnis für ihr Fach, denn<br />
<strong>die</strong> ausgebildete Petrolog<strong>in</strong> bege<strong>ist</strong>ert<br />
Ausbildung:<br />
Studium der Petrologie,<br />
Universität Wien<br />
Position:<br />
Fachbereichsleiter<strong>in</strong> Geologie<br />
<strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Ingenieurbüro<br />
Wissenschaftsdiszipl<strong>in</strong>:<br />
Geologie<br />
sich dafür zu wissen, auf welchen Gest<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n<br />
Wien steht. Wo und <strong>in</strong> welcher<br />
Tiefe bef<strong>in</strong>den sich miozäne Schluffe<br />
und Tone, ple<strong>ist</strong>ozäne Kiese und<br />
Sande, rezente Sedimente? Wo gibt<br />
es tektonische Störungen? Wie hoch<br />
liegt der Grundwasserstand? „Wenn<br />
ich über den Stephansplatz gehe, weiß<br />
ich, wie es unter mir aussieht“, so <strong>die</strong><br />
Geste<strong>in</strong>sexpert<strong>in</strong> über ihre Leidenschaft<br />
fürs Unterirdische. „Der Untergrund <strong>ist</strong><br />
immer präsent <strong>in</strong> m<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Bewusstse<strong>in</strong>.“<br />
Im Rahmen ihrer wissenschaftlichen<br />
Tätigkeit <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Ingenieurbüro<br />
hat sie sich auf den geologischen<br />
Aufbau der Stadt spezialisiert. Dieses<br />
Wissen <strong>die</strong>nt als Planungsgrundlage für<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong> unter der Erde liegende, viel fältige<br />
Welt: Leitungen und Schächte für<br />
Wasser, Abwasser, Strom, Information<br />
und Transport. Ke<strong>in</strong> alltäglicher Beruf<br />
und k<strong>e<strong>in</strong>e</strong> alltägliche Leidenschaft,<br />
<strong>die</strong> Sab<strong>in</strong>e Grupe da beschreibt, aber<br />
sie <strong>ist</strong> auch k<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Frau, der <strong>man</strong> alle<br />
Tage begegnet: Eleganz mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m<br />
Hauch Exzentrik, Herzlichkeit und<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r besonderen Formulierungsgabe:<br />
schonungslos, analytisch und poetisch<br />
41
- <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Gedankenwelt, <strong>die</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> Tiefe<br />
geht, <strong>die</strong> kilometerdicke Geste<strong>in</strong>sschichten<br />
und unendlich langsame<br />
Zeitabläufe durchdr<strong>in</strong>gt.<br />
Der Zauber der St<strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
Die Sedimente im Untergrund von Wien<br />
s<strong>in</strong>d an <strong>die</strong> fünf Millionen Jahre alt,<br />
erklärt <strong>die</strong> Geolog<strong>in</strong>. Immer noch e<strong>in</strong><br />
Säugl<strong>in</strong>gsalter angesichts der kanadischen<br />
Fundamente, <strong>die</strong> mit methusalemschen<br />
Dimensionen von bis zu vier<br />
Milliarden Jahren aufwarten können,<br />
fügt sie h<strong>in</strong>zu. Angesichts solcher<br />
Dimensionen hat sich ihr Zeitempf<strong>in</strong>den<br />
radikal verändert: „E<strong>in</strong> Menschenleben<br />
<strong>ist</strong> nur e<strong>in</strong> Augenklick der Zeit.“ Dem<br />
Zauber der St<strong>e<strong>in</strong>e</strong> war Grupe bereits<br />
als K<strong>in</strong>d erlegen, wo sie Kiesel sammelte,<br />
um sie zu berühren und deren<br />
Strukturen zu bestaunen. Begonnen hat<br />
<strong>die</strong> gebürtige Deutsche ihre berufliche<br />
Laufbahn <strong>in</strong> Bochum, wo sie sich zur<br />
geowissenschaftlichen Präparator<strong>in</strong><br />
ausbilden ließ und Edelst<strong>e<strong>in</strong>e</strong> bestimmen<br />
lernte. 1982/83 g<strong>in</strong>g sie nach Sri<br />
Lanka, um dort für <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n M<strong>in</strong>eralogen<br />
Edelst<strong>e<strong>in</strong>e</strong> zu kaufen und Expertisen zu<br />
erstellen. Doch schon damals hatte sie<br />
wenig Beziehung zum Glitzernden und<br />
Vordergründigen – sie fühlte sich mehr<br />
zu den grauen St<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n h<strong>in</strong>gezogen,<br />
denn <strong>die</strong>se seien „e<strong>in</strong> Archiv, aus dem<br />
<strong>man</strong> lesen kann.“ Die buddh<strong>ist</strong>ische<br />
Kultur von Sri Lanka bee<strong>in</strong>druckte sie<br />
zutiefst, doch als 1983 der Bürgerkrieg<br />
ausbrach, begab sie sich auf der Suche<br />
nach <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m „sicheren Land“ nach<br />
Österreich. Denn hier gibt es noch „Zeit<br />
für Höflichkeit“ wie Grupe fand, außerdem<br />
funktioniere <strong>die</strong> Infrastruktur. Der<br />
Hochwasserschutz sei beispielsweise<br />
auf e<strong>in</strong> 10.000jähriges Hochwasser (e<strong>in</strong><br />
Hochwasser, wie es im Durchschnitt<br />
nur alle 10.000 Jahre vorkommt)<br />
dimensioniert, me<strong>in</strong>t <strong>die</strong> Untergrundexpert<strong>in</strong>.<br />
Noch im selben Jahr <strong>in</strong>skribierte<br />
sie Petrologie an der Universität Wien,<br />
e<strong>in</strong> AußenseiterInnenfach, wo <strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
Handvoll Stu<strong>die</strong>render von mehreren<br />
ProfessorInnen <strong>in</strong> familiärer Atmosphäre<br />
betreut wird. Sab<strong>in</strong>e Grupe hatte<br />
besonderen Spaß an den Geste<strong>in</strong>sdünnschliffen,<br />
<strong>in</strong> <strong>die</strong> sie sich mithilfe der<br />
Polarisations-Mikroskopie vertiefte.<br />
Lichtästhetische Erf<strong>in</strong>dung<br />
Im Rahmen <strong>die</strong>ser Arbeit entstand auch<br />
ihr Patent: Sie ersetzte <strong>die</strong> Geste<strong>in</strong>sdünnschliffe<br />
durch doppelbrechende,<br />
verschiedenartig bearbeitete Folien und<br />
übertrug sie mittels <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s adaptierten<br />
Diaprojektors als Licht<strong>in</strong>stallation<br />
an <strong>die</strong> Wand. Die KollegInnen waren<br />
bege<strong>ist</strong>ert von den so entstehenden<br />
psychedelischen Mustern und Farbstrukturen<br />
und ermutigten Grupe zur<br />
Patentierung <strong>die</strong>ses <strong>in</strong>novativen, lichtästhetischen<br />
Verfahrens. 1990 erhielt<br />
sie am österreichischen Patentamt den<br />
Zuschlag für „Optische Eigenschaften<br />
42 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie
anisotroper Materialien als Mittel zur<br />
bildnerischen Gestaltung“, e<strong>in</strong>setzbar<br />
für „Foto- und Bühnenbildtechnik als<br />
Licht<strong>in</strong>stallation bei Produktwerbung,<br />
Video und Film“. Die solchermaßen entstandene<br />
Schnittstelle zwischen Kunst<br />
und Wissenschaft verfolgte Sab<strong>in</strong>e Grupe<br />
auch weiterh<strong>in</strong>: Nachdem sie später<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong> technische Berufslaufbahn <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m<br />
Ingenieurbüro e<strong>in</strong>geschlagen hatte,<br />
beteiligte sie sich immer wieder an<br />
künstlerischen Projekten wie Hörspielen<br />
oder Kunst<strong>in</strong>stallationen. Ihr Patent<br />
verschwand jedoch für <strong>die</strong> kommenden<br />
fünfzehn Jahre <strong>in</strong> der Schublade, denn<br />
<strong>die</strong> Geste<strong>in</strong>sexpert<strong>in</strong> bege<strong>ist</strong>erte sich<br />
anfangs wenig für <strong>die</strong> quietschigen Farben<br />
und psychedelischen Muster ihrer<br />
Erf<strong>in</strong>dung. Sie änderte ihre Me<strong>in</strong>ung im<br />
Jahre 2006, als <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Ausstellung <strong>in</strong> der<br />
Wiener Kunsthalle zur psychedelischen<br />
Kunst und Kultur der Siebziger ihre Lust<br />
an rauschartigen Farbstrukturen neu<br />
erweckte. Prompt brachte Sab<strong>in</strong>e Grupe<br />
ihre Erf<strong>in</strong>dung, deren Patent zwischen-<br />
zeitlich ausgelaufen war, im Rahmen<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Kunstausstellung zum E<strong>in</strong>satz, wo<br />
sie ihre polarisationsoptischen Muster<br />
auf das Objekt <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s bildenden Künstlers<br />
projizierte.<br />
Widerständen mit Heiterkeit<br />
begegnen<br />
Über ihre Erfahrungen abseits der<br />
Kunst, im beruflichen Kontext, <strong>in</strong><br />
Zusammenarbeit mit Techniker Innen<br />
möchte sie nur soviel sagen „Ich<br />
b<strong>in</strong> k<strong>e<strong>in</strong>e</strong> nett Lächelnde, ich spiele<br />
nie<strong>man</strong>dem den Bewunderungszwerg,<br />
sondern denke quer und sage m<strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
Me<strong>in</strong>ung klar und offen.“ E<strong>in</strong>e Haltung,<br />
<strong>die</strong> ihr nicht immer gut bekommt, denn<br />
gerade unter TechnikerInnen sei <strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
„schwache, irritierte Männlichkeit“<br />
verbreitet. Für <strong>die</strong>se stellen erfolg reiche<br />
Frauen <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Gefahr dar, wie Sab<strong>in</strong>e<br />
Grupe mitunter erlebt hat: „Frause<strong>in</strong><br />
„Frauen s<strong>in</strong>d geradl<strong>in</strong>ig,<br />
sie h<strong>in</strong>terfragen und<br />
setzen auf Kompetenz.<br />
Sie s<strong>in</strong>d gute Netzwerker<strong>in</strong>nen.“<br />
<strong>ist</strong> e<strong>in</strong> großes Karriereh<strong>in</strong>dernis, denn<br />
Frauen s<strong>in</strong>d <strong>die</strong> Störung der männlichen<br />
Übere<strong>in</strong>kunft.“ Strukturelle<br />
Gewalt an Frauen sei heute nach wie<br />
vor gesellschaftlich akzeptiert, so das<br />
Fazit der Geste<strong>in</strong>sexpert<strong>in</strong>. Trotzdem <strong>ist</strong><br />
ihr Freude im Job wichtig: Ihr primäres<br />
Motto <strong>in</strong> schwierigen Zeiten: „Immer<br />
heiter bleiben und nicht zitronengesichtig<br />
werden.“ Sie vermag auch negative<br />
Erfahrungen als Bereicherung zu<br />
sehen, denn daraus sei viel zu lernen:<br />
Etwa, wie wichtig „faire und transparente<br />
Kommunikation <strong>ist</strong> und wie <strong>man</strong><br />
Menschen motivieren kann, anstatt<br />
Druck auf sie auszuüben.“<br />
43
Beate Guschal<br />
Interview: Teresa Arrieta | Juli 2006<br />
„Technische Probleme s<strong>in</strong>d total fasz<strong>in</strong>ierend“<br />
Fotos: Nora Friedel<br />
44 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie
„Technik <strong>ist</strong> fun“<br />
Die Masch<strong>in</strong>enbau<strong>in</strong>genieur<strong>in</strong> Beate<br />
Guschal <strong>ist</strong> „technische Detektiv<strong>in</strong>“<br />
bei General Motors Powertra<strong>in</strong> -<br />
Austria, war TechWo<strong>man</strong> of the year,<br />
lässt sich aus Leidenschaft für Problemlösungen<br />
unbeschwert Kühlmittel<br />
<strong>in</strong> <strong>die</strong> Designerbluse r<strong>in</strong>nen und<br />
beherrscht weibliche und männliche<br />
Spielarten gleichermaßen.<br />
„Die Kompetenz macht es aus“ me<strong>in</strong>t<br />
Beate Guschal, <strong>die</strong> <strong>in</strong>nerhalb kürzester<br />
Zeit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n kometenhaften Erfolgsstart<br />
Ausbildung:<br />
HTL, Masch<strong>in</strong>enbaustudium,<br />
Red X Strategy Master<br />
Position:<br />
Technische Manager<strong>in</strong><br />
bei General Motors<br />
Wissenschaftsdiszipl<strong>in</strong>:<br />
Kraftfahrzeugtechnik<br />
bei General Motors h<strong>in</strong>gelegt hat: Vier<br />
Monate nach ihrem Firmene<strong>in</strong>stieg im<br />
Jahre 2000 wurde sie <strong>in</strong> e<strong>in</strong> außergewöhnliches<br />
Ausbildungsprogramm<br />
zur „Red X-Master<strong>in</strong>“ gesteckt: Was<br />
nach Raumschiff Enterprise kl<strong>in</strong>gt <strong>ist</strong><br />
<strong>in</strong> Wirklichkeit e<strong>in</strong> <strong>in</strong> den USA vor über<br />
sechzig Jahren entwickeltes ausgeklügeltes<br />
Verfahren zur technischen<br />
Problemlösung.<br />
<strong>Es</strong> wird angewendet, wenn beispielsweise<br />
Anfahr-Verzögerungen bei <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m<br />
soeben fertig gestellten Autogetriebe<br />
auftreten. Das System <strong>ist</strong> - anders als<br />
vergleichbare Verfahren - auf statis-<br />
tischen Methoden aufgebaut, <strong>die</strong><br />
strategisches Denken und Kreativität<br />
erfordern. Für Europa entwickelte<br />
General Motors e<strong>in</strong> eigenes Red X<br />
Programm, das seit dem Jahr 2000 <strong>in</strong><br />
europäischen GM Powertra<strong>in</strong> Werken<br />
e<strong>in</strong>geführt wurde. Beate Guschal <strong>ist</strong> der<br />
erste weibliche „Red X Strategy Master“<br />
<strong>in</strong> Europa und <strong>in</strong> <strong>die</strong>ser Funktion für<br />
alle GM Powertra<strong>in</strong> Werke <strong>in</strong> Europa<br />
zuständig. Nichts f<strong>in</strong>det sie fasz<strong>in</strong>ierender,<br />
als herauszubekommen, warum<br />
etwa e<strong>in</strong> Motorenteil „e<strong>in</strong> schleifendes<br />
Geräusch“ produziert und deswegen<br />
ausgesondert werden muss.<br />
45
Berufung zum Beruf machen<br />
Gleich <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Detektiv tastet sie sich<br />
nach dem Ausschlussverfahren mittels<br />
stat<strong>ist</strong>ischer Beweise an <strong>die</strong> Lösung<br />
heran, <strong>man</strong>che <strong>die</strong>ser technischen<br />
Rätsel verfolgen sie über Monate. Auf<br />
ihren Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsunterlagen <strong>ist</strong> folgerichtig<br />
Sherlock Holmes abgebildet.<br />
Doch nicht nur das Brüten über kniffligen<br />
Problemen bege<strong>ist</strong>ert sie, sondern<br />
sie legt auch gerne selbst Hand an.<br />
Dabei würden zierliche Statur und<br />
Seidenbluse nie erahnen lassen, dass<br />
sie am liebsten draußen im Werk vor<br />
den wuchtigen Masch<strong>in</strong>en steht und<br />
sich eigenhändig <strong>in</strong> <strong>die</strong> E<strong>in</strong>geweide der<br />
Motoren vertieft, um deren Geheimnisse<br />
zu ergründen. E<strong>in</strong> Kollege habe<br />
ihr unlängst gestanden: „Beate, ich<br />
werd´ nie vergessen, wie dir das Kühlmittel<br />
<strong>in</strong>s Hemd läuft und du bege<strong>ist</strong>ert<br />
rufst: Da schau her, der Kühlschlauch<br />
liegt falsch!“ Dabei hat es e<strong>in</strong>ige Jahre<br />
gebraucht, bis sie ihre wahre Berufung<br />
entdeckte: Nach dem Masch<strong>in</strong>enbaustudium<br />
arbeitete sie zuerst<br />
als technische E<strong>in</strong>käufer<strong>in</strong>, hernach<br />
<strong>in</strong> der Qualitätsabteilung der für ihre<br />
Kunststoffp<strong>ist</strong>olen bekannten Firma<br />
Glock. Nach vier Jahren wollte sie sich<br />
verändern. Seit dem Engagement als<br />
Technikdetektiv<strong>in</strong> bei General Motors<br />
Powertra<strong>in</strong> - Austria weiß sie: „Das <strong>ist</strong><br />
wirklich m<strong>e<strong>in</strong>e</strong>s“.<br />
Technik bedeutet Spaß<br />
Ihr Engagement f<strong>in</strong>det Anerkennung:<br />
In der Zwischenzeit bildet <strong>die</strong> Inge nieur<strong>in</strong><br />
firmen<strong>in</strong>tern neue Master aus,<br />
<strong>die</strong> dann <strong>in</strong> ihren jeweiligen Werken so<br />
wie sie technische Rätsel auf hohem<br />
Niveau knacken („Diesen Coach-Job<br />
hab ich, obwohl ich <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Frau b<strong>in</strong>,<br />
völlig problemlos bekommen.“). Auch<br />
<strong>die</strong> Auszeichnung zur „TechWo<strong>man</strong><br />
of the year“ im vergangenen Jahr hat<br />
sie riesig gefreut. Der im Rahmen des<br />
österreichischen Automationspreises<br />
„Leonardo Award“ ausgeschriebene<br />
Sonderpreis soll Frauen <strong>in</strong> technischen<br />
Berufen <strong>in</strong>s Rampenlicht stellen. Die<br />
Besonderheit dabei <strong>ist</strong>, dass <strong>man</strong> dafür<br />
nicht e<strong>in</strong> reichen kann, sondern frau<br />
dafür nom<strong>in</strong>iert werden muss. Das wichtigste<br />
sei der Spaß bei der Arbeit, so<br />
Beate Guschal über <strong>die</strong> Voraussetzun-<br />
gen für ihre rasche Karriere, e<strong>in</strong> „Spaß“,<br />
der wohl nur für e<strong>in</strong>geschworene<br />
Technik-Freaks nachvollziehbar <strong>ist</strong>: E<strong>in</strong><br />
US-Kollege habe ihr unlängst bei <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m<br />
Sem<strong>in</strong>ar zwischen Algorythmus tabelle<br />
und Analyseteilen <strong>in</strong> <strong>die</strong> Augen geblickt:<br />
„Isn´t it fun?“ hat er gefragt. „Correct,<br />
it´s fun!“ hat sie geantwortet.<br />
Ruppig und e<strong>in</strong>fühlsam<br />
Akzeptanzprobleme hat <strong>die</strong> 35 jährige,<br />
<strong>die</strong> sich seit der HTL Zeit nur <strong>in</strong><br />
Männerwelten bewegte, nie gehabt:<br />
Männliche Kommunikationsformen hat<br />
46 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie
„Frauen müssen sich mehr beweisen: Man wird schon kritischer beobachtet als e<strong>in</strong> Mann.“<br />
sie sich als K<strong>in</strong>d („Ich geb´s zu, ich hab<br />
am liebsten mit Barbies gespielt“) mit<br />
ihren beiden Brüdern angeeignet, heute<br />
beherrscht sie weibliche und männliche<br />
Spielarten. So habe sie im Laufe der<br />
Zeit gelernt, im Job „Jungs, es mieft“<br />
zu sagen, wenn sie <strong>die</strong> Fenster öffnen<br />
will und sie könne auch laut fluchen.<br />
Ne<strong>in</strong>, zu den sensibelsten Frauen zähle<br />
sie wohl nicht. Trotzdem br<strong>in</strong>gt sie<br />
weibliches E<strong>in</strong>fühlungsvermögen mit,<br />
wenn sich etwa <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r ihrer Sem<strong>in</strong>ar-<br />
teilnehmer mit dem H<strong>in</strong>weis auf den<br />
Geburtsterm<strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Frau entschuldigen<br />
lässt. Ganz überrascht sei der<br />
Betreffende gewesen, als Guschal sich<br />
verständnisvoll gezeigt habe: „Nicht<br />
alle verstehen, dass ich mir da frei<br />
nehmen muss“, habe er ihr gestanden.<br />
Auch als Lehrende <strong>ist</strong> sie als Frau stets<br />
auf positives Echo gestoßen, denn <strong>in</strong><br />
männlichen Ingenieurswelten zählt vor<br />
allem Qualifikation, wie sie immer wieder<br />
erlebt. Die Überraschung, wenn sie<br />
bei <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Sem<strong>in</strong>ar als „Red X Master“<br />
den Raum betritt, löst sich rasch auf,<br />
sobald sie <strong>in</strong> medias res geht. „Sie s<strong>in</strong>d<br />
der Master?“ wundert sich so <strong>man</strong>che<br />
Teilnehmer<strong>in</strong> und <strong>man</strong>cher Teilnehmer<br />
anfangs. Spätestens nach <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r halben<br />
Stunde Fachsimpeln <strong>ist</strong> jedoch jedem<br />
klar, dass sie der Master <strong>ist</strong>.<br />
47
Vera Hammer<br />
Interview: Teresa Arrieta | Oktober 2006<br />
„Wer heute <strong>die</strong> Karriereleiter hoch klimmen will,<br />
braucht gutes Teamwork.“<br />
Fotos: Nora Friedel<br />
48 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie
Hüter<strong>in</strong> der Schätze<br />
Die M<strong>in</strong>eralog<strong>in</strong> Vera Hammer <strong>ist</strong><br />
im Naturh<strong>ist</strong>orischen Museum Wien<br />
Kustod<strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r der größten M<strong>in</strong>eralien-<br />
und Edelste<strong>in</strong>sammlungen<br />
Europas. Sie umschifft verst<strong>e<strong>in</strong>e</strong>rte<br />
Hierarchien und sieht <strong>die</strong> f<strong>in</strong>anzielle<br />
Museumszukunft skeptisch.<br />
Vera Hammer liebt ihren Job, steht<br />
jedoch den aktuellen Entwicklungen der<br />
ehemaligen Bundesmuseen zwiespältig<br />
gegenüber. Durch <strong>die</strong> Vollrechtsfähigkeit<br />
werden <strong>die</strong>se zwar zu mehr<br />
Ausbildung:<br />
Studium der M<strong>in</strong>eralogie und<br />
Kr<strong>ist</strong>allographie Universität Wien<br />
Position:<br />
Leiter<strong>in</strong> der M<strong>in</strong>eraliensammlung und<br />
des staatlichen Edelste<strong>in</strong><strong>in</strong>stituts<br />
Wissenschaftsdiszipl<strong>in</strong>:<br />
M<strong>in</strong>eralogie<br />
Wirtschaftlichkeit h<strong>in</strong>geführt, andererseits<br />
aber sei e<strong>in</strong> Museum doch ke<strong>in</strong><br />
Gewerbebetrieb: „Dieses Haus <strong>ist</strong> vom<br />
Konzept her e<strong>in</strong> Ort zum Forschen,<br />
Bewahren und Sammeln“, erklärt <strong>die</strong><br />
St<strong>e<strong>in</strong>e</strong>xpert<strong>in</strong> und aus jedem Wort<br />
kl<strong>in</strong>gt Leidenschaft für ihre Aufgabe.<br />
„Wir s<strong>in</strong>d AnsprechpartnerInnen für<br />
Schulen und für <strong>die</strong> naturwissenschaftlich<br />
<strong>in</strong>teressierte Öffentlichkeit“.<br />
WissenschaftlerInnen seien sie, k<strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
ManagerInnen. „Sollen <strong>die</strong> BotanikerInnen<br />
jetzt selbst gesammelte<br />
Kräutertees verkaufen?“ beschreibt <strong>die</strong><br />
Widerspenstige den schwierigen Spagat<br />
zwischen Wirtschaft und Forschung.<br />
Groß gewachsen und selbstbewusst <strong>ist</strong><br />
sie und mitunter recht verzweifelt über<br />
<strong>die</strong> derzeitige Situation: Jahrzehnte<br />
alte Analysegeräte, e<strong>in</strong> sehr knappes<br />
Budget für Neuankäufe, „Verhältnisse,<br />
<strong>die</strong> wir vor weniger als zwanzig Jahren<br />
im Ostblock noch belächelt haben“<br />
würden derzeit im Haus herrschen,<br />
und Hierarchien wie zu Kaisers Zeiten.<br />
Aber Vera Hammer kämpft wie <strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
Löw<strong>in</strong>, um <strong>die</strong> f<strong>in</strong>anzielle Situation mit<br />
viel Eigen <strong>in</strong>itiative zu verbessern und<br />
trachtet danach, für ihre Abteilung<br />
neue F<strong>in</strong>anzierungswege zu erschließen.<br />
49
Verw<strong>in</strong>kelte Wege<br />
Die Edelste<strong>in</strong>liebhaber<strong>in</strong> hat immer<br />
schon gewusst, dass sie M<strong>in</strong>eralog<strong>in</strong><br />
werden möchte. St<strong>e<strong>in</strong>e</strong> waren <strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
Leidenschaft von K<strong>in</strong>dheit an: Formen<br />
und Farben bestaunen, <strong>die</strong> Geheimnisse<br />
der Herkunft durchdr<strong>in</strong>gen, berühren,<br />
begreifen, beschauen. Später, während<br />
des M<strong>in</strong>eralogie-Studiums, war davon<br />
k<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Rede mehr: Erst nach vielen<br />
Büffelsemestern durfte <strong>man</strong> den ersten<br />
Ste<strong>in</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> Hand nehmen. Endlos lange<br />
Praktikumszeiten, nach vier Versuchen<br />
als Draufgabe noch <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Fünften, das<br />
gebe es seit der neuen Stu<strong>die</strong>nordnung<br />
Gott sei Dank nicht mehr. Trotzdem<br />
er<strong>in</strong>nert sie sich gern an <strong>die</strong> Stu<strong>die</strong>nzeit,<br />
mit den Kolleg<strong>in</strong>nen und Kollegen<br />
war es immer lustig. Das M<strong>in</strong>eralogische<br />
Institut auf der alten Uni am R<strong>in</strong>g<br />
bildete <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n überschaubaren, fast<br />
privaten Rahmen.<br />
E<strong>in</strong>e Hand voll Stu<strong>die</strong>nanfängerInnen,<br />
über Jahre h<strong>in</strong>durch im selben Raum,<br />
fast alles habe <strong>man</strong> vone<strong>in</strong>ander gewusst.<br />
Als Stu<strong>die</strong>nass<strong>ist</strong>ent<strong>in</strong> konnte sie<br />
sich f<strong>in</strong>anziell über Wasser halten, auch<br />
wenn es gerade für <strong>die</strong> Miete reichte.<br />
Nach dem Studium folgte <strong>e<strong>in</strong>e</strong> wechselvolle<br />
Zeit: Halbtags an der Uni, halbtags<br />
an der Forschungsanstalt Arsenal.<br />
E<strong>in</strong> junges ErdwissenschafterInnenteam,<br />
das dort neue Analysegeräte und<br />
Bestimmungsmethoden erprobte, <strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
fidele Messkolonne waren sie, „der<br />
Schmäh <strong>ist</strong> gelaufen“, gearbeitet wurde<br />
trotzdem viel. Bis auf den miserablen<br />
Arbeitsvertrag war es „<strong>e<strong>in</strong>e</strong> sehr positive<br />
Zeit <strong>in</strong> m<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Leben.“ Unverhofft<br />
ergatterte sie dann den Traumjob am<br />
Naturh<strong>ist</strong>orischen Museum, <strong>in</strong> dem<br />
sie es sich seit nun schon vierzehn<br />
Jahren e<strong>in</strong>gerichtet hat wie <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m<br />
zweiten Zuhause. Der Weg zu ihr führt<br />
über breite Marmorstufen, verw<strong>in</strong>kelte<br />
Gänge und schwere Flügeltüren, bis der<br />
Besucher <strong>in</strong> Vera Hammers Schneckenhaus<br />
vorgedrungen <strong>ist</strong>.<br />
Geheimes Reich<br />
Die Wände entlang stapeln sich Laden<br />
über Laden, Regale und Schränke bis an<br />
<strong>die</strong> Decke, Angefülltes, E<strong>in</strong>geordnetes,<br />
Etikettiertes: „Ich b<strong>in</strong> sehr genau, sonst<br />
könnte ich den Job nicht machen“ -<br />
immerh<strong>in</strong> bewahrt Vera Hammer <strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
der größten M<strong>in</strong>eraliensammlungen der<br />
Welt. Ihr Arbeitsplatz <strong>ist</strong> e<strong>in</strong> drunter<br />
und drüber von Schachteln, Büchern<br />
und Mikroskopen. Am Fensterbrett liegt<br />
der GeologInnenhammer samt selbst<br />
herausgehauenen Geste<strong>in</strong>sproben, Trophäen<br />
der letzten Pak<strong>ist</strong>an Reise. Seit<br />
Monaten warten <strong>die</strong> neuen Schätze auf<br />
Benennung und E<strong>in</strong>ordnung.<br />
„Viel Staub und viel Arbeit“ kündigte<br />
<strong>man</strong> ihr an, als sie ihre Karriere hier<br />
begann, und das hat sich auch bewahrheitet.<br />
Die riesige Sammlung wird<br />
ständig ergänzt, Belegmaterial gekauft<br />
oder auch selbst gesammelt, und<br />
e<strong>in</strong>iges bekommt das Haus ja auch geschenkt.<br />
Viele M<strong>in</strong>eraliensammlerInnen<br />
suchen <strong>die</strong> Geste<strong>in</strong>sspezial<strong>ist</strong><strong>in</strong> auf, um<br />
ihre Funde bestimmen zu lassen. E<strong>in</strong><br />
Service, von dem beide profitieren. „Wir<br />
sehen <strong>die</strong> Neufunde, und der M<strong>in</strong>eraliensammler<br />
oder <strong>die</strong> M<strong>in</strong>eralsammler<strong>in</strong><br />
bekommt Fach<strong>in</strong>formation“, erklärt sie<br />
den Deal, oft bleibt dafür e<strong>in</strong> respektables<br />
Belegstück <strong>in</strong> der Sammlung.<br />
Weibliche Offenheit<br />
Gute KundInnen s<strong>in</strong>d auch diverse<br />
M<strong>in</strong>eralien- und Edelste<strong>in</strong>händler Innen,<br />
<strong>die</strong> aus der ganzen Welt kommen<br />
und sich ihr Material im staatlichen<br />
Edelste<strong>in</strong><strong>in</strong>stitut bestimmen lassen.<br />
Ist e<strong>in</strong> Edelste<strong>in</strong> echt oder falsch? Ist<br />
er behandelt oder zeigt er natürliche<br />
Farbe? Aufgrund der gut sortierten<br />
Vergleichssammlung werden solche<br />
Fragen kompetent beantwortet: „Wir<br />
können unsere Sammlungen wie <strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
Bibliothek benutzen, nachschlagen,<br />
ver gleichen...“ Doch <strong>die</strong> M<strong>in</strong>eralog<strong>in</strong><br />
vergräbt sich nicht nur <strong>in</strong> St<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n,<br />
sondern geht auch gerne an <strong>die</strong><br />
Öffentlichkeit: Sie pflegt <strong>die</strong> Kontakte<br />
mit SammlerInnen, hat zahlreiche<br />
Vorstandsfunktionen bei Fachver<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n,<br />
hält Vorträge und leitet Exkursionsfahrten<br />
für e<strong>in</strong> <strong>in</strong>teressiertes Publikum.<br />
Die vielen St<strong>e<strong>in</strong>e</strong>, <strong>die</strong> am Weg von Vera<br />
Hammer lagen, waren auch St<strong>e<strong>in</strong>e</strong> <strong>in</strong><br />
ihrer Karriereleiter. Kommendes Jahr<br />
avanciert sie zur Leiter<strong>in</strong> der M<strong>in</strong>eralien-<br />
und Edelste<strong>in</strong>sammlung im<br />
Haus am R<strong>in</strong>g. Nie möchte sie ihren<br />
Traumjob hergeben, denn so kann sie<br />
ihrer Leidenschaft für Edelst<strong>e<strong>in</strong>e</strong> und M<strong>in</strong>eralien<br />
ungeh<strong>in</strong>dert nachgehen: „Was<br />
mich irrs<strong>in</strong>nig beruhigt: Ich kann hier<br />
sammeln und muss das nicht wie viele<br />
andere <strong>in</strong> m<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r eigenen Wohnung<br />
unterbr<strong>in</strong>gen.“<br />
50 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie
„Ich b<strong>in</strong> halt <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Bewahrer<strong>in</strong>.“<br />
51
Selma Hansal<br />
Interview: Teresa Arrieta | April 2007<br />
„Selbstbestimmung <strong>ist</strong> m<strong>e<strong>in</strong>e</strong> wichtigste Triebfeder.<br />
Als Frau möchte ich mich nicht <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Richtung<br />
drängen lassen.“<br />
Fotos: Nora Friedel<br />
52 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie
Sprechen reißt <strong>die</strong> Mauern<br />
nieder<br />
Die Galvanotechniker<strong>in</strong> Selma Hansal<br />
hat <strong>die</strong> Galvanik vom alchem<strong>ist</strong>ischen<br />
Gebräu zum High Tech Verfahren erhoben,<br />
beliefert mit ihrer neuen Technik<br />
auch <strong>die</strong> Weltraumforschung und<br />
darf nun sogar als Frau Expert<strong>in</strong> se<strong>in</strong>.<br />
E<strong>in</strong> Labor voller Computer, Elektrokästen<br />
und kl<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Wannen aus Kunststoff,<br />
gefüllt mit bunten Flüssigkeiten:<br />
Grau, rot, grün, blau. Die chemischen<br />
Dünste s<strong>in</strong>d unüberriechbar,<br />
Ausbildung:<br />
Studium der Physikalischen Chemie,<br />
Universität Wien<br />
Position:<br />
Mitbegründer<strong>in</strong> von<br />
„Happy Plat<strong>in</strong>g“, 2004<br />
Branche:<br />
Chemische Industrie<br />
es plätschert, blubbert und brummt.<br />
Menschen im weißen Mantel hantieren<br />
mit Metall- und Kunststoffteilen,<br />
<strong>die</strong> masch<strong>in</strong>ell <strong>in</strong> <strong>die</strong> farbigen Bäder<br />
getaucht werden. Wir bef<strong>in</strong>den uns <strong>in</strong><br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Labor für Galvanotechnik, dem<br />
Herzstück der Firma Happy Plat<strong>in</strong>g im<br />
niederösterreichischen Berndorf. Selma<br />
Hansal, Firmengründer<strong>in</strong> im weißen<br />
Mantel, <strong>ist</strong> ganz <strong>in</strong> ihrem Element und<br />
führt zwischen surrenden High-Tech<br />
Geräten herum. Gemütlich, ruhig und<br />
Vertrauen erweckend, <strong>e<strong>in</strong>e</strong> von ihrem<br />
Fach Durchdrungene, <strong>die</strong> sich redlich<br />
bemüht, ihr Spezialwissen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>fache<br />
Worte zu fassen. Ihre Mission <strong>ist</strong> es,<br />
<strong>die</strong> Menschheit von den Vorzügen der<br />
Galvanik zu überzeugen, und das tut<br />
sie mit sanfter Stimme und viel Geduld:<br />
Galvanisieren bedeutet Veredeln von<br />
Metall- und Kunststoffgegenständen.<br />
Die Metallbeschichtung erfolgt durch<br />
das E<strong>in</strong>tauchen <strong>in</strong> metallhaltige elektrolytische<br />
Bäder. Solcherart beschichtet<br />
werden <strong>die</strong> Objekte widerstandsfähiger<br />
und korrosionsres<strong>ist</strong>enter. Schmuck kann<br />
ebenso galvanisiert werden wie Badezimmerarmaturen<br />
oder Masch<strong>in</strong>en teile,<br />
auch <strong>in</strong> der Elektronik gibt es vielfältige<br />
Anwendungsmöglichkeiten.<br />
53
Galvanik ex<strong>ist</strong>iert seit dem 18. Jahrhundert.<br />
Das Verfahren steht im Ruf,<br />
<strong>die</strong> Umwelt zu belasten und wenig<br />
berechenbar zu se<strong>in</strong>, nach dem Motto:<br />
GalvaniseurInnen s<strong>in</strong>d Alchem<strong>ist</strong>Innen,<br />
<strong>die</strong> solange probieren, bis es geht, wie<br />
Selma Hansal bedauert. Und genau hier<br />
setzt ihr missionarischer Eifer e<strong>in</strong>.<br />
Geheimverfahren zur<br />
Metallhärtung<br />
Mit ihrer Firma „Happy Plat<strong>in</strong>g“ - der<br />
unkonventionelle Name kommt gerade<br />
im Ausland gut an - <strong>die</strong> sie vor drei<br />
Jahren geme<strong>in</strong>sam mit ihrem Mann und<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Kolleg<strong>in</strong> gegründet hat, konnte<br />
sie e<strong>in</strong> besonders effizientes und umweltschonendesGalvanisierungsverfahren<br />
entwickeln: „Pulse Plat<strong>in</strong>g“ lautet<br />
das Zauberwort. Beim Versuch, <strong>die</strong><br />
neue geniale Technik zu erklären, wird<br />
Selma Hansal reflexartig zur Vortragenden<br />
für Expertenpublikum: „Unser<br />
Prozess der modulierten Pulsstromabscheidung<br />
ermöglicht <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n homogeneren<br />
Metallaufbau, der <strong>die</strong> Haftung<br />
der Metallschichten optimiert, denn<br />
<strong>die</strong> modernen Gleichrichter können<br />
<strong>die</strong> Stromsignale sogar im Millisekundenbereich<br />
<strong>in</strong> erforderlicher Genauigkeit<br />
liefern.“ Fazit <strong>ist</strong> jedenfalls, dass<br />
das von Happy Plat<strong>in</strong>g entwickelte<br />
Verfahren den Galvanisierungs prozess<br />
schneller macht, Materialkosten<br />
e<strong>in</strong>sparen hilft und zu noch härteren<br />
sowie besser haftenden Metallüberzügen<br />
führt. Durch Pulse Plat<strong>in</strong>g<br />
unterliegt <strong>die</strong> Galvanik nicht mehr dem<br />
alchem<strong>ist</strong>ischen Zufallspr<strong>in</strong>zip, sondern<br />
hat sich zum High Tech Verfahren<br />
gemausert. Das kommt Zulieferern für<br />
„Erfolg bedeutet auch, e<strong>in</strong>mal mehr aufzustehen als<br />
h<strong>in</strong>zufallen. Man darf sich nie unterkriegen lassen,<br />
es wird alles nicht so heiß gegessen wie gekocht.“<br />
54 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie
<strong>die</strong> Automobil<strong>in</strong>dustrie gelegen, <strong>die</strong> zu<br />
Hansals besten KundInnen zählen. Sie<br />
wollen zum Beispiel <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Werkzeugteil<br />
herstellen, der 80.000 Stunden schleift<br />
oder bohrt, ohne zu verschleißen. Mit<br />
dem Happy Plat<strong>in</strong>g Verfahren, das<br />
<strong>in</strong> Lizenz vergeben wird, können <strong>die</strong><br />
Unternehmen den Zeitaufwand für das<br />
Herstellungsverfahren um bis zu zwei<br />
Drittel verkürzen. Ke<strong>in</strong> Wunder, dass<br />
<strong>die</strong> Nachfrage enorm <strong>ist</strong>.<br />
Raketenteile für den<br />
absoluten Nullpunkt<br />
Das niederösterreichische Unternehmen<br />
beliefert mittlerweile ganz<br />
Mittel- und Osteuropa und unterhält<br />
e<strong>in</strong> PartnerInnenlabor <strong>in</strong> den USA.<br />
Siebzig Prozent der Produktion <strong>ist</strong> für<br />
den Export bestimmt. Zu Selma Hansals<br />
Klientel zählt auch <strong>die</strong> europäische<br />
Weltraumforschung. Für <strong>die</strong>se besonderen<br />
KundInnen stellt sie beispielsweise<br />
Metallteile her, <strong>die</strong> auch nahe dem absoluten<br />
Nullpunkt nicht verschmelzen,<br />
„denn Metall kann nicht nur bei starker<br />
Hitze, sondern auch bei großer Kälte<br />
verschweißen“, weiht Selma Hansal <strong>in</strong><br />
<strong>die</strong> Geheimnisse der Raumfahrttechnik<br />
e<strong>in</strong>. Für ihre Erfolge hat <strong>die</strong> Elektrochemiker<strong>in</strong><br />
lange kämpfen müssen, denn<br />
vor der Firmengründung lief es für sie<br />
weniger glatt. Die aus <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Ärzt-<br />
Innenfamilie Stammende hat <strong>in</strong> Wien<br />
Biochemie stu<strong>die</strong>rt. Als sie im dritten<br />
Semester ihren technik orientierten<br />
Mann kennen lernte, erfolgte rasch der<br />
Schwenk zur Physikalischen Chemie,<br />
denn fortan<br />
g<strong>in</strong>gen beide geme<strong>in</strong>sam durchs<br />
Studium. In <strong>man</strong>chen Sem<strong>in</strong>aren war<br />
sie <strong>die</strong> e<strong>in</strong>zige Frau, „vor allem ältere<br />
Professoren hatten spürbare Hemmungen,<br />
mit mir <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n wissenschaftlichen<br />
Dialog zu führen“, schildert sie <strong>die</strong><br />
Hürden der Anfänge. Bei mündlichen<br />
Prüfungen musste sie beweisen, dass<br />
auch weibliche Gehirne wissenschaftstauglich<br />
s<strong>in</strong>d: „Ich hab oft noch <strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
Zusatzfrage bekommen, um sicher zu<br />
gehen, dass ich wirklich alles verstanden<br />
hab.“ Nach der Dissertation g<strong>in</strong>g<br />
<strong>die</strong> partnerschaftliche Zusammenarbeit<br />
mit ihrem Mann weiter: Beide heuerten<br />
<strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Forschungszentrum an, doch<br />
auch dort war <strong>die</strong> auf Gender basierende<br />
Ungleichbehandlung deutlich:<br />
Während ihr Ehe<strong>man</strong>n sofort mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r<br />
Projektleitung betraut wurde, zweifelten<br />
<strong>die</strong> Vorgesetzten an ihren Qualifikationen.<br />
Darf es auch Fachfrauen<br />
geben?<br />
Immer wieder musste sie um <strong>die</strong> Beibehaltung<br />
ihrer Projektleitung kämpfen:<br />
„Man war sich unsicher, ob ich mich<br />
durchsetzen kann.“ Das lag vor allem<br />
an ihrer von Teamge<strong>ist</strong> getragenen<br />
Geme<strong>in</strong>schaftsstrategie. „Ich wollte,<br />
dass k<strong>e<strong>in</strong>e</strong> und k<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r m<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r MitarbeiterInnen<br />
sich zurückgesetzt fühlt und<br />
gab jeder und jedem <strong>die</strong> Möglichkeit<br />
sich e<strong>in</strong>zubr<strong>in</strong>gen.“ So waren zwar alle<br />
motiviert und auch <strong>in</strong> Krisenzeiten<br />
leichter bei Laune zu halten. Für <strong>die</strong><br />
Unternehmensführung habe das jedoch<br />
so gewirkt, als ob Selma Hansal zuwenig<br />
Führungsqualität hätte. Trotz des<br />
sich letztendlich e<strong>in</strong>stellenden Erfolges<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong> schwierige Zeit. Ihr Fazit heute:<br />
„Nie <strong>die</strong> Kommunikation e<strong>in</strong>schlafen<br />
lassen. Me<strong>in</strong> Tipp an Frauen <strong>ist</strong>: Sprechen,<br />
sprechen, sprechen - das reißt<br />
alle Mauern nieder.“ Gerade als Frau<br />
müsse <strong>man</strong> sich oft dazu überw<strong>in</strong>den,<br />
gegenüber Vorgesetzen <strong>die</strong> eigenen<br />
Le<strong>ist</strong>ungen hervorzuheben, „aber es <strong>ist</strong><br />
e<strong>in</strong> Wunder, was dann alles zu bewegen<br />
<strong>ist</strong>.“ Auch bei Happy Plat<strong>in</strong>g macht<br />
sie mitunter <strong>die</strong> Erfahrung, dass <strong>die</strong><br />
KundInnen ihrem Ehe<strong>man</strong>n mehr Fachwissen<br />
zutrauen. „Wenn ich am Telefon<br />
etwas erkläre, sagen mir <strong>man</strong>che: Kann<br />
ich nicht doch lieber den Fach<strong>man</strong>n<br />
sprechen.“ Anfangs kränkten sie solche<br />
Erfahrungen, doch <strong>in</strong> der Zwischenzeit<br />
nimmt sie es mit Humor und sieht<br />
solche Gespräche als missionarische<br />
Herausforderung: „Heute macht es<br />
mir Spaß, gerade an solche Leute zu<br />
geraten, <strong>man</strong>che kann ich sogar davon<br />
überzeugen, dass auch <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Frau Expert<strong>in</strong><br />
se<strong>in</strong> darf.“<br />
55
„Am Bau <strong>ist</strong> e<strong>in</strong> gutes Klima des Vertrauens wichtig.“<br />
Barbara Hollerer<br />
Interview: Knoll&Szalai, Teresa Arrieta | September 2007<br />
Fotos: Kathar<strong>in</strong>a Gossow<br />
56 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie
Mikrokosmos Baustelle<br />
Die Architekt<strong>in</strong> Barbara Hollerer <strong>ist</strong><br />
e<strong>in</strong> log<strong>ist</strong>isches Ausnahmetalent,<br />
dirigiert Baustellen und weiß um <strong>die</strong><br />
speziellen Antennen von Frauen im<br />
Bauwesen.<br />
Die Fe<strong>in</strong>heit im Groben, das bege<strong>ist</strong>ert<br />
Barbara Hollerer: Wenn etwa e<strong>in</strong><br />
riesenhafter Kran punktgenau <strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
tonnenschwere Fassade versetzt, „das<br />
wird mich immer fasz<strong>in</strong>ieren, wie viel<br />
Präzision <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r so riesigen Masch<strong>in</strong>e<br />
steckt“, so <strong>die</strong> Architekt<strong>in</strong>. Barbara<br />
Ausbildung:<br />
Studium der Architektur an der<br />
technischen Universität Graz<br />
Position:<br />
Seit 2000 selbstständig mit dem<br />
„Architekturbüro Hollerer“<br />
Branche:<br />
Bauwesen<br />
Hollerer <strong>ist</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>, <strong>die</strong> gerne zupackt und<br />
koord<strong>in</strong>iert. Souverän bewegt sie sich<br />
auf Baustellen, wo sie oft als e<strong>in</strong>zige<br />
Frau werkende Männerhorden leitet.<br />
„Man lernt, sich durchzusetzen“, sagt<br />
sie nach fünfzehnjähriger Berufserfahrung.<br />
„Anfangs stelle ich immer<br />
e<strong>in</strong>deutig fest, wer das Sagen hat.“<br />
Sie hat sich jenes unmissverständliche<br />
Auftreten angeeignet, das notwendig<br />
<strong>ist</strong>, um ernst genommen zu werden.<br />
Solche Selbstsicherheit bedarf profunder<br />
handwerklicher Fach kenntnisse:<br />
Wann s<strong>in</strong>d <strong>die</strong> Hausanschlüsse herzustellen,<br />
wie s<strong>in</strong>d <strong>die</strong> Fugen auszubilden,<br />
wo muss der Fassadenbauteil abgedichtet<br />
werden. <strong>Es</strong> gilt, e<strong>in</strong> komplexes<br />
Netz <strong>in</strong>e<strong>in</strong>ander verwobener Tätigkeiten<br />
zu sp<strong>in</strong>nen, <strong>e<strong>in</strong>e</strong> klare Sprache<br />
zu ent wickeln, <strong>die</strong> gehört wird. <strong>Es</strong><br />
gilt relevante Informationen aus den<br />
Gesprächen mit Fachmännern herauszufiltern,<br />
jenen Moment zu erkennen,<br />
wo gesagt werden darf: „Ich weiß net,<br />
wie des funktioniert, machen´s ma an<br />
Vorschlag.“ Und trotzdem se<strong>in</strong> Gesicht<br />
dabei zu wahren. Denn „<strong>man</strong> büßt <strong>die</strong><br />
Autorität eher e<strong>in</strong>, wenn <strong>man</strong> behauptet,<br />
alles zu können“, weiß Barbara<br />
Hollerer. Baustellen zu leiten, das <strong>ist</strong><br />
57
„Mehr technische Unternehmer<strong>in</strong>nen<br />
täten der gesamten<br />
Branche gut!“<br />
e<strong>in</strong> ständiger Balanceakt zwischen<br />
Bestimmen und Kooperieren, <strong>die</strong><br />
unsichtbaren Fäden laufen jedoch stets<br />
bei der Architekt<strong>in</strong> zusammen. „Ich<br />
muss kommunikativ se<strong>in</strong> und Antennen<br />
dafür haben, dass <strong>man</strong>che Probleme<br />
vor Ort außerhalb m<strong>e<strong>in</strong>e</strong>s E<strong>in</strong>flussbereiches<br />
liegen.“ Am Bau herrschen<br />
viele unausgesprochene Regeln, e<strong>in</strong><br />
eigener Mikrokosmos mit s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Krisen,<br />
aber auch Momente des geme<strong>in</strong>samen<br />
Triumphes. „Diese Spannung, wenn<br />
langsam e<strong>in</strong> Gebäude entsteht, das hat<br />
so <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Fasz<strong>in</strong>ation, dass <strong>man</strong> darüber<br />
<strong>die</strong> Ängste vor dem Job vergisst.“<br />
Aufgaben an sich reißen<br />
Die <strong>in</strong> Kapfenberg Aufgewachsene hat<br />
<strong>in</strong> Graz an der Technischen Universität<br />
Architektur stu<strong>die</strong>rt. Schon während<br />
des Studiums arbeitete sie <strong>in</strong>tensiv<br />
<strong>in</strong> Architekturbüros mit. Nach ihrem<br />
Abschluss ass<strong>ist</strong>ierte sie bei der Ausführungsplanung<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Krankenhauses,<br />
wo sie am Baustellengeschehen vom<br />
ersten Spatenstich an mit dabei war.<br />
„Dort hab ich <strong>die</strong> Umsetzung hautnah<br />
miterlebt. Ich hab nicht e<strong>in</strong>sam vor<br />
mich h<strong>in</strong>geplant, sondern war mit<br />
NutzerInnen, F<strong>in</strong>anciers und Fr<strong>ist</strong>en<br />
konfrontiert, da geht es ans E<strong>in</strong>gemachte.“<br />
Damals hat Barbara Hollerer<br />
ihr Organisations talent erkannt: „Ich<br />
reiße gerne D<strong>in</strong>ge an mich und gebe<br />
nichts mehr ab.“ Bei ihrem nächsten<br />
Arbeitgeber übernahm <strong>die</strong> Ehrgeizige<br />
dann örtliche Bauaufsichten. E<strong>in</strong><br />
ungewöhnlicher Weg für <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Architekt<strong>in</strong>.<br />
„Die me<strong>ist</strong>en BerufskollegInnen<br />
bleiben <strong>in</strong> ihrer Planungsecke stecken.<br />
Ich h<strong>in</strong>gegen wildere <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Bereich,<br />
der normalerweise von Technikern<br />
abgedeckt wird.“ Doch am Bau sollte<br />
es viel mehr ArchitektInnen geben,<br />
bef<strong>in</strong>det Hollerer. Denn als gelernte<br />
Planer<strong>in</strong> verstehe <strong>man</strong> <strong>die</strong> Sprache<br />
58 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie
der Entwürfe am besten: „Ich kann<br />
aus Plänen ablesen, was je<strong>man</strong>d mit<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m bestimmten Detail ausdrücken<br />
möchte.“ Für <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Baume<strong>ist</strong>er sei das<br />
nicht so selbstverständlich, beim architektonischen<br />
Entwerfen h<strong>in</strong>gegen wird<br />
das Denken auf das fertige Bild <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s<br />
Gebäudes geschult, auf <strong>die</strong> Stimmung,<br />
auf <strong>die</strong> räumliche Wirkung.<br />
Mehr Frauen am Bau<br />
Im Jahr 2000 machte sich <strong>die</strong> Architekt<strong>in</strong><br />
mit dem „Architekturbüro Hollerer“<br />
<strong>in</strong> Graz selbstständig. Ihr Schwerpunkt<br />
<strong>ist</strong> weiterh<strong>in</strong> Bauleitung und Baustellenlog<strong>ist</strong>ik,<br />
sie <strong>ist</strong> spezialisiert auf<br />
den Umbau von Krankenanstalten und<br />
mediz<strong>in</strong>ischen E<strong>in</strong>richtungen, sowie<br />
auf Sanierungen bei laufendem Betrieb.<br />
Die Vorbereitung für <strong>die</strong> Aussiedlung<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Gebäudetraktes wird mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m<br />
Jahr Vorlauf angesetzt, um fließende<br />
Übergänge zu gewährle<strong>ist</strong>en. Neben<br />
öffentlichen Aufträgen übernimmt <strong>die</strong><br />
Unternehmer<strong>in</strong> mit ihren <strong>in</strong>sgesamt<br />
drei Angestellten auch Planungen und<br />
Ausschreibungen für private Haus-,<br />
Wohnungs- und Geschäftsumbauten.<br />
Als <strong>e<strong>in</strong>e</strong> der wenigen Frauen unter lauter<br />
Bau<strong>in</strong>genieuren, Handwerkern und<br />
Architekten hatte Barbara Hollerer sich<br />
nie benachteiligt gefühlt. „Vielleicht<br />
hab ich <strong>die</strong>sbezügliche Wahrnehmungen<br />
negiert.“ Immerh<strong>in</strong> engagiert sie sich<br />
seit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Jahr <strong>in</strong>nerhalb der Archtekt-<br />
Innenkammer im Ausschuss der Ziviltechniker<strong>in</strong>nen,<br />
denn klar <strong>ist</strong>, dass es zu<br />
wenige selbstständige Architekt<strong>in</strong>nen<br />
gibt. „Die Stu<strong>die</strong>nabsolvent<strong>in</strong>nen verschw<strong>in</strong>den<br />
<strong>in</strong> den Büros oder zu Hause“.<br />
Derzeit f<strong>in</strong>det <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Berufsrechtsreform<br />
statt, wo das ZiviltechnikerInnen-<br />
Gesetz auch auf Ungleichbehandlungen<br />
von Frauen h<strong>in</strong> durchforstet wird: „Wir<br />
s<strong>in</strong>d darauf gekommen, dass Frauen,<br />
wenn sie nur halbtags arbeiten, ihre<br />
Praxiszeiten für <strong>die</strong> ZiviltechnikerInnen-<br />
Prüfung nicht zusammenbr<strong>in</strong>gen“,<br />
schildert Hollerer erste Resultate, auch<br />
<strong>die</strong> Karenzregelungen seien unbefriedigend.<br />
Insgesamt bedauert sie, dass<br />
es zu wenige weibliche Vorbilder im<br />
Bereich des Bau- und Planungswesens<br />
gibt. E<strong>in</strong> Grund mehr für Hollerer, sich<br />
nun selbst als Role-Model zu engagieren.<br />
Vor <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Jahr hat sie geme<strong>in</strong>sam<br />
mit Kolleg<strong>in</strong>nen über ihre Kammer<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Folder mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r L<strong>ist</strong>e aller Ziviltechniker<strong>in</strong>nen<br />
<strong>in</strong> der Steiermark und<br />
<strong>in</strong> Kärnten konzipiert und an sämtliche<br />
Geme<strong>in</strong>den verschickt. „Wir haben<br />
achtzig Frauen, <strong>die</strong> <strong>in</strong> verschiedensten<br />
bautechnischen Gebieten arbeiten“,<br />
wollten sie als Interessensvertretung<br />
damit deutlich machen. In Zukunft will<br />
ihr Ausschuss u. a. verstärkt mit den<br />
technischen Universitäten zusammenarbeiten,<br />
damit <strong>die</strong> Student<strong>in</strong>nen <strong>die</strong><br />
Perspektive Selbstständigkeit im Kopf<br />
behalten. „Um jenen, <strong>die</strong> sagen, es<br />
gibt k<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Frauen, <strong>die</strong> wir beauftragen<br />
können, den W<strong>in</strong>d aus den Segeln zu<br />
nehmen!“<br />
59
Jutta Isopp<br />
„Der Wiedererkennungswert als Frau <strong>die</strong>nt auch dem<br />
Erfolg <strong>in</strong> m<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Beruf.“<br />
Interview: Knoll&Szalai, Teresa Arrieta | September 2007<br />
Fotos: Nora Friedel<br />
60 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie
Die Masch<strong>in</strong>endoktor<strong>in</strong><br />
Jutta Isopp ergründet das Innenleben<br />
von Masch<strong>in</strong>en, leitet <strong>e<strong>in</strong>e</strong> boomende<br />
Firma und sucht beim Imkern<br />
Zuflucht vor dem Alltagsstress.<br />
Gestern war es wieder e<strong>in</strong>mal soweit:<br />
<strong>die</strong> 25 Tonnen schwere Papiermasch<strong>in</strong>e<br />
vibrierte und war nicht mehr zu beruhigen.<br />
Sogleich war das Team der Firma<br />
Messtechnik zur Stelle. Sie hörten ab,<br />
untersuchten, nahmen ause<strong>in</strong>ander und<br />
bauten wieder zusammen. Diagnose<br />
und Therapie standen rasch fest. „Man<br />
Ausbildung:<br />
HTL für Elektrotechnik<br />
Studium Wirtschafts<strong>in</strong>genieurwesen/<br />
Masch<strong>in</strong>enbau an der Technischen<br />
Universität Graz<br />
Position:<br />
Firma Messfeld GesmbH seit 2006<br />
Branche:<br />
Condition Monitor<strong>in</strong>g und<br />
Industrielle Messtechnik<br />
nennt uns <strong>die</strong> Masch<strong>in</strong>endoktorInnen“,<br />
sagt Firmenleiter<strong>in</strong> Jutta Isopp. <strong>Es</strong> gibt<br />
<strong>die</strong> HausärztInnen <strong>in</strong> der Firma, das <strong>ist</strong><br />
<strong>die</strong> Abteilung für Instandhaltung, sie<br />
<strong>ist</strong> zuständig für laufende Inspektionen,<br />
Wartung und Reparaturen. Wenn<br />
<strong>die</strong>se Abteilung nicht mehr weiter<br />
weiß, wenn etwa zu starke Vibrationen<br />
auftreten oder zu hohe Temperaturen,<br />
werden <strong>die</strong> FachärztInnen zu Hilfe<br />
gerufen, das <strong>ist</strong> <strong>die</strong> Firma Messfeld.<br />
Jutta Isopp und ihr Team verfügen<br />
über hochqualifiziertes Fachwissen<br />
im Bereich der Schw<strong>in</strong>gungstechnik,<br />
Thermografie, Ausrichtung oder<br />
auch Wuchtung. Ihre Expertise wird<br />
<strong>in</strong> unterschiedlichsten Industriezweigen<br />
benötigt: Die Messfeld GesmbH<br />
besucht Stahlunternehmen ebenso<br />
wie AutospiegelherstellerInnen, auch<br />
Siemens zählt zu Isopps ständigen<br />
KundInnen. Mittlerweile wird das Team<br />
bis nach Slowenien und Norditalien engagiert,<br />
denn <strong>in</strong> technischen Branchen<br />
s<strong>in</strong>d Stehzeiten sehr teuer, deswegen<br />
<strong>ist</strong> promptes Handeln gefragt. „Ich<br />
liebe es das Innenleben <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Masch<strong>in</strong>e<br />
zu erkunden“, zeigt sich <strong>die</strong> Unternehmer<strong>in</strong><br />
von ihrem Job bege<strong>ist</strong>ert.<br />
„Man bekommt <strong>die</strong> unterschiedlichsten<br />
61
An lagen zu Gesicht. Wenn ich mich<br />
vor Ort an der Problemstelle bef<strong>in</strong>de,<br />
kommuniziere ich mit Mensch und<br />
Masch<strong>in</strong>e zugleich.“<br />
Schwierige Stu<strong>die</strong>nzeit,<br />
erfolgreicher Jobe<strong>in</strong>stieg<br />
Jutta Isopps technisches Talent<br />
zeichnete sich früh ab: Bereits <strong>in</strong> der<br />
Schule <strong>in</strong>teressierte sich <strong>die</strong> gebürtige<br />
„St<strong>e<strong>in</strong>e</strong> im Weg gibt es immer, sie s<strong>in</strong>d aber da um weggeräumt zu<br />
werden. Die Art und Weise, wie <strong>die</strong>se weggeräumt werden, <strong>ist</strong> der<br />
persönliche Weg, den <strong>man</strong> als Unternehmer<strong>in</strong> frei gehen kann.“<br />
Kärntner<strong>in</strong> für Mathe und Naturwissenschaften,<br />
später absolvierte sie <strong>in</strong><br />
Klagenfurt <strong>e<strong>in</strong>e</strong> HTL für Elektrotechnik.<br />
Als <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s der wenigen Mädchen stand<br />
sie dort unter Beobachtung und hatte<br />
das Gefühl sich ständig beweisen zu<br />
müssen: „Die Wettbewerbssituation <strong>ist</strong><br />
hoch, das hat m<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Ehrgeiz geschürt.“<br />
Danach folgte der E<strong>in</strong>stieg <strong>in</strong><br />
<strong>die</strong> Berufswelt, auf Montage und Konstruktion,<br />
anfängliche Hürden me<strong>ist</strong>erte<br />
sie souverän. „Nach dem ersten halben<br />
Jahr hatte ich als Frau k<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Akzeptanzprobleme<br />
mehr.“ Schwieriger wurde<br />
es, als sie nach sechs arbeits reichen<br />
Jahren beschloss, an der technischen<br />
Universität Graz Wirtschafts<strong>in</strong>genieurwesen<br />
für Masch<strong>in</strong>enbau zu stu<strong>die</strong>ren,<br />
um sich neue berufliche Perspektiven<br />
zu erschließen. „Die Wettbewerbssituation<br />
dort war extrem, als Frau b<strong>in</strong> ich<br />
überall rausgestochen.“ Noch dazu war<br />
Jutta Isopp e<strong>in</strong>ige Jahre älter als ihre<br />
MitstudentInnen, verheiratet und hatte<br />
62 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie
gerade e<strong>in</strong> Baby bekommen. „Ich hab<br />
oft polarisiert: Wenn ich <strong>e<strong>in</strong>e</strong> supergute<br />
Note bekommen hab, dann <strong>ist</strong><br />
sie mir geschenkt worden. Bekam ich<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong> schlechte, dann war ich nicht gut<br />
genug. E<strong>in</strong> Mittelmaß gab es kaum.“ Ihr<br />
Mann war ihr <strong>in</strong> <strong>die</strong>ser schwierigen Zeit<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong> wichtige Stütze. Nach dem Diplom<br />
g<strong>in</strong>g <strong>die</strong> frischgebackene Ingenieur<strong>in</strong><br />
zum Wälzlagerhersteller Schäffler, wo<br />
sie <strong>die</strong> Abteilung für den technischen<br />
Service und Condition Monitor<strong>in</strong>g<br />
aufbaute: Sie erhob Masch<strong>in</strong>en-Messdaten<br />
über längere Zeiträume und zog<br />
daraus Rückschlüsse für den optimalen<br />
Zeitpunkt vorbeugender Instandhaltungsmaßnahmen.<br />
„Dort b<strong>in</strong> ich als<br />
e<strong>in</strong>zige Frau sehr positiv aufgenommen<br />
worden, auch bei den KundInnen.“<br />
Firmenchef<strong>in</strong> und Lehrer<strong>in</strong><br />
Der Sprung <strong>in</strong> <strong>die</strong> Selbstständigkeit erfolgte,<br />
als sich bei ihr und ihrem Mann<br />
der Wunsch verfestigte, <strong>in</strong> <strong>die</strong> Kärntner<br />
Heimat zurückzukehren und nahe des<br />
Wörthersees sesshaft zu werden. Das<br />
Kärntner GründerInnenzentrum „Build“<br />
war dabei <strong>e<strong>in</strong>e</strong> große Hilfe. Isopp<br />
gründete 2006 ihre Firma Messfeld,<br />
mit durchschlagendem Erfolg: Innerhalb<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Jahres entwickelte sich das<br />
E<strong>in</strong>zelunternehmen zu <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r GmbH, e<strong>in</strong><br />
Techniker und <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Sekretär<strong>in</strong> wurden<br />
e<strong>in</strong>gestellt. „Wir s<strong>in</strong>d ke<strong>in</strong> typisches<br />
technisches Büro, sondern e<strong>in</strong> Industrie<br />
<strong>die</strong>nstle<strong>ist</strong>er“, erklärt <strong>die</strong> Jungunternehmer<strong>in</strong>.<br />
Wir unterstützen Instandhaltung<br />
im Bereich des Condition<br />
Monitor<strong>in</strong>g, vom Engeneer<strong>in</strong>g bis zur<br />
Implementierung und Betrieb machen<br />
wir hier alles. Der Fokus liegt vor allem<br />
auf der Schw<strong>in</strong>gungsmesstechnik.<br />
Unser Kern<strong>in</strong>teresse <strong>ist</strong>, Probleme im<br />
Bereich der Instandhaltung zu lösen.“<br />
Sie hat großen Spaß an ihrer neuen<br />
Selbstständigkeit. Die neu gewon nenen<br />
Entfaltungsmöglichkeiten und das<br />
eigenverantwortliche Tun liegen der<br />
self-made-Chef<strong>in</strong>, <strong>die</strong> „unrunderen<br />
Arbeitszeiten“ seien Vorteil und Nachteil<br />
zugleich.<br />
Ruhe bei den Bienen f<strong>in</strong>den<br />
Ihr zweites Standbe<strong>in</strong> <strong>ist</strong> <strong>die</strong> Lehre:<br />
Jutta Isopp lehrt Masch<strong>in</strong>endiagnose<br />
an der Grazer Fachhochschule für<br />
Wirtschaft. Im Stu<strong>die</strong>ngang Automatisierungstechnik<br />
an der Fachhochschule<br />
Kärnten arbeitet sie derzeit bei der<br />
Entwicklung neuer Stu<strong>die</strong>ngänge mit.<br />
Sie legt viel Wert auf <strong>die</strong> fachliche<br />
Weiterbildung der Instandhaltungsbranche:<br />
„Ich lehre wahns<strong>in</strong>nig gern,<br />
angesichts des FacharbeiterInnen<strong>man</strong>gels,<br />
auch im Instandhaltungsbereich,<br />
<strong>ist</strong> es mir e<strong>in</strong> großes Anliegen, dass <strong>die</strong><br />
Ausbildung voran getrieben wird.“ Das<br />
schlechte Image der InstandhalterInnen<br />
sei derzeit im positiven Wandel: „E<strong>in</strong><br />
Instandhalter <strong>ist</strong> e<strong>in</strong> Wunderwuzi, e<strong>in</strong><br />
Allrounder mit sehr breitem Wissen.<br />
Effiziente Instandhaltung <strong>ist</strong> e<strong>in</strong> enormer<br />
Gew<strong>in</strong>n für e<strong>in</strong> Unternehmen, das<br />
muss <strong>man</strong> <strong>in</strong> Zukunft den Firmen besser<br />
kommunizieren.“ Doch <strong>die</strong> Vielseitige<br />
hat noch weitere Interessen: Für ihren<br />
privaten Ausgleich hat sie <strong>die</strong> Imkerei<br />
entdeckt und ihrem gründlichen Wesen<br />
entsprechend absolviert sie derzeit<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong> ImkerInnen-Fachausbildung. In<br />
ihrem Tentschacher Haus am Rande<br />
von Klagenfurt steht seit zwei Jahren<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Reihe Bienenstöcke, <strong>die</strong> jedes<br />
Jahr länger wird. Beim Imkern gilt es,<br />
völlige Ruhe zu bewahren. „Ich b<strong>in</strong><br />
sehr impulsiv und unruhig, doch das<br />
verzeihen <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Bienen nicht. Wenn<br />
<strong>man</strong> den Bienenstock öffnet und Hektik<br />
ausstrahlt, stechen sie.“ Übers Imkern<br />
hat sich <strong>die</strong> „tausend Volt-Frau“ Ruhe<br />
und Gelassen heit angeeignet. „<strong>Es</strong> <strong>ist</strong><br />
fasz<strong>in</strong>ierend, zu beobachten, wie sich<br />
e<strong>in</strong> Bienenvolk entwickelt. Diese w<strong>in</strong>zigen<br />
Tiere le<strong>ist</strong>en Unglaubliches.“<br />
63
Erika Jensen-Jarolim<br />
Interview: Teresa Arrieta | März 2007<br />
„Ich hab viel zu lange gewartet, dass ich belohnt und<br />
gesehen werde: So, ich war e<strong>in</strong> braves Mädchen, jetzt<br />
muss <strong>die</strong> Belohnung kommen - aber das funktioniert<br />
nicht so. Männer s<strong>in</strong>d da viel offensiver.“<br />
Fotos: Kathar<strong>in</strong>a Gossow<br />
64 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie
Sich <strong>in</strong>s Licht stellen, gegen<br />
den Strom schwimmen<br />
Die Top-Allergolog<strong>in</strong> Erika Jensen-<br />
Jarolim fördert Frauen mit großem<br />
Engagement, forscht erfolgreich<br />
abseits des Ma<strong>in</strong>streams und entwickelt<br />
Impfungen gegen Allergien<br />
und Krebs.<br />
„Am selben Tag, an dem ich <strong>die</strong><br />
Professur bekam, hab ich im Club der<br />
Professor<strong>in</strong>nen angerufen, um dort aufgenommen<br />
zu werden. Denn nur von<br />
Ausbildung:<br />
Mediz<strong>in</strong>studium, Mediz<strong>in</strong>ische<br />
Universität Wien<br />
Position:<br />
Professur und Leiter<strong>in</strong> des Institutes<br />
für Pathophysiologie, Mediz<strong>in</strong>ische<br />
Universität Wien<br />
Wissenschaftsdiszipl<strong>in</strong>:<br />
Hu<strong>man</strong>mediz<strong>in</strong><br />
<strong>die</strong>ser Ebene aus kann <strong>man</strong> dann aktiv<br />
<strong>die</strong> vielen weiblichen Talente nach<br />
oben holen.“ Erika Jensen-Jarolim <strong>ist</strong><br />
nicht nur zielstrebig, sondern spricht<br />
Unterschiede zwischen Männer- und<br />
Frauenkarrieren sofort an: „Männer<br />
werden automatisch besser gefördert,<br />
Frauen häufiger zur Infrastrukturerhaltung<br />
e<strong>in</strong>gesetzt. Informationsflüsse<br />
zwischen Männern funktionieren<br />
besser, weibliche Netzwerke müssen<br />
h<strong>in</strong>gegen erst ausgebaut werden.“<br />
Gelassen und ohne Vorwurf schildert<br />
<strong>die</strong> Allergolog<strong>in</strong> Ungleichbehandlungen<br />
- und <strong>die</strong>se unprätentiöse Haltung,<br />
gepaart mit sozialem E<strong>in</strong>fühlungsvermögen,<br />
<strong>ist</strong> neben den wissenschaftlichen<br />
Qualifikationen wohl <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s<br />
ihrer Erfolgsgeheimnisse. E<strong>in</strong>e Bilderbuchkarriere<br />
hat <strong>die</strong> mit Juli 2006 zur<br />
Leiter<strong>in</strong> des Universitäts<strong>in</strong>stitutes für<br />
Pathophysiologie Gekürte h<strong>in</strong>gelegt.<br />
Nach vierjähriger Karenzzeit konnte<br />
sie den k<strong>in</strong>derbed<strong>in</strong>gten Karriereknick<br />
<strong>in</strong>nerhalb kürzester Zeit aufholen und<br />
sich <strong>in</strong>nerhalb von weiteren vier Jahren<br />
habilitieren. Nach dem Wiedere<strong>in</strong>stieg<br />
wurde ihr Zeit<strong>man</strong>agement effizienter.<br />
65
Die Topforscher<strong>in</strong> lernte sich mehr <strong>in</strong>s<br />
Licht zu stellen, kündigte ihre wissenschaftlichen<br />
Vorträge aktiver an und<br />
suchte sich kühn <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Mentor für <strong>die</strong><br />
Habil zu Zeiten, wo offizielle Mentor<strong>in</strong>gprogramme<br />
noch <strong>in</strong> amerikanischen<br />
Fernen lagen.<br />
„Man muss sich trauen, gegen den Strom zu schwimmen, auch wenn es nicht<br />
dem Lehrbuch entspricht. Wissenschaftliche Diskussion kommt nur zustande,<br />
wenn es unterschiedliche Me<strong>in</strong>ungen gibt. Mir macht es Spaß, zu polarisieren“<br />
Provokante Wissenschaft<br />
Der Förderer lehrte sie, wie <strong>man</strong> sich<br />
im Zuge des Habilitationsvortrags am<br />
besten präsentiert, wie <strong>man</strong> Fragen<br />
vorbereitet und zu erkunden, wer<br />
anwesend se<strong>in</strong> wird. „Denn das Drum-<br />
herum <strong>ist</strong> m<strong>in</strong>destens ebenso wichtig<br />
wie <strong>die</strong> harten Fakten“, wie Jensen-<br />
Jarolim von ihrem Mentor erfuhr. Im<br />
Rückblick ärgert sie sich trotzdem über<br />
typisch weibliche Angepasstheit: „Für<br />
<strong>die</strong> Habil hab ich zu lange auf das ‚Ok‘<br />
m<strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Chefs gewartet - ich hätte<br />
66 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie
es schon früher machen sollen, denn<br />
ich hatte m<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Habil-Kriterien schon<br />
lange erreicht. Manche Herren haben<br />
früher e<strong>in</strong>gereicht.“ Die Professur<br />
habe natürlich ihren Status verbessert,<br />
„<strong>man</strong> wird wichtiger genommen <strong>in</strong><br />
den Sitzungen“, aber nun war auch e<strong>in</strong><br />
<strong>Rolle</strong>nwechsel angesagt:„Weniger blutrünstig<br />
für <strong>die</strong> eigene Karriere kämpfen,<br />
danach trachten, e<strong>in</strong> Team heranzubilden,<br />
das das eigene Lebenspr<strong>in</strong>zip und<br />
<strong>die</strong> wissenschaftliche Ethik nach außen<br />
weiter trägt.“ Denn <strong>die</strong> E<strong>in</strong>zelkämpfer-<br />
ProfessorInnen sterben e<strong>in</strong>sam und<br />
br<strong>in</strong>gen auch k<strong>e<strong>in</strong>e</strong> erfolgreichen SchülerInnen<br />
hervor, wie <strong>die</strong> Allergolog<strong>in</strong><br />
beobachtet hat. Ihre wissenschaftliche<br />
Ethik kann sie klar umreißen: „Gegen<br />
den Strom schwimmen, gesichertes<br />
Wissen h<strong>in</strong>terfragen.“ Geprägt hat<br />
sie dabei ihr Schweizer Lehrer Beda<br />
Stadler, charismatischer Querdenker,<br />
Allergologe und Genforscher. „Er hat<br />
mir Mut gemacht, Forschungswege<br />
gegen den Ma<strong>in</strong>stream zu beschreiten.<br />
Man muss provokante Neuigkeiten<br />
hartnäckig verbreiten. Das macht es<br />
so spannend, deswegen arbeite ich so<br />
gerne.“<br />
Wissenschaft auf Augenhöhe<br />
Durch konsequentes Querdenken konnte<br />
Jensen-Jarolim etwa beweisen, dass<br />
magensäurem<strong>in</strong>dernde Medikamente<br />
Nahrungsmittelallergien auslösen<br />
können, „weil <strong>die</strong>se Medikamente <strong>die</strong><br />
Prote<strong>in</strong>verdauung bee<strong>in</strong>trächtigen und<br />
sich dadurch allergieauslösende IgE<br />
Antikörper bilden können.“ Damals<br />
habe sie viele böse Briefe von Pharmafirmen<br />
bekommen, denn Magensäure-<br />
neutralisatoren oder -<strong>in</strong>hibitoren zählen<br />
zu den Bestsellern der Pharma<strong>in</strong>dustrie.<br />
„Ich hätte zu <strong>die</strong>sem Zeitpunkt Angst<br />
bekommen und aufhören können.“<br />
Stattdessen schob sie immer mehr harte<br />
Fakten nach, bis der wissenschaftliche<br />
Durchbruch gelang. Heute wird sie mit<br />
ihrem Team zu Kongressen und Reviews<br />
e<strong>in</strong>geladen, um ihre Erkenntnisse<br />
darzulegen. Auch, nachdem ihr <strong>die</strong> Institutsleitung<br />
übertragen wurde, <strong>ist</strong> sie<br />
ihrer Ethik, <strong>die</strong> sie auch „Wissenschaft<br />
auf Augenhöhe“ nennt, treu geblieben<br />
– hat das gesamte Institut auf den Kopf<br />
gestellt und Hierarchien konsequent<br />
durchbrochen : Statt der halbjährlichen<br />
strengen Institutskonferenzen gibt es<br />
nun monatliche Sitzungen mit allen<br />
ArbeitsgruppenleiterInnen. „Da s<strong>in</strong>d<br />
sehr viele Frauen dabei, <strong>die</strong> vorher nicht<br />
gehört wurden. Mir <strong>ist</strong> ganz wichtig,<br />
dass ich <strong>die</strong> Fühler nach unten ausstrecke<br />
um Stimmungen mitzubekommen.“<br />
E<strong>in</strong> bisschen kämpft sie noch mit der<br />
Tatsache, dass <strong>die</strong> vielen Frauen oft<br />
erst nach Sitzungsende ihre Me<strong>in</strong>ung<br />
kundtun. Doch langsam lockert sich<br />
das Klima, „<strong>die</strong> Leute sehen, dass sie<br />
nun mitgestalten können.“ Als weiteren<br />
Schritt hat Jensen-Jarolim <strong>die</strong> f<strong>in</strong>anzielle<br />
Gebarung des Institutes offen gelegt.<br />
Transparenz bis zur Schmerzgrenze wie<br />
sie sagt, denn ihr <strong>ist</strong> wichtig, dass <strong>die</strong><br />
Mittel gleichwertig und offen verteilt<br />
werden.<br />
Impfung gegen Krebs<br />
E<strong>in</strong> anstrengendes Jahr hat <strong>die</strong> neue<br />
Institutsleiter<strong>in</strong> h<strong>in</strong>ter sich, aber „<strong>man</strong><br />
hat dann irgendwann <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Mission“,<br />
und <strong>die</strong>se liegt neben den wissen-<br />
schaftlichen Zielsetzungen <strong>in</strong> ihrem<br />
hartnäckigen E<strong>in</strong>satz für Frauengleichbehandlung:<br />
Vergangenes Jahr nahm<br />
<strong>die</strong> Forscher<strong>in</strong> am Frauenmentor<strong>in</strong>g<br />
Programm der Mediz<strong>in</strong>ischen Universität<br />
Wien teil, wo sie gleich fünf<br />
Mentees übernahm. Dabei konnte sie<br />
erstaunliche Strategieunterschiede beobachten,<br />
denn auch männliche Kollegen<br />
waren unter den MentorInnen: „Die<br />
Männer sahen ihre Aufgabe vor allem<br />
dar<strong>in</strong>, ihre Mentees <strong>in</strong> <strong>die</strong> Seilschaften<br />
und Lagerbildungen e<strong>in</strong>zuweihen. Die<br />
Mentor<strong>in</strong>nen h<strong>in</strong>gegen haben an den<br />
konkreten Defiziten der Betreffenden<br />
gearbeitet: Internetpräsenz, Auftreten,<br />
Kommunikationstechnik.“ Der nächste<br />
Karriereschritt kündigt sich bei der<br />
Umtriebigen bereits an: Seit 2000 <strong>ist</strong><br />
Erika Jensen-Jarolim als Erf<strong>in</strong>der<strong>in</strong><br />
an zahlreichen Patentanmeldungen<br />
für Impfungen gegen Allergien sowie<br />
Krebstumoren beteiligt. Sie hatte im<br />
Zuge ihrer Untersuchungen entdeckt,<br />
dass das körpereigene Eiweiss IgE, das<br />
Allergien auslöst, gleichzeitig auch zur<br />
Rückbildung von Tumoren beiträgt.<br />
Verwegen führte sie Allergologie und<br />
Onkologie zusammen – zwei Diszipl<strong>in</strong>en,<br />
<strong>die</strong> noch nie Austausch pflegten,<br />
und entwickelte <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Tumorimpfung<br />
auf Basis von IgE Antikörpern. Auf<br />
Basis <strong>die</strong>ser Erkenntnisse organisiert<br />
sie nun auch das welterste allergo-onkologische<br />
Symposium. Darüber h<strong>in</strong>aus<br />
<strong>ist</strong> für Ende 2007 geplant, <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r<br />
Kooperation krebskranke Hunde auf der<br />
veter<strong>in</strong>ärmediz<strong>in</strong>ischen Universität mit<br />
ihrer Tumorimpfung zu behandeln, als<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Mensch - Tier Vergleichsstu<strong>die</strong> und<br />
nicht als Tierversuch: Ebenfalls <strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
<strong>in</strong>novative und ungewöhnliche Wissenschaftsmethode.<br />
67
Sab<strong>in</strong>e Kern<br />
Interview: Anita Zieher | August 2005<br />
„Wie e<strong>in</strong> Geschenk des Himmels.“<br />
Fotos: Kathar<strong>in</strong>a Gossow<br />
68 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie
E<strong>in</strong> erfrischendes Blau durchzieht<br />
<strong>die</strong> Büroräume von Interl<strong>in</strong>gua. „Ich<br />
habe <strong>die</strong> Farbe e<strong>in</strong>fach im Baumarkt<br />
ausgesucht. Später hat mir dann mal<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Farbpsycholog<strong>in</strong> erklärt, dass<br />
<strong>die</strong> Farbe für Kommunikation steht“,<br />
erzählt Sab<strong>in</strong>e Kern. Erfrischend wie <strong>die</strong><br />
Farbe <strong>ist</strong> auch <strong>die</strong> Art, wie sie über ihr<br />
Unternehmen, <strong>die</strong> MitarbeiterInnen und<br />
KundInnen spricht. Mit Kommunikation<br />
hat sie als Chef<strong>in</strong> der Übersetzungsfirma<br />
Interl<strong>in</strong>gua klarerweise viel zu tun.<br />
Auch wenn sie sich bei der Wahl der<br />
Wandfarbe ihres Büros von ihrer<br />
Ausbildung:<br />
Studium der Ro<strong>man</strong><strong>ist</strong>ik, Publiz<strong>ist</strong>ik-<br />
und Kommunikationswissenschaften an<br />
der Universität Wien<br />
Position:<br />
Geschäftsführende Gesellschafter<strong>in</strong><br />
von Interl<strong>in</strong>gua<br />
Branche:<br />
Übersetzungen und Dolmetschen<br />
Intuition leiten ließ, bei der Entscheidung,<br />
das Unternehmen zu übernehmen,<br />
hat sie vorher doch sehr genau<br />
<strong>die</strong> Für und Wider abgewogen. Im Jahr<br />
2002 hatten Bekannte ihrem Mann,<br />
der sich selbständig machen wollte,<br />
Interl<strong>in</strong>gua zum Kauf angeboten. „Er<br />
hatte zu <strong>die</strong>sem Zeitpunkt aber bereits<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong> eigene Firma gefunden. Und da<br />
haben sich plötzlich alle Blicke <strong>in</strong> der<br />
Runde auf mich konzentriert“, erzählt<br />
Sab<strong>in</strong>e Kern. Durch ihr Studium der<br />
Ro<strong>man</strong><strong>ist</strong>ik, Publiz<strong>ist</strong>ik und Kommunikationswissenschaften<br />
und zehn<br />
Jahre Auslandsaufenthalte war ihr das<br />
Thema Sprache sehr vertraut und <strong>die</strong><br />
Über nahme <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Übersetzungsfirma<br />
erschien naheliegend. Der wachsende<br />
Übersetzungsmarkt und das gute Netz<br />
mit PartnerInnenbüros <strong>in</strong> anderen<br />
Ländern, das ihr Vorgänger aufgebaut<br />
hatte, gaben ihr das Vertrauen <strong>in</strong> <strong>die</strong><br />
Erfolgschancen der Firma. Dass sie ihre<br />
Entscheidung nicht bereut hat, <strong>ist</strong> der<br />
Bege<strong>ist</strong>erung anzumerken, mit der sie<br />
über ihre Aufgaben spricht: über <strong>die</strong><br />
Arbeit mit den KundInnen, denen sie<br />
<strong>die</strong> Sicherheit vermitteln will, dass sie<br />
ihre Probleme rechtzeitig lösen wird<br />
und über ihr Bemühen dafür zu sorgen,<br />
69
dass sich <strong>die</strong> sechs MitarbeiterInnen,<br />
<strong>die</strong> seit der ersten Stunde dabei s<strong>in</strong>d,<br />
im Betrieb wohl fühlen. Sab<strong>in</strong>e Kern<br />
setzt <strong>in</strong> ihrem Unter nehmen auf den<br />
E<strong>in</strong>satz neuer Technologien, wie lernende<br />
Übersetzungsprogramme.<br />
Die beschleunigten Produktzyklen<br />
fordern immer mehr e<strong>in</strong> rasches, effizientes<br />
und kostengünstiges Übersetzen,<br />
etwa von Gebrauchsanweisungen.<br />
Geme<strong>in</strong>sam mit den KundInnen probiert<br />
sie neue Lösungen aus, gehe dabei<br />
auch Risiken e<strong>in</strong> und agiert dennoch<br />
vorsichtig.<br />
„Erfolg das bedeutet für mich,<br />
dass alle zufrieden s<strong>in</strong>d. Am<br />
me<strong>ist</strong>en Spaß macht es mir,<br />
wenn was los <strong>ist</strong>. Wenn Kund-<br />
Innen sagen, das war super,<br />
und gerne wieder kommen.<br />
Wenn MitarbeiterInnen sagen,<br />
das war klasse und ich merke,<br />
sie haben Freude mit dem<br />
Erfolg.“<br />
Selbständigkeit statt „Warten<br />
auf Godot“<br />
Selbständigkeit als Arbeitsform habe<br />
sie bereits im Elternhaus <strong>in</strong> Kärnten<br />
kennen gelernt. Der Vater war Industrieller,<br />
<strong>die</strong> Mutter zunächst Hausfrau,<br />
später hat sie sich – „zum Leidwesen<br />
des Vaters“ – selbständig gemacht und<br />
auch politisch engagiert. Die F<strong>in</strong>anzierung<br />
der Unternehmensübernahme<br />
habe sie jedoch eigenständig auf <strong>die</strong><br />
70 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie
B<strong>e<strong>in</strong>e</strong> gestellt, stellt sie klar. Darauf zu<br />
warten, dass ihr etwas geschenkt oder<br />
angeboten wird, <strong>ist</strong> nicht ihre Sache.<br />
Da hat sie, so ihre Erfahrungen, bei<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m früheren Arbeitgeber gemacht,<br />
wo sie große Projekte leitete und mehr<br />
Verantwortung übernehmen wollte.<br />
„Als Frau hattest du da k<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Chance<br />
auf den Posten <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Abteilungsleiter<strong>in</strong>.<br />
Das <strong>ist</strong> e<strong>in</strong> ‚Warten auf Godot’.“ Als sich<br />
<strong>die</strong> Chance dazu ergab, hat sie also<br />
selbst <strong>die</strong> Initiative ergriffen. „Das kam<br />
dann wie e<strong>in</strong> Geschenk des Himmels.“<br />
Der Schritt <strong>in</strong> <strong>die</strong> Selbständigkeit sei<br />
ihr leicht gefallen, erzählt sie. Die zwei<br />
Söhne waren schon fast erwachsen und<br />
ihr Mann war gerade mit s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m eigenen<br />
Unternehmen ziemlich beschäftigt.<br />
„Wir haben <strong>man</strong>chmal um zehn Uhr am<br />
Abend mite<strong>in</strong>ander telefoniert. ‚B<strong>ist</strong> du<br />
auch noch im Büro?’ ‚Ja.’ ‚Erwartest du<br />
dir eh ke<strong>in</strong> Abendessen von mir?’ ‚ erzählt<br />
sie, lacht dabei und ergänzt: „Wir<br />
s<strong>in</strong>d weiter gut verheiratet.“ Als beste<br />
Schule um ihr Unternehmen zu leiten,<br />
hat sie <strong>die</strong> Jahre zuvor empfunden, <strong>in</strong><br />
denen sie Familie, FreundInnenkreis<br />
und Beruf unter <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Hut zu br<strong>in</strong>gen<br />
hatte. In der Anfangszeit sei es schon<br />
auch schwierig gewesen, gibt sie zu.<br />
„Wenn du um zehn am Abend heim<br />
kommst und am nächsten Tag wieder<br />
um acht da b<strong>ist</strong>, das schlaucht schon.“<br />
Aber dann habe sie sich selbst auf <strong>die</strong><br />
Schulter geklopft und gut zugesprochen.<br />
Und wenn dann e<strong>in</strong> toller Auftrag<br />
re<strong>in</strong> kam, dann sei es ihr wieder gut<br />
gegangen. Ihr Ehe<strong>man</strong>n und ihre MitarbeiterInnen<br />
waren dabei sehr wichtige<br />
Stützen für sie.<br />
Anregungen <strong>in</strong> guter<br />
Gesellschaft<br />
Damit das Privatleben nicht zu kurz<br />
kommt, hat Sab<strong>in</strong>e Kern 2004 <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n<br />
„organisierten FreundInnenkreis“ <strong>in</strong>s<br />
Leben gerufen, <strong>in</strong>dem sie kurzerhand<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Rotary Club gegründet hat. „Die<br />
me<strong>ist</strong>en Rotary Clubs s<strong>in</strong>d Männerclubs<br />
und das <strong>ist</strong> auch e<strong>in</strong> ‚Warten auf<br />
Godot’, bis <strong>man</strong> da e<strong>in</strong>mal gefragt wird,<br />
dass <strong>man</strong> dabei se<strong>in</strong> kann.“ Mittlerweile<br />
<strong>ist</strong> e<strong>in</strong> junger, lebendiger Club entstanden,<br />
der sich wöchentlich e<strong>in</strong>mal trifft,<br />
bei dem sie Leute aus anderen Berufen<br />
sieht und sich neue Anregungen holen<br />
kann. Zu den regelmäßigen Treffen<br />
kommen sportliche Aktivitäten als Ausgleich<br />
h<strong>in</strong>zu: „Weil <strong>man</strong> nur dann gut<br />
<strong>ist</strong>, wenn <strong>man</strong> auch auf andere Gedanken<br />
kommt. Jeder von uns muss e<strong>in</strong>mal<br />
durchhalten und e<strong>in</strong>mal <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Zeitlang<br />
alles h<strong>in</strong>ten anstellen. Aber <strong>man</strong> muss<br />
auf s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Gesundheit achten.“<br />
Was sie jungen Frauen für das Arbeitsleben<br />
empfehlen würde? „Bleib immer<br />
am Ball! Steh’s durch! Und lass dich<br />
nicht zu lange vom Job fern halten!“<br />
14 71
Ruth Kolmer<br />
Interview: Teresa Arrieta | Oktober 2006<br />
„Frauen brauchen Unterstützung für <strong>die</strong> typisch<br />
weiblichen Tätigkeiten, von denen sich <strong>die</strong> Gesellschaft<br />
vorstellt, dass <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Frau sie tun muss.“<br />
Fotos: Kathar<strong>in</strong>a Gossow<br />
72 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie
Halbe Halbe <strong>in</strong> den 50er<br />
Jahren<br />
Ruth Kolmer hat <strong>in</strong> den fünfziger<br />
Jahren als e<strong>in</strong>zige Frau ihres Jahrgangs<br />
stu<strong>die</strong>rt, war technische Direktor<strong>in</strong><br />
von drei Firmen und g<strong>in</strong>g fünf<br />
Wochen nach der Entb<strong>in</strong>dung wieder<br />
arbeiten.<br />
„E<strong>in</strong> Charmeurlächeln hab ich nie<br />
aufgesetzt <strong>in</strong> der Firma, ich hab mich<br />
als Frau völlig normal verhalten“, sagt<br />
Ruth Kolmer. Und das nimmt <strong>man</strong> ihr<br />
Ausbildung:<br />
Studium Lebensmittelchemie/<br />
Gärungstechnik<br />
Position:<br />
Technische Direktor<strong>in</strong> i. R.<br />
Branche:<br />
Lebensmittel<strong>in</strong>dustrie<br />
auch ab. Nüchtern, sachlich und sehr<br />
bestimmt wirkt sie auch noch mit<br />
ihren 79 Jahren. Auch, dass sie als<br />
technische Frau Direktor<strong>in</strong> bereits <strong>in</strong><br />
den siebziger Jahren über drei Firmen<br />
geherrscht hat und <strong>in</strong> ihrer Position<br />
<strong>die</strong> e<strong>in</strong>zige Frau weit und breit war,<br />
f<strong>in</strong>det sie „völlig normal“. Jene, <strong>die</strong><br />
daran Anstoß nahmen, überg<strong>in</strong>g sie<br />
hoheitlich, denn Ruth Kolmer <strong>ist</strong> nicht<br />
aus der Fassung zu br<strong>in</strong>gen. Wie <strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
eiserne Lady thront sie im Lehnstuhl<br />
ihrer biedermeierlich e<strong>in</strong>gerichteten<br />
Wiener Wohnung und will das Arbeiten<br />
immer noch nicht lassen. Sie kann sich<br />
nicht vorstellen, „ohne Tätigkeit zu<br />
leben“ gesteht sie melancholisch, denn<br />
<strong>die</strong> große Zeit der österreichischen<br />
Lebensmittel<strong>in</strong>dustrie <strong>ist</strong> e<strong>in</strong>deutig<br />
vorbei. Zwar hat sie immer noch <strong>die</strong><br />
Verwaltung der still gelegten Wiener<br />
„Vegetabilen Ölfabrik“ <strong>in</strong>ne, doch nach<br />
dem EU Beitritt Österreichs g<strong>in</strong>g alles<br />
bergab, „<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Industriefriedhof“<br />
gleichen <strong>man</strong>che Wiener Randbezirke<br />
heute, murmelt Ruth Kolmer betrübt.<br />
73
Eiserner Führungswille<br />
Viel Wehmut lässt sich jedoch nicht zu,<br />
Zeit ihres Berufslebens war Weichheit<br />
fehl am Platz, denn es galt, sich als<br />
Frau Chef<strong>in</strong> durchzusetzen und das<br />
Familienleben mit zwei K<strong>in</strong>dern an ihre<br />
Arbeit anzupassen. Stu<strong>die</strong>rt hat <strong>die</strong><br />
Respektgebietende Lebensmittelchemie<br />
und Gärungstechnik. In ihrem Jahrgang<br />
waren sie drei Mädchen, doch nur <strong>die</strong><br />
junge Ruth schloss das Studium ab. „<strong>Es</strong><br />
war damals ungewöhnlich“ er<strong>in</strong>nert sie<br />
sich, hat jedoch auch k<strong>e<strong>in</strong>e</strong> besondere<br />
Erklärung für ihr frühes Streben nach<br />
Selbstständigkeit parat - allerd<strong>in</strong>gs<br />
habe auch ihr Vater sie immer zur<br />
Selbstbestimmtheit ermutigt. 1952<br />
schloss Ruth Kolmer ihr Studium als<br />
Frau Ingenieur<strong>in</strong> ab und bekam zwei<br />
Wochen darauf ihre erste Stelle bei<br />
der „Speiseöl und Speisefett<strong>in</strong>dustrie<br />
Schichtwerke Atzgersdorf“. Sie hatte<br />
das bakteriologische Labor über, war<br />
für Hygiene und Produktentwicklung<br />
zuständig. Von Anfang an strebte <strong>die</strong><br />
Avantgarde-Fem<strong>in</strong><strong>ist</strong><strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong> leitende<br />
Stellung an. Denn jeder Mensch, der<br />
nicht <strong>die</strong> Möglichkeit hat, <strong>e<strong>in</strong>e</strong> verantwortungsvolle<br />
Position auszuüben, tue<br />
ihr leid, wie sie während des Gesprächs<br />
immer wieder betont. Die erste<br />
Schwanger schaft machte ihrem Ehrgeiz<br />
trotz allen Elans <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Strich durch <strong>die</strong><br />
Rechnung, denn dem neuen Direktor<br />
„hat es nicht geschmeckt, dass ich als<br />
Mutter weiter arbeiten wollte“.<br />
Herr<strong>in</strong> über drei Reiche<br />
Be<strong>in</strong>hart zeigte sie sich auch hier:<br />
„Ich hab rasch gesagt: Dann können<br />
wir unser Dienstverhältnis lösen.“ Drei<br />
Monate nach der Entb<strong>in</strong>dung trat sie<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong> neue Stelle <strong>in</strong> der vegetabilen<br />
Öl fabrik an, wo sie bald zur Betriebsleiter<strong>in</strong><br />
avancierte. Die Frau Ingenieur<strong>in</strong><br />
74 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie
war damals an der Erf<strong>in</strong>dung von so<br />
bekannten Namen wie Osolio und<br />
Frivissa beteiligt. Der große Karrieresprung<br />
erfolgte 1972, als sich <strong>die</strong> Firma<br />
mit zwei anderen zur „Vere<strong>in</strong>igten<br />
Fett waren<strong>in</strong>dustrie“ zusammenschloss.<br />
Fortan war sie technische Direktor<strong>in</strong><br />
von drei Firmen und re<strong>ist</strong>e zwischen<br />
Wels, Wien und Innsbruck kontrollierend<br />
h<strong>in</strong> und her. Ja klar, für <strong>die</strong><br />
Bundesländer-Betriebe war es ungewohnt,<br />
unter dem Regime <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r willensstarken<br />
weiblichen Vorgesetzten zu<br />
stehen: „Man hat sich wohl gewundert,<br />
aber sich´s nie anmerken lassen, denn<br />
ich war ja <strong>die</strong> Vorgesetzte.“ sagt Ruth<br />
Kolmer ungerührt. Das Wiener Unternehmen<br />
galt bald als „Weiberbetrieb“,<br />
denn Ruth Kolmer bemühte sich nach<br />
Kräften, weitere Frauen <strong>in</strong> leitende<br />
Positionen zu hieven. Ihr Lebensmotto:<br />
„Gleiche Rechte und gleiche Pflichten“<br />
zog sie unerschütterlich durch: In<br />
ihrer Familie sei es selbstverständlich<br />
ge wesen, dass alle zusammenhelfen,<br />
Halbe-Halbe war „net amal <strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
Diskussion“. Bei der zweiten Schwangerschaft<br />
arbeitete sie quasi bis zum<br />
Tag der Entb<strong>in</strong>dung und trat wenige<br />
Wochen später ihren Job wieder an.<br />
Arbeiten Tag und Nacht<br />
E<strong>in</strong>e K<strong>in</strong>derfrau stand schon nach der<br />
Geburt bereit und führte <strong>die</strong> Sprössl<strong>in</strong>ge<br />
täglich zum K<strong>in</strong>dergarten. Wenn<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r krank war, standen auch Großmutter<br />
und Tante zur Verfügung, denn<br />
Ruth Kolmer saß wenn nötig auch<br />
spätnachts noch <strong>in</strong> der Firma: „Ich b<strong>in</strong><br />
der Me<strong>in</strong>ung, dass Frauen <strong>die</strong> Möglichkeit<br />
erhalten sollen, ihre Le<strong>ist</strong>ung<br />
auch mit K<strong>in</strong>dern voll zu erbr<strong>in</strong>gen.<br />
<strong>Es</strong> <strong>ist</strong> Aufgabe der Gesellschaft, den<br />
Frauen <strong>die</strong> Möglichkeiten zu schaffen,<br />
sich beruflich e<strong>in</strong>zusetzen. K<strong>in</strong>derbetreuungsplätze<br />
und e<strong>in</strong> geme<strong>in</strong>sames<br />
Arbeiten <strong>in</strong> der Hauswirtschaft s<strong>in</strong>d<br />
selbstverständlich“, schildert sie ihre<br />
Überzeugungen. Die Arbeitsstunden hat<br />
sie nie gezählt, sich mit der Firma voll<br />
identifiziert bis <strong>in</strong> <strong>die</strong> Urlaube h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>,<br />
denn „wenn <strong>man</strong> im Meer schwimmt<br />
und es geht je<strong>man</strong>d am Strand entlang<br />
mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Schild mit m<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m<br />
Namen“, fällt es schwer, abzuschalten.<br />
Weswegen soll sie sich als schlechte<br />
Mutter fühlen, <strong>die</strong> K<strong>in</strong>der seien ganz im<br />
Gegenteil immer stolz auf ihre erfolgreiche<br />
Mama gewesen. E<strong>in</strong> Mann wird<br />
ja auch nicht gefragt, wie er s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n<br />
Direktorenposten mit s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Familienleben<br />
ver<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n kann.<br />
„Ich hab <strong>die</strong> Firma völlig <strong>in</strong><br />
me<strong>in</strong> Leben <strong>in</strong>tegriert.“<br />
75 14
Ir<strong>in</strong>a Korsch<strong>in</strong>eck<br />
Interview: Teresa Arrieta | März 2007<br />
„Ich hab me<strong>in</strong> Unternehmen Schritt für Schritt nach<br />
oben geführt, ohne fremdes Kapital, dafür mit sehr<br />
hohen Qualitätsansprüchen“<br />
Fotos: Nora Friedel<br />
76 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie
„Frauen müssen aus der<br />
Komfortzone heraus“<br />
Neo-Unternehmer<strong>in</strong> Ir<strong>in</strong>a Korsch<strong>in</strong>eck<br />
entwickelt mit ihrer Firma Ingenetix<br />
molekularbiologische Nachweismethoden,<br />
tätigt genetische Analysen<br />
für <strong>die</strong> Gerichtsmediz<strong>in</strong> und genießt<br />
ihre Unabhängigkeit.<br />
„E<strong>in</strong>es m<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Motive war, dass ich k<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n<br />
Chef mehr wollte“, erläutert Ir<strong>in</strong>a<br />
Korsch<strong>in</strong>eck <strong>die</strong> Gründe, <strong>die</strong> sie zur<br />
Selbstständigkeit bewogen. Sie sei eben<br />
e<strong>in</strong> sehr autonomer Mensch: „<strong>Es</strong> fällt<br />
Ausbildung:<br />
Studium Biotechnologie, Universität für<br />
Bodenkultur, Wien, Postdoc<br />
Mediz<strong>in</strong>ische Universität Wien<br />
Position:<br />
Gründer<strong>in</strong> von INGENETIX, 2003<br />
Branche:<br />
Forschung und Entwicklung<br />
im Bereich Biotechnologie<br />
mir schwer, Anordnungen von oben<br />
e<strong>in</strong>fach auszuführen – ich diskutiere,<br />
h<strong>in</strong>terfrage und lasse mich danach<br />
auch überzeugen, nur: So funktioniert<br />
das <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r großen Firma nicht“<br />
er<strong>in</strong>nert sich <strong>die</strong> Biotechnolog<strong>in</strong> an<br />
schwierige Zeiten als Angestellte. Bevor<br />
sie zur Gründer<strong>in</strong> wurde, arbeitete sie<br />
als Applikationsspezial<strong>ist</strong><strong>in</strong> für molekularbiologische<br />
Geräte <strong>in</strong> der österreichischen<br />
Niederlassung <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s amerikanischen<br />
Biotechnologie-Unternehmens,<br />
zu dessen KundInnen Pharmafirmen<br />
und Universitäten zählten. Sie führte<br />
<strong>die</strong> Klientel <strong>in</strong> <strong>die</strong> Anwendung der Ge-<br />
räte e<strong>in</strong> und versorgte sie auch mit den<br />
dazugehörigen chemischen Reagenzien.<br />
Die Technik der molekularbiologischen<br />
Geräte hat Ir<strong>in</strong>a Korsch<strong>in</strong>eck schon seit<br />
dem Studium fasz<strong>in</strong>iert: „Die Methodik<br />
war immer schon das Interessanteste<br />
für mich, das Geschehen im Labor, das<br />
technische Drumherum.“ Damals wurde<br />
der amerikanische Konzern Applied<br />
Biosystems auf ihre Talente aufmerksam.<br />
Sechs Jahre lang arbeitete sie <strong>in</strong><br />
der österreichischen Niederlassung des<br />
Biotechnologie-Unternehmens, heute<br />
blickt sie mit gemischten Gefühlen auf<br />
<strong>die</strong>se Zeit zurück: E<strong>in</strong>erseits konnte sie<br />
77
viel reisen und erleben, wie <strong>in</strong>ternationale<br />
Teamarbeit funktioniert. Auch<br />
erhielt <strong>die</strong> Gentechnik-Spezial<strong>ist</strong><strong>in</strong><br />
viel Anerkennung von KundInnenseite<br />
aufgrund ihrer hohen fachlichen<br />
Kompetenz.<br />
Unverschämtheit bei<br />
Gehaltsverhandlungen<br />
Darüber h<strong>in</strong>aus profitierte sie von<br />
den erstklassigen firmenunterstützten<br />
Weiterbildungen im Bereich Market<strong>in</strong>g<br />
und Kommunikation. „Ich habe<br />
viel gelernt, was mir jetzt sehr zugute<br />
kommt.“ Etwa, dass zu Beg<strong>in</strong>n <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s<br />
Vortrages Schweigen s<strong>in</strong>nvoll <strong>ist</strong>, wenn<br />
es gilt, das murmelnde Publikum zur<br />
Ruhe zu br<strong>in</strong>gen. „Wenn <strong>man</strong> e<strong>in</strong>fach<br />
wartet und nichts sagt, werden <strong>die</strong><br />
Zuhörer Innen von ganz all<strong>e<strong>in</strong>e</strong> still.<br />
Und <strong>man</strong> hat schnell <strong>die</strong> ungeteilte<br />
Aufmerksamkeit auf s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Seite“,<br />
plaudert sie <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n der damals erlernten<br />
Kommunikations-Tricks aus. Neben <strong>die</strong>sen<br />
Highlights <strong>in</strong>nerhalb des Großunternehmens<br />
tat sie sich jedoch schwer<br />
mit den konzern-typischen Hierarchien.<br />
Auch wurden ihr im Laufe der Jahre<br />
<strong>die</strong> Gehalts- und Karriereunterschiede<br />
zwischen Männern und Frauen immer<br />
deutlicher bewusst.<br />
„Männer erreichen Führungspositionen<br />
rascher und ver<strong>die</strong>nen mehr. Frauen<br />
fehlt e<strong>in</strong>fach <strong>die</strong> Unverschämtheit bei<br />
den Gehaltsverhandlungen“, so ihr<br />
Fazit heute. „Aber wir müssen aus der<br />
Komfortzone heraus, mit fünf Prozent<br />
darf <strong>man</strong> sich nicht zufrieden geben.“<br />
Sie fand es schlichtweg schwieriger, als<br />
Frau Karriere zu machen. Und da sich<br />
<strong>die</strong> hoch Qualifizierte mit wenig nicht<br />
zufrieden geben wollte, wagte sie den<br />
Schritt <strong>in</strong> <strong>die</strong> Selbstständigkeit. Dabei<br />
wurde ihr von den damaligen KundInnen<br />
stets Ermutigung und Unterstützung<br />
zuteil. Bis heute verdankt sie den steilen<br />
Aufwärtstrend ihres Unternehmens<br />
der Mundpropaganda, <strong>die</strong> auf <strong>die</strong> hohe<br />
Qualität ihrer Arbeit zurückzuführen <strong>ist</strong>.<br />
Unerklärliches<br />
ExpertInnenwissen<br />
<strong>Es</strong> <strong>ist</strong> ke<strong>in</strong> leichtes Unterfangen,<br />
den Kern ihrer heutigen Tätigkeit<br />
<strong>in</strong> allgeme<strong>in</strong>verständliche Worte zu<br />
kleiden: E<strong>in</strong>e der Ingenetix-Säulen s<strong>in</strong>d<br />
genetische Analysen, beispielsweise<br />
Vaterschaftstests. Säule Nummer zwei<br />
<strong>ist</strong> <strong>die</strong> Entwicklung von so genannten<br />
molekularbiologischen Assays, <strong>die</strong> Etablierung<br />
neuer Nachweismethoden für<br />
seltene Viren und Bakterien. Mitunter<br />
lagern Industrie und Universitäts<strong>in</strong>stitute<br />
Teile <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Forschungsprojekts<br />
an Ingenetix aus, z. B. Analysen zur<br />
Mengenbestimmung von Nukle<strong>in</strong>säuren<br />
(RNA/DNA) oder der Nachweis von<br />
Polymorphismen (genetische Variabilität).<br />
Darüber h<strong>in</strong>aus vertreibt Ingenetix<br />
auch Testverfahren, welche geme<strong>in</strong>sam<br />
mit Universitäten entwickelt wurden:<br />
„<strong>Es</strong> liegt viel Spezialwissen <strong>in</strong> Österreich<br />
brach, das nicht <strong>in</strong> der Schublade landen<br />
sollte“, f<strong>in</strong>det <strong>die</strong> Biotechnolog<strong>in</strong>.<br />
Der Erfolg ihrer vor kaum dreie<strong>in</strong>halb<br />
Jahren gegründeten Firma beruht auf<br />
re<strong>in</strong> weiblichem Know-how, <strong>in</strong>sofern<br />
passt der Firmenname Ingenetix („Mit<br />
X, wie das X-Chromosom“) perfekt.<br />
Denn Ingenetix wird zurzeit von <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m<br />
r<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Frauenteam gestellt - und das<br />
<strong>ist</strong> ke<strong>in</strong> Zufall: „Ich arbeite nur mit<br />
hoch qualifizierten MitarbeiterInnen.<br />
Unter <strong>die</strong>sen s<strong>in</strong>d Frauen eher als<br />
Männer bereit, bei <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Start-up<br />
Unternehmen e<strong>in</strong>zusteigen.“ Denn<br />
Männer haben auf dem von Ingenetix<br />
geforderten Qualifikationsniveau<br />
bereits anderswo Karriere gemacht und<br />
s<strong>in</strong>d nicht so leicht abzuwerben.<br />
Auf Expansionskurs<br />
„Wir s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong> sehr gutes Team, das hart<br />
arbeitet, aber wir haben auch viel Spaß<br />
zusammen und das <strong>ist</strong> mir sehr, sehr<br />
wichtig“, erklärt Ir<strong>in</strong>a Korsch<strong>in</strong>eck ihre<br />
Firmenphilosophie. „Ich kritisiere hart,<br />
aber ich teile auch Lorbeeren an m<strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
MitarbeiterInnen aus - übrigens <strong>ist</strong><br />
es umgekehrt genau so.“ Im Zuge der<br />
Firmengründung zog sie <strong>die</strong> für sie so<br />
wichtige Autonomie auch auf f<strong>in</strong>anzieller<br />
Ebene durch und verzichtete auf<br />
jegliches Fremdkapital, um sich nicht<br />
<strong>in</strong> erneute Abhängigkeiten zu begeben.<br />
„Da hätte ich mich schon wieder<br />
rechtfertigen müssen dafür, wie ich<br />
<strong>die</strong> D<strong>in</strong>ge anpacke.“ Ir<strong>in</strong>a Korsch<strong>in</strong>eck<br />
reduzierte stattdessen ihre Lebenshaltungskosten<br />
und startete mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m<br />
uralten Computer im Homeoffice, bis<br />
sie den Ankauf der teuren Biotechnologie<br />
Geräte selbst bestreiten konnte.<br />
„Ich hab <strong>die</strong> Firma völlig alle<strong>in</strong> aus<br />
dem Boden gestampft und b<strong>in</strong> dabei<br />
ke<strong>in</strong> großes Risiko e<strong>in</strong>gegangen“, sagt<br />
sie heute stolz, und der Erfolg gibt ihr<br />
Recht: Ingenetix wächst jedes Jahr um<br />
35 bis 40 Prozent, alle zwölf Monate<br />
kommt zum<strong>in</strong>dest <strong>e<strong>in</strong>e</strong> neue MitarbeiterIn<br />
h<strong>in</strong>zu.<br />
78 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie
Ir<strong>in</strong>a Korsch<strong>in</strong>ecks Zukunftspläne:<br />
Weiter auf Expansionskurs bleiben und<br />
<strong>in</strong> naher Zukunft <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n männlichen Mitarbeiter<br />
e<strong>in</strong>stellen „um auch der männlichen<br />
Gleichberechtigung <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Chance<br />
zu geben und so der genetischen Vielfalt<br />
Genüge zu tun“, verrät Ir<strong>in</strong>a Korsch<strong>in</strong>eck<br />
mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Augenzw<strong>in</strong>kern.<br />
„Ich brauche den Sche<strong>in</strong> des Luxus nicht.<br />
Bevor ich mir e<strong>in</strong> tolles Auto kaufe, <strong>in</strong>vestiere<br />
ich lieber <strong>in</strong> m<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Firma.“<br />
79 14
„Ich möchte jungen Kolleg<strong>in</strong>nen Mut zur<br />
Selbstständigkeit machen.“<br />
Elisabeth Mandl<br />
Interview: Knoll&Szalai, Teresa Arrieta | September 2007<br />
Fotos: Nora Friedel<br />
80 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie
E<strong>in</strong> Fuß im OP, <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r<br />
auf der Baustelle<br />
Die Ingenieur<strong>in</strong> Elisabeth Mandl<br />
richtet Intensivstationen e<strong>in</strong>, liebt<br />
Baustellen, vermittelt <strong>in</strong> Streitverfahren<br />
und fühlt sich rundherum<br />
wohl.<br />
Mediz<strong>in</strong>, Technik, Bauplanung:<br />
Elisabeth Mandl vere<strong>in</strong>t alles <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r<br />
Person. Sie komb<strong>in</strong>iert ihre soziale Ader,<br />
(„ich wollte Menschen immer schon<br />
Ausbildung:<br />
Studium Elektrotechnik an der<br />
Technischen Universität Graz<br />
Position:<br />
Seit 1996 selbstständige<br />
Ingenieurskonsulent<strong>in</strong><br />
Branche:<br />
Mediz<strong>in</strong>technik<br />
gerne helfen, deswegen fühlte ich mich<br />
zum mediz<strong>in</strong>ischen Bereich h<strong>in</strong>gezogen“)<br />
mit ihrem technischen Talent und<br />
ihrem ausgeprägten räumlichen Vorstellungsvermögen.<br />
Seit elf Jahren plant<br />
sie als selbstständige Ingenieurskonsulent<strong>in</strong><br />
den Bau von Krankenhausabteilungen,<br />
richtet Operationssäle und<br />
Intensivstationen e<strong>in</strong>, schätzt Kosten,<br />
erstellt Machbarkeitsstu<strong>die</strong>n und fungiert<br />
nebenbei als Gerichtsgutachter<strong>in</strong><br />
im Bereich Mediz<strong>in</strong>technik. Der Weg<br />
bis zur Selbstständigkeit war lang,<br />
aber ihre Technikbege<strong>ist</strong>erung zeichnete<br />
sich bereits <strong>in</strong> der K<strong>in</strong>dheit ab,<br />
geprägt von ihrem Vater: „Er hat viel<br />
selber gemacht, z. B. Uhren repariert.<br />
Die Unruhen, <strong>die</strong> Zahnräder … . <strong>Es</strong> hat<br />
mich fasz<strong>in</strong>iert, dass er jedes Problemchen<br />
lösen konnte.“ Später besuchte<br />
sie <strong>die</strong> HTL <strong>in</strong> Kapfenberg, als <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s von<br />
zwei Mädchen ihres Jahrgangs. Nach<br />
ihrem Abschluss schnupperte sie <strong>in</strong> den<br />
bereits damals von ihr favorisierten Feldern<br />
Technik und Mediz<strong>in</strong>: Sie arbeitete<br />
an der Technischen Universität Graz als<br />
81
„Ich identifiziere mich mit m<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Projekten<br />
und kann nur jene KundInnenwünsche<br />
umsetzen, <strong>die</strong> ich auch bejahe.“<br />
Hilfskraft und <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Krankenhaus<br />
als Pflegerhelfer<strong>in</strong>. „Ich hab <strong>die</strong> Böden<br />
gewischt und <strong>die</strong> PatientInnen gefüttert.<br />
Aber <strong>die</strong> mediz<strong>in</strong>ische Seite alle<strong>in</strong><br />
hat mir nicht gereicht, mich hat´s zur<br />
Technik h<strong>in</strong>gezogen. Ich wollte den<br />
Menschen mittels Technik helfen.“<br />
Die Geburtsstunde des<br />
papierlosen EEG<br />
Schließlich entschied sie sich fürs Studium<br />
der Elektrotechnik <strong>in</strong> Graz, <strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
harte Zeit: Da sie von der HTL kam,<br />
waren <strong>die</strong> ersten Semester noch locker,<br />
82 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie
doch irgendwann steckte sie fest: „Die<br />
Prüfung zur Wechselstromtechnik hab<br />
ich e<strong>in</strong>ige Male wiederholt, das war<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong> echte Hürde.“ E<strong>in</strong>e der wenigen<br />
Student<strong>in</strong>nen zu se<strong>in</strong> war ebenfalls<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Herausforderung: „Im Zeichensaal<br />
war ich das e<strong>in</strong>zige Mädchen, aber ich<br />
hab das geme<strong>in</strong>same Lernen genossen.<br />
Als ich im Laufe der Zeit nicht mehr<br />
so regelmäßig kam, wollte mich e<strong>in</strong><br />
Stu<strong>die</strong>nkollege mit H<strong>in</strong>weis auf <strong>die</strong> Zeichensaalstatuten<br />
aus dem Zeichensaal<br />
entfernen lassen. <strong>Es</strong> <strong>ist</strong> halt so, dass<br />
<strong>man</strong> als Mädel überall auffällt.“<br />
Parallel zum Studium arbeitete sie<br />
als Stu<strong>die</strong>nass<strong>ist</strong>ent<strong>in</strong> am Institut für<br />
Elektro- und Biomediz<strong>in</strong>ische Technik.<br />
Dort erlebte sie <strong>die</strong> Geburtsstunde des<br />
papierlosen EEG – des Elektroenzephalogramms.<br />
Die Befassung mit <strong>die</strong>sen<br />
ersten computergespeicherten Aufnahmen<br />
der elektrischen Gehirnaktivität<br />
sei „wahns<strong>in</strong>nig aufregend“ gewesen,<br />
hier bestätigte sich für Elisabeth Mandl<br />
wieder, dass <strong>die</strong> Komb<strong>in</strong>ation von<br />
Technik und Mediz<strong>in</strong> haargenau richtig<br />
für sie <strong>ist</strong>. Nach Ende des Studiums<br />
waren <strong>in</strong> der Steiermark alle Posten mit<br />
jungen Kollegen besetzt, und so folgte<br />
<strong>die</strong> Ingenieur<strong>in</strong> dem Ruf nach Wien,<br />
wo sie auf Anhieb <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Führungsjob<br />
bekam: Sie wurde zur Leiter<strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s<br />
technischen Servicezentrums <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m<br />
Wiener Krankenhaus: „Wir waren drei<br />
Biomediz<strong>in</strong>erInnen aus Graz, <strong>die</strong> gleichzeitig<br />
<strong>in</strong> <strong>die</strong> Wiener Krankenhäuser<br />
ausgeschwirrt s<strong>in</strong>d. Wir haben <strong>die</strong> mediz<strong>in</strong>ischen<br />
Geräte gewartet, Reparaturen<br />
durchgeführt, <strong>die</strong> Mediz<strong>in</strong>erInnen<br />
bei Neuanschaffungen beraten und <strong>die</strong><br />
sicherheitstechnischen Überprüfungen<br />
gemacht.“<br />
K<strong>in</strong>der machen selbstständig<br />
Nach weiteren Leitungsjobs bei<br />
mediz<strong>in</strong>technischen Firmen, <strong>die</strong> bis<br />
zur örtlichen Bauaufsicht bei neuen<br />
Krankenhausbauten reichten, bekam<br />
Elisabeth Mandl ihr zweites K<strong>in</strong>d und<br />
hatte somit zwei wichtige Gründe,<br />
sich selbstständig zu machen: „E<strong>in</strong><br />
zweites K<strong>in</strong>d war mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m leitenden<br />
Angestelltenposten sehr schwer zu<br />
vere<strong>in</strong>baren, denn ich wollte ja für<br />
m<strong>e<strong>in</strong>e</strong> K<strong>in</strong>der da se<strong>in</strong>.“ Seit elf Jahren<br />
<strong>ist</strong> sie nun schon Freiberufler<strong>in</strong> und<br />
hat <strong>die</strong>sen Schritt nie bereut: „Die Aufträge<br />
flattern Gott sei Dank von selber<br />
here<strong>in</strong>.“<br />
Heute umfasst ihr Arbeitsbereich alles,<br />
was mit Planung und Beratung im<br />
Gesundheitswesen und Krankenhausbau<br />
zu tun hat. Sie erstellt Raumprogramme<br />
für Neu-, Zu- und Umbauten, <strong>ist</strong> für <strong>die</strong><br />
mediz<strong>in</strong>technische Fachplanung verantwortlich<br />
und stapft souverän auf Baustellen<br />
herum: „Ich habe jetzt das Alter,<br />
wo Frau-Se<strong>in</strong> auf der Baustelle e<strong>in</strong>fach<br />
fe<strong>in</strong> <strong>ist</strong>. Der Vorsprung an Jahren<br />
gegenüber jungen KollegInnen <strong>ist</strong> e<strong>in</strong><br />
großer Vorteil.“ Sie liebt ihre Arbeit und<br />
hat „wunderschöne Projekte“: „Mich<br />
fasz<strong>in</strong>iert <strong>die</strong> Vielfältigkeit, ke<strong>in</strong> Projekt<br />
<strong>ist</strong> gleich. Aktuell erstelle ich Raumprogramme<br />
für Geriatriezentren, <strong>die</strong> <strong>die</strong><br />
Grundlage für den ArchitektInnenwettbewerb<br />
darstellen.“<br />
Daneben verfasst sie Le<strong>ist</strong>ungsverzeichnisse<br />
für <strong>die</strong> erforderlichen<br />
mediz<strong>in</strong>technischen Geräte und leitet<br />
<strong>die</strong> örtliche Bauaufsicht. Ihr Mann, der<br />
als EDV-Spezial<strong>ist</strong> arbeitet, unterstützt<br />
sie nach Bedarf.<br />
Mediation und garteln<br />
Elisabeth Mandls AuftraggeberInnen<br />
s<strong>in</strong>d über ganz Österreich verteilt.<br />
Heute fühlt sie sich „so richtig wohl“ <strong>in</strong><br />
ihrem Job, arbeitet sehr viel, sehr gerne<br />
und <strong>ist</strong> dabei e<strong>in</strong> E<strong>in</strong>-Frau Betrieb<br />
geblieben - <strong>man</strong>che Aufgaben werden<br />
nach Bedarf ausgelagert:<br />
„Mir war nie wichtig, <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Riesenfirma<br />
zu haben. Ich will das, was ich für gut<br />
halte umsetzen. Mir <strong>ist</strong> <strong>die</strong> Identifikation<br />
mit m<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Arbeit sehr wichtig, es<br />
soll e<strong>in</strong> positives und s<strong>in</strong>nvolles Projekt<br />
se<strong>in</strong>. Für Prestigeobjekte b<strong>in</strong> ich nicht<br />
zu haben. Funktionalität und Qualität<br />
stehen für mich an erster Stelle.“ Vor<br />
zwei Jahren hat sie auch <strong>die</strong> Ausbildung<br />
zur Mediator<strong>in</strong> für den Planungs-<br />
und Baubereich gemacht. Die dabei<br />
erlernten Konfliktlösungstechniken<br />
wendet sie nun im beruflichen Alltag<br />
an: „Bei Besprechungen mit Bauherren<br />
und Baufrauen kann ich Unstimmigkeiten<br />
nun entspannen, <strong>in</strong>dem ich <strong>die</strong><br />
Beteiligten selber Lösungen f<strong>in</strong>den<br />
lasse, anstatt mit Vorschlägen vorzupreschen.“<br />
Rundum zufrieden mit ihrem Leben<br />
<strong>ist</strong> Elisabeth Mandl. Sie konnte <strong>die</strong><br />
Bege<strong>ist</strong>erung für ihr Fach auch an <strong>die</strong><br />
nächste Generation weitergeben, denn<br />
ihre K<strong>in</strong>der führen <strong>die</strong> mütterlichen<br />
Interessen weiter: Ihre Tochter stu<strong>die</strong>rt<br />
Mediz<strong>in</strong> und berät sie <strong>in</strong> Fachfragen,<br />
ihr Sohn absolviert derzeit <strong>e<strong>in</strong>e</strong> HTL.<br />
Entspannung außerhalb des Jobs f<strong>in</strong>det<br />
sie „bei m<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Familie, mit m<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m<br />
großen FreundInnenkreis, bei vielen<br />
Opern und Konzerten und <strong>in</strong> unserem<br />
Garten im 23. Bezirk <strong>in</strong> Wien“.<br />
83 14
Nicole C. Meisner<br />
Interview: Teresa Arrieta | März 2007<br />
„Frauen <strong>in</strong> Leitungspositionen s<strong>in</strong>d nach wie vor<br />
<strong>in</strong> der M<strong>in</strong>derheit, wahrsche<strong>in</strong>lich weil es vielen<br />
Frauen zu mühsam <strong>ist</strong>, ihre Position im Alltag<br />
ständig verteidigen zu müssen.“<br />
Fotos: Lisa Holzer<br />
84 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie
„Viele Männer können schwer<br />
mit erfolgreichen Frauen<br />
umgehen“<br />
Die Pharmaforscher<strong>in</strong> Nicole Meisner<br />
<strong>ist</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong> der jüngsten Laborleiter-<br />
Innen bei Novartis, entwickelte <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n<br />
neuartigen Ansatz zur Krebstherapie,<br />
muss gegen den Neid männlicher<br />
Kollegen ankämpfen und gegen <strong>die</strong><br />
eigene Lust siebzig Stunden pro Woche<br />
zu arbeiten.<br />
FreundInnen und Familienmitgliedern<br />
kann sie oft nur schwer begreiflich ma-<br />
Ausbildung:<br />
Studium der Molekularbiologie/<br />
Biophysik, Universität Salzburg<br />
Position:<br />
Leiter<strong>in</strong> des Labors für zelluläre<br />
Biophysik bei Novartis Wien<br />
Wissenschaftsdiszipl<strong>in</strong>:<br />
Genetik<br />
chen, warum sie so viel arbeitet: „<strong>Es</strong> <strong>ist</strong><br />
nicht das Geld oder <strong>die</strong> Karriere, es <strong>ist</strong><br />
der Spaß an der Sache.“ erklärt Nicole<br />
Meisner mit leuchtenden Augen – und<br />
auch etwas verlegen. Mit ihrem hippen<br />
Outfit würde <strong>man</strong> sie eher <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m<br />
Szene-Treff als im Forschungslabor vermuten,<br />
aber der Sche<strong>in</strong> trügt gewaltig.<br />
Achtzig Prozent ihrer Zeit verbr<strong>in</strong>ge<br />
sie an ihrer Arbeitsstätte, erklärt <strong>die</strong><br />
Biophysiker<strong>in</strong> schuldbewusst, da bleibe<br />
wenig übrig fürs Privatleben. „Ich hab<br />
das Glück, dass me<strong>in</strong> Partner sehr verständnisvoll<br />
<strong>ist</strong>, er schafft es, dass ich<br />
auch mal abschalte und früher heim<br />
komme.“ Doch ihre Arbeitswut sei <strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
Branchenkrankheit. Sie sei sicher nicht<br />
<strong>die</strong> e<strong>in</strong>zige Forscher<strong>in</strong>, <strong>die</strong> f<strong>in</strong>det: „<strong>Es</strong><br />
gibt nichts Spannenderes, als vor dem<br />
Mikroskop zu sitzen und <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n neuen<br />
Zusammenhang zu erkennen.“ Ihre Forschungsleidenschaft<br />
hat <strong>die</strong> Molekularbiolog<strong>in</strong><br />
rasch <strong>in</strong> <strong>die</strong> Höhe katapultiert:<br />
Unmittelbar nach Abschluss des<br />
Doktoratstudiums übernahm sie mit<br />
kaum 29 Jahren <strong>die</strong> Leitung des Labors<br />
für zelluläre Biophysik bei der Pharmafirma<br />
Novartis.<br />
85
Tod der Großmutter löst Forschungswut<br />
aus<br />
2006 entwickelte das Ausnahmetalent<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n neuartigen und möglicherweise<br />
hochwirksamen Ansatz gegen Krebs.<br />
Die von Meisners Team entwickelten<br />
Substanzen sollen sanft wirken und<br />
schädliche Zellen <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m sehr frühen<br />
Stadium angreifen, so dass Chemotherapie<br />
oder Bestrahlung nicht mehr<br />
notwendig s<strong>in</strong>d. „Messenger RNA<br />
Stabilitäts- Modulation“ nennt sich der<br />
neue Therapieansatz, der <strong>in</strong> rund zehn<br />
Jahren auch für den Menschen anwendbar<br />
se<strong>in</strong> könnte und den Novartis<br />
patentieren ließ. So würde sowohl der<br />
Tumor am Wachsen geh<strong>in</strong>dert, als auch<br />
<strong>die</strong> Bildung von Metastasen blockiert.<br />
Auslöser für Meisners wissenschaftlichen<br />
Ehrgeiz war der Krebstod ihrer<br />
Großmutter, <strong>die</strong> sie bis zu ihrem Tod<br />
pflegte und für <strong>die</strong> sie ihren beruflichen<br />
Ehrgeiz zurückstellte: Um ganz für <strong>die</strong><br />
Großmutter da se<strong>in</strong> zu können, zögerte<br />
sie ihren E<strong>in</strong>stieg bei Novartis um e<strong>in</strong><br />
Jahr h<strong>in</strong>aus. Ihr Forschungsprojekt<br />
könnte nun zu <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r neuen Therapie<br />
für genau jene Krebsart führen, an der<br />
ihre Großmutter starb. „M<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Vorgeschichte<br />
verleiht mir zusätzlichen<br />
Antrieb“, bekräftigt Nicole Meisner.<br />
Sieben Jahre liegt der Tod der Großmutter<br />
nun bereits zurück: „Ich muss<br />
mir heute immer öfter <strong>in</strong>s Bewusstse<strong>in</strong><br />
rufen, dem Leben außerhalb der Arbeit<br />
höhere Priorität zu geben. Damals<br />
war´s mir viel bewusster.“<br />
Mobb<strong>in</strong>g durch Männer<br />
Nicole Meisner hat Molekularbiologie<br />
<strong>in</strong> Salzburg stu<strong>die</strong>rt, wo sie ihrem späteren<br />
Doktorvater Manfred Auer bald<br />
positiv auffiel. Er sollte <strong>in</strong> den nächsten<br />
Jahren ihr wichtigster Mentor werden.<br />
So holte er sie für e<strong>in</strong> biophysikalisches<br />
Forschungsprojekt <strong>in</strong> <strong>die</strong> Pharma<strong>in</strong>dustrie<br />
und übertrug ihr rasch den Posten<br />
der Laborleiter<strong>in</strong>, nicht ohne sie zuvor<br />
vor der eigenen Karriere zu warnen:<br />
„Männer können mit jungen Frauen <strong>in</strong><br />
höheren Positionen nicht umgehen“,<br />
me<strong>in</strong>te er <strong>in</strong> weiser Vorausschau –<br />
damals glaubte ihm <strong>die</strong> Hochtalentierte<br />
nicht, doch bald sollte sie es zu spüren<br />
bekommen: <strong>Es</strong> entbrannte e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>jähriger<br />
Konkurrenzkampf mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Kollegen,<br />
der es nicht verkraften konnte,<br />
dass <strong>die</strong> junge Kolleg<strong>in</strong> an s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r statt<br />
den leitenden Posten erhalten hatte.<br />
„Wir haben uns vorher gut verstanden<br />
und gut zusammengearbeitet, aber als<br />
ich <strong>die</strong> Stelle bekam, hat er drei Tage<br />
nicht mit mir gesprochen und mich<br />
dann e<strong>in</strong> Jahr lang gemobbt. <strong>Es</strong> war<br />
schwer erträglich zum Schluss.“ Ihr<br />
Chef habe jedoch <strong>die</strong> Situation erkannt<br />
und sei immer h<strong>in</strong>ter ihr gestanden.<br />
„Männer empf<strong>in</strong>den <strong>die</strong> Konkurrenz<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Frau anders, als <strong>die</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Mannes“,<br />
bedauert Meisner. Wäre sie e<strong>in</strong><br />
Mann gewesen, hätte der Kollege ihren<br />
Aufstieg weit besser verkraftet, <strong>ist</strong> sie<br />
überzeugt.<br />
International forschen und<br />
Segelboote steuern<br />
Gemessen an ihrem Alter und ihrer Zeit<br />
im Unternehmen hat Nicole Meisner<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong> ungewöhnlich große Zahl an Patenten<br />
entwickelt. Besonders bege<strong>ist</strong>ert<br />
sie sich für das Sozialverhalten von<br />
Molekülen: „Wir messen mithilfe von<br />
Spektroskopie e<strong>in</strong>zelne Moleküle: Wie<br />
schnell sie sich bewegen, wie schnell<br />
sie rotieren, wie hell sie s<strong>in</strong>d, welche<br />
Farbe sie haben, ob sie all<strong>e<strong>in</strong>e</strong> s<strong>in</strong>d<br />
oder zu zweit.“ Ihr neuestes patentiertes<br />
Bravourstück <strong>ist</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Methode,<br />
Gene mithilfe kl<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r DNA oder RNA<br />
Sequenzen künstlich e<strong>in</strong>zuschalten,<br />
was beispielsweise <strong>die</strong> Blutgefässbildung<br />
verbessern könnte. Das wäre e<strong>in</strong><br />
neuer Therapieansatz für <strong>die</strong> schlechte<br />
Wundheilung bei DiabetikerInnen oder<br />
alten Menschen, hofft Meisner. Ihr<br />
Forschungsprojekt überrollt sie derzeit<br />
geradezu, weil es nun <strong>in</strong> der Firma publik<br />
geworden <strong>ist</strong>. Heute s<strong>in</strong>d mehrere<br />
Arbeitsgruppen weltweit daran beteiligt.<br />
<strong>Es</strong> hat somit auch <strong>e<strong>in</strong>e</strong> <strong>in</strong>ternationale<br />
Dimension bekommen. <strong>Es</strong> sei e<strong>in</strong><br />
Riesenglück, <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Mentor zu haben,<br />
der immer für sie da <strong>ist</strong>, analysiert <strong>die</strong><br />
Molekularbiolog<strong>in</strong> ihre steile Karriere.<br />
Zukunftsperspektiven? In den Hauptsitz<br />
der Firma nach Cambridge zu wechseln,<br />
„das würde mich sehr reizen.“ Und so<br />
viel Zeit wie möglich ihrem Hobby, dem<br />
Segeln zu widmen, wo sie als Skipper<br />
(Schiffsführer<strong>in</strong>) wieder e<strong>in</strong>mal <strong>e<strong>in</strong>e</strong> der<br />
wenigen Frauen weit und breit <strong>ist</strong>.<br />
86 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie
„In m<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r neuen Leitungsposition war <strong>die</strong> größte Erkenntnis, e<strong>in</strong>zusehen,<br />
dass m<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Zeit jetzt nicht mehr e<strong>in</strong>fach nur mir gehört,<br />
sondern dass auch me<strong>in</strong> Team Anspruch darauf hat, und dass ich<br />
eigene Wünsche und Emotionen h<strong>in</strong>tanhalten muss.“<br />
87 14
Renate Moser<br />
Interview: Anita Zieher | Oktober 2005<br />
„Ich habe alles auf <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Karte gesetzt.“<br />
Fotos: Lisa Holzer<br />
88 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie
Weltweit gibt es nur <strong>e<strong>in</strong>e</strong> e<strong>in</strong>zige<br />
Flugl<strong>in</strong>ie, <strong>die</strong> von <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Frau gegründet<br />
wurde und geleitet wird. „Me<strong>in</strong> Leben<br />
<strong>ist</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n konsequenten Lauf gegangen,<br />
ich war immer aufgeschlossen und<br />
neugierig Neues kennen zu lernen, auch<br />
D<strong>in</strong>ge zu tun, <strong>die</strong> e<strong>in</strong>, zwei Nummern<br />
zu groß für mich waren, daran b<strong>in</strong> ich<br />
gewachsen“, erklärt Renate Moser, <strong>die</strong><br />
bislang e<strong>in</strong>zige Frau an der Spitze <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r<br />
Flugl<strong>in</strong>ie. Seit 2001 leitet sie <strong>die</strong> Firma<br />
InterSky, <strong>die</strong> <strong>in</strong> Bregenz ihren Sitz hat<br />
und von der Schweiz ausgewählte Dest<strong>in</strong>ationen<br />
<strong>in</strong> Europa anfliegt.<br />
Ausbildung:<br />
Wirtschaft, Werbung, Sales<br />
Position:<br />
Gründer<strong>in</strong> und Geschäftsführer<strong>in</strong> der<br />
Flugl<strong>in</strong>ie InterSky, Bregenz<br />
Branche:<br />
Luftfahrt<br />
Die Gründung von InterSky habe sich<br />
Schritt für Schritt ergeben, erzählt<br />
Renate Moser. Seit 1989 hatte sie<br />
am Aufbau der Flugl<strong>in</strong>ie Rhe<strong>in</strong>talflug<br />
als Pressesprecher<strong>in</strong> und Leiter<strong>in</strong> des<br />
Verkaufs mitgewirkt. Als das Unternehmen<br />
s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Sitz nach Bregenz verlegte,<br />
wurde sie Market<strong>in</strong>gleiter<strong>in</strong>. „Dann<br />
kam 9/11 und das hat <strong>die</strong> Welt ziemlich<br />
verändert“. Sie sei an dem Tag von<br />
Miami nach Zürich geflogen, er<strong>in</strong>nert<br />
sie sich. Das Geschäft wurde <strong>in</strong> Folge<br />
etwas weniger. Sie war damals für den<br />
Verkauf des Flugzeugs DASH 8-300<br />
<strong>in</strong>ternational tätig, ihr Mann war noch<br />
bei den Austrian Airl<strong>in</strong>es beschäftigt.<br />
Zu dem Zeitpunkt hatten zwei großen<br />
Flugl<strong>in</strong>ien Interesse daran, <strong>die</strong> L<strong>in</strong>ie<br />
Rhe<strong>in</strong>talflug zu kaufen. Da <strong>die</strong> Flüge<br />
von Bern nach Elba und nach Sard<strong>in</strong>ien<br />
sehr gut g<strong>in</strong>gen, gab es <strong>die</strong> Überlegung,<br />
selbst <strong>e<strong>in</strong>e</strong> eigene Flugl<strong>in</strong>ie zu gründen.<br />
„Ich habe gesagt, ich trau mir das zu<br />
und im Herbst 2001 mit der Gründung<br />
begonnen, das Kapital aufgestellt und<br />
selber sehr viel Geld h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> gesteckt. Ich<br />
habe alles auf <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Karte gesetzt.“ Ihre<br />
Reife sei ihr dabei zugute gekommen,<br />
89
auch dass sie seit 20 Jahren <strong>in</strong> der<br />
Luftfahrt tätig und „eigentlich <strong>e<strong>in</strong>e</strong> bekannte<br />
Persönlichkeit <strong>in</strong> der Branche“<br />
war. Von daher sei es e<strong>in</strong>facher für sie<br />
gewesen, das Unternehmen zu gründen.<br />
„Man hat gewusst, ich kenne mich aus,<br />
ich weiß <strong>in</strong> der Luftfahrt Bescheid.<br />
Vor allem, wenn <strong>man</strong> eigenes Kapital<br />
<strong>in</strong>vestiert hat, wissen <strong>die</strong> Leute: das <strong>ist</strong><br />
ernst.“ Also hat sie Flugrouten gesucht,<br />
<strong>die</strong> gut funktionieren und somit <strong>die</strong><br />
erfolgreiche Entwicklung der Firma <strong>in</strong><br />
Gang gesetzt. Insbesondere <strong>die</strong> Strecke<br />
von Friedrichshafen nach Graz hat<br />
sich als Renner erwiesen. 2002 wurde<br />
das Low Fare Konzept e<strong>in</strong>geführt. Die<br />
Verantwortung für <strong>die</strong> strategische<br />
Planung und <strong>die</strong> Koord<strong>in</strong>ation im Unternehmen<br />
trägt sie nach wie vor.<br />
Verantwortungsvoller Mut<br />
zum Risiko<br />
Der Erfolg beruhe jedoch nicht auf<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r One-Wo<strong>man</strong>-Show, betont<br />
Renate Moser. „Ich b<strong>in</strong> glücklich,<br />
e<strong>in</strong> exzellentes Team zu haben.“ Das<br />
Unternehmen beschäftigt mittlerweile<br />
70 Mitarbeiter Innen. Viele davon s<strong>in</strong>d<br />
Teilzeitkräfte, weil sie gerne Wiedere<strong>in</strong>steigerInnen<br />
beschäftigt, wie sie<br />
sagt, denn „das <strong>ist</strong> ja e<strong>in</strong> tolles Potenzial“.<br />
Das Wichtigste an der Zusammenarbeit<br />
mit den MitarbeiterInnen s<strong>in</strong>d für sie<br />
Ehrlichkeit und Verlässlichkeit. „Ich<br />
habe <strong>e<strong>in</strong>e</strong> hohe Schmerzgrenze, außer<br />
wenn je<strong>man</strong>d unehrlich <strong>ist</strong>. Da <strong>ist</strong><br />
mit mir nicht zu spaßen“, erklärt sie<br />
bestimmt. Auf <strong>die</strong> Frage, wie sie mit<br />
schwierigen Situationen umgehe, me<strong>in</strong>t<br />
sie nachdenklich: „Natürlich gibt es<br />
Momente, da setze ich mich h<strong>in</strong> und<br />
frage: Schaffe ich das? Wenn ich dann<br />
zehn M<strong>in</strong>uten nachdenke, dann <strong>ist</strong><br />
klar: Ich muss es schaffen, ich habe<br />
Verantwortung für viele Menschen, <strong>die</strong><br />
mir vertrauen.“<br />
Ihr Mut und ihre Risikobereitschaft<br />
gepaart mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m hohen Verantwortungsgefühl<br />
haben zu <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r hohen<br />
Identifikation mit dem Unternehmen<br />
geführt. „Ich b<strong>in</strong> e<strong>in</strong> Dienstle<strong>ist</strong>ungsunternehmen“,<br />
sagt sie und bezeichnet<br />
<strong>die</strong> Firma als „Familien-Airl<strong>in</strong>e“. „Jeder<br />
kennt jeden, mit der Zeit auch <strong>die</strong> Passagiere.<br />
Das <strong>ist</strong> e<strong>in</strong> Vorteil gegenüber<br />
Großkonzernen, <strong>die</strong> Leute wissen, an<br />
wen sie sich wenden können.“ Flexibilität<br />
<strong>ist</strong> gerade <strong>in</strong> <strong>die</strong>sem Feld e<strong>in</strong> großer<br />
Pluspunkt, zumal Auslastungsschwankungen<br />
zum Alltag gehören. „In jeder<br />
Branche gibt es Ups and Downs. In der<br />
Luftfahrt <strong>ist</strong> ke<strong>in</strong> Tag wie der andere.<br />
Wenn <strong>man</strong> das nicht aushält, dann <strong>ist</strong><br />
<strong>man</strong> <strong>in</strong> der falschen Branche.“<br />
Ausgleichende Erfolge<br />
Für Renate Moser <strong>ist</strong> es e<strong>in</strong> gutes<br />
Arbeitsumfeld, wobei sich der Erfolg für<br />
sie nicht nur über den Beruf ableiten<br />
lässt. „Erfolg bedeutet für mich<br />
Ausgeglichenheit und dass ich weiß,<br />
ich habe vieles richtig gemacht. Alles<br />
kann <strong>man</strong> nie richtig machen.“ E<strong>in</strong>e<br />
gute Umgebung und <strong>die</strong> Familie s<strong>in</strong>d<br />
wesentliche Faktoren für das Wohlbef<strong>in</strong>den.<br />
„Reichtum <strong>ist</strong> absolut nicht<br />
ausschlaggebend für e<strong>in</strong> gutes Leben“,<br />
hat sie für sich erkannt. Dass sie ihre<br />
beiden Söhne und <strong>die</strong> Arbeit vere<strong>in</strong>baren<br />
konnte, dafür sei sie besonders<br />
ihrer Mutter dankbar, <strong>die</strong> ihr bei der<br />
Familienbetreuung sehr geholfen habe.<br />
„Wenn <strong>man</strong> Karriere machen will, dann<br />
sollte <strong>man</strong> je<strong>man</strong>den haben, der <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m<br />
den Rücken frei hält.“ Dass sich ihre<br />
zwei Söhne gut entwickelt haben und<br />
nicht auf falsche Wege geraten seien,<br />
betrachtet sie als <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n der größten<br />
Erfolge <strong>in</strong> ihrem Leben.<br />
Ausgehend von ihrer eigenen Entschlossenheit<br />
und Klarheit lautet ihr<br />
Rat für junge Menschen: „Der <strong>in</strong>neren<br />
Stimme folgen und sich durch nichts<br />
und nie<strong>man</strong>den abbr<strong>in</strong>gen lassen. Wenn<br />
<strong>man</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n E<strong>in</strong>satzwillen hat, dann<br />
schafft <strong>man</strong> auch sehr große Aufgaben,<br />
neue D<strong>in</strong>ge anzufangen und hundert<br />
Prozent E<strong>in</strong>satz dafür zu geben.“<br />
Das be<strong>in</strong>haltet für sie auch auf <strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
Familiengründung nicht zu verzichten,<br />
wenn das der Wunsch <strong>ist</strong>. „Wenn <strong>man</strong><br />
wirklich wieder e<strong>in</strong>steigen will, dann<br />
schafft <strong>man</strong> das auch.“ Denn aus ihrer<br />
Sicht br<strong>in</strong>gen Frauen besondere Stärken<br />
mit: „Frauen haben Charme, s<strong>in</strong>d<br />
blitzgescheit, können gut koord<strong>in</strong>ieren<br />
und sie s<strong>in</strong>d zäh.“<br />
90 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie
„Erfolg <strong>ist</strong> für mich e<strong>in</strong> In-sich-Ruhen können, weil <strong>man</strong> etwas erreicht hat.“<br />
91
Andrea Mösl<strong>in</strong>ger<br />
Interview: Anita Zieher | September 2005<br />
Fotos: Nora Friedel<br />
„Die K<strong>in</strong>der waren stolz, was <strong>die</strong> Mama da jetzt macht.“<br />
92 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie
Die Geschäfte <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Firma mit 80 Angestellten<br />
zu leiten, <strong>ist</strong> schon für sich<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong> große Aufgabe für <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Menschen.<br />
Wenn dazu noch <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Familie<br />
mit drei K<strong>in</strong>dern kommt, stellt sich<br />
natürlich <strong>die</strong> Frage, wie das zu schaffen<br />
<strong>ist</strong>. „Da muss <strong>man</strong> schon e<strong>in</strong> sehr gutes<br />
Time-Management haben“, verrät<br />
Andrea Mösl<strong>in</strong>ger ihr Erfolgsrezept und<br />
fügt als zweite Komponente h<strong>in</strong>zu: „Die<br />
Arbeit müsse schon viel Spaß machen,<br />
das sei e<strong>in</strong> wesentlicher Faktor für das<br />
Funktionieren.“ Ihre Familie sei ganz<br />
h<strong>in</strong>ter ihrer Entscheidung gestanden,<br />
auch „<strong>die</strong> K<strong>in</strong>der waren lustigerweise<br />
Ausbildung:<br />
Betriebswirtschaft an der<br />
Universität L<strong>in</strong>z<br />
Position:<br />
Geschäftsführer<strong>in</strong> der Firma<br />
Profactor <strong>in</strong> Steyr<br />
Branche:<br />
Forschung und Entwicklung<br />
im Bereich Technologie<br />
stolz, was <strong>die</strong> Mama da jetzt macht.“<br />
Und das obwohl sie durchgängig<br />
berufstätig war. Dass sie <strong>die</strong> Zeit zu<br />
Hause mit den K<strong>in</strong>dern als „Erholungsfaktor“<br />
betrachtet, spricht dafür, dass<br />
<strong>die</strong> Doppelfunktion tatsächlich gut<br />
funktioniert. <strong>Es</strong> gibt <strong>e<strong>in</strong>e</strong> strikte Aufteilung<br />
mit dem Ehe<strong>man</strong>n, wann wer für<br />
<strong>die</strong> K<strong>in</strong>derbetreuung zuständig <strong>ist</strong>. „Ich<br />
sage immer zu <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Kollegen, der mit<br />
dem Zeit<strong>man</strong>agement nicht auskommt:<br />
Dann musst du e<strong>in</strong>mal <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Familie<br />
gründen und dann lernst du das“,<br />
erzählt sie lachend. Effizienz <strong>ist</strong> für sie<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong> zentrale Eigenschaft, weshalb sie<br />
logischerweise jungen Frauen empfiehlt,<br />
„nicht <strong>die</strong> Zeit zu verplempern“.<br />
Dass sie sich im oberösterreichischen<br />
Forschungsunternehmen Profactor<br />
wohl fühlte, war ausschlaggebend<br />
dafür, dass sie sich 2003 ziemlich<br />
rasch entschied, von der Position<br />
der Mitarbeiter<strong>in</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> der zweiten<br />
Geschäftsführer<strong>in</strong> zu wechseln. „<strong>Es</strong><br />
gab schon Erstaunen, was tut <strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
Betriebswirt<strong>in</strong> <strong>in</strong> der Geschäftsführung<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Forschungsunternehmens, das ja<br />
re<strong>in</strong> technologisch orientiert <strong>ist</strong>“, er<strong>in</strong>nert<br />
sie sich an Reaktionen. Während<br />
93
„Dass <strong>die</strong>se Doppelfunktion Mutter und Geschäftsführer<strong>in</strong><br />
zu se<strong>in</strong> funktioniert, <strong>ist</strong> sicherlich etwas,<br />
worauf ich stolz b<strong>in</strong>.“<br />
des Firmenaufbaus sei jedoch deutlich<br />
geworden, dass neben den technischen<br />
Faktoren eben auch wirtschaftliche und<br />
soziale Komponenten <strong>e<strong>in</strong>e</strong> wesentliche<br />
<strong>Rolle</strong> <strong>in</strong> den Projekten spielen und <strong>die</strong>s<br />
<strong>in</strong> der Geschäftsführung zum Ausdruck<br />
kommen solle. Dass sie vorher schon<br />
sechs Jahre im Unternehmen tätig war,<br />
gewährle<strong>ist</strong>ete Kont<strong>in</strong>uität, das Unternehmen<br />
war ihr und sie den MitarbeiterInnen<br />
und KundInnen bekannt. Was<br />
Vor- und Nachteile hatte, wie sie selbst<br />
zugibt. Als Nichttechniker<strong>in</strong> dauert<br />
es schon, <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m High-Tech-Unternehmen<br />
sowohl <strong>in</strong>nen als auch außen<br />
<strong>die</strong> Akzeptanz zu f<strong>in</strong>den. Die e<strong>in</strong>zige<br />
94 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie
Frau im Kreise von Führungskräften zu<br />
se<strong>in</strong>, sei sie bereits von früheren Jobs<br />
gewohnt gewesen, schildert sie. Der<br />
Anteil der Männer im Unternehmen<br />
<strong>ist</strong> <strong>in</strong>sgesamt wesentlich höher als der<br />
Frauenanteil, was sie auf <strong>die</strong> Technologieorientierung<br />
zurückführt. Ihr<br />
Wunsch <strong>ist</strong> es, mehr Frauen im Unternehmen<br />
zu haben. Beim Personalrecruit<strong>in</strong>g<br />
zeigt sich jedoch oft das Problem,<br />
dass sich nur wenige Frauen mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r<br />
technisch-naturwissenschaftlichen<br />
Ausbildung und <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r entsprechend<br />
hohen Qualifikation bewerben.<br />
Forschen mit nachhaltigem<br />
Erfolg<br />
Neben dem Personalbereich zählt<br />
<strong>die</strong> kaufmännische Abwicklung der<br />
Geschäftsprozesse zu ihren Agenden.<br />
Die Schwerpunkte des Unternehmens<br />
liegen zum <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n bei Prozess- und<br />
Produktionssteuerung, bei der direkten<br />
Anwendung von Forschungsergebnissen<br />
<strong>in</strong> der Produktion wie etwa Bildverarbeitung,<br />
robotische Systeme, Simulation<br />
und Automatisierung. Zum anderen<br />
konzentriert sich <strong>die</strong> Forschung auf<br />
<strong>in</strong>novative Material- und Nanotechnologie.<br />
„Das E<strong>in</strong>zigartige liegt dar<strong>in</strong>, dass<br />
wir im Laufe der letzten zehn Jahre<br />
gelernt haben, wie sich <strong>die</strong> Forschung<br />
<strong>in</strong> kl<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n oder auch großen Betrieben<br />
<strong>in</strong> <strong>die</strong> Realität umsetzen lässt.“<br />
Profactor habe hier <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Brückenschlagfunktion<br />
übernommen, weil es an den<br />
Universitäten oder im Forschungsbereich<br />
Neuheiten gibt, <strong>die</strong> nicht zu den Unternehmen<br />
gelangen. Umgekehrt gibt es<br />
Bedürfnisse bei den Unternehmen von<br />
denen <strong>die</strong> ForscherInnen nichts wüss-<br />
ten. Nachhaltig zu arbeiten und solche<br />
Konzepte für UnternehmenskundInnen<br />
zu entwickeln, gehört zur Unternehmensphilosophie.<br />
Dies sei beispielsweise<br />
<strong>in</strong> der Zusammenarbeit mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m<br />
Sägewerk im Ennstal gelungen, das<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong> neue Art der Holzbearbeitung <strong>in</strong><br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m <strong>in</strong>ternationalen Forschungsprojekt<br />
entwickelt hat und im Probebetrieb<br />
bereits laufen lässt, wodurch 60 neue<br />
Arbeitsplätze geschaffen wurden. Für<br />
Andrea Mösl<strong>in</strong>ger <strong>ist</strong> es wichtig, dass<br />
„<strong>die</strong> Forschung dazu beiträgt, Arbeitsplätze<br />
<strong>in</strong> Betrieben abzusichern, im<br />
Energie- und Umweltbereich Ressourcen<br />
zu schonen und auch <strong>die</strong> sozialen<br />
Inter essen, beispielsweise von MitarbeiterInnen<br />
zu berücksichtigen“.<br />
Spaß an Zahlen<br />
Mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r schwierigen Situation war<br />
das Unternehmen 2002 konfrontiert,<br />
als das Hochwasser <strong>in</strong> Steyr alle Labore<br />
und Masch<strong>in</strong>en der Firma vernichtete.<br />
Das Positive daran war, dass sie nach<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Jahr e<strong>in</strong> Gebäude gefunden<br />
haben, <strong>in</strong>dem nun alle Firmenbereiche<br />
zusammen geführt und <strong>die</strong> gesamte<br />
Belegschaft Platz f<strong>in</strong>den konnte. Mit<br />
dem angemieteten modernen Bau als<br />
nunmehrigem Firmensitz <strong>ist</strong> Andrea<br />
Mösl<strong>in</strong>ger sehr zufrieden: „Diese<br />
Offenheit und Transparenz im Gebäude,<br />
<strong>die</strong> wir natürlich auch <strong>in</strong> der Kommunikation<br />
haben wollen, spiegelt sich <strong>in</strong><br />
gelungener Weise im Gebäude wieder.“<br />
Für <strong>die</strong> MitarbeiterInnen e<strong>in</strong> Umfeld<br />
zu schaffen, <strong>in</strong> dem sie gerne arbeiten,<br />
sei <strong>die</strong> eigentliche Herausforderung<br />
ihres Jobs, sagt sie. „Profactor <strong>ist</strong><br />
ke<strong>in</strong> Unternehmen, wo <strong>man</strong> nur zum<br />
Arbeiten herkommt, sondern weil es<br />
e<strong>in</strong>fach auch Spaß macht und <strong>man</strong><br />
mitwirken will im Unternehmen“, <strong>ist</strong> sie<br />
überzeugt. Von den MitarbeiterInnen<br />
erwarte sie <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie Selbständigkeit.<br />
Innovation sei von ihnen nicht nur<br />
auf technischer Seite gefragt, sondern<br />
auch im H<strong>in</strong>blick auf Verbesserungen<br />
im Betrieb.<br />
Das Interesse für das F<strong>in</strong>anzwesen hat<br />
sich bei ihr erst nach dem Betriebswirtschaftsstudium<br />
<strong>in</strong> ihrem ersten Job<br />
bei <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m <strong>in</strong>ternationalen Konzern <strong>in</strong><br />
Wien e<strong>in</strong>gestellt. „Ich habe dann im<br />
beruflichen Alltag erkannt, wie wichtig<br />
und <strong>in</strong>teressant das <strong>ist</strong>, dass es nicht<br />
nur trockene Zahlen s<strong>in</strong>d, sondern<br />
dass es wirklich spannend <strong>ist</strong>.“ Für ihr<br />
eigenes berufliches Vorankommen seien<br />
Zielorientierung, Belastbarkeit, Ehrgeiz<br />
und <strong>die</strong> fachliche Kompetenz besonders<br />
wichtig gewesen. „E<strong>in</strong> solides Fachwissen,<br />
das <strong>ist</strong> unumgänglich. Wenn <strong>man</strong><br />
e<strong>in</strong> gewisses Basis-Know-how nicht<br />
hat, dann wird <strong>man</strong> e<strong>in</strong>fach nicht ernst<br />
genommen“, weiß sie. Von ihrer Familie<br />
hat sie <strong>in</strong> Bezug auf ihre Ausbildung<br />
den Grundsatz mitbekommen: „Schau<br />
dass Du das Beste draus machst. Gib<br />
De<strong>in</strong> Bestes.“ Ihr kont<strong>in</strong>uierlicher Karriereweg<br />
lässt darauf schließen, dass<br />
ihr das auch im Beruf gelungen <strong>ist</strong>.<br />
95
Kar<strong>in</strong> Möstl<br />
Interview: Teresa Arrieta | Oktober 2006<br />
„Wer Karriere machen will, kommt mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r üblichen<br />
40 Stunden-Arbeitswoche nicht durch, für Frauen<br />
mit K<strong>in</strong>dern <strong>ist</strong> das e<strong>in</strong> Handicap.“<br />
Fotos: Lisa Holzer<br />
96 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie
„Übermäßiger Erfolgsdruck<br />
geht wider <strong>die</strong> menschliche<br />
Natur“<br />
Virenforscher<strong>in</strong> Kar<strong>in</strong> Möstl kämpft<br />
mit der Zeit, f<strong>in</strong>det, dass der extremer<br />
werdende Le<strong>ist</strong>ungsstress auf Kosten<br />
der Kreativität geht, verhilft Frauen<br />
zur Karriere und erklärt, wieso <strong>man</strong><br />
bei R<strong>in</strong>dern zuschlagen muss.<br />
Kar<strong>in</strong> Möstl zählt zu Österreichs<br />
führenden VirologInnen <strong>in</strong> der Veter<strong>in</strong>ärmediz<strong>in</strong><br />
und hat <strong>e<strong>in</strong>e</strong> beachtliche<br />
Ausbildung:<br />
Studium der Veter<strong>in</strong>ärmediz<strong>in</strong> <strong>in</strong> Wien<br />
Position:<br />
Leiter<strong>in</strong> der „Kl<strong>in</strong>ischen Virologie“ und<br />
Departmentsprecher<strong>in</strong> des Departments<br />
für Bildgebende Diagnostik<br />
Infektions- und Laboratoriumsmediz<strong>in</strong><br />
der Veter<strong>in</strong>ärmediz<strong>in</strong>ischen<br />
Universität Wien<br />
Wissenschaftsdiszipl<strong>in</strong>:<br />
Veter<strong>in</strong>ärmediz<strong>in</strong><br />
Universitätskarriere absolviert, aber sie<br />
musste oft <strong>die</strong> Zähne zusammenbeißen.<br />
<strong>Es</strong> gab „schwierige“ Jahre. Etwa, als<br />
ihre Tochter <strong>in</strong> der Pubertät war und<br />
sie selber ungeplante fünf Jahre lang<br />
<strong>die</strong> <strong>in</strong>terim<strong>ist</strong>ische Leitung des Universitäts-Instituts<br />
übernehmen musste.<br />
E<strong>in</strong> ständiger Zeitkampf sei es gewesen,<br />
mit „wahns<strong>in</strong>nig viel schlechtem Gewissen<br />
auf beiden Fronten“. Natürlich<br />
müssten Frauen <strong>die</strong>selbe Möglichkeit<br />
zur Karriere erhalten wie Männer. Aber<br />
<strong>die</strong>se Theorie dann <strong>in</strong> der Praxis mit dem<br />
Familienleben zu ver<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n, <strong>ist</strong> schwer.<br />
Wie soll frau zu karrierenotwendigen<br />
Arbeitsmeet<strong>in</strong>gs gehen, <strong>die</strong> nach Dienstschluss<br />
gegen 17.30 h beg<strong>in</strong>nen, wenn<br />
das K<strong>in</strong>d zur selben Zeit vom K<strong>in</strong>dergarten<br />
abgeholt werden muss? Karriere<br />
ohne Mehraufwand <strong>ist</strong> nicht möglich, so<br />
<strong>die</strong> bittere Erkenntnis. Dennoch hat<br />
Kar<strong>in</strong> Möstl es geschafft, alles unter<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Hut zu br<strong>in</strong>gen. Wobei sie ihre fulm<strong>in</strong>ante<br />
Laufbahn nie angestrebt hat: E<strong>in</strong><br />
bisschen unverhofft sei sie da „h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>gestoßen“<br />
worden, dann jedoch habe sie<br />
den sich auftuenden Weg gern beschritten<br />
und sich „voll h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>gestürzt“.<br />
97
„<strong>Es</strong> muss <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Grenze geben: Wenn der Druck zu<br />
groß <strong>ist</strong>, geht das auf Kosten der Lebensqualität.“<br />
Vom „Mauserl“ zur Frau<br />
Professor<br />
Veter<strong>in</strong>ärmediz<strong>in</strong> stu<strong>die</strong>rte sie, um Tieren<br />
zu helfen. Die Frauenquote war damals,<br />
vor dreißig Jahren, noch niedrig,<br />
<strong>die</strong> Aufstiegschancen ger<strong>in</strong>g. Kommentare<br />
wie: „Na Mauserl, kannst des wieder<br />
net“, machten <strong>die</strong> Haltung deutlich,<br />
<strong>die</strong> Frauen von Seiten e<strong>in</strong>iger Lehrenden<br />
entgegengebracht wurde. Zugute<br />
kam ihr, dass sie gleich zu Stu<strong>die</strong>nbeg<strong>in</strong>n<br />
ihren zukünftigen Mann kennen<br />
lernte, der ihr über <strong>die</strong> ärgsten Hürden<br />
98 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie
h<strong>in</strong>weghalf. Denn <strong>die</strong> Rechtsanwaltstochter<br />
war zwar seit ihrer K<strong>in</strong>dheit mit<br />
Pferden vertraut, hatte jedoch den Umgang<br />
mit Nutztieren wie R<strong>in</strong>dern oder<br />
Schw<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n nie gelernt. E<strong>in</strong> Umstand,<br />
den damals an der Universität nie<strong>man</strong>d<br />
verstand. Schwer fiel ihr vor allem das<br />
Blutabnehmen: Während <strong>man</strong> beim<br />
Pferd „gefühlvoll <strong>in</strong> <strong>die</strong> Vene sticht“,<br />
muss <strong>man</strong> beim R<strong>in</strong>d „zuschlagen“, um<br />
<strong>die</strong> dicke Haut zu durchbohren. E<strong>in</strong>ige<br />
Zeit übte Kar<strong>in</strong> Möstl mit ihrem Mann,<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Tierarztsohn, bis sie ihre Hemmschwelle<br />
überwunden hatte. Nach dem<br />
Studium wollte sie eigentlich an <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r<br />
Universitäts-Tierkl<strong>in</strong>ik arbeiten, doch<br />
es wurden k<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Frauen genommen.<br />
Begründung: Diese können sich bei den<br />
WärterInnen nicht durchsetzen – <strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
Aussage, <strong>die</strong> damals auf allgem<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n<br />
Konsens stieß. Der Posten auf der Virologie,<br />
der ihr stattdessen angeboten<br />
wurde, markierte dann den Startschuss<br />
für ihre Karriere.<br />
In <strong>die</strong> Karriere h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>gerutscht<br />
Kar<strong>in</strong> Möstl arbeitete als Universitätsass<strong>ist</strong>ent<strong>in</strong><br />
bis <strong>die</strong> Tochter zur Welt<br />
kam. Das darauf folgende Jahr blieb sie<br />
zu Hause, „sicher <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s der schönsten<br />
Jahre“. Geplant war damals, dass ihr<br />
Mann, der ebenfalls an der Vetmed<br />
arbeitete, habilitieren sollte und sie<br />
nebst familiären Pflichten „halt auch<br />
gerne am Institut war“. Dann jedoch<br />
„passierte“ ihr der Karrieresprung: Aus<br />
heiterem Himmel beschloss ihr Chef:<br />
„Sie habilitieren.“ Ihre Zweifel wischte<br />
er vom Tisch und sobald sie Frau Professor<br />
geworden war, emeritierte er –<br />
ebenfalls sehr überraschend. Die darauf<br />
folgenden Jahre als <strong>in</strong>terim<strong>ist</strong>ischer<br />
Institutsvorstand waren Arbeitsstress<br />
pur, <strong>die</strong> heranwachsende Tochter kam<br />
damals zu kurz, bedauert <strong>die</strong> Virolog<strong>in</strong><br />
heute. Erst nach der Spaltung des<br />
Institutes aus fachlichen Gründen und<br />
ihrer Bestellung zur Leiter<strong>in</strong> des somit<br />
neu gegründeten „Institut für kl<strong>in</strong>ische<br />
Virologie“ konnte sie aufatmen und<br />
sich ihrem persönlichen Forschungsschwerpunkt<br />
widmen: Die Forscher<strong>in</strong><br />
aus Leidenschaft befasst sich mit<br />
krankmachenden Eigenschaften von<br />
Viren, neuen Diagnoseverfahren und<br />
prophylaktischen Maßnahmen. Für<br />
„Coronaviren“, <strong>die</strong> bei diversen Tierarten<br />
auftreten können und schwere<br />
Erkrankungen hervorrufen, gilt Kar<strong>in</strong><br />
Möstl als <strong>in</strong>ternationale Kapazität.<br />
Frauenkarrieren fördern<br />
E<strong>in</strong> besonderes Anliegen <strong>ist</strong> ihr <strong>die</strong><br />
Förderung von Frauen. Als ihre Tochter<br />
noch kle<strong>in</strong> war, waren flexible Arbeitszeiten<br />
ke<strong>in</strong> Thema. Das will sie als<br />
Chef<strong>in</strong> nun anders machen: Bis auf<br />
zwei Ausnahmen s<strong>in</strong>d ihre großteils<br />
weiblichen MitarbeiterInnen Mütter.<br />
Als Institutsleiter<strong>in</strong> sieht sie e<strong>in</strong>, „dass<br />
<strong>man</strong>, wenn e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d krank <strong>ist</strong>, nicht um<br />
acht Uhr da se<strong>in</strong> kann.“ Ja, sie bekenne<br />
sich dazu, Frauen, <strong>die</strong> sich für den<br />
Karriereweg entschieden haben, „mehr<br />
Chancen“ ermöglichen zu wollen - und<br />
das bekomme <strong>man</strong> ja „absolut zurück“:<br />
Ihr Institut für Kl<strong>in</strong>ische Virologie zählt<br />
im <strong>in</strong>ternen Vetmed-Rank<strong>in</strong>g zur absoluten<br />
Forschungsspitze, e<strong>in</strong> Umstand,<br />
den sie auf das besondere Engagement<br />
ihrer MitarbeiterInnen zurückführt.<br />
Insgesamt erlebt sie <strong>die</strong> aktuellen<br />
Entwicklungen im Forschungsbereich<br />
mit gemischten Gefühlen. Der Druck<br />
sei enorm gestiegen. Gut <strong>ist</strong> es zwar,<br />
dass durch den verstärkten Wettbewerb<br />
mehr Forschungsle<strong>ist</strong>ung erbracht<br />
werden muss, aber der extreme<br />
Publikationszwang geht auf Kosten<br />
der Kreativität. Auch fragt sich <strong>die</strong> Departmentsprecher<strong>in</strong><br />
mitunter, „warum<br />
denn alles so schnell gehen muss.“ Der<br />
hohe Druck zu rasch erzielten Erfolgen<br />
und ständig steigender Le<strong>ist</strong>ung gehe<br />
„gegen <strong>die</strong> menschliche Natur“, psychosomatische<br />
Beschwerden seien an<br />
der Tagesordnung. Auch <strong>die</strong> Tatsache,<br />
dass immer mehr Frauen, <strong>die</strong> sich zu<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Forscherkarriere entschließen,<br />
k<strong>e<strong>in</strong>e</strong> K<strong>in</strong>der mehr bekommen, <strong>ist</strong> <strong>in</strong><br />
ihren Augen k<strong>e<strong>in</strong>e</strong> gute Entwicklung.<br />
Sie selber hat, seit <strong>die</strong> Tochter aus dem<br />
Haus <strong>ist</strong>, neue Freiheiten gewonnen.<br />
Z. B. geht sie mit ihrem Mann, der<br />
ebenfalls an der Veter<strong>in</strong>ärmediz<strong>in</strong>ischen<br />
Universität arbeitet, auf dem<br />
geme<strong>in</strong>samen Heimweg spätabends<br />
noch essen; jetzt <strong>ist</strong> das ja möglich.<br />
Und widmet sich ihrer Leidenschaft,<br />
dem Reitsport, als Ausgleich für <strong>die</strong><br />
Seele. Reitexkursionen über <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Woche<br />
<strong>in</strong> Island gehören zum Schönsten,<br />
schwärmt Kar<strong>in</strong> Möstl. Am wichtigsten<br />
<strong>ist</strong>, dass ausreichend Zeit für <strong>die</strong><br />
Familie bleibt. E<strong>in</strong> Herzenswunsch <strong>ist</strong><br />
noch offen: Besonders freuen würde<br />
sich Kar<strong>in</strong> Möstl über Familienzuwachs,<br />
wenn ihre Tochter sie „zur Großmutter<br />
machen sollte.“<br />
99
Inge Mühlbacher und Sonja Pichler<br />
Interview: Teresa Arrieta | März 2007<br />
Fotos: Kathar<strong>in</strong>a Gossow<br />
„Wir stellen <strong>die</strong> gelebte Symbiose zweier Wissenschafter<strong>in</strong>nen<br />
im Bereich der High-Tech Forschung dar.“<br />
100 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie
„Als Zweierteam ergänzen<br />
wir uns perfekt“<br />
Für AT&S, <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m der drei Weltmarktführer<br />
<strong>in</strong> der Leiterplatten<strong>in</strong>dustrie,<br />
haben <strong>die</strong> beiden Forscher<strong>in</strong>nen<br />
geme<strong>in</strong>sam e<strong>in</strong> sensationelles neues<br />
Material für Lichtwellenleiter auf<br />
Basis von Polymeren entwickelt, das<br />
nun patentiert wird.<br />
Eigentlich hat der Zufall Inge Mühlbacher<br />
und Sonja Pichler im Zuge<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Postenneubesetzung zusammengeführt.<br />
Beide wollten lieber <strong>in</strong> der<br />
Ausbildung:<br />
beide Studium der Chemie<br />
Karl-Franzens Universität Graz<br />
Position:<br />
Researcher (Projektleiter<strong>in</strong>) & Junior<br />
Researcher, Polymer Competence<br />
Center Leoben (PCCL)<br />
PCCL-Außenstelle: Institut für Chemische<br />
Technologie Organischer Stoffe,<br />
Technische Universität Graz<br />
Wissenschaftsdiszipl<strong>in</strong>:<br />
Chemie<br />
anwendungsorientierten Forschung,<br />
als auf der Universität arbeiten, da<br />
ihnen der Praxisbezug besonders am<br />
Herzen liegt: Beiden <strong>ist</strong> es wichtig,<br />
„<strong>die</strong> Umsetzung unserer Forschungsresultate<br />
miterleben zu können.“ Aber<br />
Inge Mühlbacher suchte als Mutter<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Sohnes im K<strong>in</strong>dergartenalter <strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
Halbtagsanstellung – im Forschungsbereich<br />
ke<strong>in</strong> leichtes Unterfangen. Doch<br />
nicht unmöglich, wie sich herausstellen<br />
sollte, denn das Polymer Compentence<br />
Center Leoben (PCCL) erwies sich als<br />
familienfreundliches Unternehmen, das<br />
auch Wiedere<strong>in</strong>steigerInnen <strong>die</strong> Chance<br />
zur Karriere gibt. Das PCCL hat <strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
Außenstelle am Institut für Chemische<br />
Technologie Organischer Stoffe an<br />
der Technischen Universität Graz. <strong>Es</strong><br />
<strong>ist</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong> <strong>in</strong>novative Forschungsgesellschaft,<br />
<strong>die</strong> das B<strong>in</strong>deglied zwischen<br />
den österreichischen Universitäten und<br />
der anwendungsorientierten Industrie<br />
bildet. Das Unternehmen gab Inge<br />
Mühlbacher <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Halbtagsposten: Die<br />
Leitung <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Forschungsprojektes zur<br />
Entwicklung <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s neuen Materials für<br />
Lichtwellenleiter im Auftrag der Firma<br />
AT&S, <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Weltmarktführer <strong>in</strong> der<br />
Leiterplattenherstellung (Leiterplatten<br />
101
<strong>die</strong>nen im Computer der mechanischen<br />
Befestigung und der Verb<strong>in</strong>dung von<br />
elektronischen Bauteilen). Weltweit<br />
wird <strong>in</strong> <strong>die</strong>sem Bereich an neuen Technologien<br />
geforscht, <strong>die</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n rascheren<br />
und größeren Datentransfer ermöglichen<br />
sollen.<br />
Patent im weiblichen<br />
Alle<strong>in</strong>gang<br />
Mit der Übernahme <strong>die</strong>ses Projektes<br />
erschloss sich Inge Mühlbacher e<strong>in</strong><br />
spannendes Forschungsgebiet, das<br />
ihr gleichzeitig auch <strong>die</strong> Möglichkeit<br />
bot <strong>die</strong> Nachmittage ihrem Sohn zu<br />
widmen. Doch das verdankt sie auch<br />
der harmonischen Zusammenarbeit mit<br />
Sonja Pichler, <strong>die</strong> für dasselbe Projekt<br />
engagiert wurde und sich als kongeniale<br />
Ergänzung erwies. E<strong>in</strong>e der beiden <strong>ist</strong><br />
immer am Arbeitsplatz präsent. Sicher<br />
sei <strong>e<strong>in</strong>e</strong> so partnerInnenschaftliche<br />
Zusammenarbeit im Führungsbereich<br />
ungewöhnlich, aber <strong>in</strong> den drei Jahren<br />
ihrer Kooperation <strong>ist</strong> es k<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r der<br />
beiden e<strong>in</strong>gefallen, <strong>die</strong> Macht an sich<br />
zu reißen. Ganz im Gegenteil: „Wir<br />
gleichen unsere jeweiligen Stärken und<br />
Schwächen gut aus“, bestätigen <strong>die</strong><br />
beiden Forscher<strong>in</strong>nen. Sowohl der Insti-<br />
tutsvorstand als auch der Auftraggeber<br />
AT&S schätzen <strong>in</strong> der Zwischenzeit das<br />
Zusammenspiel der beiden High-Tech<br />
Expert<strong>in</strong>nen und unterstützen <strong>die</strong>se<br />
mit Flexibilität und Verständnis – <strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
Haltung, <strong>die</strong> nun von Erfolg gekrönt<br />
<strong>ist</strong>: Sonja Pichler und Inge Mühlbacher<br />
haben nach dreijähriger Forschungsarbeit<br />
e<strong>in</strong> neues Lichtwellenleitermaterial<br />
entwickelt, das <strong>die</strong> Integration<br />
von Lichtwellenleitern auf Leiterplatten<br />
kostengünstig, schnell und umweltfreundlich<br />
macht. Das von Inge Mühlbacher<br />
und Sonja Pichler entwickelte<br />
Material könnte sich als sensationelle<br />
und höchst gew<strong>in</strong>nträchtige Erf<strong>in</strong>dung<br />
102 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie
erweisen – vor allem für den Leiterplattenhersteller<br />
AT&S, dem Auftraggeber<br />
und Promotor des Projektes.<br />
Mit Ausdauer zum Erfolg<br />
E<strong>in</strong> Erfolg, der nicht evident schien,<br />
denn anfangs gab es viele Hürden<br />
und von Seiten der AuftraggeberInnen<br />
wenig Vertrauen <strong>in</strong> das Projekt. Doch<br />
<strong>die</strong> beiden Forscher<strong>in</strong>nen ließen sich<br />
von ihrer Vision nicht abbr<strong>in</strong>gen und<br />
setzten sich drei Jahre lang mit Energie<br />
und Stehvermögen gegen alle Widerstände<br />
durch, wie sich Sonja Pichler<br />
er<strong>in</strong>nert: „Wir konnten <strong>die</strong> Firma<br />
schrittweise überzeugen.“ Deswegen<br />
waren <strong>die</strong> Chemiker<strong>in</strong>nen mit der Präsentation<br />
ihrer Resultate zuerst noch<br />
zurückhaltend, bis <strong>die</strong> gewünschten<br />
Erfolge zweifelsfrei vorlagen. Heute <strong>ist</strong><br />
Sonja Pichler überzeugt, dass <strong>man</strong> zu<br />
lange mit der Patentierung gewartet<br />
habe. „Beim nächsten Patent werden<br />
wir das schneller angehen, denn nun<br />
s<strong>in</strong>d wir sicherer geworden.“ Über<br />
<strong>die</strong> Jahre <strong>ist</strong> das geme<strong>in</strong>schaftliche<br />
Forschungsprojekt weiter ge<strong>die</strong>hen:<br />
Heute arbeiten Pichler und Mühlbacher<br />
nicht mehr alle<strong>in</strong> im stillen Kämmerle<strong>in</strong>,<br />
sondern werden von zusätzlichen<br />
MitarbeiterInnen unterstützt.<br />
Der Umgang mit den KollegInnen <strong>ist</strong><br />
nicht hierarchisch, sondern betont<br />
kollegial, „das erhöht den Output und<br />
nützt dem Projekt“. Ihre Zukunftsperspektiven<br />
sehen beide nach <strong>die</strong>sem<br />
E<strong>in</strong>stiegserfolg rosig: E<strong>in</strong>e Zeitlang<br />
werde <strong>man</strong> noch als symbiotisches<br />
Forschungswesen ex<strong>ist</strong>ieren. Nach<br />
Abschluss des Patentes möchte Sonja<br />
Pichler sich dann <strong>in</strong> Richtung Qualitäts<strong>man</strong>agement<br />
weiterentwickeln.<br />
Inge Mühlbacher h<strong>in</strong>gegen bleibt der<br />
Forschung erhalten.<br />
„Wir waren eben zäh und haben<br />
unser Projekt trotz der anfänglichen<br />
Widerstände nicht<br />
aufgegeben, je<strong>man</strong>d anderer<br />
wäre vielleicht abgesprungen.“<br />
103 14
Renate Rosengarten<br />
Interview: Teresa Arrieta | April 2007<br />
„Bei <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Mann wird Erfolg als selbstverständlich<br />
akzeptiert, Frauen werden h<strong>in</strong>gegen unterschätzt<br />
und müssen selbst <strong>in</strong>itiativ werden. Ich war immer<br />
sehr selbstständig.“<br />
Fotos: Lisa Holzer<br />
104 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie
Fasz<strong>in</strong>iert vom Unsichtbaren<br />
Die Mykoplasmen-Expert<strong>in</strong> Renate<br />
Rosengarten erklomm den Karrieregipfel<br />
im völligen Alle<strong>in</strong>gang, hat<br />
kollegialen Neid abgeschüttelt und<br />
strebt e<strong>in</strong> <strong>in</strong>spirierendes Forschungsklima<br />
an, wo alle MitarbeiterInnen<br />
gleichwertig s<strong>in</strong>d.<br />
„In den USA, das war e<strong>in</strong>fach e<strong>in</strong><br />
anderes Leben“, schwärmt Renate<br />
Rosengarten. Mit viel Herzlichkeit und<br />
Unkompliziertheit sei sie an der University<br />
of Missouri als junge Post-Dokto-<br />
Ausbildung:<br />
Studium der Biologie und<br />
Veter<strong>in</strong>är mediz<strong>in</strong> an der<br />
Universität Hannover und<br />
Tierärztlichen Hochschule Hannover<br />
Position:<br />
Vorstand am Institut für Bakteriologie,<br />
Mykologie und Hygiene der Veter<strong>in</strong>ärmediz<strong>in</strong>ischen<br />
Universität Wien<br />
Gründer<strong>in</strong> von Mycosafe, 2003<br />
Branche:<br />
Forschung und Entwicklung<br />
im Bereich Naturwissenschaften<br />
rand<strong>in</strong> empfangen worden. Jenseits von<br />
Hierarchie und Bürokratie – alle seien<br />
dort gleichwertig gewesen. „Die Arbeit<br />
war so spannend, dass wir oft <strong>die</strong><br />
ganze Nacht durchgemacht haben“, so<br />
schildert sie <strong>die</strong> Sternstunden ihres damaligen<br />
Forscher<strong>in</strong>nen-Lebens. Um drei<br />
Uhr früh hätte sich das Team noch <strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
Pizza bestellt. Nach e<strong>in</strong> paar Stunden<br />
lästigen obligatorischen Schlafes <strong>ist</strong> sie<br />
dann gleich wieder <strong>in</strong>s Labor zurückgekehrt.<br />
Ja, Renate Rosengarten lebt für<br />
ihren Job, e<strong>in</strong> richtiges Arbeitstier, das<br />
sich auch dann nicht aufhalten lässt,<br />
wenn das profane Leben außerhalb des<br />
Labors ihre Arbeitswut zu erschweren<br />
trachtet: Bei <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Forschungsaufenthalt<br />
<strong>in</strong> Israel war sie dermaßen getrieben<br />
von dem Wunsch, „etwas weiterzubr<strong>in</strong>gen“,<br />
dass sie sogar am Sabbat <strong>in</strong>s<br />
Labor g<strong>in</strong>g, bei abgedrehter Klimaanlage<br />
und nur e<strong>in</strong>geschränkt zugänglicher<br />
technischer Ausrüstung. „Aber es gab<br />
auch israelische ForscherInnen, <strong>die</strong> am<br />
Sabbat arbeiteten“, sagt sie entschuldigend.<br />
Liebenswürdig, unaufdr<strong>in</strong>glich<br />
und zurückhaltend <strong>ist</strong> Renate Rosengarten,<br />
nobles Understatement kl<strong>in</strong>gt<br />
aus jeder ihrer Schilderungen. Ihre<br />
fulm<strong>in</strong>ante Karriere habe eher „auf<br />
105
Glück und Zufall beruht“, wiegelt sie<br />
Beifallskundgebungen ab. Als K<strong>in</strong>d sei<br />
sie stets h<strong>in</strong>ter ihrem Bruder zurück<br />
gestanden, bis heute <strong>ist</strong> sie k<strong>e<strong>in</strong>e</strong>, <strong>die</strong><br />
nach vorne prescht und ihre Meriten<br />
vor sich her trägt – dabei hätte sie<br />
allen Grund dazu.<br />
Sensationserfolg <strong>in</strong> den USA<br />
Bereits als junge Post-Doktorand<strong>in</strong> landete<br />
sie <strong>in</strong> den USA unverhofft <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n<br />
wissenschaftlichen Volltreffer: Ihre<br />
Erkenntnisse zur Wandlungsfähigkeit<br />
der Mykoplasmen-Oberfläche wurden<br />
zur Titelstory des renommierten<br />
„Science Magaz<strong>in</strong>e“, das von ihr beigelegte<br />
Mykoplasmen Foto kam prompt<br />
aufs Cover. „<strong>Es</strong> war e<strong>in</strong> wunderschönes<br />
buntes Bild, <strong>die</strong> Story war für mich und<br />
m<strong>e<strong>in</strong>e</strong> amerikanischen KollegInnen e<strong>in</strong><br />
riesiger Durchbruch, mit Presse und<br />
weiteren Papers.“ Um Mykoplasmen,<br />
<strong>die</strong>se kl<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Bakterien ohne Zellwand,<br />
<strong>die</strong> e<strong>in</strong> ger<strong>in</strong>ges Genom aufweisen<br />
und zu chronischen Krankheiten wie<br />
Lungenentzündung oder Arthritis bei<br />
Mensch und Tier führen, dreht sich<br />
Renate Rosengartens Forscherleben bis<br />
heute. Denn häufig erweisen sich <strong>die</strong>se<br />
Krankheitsträger als therapieres<strong>ist</strong>ent,<br />
weil sie über <strong>die</strong> Fähigkeit verfügen,<br />
sich im Wirtsorganismus zu verstecken<br />
und der Immunantwort auszuweichen.<br />
Das Interesse für w<strong>in</strong>zige, mit freiem<br />
Auge nicht auszumachende Lebewesen<br />
war bei Renate Rosengarten von kle<strong>in</strong><br />
an ausgeprägt: Als K<strong>in</strong>d <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r großbürgerlichen<br />
norddeutschen Familie wuchs<br />
sie auf <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m riesigen Anwesen mit<br />
Wäldern und Teichen auf und staunte<br />
schon damals über <strong>die</strong> Wunder der Na-<br />
tur: Als sie zum Geburtstag e<strong>in</strong> Mikroskop<br />
bekam, untersuchte sie stundenlang<br />
Wassertropfen : „Mich hat immer<br />
schon das Unsichtbare fasz<strong>in</strong>iert.“<br />
Frause<strong>in</strong> als Karriereh<strong>in</strong>dernis<br />
Nach den anfänglichen amerikanischen<br />
Sensationserfolgen wollte <strong>man</strong> Renate<br />
Rosengarten <strong>in</strong> Deutschland zurückhaben,<br />
doch <strong>die</strong>se Rückkehr stand unter<br />
k<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m guten Stern: Allzu groß war der<br />
„Kulturschock“ nach der lockeren Amerika<br />
Zeit. „<strong>Es</strong> war alles sehr bürokratisch<br />
und hierarchisch <strong>in</strong> Deutschland,<br />
<strong>die</strong>ses Gleichwertigkeitsgefühl der USA<br />
fehlte“, schildert Renate Rosengarten<br />
den schwierigen Neue<strong>in</strong>stieg. Sie<br />
versuchte <strong>e<strong>in</strong>e</strong> eigene Arbeitsgruppe<br />
aufzubauen und es gelang ihr auch<br />
Forschungsgelder e<strong>in</strong>zuwerben. Doch<br />
<strong>die</strong>ser neuerliche Erfolg führte zu<br />
derart vehementem Neid, dass sie sogar<br />
Rechtsberatung <strong>in</strong> Anspruch nehmen<br />
musste und schließlich an <strong>die</strong> Hadassah<br />
Medical School der Hebrew University<br />
Jerusalem nach Israel flüchtete. „Wäre<br />
ich e<strong>in</strong> Mann gewesen, hätte <strong>man</strong> <strong>in</strong><br />
Deutschland m<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Erfolge eher akzeptiert“,<br />
<strong>ist</strong> <strong>die</strong> Top-Forscher<strong>in</strong> überzeugt.<br />
Viel freundlicher wurde sie h<strong>in</strong>gegen<br />
im aufgeschlossenen Israel empfangen.<br />
Dort bee<strong>in</strong>druckten sie nicht nur <strong>die</strong><br />
Herzlichkeit der ForscherInnengeme<strong>in</strong>de,<br />
sondern auch <strong>die</strong> überwältigende<br />
Landschaft. Täglich wanderte sie<br />
um halb sieben Uhr früh den Berg nahe<br />
der Hadassah Medical School h<strong>in</strong>auf,<br />
um Kraft <strong>in</strong> der Natur zu tanken: „Der<br />
Ausblick war e<strong>in</strong>malig“. Zwei Jahre<br />
später erfolgte der Ruf nach Wien, als<br />
Vorstand des Instituts für Bakteriologie,<br />
Mykologie und Hygiene an der Veter<strong>in</strong>ärmediz<strong>in</strong>ischen<br />
Universität Wien.<br />
Auch hier kam ihr das Frause<strong>in</strong> anfangs<br />
<strong>in</strong> <strong>die</strong> Quere: Nicht nur, dass sie damals<br />
erst <strong>die</strong> zweite ordentliche Universitätsprofessor<strong>in</strong><br />
an der VetMed war,<br />
sondern sie war anfangs <strong>die</strong> jüngste<br />
Professur<strong>in</strong>haber<strong>in</strong> sogar im Männervergleich<br />
und obendre<strong>in</strong> Institutsvorständ<strong>in</strong><br />
– zuviel des Guten. „Noch <strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
Frau, das <strong>ist</strong> uns hier zuviel“, entfuhr es<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Wiener Kollegen älteren Semesters<br />
– <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Äußerung, <strong>die</strong> Rosengarten<br />
trotz aller Standfestigkeit verunsicherte<br />
und verletzte. „Aber vielleicht war es<br />
nicht so geme<strong>in</strong>t, <strong>die</strong> Wortwahl war<br />
halt unglücklich“, relativiert sie heute<br />
nobel. E<strong>in</strong>fach seien <strong>die</strong> Anfänge jedenfalls<br />
nicht gewesen, lang hatte sie zu<br />
kämpfen, um ihr Institut wissenschaftlich<br />
flott zu machen.<br />
Eigene Firma, Hochkultur und<br />
Briefmarken<br />
Heute versucht sie, <strong>die</strong> <strong>in</strong> den USA<br />
genossene Gleichwertigkeit auch an<br />
der Wiener Universität zu leben und so<br />
e<strong>in</strong> <strong>in</strong>spirierendes Forschungsklima zu<br />
schaffen. Die MitarbeiterInnen ihres<br />
Institutes danken es ihr mit ausgezeichneten<br />
Forschungsle<strong>ist</strong>ungen und<br />
Bege<strong>ist</strong>erung für <strong>die</strong> Sache: „Manche<br />
KollegInnen, <strong>die</strong> beispielsweise <strong>in</strong><br />
Karenz s<strong>in</strong>d, wollen danach unbed<strong>in</strong>gt<br />
wieder zu mir zurück.“ E<strong>in</strong>e wichtige<br />
Stütze <strong>ist</strong> ihr heute das von ihr Ende<br />
2003 gegründete Sp<strong>in</strong> Off, <strong>die</strong> Firma<br />
Mycosafe. Hier werden für <strong>die</strong> biopharmazeutische<br />
Industrie Impfstoffe und<br />
andere Biologika auf Mykoplasmenfreiheit<br />
erprobt, sowie raschere Testme-<br />
106 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie
thoden entwickelt. Synergien mit der<br />
Mykoplasmen-Forschung am Institut<br />
ergeben sich ideal. Als nächsten Schritt<br />
möchte sie je<strong>man</strong>den mit der kooperativen<br />
Weiterentwicklung der Firma<br />
auf <strong>in</strong>ternationaler Ebene betrauen,<br />
um vielleicht mehr Freizeit gew<strong>in</strong>nen<br />
zu können, denn <strong>die</strong> Wissenschafter<strong>in</strong><br />
genießt Wiens Kultur: „Klassische Musik<br />
hat mich schon als K<strong>in</strong>d bege<strong>ist</strong>ert<br />
und den Goldenen Saal im Musikvere<strong>in</strong><br />
genieße ich e<strong>in</strong>fach.“ Auch möchte sie<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r weiteren Leidenschaft <strong>in</strong> Zukunft<br />
mehr Raum geben: Der Philatelie,<br />
Spezialgebiet Altdeutschland. Die<br />
Hannoverschen Briefmarken wecken<br />
Assoziationen mit ihrer Familie, <strong>die</strong><br />
angesehene Papierfabrikanten <strong>in</strong><br />
Osnabrück waren. „Über <strong>die</strong> Briefmarken<br />
hab ich mich immer schon<br />
gerne mit m<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Familiengeschichte<br />
bis zu Karl dem Großen befasst.“ Als<br />
Frau hätte sie es <strong>in</strong> ihrer Karriere<br />
bisher immer schwer gehabt, me<strong>in</strong>t sie<br />
rückblickend. „Alles, was ich geschafft<br />
habe, beruhte auf Eigen<strong>in</strong>itiative, mich<br />
hat kaum je<strong>man</strong>d unterstützt.“ Man<br />
müsse sich mitunter eben alternative<br />
Wege schaffen, um trotzdem erfolgreich<br />
se<strong>in</strong> zu können. „M<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Devise<br />
war immer: Weitermachen, hartnäckig<br />
am Ziel dran bleiben.“<br />
„Ich lass mich nicht aus der<br />
Spur br<strong>in</strong>gen. Ich habe bis<br />
heute immer alles geschafft,<br />
was ich mir vorgenommen<br />
habe.“<br />
107
„Jeder Baum erzählt <strong>e<strong>in</strong>e</strong> eigene Geschichte, <strong>man</strong><br />
muss nur h<strong>in</strong>hören.“<br />
Rafaela Rothwangl<br />
Interview: Knoll&Szalai, Teresa Arrieta | September 2007<br />
Fotos: Kathar<strong>in</strong>a Gossow<br />
108 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie
Die Bäume spüren und<br />
erforschen<br />
Die Forstwirtschaftskonsulent<strong>in</strong><br />
Rafaela Rothwangl untersucht<br />
Wälder mit Forste<strong>in</strong>richtungs -<br />
geräten, Computerprogrammen<br />
und wissenschaftlichen Analysen,<br />
bei Bedarf auch mit Geo<strong>man</strong>tie<br />
und Wünschelrute.<br />
Die Forstwirtschaftskonsulent<strong>in</strong> Rafaela<br />
Rothwangl untersucht Wälder mit<br />
Forste<strong>in</strong>richtungsgeräten, Computerprogrammen<br />
und wissenschaftlichen<br />
Ausbildung:<br />
Studium Holz- und Forstwirtschaft,<br />
Universität für Bodenkultur Wien<br />
Position:<br />
Geschäftsführer<strong>in</strong> „Forstbüro Gäbler“<br />
(seit 2001), Forstwirtschaftskonsulent<strong>in</strong>,<br />
Gutachter<strong>in</strong><br />
Branche:<br />
Forst- und Holzwirtschaft<br />
Analysen, bei Bedarf auch mit Geo<strong>man</strong>tie<br />
und Wünschelrute.<br />
Wälder können unter Schock stehen. Das<br />
merkt <strong>man</strong> daran, dass <strong>die</strong> Verjüngung<br />
bei Aufforstungen nicht recht klappen<br />
will, oder das Wachstum e<strong>in</strong>fach nicht<br />
gedeiht. Und das obwohl normale<br />
Boden- und Wasserverhältnisse gegeben<br />
s<strong>in</strong>d. Nachforschungen können<br />
dann beispielsweise ergeben, dass zur<br />
Kriegszeit <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Frontl<strong>in</strong>ie mitten durch<br />
<strong>die</strong>sen Wald geführt hat. „Das hab ich<br />
erfahren, <strong>in</strong>dem ich mit den Menschen<br />
der Ortschaft geplaudert habe, <strong>die</strong><br />
haben mir dann schlimme Kriegsgeschichten<br />
erzählt“, so <strong>die</strong> aus Graz<br />
stammende Forst<strong>in</strong>genieur<strong>in</strong> Rafaela<br />
Rothwangl. Doch Wälder können von<br />
solchen Schocks auch geheilt werden.<br />
Mittels Waldbau und Geo<strong>man</strong>tie können<br />
Blockaden gelöst werden, mittels<br />
Rute als diagnostischem Instrument<br />
können Erd- und Wasserstrahlen sowie<br />
Verwerfungen ausgetestet werden.<br />
Derlei „wissenschaftlich noch nicht<br />
bewiesene“ Methoden wendet <strong>die</strong><br />
Expert<strong>in</strong> immer dann an, wenn ökologisches<br />
Fachwissen alle<strong>in</strong> nicht ausreicht,<br />
um e<strong>in</strong> unausgeglichenes Waldbild zu<br />
109
erklären. Ziel <strong>ist</strong>, dass der Wald wieder<br />
s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> ursprünglichen Vitalität erreicht,<br />
auch wenn <strong>die</strong> Methoden mitunter ungewöhnlich<br />
s<strong>in</strong>d: „Nichts davon <strong>ist</strong> wissenschaftlich<br />
abgesichert. Aber wenn<br />
das Ergebnis vielversprechend <strong>ist</strong>, dann<br />
zählt das für mich. Ich entwickle gerade<br />
m<strong>e<strong>in</strong>e</strong> eigene Methode zur ganzheitlichen<br />
Waldbewirtschaftung“, setzt<br />
Rothwangl fort. Sie betont, dass sie <strong>in</strong><br />
erster L<strong>in</strong>ie Forstwirt<strong>in</strong> <strong>ist</strong>, <strong>die</strong> andere<br />
Sichtweisen bei Bedarf e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gt.<br />
Bäume und Wälder erzählen<br />
Geschichten<br />
Menschen, <strong>die</strong> sehr lange mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m<br />
Wald zu tun gehabt haben, praktizieren<br />
gewisse Regeln unbewusst, wie<br />
Rothwangl beobachtet hat. „E<strong>in</strong> alter<br />
Förster beispielsweise würde zwar nicht<br />
sagen, dass er geo<strong>man</strong>tisch arbeitet,<br />
aber er hat sich auf s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Bäume<br />
e<strong>in</strong>geschwungen.“ Er bewirtschaftet<br />
beispielsweise nicht <strong>in</strong> kerzengeraden<br />
L<strong>in</strong>ien, weil er spürt, das Mäandernde<br />
tut dem Wald gut. E<strong>in</strong>en schönen<br />
Felsste<strong>in</strong> lässt er dann e<strong>in</strong>fach liegen,<br />
ohne zu wissen, warum. „Heute gibt<br />
es auf der Wiener Universität für<br />
Bodenkultur sogar <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Professor, der<br />
der Geo<strong>man</strong>tie zugeneigt <strong>ist</strong>“ sagt <strong>die</strong><br />
Waldexpert<strong>in</strong>, <strong>die</strong> <strong>die</strong>sen Zugang erst<br />
nach dem eigenen Boku-Studium fand.<br />
Dort hat sie <strong>die</strong> handfesten Grundlagen<br />
des Forstbewirtschaftungs-Gewerbes<br />
gelernt, <strong>die</strong> sie heute je nach Bedarf<br />
sehr wissenschaftlich und rational<br />
e<strong>in</strong>setzt, denn nicht alle Waldbesitzer-<br />
Innen bege<strong>ist</strong>ern sich für Baumenergien.<br />
Wenn sie etwa Forstbewirtschaftungspläne<br />
für <strong>die</strong> nächsten zehn Jahre<br />
erstellt, richtet sie sich eben nach den<br />
Vorstellungen ihrer AuftraggeberInnen.<br />
Hier stehen ihr <strong>die</strong> verschiedensten<br />
Umsetzungstools zur Verfügung, denn<br />
das Wissen der e<strong>in</strong>zigen Forstwirtschafts<strong>in</strong>genieurkonsulent<strong>in</strong>Österreichs<br />
umfasst <strong>die</strong> gesamte Bandbreite<br />
der Forstwissenschaft, Forstwirtschaft<br />
und des Waldbaues. Nach dem Studium<br />
stieg Rothwangl bei <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Ziviltechnikerkanzlei<br />
e<strong>in</strong>, <strong>die</strong> sie 2001 übernahm<br />
und somit den Sprung <strong>in</strong> <strong>die</strong> Selbstständigkeit<br />
wagte: Heute <strong>ist</strong> sie zielstrebige<br />
Chef<strong>in</strong> der „Forstbüro Gäbler<br />
GesmbH“ <strong>in</strong> Rettenegg. „Mir gefällt <strong>die</strong><br />
Freiheit des Unternehmertums“, zeigt<br />
sie sich nach sechs Jahren Selbstständigkeit<br />
äußerst zufrieden.<br />
Karthograph<strong>in</strong>, Buchhalter<strong>in</strong>,<br />
Holzhändler<strong>in</strong><br />
Ihre Firma ruht auf mehreren Standb<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n:<br />
Da wäre erstens <strong>die</strong> Forstverwaltung.<br />
Hier geht es um <strong>die</strong> Pflege<br />
des Waldes, Holzverkauf, aber auch<br />
Personal verrechnung. Das zweite<br />
Standbe<strong>in</strong> <strong>ist</strong> Rothwangls gutachterliche<br />
Tätigkeit als gerichtlich beeidete<br />
Sachverständige: Sie erstellt Waldbewertungen<br />
bis zu mehreren tausend<br />
110 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie
Hektar ebenso wie Expertisen für<br />
Versicherungen oder bei Rechtsstreitigkeiten.<br />
Das dritte Standbe<strong>in</strong> <strong>ist</strong> <strong>die</strong><br />
Erstellung von Waldwirtschaftsplänen<br />
um <strong>die</strong> Holzerträge langfr<strong>ist</strong>ig zu<br />
sichern: Die Baumexpert<strong>in</strong> erstellt Aufforstungspläne<br />
zur Baumverjüngung,<br />
baut neue Wege durch den Wald und<br />
erhebt <strong>die</strong> vorhandenen Baumarten. Sie<br />
erstellt detailliert Vegetationsaufnahmen<br />
im Freiland und überträgt <strong>die</strong>se<br />
Wald-Daten dann am Computer <strong>in</strong><br />
digitale Karten. So breit gefächert wie<br />
ihre Tätigkeiten <strong>ist</strong> auch ihr Know-how:<br />
Pflanzenkunde beherrscht sie ebenso<br />
wie Kartographie, <strong>e<strong>in</strong>e</strong> große Portion<br />
betriebswirtschaftliches Fachwissen<br />
„<strong>Es</strong> hat noch nie je<strong>man</strong>d <strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
blöde Bemerkung gemacht,<br />
weil ich <strong>e<strong>in</strong>e</strong> der raren Frauen<br />
im Forstgewerbe b<strong>in</strong>. Denn<br />
ich b<strong>in</strong> ja selbständig und <strong>die</strong><br />
Leute suchen sich frei aus, ob<br />
sie zu mir kommen.“<br />
für <strong>die</strong> Erstellung der Waldwirtschaftspläne<br />
und <strong>die</strong> Organisation der Holzernte<br />
gehören ebenfalls dazu.<br />
Verborgenes ans Licht<br />
br<strong>in</strong>gen<br />
„E<strong>in</strong>e sehr enge Beziehung“ habe sie<br />
zum Wald. <strong>Es</strong> sei jedes Mal aufregend,<br />
dem Thema des jeweiligen Forstgebietes<br />
nachzuspüren: „Märchen, Sagen,<br />
Ortsnamen, <strong>die</strong> helfen viel weiter.“<br />
Wenn e<strong>in</strong> Ort zum Beispiel Höll heißt,<br />
dann sei wohl <strong>die</strong> Beschäftigung mit<br />
den Schattenseiten e<strong>in</strong> wichtiges<br />
Thema <strong>in</strong> <strong>die</strong>ser Region. „Ich wandere<br />
wirklich gern zwischen den Bäumen.“<br />
Dabei <strong>in</strong>teressiert sie auch das lokale<br />
Volkswissen: „Wenn <strong>man</strong> lang genug<br />
sucht, entdeckt <strong>man</strong> für fast jeden<br />
Ortsteil oder Wald Sagen und Geschichten,<br />
<strong>die</strong> sehr aufschlussreich se<strong>in</strong><br />
können.“ Rafaela Rothwangl liebt es,<br />
<strong>die</strong>ses alte Wissen auszugraben, Beruf<br />
und Berufung treffen sich hier punktgenau.<br />
So kommt es, dass <strong>die</strong> Ingenieur<strong>in</strong><br />
nicht e<strong>in</strong>mal im Urlaub von ihrer<br />
hölzernen Leidenschaft lassen kann.<br />
Ihre Ferien hat sie <strong>in</strong> den kanadischen<br />
Nadelwäldern und <strong>in</strong> Sibirien verbracht.<br />
„Ich suche menschenleere Gegenden,<br />
dort kann ich gut zu mir kommen.“<br />
111 14
Birgit Sattler<br />
Interview: Teresa Arrieta | Dezember 2006<br />
„Im Eis erfährt <strong>man</strong>, was <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n wirklich bewegt und<br />
wozu <strong>man</strong> fähig <strong>ist</strong>. Man lernt, <strong>die</strong> eigenen Grenzen<br />
auszuloten.“<br />
Fotos: Lisa Holzer<br />
112 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie
Das Donnern der Eisgletscher<br />
Polarforscher<strong>in</strong> Birgit Sattler hat auf<br />
ihren Forschungsreisen <strong>die</strong> weiße<br />
Weite der Antarktis kennen gelernt.<br />
Das hat ihr Leben geprägt, denn dort<br />
fühlte sie sich unbezw<strong>in</strong>gbar.<br />
Wer hätte gedacht, dass so viele Farben<br />
schillern an jenem Ort, wo alles weiß<br />
<strong>ist</strong>. In der Antarktis, wo es nur Schnee,<br />
Eis und Wüste gibt, hat <strong>die</strong> Innsbrucker<br />
Polarforscher<strong>in</strong> Birgit Sattler alle<br />
Farben des Regenbogens erlebt: Wie<br />
Ausbildung:<br />
Studium der Mikrobiologie an der<br />
Universität Innsbruck<br />
Position:<br />
Forschungsass<strong>ist</strong>ent<strong>in</strong> am<br />
Institut für Ökologie<br />
Wissenschaftsdiszipl<strong>in</strong>:<br />
Limnologie<br />
der Lichte<strong>in</strong>fall zu Mittag <strong>die</strong> Eisfelsen<br />
blau bricht, wie <strong>die</strong> Abendsonne alles<br />
<strong>in</strong> satte Orangetöne taucht. Sogar das<br />
knallgelbe Zelt, <strong>in</strong> dem sie bei m<strong>in</strong>us<br />
vierzig Grad Außentemperatur geschlafen<br />
hat, wurde gelber: Wie riesengroße<br />
Blüten, denen <strong>die</strong> Bienen zuströmen,<br />
kamen sie ihr vor: „Man wird halt a<br />
bisserl komisch im Kopf dort draußen“<br />
- oder vielleicht nimmt <strong>man</strong> bloß alles<br />
<strong>in</strong>tensiver wahr und <strong>die</strong> D<strong>in</strong>ge werden<br />
echter. Birgit Sattler hat ihr Berufsleben<br />
der Limnologie gewidmet: Die<br />
Ass<strong>ist</strong>ent<strong>in</strong> am Innsbrucker Universi-<br />
täts<strong>in</strong>stitut für Ökologie <strong>ist</strong> Eisforscher<strong>in</strong><br />
und durfte bereits drei Mal <strong>in</strong> <strong>die</strong><br />
Arktis, „das <strong>ist</strong> dort, wo <strong>die</strong> Eisbären<br />
wohnen“ und drei Mal <strong>in</strong> <strong>die</strong> Antarktis,<br />
„dort <strong>ist</strong> es noch viel kälter und dort<br />
leben <strong>die</strong> P<strong>in</strong>gu<strong>in</strong>e“.<br />
Die Reisen haben sie sehr geprägt: „Ich<br />
b<strong>in</strong> für me<strong>in</strong> ganzes Leben dankbar, dass<br />
ich das hab‘ machen dürfen“, schwärmt<br />
sie versonnen. Dort zu se<strong>in</strong>, wo sonst<br />
nichts <strong>ist</strong>, das <strong>ist</strong> e<strong>in</strong>fach e<strong>in</strong> unbeschreibliches<br />
Gefühl: „Wie, wenn <strong>man</strong><br />
<strong>in</strong> etwas ganz Großem dr<strong>in</strong>nen steckt.“<br />
113
„Entweder <strong>man</strong> erlebt den Polar als riesengroßes<br />
Gefängnis oder als riesengroße Weite.“<br />
Reise zu den eigenen Grenzen<br />
„Auf <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m polaren Plateau zu stehen<br />
oder auf <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Gletscher h<strong>in</strong>auf zu<br />
schauen, das <strong>ist</strong> so gewaltig, <strong>man</strong> hat<br />
das Gefühl, <strong>man</strong> kann alles schaffen,<br />
das <strong>ist</strong> sehr prägend.“, er<strong>in</strong>nert sie<br />
sich an ihre letzten Reiseerlebnisse<br />
und vergisst auch nicht <strong>die</strong> damaligen<br />
Schwierigkeiten: Bei m<strong>in</strong>us vierzig Grad<br />
zu forschen, das br<strong>in</strong>ge jeden an s<strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
Grenzen. Man lernt sehr viel über sich<br />
und über das, was wirklich wichtig <strong>ist</strong>.<br />
Während der ersten Reise <strong>ist</strong> sie anfangs<br />
me<strong>ist</strong> schlecht gelaunt gewesen,<br />
weil sie es nicht fassen konnte, dass<br />
114 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m immer kalt se<strong>in</strong> kann. Für <strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
solche Reise erhält <strong>man</strong> nicht etwa<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n AstronautInnenanzug mit e<strong>in</strong>gebauter<br />
Heizung: Birgit Sattler bekam<br />
schlichte warme Daunenbekleidung und<br />
fuhr ansonsten mit Angoraunterwäsche<br />
und mit der Expeditionskleidung ihres<br />
Vaters aus den siebziger Jahren: „Man<br />
muss sich halt mehr bewegen und 5000<br />
Kalorien pro Tag essen“, schildert sie<br />
nüchtern. Man lernt, was wesentlich<br />
<strong>ist</strong>, denn Alltagsablenkungen gibt es<br />
dort k<strong>e<strong>in</strong>e</strong>. Besonders bee<strong>in</strong>druckt war<br />
<strong>die</strong> 37jährige von den „Dry Valleys“.<br />
Das s<strong>in</strong>d Sandwüsten, zu denen <strong>man</strong><br />
nur mittels Hubschrauber gelangen<br />
kann: Täler mit eisbedeckten Seen<br />
und Sandgeröll, <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Mondlandschaft<br />
gleich. Am me<strong>ist</strong>en bee<strong>in</strong>druckte sie<br />
das brüllende Heulen der W<strong>in</strong>dstürme.<br />
Das Geräusch des zerberstenden Eises,<br />
wenn <strong>die</strong> Brocken <strong>die</strong> Gletscherfront<br />
h<strong>in</strong>unterdonnern, hat sie „an das Peitschenknallen<br />
<strong>in</strong> ihrem Dorf im Fasch<strong>in</strong>g<br />
beim W<strong>in</strong>teraustreiben“ er<strong>in</strong>nert.<br />
Verschmelzen mit den<br />
Gletschern<br />
Frei und unbesiegbar hat sich Birgit<br />
Sattler am Polar gefühlt, obwohl<br />
<strong>man</strong> dort sehr verletzlich sei, denn<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong> solche Expedition <strong>ist</strong> nun e<strong>in</strong>mal<br />
gefährlich. Deswegen musste sie dort<br />
auch e<strong>in</strong> Überlebenstra<strong>in</strong><strong>in</strong>g absolvieren,<br />
im Zuge dessen sie über Nacht<br />
ausgesetzt wurde – geme<strong>in</strong>sam mit<br />
ihren KollegInnen und nur mit der nötigsten<br />
Grundausrüstung ausgestattet.<br />
Zusammen mussten sie entscheiden,<br />
ob sie aufgrund der Wetterlage zur<br />
Übernachtung e<strong>in</strong> Iglu bauen, <strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
Schneehöhle graben oder doch das<br />
Zelt aufstellen – <strong>e<strong>in</strong>e</strong> wahrlich harte<br />
Nacht. Aber trotz aller Risiken möchte<br />
<strong>die</strong> Limnolog<strong>in</strong> sobald es geht wieder <strong>in</strong><br />
<strong>die</strong> polaren Regionen. Ihre bisherigen<br />
Forschungsergebnisse erregen bereits<br />
<strong>in</strong>ternationales Aufsehen: „Leben gibt<br />
es überall“, so <strong>die</strong> wichtigste Erkenntnis<br />
der Eisexpert<strong>in</strong>. Die arktischen und<br />
antarktischen Forschungsergebnisse<br />
haben <strong>in</strong>sgesamt zu <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m neuen<br />
Verständnis des polaren Ökosystems<br />
beigetragen.<br />
Leben im Eis<br />
Heute weiß <strong>man</strong>, dass Eis und Schnee<br />
k<strong>e<strong>in</strong>e</strong> sterilen Wüsten s<strong>in</strong>d, sondern<br />
dass sich Leben auch unter den<br />
widrigsten Umständen weiter entwickelt:<br />
Wenn etwa je<strong>man</strong>d am Polar<br />
beim Wandern auf <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Flechte tritt<br />
(<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Symbiose aus Alge und Pilz),<br />
dann braucht <strong>die</strong>se mehrere hundert<br />
Jahre, um sich zu regenerieren, weil<br />
sie extrem langsam wächst. So weit<br />
<strong>ist</strong> <strong>die</strong> Anpassungsle<strong>ist</strong>ung ge<strong>die</strong>hen.<br />
Aber das LimnologInnenteam um<br />
Birgit Sattler hat nicht nur <strong>die</strong> Polarregionen<br />
erforscht, sondern auch alp<strong>in</strong>e<br />
Gegenden: In Innsbruck liegt das Eis ja<br />
praktisch vor der Haustür. Hier, <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r<br />
kl<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Forschungsstation neben <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m<br />
Schigebiet, haben Sattlers Forschungen<br />
ihren Anfang genommen. Hier konnte<br />
ihr Team geme<strong>in</strong>sam mit ihrem<br />
Mentor Prof. Roland Psenner erstmals<br />
nach weisen, dass im W<strong>in</strong>ter <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m<br />
zugefrorenen See <strong>die</strong> me<strong>ist</strong>e mikrobakterielle<br />
Aktivität <strong>in</strong>nerhalb der Eisdecke<br />
– und nicht <strong>in</strong> den Wassertiefen –<br />
stattf<strong>in</strong>det. Später erstreckten sich<br />
ihre Untersuchungen auf Kle<strong>in</strong>storganismen<br />
<strong>in</strong> den Wolken. Die Erkenntnis,<br />
dass auch <strong>die</strong> Luft lebendig <strong>ist</strong>, dass<br />
sich Mikroorganismen <strong>in</strong> der Atmosphäre<br />
reproduzieren und Stoffwechsel<br />
betreiben können, hat vor fünf Jahren<br />
viel Staub aufgewirbelt. Doch derzeit<br />
schwebt Birgit Sattler nicht mehr über<br />
den Wolken sondern fiebert bereits<br />
ihrer nächsten Polarreise entgegen. In<br />
der Zwischenzeit kämpft sie auch für<br />
den Schutz <strong>die</strong>ses vom Klimawandel<br />
und Tourismus bedrohten Ökosystems:<br />
Seit 2006 <strong>ist</strong> sie Delegierte Österreichs<br />
für den Antarktisvertrag. Ihr nächstes<br />
Projekt: Habilitieren und erneut <strong>die</strong><br />
Gletscher der Antarktis besteigen.<br />
115
Renate Scheidenberger<br />
Interview: Teresa Arrieta | Februar 2007<br />
Fotos: Kathar<strong>in</strong>a Gossow<br />
„Loyalität steht im Vordergrund, denn es geht nur geme<strong>in</strong>sam.<br />
Loyalität m<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r MitarbeiterInnen zu mir,<br />
ich zu ihnen und wir zu unseren AuftraggeberInnen.“<br />
116 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie
Respekt, Loyalität, Freude<br />
So lauten <strong>die</strong> Leitmotive der Bau<strong>man</strong>agement<br />
Firma von Jungunternehmer<strong>in</strong><br />
Renate Scheidenberger, mit<br />
der sie höchst erfolgreich Altem neues<br />
Leben e<strong>in</strong>haucht. Dabei vertraut sie<br />
ihrem Inst<strong>in</strong>kt und hält Bauherren<br />
und -frauen den Rücken frei.<br />
Erfreut und gerührt zugleich sei sie<br />
gewesen, sagt Renate Scheidenberger<br />
strahlend, als bei <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Firmensem<strong>in</strong>ar<br />
all ihre MitarbeiterInnen <strong>die</strong> wichtigsten<br />
Firmenwerte mit ähnlichen Worten<br />
Ausbildung:<br />
HTL-Kolleg, Baume<strong>ist</strong>erprüfung<br />
Master of Science<br />
Position:<br />
Gründer<strong>in</strong> von „Baukultur“<br />
(Bau<strong>man</strong>agement Unternehmen) 2002<br />
und „Schlüsselszene“ (Immobilienverwertungs<br />
GesmbH) 2005<br />
Branche:<br />
Bauwesen<br />
beschrieben hätten: Respekt, Loyalität<br />
und Freude am Tun. Gerade der „Respekt“<br />
zieht sich als roter Faden durch<br />
das Berufsleben der Niederösterreicher<strong>in</strong>.<br />
Im Zuge ihrer HTL-Kolleg Ausbildung<br />
„Bautechnische Restaurierung“<br />
entdeckte sie ihre Leidenschaft für das<br />
Handwerk am Bau. Damals erhielt sie<br />
<strong>die</strong> Möglichkeit, <strong>in</strong> der Türkei Teile der<br />
Ausgrabungsstätte von Troja bautechnisch<br />
abzusichern: „E<strong>in</strong>e fantastische<br />
Zeit“. Obwohl k<strong>e<strong>in</strong>e</strong> und k<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r der<br />
Sprache des und der Anderen mächtig<br />
war, habe <strong>die</strong> von gegenseitiger<br />
Achtung geprägte Zusammenarbeit mit<br />
den türkischen ArbeiterInnen bestens<br />
funktioniert. Wenig später legte sie <strong>die</strong><br />
Baume<strong>ist</strong>erInnenprüfung ab und konnte<br />
ihrer Berufung nachgehen, zwischen<br />
Maurern und anderen Profession<strong>ist</strong>Innen<br />
am Bau nach dem Rechten zu<br />
sehen. „Sie haben von mir immer viel<br />
Respekt gespürt, vom kle<strong>in</strong>sten Hilfsarbeiter<br />
und der kle<strong>in</strong>sten Hilfsarbeiter<strong>in</strong><br />
bis ganz h<strong>in</strong>auf, denn ich sehe, welch<br />
enorme Anstrengung es <strong>ist</strong>, den ganzen<br />
Tag schwere körperliche Arbeit zu<br />
verrichten.“ Das E<strong>in</strong>fühlungsvermögen<br />
<strong>in</strong> <strong>die</strong> oft harte Arbeit der Handwerker-<br />
Innen hat Renate Scheidenberger <strong>in</strong><br />
117
der HTL gelernt, wo sie sich e<strong>in</strong>mal pro<br />
Woche quer durch alle Baudiszipl<strong>in</strong>en<br />
Praxis aneignen musste. „Wenn <strong>man</strong><br />
so e<strong>in</strong> Gewölbe selber verputzt und<br />
alles wieder runterfällt, dann weiß <strong>man</strong><br />
erst, was handwerkliches Know-how<br />
bedeutet“, er<strong>in</strong>nert sich <strong>die</strong> Ingenieur<strong>in</strong><br />
an mühsame Zeiten.<br />
Die eigenen Ideen<br />
verwirklichen<br />
Wertschätzung hat sie nicht nur für <strong>die</strong><br />
ArbeiterInnen übrig, sondern auch für<br />
<strong>die</strong> alten Häuser, <strong>die</strong> sie nun saniert.<br />
„Etwas Verfallenem Leben e<strong>in</strong>hauchen,<br />
mit Respekt und Achtung bestehende<br />
Bausubstanz konservieren, um sie dann<br />
im S<strong>in</strong>ne des modernen Zeitge<strong>ist</strong>es<br />
nutzen zu können“, so umreißt sie den<br />
Kern ihrer unternehmerischen Tätigkeit.<br />
In <strong>die</strong>sem S<strong>in</strong>ne <strong>ist</strong> auch der Firmenname<br />
„Baukultur“ zu verstehen. Ihr<br />
bricht es jedes Mal das Herz, wenn so<br />
e<strong>in</strong> altes Gemäuer abgerissen und <strong>in</strong><br />
<strong>die</strong> Baulücken Betonklötze h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>produziert<br />
werden, denn <strong>die</strong> ehrwürdigen<br />
Bauten „atmen Geschichte“. In <strong>die</strong>sen<br />
hohen alten Räumen aus Ziegel und<br />
Holz strömt halt <strong>e<strong>in</strong>e</strong> ganz andere Energie<br />
als <strong>in</strong> den neuen Stahlkästen. Nach<br />
mehreren Jahren zwischen Schutt,<br />
Staub und Betonmischmasch<strong>in</strong>en regte<br />
sich Scheidenbergers zweite Berufung:<br />
Der Wunsch nach Selbstständigkeit,<br />
denn „ich wollte e<strong>in</strong>fach m<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n<br />
eigenen Weg gehen.“ Mit <strong>die</strong>sem Ziel<br />
im Kopf absolvierte sie den Master <strong>in</strong><br />
Bau<strong>man</strong>agement und Unternehmensführung<br />
an der PEF (Wiener Privatuniversität<br />
für Management) – „<strong>e<strong>in</strong>e</strong>s der<br />
besten D<strong>in</strong>ge, <strong>die</strong> ich je gemacht hab“,<br />
wie sich im Nachh<strong>in</strong>e<strong>in</strong> herausstellen<br />
sollte, denn dort erlernte sie nicht nur<br />
das unternehmerische Handwerkszeug,<br />
sondern knüpfte auch zahlreiche Kontakte,<br />
<strong>die</strong> sich später für <strong>die</strong> Auftragsaquisition<br />
als nützlich erweisen sollten.<br />
Rund um <strong>die</strong> Uhr im E<strong>in</strong>satz<br />
Dabei sei <strong>die</strong> Entscheidung, gerade dort<br />
zu <strong>in</strong>skribieren, <strong>e<strong>in</strong>e</strong> r<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Gefühlsentscheidung<br />
gewesen – auch das<br />
e<strong>in</strong> weiterer Faden, der sich durch ihr<br />
Berufsleben zieht: Intuitives Handeln,<br />
das me<strong>ist</strong> zum Erfolg führt: „Die Erfahrung<br />
hat mir gezeigt, dass ich wichtige<br />
Entscheidungen nicht nur mit dem Kopf<br />
treffen soll.“ Noch vor Abschluss ihres<br />
Masters wagte <strong>die</strong> Baume<strong>ist</strong>er<strong>in</strong> den<br />
Schritt <strong>in</strong> <strong>die</strong> Selbstständigkeit, mit<br />
viel Herzflattern und <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Sekretär<strong>in</strong><br />
als e<strong>in</strong>zigem Be<strong>ist</strong>and. Die Privatuni<br />
unterstützte sie dabei: Die ganze<br />
Klasse gab ihr konstruktives Feedback<br />
zu ihren Präsentationen. Schon nach<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m halben Jahr war ihr klar, dass<br />
es ke<strong>in</strong> Zurück mehr gab, denn <strong>die</strong><br />
Ingenieur<strong>in</strong> hatte Blut geleckt und fand<br />
Ge fallen an der aufreibenden Freiheit<br />
als Jungunternehmer<strong>in</strong>. Innerhalb von<br />
fünf Jahren <strong>ist</strong> ihre Firma „Baukultur“<br />
auf elf MitarbeiterInnen angewachsen,<br />
<strong>die</strong> Auftragslage steigt kont<strong>in</strong>uierlich<br />
und <strong>in</strong>teressante Projekte mit <strong>in</strong>ternationalen<br />
ArchitektInnen haben sich<br />
aufgetan. Der Erfolg liegt auch <strong>in</strong> der<br />
Flexibilität des Unternehmens begründet:<br />
Die „Baukultur“ wird h<strong>in</strong>zugezogen,<br />
um Bauherren und -frauen den<br />
Rücken frei zu halten. E<strong>in</strong>es der Erfolgsrezepte<br />
<strong>ist</strong> das außergewöhnliche<br />
Engagement von Scheidenbergers Team:<br />
„Wenn e<strong>in</strong> Sturm mitten <strong>in</strong> der Nacht<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Abdeckung wegreißt, stehen wir<br />
Gewehr bei Fuß.“ Wenn extrem kurze<br />
Fr<strong>ist</strong>en e<strong>in</strong>zuhalten s<strong>in</strong>d, kriegt das<br />
Team auch das h<strong>in</strong>, denn „Geht nicht,<br />
gibt´s nicht“ <strong>ist</strong> das konsequent gelebte<br />
Baukultur-Motto.<br />
Aus e<strong>in</strong>s mach zwei<br />
In der Zwischenzeit hat <strong>die</strong> erfolgreiche<br />
Unternehmer<strong>in</strong> bereits Firma Nr. 2<br />
gegründet:<br />
Die „Schlüsselszene“, mit der sie<br />
geme<strong>in</strong>sam mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Architekten<br />
Dachgeschosswohnungen errichtet. Wie<br />
es ihr als Frau <strong>in</strong> <strong>die</strong>ser männerdom<strong>in</strong>ierten<br />
Branche geht? „Danke bestens“<br />
– vielleicht auch deshalb, weil sie ihr<br />
Frause<strong>in</strong> beruflich weder besonders<br />
betont noch negiert. Deswegen will sie<br />
sich auch nicht an Frauennetzwerken<br />
beteiligen. Das kommt ihr „unnatürlich“<br />
vor. Klar, dass der Baume<strong>ist</strong>er Innenkurs<br />
als e<strong>in</strong>zige Frau unter sechzig Männern<br />
hart war – <strong>die</strong> Frauenwitze der Ingenieure<br />
aus dem mittleren Management<br />
seien oft niveauloser gewesen, als <strong>die</strong><br />
der Baustellenarbeiter Innen. Auch blieb<br />
sie von den Stammtischgesellschaften,<br />
bei denen Männer e<strong>in</strong>ander Aufträge<br />
zuschanzen, ausgeschlossen – und das<br />
sei auch gut so. Dafür hat sich Renate<br />
Scheiden berger andere Aquisitionswege<br />
erschlossen, etwa über ihr Kunst<strong>in</strong>teresse,<br />
wo es immer wieder zu beruflichen<br />
Kontakten kommt. Generell <strong>ist</strong> sie<br />
bemüht, <strong>die</strong> männlichen Eigenheiten<br />
nicht so wichtig zu nehmen: Etwa<br />
wenn „Pfauenräder geschlagen werden“,<br />
wie es <strong>in</strong> der männlichen Geschäftsgebarung<br />
oft üblich <strong>ist</strong>: Da sollte <strong>man</strong> als<br />
118 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie
Frau e<strong>in</strong>fach selbstbewusst drüberstehen.<br />
Manches kann <strong>man</strong> sich auch<br />
aus der männlichen Arbeitswelt sogar<br />
abschauen. Umgekehrt könnten auch<br />
Männer von frauentypischen Verhaltensweisen<br />
lernen. Etwa wenn Frauen <strong>in</strong><br />
leitenden Positionen bei Erfolgen sagen:<br />
„Wir (das Team) haben das vollbracht.“<br />
Und bei Misserfolgen: „Ich trage <strong>die</strong><br />
Verantwortung.“ Männer machen es<br />
h<strong>in</strong>gegen häufig umgekehrt. Grundsätzlich,<br />
sagt Baume<strong>ist</strong>er<strong>in</strong> Renate<br />
Scheidenberger, lege sie mehr Wert auf<br />
das Verb<strong>in</strong>dende als auf das Trennende,<br />
und so klug lebt sie auch ihren Arbeitsalltag:<br />
Sie <strong>in</strong>vestiert ihre Zeit und<br />
Energie vorzugsweise <strong>in</strong> jene Seilschaften,<br />
<strong>die</strong> von Geschlechter-Vorurteilen<br />
weitestgehend befreit s<strong>in</strong>d.<br />
„Unser Erfolgsgeheimnis <strong>ist</strong> <strong>die</strong> Flexibilität und das<br />
Engagement <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Jungunternehmens.“<br />
119
Gerda Schneider<br />
Interview: Teresa Arrieta | Februar 2007<br />
„Seit ich selbstständig b<strong>in</strong>, muss ich mich nirgends<br />
mehr unterordnen und kann mich frei bewegen.“<br />
Fotos: Nora Friedel<br />
120 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie
Vernetzt <strong>in</strong> alle Ewigkeit<br />
Die IT-Expert<strong>in</strong> Gerda Schneider<br />
verleiht der Internet-Navigation<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong> neue Qualität: Sie <strong>ist</strong> Miterf<strong>in</strong>der<strong>in</strong><br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>s neuartigen Wissensver<br />
netzungs-Systems, das zu<br />
hochwertiger Information führt –<br />
und das sie patentieren ließ.<br />
Die Welt <strong>ist</strong> kompliziert und facettenreich,<br />
warum soll sich das nicht auch<br />
im Reich der Internetl<strong>in</strong>ks wiederspiegeln?<br />
Wo steht geschrieben, dass<br />
e<strong>in</strong> www-L<strong>in</strong>k immer nur auf bloß<br />
Ausbildung:<br />
Studium der Betriebs<strong>in</strong>formatik<br />
Universität Wien<br />
Position:<br />
Mitbegründer<strong>in</strong> von<br />
www.multihyperl<strong>in</strong>k.com<br />
Wissenschaftsdiszipl<strong>in</strong>:<br />
Informationstechnologie<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Site verweisen soll? Wo bleibt da<br />
<strong>die</strong> Vielseitigkeit? Wer hat sich nicht<br />
schon selber oft über <strong>die</strong> öde Googelei<br />
geärgert, <strong>die</strong> zu stundenlangem Surfen<br />
<strong>in</strong> der Stichwortwüste führt, ohne je<br />
<strong>in</strong> der ersehnten Informationsoase<br />
anzukommen? Was wäre h<strong>in</strong>gegen<br />
mit folgendem Erlösungsszenario:<br />
Man klicke im schwarzen Text auf das<br />
blau gefärbte Wort, und anstatt zu<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r e<strong>in</strong>zigen Site weitergebeamt zu<br />
werden, erschließt sich den UserInnen<br />
e<strong>in</strong> Informations-Heureka <strong>in</strong> Form <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s<br />
M<strong>in</strong>ifensters – genannt Multihyperl<strong>in</strong>k,<br />
das <strong>e<strong>in</strong>e</strong> große L<strong>ist</strong>e an hoch<strong>in</strong>for-<br />
mativen Datenangeboten zum angeklickten<br />
Begriff bereithält.<br />
Zum Begriff Frankreich steht dann<br />
beispielsweise: Personen zum Land,<br />
Organisationen, Artikel, Zeitungen,<br />
Orte … Wer sich <strong>in</strong> <strong>die</strong>ses kondensierte<br />
Datenuniversum h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>begibt, dem erschließt<br />
sich also e<strong>in</strong> wahrer Wissensschatz.<br />
Diesen neuen Weg, ausgewählte<br />
Informationen optimal zu vernetzen,<br />
nennt Gerda Schneider Multihyperl<strong>in</strong>ks.<br />
Beispielhaft aufbereitet unter<br />
www.warspectrum.com. Und sie hofft,<br />
damit den großen IT-Coup zu landen.<br />
121
Datenungetüme beherrschen<br />
lernen<br />
„Der Auslöser war, dass wir <strong>die</strong> Daten<br />
im Google unstrukturiert fanden. Man<br />
bekommt zu viele Resultate zu <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m<br />
Begriff, zu wenig Hochwertiges. Wir<br />
wollten, dass <strong>man</strong> schneller das f<strong>in</strong>det,<br />
wonach <strong>man</strong> sucht“, schildert der<br />
weibliche Daniel Düsentrieb <strong>die</strong> Quelle<br />
der Erf<strong>in</strong>dungs<strong>in</strong>spiration. Immer schon<br />
hatte <strong>die</strong> ausgebildete Betriebs<strong>in</strong>formatiker<strong>in</strong><br />
„großen Spaß daran, D<strong>in</strong>ge<br />
zu ordnen, für komplexe Strukturen<br />
e<strong>in</strong>fache Lösungen heraus zu destillieren.“<br />
Zurückhaltend und ruhig <strong>ist</strong><br />
Gerda Schneider. K<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Frau der großen<br />
Auftritte, aber <strong>e<strong>in</strong>e</strong>, wo jeder und jede<br />
sich verstanden fühlt: Schwellenangst<br />
bekommt nie<strong>man</strong>d bei der unprätentiösen<br />
IT-Erf<strong>in</strong>der<strong>in</strong>, <strong>die</strong> den Weg <strong>in</strong><br />
<strong>die</strong> Selbstständigkeit familienbed<strong>in</strong>gt<br />
erst spät e<strong>in</strong>geschlagen hat. Nach dem<br />
Betriebs<strong>in</strong>formatikstudium war sie bei<br />
der Creditanstalt tätig, später stieg sie<br />
<strong>in</strong> den Familienbetrieb Morawa e<strong>in</strong>, wo<br />
sie im Zuge der Neuprogrammierung<br />
des Zeitschriftenvertriebs e<strong>in</strong> Teilprojekt<br />
leitete. Bereits <strong>in</strong> jenen Jahren<br />
legte sie geme<strong>in</strong>sam mit ihrem Mann<br />
den Grundste<strong>in</strong> für <strong>die</strong> spätere Erf<strong>in</strong>dung,<br />
denn im Rahmen <strong>die</strong>ser Jobs g<strong>in</strong>g<br />
sie mit riesigen Datenbanksystemen<br />
um. Immer wieder kam <strong>die</strong> Kreative<br />
<strong>in</strong>s Brüten, wie <strong>man</strong> <strong>die</strong>se Datenungetüme<br />
besser verwalten könnte, wie also<br />
„bessere Informationsdialoge für stark<br />
vernetzte Daten“ konzipierbar wären.<br />
Das Ei des Columbus<br />
ausbrüten<br />
Doch erst nach der Familiengründung<br />
schuf sich das Erf<strong>in</strong>derInnen-Team<br />
<strong>die</strong> Möglichkeit <strong>die</strong> <strong>in</strong>novativen Ideen<br />
Wirklichkeit werden zu lassen: Gerda<br />
Schneider hatte ihren Job aufgrund der<br />
Geburt ihrer beiden K<strong>in</strong>der gekündigt.<br />
Als der Nachwuchs dann später im<br />
K<strong>in</strong>dergarten versorgt war, keimten <strong>die</strong><br />
Ideen von früher wieder auf. E<strong>in</strong> Prototyp<br />
für PC wurde programmiert, der<br />
mit Aufkommen des Internet von Gerda<br />
Schneider bald auch für das World Wide<br />
Web umgestellt wurde. Die erste mit<br />
Multihyperl<strong>in</strong>k ausgestattete Homepage<br />
<strong>ist</strong> dem Wirtschafts psychologen und<br />
Motivforscher Ernest Dichter gewidmet<br />
(siehe www.ernest-dichter.net). Der<br />
Weg <strong>in</strong> <strong>die</strong> Selbstständigkeit erfolgte<br />
dann als schleifender Übergang: Nach<br />
der ersten Multihyperl<strong>in</strong>k Erprobungsphase<br />
entschlossen sich Gerda<br />
Schneider und ihr Mann, <strong>die</strong> clevere<br />
IT-Erf<strong>in</strong>dung patentieren zu lassen,<br />
um „von den Firmen nicht so leicht<br />
über den Tisch gezogen zu werden“.<br />
Die Patentschrift verfassten sie <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>jähriger Arbeit im Alle<strong>in</strong>gang, so<br />
sparten sie Kosten für den Patentanwalt.<br />
Zur Orientierung suchten sie nach<br />
vergleichbaren IT-Patentschriften im<br />
Internet. Das Ergebnis geriet dermaßen<br />
professionell, das e<strong>in</strong> <strong>in</strong> der Endphase<br />
122 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie
h<strong>in</strong>zugezogener Patentanwalt gar nicht<br />
glauben wollte, dass das IT-Ehepaar<br />
<strong>die</strong>ses jur<strong>ist</strong>ische Oeuvre alle<strong>in</strong> geschaffen<br />
hatte.<br />
Das Revier verteidigen<br />
Der fertige Antrag g<strong>in</strong>g ans Europäische<br />
Patentamt, und geriet zu <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m<br />
mehrjährigen P<strong>in</strong>gpong Spiel mit dem<br />
Prüfer. „Zwei Jahre hat es gedauert,<br />
bis der Antrag überhaupt <strong>in</strong>haltlich<br />
bearbeitet wurde und weitere drei, bis<br />
wir <strong>die</strong> E<strong>in</strong>wendungen des Experten abgearbeitet<br />
hatten“, er<strong>in</strong>nert sich Gerda<br />
Schneider an zähe Zeiten. „Wir haben<br />
Höhen und Tiefen durchlaufen, waren<br />
mal euphorisch, mal hoffnungslos.“<br />
Die beiden fühlten sich sukzessive <strong>in</strong>s<br />
Patentdenken der Behörde e<strong>in</strong>, lernten,<br />
welche Formulierungen gewünscht<br />
waren, wie <strong>die</strong> Kompetenzen abgesteckt<br />
werden müssen: „Jedes Patent<br />
verteidigt e<strong>in</strong> Revier an Erf<strong>in</strong>dungen,<br />
wo andere dann nicht mehr h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>dürfen.“,<br />
erläutert sie das erworbene<br />
Wissen. „Dieses Revier darf nicht zu<br />
groß und nicht zu kle<strong>in</strong> se<strong>in</strong> - erst <strong>die</strong><br />
Zukunft wird zeigen, ob wir das richtig<br />
gemacht haben.“ Das wird sich möglicherweise<br />
schon sehr bald weisen,<br />
denn nach sechsjähriger Mühsal <strong>ist</strong> das<br />
Patent nun bewilligt. Fortan läuft das<br />
Erf<strong>in</strong>dungsprojekt <strong>in</strong> <strong>die</strong> Phase zwei<br />
über: Jetzt soll es an <strong>die</strong> Vermarktung<br />
gehen.<br />
„Man muss hartnäckig se<strong>in</strong>, nicht aufgeben, den<br />
und <strong>die</strong> anderen ernst nehmen, dann wird <strong>man</strong><br />
auch selbst ernst genommen.“<br />
123 14
Beatrice Senn<br />
Interview: Teresa Arrieta | Oktober 2006<br />
„Als Frau hat <strong>man</strong>´s schwieriger, aber wenn <strong>man</strong> <strong>die</strong><br />
Stärke und den Willen hat, kann <strong>man</strong> es schaffen.“<br />
Fotos: Kathar<strong>in</strong>a Gossow<br />
124 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie
Im Körper herrscht Krieg<br />
Beatrice Senn stu<strong>die</strong>rte beim Zürcher<br />
Nobelpre<strong>ist</strong>räger Z<strong>in</strong>kernagel, <strong>ist</strong><br />
fasz<strong>in</strong>iert vom Kampf zwischen Immunsystem<br />
und Virus und folgte <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r<br />
<strong>in</strong>neren E<strong>in</strong>gebung, <strong>die</strong> ihr Leben<br />
veränderte.<br />
Wir kämpfen den ganzen Tag. Unser<br />
Körper <strong>ist</strong> ständig damit beschäftigt,<br />
E<strong>in</strong>dr<strong>in</strong>gl<strong>in</strong>ge abzuwehren. Zuerst<br />
stehen <strong>die</strong> frühen Abwehrreihen<br />
gleich Schützenpanzern bereit: Das<br />
s<strong>in</strong>d <strong>die</strong> Haare auf der Haut, <strong>die</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
Ausbildung:<br />
Doktoratsstudium Biochemie<br />
ETH Zürich<br />
Post Doc Experimentelle Immunologie<br />
ETH Zürich<br />
Position:<br />
Abteilungsleiter<strong>in</strong><br />
Wissenschaftsdiszipl<strong>in</strong>:<br />
Biotechnologie<br />
erste Schutzfunktion erfüllen. Später<br />
greifen <strong>die</strong> SoldatInnen an, das s<strong>in</strong>d<br />
<strong>die</strong> Killerzellen. Wenn auch <strong>die</strong> nichts<br />
ausrichten können, kommen noch <strong>die</strong><br />
ABC-Waffen zum E<strong>in</strong>satz, das s<strong>in</strong>d <strong>die</strong><br />
B-Zellen, <strong>die</strong> den Fe<strong>in</strong>d mit speziellen<br />
Antikörpern beschießen. Die Immunolog<strong>in</strong><br />
Beatrice Senn beschreibt<br />
das menschliche Immunsystem als<br />
Kriegschauplatz, der <strong>in</strong> per<strong>man</strong>enter<br />
Weiterentwicklung begriffen <strong>ist</strong>: Die<br />
Viren suchen über Anpassungen neue<br />
Schleichwege <strong>in</strong> den Körper und das<br />
Immunsystem antwortet darauf mit der<br />
Herausbildung neuer Abwehrmethoden.<br />
Dass Beatrice Senn <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Tages solche<br />
Prozesse als hoch spezialisierte Immunolog<strong>in</strong><br />
erforschen würde, hätte zuerst<br />
nie<strong>man</strong>d gedacht. Denn obwohl sie sich<br />
<strong>in</strong> der Schule für Biologie <strong>in</strong>teressierte,<br />
wollte <strong>die</strong> Schweizer<strong>in</strong> nach der Matura<br />
Wirtschaft stu<strong>die</strong>ren.<br />
E<strong>in</strong> Traum führt zur Wende<br />
Doch dann hatte sie e<strong>in</strong> Schlüsselerlebnis,<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Traum, der sie <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r „Über-<br />
Nacht-Aktion, ohne nachzudenken“<br />
dazu bewog, an der Eidgenössischen<br />
125
Technischen Hochschule Zürich Biologie<br />
zu <strong>in</strong>skribieren. Aus heutiger Sicht<br />
<strong>die</strong> richtige Entscheidung, denn als sie<br />
sich im Zuge des Studiums auf Biochemie<br />
und Immunologie spezialisierte,<br />
wusste sie bald, dass das „ihr Weg“<br />
war. Senn hatte das Glück, im Institut<br />
für Experimentelle Immunologie bei<br />
den Kapazundern Hengartner und<br />
Z<strong>in</strong>kernagel stu<strong>die</strong>ren zu dürfen –<br />
letzterer erhielt 1996 den Mediz<strong>in</strong>-<br />
Nobelpreis, weil er entdeckte, wie das<br />
Immunsystem Virus-<strong>in</strong>fizierte Zellen<br />
erkennt. „<strong>Es</strong> war nicht immer e<strong>in</strong>fach“,<br />
er<strong>in</strong>nert sie sich heute an <strong>die</strong><br />
harte Stu<strong>die</strong>nzeit, „ich habe gelernt,<br />
zu kämpfen und mich weiterzuentwickeln“.<br />
Sie blieb lange am Institut,<br />
schrieb dort ihre Doktorarbeit und<br />
hängte auch noch e<strong>in</strong> Post Doc an. Der<br />
E<strong>in</strong>tritt <strong>in</strong>s Berufsleben erfolgte 2004<br />
bei der Wiener Pharmafirma Intercell,<br />
<strong>die</strong> Impfstoffe zur Vorbeugung und<br />
Behandlung von Infektionskrankheiten<br />
entwickelt. Das 1998 gegründete<br />
Unternehmen zählt heute zu den<br />
erfolgreichsten s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Branche. Mit<br />
ihren 170 MitarbeiterInnen aus sechzehn<br />
verschiedenen Nationen steht <strong>die</strong><br />
Intercell AG an der Spitze der Entwicklung.<br />
Die Forschungs arbeit von Intercell<br />
beschäftigt sich schwerpunktmäßig<br />
mit Impfstoffen gegen Japanische<br />
Enzephalitis, Hepatitis C, Tuberkulose,<br />
Lungenentzündung und Ang<strong>in</strong>a. Die<br />
erfolgreichen kl<strong>in</strong>ischen Tests rufen<br />
großes Interesse bei <strong>in</strong>ternationalen<br />
Pharmakonzernen hervor.<br />
Steil nach oben<br />
Das Engagement bei <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Biotechfirma<br />
kommt Beatrice Senn entgegen,<br />
denn es geht ihr um möglichst große<br />
Anwendungsnähe: Sie möchte etwas<br />
le<strong>ist</strong>en, womit sie „Menschen helfen<br />
kann“. Die von ihr mitentwickelten<br />
126 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie
Impfstoffe gehen sofort <strong>in</strong> <strong>die</strong> kl<strong>in</strong>ische<br />
Test phase, wodurch sie deren<br />
unmittelbaren Nutzen miterleben<br />
kann. Dass gerade <strong>in</strong> ihrer Abteilung<br />
auch Tierversuche gemacht werden,<br />
nimmt sie <strong>in</strong> Kauf. Gern macht sie <strong>die</strong>se<br />
Experimente zwar nicht wie sie sagt,<br />
aber ohne sie könne es k<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Forschung<br />
geben. Allerd<strong>in</strong>gs sollten <strong>die</strong> Versuche<br />
„nie zur Rout<strong>in</strong>e werden“. Senns<br />
Engagement <strong>in</strong> Wien hat jedoch nicht<br />
nur berufliche, sondern auch private<br />
Gründe, denn <strong>die</strong> Immunolog<strong>in</strong> <strong>ist</strong> mit<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Österreichier liiert. „Sechs Jahre<br />
pendeln zwischen Wien und Zürich<br />
haben mir gereicht“, deswegen packte<br />
sie das Intercell-Angebot beim Schopf,<br />
<strong>die</strong> kl<strong>in</strong>genden Namen Hengartner und<br />
Z<strong>in</strong>kernagel ebneten dabei den Weg. In<br />
den zwei Jahren seit ihrem Firmene<strong>in</strong>tritt<br />
legte sie <strong>e<strong>in</strong>e</strong> fulm<strong>in</strong>ante Karriere<br />
h<strong>in</strong>, denn heute <strong>ist</strong> Senn Abteilungsleiter<strong>in</strong><br />
und hat e<strong>in</strong> Dutzend Mitarbeiter-<br />
Innen unter sich. Menschen anzuleiten<br />
sei <strong>e<strong>in</strong>e</strong> völlig neue Erfahrung, für <strong>die</strong><br />
sie nie ausgebildet worden sei. Von<br />
Tierpfleger Innen bis zu ForscherInnen<br />
musste sie anfangs unterschiedlichste<br />
Menschen unter <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Hut br<strong>in</strong>gen,<br />
doch nun s<strong>in</strong>d alle e<strong>in</strong> „wirklich gutes<br />
Team“.<br />
Schleichende<br />
Verösterreicherung<br />
Für ihren Werdegang kommen ihr<br />
auch ihre Jugenderfahrungen als<br />
Le<strong>ist</strong>ungsschwimmer<strong>in</strong> zugute, wo sie<br />
täglich <strong>in</strong> der Morgendämmerung <strong>in</strong>s<br />
kalte Wasser spr<strong>in</strong>gen musste und der<br />
Schulstress nebenbei e<strong>in</strong>herlief. „Ich<br />
habe damals gelernt mir m<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Zeit gut<br />
e<strong>in</strong>zuteilen und sehr effizient zu se<strong>in</strong>“,<br />
beschreibt sie den Benefit des Le<strong>ist</strong>ungssports.<br />
Auch ihr präziser Schweizer<br />
Arbeitsrythmus komme ihr zu Hilfe.<br />
Denn <strong>in</strong> Wien geht alles e<strong>in</strong> bisschen<br />
langsamer, me<strong>in</strong>t Senn schmunzelnd.<br />
Ihre Liebe zum Sport verfolgt sie <strong>in</strong><br />
ihrer Freizeit weiterh<strong>in</strong>, und tra<strong>in</strong>iert<br />
dabei alles, „was sich grad ergibt.“<br />
Gerne fährt sie am Wochenende raus<br />
aus Wien und bewegt sich <strong>in</strong> der Natur.<br />
Das Leben außerhalb des Jobs <strong>ist</strong> der<br />
Forscher<strong>in</strong> sehr wichtig, vor allem, seit<br />
sie mit ihrem Lebensgefährten <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n<br />
Grund erstand und nun zur gut österreichischen<br />
Häuslbauer<strong>in</strong> avancierte.<br />
Auch sonst entr<strong>in</strong>nt sie der Wiener<br />
Gemütlichkeit auf Dauer nicht, wie es<br />
sche<strong>in</strong>t: „Ich will k<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Karriere um<br />
jeden Preis“, erklärt sie im Zuge des<br />
Gesprächs, „ich brauche me<strong>in</strong> Privatleben<br />
und schaue, dass ich da <strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
gescheite Balance krieg.“<br />
„Ich war zum richtigen<br />
Zeitpunkt am richtigen Ort.“<br />
127 14
Diana Sepetanc<br />
Interview: Anita Zieher | November 2005<br />
„Mutig war ich schon immer.“<br />
Fotos: Lisa Holzer<br />
128 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie
Oftmals s<strong>in</strong>d es private Gründe, <strong>die</strong><br />
Menschen an <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n anderen Ort oder<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong> anderes Land ziehen. Bei Diana<br />
Sepetanc war es e<strong>in</strong> Ferialjob bei <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m<br />
großen <strong>in</strong>ternational tätigen Technologieunternehmen,<br />
der sie vor 20 Jahren<br />
von Zagreb nach Wien gebracht hat.<br />
Drei Jahre später wurde <strong>e<strong>in</strong>e</strong> fixe Anstellung<br />
daraus und sie <strong>ist</strong> <strong>in</strong> Österreich<br />
geblieben. Seither hat sie bei verschiedenen<br />
Unternehmen gearbeitet, <strong>die</strong><br />
Kommunikation mit Technologie verb<strong>in</strong>den<br />
und neue Lösungen entwickeln.<br />
Ausbildung:<br />
Studium der Elektrotechnik an der<br />
Technischen Universität <strong>in</strong> Zagreb<br />
Position:<br />
Customer Solutions Director<br />
bei Kapsch Carrier AG, Wien<br />
Branche:<br />
Telekommunikation<br />
Seit 2005 <strong>ist</strong> sie bei Kapsch Carrier<br />
für <strong>die</strong> Presales-Beratung von großen<br />
KundInnen <strong>in</strong> West- und Osteuropa<br />
zuständig. In ihrer Verantwortung liegt<br />
es, das Team von elf MitarbeiterInnen<br />
zu koord<strong>in</strong>ieren und für <strong>die</strong> Ausarbeitung<br />
von Lösungsvorschlägen, <strong>die</strong> den<br />
Anforderungen der KundInnen entsprechen<br />
zu sorgen. Sie selbst <strong>ist</strong> direkt<br />
dem Vorstand unterstellt und damit<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong> der wenigen Frauen auf <strong>die</strong>ser<br />
Ebene. „Da hat sich auch <strong>in</strong> den letzten<br />
10 Jahren nichts getan“, sagt Diana<br />
Sepetanc. Die Gründe dafür liegen zum<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n <strong>in</strong> der Erziehung der Frauen.<br />
„Was den Frauen fehlt, <strong>ist</strong> Mut mehr<br />
politisch zu denken und an sich selber<br />
zu denken.“ Zum anderen haben <strong>die</strong><br />
Unternehmen auch <strong>die</strong> Verantwortung,<br />
mehr Frauen zu beschäftigen. „<strong>Es</strong> wäre<br />
wichtig, dass <strong>die</strong> Firmen Frauen systematisch<br />
e<strong>in</strong>stellen, damit <strong>die</strong> kritische<br />
Masse erreicht wird und der Pool, aus<br />
denen Frauen <strong>in</strong> Führungspositionen<br />
aufsteigen, größer wird“, fordert sie<br />
deshalb. Vorurteile gegenüber Frauen<br />
129
„Ich habe immer m<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Arbeit mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r<br />
bestimmten Leidenschaft erfüllt. Dass <strong>man</strong><br />
<strong>die</strong> Arbeit mit Be ge<strong>ist</strong>erung macht, das <strong>ist</strong><br />
das wichtigste.“<br />
seien nach wie vor spürbar, jedoch eher<br />
auf der gleichen Ebene, wo es auch um<br />
Konkurrenz geht als bei MitarbeiterInnen.<br />
„Die Männer haben Seilschaften,<br />
<strong>die</strong> gläsernen Decken gibt es.“ Was sie<br />
sich wünscht <strong>ist</strong> e<strong>in</strong> Erfahrungsaustausch<br />
mit Frauen auf gleicher Ebene,<br />
„k<strong>e<strong>in</strong>e</strong> theoretischen Vorträge darüber,<br />
wie <strong>man</strong> sich durchsetzen kann.“<br />
Leidenschaft für komplexe<br />
Aufgaben<br />
Auch beim Studium der Elektrotechnik<br />
waren nicht sehr viele Frauen dabei.<br />
Ihr sei <strong>die</strong> Entscheidung für <strong>die</strong>se<br />
Ausbildung jedoch leicht gefallen. „Ich<br />
habe mich damals sehr für <strong>die</strong> Technik<br />
bege<strong>ist</strong>ert, es war ja alles neu: Computer,<br />
Elektronik, der IT-Bereich und<br />
<strong>die</strong> Automatisierung.“ Der Vater, selbst<br />
e<strong>in</strong> Masch<strong>in</strong>enbau<strong>in</strong>genieur, sah ihren<br />
Entschluss mit Wohlwollen, da es sich<br />
„um <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Technologie von globaler Bedeutung“<br />
handelt. Vom Studium habe<br />
sie weniger <strong>in</strong>haltlich als methodisch<br />
profitiert, sagt Diana Sepetanc, weil<br />
sie gelernt hat zu recherchieren und<br />
„wie <strong>man</strong> komplexe Themen im Kopf<br />
bearbeitet“. Diese Fähigkeit f<strong>in</strong>det sie<br />
auch bei anderen Menschen äußerst<br />
<strong>in</strong>teressant. „Mich fasz<strong>in</strong>ieren alle<br />
Persönlichkeiten, <strong>die</strong> <strong>in</strong> der Lage s<strong>in</strong>d,<br />
große Konzerne zu führen, <strong>die</strong> mit<br />
Komplexität sehr vertraut s<strong>in</strong>d, vor<br />
allem wie sie das tun, von der Führung<br />
bis zur strategischen Zielsetzung.“<br />
Ihre E<strong>in</strong>stellung zur Arbeit lässt sich<br />
am besten damit beschreiben, dass sie<br />
ihre „Aufgaben mit Leidenschaft erledigt“.<br />
Besonderen Spaß macht es ihr,<br />
130 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie
im Job „D<strong>in</strong>ge zu bewegen, kreativ zu<br />
gestalten, organisieren, koor d<strong>in</strong>ieren,<br />
letztendlich für <strong>die</strong> KundInnen etwas<br />
zu tun.“ Dabei setzt sie auf <strong>die</strong> gute<br />
Zusammenarbeit im Team, stellt an sich<br />
selbst den Anspruch sich <strong>die</strong> Loyalität<br />
ihrer MitarbeiterInnen wie jeder Vorgesetzte<br />
ver<strong>die</strong>nen zu müssen. Was sie<br />
nicht leiden kann, s<strong>in</strong>d Menschen, <strong>die</strong><br />
nicht kooperativ s<strong>in</strong>d, nicht am selben<br />
Strang ziehen. In so <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Fall <strong>ist</strong> es<br />
besser, sich von je<strong>man</strong>dem zu trennen<br />
als <strong>in</strong> so <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Situation zu bleiben,<br />
stellt sie klar. Da würde sie <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n<br />
raschen Wandel vollziehen, egal ob es<br />
sich dabei um <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Vorgesetzten oder<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Vorgesetzte oder <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Mitarbeiter<br />
oder <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Mitarbeiter<strong>in</strong> handelt.<br />
Beharrlichkeit über den Tag<br />
h<strong>in</strong>aus<br />
Außerhalb der <strong>in</strong>tensiven Arbeitswoche<br />
genießt sie es <strong>in</strong> der Freizeit <strong>in</strong>s<br />
K<strong>in</strong>o zu gehen, Sport zu betreiben,<br />
FreundInnen zu treffen oder e<strong>in</strong>fach<br />
nur zu faulenzen. Die Organisation des<br />
Familienlebens stelle mittlerweile k<strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
Belastung mehr dar: Die Tochter <strong>ist</strong> fast<br />
erwachsen, ihr Lebenspartner unterstützt<br />
jeden Karriereschritt von ihr. „E<strong>in</strong><br />
eigenständiger Weg im Berufsleben<br />
br<strong>in</strong>gt <strong>e<strong>in</strong>e</strong> große Bereicherung. Das<br />
Berufsleben <strong>ist</strong> genauso wertvoll wie<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Familie zu haben, das begleitet<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n auch e<strong>in</strong> Leben lang und <strong>ist</strong> sehr<br />
schön“, stellt sie fest. So schnell lässt<br />
sich Diana Sepetanc auch nicht von ihren<br />
Zielen abbr<strong>in</strong>gen. Entschlossenheit<br />
und positives Denken helfen ihr auch<br />
über schwierige Situationen h<strong>in</strong>weg.<br />
„Wenn mal e<strong>in</strong> Durchhänger kommt,<br />
das dauert bei mir ungefähr zwei Stunden<br />
oder ich schlafe mal<br />
drüber. Aber dann <strong>ist</strong> es vorbei. So<br />
leicht gebe ich nicht auf.“, erklärt sie<br />
lachend, „<strong>Es</strong> geht immer um <strong>die</strong> Beharrlichkeit<br />
am Ende des Tages.“<br />
Berufse<strong>in</strong>steigerInnen rät sie, sich für<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Arbeit entscheiden, <strong>die</strong> sie wirklich<br />
mögen und dass sie herausf<strong>in</strong>den, was<br />
sie wollen und danach handeln. Natürlich<br />
gibt es Frauen, <strong>die</strong> es sich bequem<br />
machen, aber besser <strong>ist</strong> es, „sich mit<br />
<strong>in</strong>telligenten D<strong>in</strong>gen zu beschäftigen,<br />
mit Themen, <strong>die</strong> <strong>die</strong> ganze Wirtschaft<br />
betreffen“. Außerdem ver<strong>die</strong>nt <strong>man</strong> ganz<br />
gut und <strong>ist</strong> wirtschaftlich unabhängig.<br />
131
Sab<strong>in</strong>e Seymour<br />
Interview: Teresa Arrieta | November 2006<br />
„In New York herrscht <strong>in</strong> m<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Beruf Gleichberechtigung.<br />
In Österreich stößt <strong>man</strong> h<strong>in</strong>gegen <strong>in</strong><br />
den Führungsetagen auf <strong>e<strong>in</strong>e</strong> gläserne Decke.“<br />
Fotos: Kathar<strong>in</strong>a Gossow<br />
132 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie
Ich b<strong>in</strong> e<strong>in</strong> Hybrid<br />
Weltenbürger<strong>in</strong> Sab<strong>in</strong>e Seymour<br />
entwirft <strong>die</strong> Kleidung der Zukunft -<br />
etwa Schuhe mit <strong>in</strong>tegrierten<br />
Computern - und pendelt zwischen<br />
den Kont<strong>in</strong>enten als Pionier<strong>in</strong>, Trendsetter<strong>in</strong><br />
und Forscher<strong>in</strong>.<br />
Nike Plus <strong>ist</strong> e<strong>in</strong> Turnschuh mit <strong>in</strong>tegriertem<br />
Chip. Er reg<strong>ist</strong>riert D<strong>ist</strong>anz<br />
und Zeit. Diese Daten überträgt er auf<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n iPod, der sich zum Beispiel <strong>in</strong> der<br />
Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsjacke bef<strong>in</strong>det. Sab<strong>in</strong>e Seymour<br />
hat im Zuge ihrer Arbeit für Nike<br />
Ausbildung:<br />
Handelswissenschaften<br />
Wirtschaftsuniversität Wien,<br />
Stipendium Columbia<br />
University New York,<br />
Interactive Telekommunications<br />
New York University,<br />
Tisch School of the Arts New York.<br />
Position:<br />
Lehrbeauftragte an der Parsons New<br />
School of Design New York,<br />
Kunstuniversität L<strong>in</strong>z,<br />
Academy of Arts <strong>in</strong> Tall<strong>in</strong>n/<strong>Es</strong>tland,<br />
Firmen<strong>in</strong>haber<strong>in</strong> Moondial Inc.<br />
Wissenschaftsdiszipl<strong>in</strong>:<br />
Kunstwissenschaften<br />
Runn<strong>in</strong>g e<strong>in</strong> solches Konzept vorgestellt,<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong> ihrer zahlreichen unerhörten<br />
Kreationen. Auch für Dupont hat sie<br />
<strong>in</strong>telligente Kleidung mit <strong>in</strong>tegrierter<br />
tragbarer Technologie geschaffen: Die<br />
mit Sensoren, thermochromischen<br />
Farben und verschiedenen elektronischen<br />
Komponenten ausgestatteten<br />
Kleidungsstücke bl<strong>in</strong>ken, sprechen und<br />
wechseln bei Berührung <strong>die</strong> Farbe.<br />
Damit sollen <strong>die</strong> Eigenschaften des<br />
elektrisch leitenden Fadens erklärt werden.<br />
„Fashionable Technology“ nennt<br />
<strong>die</strong> Kreative ihre Arbeit. Mit der von<br />
ihr gegründeten Firma Moondial br<strong>in</strong>gt<br />
sie Kleidung und Computertechnik <strong>in</strong><br />
ästhetischen E<strong>in</strong>klang. Im Rahmen von<br />
Führungspositionen bei Razorfish,<br />
R/GA und Hewlett-Packard konnte sie<br />
ihre Begabung, <strong>die</strong> auch dar<strong>in</strong> besteht,<br />
Design, Ästhetik und Funktionalität<br />
unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten<br />
zu komb<strong>in</strong>ieren, voll entfalten.<br />
Ihre neuen Projekte konzentrieren sich<br />
auf elektronische Textilien, tragbare<br />
Technologien und digitalen Innenraumdesign.<br />
Räume werden über Sensoren<br />
digital steuerbar. Je nach der vom<br />
Computer ermittelten körperlichen Bef<strong>in</strong>dlichkeit<br />
verändert sich der Duft, <strong>die</strong><br />
133
„Ich war immer schon sehr selbstständig.“<br />
Temperatur, das Licht, zugeschnitten<br />
auf <strong>die</strong> persönlichen Bedürfnisse. Oder<br />
aber KundInnen betreten <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Boutique<br />
und alle roten Artikel treten aus<br />
der Wand, weil auf der elektronischen<br />
KundInnenkarte der KäuferInnen <strong>die</strong><br />
Liebl<strong>in</strong>gsfarbe rot abgespeichert <strong>ist</strong>.<br />
Multikont<strong>in</strong>entale<br />
Avantgard<strong>ist</strong><strong>in</strong><br />
Sab<strong>in</strong>e Seymour versteht sich als<br />
Visionär<strong>in</strong>, ganzheitliche Denker<strong>in</strong> und<br />
<strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>äre Rebell<strong>in</strong>. In Österreich,<br />
wo sie ihr Studium begann, fühlte<br />
sie sich anfangs als Prophet<strong>in</strong> <strong>in</strong> der<br />
Wüste, damals war ihr Zukunftsmode-<br />
Design-Computer-Fachgebiet wenig<br />
bekannt und geschätzt. In New York<br />
h<strong>in</strong>gegen war das, was sie machte,<br />
völlig normal. Dort war auch der<br />
richtige Boden, um im Rahmen des<br />
Studiums ihren orig<strong>in</strong>ellen Interessen<br />
nachzugehen und nach Lust und Laune<br />
zwischen unterschiedlichen Diszipl<strong>in</strong>en<br />
zu switchen. „E<strong>in</strong> e<strong>in</strong>ziger Bereich war<br />
immer zuwenig für mich“ sagt sie mit<br />
Blick auf ihre Arbeit, und <strong>e<strong>in</strong>e</strong> e<strong>in</strong>zige<br />
Stadt auch. Aufgewachsen <strong>ist</strong> sie im<br />
Burgenland. Bis heute liebt sie <strong>die</strong> Berge,<br />
wo sie als K<strong>in</strong>d viel unterwegs war.<br />
Snowboarden gehört zu den großen<br />
Leidenschaften der IT-Avantgard<strong>ist</strong><strong>in</strong>.<br />
Aber bereits als Halbwüchsige zogen<br />
sie Metropolen magisch an: Mit größter<br />
Selbstverständlichkeit erforschte sie<br />
als Sechzehnjährige Paris auf eigene<br />
Faust und fühlte sich sofort heimisch.<br />
Ebenso <strong>in</strong> Sydney, wo sie nach der<br />
Matura verweilte. Am liebsten <strong>ist</strong> ihr<br />
jedoch New York, „endlich <strong>e<strong>in</strong>e</strong> richtige<br />
Stadt“, wo sie aufleben und ihre beruf-<br />
134 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie
lichen Pläne umsetzen kann, wo sie mit<br />
ihren zukunftsweisenden Ideen nicht<br />
als Exzentriker<strong>in</strong> gilt.<br />
Wechselnde Identitäten<br />
Nach New York g<strong>in</strong>g sie schon während<br />
ihrer Stu<strong>die</strong>nzeit <strong>in</strong> Wien. Im Big<br />
Apple verblieb sie dann im Rahmen<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Stipendiums für <strong>die</strong> Columbia<br />
University <strong>in</strong> New York, um <strong>in</strong>teraktive<br />
Telekommunikation an der New<br />
York University zu stu<strong>die</strong>ren und fand<br />
dort <strong>die</strong> ideale Mischung aus Fachkompetenz<br />
und Interdiszipl<strong>in</strong>arität.<br />
Im Rahmen von Fächern wie „Physical<br />
Comput<strong>in</strong>g“ fand sie Inspiration für<br />
ihre zukünftige berufliche Marschrichtung:<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Komb<strong>in</strong>ation von Design,<br />
Kunst und Technologie. In New York<br />
begann sie auch bald zu unterrichten<br />
und zu forschen. Heute <strong>ist</strong> Sab<strong>in</strong>e<br />
Seymour Professor<strong>in</strong> für Fashionable<br />
Technology an der New Yorker „Parsons<br />
The New School of Design“ und unterrichtet,<br />
wenn sie nicht gerade vor Ort<br />
<strong>ist</strong>, von Wien aus per Videokonferenz.<br />
In <strong>Es</strong>tland lehrt sie im Rahmen <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s<br />
„Smart Products“ Projektes Herstellungsverfahren<br />
für Computerkleidung<br />
und -textilien, d. h. wie <strong>man</strong> technische<br />
Machbarkeit und modische Ansprüche<br />
vere<strong>in</strong>t. E<strong>in</strong>en weiteren Lehrauftrag hat<br />
sie an der Kunstuniversität L<strong>in</strong>z, wo<br />
sie <strong>die</strong> Zusammenarbeit der Institute<br />
Textil Kunst&Design L<strong>in</strong>z und Interface<br />
Cultures New York <strong>in</strong>itiierte, als neue<br />
Schnittstelle zwischen Kunst, Design<br />
und Forschung. Im Rahmen der Ars<br />
Electronica stellt sie sowohl ihre Arbeiten<br />
als auch <strong>die</strong> ihrer StudentInnen<br />
regelmäßig vor. Die Ars <strong>ist</strong> ihr heute<br />
zur österreichischen Heimat geworden,<br />
während sie sich mit den anderen Anteilen<br />
ihrer Seele nach vierzehn Jahren<br />
USA heute eher als Amerikaner<strong>in</strong> fühlt<br />
– immerh<strong>in</strong> besitzt sie <strong>die</strong> Doppelstaatsbürgerschaft.<br />
Durch <strong>die</strong> Kulturen schweben<br />
Zu Österreich hat sie e<strong>in</strong> zwiespältiges<br />
Verhältnis: Wien f<strong>in</strong>det sie atmosphärisch<br />
eher „negativ“, <strong>die</strong> Berge s<strong>in</strong>d ihr<br />
h<strong>in</strong>gegen <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Quelle von Inspiration<br />
und Energie. Auch <strong>die</strong> nicht gerade<br />
frauenfreundlichen Karrieremöglichkeiten<br />
ihres Heimatlandes ernüchtern<br />
sie: „Ich wäre heute nie soweit, wenn<br />
ich hier geblieben wäre“, gibt sich<br />
<strong>die</strong> Wegbereiter<strong>in</strong> illusionslos. Doch<br />
<strong>in</strong> der Zwischenzeit stößt ihr Fachgebiet<br />
– vor allem <strong>in</strong> der Komb<strong>in</strong>ation<br />
mit ihrer handwerklichen Begabung<br />
- auch hierzulande auf immer regeres<br />
Interesse, weswegen sie es zusehends<br />
aufregender f<strong>in</strong>det <strong>in</strong> Europa präsent zu<br />
se<strong>in</strong>. Sab<strong>in</strong>e Seymour hat noch viel vor.<br />
Immer wieder hat sie für große amerikanische<br />
Unternehmen gearbeitet und<br />
sich Kompetenzen auf hohem Niveau<br />
angeeignet, so dass weitere Zusammenarbeiten<br />
immer <strong>in</strong>teressanter werden.<br />
Als Zukunftsvision möchte Seymour mit<br />
ihrem Unternehmen ihren eigenwilligen<br />
Weg fortführen und Projekte mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m<br />
festen Team erarbeiten. Wahrsche<strong>in</strong>lich<br />
wird sie der grauen Großstadt entfliehen<br />
und sich <strong>in</strong> <strong>die</strong> österreichischen<br />
Berge zurückziehen, um e<strong>in</strong> Labor<br />
im Heustadl zu kreieren. Am liebsten<br />
schwebt sie zwischen den Kulturen,<br />
Kont<strong>in</strong>enten und beruflichen Identitäten<br />
als Forscher<strong>in</strong>, Lehrende und Unterneh-<br />
mer<strong>in</strong>. Stolz <strong>ist</strong> sie vor allem auf ihre<br />
visionäre Kraft: „Als Pionier<strong>in</strong> zu gelten<br />
<strong>in</strong> m<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Gebiet, dass me<strong>in</strong> Name<br />
weltweit bekannt <strong>ist</strong> für tragbare Technologien<br />
und elektronische Textilien.“<br />
135 14
Doris Ste<strong>in</strong>müller-Nethl<br />
Interview: Anita Zieher | Oktober 2005<br />
Fotos: Lisa Holzer<br />
„Die Freiheit, Projekte zu verfolgen, <strong>die</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m wichtig s<strong>in</strong>d“<br />
136 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie
Glaubt <strong>man</strong> dem Klischee <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s alten<br />
Songs, dann s<strong>in</strong>d Dia<strong>man</strong>ten der beste<br />
Freund <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Frau. Für Doris Ste<strong>in</strong>müller-Nethl<br />
le<strong>ist</strong>en <strong>die</strong>se Edelst<strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
tatsächlich wertvolle Dienste, jedoch<br />
nicht als Schmuckstück, sondern als<br />
Werkstoff. Denn geme<strong>in</strong>sam mit ihrem<br />
Mann hat sie <strong>in</strong> Tirol <strong>die</strong> Firma r-BeSt<br />
coat<strong>in</strong>g GmbH gegründet und <strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
patentierte Methode zur Dia<strong>man</strong>tbeschichtung<br />
entwickelt.<br />
„Schon während des Studiums hatten<br />
ich und me<strong>in</strong> Mann <strong>die</strong> Idee, e<strong>in</strong><br />
Unternehmen zu gründen, das physi-<br />
Ausbildung:<br />
Studium der Physik<br />
an der Universität Innsbruck<br />
Position:<br />
Geschäftsführer<strong>in</strong> der<br />
r-BeSt coat<strong>in</strong>g GmbH, Ste<strong>in</strong>ach<br />
Branche:<br />
Forschung und Entwicklung<br />
im Bereich Naturwissenschaften<br />
kalisches Know-how anderen Betrieben<br />
zugänglich macht, etwa kl<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n<br />
Betrieben, <strong>die</strong> sich das nicht le<strong>ist</strong>en<br />
können.“ Geme<strong>in</strong>sam mit ihrem Mann,<br />
den sie schon seit der Schulzeit kennt,<br />
begann sie nach dem Physikstudium<br />
im Keller Forschung und Entwicklung<br />
zu betreiben. Mit Unterstützung des<br />
Forschungsförderungsfonds konnten sie<br />
erste Projekte realisieren und gründeten<br />
1996 ihre Firma. Ihre Konzentration<br />
galt <strong>in</strong>sbesondere atomarem Wasserstoff.<br />
Sie stießen dabei auf dessen<br />
besondere Eignung zur Erzeugung von<br />
Dia<strong>man</strong>tschichten und entwickelten e<strong>in</strong><br />
Verfahren mit dem Dia<strong>man</strong>t <strong>in</strong> höchster<br />
Qualität reproduziert und <strong>in</strong> <strong>in</strong>dustriellem<br />
Maßstab hergestellt werden kann.<br />
„<strong>Es</strong> gibt viel, was <strong>man</strong> mit Dia<strong>man</strong>ten<br />
machen kann“, erzählt sie bege<strong>ist</strong>ert,<br />
„zum Beispiel Mikrochips herstellen,<br />
<strong>die</strong> für <strong>die</strong> Krebsfrüherkennung<br />
sehr gute Ergebnisse liefern können.“<br />
Der Werkstoff Dia<strong>man</strong>t <strong>ist</strong> chemisch<br />
stabil, biokompatibel und erlaubt<br />
unterschiedlichste Anwendungen <strong>in</strong><br />
verschiedenen Segmenten. Während<br />
im Bereich Elektronik und Life Science<br />
noch Forschungs- und Entwicklungsaufwand<br />
gele<strong>ist</strong>et werden muss, haben<br />
137
sich mittlerweile Luxusgüter und vor<br />
allem Verschleißschutz, also der Schutz<br />
von Werkzeugen und Instrumenten,<br />
als Hauptgeschäftsfelder entwickelt.<br />
„<strong>Es</strong> <strong>ist</strong> wichtig zu beobachten, was am<br />
Markt passiert“, erklärt Doris Ste<strong>in</strong>müller-Nethl.<br />
Deshalb arbeitet ihre<br />
Firma auch ständig an Forschungsprojekten<br />
<strong>in</strong> österreichischen und <strong>in</strong><br />
EU-Programmen mit. Die Partner für<br />
<strong>die</strong>se Projekte sucht Doris Ste<strong>in</strong>müller-<br />
Nehtl zusammen. E<strong>in</strong>e Vision von ihr <strong>ist</strong><br />
es mit den Unternehmen im Nano-<br />
Dia<strong>man</strong>t-Network (NaDiNe) e<strong>in</strong> Nano-<br />
Zentrum mit kr<strong>ist</strong>all<strong>in</strong>en Schichten <strong>in</strong><br />
Tirol aufzubauen. Sie <strong>ist</strong> auch für das<br />
strategische Management der Firma<br />
zuständig, wobei das Ziel nicht so sehr<br />
Wachstum als vielmehr der Zusammenschluss<br />
mit strategischen PartnerInnen<br />
<strong>ist</strong>. „Sonst verliert <strong>man</strong> <strong>die</strong> Flexibilität,<br />
<strong>die</strong> ja e<strong>in</strong> großer Vorteil <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Kle<strong>in</strong>betriebes<br />
<strong>ist</strong>, <strong>die</strong> Freiheit, Projekte zu<br />
verfolgen und das zu entwickeln, was<br />
tatsächlich gebraucht wird.“<br />
Fasz<strong>in</strong>ation für Umwelt und<br />
Natur<br />
Von Physik war Doris Ste<strong>in</strong>müller-Nehtl<br />
schon immer angetan. „Ich wollte<br />
verstehen, was sich <strong>in</strong> der Umwelt und<br />
der Natur abspielt.“ Die me<strong>ist</strong>en Leute<br />
f<strong>in</strong>den das fasz<strong>in</strong>ierend, jedoch wird es<br />
<strong>in</strong> der Schule me<strong>ist</strong>ens nicht gut aufbereitet,<br />
me<strong>in</strong>t sie. Deshalb vermittelt sie<br />
<strong>die</strong>ses Wissen gerne als Gastreferent<strong>in</strong>.<br />
„In der Klasse m<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r jüngsten Söhne<br />
habe ich Feuer und Licht, Wasser und<br />
Eis demonstriert. <strong>Es</strong> <strong>ist</strong> so fasz<strong>in</strong>ierend<br />
zu sehen, wie <strong>die</strong> Kl<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n staunend gescheite<br />
Fragen stellen.“ Mehr Verständnis<br />
<strong>ist</strong> möglich; dazu bedarf es nur des<br />
Engagements der LehrerInnen, <strong>ist</strong> sie<br />
überzeugt.<br />
Im Betrieb <strong>ist</strong> immer viel los, e<strong>in</strong>mal<br />
kommt <strong>die</strong> Delegation <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s japanischen<br />
Dia<strong>man</strong>tzentrums zu Besuch, e<strong>in</strong><br />
anderes Mal fährt sie für <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Präsentation<br />
nach Schweden. Damit sie auch<br />
Zeit für <strong>die</strong> drei K<strong>in</strong>der hat, verlegt<br />
sie das Arbeiten oft <strong>in</strong> <strong>die</strong> Nacht. Für<br />
Erholung bleibt momentan kaum Zeit,<br />
räumt sie e<strong>in</strong>. „<strong>Es</strong> gibt zwei, drei Projekte,<br />
<strong>die</strong> wichtig s<strong>in</strong>d, wenn <strong>die</strong> was<br />
werden, dann s<strong>in</strong>d wir e<strong>in</strong> großes Stück<br />
weiter. Voller E<strong>in</strong>satz <strong>ist</strong> gefordert, da<br />
kann ich nicht sagen: Ich fahre jetzt<br />
<strong>in</strong> Urlaub.“ Beim Aufbau <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Unternehmens<br />
gibt es schon auch große<br />
Durststrecken und schlaflose Nächte,<br />
gibt sie zu. „Ängste gibt es, denen muss<br />
<strong>man</strong> sich stellen.“ Durch <strong>die</strong> geme<strong>in</strong>same<br />
Arbeit mit ihrem Ehe<strong>man</strong>n gibt es<br />
k<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Trennung zwischen Privatleben<br />
und Beruf. Die Zusammenarbeit erwe<strong>ist</strong><br />
sich aber gerade <strong>in</strong> schwierigen Phasen<br />
als großes Plus. „Wir haben das Ziel nie<br />
aus den Augen verloren, uns gegenseitig<br />
unterstützt und motiviert.“<br />
Und zum Glück stellen sich ja auch<br />
Erfolge e<strong>in</strong>, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Mühe lohnen.<br />
Zunächst e<strong>in</strong>mal <strong>die</strong> Gewissheit, „dass<br />
<strong>man</strong> <strong>die</strong> D<strong>in</strong>ge, <strong>die</strong> ich entwickelt habe,<br />
138 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie
zum Wohle der Menschheit e<strong>in</strong>setzen<br />
kann, <strong>in</strong>sbesondere <strong>in</strong> der Krebsfrüherkennung<br />
und der Behandlung von<br />
Diabetes-PatientInnen“. Und auch <strong>die</strong><br />
Zufriedenheit der 21 MitarbeiterInnen<br />
erfüllt sie mit Stolz: „E<strong>in</strong>mal hat e<strong>in</strong><br />
Mitarbeiter gesagt: ‚Das <strong>ist</strong> ja wie e<strong>in</strong><br />
Sechser im Lotto, bei euch zu arbeiten’“,<br />
erzählt sie lachend.<br />
Möglichkeiten für neue Wege<br />
Dass sie als Frau <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r männlich<br />
geprägten Branche tätig <strong>ist</strong>, hat sie<br />
nie als Problem empfunden. Beim<br />
Studium waren am Anfang drei Frauen<br />
und 50 Männer, am Schluss blieb nur<br />
noch sie übrig. Bei KundInnen spürt<br />
sie schon <strong>man</strong>chmal Vorbehalte, dann<br />
versucht sie, „durch Gespräche und<br />
das Runterbr<strong>in</strong>gen auf <strong>die</strong> Sachebene<br />
<strong>die</strong>se Vorurteile auszuräumen“. Nach<br />
wie vor s<strong>in</strong>d jedoch Familie und Beruf<br />
e<strong>in</strong> Haupth<strong>in</strong>dernis für <strong>die</strong> Karriere von<br />
Frauen, <strong>ist</strong> sie überzeugt. Weil es auch<br />
<strong>in</strong> ihrem Wohnort zu wenige K<strong>in</strong>derbetreuungsplätze<br />
gab, hat sie kurzerhand<br />
mit zwei anderen Frauen <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n<br />
Mittagstisch <strong>in</strong>itiiert.<br />
„Da muss mehr geschehen. <strong>Es</strong> kann<br />
nicht se<strong>in</strong>, dass das nur durch Eigen<strong>in</strong>itiative<br />
leichter wird, es sollte<br />
selbstverständlicher werden“, betont<br />
sie und appelliert an <strong>die</strong> Politik, statt<br />
leerer Worthülsen tatsächlich Betreuungsstätten<br />
zu produzieren.<br />
Jungen Frauen rät sie, sich klar zu<br />
werden, was sie wollen und dann<br />
konsequent das Ziel zu verfolgen.<br />
Selbständigkeit sieht sie nach wie<br />
vor als viel versprechende Perspek -<br />
tive: „E<strong>in</strong> eigener Betrieb b<strong>in</strong>det viele<br />
Ressourcen, aber es gibt auch mehr<br />
Möglichkeiten, neue Wege e<strong>in</strong>zuschlagen.“<br />
„Wenn <strong>man</strong> Ideen hat,<br />
bietet <strong>die</strong> Selbständigkeit<br />
<strong>die</strong> beste Möglichkeit, <strong>die</strong>se<br />
zu realisieren.“<br />
139 14
Angela Stöger-Horwath<br />
Interview: Teresa Arrieta | Juli 2006<br />
„Aus Afrika wollte ich nicht wieder weg.“<br />
Fotos: Nora Friedel<br />
140 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie
Wie Elefanten Sprechen lernen<br />
Die Zoolog<strong>in</strong> Angela Stöger-Horwath<br />
versteht <strong>die</strong> geheime Sprache der<br />
Elefanten, schaffte bereits als Jungforscher<strong>in</strong><br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Sensationspublikation<br />
<strong>in</strong> der renommierten Zeitschrift<br />
„Nature“ und liebt Afrika.<br />
Mit Mikrofon und Aufnahmegerät<br />
bewaffnet steht sie im Elefantengehege<br />
im Tiergarten Schönbrunn und hört<br />
den Elefanten zu, wochenlang. Danach<br />
wertet sie <strong>die</strong> f<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Nuancen zwischen<br />
Trompeten, Rumbeln und Grunzen auf<br />
Ausbildung:<br />
Studium der Zoologie Universität Wien<br />
Auslandsstipendium Universität Basel<br />
Position:<br />
Doktorand<strong>in</strong>/Lektor<strong>in</strong> am Department<br />
für Evolutionsbiologie Universität Wien<br />
Freie Wissenschafter<strong>in</strong><br />
Wissenschaftsdiszipl<strong>in</strong>:<br />
Zoologie/Bioakustik<br />
dem Computer aus, monatelang. Knochenarbeit<br />
<strong>ist</strong> Angela Stöger-Horwaths<br />
Job, denn sie <strong>ist</strong> Bioakustiker<strong>in</strong> - und<br />
erzielte bereits früh Erfolge damit:<br />
Vergangenes Jahr konnte <strong>die</strong> 30jährige<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Publikation im renommierten<br />
Fachmagaz<strong>in</strong> „Nature“ platzieren.<br />
Geme<strong>in</strong>sam mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m <strong>in</strong>ternationalen<br />
ForscherInnenteam, <strong>in</strong> dem auch <strong>die</strong><br />
<strong>in</strong> Kenia lebende „Elefantenflüsterer<strong>in</strong>“<br />
Joyce Poole mitarbeitete, konnte<br />
Stöger-Horwath nachweisen, dass<br />
Elefanten fähig s<strong>in</strong>d, Laute zu imitieren<br />
- <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Fähigkeit, <strong>die</strong> sonst nur<br />
von bestimmten Vögeln oder Walarten<br />
bekannt <strong>ist</strong>.<br />
Elefanten imitieren<br />
LKW-Motoren<br />
Joyce Poole nahm <strong>in</strong> Kenia Laute des<br />
im Tierwaisenhaus lebenden Elefanten<br />
Mlaika auf, der aus r<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Langeweile<br />
das Brummen <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s LKWs täuschend<br />
echt nachzuahmen verstand, und Angela<br />
Stöger-Horwath nahm im Baseler<br />
Zoo das elefantöse Zwitschern des<br />
afrikanischen Dickhäuters Calimero auf,<br />
141
der den artspezifischen Dialekt s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>s<br />
asiatischen Gehegegenossen im Laufe<br />
der Zeit erlernte und imitierte. Die Erkenntnis,<br />
dass Elefanten zur Lautnachahmung<br />
fähig s<strong>in</strong>d, war <strong>e<strong>in</strong>e</strong> bahnbrechende<br />
Erkenntnis, <strong>die</strong> <strong>die</strong> grauen<br />
Riesen <strong>in</strong> den Rang <strong>in</strong>telligenter und<br />
sensibler Meeressäugetiere wie den<br />
Walen oder Delph<strong>in</strong>en erhebt. Das neue<br />
Wissen um deren hohe Intelligenz und<br />
Sensibilität könnte auch <strong>die</strong> Haltungsbed<strong>in</strong>gungen<br />
für Elefanten verbessern,<br />
hofft Angela Stöger-Horwath.<br />
Mit sichtlichem Vergnügen beschreibt<br />
sie <strong>die</strong> von ihr erforschte geheime<br />
Sprache der Elefanten: Bellen, grunzen,<br />
schnauben, zirpen, tröten und brüllen<br />
können <strong>die</strong> Dickhäuter. Jede Familie<br />
produziert <strong>e<strong>in</strong>e</strong> klanspezifische Klangfärbung,<br />
am me<strong>ist</strong>en reden dabei <strong>die</strong><br />
Elefantenweibchen, <strong>die</strong> s<strong>in</strong>d „richtige<br />
Klatschtanten“, so <strong>die</strong> Zoolog<strong>in</strong>. Die genaue<br />
Anzahl der elefantösen Lautarten<br />
werde derzeit erforscht, e<strong>in</strong> Großteil<br />
liegt im Infraschallbereich, der für das<br />
menschliche Ohr unhörbar <strong>ist</strong>. Lediglich<br />
e<strong>in</strong> Vibrieren der Luft <strong>ist</strong> für menschliche<br />
BeobachterInnen spürbar, wenn<br />
sich Elefanten auf <strong>die</strong>ser Wellenlänge<br />
unterhalten.<br />
Sich Kompetenz erst e<strong>in</strong>mal<br />
erkämpfen müssen<br />
Im Zuge der Nature Publikation wurde<br />
Angela Stöger-Horvath von den Me<strong>die</strong>n<br />
entdeckt: „Ich war monatelang nur<br />
noch mit Fernsehteams beschäftigt“,<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong> anstrengende Zeit, „aber ich war<br />
auch e<strong>in</strong> bissl stolz“. Denn ihr Biologiestudium<br />
war <strong>in</strong> ihrem Bekann-<br />
tenkreis oft als Sonnenblumenfach<br />
belächelt worden, umso wichtiger <strong>ist</strong><br />
es der Bioakustiker<strong>in</strong> heute, Ergebnisse<br />
präsentieren zu können. Am Anfang des<br />
Studiums hatte sie sich noch regelrecht<br />
durchbeißen müssen, „Als Frau muss<br />
<strong>man</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Kompetenz erst e<strong>in</strong>mal beweisen,<br />
Männer werden schneller ernst<br />
genommen“, so ihre Erfahrung. Dabei<br />
glaubt sie, dass Frauen für <strong>die</strong> Verhaltensbiologie<br />
besondere Talente haben,<br />
denn dafür braucht es viel Geduld: „<strong>Es</strong><br />
tut sich oft stundenlang nichts. Das<br />
muss <strong>man</strong> erst e<strong>in</strong>mal Aushalten lernen“<br />
weiß sie aus eigener Erfahrung.<br />
Sie selbst ließ sich von den Mühen des<br />
Anfangs nicht abhalten, hat immer gewusst,<br />
was sie will und das dann auch<br />
durchgezogen. „Was ich mir vornehme,<br />
erreiche ich auch“, so <strong>die</strong> Elefantenforscher<strong>in</strong><br />
selbstbewusst. Auch den Kontakt<br />
mit der renommierten Joyce Poole<br />
hat sie sich all<strong>e<strong>in</strong>e</strong> geschaffen. Im Zuge<br />
der geme<strong>in</strong>samen Arbeit an der „Nature<br />
Publikation“ hat sie sie <strong>in</strong> Kenia im<br />
Amboseli Nationalpark besucht. „<strong>Es</strong> war<br />
wunderschön mit hunderten Elefanten<br />
zusammen zu se<strong>in</strong>, sie unter freieren<br />
Haltungsbed<strong>in</strong>gungen zu erleben.“ Aus<br />
Afrika wollte sie nicht wieder weg. In<br />
Kenias Hauptstadt Nairobi seien <strong>die</strong><br />
Jungtiere sogar zutraulich geworden,<br />
„e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>maliges Erlebnis“.<br />
Frühe Sportler<strong>in</strong>nenkarriere<br />
Ehrgeizig und zielstrebig war Angela<br />
Stöger-Horwath immer schon, geprägt<br />
hat sie dabei ihre Jugendkarriere als<br />
Le<strong>ist</strong>ungsschwimmer<strong>in</strong>: Zwölf Mal wurde<br />
sie Staatsme<strong>ist</strong>er<strong>in</strong> <strong>in</strong> der Diszipl<strong>in</strong><br />
Synchronschwimmen, auch bei Europa-<br />
und Weltme<strong>ist</strong>erschaften erreichte sie<br />
F<strong>in</strong>alplätze. Vier bis sechs Stunden pro<br />
Tag musste sie als Jugendliche tra<strong>in</strong>ieren,<br />
„ich b<strong>in</strong> täglich um sieben Uhr<br />
früh <strong>in</strong>s Wasser gesprungen, ob´s mich<br />
gefreut hat, oder nicht.“<br />
E<strong>in</strong>en Teil ihres Zoologiestudiums<br />
konnte sie sich dann auch aus der<br />
Sporthilfe f<strong>in</strong>anzieren. Sich von Rückschlägen<br />
nicht irritieren lassen, durch<br />
hartnäckige Arbeit ans Ziel kommen,<br />
<strong>die</strong>se Lektionen aus dem Le<strong>ist</strong>ungssport<br />
kommen ihr heute zugute. Erst recht,<br />
seit vor <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Jahr ihre Tochter Cel<strong>in</strong>e<br />
zur Welt kam. Die Herausforderung<br />
besteht nun dar<strong>in</strong>, trotzdem beruflich<br />
voranzukommen. „Ich habe gelernt,<br />
sehr effektiv zu se<strong>in</strong>.“ Täglich beg<strong>in</strong>nt<br />
142 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie
sie um sechs Uhr früh zu arbeiten, um<br />
auf ihr Pensum zu kommen, bis Cel<strong>in</strong>e<br />
aufwacht. Auch ihr Mann, der als Tierpfleger<br />
im Schönbrunner Zoo arbeitet,<br />
unterstützt sie, ebenso ihre Eltern.<br />
Neue berufllche Ziele hat sie auch<br />
bereits: Derzeit arbeitet Angela<br />
Stöger-Horwath an <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m akustischen<br />
Frühwarnsystem, um Menschen, <strong>die</strong> <strong>in</strong><br />
Elefantengebieten <strong>in</strong> Asien und Afrika<br />
leben, vor herannahenden Tierherden<br />
zu warnen. Denn wo Mensch und<br />
Elefant nah beie<strong>in</strong>ander leben, gibt<br />
es immer wieder zu Tode Getrampelte<br />
und Verletzte. E<strong>in</strong>en viel versprechenden<br />
Karrierebeg<strong>in</strong>n mit raschen<br />
Erfolgen hat Angela Stöger-Horwath<br />
bisher absolviert, „besser hätte es<br />
nicht laufen können.“<br />
„Ich hab mir m<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Weg selber gebahnt,<br />
ich war immer dah<strong>in</strong>ter.“<br />
143 14
Sok-Kheng Ta<strong>in</strong>g<br />
Interview: Teresa Arrieta | März 2007<br />
„E<strong>in</strong> Unternehmen <strong>ist</strong> immer so gut wie se<strong>in</strong><br />
schwächstes Glied.“<br />
Fotos: Nora Friedel<br />
144 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie
„Wer mit Leidenschaft arbeitet,<br />
vergisst Raum und Zeit“<br />
Die Oberösterreicher<strong>in</strong> Sok-Kheng<br />
Ta<strong>in</strong>g hat e<strong>in</strong> IT-Unternehmen mitbegründet,<br />
dem sie zur <strong>in</strong>ternationalen<br />
Marktführerschaft verhelfen will. Die<br />
Anfänge s<strong>in</strong>d vielversprechend.<br />
„Ich wollte alles kennen lernen und das<br />
Maximum rausholen“, sagt Sok-Kheng<br />
Ta<strong>in</strong>g über ihre L<strong>in</strong>zer Stu<strong>die</strong>nzeit und<br />
<strong>die</strong>se Worte charakterisieren sie wohl<br />
besonders treffend. E<strong>in</strong>e Asiat<strong>in</strong> mit<br />
oberösterreichischem Akzent im Busi-<br />
Ausbildung:<br />
Studium Betriebswirtschaftslehre,<br />
Johannes Kepler Universität L<strong>in</strong>z<br />
Position:<br />
Gründer<strong>in</strong> von dynaTrace, 2005. Leitung<br />
des <strong>in</strong>ternationalen Geschäftsbereiches,<br />
Vertrieb und Market<strong>in</strong>g<br />
Branche:<br />
Informationstechnologie<br />
ness Look. Quirlig, stets lachend und<br />
voller Tatendrang: Sok-Kheng Ta<strong>in</strong>g <strong>ist</strong><br />
k<strong>e<strong>in</strong>e</strong> alltägliche Ersche<strong>in</strong>ung. Die Eltern<br />
flüchteten 1980 vor den Roten Khmer<br />
von Kambodscha nach Österreich, da<br />
war <strong>die</strong> kl<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Sok-Kheng gerade sechs<br />
Jahre alt. Sie wuchs <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m oberösterreichischen<br />
Dorf auf, absolvierte hier<br />
K<strong>in</strong>dergarten, Schulzeit und danach als<br />
erste Frau <strong>in</strong> ihrer traditionsbewussten<br />
Familie e<strong>in</strong> Studium der Betriebswirtschaftslehre<br />
an der Johannes<br />
Kepler Universität. Nebenbei belegte<br />
sie <strong>in</strong>teressehalber zahlreiche Freifächer<br />
und besuchte sogar abends noch<br />
Zusatzvorlesungen. Getragen war sie<br />
dabei von dem Wunsch immer Neues<br />
zu erfahren. Mit Neugier, Enthusiasmus<br />
und schwammartiger Wissbegierde g<strong>in</strong>g<br />
sie jede neue Erfahrung an und legte<br />
während des Studiums noch e<strong>in</strong> Praktikum<br />
<strong>in</strong> den USA (Atlanta) e<strong>in</strong>, denn ihr<br />
Leben sollte immer „bunt und vielfältig“<br />
se<strong>in</strong>. Um ihr Taschengeld aufzubessern,<br />
nahm sie <strong>in</strong> den Staaten <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Job im<br />
Telemarket<strong>in</strong>g an. Ne<strong>in</strong>, das sei ganz<br />
und gar nicht langweilig gewesen, ganz<br />
im Gegenteil: „Man lernt auf Menschen<br />
zuzugehen. Ich konnte tra<strong>in</strong>ieren Verkaufsgespräche<br />
zu führen.“<br />
145
„Ich habe mich als Frau nie benachteiligt gefühlt.<br />
Das wichtigste <strong>ist</strong>, zufrieden mit sich selbst zu se<strong>in</strong><br />
und s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Weg zu gehen, auch wenn das Umfeld<br />
anderer Me<strong>in</strong>ung <strong>ist</strong>.“<br />
Aus jedem Job das Beste<br />
machen<br />
„Ich hab jeden m<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Jobs ernst<br />
genommen und geschaut, was ich<br />
draus lernen kann“, fasst <strong>die</strong> Ehrgeizige<br />
ihr Lebensmotto zusammen. Vor<br />
allem <strong>die</strong> Offenheit und Kontaktfreudigkeit<br />
der AmerikanerInnen fand <strong>die</strong><br />
BWL-Student<strong>in</strong> fantastisch, trotzdem<br />
zog es sie <strong>in</strong> <strong>die</strong> oberösterreichische<br />
Heimat zurück. Nach Abschluss ihres<br />
Studiums <strong>in</strong> L<strong>in</strong>z heuerte sie zuerst<br />
bei <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Werbeagentur an, um<br />
dann <strong>in</strong> <strong>die</strong> Market<strong>in</strong>g Abteilung der<br />
Büro Handel GesmbH zu wechseln,<br />
146 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie
des führenden Anbieters von Büro-<br />
Produkten <strong>in</strong> Zentraleuropa. Dort baute<br />
sie den gesamten Internetvertrieb des<br />
Unternehmens auf (Onl<strong>in</strong>e Shop, Multi-<br />
Channel Vertrieb über Marktplätze und<br />
Portale). E<strong>in</strong>e Erfahrung, <strong>die</strong> für ihre<br />
spätere Firmengründung sehr nützlich<br />
se<strong>in</strong> sollte, denn hier hatte sie erstmals<br />
mit den Problemen von KundInnen im<br />
E-Bus<strong>in</strong>ess zu kämpfen: „Wenn je<strong>man</strong>d<br />
bei unserer Firma per Onl<strong>in</strong>eshopp<strong>in</strong>g<br />
e<strong>in</strong>kaufen wollte und <strong>die</strong> Applikation<br />
funktionierte nicht, hatte <strong>die</strong>s Umsatze<strong>in</strong>bußen<br />
zur Folge oder <strong>die</strong> KundInnen<br />
g<strong>in</strong>gen zu MitbewerberInnen. Das<br />
war schon sehr ärgerlich.“ Zu dumm,<br />
dachte sie bereits damals, dass es ke<strong>in</strong><br />
Computer-Tool gibt, mit dem solche<br />
Probleme bis an <strong>die</strong> Wurzel zurückverfolgt<br />
werden können, so dass <strong>die</strong><br />
IT-Spezial<strong>ist</strong>Innen <strong>die</strong> genaue Ursuche<br />
des Ausfalls verstehen. Denn zu jener<br />
Zeit erfolgten IT-Reparaturen schlicht<br />
nach dem Trial-and-Error Pr<strong>in</strong>zip.<br />
Firmengründung auf der<br />
grünen Wiese<br />
E<strong>in</strong>ige Jahre später gab <strong>die</strong>se zündende<br />
Idee den Impuls zur Firmengründung<br />
von dynaTrace, wie sich <strong>die</strong><br />
Market<strong>in</strong>g-Expert<strong>in</strong> er<strong>in</strong>nert: „Me<strong>in</strong><br />
Kollege, der Systementwickler Bernd<br />
Greifeneder, kam mit der Idee <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r<br />
Computer Software, mit der <strong>man</strong> den<br />
Weg durchs Problemlabyr<strong>in</strong>th erstmals<br />
deutlich nachvollziehen kann. Mit der<br />
<strong>man</strong> analysieren kann, was bei dem<br />
jeweiligen Ausfall genau passiert <strong>ist</strong><br />
und wo <strong>die</strong> Problemursache liegt.“ E<strong>in</strong><br />
Programm, das Perfor<strong>man</strong>ce-Probleme<br />
und Softwarefehler über verteilte Java<br />
und .NET Systemlandschaften h<strong>in</strong>weg<br />
erstmalig punktgenau identifiziert und<br />
rekonstruiert. „Ich sagte: Wow, super,<br />
bisher war ich wie bl<strong>in</strong>d vor <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m<br />
IT-Problem. Das hat mich immer schon<br />
geschmerzt, ich hab nie verstanden<br />
dass es ke<strong>in</strong> Tool dafür gibt.“ Zu dritt<br />
erfolgte im Jahr 2005 <strong>die</strong> Firmengründung.<br />
Anfangs bewältigten <strong>die</strong> drei IT-<br />
Pioniere <strong>die</strong> gesamte Arbeit alle<strong>in</strong>, das<br />
sei hart und zeit<strong>in</strong>tensiv gewesen: „Wir<br />
haben gut bezahlte, verantwortungsvolle<br />
Positionen und Karrieren aufgegeben,<br />
aber uns hat fasz<strong>in</strong>iert, etwas<br />
Neues aufzubauen“, schildert sie <strong>die</strong><br />
Beweggründe. Wichtig war zu <strong>die</strong>sem<br />
Zeitpunkt auch <strong>die</strong> professionelle Hilfe<br />
von AWS (Austria Wirtschaftsservice)<br />
und <strong>die</strong> f<strong>in</strong>anzielle Unterstützung durch<br />
<strong>die</strong> FFG (Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft).<br />
„AWS und FFG<br />
s<strong>in</strong>d gelungene Konzepte, um UnternehmensgründerInnen<br />
<strong>in</strong> Österreich<br />
den Start <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong> spannende Zukunft zu<br />
ermöglichen“, me<strong>in</strong>t sie heute anerkennend.<br />
Die geme<strong>in</strong>same Anstrengung der<br />
drei IT-Musketiere war jedenfalls von<br />
raschem Erfolg gekrönt:<br />
Nach den Sternen greifen<br />
Nach weniger als drei Jahren verfügt<br />
das Unternehmen nun über vierzig<br />
MitarbeiterInnen, <strong>die</strong> mit Fokus <strong>in</strong><br />
Zentraleuropa, Großbritannien und<br />
den USA tätig s<strong>in</strong>d. KundInnen wie <strong>die</strong><br />
Österreichische Nationalbank oder <strong>die</strong><br />
Deutsche Bahn vertrauen dem Jungunternehmen.<br />
Sok-Kheng Ta<strong>in</strong>g leitet<br />
den <strong>in</strong>ternationalen Geschäftsbereich,<br />
Vertrieb und Market<strong>in</strong>g. Ihr Ziel? „Ich<br />
möchte dynaTrace zum <strong>in</strong>ternationalen<br />
Marktführer begleiten“, formuliert sie<br />
das ehrgeizige Firmenvorhaben. Das<br />
von dynaTrace patentierte „PurePath“<br />
System, das wie e<strong>in</strong> Vergrößerungsglas<br />
E<strong>in</strong>blick <strong>in</strong> <strong>die</strong> verschlungenen<br />
Programmierpfade gewährt, soll zum<br />
Standard für jeder<strong>man</strong>n werden. Bei<br />
Applikations-Problemen soll jeder<br />
IT-Manager <strong>in</strong> Zukunft ganz selbstverständlich<br />
fragen: „Was siehst Du im<br />
PurePath?“, wünscht sich <strong>die</strong> Firmengründer<strong>in</strong>.<br />
Ja, es stimmt, sie habe e<strong>in</strong><br />
ausgeprägtes Le<strong>ist</strong>ungsdenken. Das<br />
komme bereits von den Eltern, ebenfalls<br />
UnternehmerInnen, <strong>die</strong> jedoch <strong>in</strong><br />
Kambodscha alles was sie aufgebaut<br />
hatten, zurück lassen mussten. Wie es<br />
ihr als weibliche Unternehmer<strong>in</strong> gehe?<br />
Danke bestens. Natürlich fällt <strong>man</strong><br />
als Asiat<strong>in</strong> <strong>in</strong> der männerdom<strong>in</strong>ierten<br />
Bus<strong>in</strong>ess Welt auf, aber das kann <strong>man</strong><br />
auch zu s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Vorteil nutzen: „<strong>Es</strong><br />
kommt immer darauf an, wie <strong>man</strong> <strong>die</strong><br />
Genderthematik im Kopf def<strong>in</strong>iert.“<br />
147
Alberta Velimirov<br />
Interview: Teresa Arrieta | Dezember 2006<br />
„<strong>Es</strong> <strong>ist</strong> Uns<strong>in</strong>n, <strong>die</strong> westliche reduktion<strong>ist</strong>ische<br />
Naturwissenschaft über alles andere zu erheben.“<br />
Fotos: Lisa Holzer<br />
148 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie
„Wir brauchen <strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
Nahrungsrevolution“<br />
Zoolog<strong>in</strong> Alberta Velimirov untersucht<br />
<strong>die</strong> Qualität biologischer<br />
Lebensmittel mit ganzheitlichen<br />
Wissenschaftsmethoden und stellt<br />
<strong>die</strong> Ökologie <strong>in</strong> der Landwirtschaft<br />
auf zeitgemäße wissenschaftliche<br />
B<strong>e<strong>in</strong>e</strong>.<br />
Wir brauchen uns nicht zu wundern,<br />
wenn wir immer dicker und gestresster<br />
werden, denn auch <strong>die</strong> Landwirtschaft<br />
Ausbildung:<br />
Studium der Zoologie<br />
Universität Wien<br />
Position:<br />
Qualitätsforscher<strong>in</strong> bei FiBL<br />
(Forschungs<strong>in</strong>stitut für<br />
biologischen Landbau)<br />
Wissenschaftsdiszipl<strong>in</strong>:<br />
Lebensmitteluntersuchung<br />
<strong>ist</strong> auf größer, schneller und mehr<br />
ausgerichtet, erklärt Alberta Velimirov.<br />
Der Mensch steht ja nicht außerhalb<br />
<strong>die</strong>ses von ihm geschaffenen Systems,<br />
sondern mitten dr<strong>in</strong>. Somit essen<br />
wir den Stress der nicht artgemäß<br />
behandelten Lebewesen mit. Das s<strong>in</strong>d<br />
k<strong>e<strong>in</strong>e</strong>swegs ideologische Aussagen,<br />
sondern wissenschaftliche Erkenntnisse.<br />
Alberta Velimirov arbeitet seit<br />
zwanzig Jahren daran, das System<br />
der biologischen Landwirtschaft auf<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong> neue wissenschaftliche Basis zu<br />
stellen: „Ich sehe das Nahrungssystem<br />
als e<strong>in</strong> Gesamtsystem. Ich stu<strong>die</strong>re <strong>die</strong><br />
Zusammenhänge zwischen Bodenqualität,<br />
Anbau und Ernährungsweise.<br />
Ich beziehe das Nahrungssystem <strong>in</strong><br />
s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Gesamtheit e<strong>in</strong>, wenn ich von<br />
„biologisch essen“ spreche.“ Deswegen<br />
fordert <strong>die</strong> Expert<strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Nahrungsrevolution.<br />
Auch wenn sie dabei <strong>in</strong><br />
gewissen WissenschafterInnenkreisen<br />
belächelt wird, was <strong>die</strong> selbstbewusste<br />
Ökopionier<strong>in</strong> nicht zu irritieren vermag,<br />
obwohl sie der fortschreitende Machbarkeitswahn<br />
der re<strong>in</strong> analytischen Ernährungswissenschaft<br />
besorgt stimmt.<br />
149
Vor allem <strong>die</strong> grüne Gentechnik, „weil<br />
wir hier ja alle mitgefangen s<strong>in</strong>d.“ Das<br />
h<strong>in</strong>ter dem gentechnischen Machbarkeitsanspruch<br />
stehende Weltbild lehnt<br />
sie ab. Der westlichen analytischen<br />
Wissenschaft, <strong>die</strong> Hierarchien etabliert<br />
und sich nichtwestlichen Denksystemen<br />
überlegen fühlt, muss endlich e<strong>in</strong> Gültigkeitsrahmen<br />
gesetzt werden. Denn<br />
während ihrer Aufenthalte <strong>in</strong> Südafrika,<br />
Kenia, Maurizius und Sri Lanka hat sie<br />
erkannt, dass es auch nicht-wissenschaftliche<br />
Weltbilder gibt, <strong>die</strong> genauso<br />
gültig s<strong>in</strong>d, wenn nicht sogar überlegen.<br />
Schließlich tragen <strong>die</strong>se „anderen“<br />
Denksysteme weit mehr zum harmonischen<br />
Zusammenleben von Mensch und<br />
Natur bei.<br />
K<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Handlanger<strong>in</strong> der<br />
Männerwelt<br />
Doch <strong>die</strong>se Erkenntnisse s<strong>in</strong>d der Forscher<strong>in</strong><br />
erst im Laufe der Zeit gekommen.<br />
Als junges Mädchen wollte<br />
Alberta Velimirov Urwaldforscher<strong>in</strong><br />
werden, später wurde ihr klar, dass<br />
sie dafür Zoologie stu<strong>die</strong>ren muss.<br />
Und noch etwas wurde ihr während<br />
des Studiums an der Universität Wien<br />
bewusst: „Ich hab begriffen, dass ich<br />
<strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Männerwelt lebe und <strong>die</strong>se<br />
<strong>in</strong> der Karriere vorgezogen werden.“<br />
Daraufh<strong>in</strong> beschloss <strong>die</strong> von ihrem Fach<br />
bege<strong>ist</strong>erte Zoolog<strong>in</strong>: „Ich werde nicht<br />
erwerbsmäßig arbeiten, sondern „nur“<br />
im Haushalt und für <strong>die</strong> K<strong>in</strong>der. Ich<br />
werde heiraten und mich für m<strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
Hausarbeit erhalten lassen, denn den<br />
beruflichen Konkurrenzkampf geb‘ ich<br />
mir nicht.“ Bedenken, ihre Unabhängigkeit<br />
e<strong>in</strong>zubüßen, hatte sie dabei k<strong>e<strong>in</strong>e</strong>:<br />
„Abhängig <strong>ist</strong> <strong>man</strong> immer: Wenn nicht<br />
vom Mann, dann von den AuftraggeberInnen.<br />
Außerdem hab ich immer<br />
gewusst, dass Familienarbeit irrs<strong>in</strong>nig<br />
wertvoll <strong>ist</strong>. Viele Frauen fühlen sich<br />
dabei leider m<strong>in</strong>derwertig.“ Tatsächlich<br />
heiratete <strong>die</strong> Unbeirrbare kurz nach<br />
ihrem Abschluss und begann, mit ihrem<br />
Mann – ebenfalls e<strong>in</strong> Zoologe – zu<br />
arbeiten. Sie folgte ihm nach Kapstadt,<br />
unterstützte s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Stu<strong>die</strong>n, <strong>in</strong>dem sie<br />
mit ihm geme<strong>in</strong>sam nach Muscheln<br />
tauchte und bekam zwei K<strong>in</strong>der. In <strong>die</strong>se<br />
Phase fiel auch der Zeitpunkt ihres<br />
wissenschaftlichen „Erwachens“. Damals<br />
kam sie im Zuge ihrer Reisen mit den<br />
Denkweisen Indigener <strong>in</strong> Berührung, <strong>die</strong><br />
<strong>die</strong> Natur als etwas Belebtes betrachten<br />
und ökologische Kreisläufe berücksichtigen.<br />
„Dieses Denken war mir von<br />
Anfang an sympathischer. <strong>Es</strong> fühlt sich<br />
e<strong>in</strong>fach stimmiger und wärmer an“,<br />
me<strong>in</strong>t <strong>die</strong> Zoolog<strong>in</strong> rückblickend.<br />
Tiere wählen <strong>in</strong>st<strong>in</strong>ktiv<br />
Bio-Futter<br />
Nach ihrer Rückkehr nach Wien bot<br />
<strong>man</strong> ihr am Ludwig-Boltz<strong>man</strong>n Institut<br />
für biologischen Landbau <strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
Halbtagsstelle zur Qualitätskontrolle<br />
biologischer Lebensmittel an. Dafür<br />
wurden Fütterungsversuche und Futterwahlversuche<br />
mit Laborratten unternommen:<br />
Den Nagern wird über <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n<br />
längeren Zeitabschnitt biologisches<br />
und konventionelles Futter serviert. Die<br />
ForscherInnen untersuchen, ob <strong>die</strong> Tiere<br />
<strong>die</strong> Biokarotte der konventionellen vorziehen<br />
und ob Biofutter langfr<strong>ist</strong>ig zu<br />
mehr tierischer Gesundheit führt. Zwei<br />
lebende Systeme werden hier mite<strong>in</strong>-<br />
ander verglichen – <strong>e<strong>in</strong>e</strong> ganzheitliche<br />
Methodik, <strong>die</strong> dem Denken der Zoolog<strong>in</strong><br />
weit mehr entgegenkam als Nährstoffanalysen.<br />
Vergleicht <strong>man</strong> nämlich den<br />
Vitam<strong>in</strong>gehalt von Bioprodukten mit<br />
konventionellen, f<strong>in</strong>det <strong>man</strong> nur wenige<br />
Unterschiede. Bei den Fütterungsversuchen<br />
h<strong>in</strong>gegen waren <strong>die</strong> Ergebnisse<br />
stets sensationell: Die Ratten fraßen<br />
das Biofutter lieber, blieben gesünder<br />
und es gab auch weniger Totgeburten.<br />
Heute bemüht sich <strong>die</strong> Öko-Forscher<strong>in</strong>,<br />
<strong>die</strong> <strong>in</strong> der Zwischenzeit zum renommierten<br />
„Forschungs<strong>in</strong>stitut für biologischen<br />
Landbau“ (FiBL) gewechselt<br />
<strong>ist</strong>, ihre Ergebnisse mit neuen Wissenschaftsmethoden<br />
zu untermauern. Etwa<br />
mithilfe der Biophotonenuntersuchung,<br />
wo <strong>die</strong> Lichtabstrahlung der Pflanzenzellen<br />
gemessen wird.<br />
Das Pr<strong>in</strong>zip Leben e<strong>in</strong>führen<br />
Denn je gestresster e<strong>in</strong> Organismus<br />
<strong>ist</strong>, umso mehr Lichtenergie strahlt er<br />
ab – auch hier gibt es zwischen Bio und<br />
Nichtbio <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n deutlichen Unterschied.<br />
Velimirov: „Gestresste Lebe wesen<br />
strahlen mehr als solche, <strong>die</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong> lebensfreundliche<br />
Umgebung vor f<strong>in</strong>den.“<br />
E<strong>in</strong>e weitere <strong>in</strong>novative Methodik s<strong>in</strong>d<br />
Zerfallsuntersuchungen: Man reibt<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Bioapfel und <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n konventionellen,<br />
und beobachtet, welcher schneller<br />
zerfällt, und welche Schimmelarten<br />
aufwachsen. Auch das erlaubt <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n<br />
Rückschluss auf <strong>die</strong> Qualität des Ursprungsproduktes.<br />
Heute stoßen <strong>die</strong> anfangs<br />
be lächelten Stu<strong>die</strong>n von Alberta<br />
Velimirov auf immer größeres Interesse:<br />
Sie erhält unzählige E<strong>in</strong>ladungen für<br />
Vorträge und Tagungen und <strong>ist</strong> u. a.<br />
150 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie
als Tra<strong>in</strong>er<strong>in</strong> bei der Ausbildung zum<br />
Ernährungscoach am Wiener Wifi tätig.<br />
Ihren Erfolg führt sie auch auf ihr Frause<strong>in</strong><br />
zurück: „Als Frau fällt es <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m<br />
wahrsche<strong>in</strong>lich leichter, <strong>die</strong> Gültigkeit<br />
von globalen Wissenschaftsmethoden<br />
zu erkennen.“ Was sie derzeit h<strong>in</strong>gegen<br />
am me<strong>ist</strong>en stört, sei <strong>die</strong> Förderungspolitik:<br />
„Ich spür <strong>die</strong> Widerstände, wenn<br />
ich wieder e<strong>in</strong>mal <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Projektantrag<br />
nicht bewilligt bekommen habe.“<br />
„Ich schließe <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Lücke, denn es <strong>ist</strong> sonst kaum je<strong>man</strong>d da, der das<br />
gesamte biologische Nahrungssystem auf zeitgemäßer wissenschaftlicher<br />
Basis darstellt und untersucht.“<br />
Derzeit gehen <strong>die</strong> Forschungsgelder fast<br />
ausschließlich <strong>in</strong> <strong>die</strong> konventionelle<br />
Landwirtschaft (neue Pestizide etc.)<br />
und <strong>in</strong> <strong>die</strong> Gentechnik. Und das, obwohl<br />
von KonsumentInnen naturbelassene<br />
Lebensmittel gewünscht werden. „Die<br />
Förderpolitik wird ja aus Steuermitteln<br />
f<strong>in</strong>anziert, der e<strong>in</strong>geschlagene Weg <strong>ist</strong><br />
schlichtweg undemokratisch. Nachhaltigkeitsforschung<br />
sollte endlich <strong>in</strong> der<br />
Landwirtschaft anerkannt werden.“<br />
151
Brigitte Weiss<br />
Interview: Teresa Arrieta | Dezember 2006<br />
„Frauen forschen mit mehr F<strong>in</strong>gerspitzengefühl und<br />
s<strong>in</strong>d deswegen mitunter erfolgreicher als Männer,<br />
<strong>die</strong> stets analysieren wollen.“<br />
Fotos: Lisa Holzer<br />
152 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie
Die Mikrowelt mit Gefühl<br />
erforschen<br />
Sie war jahrzehntelang <strong>die</strong> e<strong>in</strong>zige<br />
weibliche Professor<strong>in</strong> für Physik<br />
an der Universität Wien, hat alle<br />
Männer<strong>in</strong>trigen geme<strong>ist</strong>ert und<br />
untersucht <strong>die</strong> Mikrowelt über das<br />
Pensionsalter h<strong>in</strong>aus.<br />
In Österreich hat ihr <strong>die</strong> Weite gefehlt<br />
und der Urwald – denn Brigitte<br />
Weiss hat ihre K<strong>in</strong>dheit <strong>in</strong> Indonesien<br />
verbracht und dort <strong>die</strong> Natur <strong>in</strong>tensiv<br />
Ausbildung:<br />
Studium der Materialwissenschaften<br />
Montanuniversität Leoben,<br />
Studium der Physik Universität Wien<br />
Position:<br />
Professor<strong>in</strong> i.R.<br />
Wissenschaftsdiszipl<strong>in</strong>:<br />
Physik<br />
und wild erlebt: „Der Dschungel begann<br />
h<strong>in</strong>term Haus und <strong>die</strong> Affen haben mir<br />
beim Schlafen zugeschaut, es war wunderschön“,<br />
er<strong>in</strong>nert sich <strong>die</strong> Physikprofessor<strong>in</strong><br />
an ihre para<strong>die</strong>sische K<strong>in</strong>dheit.<br />
Mit dreizehn musste <strong>die</strong> Familie jedoch<br />
<strong>die</strong> Heimkehr nach Österreich antreten,<br />
denn <strong>die</strong> Mutter strebte <strong>e<strong>in</strong>e</strong> gute Ausbildung<br />
für ihre Tochter an: Statt <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r<br />
Villa mit Dienerschaft musste <strong>man</strong> sich<br />
nun mit der Enge <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Wohnung <strong>in</strong><br />
Leoben zufrieden geben. „Aber als junger<br />
Mensch <strong>ist</strong> das ke<strong>in</strong> Problem“, sagt<br />
Brigitte Weiss resolut. E<strong>in</strong> Lächeln und<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Ausstrahlung, als wäre ihr Leben<br />
e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>ziger Siegeszug gewesen. Nur <strong>die</strong><br />
Milde <strong>in</strong> ihren Augen offenbart viel Verständnis<br />
für menschliche Schwächen.<br />
Das kommt wohl daher, dass auch sie<br />
e<strong>in</strong>iges an Härten erlebte und sich früh<br />
behaupten musste: Weil ihre Familie<br />
ihr ke<strong>in</strong> Studium <strong>in</strong> den Bundeshauptstädten<br />
f<strong>in</strong>anzieren konnte, <strong>in</strong>skribierte<br />
sie - sie war immer schon technisch<br />
<strong>in</strong>teressiert („Von K<strong>in</strong>dheit an hat mich<br />
<strong>die</strong> Eisenbahn mehr <strong>in</strong>teressiert, als <strong>die</strong><br />
Puppen“) - Materialwissenschaften an<br />
der Montanuniversität Leoben.<br />
153
Durchs Studium gekämpft<br />
Zwei Frauen unter 150 StudentInnen<br />
- Brigitte Weiss freundete sich prompt<br />
mit ihrer Mitstreiter<strong>in</strong> an, geme<strong>in</strong>sam<br />
hantelten sie sich durchs Studium.<br />
„Was machst denn du da, suchst eh<br />
nur <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Mann“ habe ihr e<strong>in</strong> Kollege<br />
gleich zu Beg<strong>in</strong>n entgegengeschleudert.<br />
Gewettet habe sie dann mit ihm,<br />
dass sie ihr Studium abschliessen wird.<br />
Nach erfolgreichem Abschluss musste<br />
derselbe ihr dann e<strong>in</strong> Sektfrühstück<br />
bezahlen: „Schwierigkeiten waren für<br />
mich immer e<strong>in</strong> Ansporn“, lacht <strong>die</strong><br />
Forscher<strong>in</strong> und wirkt dabei wie e<strong>in</strong><br />
Fels <strong>in</strong> der Brandung. E<strong>in</strong>fach war <strong>die</strong><br />
Stu<strong>die</strong>nzeit fürwahr nicht: Von den<br />
Professoren wurde sie anfangs nicht<br />
ernst genommen, ihr Vater weilte<br />
noch <strong>in</strong> Indonesien, ihre Mutter war<br />
ihr e<strong>in</strong>ziger Rückhalt, verzagt hat sie<br />
jedoch nie: „Ich hab m<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Probleme<br />
immer selbst gelöst.“ Und <strong>die</strong>se Lösung<br />
hieß: Lernen, lernen, lernen und zeigen,<br />
dass <strong>man</strong> fähig <strong>ist</strong>, „dann kann <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m<br />
nie<strong>man</strong>d weh tun.“ Nach Abschluss des<br />
Studiums gelang der Zielstrebigen doch<br />
noch der Sprung nach Wien um Physik<br />
zu stu<strong>die</strong>ren. Auch hier stieß sie auf<br />
<strong>die</strong>selben Schwierigkeiten, denen sie<br />
aber mit viel Ehrgeiz und Optimismus<br />
begegnete. Nach dem Doktorat g<strong>in</strong>g <strong>die</strong><br />
angehende Professor<strong>in</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> USA, um<br />
ihre Ausbildung zu vervollständigen.<br />
„Dort war ich auch <strong>die</strong> e<strong>in</strong>zige Frau.“<br />
Neid und Missgunst von<br />
seiten der Männer<br />
In der Zwischenzeit hatte sie geheiratet<br />
und <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Tochter bekommen. Ihre<br />
Mutter begleitete sie damals als Babysitter<strong>in</strong><br />
auf ihre amerikanische Reise.<br />
Danach konnte Weiss <strong>in</strong> Wien habilitieren<br />
und wurde außerordentliche Professor<strong>in</strong><br />
am Wiener Universitäts<strong>in</strong>stitut<br />
154 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie
für Materialphysik. In jene Zeit fielen<br />
auch <strong>die</strong> härtesten Kämpfe: „Sobald<br />
<strong>man</strong> Erfolg hat und aufsteigt, wird <strong>man</strong><br />
den Männern zur Konkurrenz: Dann<br />
beg<strong>in</strong>nen Neid, Missgunst und Intrigen“<br />
er<strong>in</strong>nert sie sich an <strong>die</strong>sen spannungsgeladenen<br />
Lebensabschnitt. Doch<br />
auch damals konnte ihr nie<strong>man</strong>d ihren<br />
Optimismus nehmen, Courage setzt sich<br />
letztendlich durch. Zur Karriere verhalf<br />
ihr auch <strong>die</strong> Mutter, <strong>die</strong> stets <strong>die</strong> K<strong>in</strong>derbetreuung<br />
übernahm. Beruflich hat<br />
sich <strong>die</strong> Physiker<strong>in</strong> ihr Leben lang der<br />
Erforschung von Materialeigenschaften<br />
gewidmet und dabei immer <strong>in</strong> <strong>in</strong>dustrierelevanten<br />
Bereichen geforscht.<br />
Die Geheimnisse von<br />
Materialien <strong>in</strong> kl<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n<br />
Dimensionen<br />
Ihr Spezialgebiet war <strong>die</strong> Ermüdungsforschung:<br />
Die Lebensdauer<br />
von Werkstoffen unter schw<strong>in</strong>gender<br />
Belastung (Flugzeug- und Autoteile)<br />
aber auch im Menschen (Hüftprothesen<br />
aus Spezialwerkstoffen). Die<br />
letzten zehn Berufsjahre widmete sich<br />
Brigitte Weiss dann der Erforschung<br />
der Mikrowelt: Beispielsweise <strong>die</strong><br />
Lebensdauer von Stents, das s<strong>in</strong>d zwei<br />
Millimeter kurze Hightech-Röhrchen,<br />
<strong>die</strong> <strong>in</strong> verstopfte Herzadern platziert<br />
werden. Daraus entwickelte sich ihr<br />
aktuelles Forschungsgebiet <strong>in</strong> enger<br />
Zusammenarbeit mit der Industrie: Die<br />
WissenschafterInnengruppe um Brigitte<br />
Weiss testet <strong>die</strong> Eigenschaften von<br />
kle<strong>in</strong>stdimensionierten Materialien:<br />
Schaltkreise <strong>in</strong> Handylautsprechern<br />
oder Sensoren der Autoelektronik. Ihr<br />
ForscherInnenteam hat neue Messverfahren<br />
entwickelt, um <strong>die</strong> Belastbarkeit<br />
<strong>die</strong>ser M<strong>in</strong>isysteme bis h<strong>in</strong> zur<br />
Nanotechnologie zu prüfen: Wie <strong>die</strong>se<br />
auf Hitze und Kälte reagieren, und wie<br />
lange sie zuverlässig funktionieren.<br />
Heute s<strong>in</strong>d Untersuchungen von<br />
Brigitte Weiss und ihren Mitarbeiter-<br />
Innen gefragter denn je, so dass sie<br />
über <strong>die</strong> Pension h<strong>in</strong>aus ohne Honorar<br />
weiter forscht. Ihre privaten Leidenschaften<br />
Sport und Reisen kommen<br />
dabei zu kurz, wie sie bedauernd<br />
feststellt. Ihr Lebensmotto? „Niemals<br />
aufgeben, es geht immer weiter. Ich<br />
war <strong>in</strong> allen schwierigen Lebenslagen<br />
me<strong>ist</strong> optim<strong>ist</strong>isch und kraftvoll.“<br />
„<strong>Es</strong> gab große Krisen, aber <strong>man</strong><br />
f<strong>in</strong>det immer FreundInnen und<br />
KollegInnen, <strong>die</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n unterstützen.“<br />
155 14
„Ich hab‘ mir m<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Stellung am Anfang erst erkämpfen müssen,<br />
hab‘ mich durchgesetzt und gezeigt, was ich kann.“<br />
Susanne W<strong>in</strong>dischberger<br />
Interview: Teresa Arrieta | März 2007<br />
156 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie<br />
ww
„Ich b<strong>in</strong> stolz auf m<strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
Erf<strong>in</strong>dungen“<br />
Die „Techwo<strong>man</strong> 2004“ entwickelt<br />
w<strong>in</strong>zige Handylautsprecher, mit<br />
denen <strong>man</strong> Mozart hören kann, hat<br />
gelernt, wie frau <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Raum betritt<br />
anstatt h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>zuschleichen und<br />
möchte jungen Mädchen Mut zur<br />
Technik machen.<br />
„Na weißt du denn überhaupt, was du dir<br />
antust!“ rief Susanne W<strong>in</strong>dischbergers<br />
Gymnasiallehrer<strong>in</strong> entsetzt, als <strong>die</strong><br />
Schüler<strong>in</strong> als Studiums-Wunsch „Tech-<br />
Ausbildung:<br />
Studium Technische Physik<br />
Universität Wien<br />
Position:<br />
Abteilungsleiter<strong>in</strong> Philips<br />
Sound Systems<br />
Wissenschaftsdiszipl<strong>in</strong>:<br />
Elektrotechnik<br />
nische Physik“ angab. Das verwirrte<br />
<strong>die</strong> angehende Maturant<strong>in</strong>, waren<br />
naturwissenschaftliche Fächer doch<br />
immer ihre Stärke gewesen. „Die Lehrkräfte<br />
s<strong>in</strong>d halt damals noch nicht auf<br />
geschlechtssensible Erziehung geschult<br />
gewesen“, urteilt Susanne W<strong>in</strong>dischberger<br />
im Rückblick. Sie selber setzt<br />
sich h<strong>in</strong>gegen heute nach Kräften dafür<br />
e<strong>in</strong> jungen Mädchen <strong>die</strong> Scheu vor der<br />
Technik zu nehmen. Neben ihrer erfolgreichen<br />
Tätigkeit bei Philips Sound Solutions<br />
<strong>ist</strong> sie Vorstandsmitglied bei der<br />
Beratungsstelle Sprungbrett, <strong>die</strong> junge<br />
Mädchen bei der Berufsorientierung<br />
unterstützt. In den Köpfen der Schüler<strong>in</strong>nen<br />
ge<strong>ist</strong>ern noch viele Vorurteile<br />
gegenüber der Technik herum: „Das <strong>ist</strong><br />
uncool, da macht <strong>man</strong> sich schmutzig<br />
…“ Im Rahmen des Vere<strong>in</strong>s wird sehr<br />
viel darüber diskutiert, wie früh mit der<br />
Sensibilisierung angefangen werden<br />
sollte. Denn den K<strong>in</strong>dern wird schon im<br />
K<strong>in</strong>dergartenalter vermittelt, <strong>in</strong> welche<br />
Richtung sie gehören: So s<strong>in</strong>d beispielsweise<br />
Legost<strong>e<strong>in</strong>e</strong> für kl<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Buben<br />
viel komplexer zusammen zu bauen, als<br />
jene für Mädchen.<br />
157
Unterstützung durch <strong>die</strong><br />
Mutter<br />
Mit vierzehn Jahren sei es dann schon<br />
„ziemlich <strong>in</strong> den Köpfen dr<strong>in</strong>, was sich<br />
für e<strong>in</strong> Madel gehört“. W<strong>in</strong>dischberger<br />
möchte den Jugendlichen jedoch zeigen:<br />
„He, es gibt auch andere Möglichkeiten<br />
für dich.“ Ihr konnte <strong>man</strong><br />
<strong>die</strong> naturwissenschaftliche Laufbahn<br />
auch deswegen nicht verleiden, weil<br />
sie viel Unterstützung von daheim<br />
genoss, denn ihre Mutter unterrichtet<br />
Mathematik und Physik. So <strong>in</strong>skribierte<br />
Susanne W<strong>in</strong>dischberger unerschrocken<br />
Technische Physik an der Technischen<br />
Universität Wien und absolvierte ihr<br />
Doktorat am Atom<strong>in</strong>stitut. Doch als<br />
Universitätsass<strong>ist</strong>ent<strong>in</strong> wurde ihr bald<br />
klar, dass <strong>die</strong> Grundlagenforschung sie<br />
nicht zufrieden stellen würde: „Mit<br />
dem Untersuchungsergebnis schreibt<br />
<strong>man</strong> e<strong>in</strong> Paper, da macht <strong>man</strong> dann<br />
zwei Löcher re<strong>in</strong>, legt es <strong>in</strong> <strong>die</strong> Schublade<br />
und das war´s.“ Statt also <strong>die</strong><br />
ForscherInnenlaufbahn zu beschreiten,<br />
bewarb sie sich für <strong>e<strong>in</strong>e</strong> ausgeschriebene<br />
Stelle bei Philips Sound Systems<br />
und hat den Schritt nie bereut: Seit<br />
viere<strong>in</strong>halb Jahren werkt sie bege<strong>ist</strong>ert<br />
an der Weiterentwicklung von M<strong>in</strong>iaturlautsprechern.<br />
In weniger als <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r<br />
Sekunde fällt so e<strong>in</strong> Lautsprecher vom<br />
Band. „Bei uns muss <strong>die</strong> Entwicklung<br />
rasch gehen, denn der Handymarkt <strong>ist</strong><br />
e<strong>in</strong> sehr schneller und das gefällt mir<br />
wahns<strong>in</strong>nig gut.“<br />
Fluchende Kollegen<br />
An acht Patenten hat <strong>die</strong> Techniker<strong>in</strong><br />
seit ihrem Philips E<strong>in</strong>stand mitgewirkt.<br />
Sie erf<strong>in</strong>det k<strong>e<strong>in</strong>e</strong> kompletten Lautsprecher,<br />
sondern kl<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Details zur<br />
Optimierung: Strukturen auf Lautsprechermembranen,<br />
M<strong>in</strong>iaturbestandteile<br />
bei der E<strong>in</strong>spannung. „Ich trage dazu<br />
bei, dass Lautsprecher kl<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r und<br />
flacher werden und trotzdem <strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
gute akustische Perfor<strong>man</strong>ce liefern.<br />
Die Herausforderungen werden immer<br />
größer, denn <strong>die</strong> Leute wollen mit dem<br />
Handy Mozart hören“, erklärt Susanne<br />
W<strong>in</strong>dischberger. „Ich b<strong>in</strong> schon stolz auf<br />
m<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Erf<strong>in</strong>dungen.“<br />
Die Anfänge bei Philips waren allerd<strong>in</strong>gs<br />
nicht ganz e<strong>in</strong>fach: Der Sache<br />
nicht genug, dass sie <strong>e<strong>in</strong>e</strong> der wenigen<br />
Frauen war. Zu allem Überdruss führte<br />
Susanne W<strong>in</strong>dischberger auch noch<br />
neuartige Computersimulationen e<strong>in</strong>,<br />
anstatt mechanische Experimente<br />
zu tätigen. So stellte sie <strong>die</strong> Philips<br />
Entwicklungsabteilung sukzessive auf<br />
theoretische B<strong>e<strong>in</strong>e</strong>. Doch der entstandene<br />
Männeraufruhr legte sich bald, als<br />
klar wurde, dass <strong>die</strong> Computerarbeiten<br />
der neuen Mitarbeiter<strong>in</strong> mit den Experimenten<br />
zusammenpassten und sie<br />
darüber h<strong>in</strong>aus ihren Kollegen zu verstehen<br />
gab: „Ihr dürft bei mir fluchen.“<br />
Denn unter Technikern werde halt e<strong>in</strong><br />
lockerer Umgangston gepflegt. „Sie<br />
158 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie
entschuldigen sich dann immer und ich<br />
sage jedes Mal darauf: Ich habe das<br />
Wort schon mal gehört!“<br />
Frauen bremsen sich selbst<br />
Trotz allem erfolgte der wahre Karrierekick<br />
erst, als Susanne W<strong>in</strong>dischberger<br />
im Rahmen des Leonardo Awards<br />
„Techwo<strong>man</strong> of the year 2004“ wurde.<br />
Zwar hatte es schon vorher Karrieregespräche<br />
mit Vorgesetzten gegeben,<br />
bei denen ihre hohen Entwicklungsmöglichkeiten<br />
festgehalten worden<br />
waren. Trotzdem habe es viel mehr<br />
bewirkt, als im Rahmen des Award<br />
auch von außen bestätigt wurde: „Die<br />
<strong>ist</strong> gut“, analysiert W<strong>in</strong>dischberger<br />
im Nachh<strong>in</strong>e<strong>in</strong>. Im vergangenen Jahr<br />
avancierte <strong>die</strong> Physiker<strong>in</strong> dann zur<br />
Leiter<strong>in</strong> der Vorentwicklungsgruppe,<br />
was ihr großen Spaß macht, denn „ich<br />
habe den Mut, Entscheidungen zu<br />
fällen und übernehme gerne Verantwortung.“<br />
Das war jedoch nicht immer<br />
so. Viel geholfen hat ihr auch das<br />
Philips Frauenmentor<strong>in</strong>g Programm.<br />
Mit ihrer Mentor<strong>in</strong> arbeitete sie etwa<br />
am selbstsicheren Ersche<strong>in</strong>ungsbild:<br />
„Wenn ich <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Raum betrete, b<strong>in</strong> ich<br />
früher h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>geschlichen – das hat sich<br />
nun verändert.“ Fortan beobachtete<br />
sie ihre Körperhaltung, denn e<strong>in</strong> Mann<br />
sitzt nun mal ganz anders: „Breite<br />
B<strong>e<strong>in</strong>e</strong>, breite Ellenbogen - automatisch<br />
raumfüllender als <strong>die</strong> me<strong>ist</strong>en Frauen.“<br />
Damals wurde W<strong>in</strong>dischberger bewusst,<br />
dass Frauen sich oft selbst bremsen:<br />
„Ke<strong>in</strong> Mann hält mich davon ab, mich<br />
aufrecht h<strong>in</strong>zusetzen, und dadurch<br />
stärker zu wirken.“<br />
„<strong>Es</strong> <strong>ist</strong> <strong>in</strong> m<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Bereich sehr schwierig, weibliche Vorbilder<br />
zu bekommen, obwohl ich <strong>die</strong>se als Orientierung<br />
gerne hätte.“<br />
159