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Es ist eine Rolle, in die man hineinwächst. - w-fFORTE

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Monika Bukovnik<br />

Interview: Anita Zieher | September 2005<br />

„<strong>Es</strong> <strong>ist</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong> <strong>Rolle</strong>, <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>man</strong> h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>wächst.“<br />

Fotos: Lisa Holzer<br />

12 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie


Nah an ihren K<strong>in</strong>dheitsträumen <strong>ist</strong><br />

Monika Bukovnik <strong>in</strong> ihrer Berufswahl<br />

geblieben. „Eisenbahnspielen hat mich<br />

schon immer <strong>in</strong>teressiert, Flugzeugspielen<br />

auch.“ Sie <strong>ist</strong> zwar nicht Lokomotivführer<strong>in</strong><br />

oder Pilot<strong>in</strong> geworden.<br />

Aber dafür arbeitet sie mit ihrer Firma<br />

psiA-Consult mit Zügen und Flugzeugen<br />

<strong>in</strong> den Gebieten „Schall und<br />

Rauch“ und führt akustische Mes-<br />

sungen bei Eisenbahnen und Schadstoffemissionsberechnungen<br />

bei<br />

Flugzeugen durch.<br />

Für <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Frau, noch dazu mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r<br />

Brille, gab es damals k<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Chancen<br />

Ausbildung:<br />

Studium Masch<strong>in</strong>enbau,<br />

Stu<strong>die</strong>nzweig<br />

Verfahrens<strong>in</strong>genieurwesen,<br />

an der TU Wien<br />

Position:<br />

Geschäftsführer<strong>in</strong> von<br />

psiA-Consult GmbH<br />

Branche:<br />

Forschung und Entwicklung<br />

im Bereich Naturwissenschaften<br />

auf <strong>die</strong> Ausbildung zur Berufspilot<strong>in</strong>.<br />

Deshalb war das Masch<strong>in</strong>enbaustudium<br />

<strong>die</strong> nahe liegende Alternative. Der<br />

Hang zur Technik liegt offenbar <strong>in</strong> der<br />

Familie: der Vater promovierte <strong>in</strong> Elektrotechnik,<br />

ihr Bruder stu<strong>die</strong>rte ebenso<br />

wie sie Masch<strong>in</strong>enbau. Von ihm habe<br />

sie viel profitiert beim Studium, <strong>die</strong> geschw<strong>ist</strong>erliche<br />

Rivalität sei dabei auch<br />

e<strong>in</strong> Ansporn für sie gewesen, sagt sie.<br />

Aus ihrem ersten Job nach dem Studium<br />

hat sich für Monika Bukovnik auch<br />

gleich <strong>die</strong> Möglichkeit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r betrieblichen<br />

PartnerInnenschaft ergeben. Der<br />

damalige Leiter <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Zivil<strong>in</strong>genieur-<br />

büros wollte sich neu orientieren und<br />

fragte sie, ob sie mit ihm <strong>e<strong>in</strong>e</strong> GmbH<br />

gründen wolle. Dank <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Erbschaft<br />

war Geld für <strong>die</strong> E<strong>in</strong>lage vorhanden und<br />

so nahm sie <strong>die</strong> Herausforderung <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r<br />

Firmengründung und Geschäftsführungstätigkeit<br />

an.<br />

Inst<strong>in</strong>kt für erfolgversprechende<br />

Entwicklungen<br />

Den Firmennamen psiA-Consult leiteten<br />

sie von der Psychoakustik ab, <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m<br />

Spezialgebiet der Akustik, auf das sich<br />

der Betrieb ursprünglich konzentrierte,<br />

13


weil es zu <strong>die</strong>ser Zeit e<strong>in</strong> großes Thema<br />

war. Mittlerweile arbeiten sie hauptsächlich<br />

im Bereich des klassischen<br />

Lärmschutzes, e<strong>in</strong> Schwerpunkt liegt<br />

bei Eisenbahnlärm. „<strong>Es</strong> br<strong>in</strong>gt nichts,<br />

wenn ich überall <strong>e<strong>in</strong>e</strong> vier Meter<br />

hohe Lärmschutzwand baue. Um den<br />

Eisenbahnlärm leiser zu machen, muss<br />

<strong>man</strong> dort ansetzen, wo er entsteht,<br />

beim Kontakt Rad-Schiene“, erklärt sie<br />

den Ansatz ihrer Forschungstätigkeiten.<br />

Ihre Firma führt auch Messungen<br />

durch, beispielsweise bei neuen Entwicklungen<br />

wie dem Low Noise Tra<strong>in</strong>,<br />

<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m besonders leisen Güterwaggon.<br />

Die Bege<strong>ist</strong>erung für <strong>die</strong> Forschungstätigkeit<br />

<strong>ist</strong> ihr anzumerken. „Am<br />

me<strong>ist</strong>en Spaß machen <strong>die</strong> Messungen<br />

und Analysen neuer Entwicklungen,<br />

wenn <strong>man</strong> sieht, ob das gewünschte<br />

Ergebnis e<strong>in</strong>getroffen <strong>ist</strong>“.<br />

In der Geschäftsführung widme sie sich<br />

jetzt nur mehr teilweise der Projektarbeit<br />

und überwiegend den adm<strong>in</strong><strong>ist</strong>rativen<br />

und Controll<strong>in</strong>g-Tätigkeiten.<br />

Wobei sie <strong>die</strong> Fähigkeiten, <strong>die</strong> sie dafür<br />

braucht weniger durch das Studium<br />

als durch „learn<strong>in</strong>g by do<strong>in</strong>g“ erworben<br />

habe, erzählt <strong>die</strong> lebensfrohe Frau.<br />

Dazu gehörte auch, <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Inst<strong>in</strong>kt für<br />

erfolgversprechende Entwicklungen<br />

zu beweisen, wie beispielsweise beim<br />

Ankauf <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Schienenrauigkeitsmessgeräts<br />

für <strong>die</strong> Analyse von Lärmwerten.<br />

Da nicht viele Firmen über e<strong>in</strong> solches<br />

Gerät verfügen, wird psiA-Consult<br />

GmbH nun auch nach Deutschland, <strong>in</strong><br />

<strong>die</strong> Schweiz und nach Griechenland<br />

zu Aufträgen gerufen. Trotz <strong>die</strong>ser<br />

erfreulichen Nachfragen sei ihr Ziel<br />

für das Unternehmen primär jedoch<br />

nicht Wachstum, sondern Stabilität.<br />

Die Firma mit den sechs Mitarbeiter-<br />

Innen, <strong>die</strong> sie vom ursprünglichen<br />

Betrieb übernommen hat, besitzt <strong>die</strong><br />

richtige Größe. „Manche Entwicklungen<br />

kann <strong>man</strong> nicht vorher sagen. Da <strong>ist</strong><br />

Flexibilität gefragt, und das <strong>ist</strong> auch<br />

der Vorteil <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s kl<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Betriebs. Wenn<br />

ich mich nicht an den Markt anpassen<br />

kann, dann brauche ich auch k<strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />

Firma zu gründen.“<br />

Von der Mitarbeiter<strong>in</strong> zur Firmen<strong>in</strong>haber<strong>in</strong><br />

aufzusteigen erforderte e<strong>in</strong><br />

Umdenken, von ihr wie auch von den<br />

MitarbeiterInnen und dem Geschäftspartner,<br />

erzählt Monika Bukovnik. „Am<br />

Anfang habe ich selber auch irgendwie<br />

damit gekämpft, weil ich <strong>die</strong> <strong>Rolle</strong><br />

nicht wirklich kannte und den Überblick<br />

nicht hatte. <strong>Es</strong> <strong>ist</strong> doch <strong>e<strong>in</strong>e</strong> <strong>Rolle</strong>,<br />

<strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>man</strong> h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>wächst.“ Auch <strong>die</strong><br />

Zusammenarbeit mit den FirmenpartnerInnen<br />

musste erst reifen. Dass das<br />

gelungen sei, mache sie besonders stolz.<br />

Bei ihren MitarbeiterInnen zähle für sie,<br />

dass sie sich auf sie verlassen könne.<br />

„Da geht es nicht um Arbeits- oder<br />

Kernzeiten, sondern dass sie dann, wenn<br />

sie gebraucht werden, auch <strong>die</strong> Le<strong>ist</strong>ung<br />

br<strong>in</strong>gen, dass sie Eigen<strong>in</strong>i tiative haben<br />

und auch selbst erkennen, was jetzt<br />

wichtig <strong>ist</strong> und was zu tun <strong>ist</strong>.“<br />

Klarheit von Anfang an<br />

Mit Vorurteilen von KundInnen, weil<br />

sie <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Frau <strong>ist</strong>, sehe sie sich <strong>in</strong> ihrer<br />

Funktion nicht konfrontiert, was sie im<br />

technischen Bereich gewundert hat.<br />

Das Alter spiele im H<strong>in</strong>blick auf Akzeptanz<br />

eher <strong>e<strong>in</strong>e</strong> <strong>Rolle</strong>, denn „je<strong>man</strong>d<br />

Jungen nimmt <strong>man</strong> nicht so ernst.“<br />

Sich selbst beschreibt sie als „Selbstdarsteller<strong>in</strong>“,<br />

<strong>die</strong> sich gerne vorne h<strong>in</strong>stellt,<br />

Vorträge hält und auf Tagungen<br />

fährt. „Auch wenn der erste Vortrag,<br />

den ich gehalten habe, fürchterlich <strong>in</strong><br />

<strong>die</strong> Hosen gegangen <strong>ist</strong>, aber da muss<br />

<strong>man</strong> durch.“ Besonderen Spaß mache<br />

es ihr, unterwegs zu se<strong>in</strong>, mit den Leuten<br />

zu reden – und ihre eigene Chef<strong>in</strong><br />

zu se<strong>in</strong>. „Sozusagen das ganze Paket<br />

wirklich selbst <strong>in</strong> der Hand zu haben<br />

und nicht je<strong>man</strong>den um etwas bitten<br />

zu müssen, sondern sagen zu können:<br />

das gefällt mir oder das werden wir<br />

verändern.“ Aus ihrer eigenen Erfahrung<br />

hält sie es für besonders wichtig,<br />

als junger Mensch flexibel und hartnäckig<br />

zu se<strong>in</strong>.<br />

Von Anfang an hat sie ihrem Geschäftspartner<br />

klar gemacht, dass sie<br />

weiterh<strong>in</strong> Teilzeit arbeiten will, um<br />

Zeit für sportliche Aktivitäten wie<br />

Bergsteigen, Klettern, Radfahren und<br />

Schifahren zu haben. Sie hatte auch<br />

angekündigt, dass sie zu <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m späteren<br />

Zeitpunkt e<strong>in</strong>mal ausfallen werde –<br />

zur Familiengründung. „Da jetzt zwei<br />

K<strong>in</strong>der auf e<strong>in</strong>mal kommen, falle ich<br />

weniger lang aus“, erzählt sie lachend<br />

von den Zwill<strong>in</strong>gen, <strong>die</strong> sie erwartet.<br />

Der Veränderung sieht sie mit real<strong>ist</strong>ischer<br />

Gelassenheit entgegen. „Am<br />

Anfang falle ich wohl komplett aus,<br />

weil das sicher sehr <strong>in</strong>tensiv wird, aber<br />

dafür b<strong>in</strong> ich relativ früh wieder da.“<br />

Mit dem Lebenspartner hat sie vere<strong>in</strong>bart,<br />

<strong>die</strong> K<strong>in</strong>derbetreuung aufzuteilen,<br />

wobei er den größeren Anteil übernehmen<br />

wird, da er <strong>e<strong>in</strong>e</strong> größere berufliche<br />

Flexibilität hat als sie. Ihren Partner<br />

hat Monika Bukovnik übrigens <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m<br />

Flugsportvere<strong>in</strong> kennen gelernt, dem<br />

14 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie


sie beigetreten <strong>ist</strong>, nachdem sie <strong>in</strong><br />

den USA den PrivatpilotInnensche<strong>in</strong><br />

gemacht hat und sich somit ihren<br />

K<strong>in</strong>dheitstraum vom Fliegen verwirklicht<br />

hat.<br />

„Erfolg bedeutet für mich, sich rundum wohl zu fühlen. Nämlich sich wohl zu<br />

fühlen, wenn ich <strong>in</strong>s Büro fahre oder wenn ich nach Hause komme. Und wenn<br />

es wirklich funktioniert, <strong>die</strong> Familie und den Beruf unter <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Hut zu br<strong>in</strong>gen<br />

und dabei nichts und nie<strong>man</strong>d zu kurz kommt.“<br />

15


Susanne Draxler<br />

Interview: Knoll&Szalai, Teresa Arrieta | Mai 2007<br />

„<strong>Es</strong> <strong>ist</strong> me<strong>in</strong> Geschäft, <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Tatsache so zu verpacken,<br />

dass e<strong>in</strong> Politiker sagt: Hier können wir ansetzen.“<br />

Fotos: Kathar<strong>in</strong>a Gossow<br />

16 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie


Vergiftete Atemluft,<br />

vertraulich<br />

Die Chemie-Ingenieur<strong>in</strong> analysiert<br />

Luftschadstoffe und erforscht<br />

Fe<strong>in</strong>staub- und Ozonverursacher. Ihr<br />

brisantes Wissen gehört aber ihren<br />

AuftraggeberInnen.<br />

Susanne Draxler beißt sich oft auf <strong>die</strong><br />

Zunge, doch das <strong>ist</strong> Teil ihres Jobs.<br />

Vieles von dem, was sie über unsere<br />

Luftqualität weiß, <strong>ist</strong> vorerst nicht für<br />

<strong>die</strong> Öffentlichkeit bestimmt. Und das,<br />

Ausbildung:<br />

Studium der Technischen Chemie<br />

an der Technischen Universität Wien<br />

Position:<br />

2004 Gründer<strong>in</strong> von ChemData<br />

Forschungsgesellschaft Technische<br />

Chemie und Informationstechnik GmbH<br />

Branche:<br />

Außeruniversitäre Forschung<br />

Technische Chemie<br />

was PolitikerInnen über Fe<strong>in</strong>staub und<br />

Ozon verbreiten, entspricht nur teilweise<br />

den Fakten. Draxler weiß das, denn<br />

sie tätigt jene Stu<strong>die</strong>n und Analysen<br />

zur Luftqualität, <strong>die</strong> Behörden und PolitikerInnen<br />

als Entscheidungsgrundlage<br />

vorgelegt werden. „Was <strong>die</strong>se daraus<br />

machen, dafür b<strong>in</strong> ich dann nicht<br />

mehr verantwortlich“. Im Zuge ihrer<br />

Arbeit hat sie gelernt, dass politisches<br />

Handeln nur bed<strong>in</strong>gt auf harten wissenschaftlichen<br />

Daten beruhen kann.<br />

<strong>Es</strong> muss auch sozial verträglich se<strong>in</strong> -<br />

dafür hat <strong>die</strong> Luft-Expert<strong>in</strong> Verständnis:<br />

Denn wie soll <strong>man</strong>, s<strong>in</strong>niert Draxler, auf<br />

soziale Weise der Luftre<strong>in</strong>heit gerecht<br />

werden, wenn es etwa um den Pendlerverkehr<br />

geht? E<strong>in</strong> brenzliges Thema:<br />

Klar, dass <strong>die</strong>se f<strong>in</strong>anziell geförderten<br />

VielfahrerInnen <strong>die</strong> Luft belasten, dass<br />

sie das bodennahe Ozon und den Fe<strong>in</strong>staub<br />

vermehren. Doch ebenso klar <strong>ist</strong>,<br />

dass <strong>in</strong> <strong>man</strong>chen Gebieten e<strong>in</strong> massives<br />

Arbeitsplatz-Problem ex<strong>ist</strong>iert.<br />

Soll nun den Arbeitnehmer Innen im<br />

Interesse unserer Atemluft das Pendeln<br />

erschwert werden? „Luftqualität<br />

verbessern, heißt nicht unbed<strong>in</strong>gt, den<br />

17


Verkehr zu reduzieren“, hat Susanne<br />

Draxler erkannt. „<strong>Es</strong> kann auch heißen,<br />

mehr Arbeitsplätze <strong>in</strong> strukturschwachen<br />

Regionen zu schaffen.“ Das<br />

Spannungsfeld, dem Susanne Draxler <strong>in</strong><br />

ihrem beruflichen Alltag ausgesetzt <strong>ist</strong>,<br />

erträgt sie mittlerweile mit Gelassenheit.<br />

„Häufig überrascht es mich,<br />

wie maßnahmengerecht politisches<br />

Handeln trotz allem <strong>ist</strong>“, sagt sie.<br />

Rasterfahndung für<br />

Luftverpester<br />

Geme<strong>in</strong>sam mit ihrem Mann hat<br />

Susanne Draxler im Jahre 2004 das<br />

Unternehmen „Chemdata“ gegründet.<br />

Und sie leitet das „Technische Büro<br />

für Technische Chemie“. Mit <strong>die</strong>sen<br />

Firmen analysiert sie jedoch nicht nur<br />

unser tägliches Luftdesaster, sondern<br />

sie entwickelt auch Gegenmaßnahmen:<br />

E<strong>in</strong>e wahre Luftverbesserungs-Pionier<strong>in</strong><br />

<strong>ist</strong> <strong>die</strong> selbstständige Ingenieur<strong>in</strong>. Unlängst<br />

hat sich ihr Büro beispielsweise<br />

der noch nie gestellten Frage gewidmet,<br />

wie viel Methan aus Erdgasleitungen<br />

entweicht. „Was emittiert jedes<br />

Haushaltsgerät <strong>in</strong> Österreich? Das <strong>ist</strong><br />

<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Zahl, <strong>die</strong> hab ich noch nirgends<br />

gefunden, wir erarbeiten sie zum ersten<br />

Mal“, sagt sie stolz. In solchen Fällen<br />

entwickelt das Unternehmen <strong>in</strong>novative<br />

Berechnungsmethoden und Lösungsansätze,<br />

für <strong>die</strong> es kaum Vorbilder gibt.<br />

Ebenso hat ihr Büro Emissionskataster<br />

für e<strong>in</strong>zelne Bundesländer entworfen:<br />

Welches Spektrum an Luftschadstoffen<br />

stößt jede Geme<strong>in</strong>de aus und wie könnte<br />

<strong>man</strong> <strong>die</strong>se verr<strong>in</strong>gern? Da <strong>die</strong> zitierte<br />

„soziale Verträglichkeit“ als politische<br />

Berechnungsgröße h<strong>in</strong>zukommt, muss<br />

Draxler zwar damit rechnen, dass von<br />

ihr vorgeschlagene Lösungsansätze <strong>in</strong><br />

der Schublade verschw<strong>in</strong>den. Doch das<br />

verdrießt sie nicht, denn: „E<strong>in</strong>iges wird<br />

ja doch umgesetzt. Außerdem erwerbe<br />

ich mit jedem Projekt neues Wissen,<br />

das dann <strong>in</strong> das nächste Projekt e<strong>in</strong>fließt.“<br />

Auch <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Maßnahmenkatalog<br />

zur Erreichung der Kyoto-Ziele hat<br />

Susanne Draxler im Auftrag der Behörde<br />

geme<strong>in</strong>sam mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m privaten Forschungs<strong>in</strong>stitut<br />

erstellt, wiederum <strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />

außergewöhnliche wissenschaftliche<br />

Le<strong>ist</strong>ung. Als größte Luftverschmutzer<br />

hat sie dabei den Individualverkehr und<br />

<strong>die</strong> privaten Haushalte identifiziert.<br />

Doch auch natürlichen Bösewichten<br />

<strong>ist</strong> sie auf <strong>die</strong> Schliche gekommen:<br />

Beispielweise Österreichs idyllische<br />

Nadelwälder - <strong>in</strong> Wahrheit schlichtweg<br />

oft Monokulturen, <strong>die</strong> unsere Atemluft<br />

mit Terpenen belasten. „Wenn dort<br />

auch noch <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Autobahn gebaut wird,<br />

kommen Stickoxide h<strong>in</strong>zu: Mit dem<br />

Sonnenlicht ergibt beides Ozon“, seufzt<br />

<strong>die</strong> Chemiker<strong>in</strong>.<br />

Sauerteigrezepturen im<br />

Chemiestudium<br />

Seit sieben Jahren <strong>ist</strong> sie nun schon<br />

selbstständig, geme<strong>in</strong>sam mit ihrem<br />

Mann. Beide haben an der Universität<br />

Wien „Technische Chemie“ stu<strong>die</strong>rt<br />

und sich dort auch kennen gelernt. Das<br />

Studium sei „außerordentlich herausfordernd<br />

gewesen“, <strong>die</strong> weiblichen<br />

Mitstu<strong>die</strong>renden verflüchtigten sich im<br />

Laufe der Semester: „Viele Kolleg<strong>in</strong>nen<br />

haben das Handtuch geworfen, wir<br />

hatten nur fünf Prozent Absolvent<strong>in</strong>nen.“<br />

Das habe vor allem an den<br />

miserablen Ressourcen gelegen: zu<br />

wenig Laborplätze, zu kl<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Hörsäle.<br />

„Ich hab trotzdem durchgehalten,<br />

weil ich von zu Hause aus gewöhnt<br />

b<strong>in</strong>, nicht aufzugeben.“ Dabei kam<br />

ihr auch <strong>die</strong> „technische Erziehung“<br />

seitens ihrer Eltern zugute: Susanne<br />

Draxler wuchs <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m großen Haus<br />

im ländlichen Niederösterreich auf.<br />

Ganz selbstverständlich sei sie <strong>in</strong> den<br />

Reparaturalltag h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>gewachsen:<br />

Ihr Vater brachte ihr bei, als junges<br />

Mädel an der Drehbank zu sitzen, <strong>die</strong><br />

Bohrmasch<strong>in</strong>e anzupacken und Räume<br />

auszumalen. Als sich <strong>in</strong> der Schulzeit<br />

ihre naturwissenschaftliche Begabung<br />

heraus kr<strong>ist</strong>allisierte, entschloss sie sich<br />

ohne zu zögern zum Chemiestudium <strong>in</strong><br />

Wien, wo sie bald Alltagsbezüge bis <strong>in</strong><br />

<strong>die</strong> Küche herstellte: Mit ihrem Professor<br />

diskutierte sie nicht nur Prüfungsfragen,<br />

sondern er flüsterte ihr auch <strong>die</strong><br />

biochemische Formel für den perfekten<br />

Sauerteig zum Brotbacken zu, „denn<br />

ich wollte den Sauerteig selbst zu Hause<br />

ansetzen, aber er <strong>ist</strong> mir zuvor jedes<br />

Mal schimmelig geworden.“<br />

Homeoffice für<br />

Nachtschichten<br />

Mit dem Studium wurden sie und ihr<br />

Mann zeitgleich fertig, danach meldeten<br />

sie beide mehrere Gewerbesch<strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />

an und gründeten dazugehörige Kle<strong>in</strong>unternehmen:<br />

„Mittlerweile br<strong>in</strong>gen<br />

wir es auf sechs Gewerbe s ch<strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />

und drei Firmen.“ Der Schwerpunkt<br />

ihres Mannes liegt im EDV-Bereich,<br />

sie h<strong>in</strong>gegen <strong>ist</strong> auch ge<strong>ist</strong>es- und<br />

marktwissenschaftlich orientiert – das<br />

kommt zum Tragen, wenn ihre Firma<br />

18 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie


Fragebögen erstellt und Me<strong>in</strong>ungsforschung<br />

betreibt. Auf chemischem<br />

Gebiet wird dann zusammengearbeitet.<br />

Als Mutter von drei K<strong>in</strong>dern genießt sie<br />

heute ihre Selbstständigkeit. Ihr Büro<br />

bef<strong>in</strong>det sich <strong>in</strong> der eigenen Wohnung,<br />

das „Switchen zwischen Beruf- und<br />

Privatleben, das durch <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Raumwechsel<br />

passieren kann“ sei sehr<br />

angenehm, wenn es auch viel Diszipl<strong>in</strong><br />

verlangt. Hier kann sie auf <strong>die</strong> Hilfe<br />

„Ich habe nur positive Erfahrungen als selbstständige Ingenieur<strong>in</strong><br />

gemacht, ich muss mich nicht an Amtsstunden halten.“<br />

ihres Mannes zählen, denn nicht nur<br />

auf der beruflichen, sondern auch auf<br />

der privaten Ebene arbeiten <strong>die</strong> beiden<br />

erfolgreich zusammen: „Er macht als<br />

Vater ganz selbstverständlich mit,<br />

hilft im Haushalt und betreut <strong>die</strong> K<strong>in</strong>der.<br />

Das hält mir den Rücken frei.“ Als<br />

Unternehmer<strong>in</strong> wird <strong>man</strong> zum Multitalent:<br />

Man muss <strong>die</strong> PartnerInnensuche<br />

perfektionieren (der/<strong>die</strong> passende SteuerberaterIn,<br />

der/<strong>die</strong> passende NotarIn,<br />

der/<strong>die</strong> passende GeschäftspartnerIn),<br />

sich gut präsentieren (bei der Aquisa),<br />

auf Leute zugehen (bei Tagungen). Als<br />

selbstständige Frau hat sich Draxler<br />

immer geschätzt gefühlt: „Ich wurde<br />

beruflich nie anders wahrgenommen<br />

als e<strong>in</strong> Mann. Ich denke, ich komme<br />

sogar besonders gut an, weil ich sehr<br />

kommunikativ b<strong>in</strong>.“<br />

19


Sab<strong>in</strong>e Eglsäer<br />

Interview: Teresa Arrieta | November 2006<br />

„Weibliche Stu<strong>die</strong>rende werden an der TU mitunter<br />

immer noch belächelt, aber zusehends setzt sich<br />

<strong>die</strong> Erkenntnis durch, dass Frauen <strong>in</strong> der Technik e<strong>in</strong><br />

großer Gew<strong>in</strong>n s<strong>in</strong>d.“<br />

Fotos: Kathar<strong>in</strong>a Gossow<br />

20 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie


Die Stahl-Alchim<strong>ist</strong><strong>in</strong><br />

Sab<strong>in</strong>e Eglsäer schildert s<strong>in</strong>nliche<br />

Erlebnisse mit Stahl, schätzt das Gespür<br />

von Frauen beim Forschen und<br />

scheut hantige KollegInnen nicht.<br />

Stahl hat e<strong>in</strong> Innenleben. Je nach<br />

Zusammensetzung legt er unterschiedlichste<br />

Verhaltensweisen an den Tag,<br />

verfärbt sich, rostet, widersteht, gibt<br />

nach. Sab<strong>in</strong>e Eglsäer liebt Stahl und<br />

beschreibt s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Eigenschaften, als<br />

Ausbildung:<br />

Studium Technische Chemie TU Wien,<br />

Doktorat am Institut für Chemische<br />

Technologien und Analytik<br />

Position:<br />

Entwicklungstechniker<strong>in</strong> bei<br />

Böhler-Edelstahl<br />

Wissenschaftsdiszipl<strong>in</strong>:<br />

Technische Chemie<br />

spräche sie von <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m guten Freund.<br />

„Ich greife den Werkstoff gerne an, ich<br />

muss ihn <strong>in</strong> der Hand fühlen und s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n<br />

Glanz genießen“. Für <strong>die</strong> Chemiker<strong>in</strong> bedeutet<br />

Stahl S<strong>in</strong>nlichkeit, sie erforscht<br />

s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Geheimnisse, wenn sie mit dem<br />

Mikroskop „<strong>in</strong> <strong>die</strong> Mikrostruktur h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>geht“,<br />

denn Stahl <strong>ist</strong> nicht gleich Stahl.<br />

Sab<strong>in</strong>e Eglsäer <strong>ist</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong> neuzeitliche<br />

Alchim<strong>ist</strong><strong>in</strong>. In der Böhler Hexenküche<br />

braut sie geheime Mixturen zusammen,<br />

lässt köcheln, verschmilzt, gießt ab<br />

und wartet gespannt auf das fühl- und<br />

sichtbare Ergebnis. Derzeit soll sie<br />

<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n korrosionsbeständigen Lagerwerkstoff<br />

für Turb<strong>in</strong>en <strong>in</strong> der Luftfahrt<strong>in</strong>dustrie<br />

herstellen, es können jedoch<br />

auch Metalle für Hüftprothesen, Zahnspangendrähte<br />

oder <strong>Es</strong>sbestecke für<br />

daheim se<strong>in</strong>. Bis zu zehn Jahre arbeiten<br />

<strong>die</strong> Böhler EntwicklungstechnikerInnen<br />

an <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Werkstoff. <strong>Es</strong> geht um <strong>die</strong><br />

Herausbildung gewisser stählerner<br />

Eigenschaften, <strong>die</strong> höchsten Anforderungen<br />

entsprechen müssen: Besonders<br />

zäh, besonders rostfrei, besonders hart.<br />

21


Mutig durch das<br />

Männerstudium<br />

Sab<strong>in</strong>e Eglsäer arbeitet seit zwei Jahren<br />

im Unternehmen und hat durch ihre<br />

rasche Auffassungsgabe viele erstaunt:<br />

„Nach <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Jahr hab ich bereits <strong>die</strong><br />

Richtung bei unserem Großprojekt<br />

vorgegeben“, schildert sie stolz. Ihr<br />

Selbstbewusstse<strong>in</strong> hat sie sich hart<br />

erarbeitet, denn das Studium an der TU<br />

Wien war nicht immer leicht: Weibliche<br />

Stu<strong>die</strong>rende waren deutlich <strong>in</strong> der<br />

M<strong>in</strong>derheit, „ich b<strong>in</strong> aufgefallen als<br />

Frau.“ Alle<strong>in</strong> unter lauter Männern fiel<br />

es nicht leicht, Fragen zu stellen oder<br />

zu sagen: „Ich kann was.“ Die Burschen<br />

kamen vielfach von HTLs und hatten<br />

den Mädels e<strong>in</strong>iges Wissen voraus. Die<br />

angehende Ingenieur<strong>in</strong> freundete sich<br />

jedoch bald mit drei Mitstudent<strong>in</strong>nen an,<br />

„zu viert s<strong>in</strong>d wir dann mutig durchs<br />

Studium gegangen“ er<strong>in</strong>nert sie sich<br />

an <strong>die</strong> herausfordernde Uni-Zeit. E<strong>in</strong><br />

Schlüsselerlebnis hatte sie dann im<br />

Labor, als e<strong>in</strong> Ass<strong>ist</strong>ent ihr bestätigte,<br />

dass bei den Frauen <strong>die</strong> Trefferquote<br />

<strong>in</strong> der Laboranalyse weit höher sei.<br />

„Frauen haben häufig das bessere Gespür,<br />

weil sie ihrem Bauch vertrauen“,<br />

schloss Eglsäer daraus und fand das<br />

auch im späteren Berufsleben bestätigt.<br />

Vorträge vor Publikum<br />

machen stark<br />

Beispielsweise hat <strong>die</strong> Technik<strong>in</strong>genieur<strong>in</strong><br />

bei Böhler geme<strong>in</strong>sam mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r<br />

Kolleg<strong>in</strong> e<strong>in</strong> Werkstoffproblem gelöst,<br />

<strong>in</strong>dem sie sich auf ihr Gefühl verließ.<br />

Während <strong>die</strong> männlichen Kollegen mit<br />

konventionellen Analysemethoden<br />

scheiterten, holten <strong>die</strong> beiden Techniker<strong>in</strong>nen<br />

auch externe Me<strong>in</strong>ungen<br />

e<strong>in</strong> und beschritten neue Wege, <strong>die</strong><br />

anfangs belächelt wurden. Stille habe<br />

jedoch geherrscht, als sich herausstellte,<br />

dass <strong>die</strong> Frauen Recht gehabt<br />

hatten. Den Kollegen sei es nicht leicht<br />

gefallen, ihren Irrtum e<strong>in</strong>zugestehen.<br />

Frauen h<strong>in</strong>gegen können das, wie<br />

Sab<strong>in</strong>e Eglsäer weiß: „Wir stehen zu<br />

unseren Fehlern und tun uns deswegen<br />

leichter, neue Wege zu gehen. E<strong>in</strong><br />

Mann verbeißt sich oft und bleibt <strong>in</strong><br />

s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Sackgasse stecken.“ Heute <strong>ist</strong> sie<br />

so weit, ihre Stärken präsentieren zu<br />

können, geholfen haben ihr dabei auch<br />

ihre Universitätserfahrungen. Denn mit<br />

der Dissertation kam <strong>die</strong> Weltläufigkeit:<br />

Da Institute aus Spanien, Italien und<br />

Schweden am Doktoratsprojekt beteiligt<br />

waren, re<strong>ist</strong>e sie viel, verbesserte<br />

so ihre Englischkenntnisse und präsentierte<br />

ihre Forschungsergebnisse bei<br />

zahlreichen Kongressen. Anfangs fühlte<br />

sie sich gehemmt, vor so vielen Leuten<br />

zu reden, aber <strong>die</strong> Reaktionen waren<br />

immer positiv: „Bei Vorträgen s<strong>in</strong>d <strong>die</strong><br />

Menschen sehr offen und geben viel<br />

Feedback“ schildert Sab<strong>in</strong>e Eglsäer.<br />

Sich der Öffentlichkeit zu stellen sei<br />

„<strong>e<strong>in</strong>e</strong> wahns<strong>in</strong>nig wichtige Erfahrung“<br />

gewesen.<br />

22 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie


Menschenkenntnis durch<br />

politisches Engagement<br />

Zugute kommen ihr für <strong>die</strong> Karriere<br />

auch jene „social skills“, <strong>die</strong> sie sich<br />

im Rahmen ihres Engagements <strong>in</strong> der<br />

Hochschulpolitik aneignen konnte:<br />

Eglsäer brachte es bis zur Mitgliedschaft<br />

<strong>in</strong> der Stu<strong>die</strong>nkommission und<br />

verhandelte mit ProfessorInnen <strong>in</strong><br />

paritätischer Verteilung neue Stu <strong>die</strong>npläne<br />

und Prüfungsfragen aus. Hier<br />

erfuhr sie viel über Machtstrukturen,<br />

dass ProfessorInnen auch nur Menschen<br />

s<strong>in</strong>d und „dass <strong>man</strong> auch mit<br />

den Hantigen und Unfreundlichen gut<br />

zusammenarbeiten kann, wenn <strong>man</strong> sie<br />

zu nehmen versteht“. Dort, wo sie heute<br />

steht, fühlt sie sich sehr wohl: „Das <strong>ist</strong><br />

der Job, den ich wirklich machen will.“<br />

Die Stahlexpert<strong>in</strong> genießt im Rahmen<br />

ihrer Projekte ausreichend Freiraum<br />

und sieht auch Karriereperspektiven.<br />

Kopfzerbrechen bereitet ihr h<strong>in</strong>gegen<br />

das Thema Familiengründung, denn e<strong>in</strong><br />

K<strong>in</strong>d würde wohl mehr als zwei Jahre<br />

Karriereverzögerung bedeuten, wie sie<br />

befürchtet. Umso wichtiger <strong>ist</strong> es ihr<br />

heute, gesehen zu werden und <strong>die</strong> ihr<br />

zustehende Anerkennung zu erhalten.<br />

„Eigene Forschungsergebnisse muss<br />

<strong>man</strong> immer selbst s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Vorgesetzten<br />

präsentieren, denn <strong>in</strong> der Forschung<br />

<strong>ist</strong> <strong>die</strong> Gefahr des E<strong>in</strong>-Igelns gegeben.<br />

Gerade als Frau muss <strong>man</strong> aufstehen<br />

und s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Arbeit selber vertreten.“<br />

„Frauen akzeptieren k<strong>e<strong>in</strong>e</strong> vorgegebenen Ergebnisse,<br />

sondern h<strong>in</strong>terfragen und berücksichtigen neue<br />

Sichtweisen.“<br />

23


Dorothea Erharter<br />

Interview: Teresa Arrieta | September 2006<br />

„Mir geht es darum, mit e<strong>in</strong>fachen Mitteln gesellschaftlich<br />

etwas zu verändern oder aufzuzeigen.“<br />

Fotos: Kathar<strong>in</strong>a Gossow<br />

24 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie


Erfrischend direkt<br />

Doro Erharter arbeitet an <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m<br />

benutzerInnenfreundlichen Internet,<br />

lässt sich nicht e<strong>in</strong>schüchtern und<br />

weiß, warum Frauen <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n BMW<br />

brauchen.<br />

Klares Sprechen <strong>ist</strong> wichtig, f<strong>in</strong>det <strong>die</strong> IT<br />

Expert<strong>in</strong> Dorothea Erharter. Beim Mailen<br />

sollten k<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Formulierungen benutzt<br />

werden, <strong>die</strong> frau kl<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r machen. Also<br />

besser „hilf mir“ statt „könntest du mir<br />

helfen“, s<strong>in</strong>niert sie über männliche und<br />

Ausbildung:<br />

Philosophie Studium, Innenausbau<br />

Kolleg, Architekturstudium TU Graz,<br />

Multimedia Design Lehrgang<br />

Position:<br />

Dozent<strong>in</strong> für Webtechnologien und<br />

Usability Eng<strong>in</strong>eer<strong>in</strong>g<br />

Wissenschaftsdiszipl<strong>in</strong>:<br />

Informationstechnologie<br />

weibliche Kommunikationsformen. Sie<br />

hat beobachtet, dass sich User<strong>in</strong>nen <strong>in</strong><br />

Internet-Frauenforen oft für abweichende<br />

Me<strong>in</strong>ungen entschuldigen. Die<br />

Furcht vor der <strong>Es</strong>kalation geht um „und<br />

zwar an Punkten, wo ich mir dachte:<br />

Das war jetzt erfrischend direkt“. Solche<br />

Direktheit braucht Doro Erharter wohl,<br />

denn an der Fachhochschule St. Pölten,<br />

wo sie derzeit IT unterrichtet, <strong>ist</strong> ihr<br />

Fach stark männerdom<strong>in</strong>iert. Arbeitssitzungen<br />

werden dort <strong>in</strong> Sitzreihen<br />

abgehalten, <strong>man</strong> muss sich umdrehen,<br />

um mite<strong>in</strong>ander zu reden. „Da hab ich<br />

gesagt: Leitln, setz´ma uns doch im<br />

Kreis.“ Bis ihr klar wurde, dass sie mit<br />

<strong>die</strong>sem Wunsch auf wenig Verständnis<br />

stieß. Manchmal habe sie das Gefühl,<br />

Frauen kämen von <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m anderen Stern,<br />

so unterschiedlich seien <strong>die</strong> Bedürfnisse.<br />

E<strong>in</strong>e Kolleg<strong>in</strong> habe unlängst geme<strong>in</strong>t,<br />

jetzt muss ich mir <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n BMW kaufen,<br />

sonst b<strong>in</strong> ich nicht erfolgreich. Ist zwar<br />

lustig geme<strong>in</strong>t, hat aber <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n ernsten<br />

H<strong>in</strong>tergrund, fügt Erharter bedauernd<br />

h<strong>in</strong>zu. D<strong>in</strong>ge aufzuzeigen, das hat sie<br />

immer schon <strong>in</strong>teressiert. Impulse geben<br />

für gesellschaftliche Veränderungen,<br />

25


das zog sich als roter Faden durch ihre<br />

nicht-l<strong>in</strong>eare Karriere.<br />

Demokratisierung des<br />

Internets<br />

Nach dem Gymnasium kam e<strong>in</strong><br />

Philosophiestudium. Dann e<strong>in</strong> Jahr<br />

Olivenernte <strong>in</strong> Griechenland. Hernach<br />

e<strong>in</strong> Kolleg für Innenausbau an der HTL<br />

Mödl<strong>in</strong>g, schließlich der E<strong>in</strong>tritt <strong>in</strong>s<br />

Berufsleben bei der Firma Lichtdesign<br />

<strong>in</strong> Köln. Als sie daran scheiterte, <strong>die</strong><br />

dort von ihr geforderten Lampenentwürfe<br />

zu gestalten, hängte <strong>die</strong> Vielseitige<br />

noch e<strong>in</strong> Architekturstudium an<br />

und wurde dabei zur Künstler<strong>in</strong>. Nebenher<br />

leitet sie seit siebzehn Jahren<br />

<strong>e<strong>in</strong>e</strong> eigene IT-Firma, <strong>in</strong> deren Rahmen<br />

sie beispielsweise weibliche EDV-<br />

Tra<strong>in</strong>er<strong>in</strong>nen an <strong>die</strong> Frauenhaftanstalt<br />

Favoriten vermittelt. Ja, es bestehe<br />

dr<strong>in</strong>gender Bedarf, dass Frauen andere<br />

Frauen <strong>in</strong> IT-Fertigkeiten unterrichten.<br />

Denn Stu<strong>die</strong>n belegen, dass Frauen<br />

ihre männlichen Kollegen immer noch<br />

für <strong>die</strong> besseren Computerexperten<br />

halten. Im <strong>in</strong>timen Rahmen <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r<br />

Frauengruppe trauen sich <strong>die</strong> Teilnehmer<strong>in</strong>nen<br />

dann eher, Fragen zu stellen,<br />

s<strong>in</strong>d weniger schüchtern. Nach ihren<br />

anfänglichen künstlerischen Berufserfahrungen<br />

blieb Doro Erharter bis<br />

auf weiteres im gesellschaftspolitisch<br />

motivierten IT-Bereich hängen: Denn<br />

im Zuge <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Multimedia-Webdesign<br />

Lehrgangs kam sie mit der Welt der<br />

Usability <strong>in</strong> Berührung, e<strong>in</strong> Thema,<br />

das sie bis heute nicht mehr loslässt.<br />

<strong>Es</strong> geht um <strong>die</strong> Vere<strong>in</strong>fachung des<br />

Internet. Das Web soll benutzerInnenfreundlicher<br />

werden und dadurch auch<br />

ungeschultem Publikum zugänglich.<br />

An der Fachhochschule St. Pölten <strong>ist</strong><br />

sie heute Mitarbeiter<strong>in</strong> am Institut für<br />

Me<strong>die</strong>n<strong>in</strong>formatik und leitet dort den<br />

Forschungsschwerpunkt „Technikferne<br />

User“. Sie unterrichtet Stu<strong>die</strong>rende<br />

also dar<strong>in</strong>, benutzerInnenfreundliche<br />

Homepages und Computerapplikationen<br />

zu gestalten.<br />

Pionierarbeit für<br />

Computerlaien<br />

Viele große Firmen verfügen heute<br />

bereits über <strong>e<strong>in</strong>e</strong> eigene Usability Abteilung,<br />

denn was nützen <strong>die</strong> schönsten<br />

Homepages und Computerprogramme,<br />

wenn sie zu kompliziert aufgebaut s<strong>in</strong>d.<br />

Untersuchungen belegen, dass viele<br />

Internet-Shops rasch wieder verlassen<br />

werden, weil der kauffreudige Konsument<br />

nicht herausf<strong>in</strong>det, wie viel das<br />

angebotene Produkt kostet. Usability<br />

<strong>ist</strong> als Thema also bereits <strong>in</strong> den Köpfen<br />

verankert. Pionierarbeit le<strong>ist</strong>et Dorothea<br />

Erharter jedoch im Bereich der<br />

technikfernen UserInnen - Menschen,<br />

<strong>die</strong> den Computer nicht so häufig<br />

benutzen, <strong>die</strong> nicht wissen, wie sie mit<br />

der rechten Maustaste umgehen sollen,<br />

<strong>die</strong> aufklappbare Internet-Menüs nicht<br />

26 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie


e<strong>die</strong>nen können. Mit <strong>die</strong>sem Spezialgebiet<br />

der technikfernen UserInnen<br />

kann <strong>man</strong> sich zwar nicht so gut<br />

brüsten, denn Applikationen werden<br />

erheblich schlichter, wenn sie vom<br />

St. Pöltner Usability Center aufs Korn<br />

genommen werden. Doch <strong>die</strong> Kunst der<br />

Vere<strong>in</strong>fachung <strong>ist</strong> dennoch aufwendig:<br />

Mit ihren Stu<strong>die</strong>renden entwirft<br />

Erharter ausgeklügelte Tests mit Internet-Laien,<br />

um deren mentale Modelle<br />

nachvollziehen zu können. Nebenbei<br />

leitet <strong>die</strong> IT-Expert<strong>in</strong> e<strong>in</strong> FEMtech-Projekt,<br />

um mehr Frauen <strong>in</strong> <strong>die</strong>se techniklastige<br />

Stu<strong>die</strong>nrichtung here<strong>in</strong>zuholen,<br />

weil <strong>man</strong> ja alle<strong>in</strong> auf weiter Flur „ganz<br />

deppert wird“. Sie hat zwar gelernt, sich<br />

an männliche Kommunikationsformen<br />

anzupassen, aber <strong>man</strong>chmal werde es<br />

trotzdem sperrig.<br />

Netzwerke und<br />

Seilschaften<br />

Immer muss beispielsweise erklärt werden,<br />

warum es <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Ungleichbehandlung<br />

darstellt, wenn e<strong>in</strong> Kollege <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r<br />

Mitarbeiter<strong>in</strong> Kompli mente wegen ihres<br />

Styl<strong>in</strong>gs macht. Ist zwar wertschätzend<br />

geme<strong>in</strong>t, frau wird dann aber bloß<br />

wegen ihres Äußeren gelobt und nicht<br />

wegen ihrer Le<strong>ist</strong>ung. Das verstärke das<br />

Gefühl, anders zu se<strong>in</strong> als <strong>die</strong> männlichen<br />

Kollegen, erklärt Erharter, <strong>die</strong> selbst<br />

erst spät, im Zuge der Entwicklung<br />

eigener Karrierestrategien, über derlei<br />

Genderthemen nachgedacht hat. Fürs<br />

berufliche Fortkommen seien darüber<br />

h<strong>in</strong>aus Kontakte wichtig, doch auch hier<br />

klafft <strong>die</strong> Geschlechterschere ause<strong>in</strong>ander:<br />

Männer bilden Seilschaften, Frauen<br />

Netzwerke. Männer hieven e<strong>in</strong>ander <strong>in</strong><br />

Positionen, Frauen passiert <strong>die</strong>s mehr<br />

zufällig. Mit den Seilschaften geht es<br />

schneller. Deswegen brauchen Frauen,<br />

<strong>die</strong> sich so wie Erharter <strong>in</strong> Männerwelten<br />

bewegen, <strong>e<strong>in</strong>e</strong> gewisse Frechheit:<br />

„Sich nicht e<strong>in</strong>schüchtern lassen“ so <strong>die</strong><br />

Devise der IT-Spezial<strong>ist</strong><strong>in</strong>. E<strong>man</strong>zipation<br />

wünscht sie Männern sogar noch<br />

mehr als Frauen. Letztere haben zwar<br />

angefangen, <strong>die</strong>ses Thema aufzugreifen,<br />

aber eigentlich s<strong>in</strong>d es <strong>die</strong> Männer,<br />

<strong>die</strong> mehr darunter leiden, denn <strong>die</strong>se<br />

werden stärker <strong>in</strong> ihre <strong>Rolle</strong> gezwungen,<br />

erläutert <strong>die</strong> Usability-Pionier<strong>in</strong>. Sie<br />

denkt dabei an Erziehungsmodelle wie:<br />

„E<strong>in</strong> Indianer kennt k<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Schmerz“<br />

oder „Sei e<strong>in</strong> richtiger Mann!“. Männer<br />

würden auf <strong>die</strong>se Art darauf getrimmt,<br />

sich zu überw<strong>in</strong>den – das erleichtert<br />

das Karrierestreben, der Preis dafür sei<br />

jedoch ständiger Anpassungsdruck und<br />

Unfreiheit. Deswegen benötigen Männer<br />

Selbstbestimmung noch viel dr<strong>in</strong>gender<br />

als Frauen - aber Veränderung macht<br />

immer Angst. „Drum glaub ich, es wird<br />

noch vierhundert Jahre dauern, bis sich<br />

da wirklich was ändert.“<br />

„Ich achte darauf, direkt zu formulieren - ich<br />

f<strong>in</strong>de es wichtig, D<strong>in</strong>ge anzusprechen.“<br />

27


Kar<strong>in</strong> Exner-Wöhrer<br />

Interview: Anita Zieher | September 2005<br />

„Erfolg schreibt sich bei mir mit T, U, N.“<br />

Fotos: Kathar<strong>in</strong>a Gossow<br />

28 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie


Auf den ersten Blick lässt das elegantheimelige<br />

Büro <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Wiener Altbau<br />

nicht darauf schließen, dass sich hier<br />

<strong>e<strong>in</strong>e</strong> zentrale Schnittstelle der <strong>in</strong>ternational<br />

tätigen Salzburger Alum<strong>in</strong>ium<br />

AG (SAG) bef<strong>in</strong>det. Doch auf den<br />

Sche<strong>in</strong> kommt es Kar<strong>in</strong> Exner-Wöhrer,<br />

F<strong>in</strong>anzvorständ<strong>in</strong> des Unternehmens,<br />

auch nicht an. Völlig selbstverständlich<br />

nimmt sie selbst <strong>die</strong> Anrufe entgegen,<br />

weil <strong>die</strong> SekretärInnen krank s<strong>in</strong>d und<br />

sie all<strong>e<strong>in</strong>e</strong> im Büro <strong>ist</strong>. Eigen<strong>in</strong>itiative<br />

fordert sie schließlich auch von ihren<br />

MitarbeiterInnen.<br />

Ausbildung:<br />

Betriebswirtschaft an der<br />

Wirtschaftsuniversität Wien<br />

Position:<br />

F<strong>in</strong>anzvorständ<strong>in</strong> der Salzburger<br />

Alum<strong>in</strong>ium AG, Wien/Salzburg<br />

Branche:<br />

Metallerzeugung und -bearbeitung<br />

„<strong>Es</strong> war immer e<strong>in</strong> Ziel von mir,<br />

selbständig zu se<strong>in</strong>, selbst e<strong>in</strong> Unternehmen<br />

zu führen, am liebsten e<strong>in</strong><br />

produzierendes Unternehmen“, bekennt<br />

<strong>die</strong> fröhlich wirkende Frau. Wenngleich<br />

sie zur Tätigkeit <strong>in</strong> der SAG eher zufällig<br />

gekommen sei. Sie hat lange Zeit<br />

im Ausland gelebt und wollte wieder<br />

<strong>in</strong>s Ausland, doch es kam alles anders.<br />

1992 übernahm ihr Vater <strong>die</strong> über 100<br />

Jahre alte Alum<strong>in</strong>iumfirma, <strong>die</strong> er zuvor<br />

als Geschäftsführer geleitet hatte. „Damals<br />

war e<strong>in</strong> Management Buyout <strong>in</strong><br />

Österreich noch eher unüblich“, er<strong>in</strong>nert<br />

sie sich. Das Risiko hat sich ausgezahlt.<br />

2001 hat <strong>die</strong> SAG <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n großen<br />

Konkurrenten <strong>in</strong> Europa übernommen,<br />

wodurch vier Länder und vier Sprachen<br />

dazu gekommen s<strong>in</strong>d und sich <strong>die</strong> Zahl<br />

der MitarbeiterInnen verdoppelt hat.<br />

Damit g<strong>in</strong>gen große Veränderungen<br />

im Unternehmen e<strong>in</strong>her. Kulturelle<br />

Unterschiede gab es unter <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Dach<br />

zu vere<strong>in</strong>baren. Die Geschäfte haben<br />

sich gut entwickelt. Da Alum<strong>in</strong>ium<br />

e<strong>in</strong> börsennotiertes Metall <strong>ist</strong>, haben<br />

jedoch Ereignisse wie Hurrikans oder<br />

9/11 ebenso großen E<strong>in</strong>fluss wie <strong>die</strong><br />

29


Entwicklung der Automobilbranche. Die<br />

Beobachtung des Weltmarkts und das<br />

Risk<strong>man</strong>agement gehören deshalb zu<br />

den besonders spannenden Aufgaben<br />

von Kar<strong>in</strong> Exner-Wöhrer, <strong>die</strong> seit 2000<br />

F<strong>in</strong>anzvorständ<strong>in</strong> <strong>ist</strong>.<br />

Klare Kompetenzen im<br />

Familienverbund<br />

Sowohl Vater und Mutter als auch der<br />

Ehe<strong>man</strong>n s<strong>in</strong>d mit ihr im Vorstand des<br />

Unternehmens. „<strong>Es</strong> <strong>ist</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong> eigene Welt<br />

so e<strong>in</strong> Familienunternehmen“, erklärt<br />

Kar<strong>in</strong> Exner-Wöhrer, lacht dabei. „Das<br />

war e<strong>in</strong> Entwicklungsprozess, dass<br />

<strong>man</strong> sich <strong>die</strong> D<strong>in</strong>ge sagen kann“. Lob<br />

und Kritik sei ohneh<strong>in</strong> nicht leicht<br />

anzubr<strong>in</strong>gen, <strong>in</strong> der Familie komme da<br />

noch <strong>e<strong>in</strong>e</strong> andere Komponente dazu.<br />

Abstand zu halten sei nicht ganz e<strong>in</strong>fach.<br />

Deshalb haben sie <strong>e<strong>in</strong>e</strong> ganz klare<br />

Kompetenzverteilung, „wo <strong>die</strong> anderen<br />

nicht re<strong>in</strong>reden, außer <strong>man</strong> möchte<br />

<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Rat“. Sie weiß, dass viele sie als<br />

Tochter des Chefs sehen, <strong>die</strong> sich <strong>in</strong>s<br />

gemachte Nest gesetzt hat. Manchmal<br />

trifft sie das schon, auch wenn sie<br />

gelernt hat, damit umzugehen. „Ich<br />

habe das Selbstbewusstse<strong>in</strong>, zu wissen,<br />

ich habe <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n wesentlichen Beitrag<br />

zum Erfolg des Unternehmens gele<strong>ist</strong>et.<br />

Wenn andere das nicht wahrnehmen<br />

wollen, dann <strong>ist</strong> das halt so.“<br />

Ursprünglich wollte sie Masch<strong>in</strong>enbau<br />

stu<strong>die</strong>ren, weil sie immer schon<br />

an Technik <strong>in</strong>teressiert war. Der Vater<br />

habe ihr das aber ausgeredet, weil er<br />

kaum Chancen für sie als Frau gesehen<br />

habe. Also hat sie Betriebswirtschaft<br />

<strong>in</strong> Wien stu<strong>die</strong>rt, sich jedoch <strong>in</strong> der<br />

Dissertation <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m technologienahen<br />

Thema gewidmet. In der männerdom<strong>in</strong>ierten<br />

Metallbranche spüre sie schon<br />

teilweise Vorbehalte von Leuten, <strong>die</strong> sie<br />

nicht kennen, „<strong>die</strong> denken, ich b<strong>in</strong> nur<br />

<strong>die</strong> Begleitung“, wobei das Alter eher<br />

e<strong>in</strong> Problem sei als das Geschlecht.<br />

„Das möchte ich jungen<br />

Menschen mitgeben: dass sie<br />

sich nicht vom Weg abbr<strong>in</strong>gen<br />

lassen sollen. Wenn <strong>man</strong> etwas<br />

will, gibt es gute Gründe, das<br />

auch zu erreichen.“<br />

„Manchmal <strong>ist</strong> das <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Hürde, <strong>die</strong> es<br />

zu überw<strong>in</strong>den gibt. Die wird niedriger,<br />

sobald ich das Gespräch auf <strong>e<strong>in</strong>e</strong> sachliche<br />

Ebene br<strong>in</strong>ge, dann merken <strong>die</strong><br />

Leute: <strong>die</strong> kennt sich aus.“<br />

Das Bedürfnis, <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Woche lang tatenlos<br />

<strong>in</strong> der Sonne zu liegen, kennt sie<br />

nicht. „Für mich <strong>ist</strong> Arbeit nichts negativ<br />

Besetztes. Ich habe es immer als<br />

bereichernd empfunden, etwas wo ich<br />

neugierig se<strong>in</strong> kann, wo ich mit anderen<br />

Menschen zu tun habe und auch <strong>die</strong><br />

Möglichkeit habe zu reisen“, erklärt sie.<br />

Dann schon eher Golf spielen, was sie<br />

nach dem Studium <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Zeit lang regelrecht<br />

süchtig betrieben hat und sich so<br />

den Titel der österreichischen Me<strong>ist</strong>er<strong>in</strong><br />

erspielt hat. Mittlerweile spielt sie<br />

weniger, f<strong>in</strong>det mehr Entspannung beim<br />

Laufen und <strong>in</strong> der Kultur. Kraft schöpft<br />

sie aus Erfolgen ebenso wie aus ihrem<br />

Umfeld. „Im Vergleich zu persönlichen<br />

Erfahrungen relativieren sich berufliche<br />

Probleme schnell e<strong>in</strong>mal“, hat sie für<br />

30 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie


sich festgestellt. „Manchmal hilft<br />

es, <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Nacht darüber zu schlafen,<br />

damit <strong>man</strong> <strong>die</strong> D<strong>in</strong>ge wieder <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m<br />

positiven Licht sehen kann.“ Besonders<br />

stolz <strong>ist</strong> sie auf das gute Verhältnis zur<br />

Tochter ihres Mannes. „K<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Selbstverständlichkeit“,<br />

wie sie ergänzt.<br />

Entschlossen zur Offenheit<br />

Die ersten zehn Lebensjahre hat sie <strong>in</strong><br />

Westafrika verbracht, das hat sie geprägt.<br />

„Ich b<strong>in</strong> überall <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Ausländer<strong>in</strong>,<br />

nicht verwurzelt, wie <strong>man</strong> so schön<br />

sagt. Das hat Vorteile und Nachteile.“<br />

Was sie dadurch besonders gelernt hat,<br />

<strong>ist</strong> offen zu se<strong>in</strong>, auf andere zuzugehen<br />

und neugierig zu se<strong>in</strong>.<br />

„Erfolg schreibt sich bei mir mit<br />

T, U, N.“, def<strong>in</strong>iert Kar<strong>in</strong> Exner-Wöhrer.<br />

Deshalb rät sie jungen Frauen dazu,<br />

„Eigen<strong>in</strong>itiative zu zeigen, den Mut zu<br />

haben, zur eigenen Me<strong>in</strong>ung zu stehen,<br />

auch wenn <strong>man</strong> damit aneckt, bereit zu<br />

se<strong>in</strong>, sich zu zeigen und aus der Menge<br />

rauszutreten.“ Auch wenn es <strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />

männliche Domäne sei, sollte <strong>man</strong> sich<br />

nicht davon abbr<strong>in</strong>gen lassen. „Wenn<br />

Frauen <strong>in</strong> Karenz gehen, wird sich im<br />

Unternehmen schon <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Lösung f<strong>in</strong>den,<br />

Männer verlassen Unternehmen auch“,<br />

erklärt sie pragmatisch. Die E<strong>in</strong>stellung<br />

der Gesellschaft gegenüber Müttern sei<br />

das eigentliche Problem, das schlechte<br />

Gewissen ergebe sich durch <strong>die</strong> Reaktion<br />

der Gesellschaft. Das sei <strong>in</strong> anderen<br />

Ländern nicht so.<br />

E<strong>in</strong>e besondere Freude sei es für sie,<br />

das Potenzial ihrer MitarbeiterInnen zu<br />

heben, „zu sehen, wie <strong>man</strong> anderen auf<br />

den Weg helfen kann, wie sehr sie sich<br />

motivieren, wie sie Spaß haben.“ Sie<br />

schätze Menschen <strong>in</strong> ihrer Umgebung,<br />

<strong>die</strong> selbst tätig werden. „Ich gebe nicht<br />

bei jedem Schritt vor, was sie tun sollen.“<br />

MitarbeiterInnen, <strong>die</strong> das erwarten,<br />

treiben sie zur Weißglut.<br />

„Ich erwarte, dass sie selbst mit Ideen<br />

kommen, etwas er reichen, verändern<br />

wollen. Wenn etwas nicht passt, kann<br />

<strong>man</strong> das ändern. Das muss <strong>man</strong> dann<br />

halt <strong>in</strong> Angriff nehmen und nicht leiden<br />

und schmollen.“ Ihren Führungsstil<br />

beschreibt sie so: „Ich entscheide<br />

mich schnell, wohlwissend dass ich<br />

mich <strong>man</strong>chmal auch falsch entscheide.<br />

Abwägen ja, aber nicht zu Tode<br />

diskutieren.“ E<strong>in</strong>e gewisse Ungeduld<br />

attestiert <strong>man</strong> ihr deshalb. Die aber<br />

nichts mit ihrer Jugend zu tun habe,<br />

me<strong>in</strong>t sie. „Ich hoffe, ich werde mit 70<br />

noch so se<strong>in</strong>.“<br />

31


Fatima Ferreira<br />

Interview: Teresa Arrieta | September 2006<br />

„Ehrlichkeit, Vertrauen und Respekt s<strong>in</strong>d <strong>die</strong> Basis<br />

für gutes Teamwork.“<br />

Fotos: Nora Friedel<br />

32 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie


Zur Spitze zählen, aber<br />

Mensch bleiben<br />

Die aus Brasilien stammende<br />

Allergolog<strong>in</strong> Fatima Ferreira kommt<br />

aus e<strong>in</strong>fachsten Verhältnissen, hat<br />

zwei Universitätsstu<strong>die</strong>n absolviert,<br />

bekleidet seit ihrer Stu<strong>die</strong>nzeit<br />

Führungspositionen und <strong>ist</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong> der<br />

ersten Frauen, <strong>die</strong> e<strong>in</strong> privatwirtschaftliches<br />

Forschungslabor leitet.<br />

Das Selbstbewusstse<strong>in</strong> hat sie von<br />

ihrer Mutter. Die war Schneider<strong>in</strong>, hat<br />

Ausbildung:<br />

Zahnarztstudium<br />

Studium der Biochemie<br />

Position:<br />

Leiter<strong>in</strong> des Chr<strong>ist</strong>ian Doppler Labors<br />

für Allergiediagnose und Therapie an<br />

der Universität Salzburg<br />

Department of Molecular Biology<br />

Wissenschaftsdiszipl<strong>in</strong>:<br />

Allergieforschung<br />

all<strong>e<strong>in</strong>e</strong> drei K<strong>in</strong>der groß gezogen, und<br />

immer gesagt: „Das wichtigste <strong>ist</strong> zu<br />

stu<strong>die</strong>ren und <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Beruf zu haben,<br />

denn das kann euch nie<strong>man</strong>d wegnehmen.“<br />

Sichtlich gerührt <strong>ist</strong> Fatima Ferreira,<br />

als sie von ihrer Mutter erzählt,<br />

oder davon, dass sie e<strong>in</strong> „positives<br />

Vorbild“ für ihre Mitar beiterInnen se<strong>in</strong><br />

möchte. Oder auch, dass ihr Wiener<br />

Lehrme<strong>ist</strong>er, der Allergiepapst Professor<br />

Dietrich Kraft „wie e<strong>in</strong> Vater“ für<br />

sie war. E<strong>in</strong>e Frau mit viel Gefühl <strong>ist</strong><br />

sie, sehr ehrgeizig, aber mit Gespür<br />

für Zwischenmenschliches. „Me<strong>in</strong> Ziel<br />

war immer, als Forscher<strong>in</strong> zur Spitze zu<br />

zählen und dabei Mensch zu bleiben“,<br />

fasst sie ihre Lebenshaltung zusammen.<br />

Allergien untersucht <strong>die</strong> Mediz<strong>in</strong>er<strong>in</strong><br />

seit nun schon sechzehn Jahren. Im<br />

Visier hat sie vor allem <strong>die</strong> Pollenallergie,<br />

der sie mit den Mitteln der<br />

Gentechnik beizukommen versucht. Im<br />

Labor isoliert ihr Team jene Pollengene,<br />

<strong>die</strong> Allergien auslösen, um so<br />

<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Impfstoff zu entwickeln. Für das<br />

Biotechunternehmen Biomay hat <strong>die</strong><br />

ambitionierte Wissenschafter<strong>in</strong> das<br />

erste künstliche Allergen entwickelt.<br />

33


Biomay war <strong>die</strong> erste Firma weltweit,<br />

<strong>die</strong> rekomb<strong>in</strong>ante - also künstliche -<br />

Allergene auf den Markt gebracht hat.<br />

Brückenschlag zwischen<br />

Industrie und Universität<br />

Die Firma <strong>ist</strong> auch ihre F<strong>in</strong>anzpartner<strong>in</strong><br />

im neuen, von ihr geleiteten Chr<strong>ist</strong>ian<br />

Doppler Labor für Allergiediagnostik<br />

und Therapie <strong>in</strong> Salzburg. Chr<strong>ist</strong>ian<br />

Doppler Labors <strong>die</strong>nen der anwendungsorientierten<br />

Grundlagenforschung<br />

und fördern <strong>die</strong> Zusammenarbeit zwischen<br />

Universitäten und Unternehmen.<br />

Die Labors werden je zur Hälfte von der<br />

öffentlichen Hand und den kooperierenden<br />

Mitgliedsfirmen der Chr<strong>ist</strong>ian<br />

Doppler Gesellschaft f<strong>in</strong>anziert.<br />

Die größte Herausforderung im Rahmen<br />

ihrer neuen leitenden Position <strong>ist</strong> für<br />

sie „auf ihre MitarbeiterInnen e<strong>in</strong>zugehen“.<br />

Die Wissenschafter<strong>in</strong> sieht<br />

dar<strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong> „große Verantwortung“. In<br />

der gruppendynamischen Situation<br />

des Forschungslabors lerne sie <strong>die</strong><br />

„tieferen Beweggründe“ von Menschen<br />

besser verstehen. Auch über sich<br />

erfährt sie dabei viel Neues, es gebe<br />

wohl „k<strong>e<strong>in</strong>e</strong> bessere Therapie“ als das<br />

Feedback der anderen, so Ferreira über<br />

ihren Arbeitsalltag. Das geme<strong>in</strong>same<br />

Ziel des Teams <strong>ist</strong>, ganz oben <strong>in</strong> der<br />

Forschungselite mitzumischen. Was<br />

auch gel<strong>in</strong>gt, denn Österreich zählt<br />

im Bereich der Allergieforschung zur<br />

Weltspitze, berichtet Fatima Ferreira<br />

voller Stolz.<br />

Empor gearbeitet<br />

Sie strahlt, wenn sie von ihren außergewöhnlichen<br />

Le<strong>ist</strong>ungen erzählt.<br />

Fatima Ferreira gehört zu jenem <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n<br />

Prozent BrasilianerInnen, <strong>die</strong> e<strong>in</strong><br />

Universitätsstudium abgeschlossen<br />

haben. Sie selbst hat sogar zwei Stu<strong>die</strong>n<br />

absolviert, beide aus staatlichen<br />

Stipen<strong>die</strong>n f<strong>in</strong>anziert. E<strong>in</strong>en „eisernen<br />

Willen“ braucht es dafür und ohne <strong>die</strong><br />

Unterstützung ihrer Familie hätte auch<br />

der nicht gereicht. Ihr unprätentiöses<br />

Selbstbewusste<strong>in</strong>? Von ihrer Mutter<br />

übernommen, <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r „sehr starken Frau“,<br />

<strong>die</strong> ihren K<strong>in</strong>dern beibrachte, das was<br />

<strong>man</strong> will, <strong>in</strong> <strong>die</strong> eigenen Hände zu nehmen<br />

- und sie auf dem gewählten Weg<br />

vorbehaltlos unterstützt hat. In Fatimas<br />

Fall war <strong>die</strong>ser Weg zuerst e<strong>in</strong> Zahnarztstudium<br />

und dann <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Dissertation<br />

<strong>in</strong> Biochemie. Die Studentenzeit verhalf<br />

ihr zur späteren steilen Karriere, denn<br />

damals erhielt sie <strong>die</strong> Möglichkeit,<br />

ihre Führungsqualitäten zu erproben:<br />

Ferreira war Klassensprecher<strong>in</strong> und<br />

hernach oberste StudentInnenvertreter<strong>in</strong>.<br />

„Ich hab mich immer getraut“,<br />

er<strong>in</strong>nert sie sich heute. In <strong>die</strong>sen Jahren<br />

hat sie verstanden, dass sie k<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Angst<br />

zu haben brauche, etwas falsch zu<br />

machen.<br />

Neues Zuhause <strong>in</strong> Österreich<br />

Nach der Lehrzeit folgte e<strong>in</strong> Postdoc <strong>in</strong><br />

Toronto, das ihren Weg nach Österreich<br />

besiegelte, denn <strong>in</strong> Kanada lernte<br />

Fatima Ferreira ihren zukünftigen<br />

Mann kennen, <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Wiener, ebenfalls<br />

Biochemiker. E<strong>in</strong> „absoluter Traum<strong>man</strong>n“<br />

sei er, sagt sie und ihre Augen<br />

leuchten. Er habe immer alles getan,<br />

damit sie erfolgreich se<strong>in</strong> kann. E<strong>in</strong><br />

weiterer Unterstützer war ihr Wiener<br />

Lehrer, Professor Dietrich Kraft. In <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r<br />

Zeit, wo Gleichbehandlung k<strong>e<strong>in</strong>e</strong>swegs<br />

en vogue war, habe er Frauen<br />

nach Kräften gefördert. Viele s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r<br />

ehemaligen Mitarbeiter<strong>in</strong>nen seien<br />

heute dank s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r unsichtbaren Hand<br />

erfolgreich. Am me<strong>ist</strong>en hat Ferreira<br />

damals s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Ehrlichkeit imponiert: E<strong>in</strong><br />

besonderes Klima des Vertrauens und<br />

des gegenseitigen Respekts habe er zu<br />

schaffen verstanden. Heute bemüht sie<br />

sich, gegenüber ihren MitarbeiterInnen<br />

im Chr<strong>ist</strong>ian Doppler Labor ähnliche<br />

Führungsqualitäten an den Tag zu<br />

legen. „Ehrlichkeit <strong>ist</strong> <strong>die</strong> Basis <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r<br />

guten Zusammenarbeit“, so ihr Leitsatz.<br />

Auch <strong>die</strong> Förderung von Frauen s<strong>in</strong>d der<br />

47jährigen e<strong>in</strong> besonderes Anliegen:<br />

Obwohl sie und ihr Mann sich zur K<strong>in</strong>derlosigkeit<br />

entschlossen haben, legt sie<br />

Wert darauf, dass Frauen mit K<strong>in</strong>dern<br />

<strong>die</strong> Möglichkeit zur Karriere erhalten –<br />

es gibt mehrere All<strong>e<strong>in</strong>e</strong>rzieher<strong>in</strong>nen <strong>in</strong><br />

ihrem ForscherInnenteam, betont<br />

Fatima Ferreira. Wenn sie nicht im<br />

Labor steht, kocht sie brasilianisch, hört<br />

brasilianische Musik, oder erhält Besuch<br />

von ihrer brasilianischen Familie. Natürlich<br />

sei es <strong>in</strong> Österreich anfangs schwer<br />

für sie gewesen, aber <strong>in</strong> der Zwischenzeit<br />

<strong>ist</strong> hier für sie Heimat geworden.<br />

Wenn ich m<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Familie <strong>in</strong> Brasilien<br />

besuche, sag‘ ich zum Abschied immer<br />

„Jetzt fahr‘ ich nach Hause.“<br />

34 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie


„Mir war immer klar, dass ich als Frau nicht zurückstecken brauche.“<br />

35


Mart<strong>in</strong>a Beimel und Gabriele Gailhart<br />

Interview: Anita Zieher | September 2005<br />

Fotos: Nora Friedel<br />

„Ich wollte immer etwas bewegen <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Unternehmen.“<br />

36 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie


Zwei Männer an der Spitze <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Unternehmens<br />

s<strong>in</strong>d nicht ungewöhnlich –<br />

zwei Frauen s<strong>in</strong>d es nach wie vor. Seit<br />

Oktober 2004 haben Mart<strong>in</strong>a Beimel<br />

und Gabriele Gailhart geme<strong>in</strong>sam <strong>die</strong><br />

Verantwortung für das Wartungs- und<br />

Re<strong>in</strong>igungsunternehmen DIW Instandhaltung<br />

mit rund 1.500 Mitarbeiter-<br />

Innen. Diese ungewöhnliche Konstellation<br />

werde von außen besonders<br />

beäugt, der Erfolgsdruck sei groß,<br />

weil sie im Konzern <strong>die</strong> e<strong>in</strong>zigen zwei<br />

Frauen <strong>in</strong> <strong>die</strong>ser Position s<strong>in</strong>d, erzählen<br />

<strong>die</strong> Manager<strong>in</strong>nen. „Uns <strong>ist</strong> natürlich<br />

klar, dass sehr stark darauf geschaut<br />

Mart<strong>in</strong>a Beimel<br />

Ausbildung:<br />

erst Sozialarbeitsausbildung, dann<br />

Schulungen im Gebäudere<strong>in</strong>igungsbereich<br />

und Führungskräftetra<strong>in</strong><strong>in</strong>gs<br />

Position:<br />

Sprecher<strong>in</strong> der Geschäftsführung<br />

Branche:<br />

Gebäudebetreuung<br />

Gabriele Gailhart<br />

Ausbildung:<br />

Kaufmännische Ausbildung<br />

über den 2. Bildungsweg<br />

Position:<br />

Geschäftsführer<strong>in</strong><br />

Branche:<br />

Technische Wartungs- und<br />

Re<strong>in</strong>igungs<strong>die</strong>nstle<strong>ist</strong>ungen<br />

ca. 1.500 MitarbeiterInnen<br />

wird, was machen <strong>die</strong> zwei Damen an<br />

der Spitze“, sagt Mart<strong>in</strong>a Beimel. „Wir<br />

haben uns das Ziel gesetzt, dass wir<br />

als gutes Beispiel vorangehen, damit<br />

Frauen, <strong>die</strong> später e<strong>in</strong>mal <strong>in</strong> <strong>die</strong>se<br />

Positionen kommen, es leichter haben“,<br />

ergänzt Gabriele Gailhart.<br />

Gabriele Gailhart <strong>ist</strong> für den kaufmännischen<br />

Bereich, Mart<strong>in</strong>a Beimel<br />

für das operative Geschäft zuständig.<br />

Diese Teilung erfordere <strong>e<strong>in</strong>e</strong> enge<br />

Zusammenarbeit, betonen sie: „<strong>Es</strong><br />

<strong>ist</strong> wie <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Ehe. Wir haben uns<br />

zusammengesetzt und geklärt, was<br />

wir vone<strong>in</strong>ander erwarten und wir<br />

haben uns ausgemacht, dass wir h<strong>in</strong>ter<br />

verschlossener Tür über alles reden und<br />

nach außen h<strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Sprache sprechen<br />

müssen. Das <strong>ist</strong> das wichtigste, weil wir<br />

sonst gegene<strong>in</strong>ander ausgespielt werden<br />

können“, erklärt Mart<strong>in</strong>a Beimel<br />

<strong>die</strong> Grundlage ihrer Zusammenarbeit.<br />

Das Kerngeschäft des Unternehmens<br />

s<strong>in</strong>d Re<strong>in</strong>igungs<strong>die</strong>nstle<strong>ist</strong>ungen.<br />

Aufgrund des großen Veränderungswettbewerbs<br />

<strong>in</strong> der Branche seien<br />

Veränderungen notwendig geworden,<br />

weshalb technische Dienstle<strong>ist</strong>ungen<br />

37


an Masch<strong>in</strong>en und Anlagen, ähnlich<br />

wie beim deutschen Mutterkonzern,<br />

künftig forciert werden sollen, berichtet<br />

Mart<strong>in</strong>a Beimel. „Wir entwickeln<br />

für <strong>die</strong> KundInnen Gesamtlösungspakete,<br />

sodass sie alles aus <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Hand<br />

erhalten.“ Die Stärkung der technischen<br />

Komponente des Unternehmens<br />

werde auch <strong>die</strong> Position im Konzern<br />

verbessern.<br />

Risiken und Chancen im<br />

Zweierteam abstecken<br />

Der Weg zur Geschäftsführer<strong>in</strong> des<br />

auch <strong>in</strong> Osteuropa tätigen Unternehmens<br />

verlief bei den zwei Frauen sehr<br />

unterschiedlich. Gabriele Gailhart hat<br />

sich im zweiten Bildungsweg das notwendige<br />

Know-how im F<strong>in</strong>anzbereich<br />

angeeignet. Sie war <strong>in</strong> unterschiedlichsten<br />

Branchen im kaufmännischen<br />

Bereich tätig. Im Jahr 2000 kam sie zur<br />

DIW, wo sie viere<strong>in</strong>halb Jahre lang <strong>die</strong><br />

kaufmännische Leiter<strong>in</strong> war. „Me<strong>in</strong> Vorgänger<br />

vom deutschen Mutterkonzern<br />

hat mich dann dafür vorgeschlagen,<br />

geme<strong>in</strong>sam mit Frau Beimel <strong>die</strong> österreichische<br />

Gesellschaft zu leiten.“<br />

Das umfassende Aufgabengebiet gefalle<br />

ihr besonders <strong>in</strong> ihrer jetzigen Position.<br />

„Alles, was mit Zahlen zu tun hat,<br />

da b<strong>in</strong> ich <strong>die</strong> Richtige.“ Sie sehe sich<br />

aufgabenbed<strong>in</strong>gt als <strong>die</strong> Vorsichtigere,<br />

<strong>die</strong> ihrer Kolleg<strong>in</strong> <strong>die</strong> Risiken vor Augen<br />

halte, während <strong>die</strong>se ihr <strong>die</strong> Chancen<br />

neuer Projekte näher br<strong>in</strong>gen würde. In<br />

der Zusammenarbeit mit den MitarbeiterInnen<br />

versuche sie <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n menschlichen<br />

Führungsstil umzusetzen. „Ich<br />

glaube, es <strong>ist</strong> wichtig, <strong>die</strong> Menschen <strong>in</strong><br />

s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Umfeld, so zu behandeln, wie<br />

<strong>man</strong> selber auch behandelt werden<br />

will. Mit viel Respekt, Ehrlichkeit und<br />

Offenheit.“<br />

Mart<strong>in</strong>a Beimel hat ihre Erfahrung aus<br />

zehn Jahren Sozialarbeit sowohl privat<br />

als auch beruflich nützen können. „<strong>Es</strong><br />

hat m<strong>e<strong>in</strong>e</strong> E<strong>in</strong>stellung zu Leuten, zu<br />

MitarbeiterInnen verändert, weil ich<br />

e<strong>in</strong> sehr positiv denkender Mensch<br />

geworden b<strong>in</strong> und Flexibilität gelernt<br />

habe.“ Für den Branchenwechsel habe<br />

sie sich bewusst entschieden. Sie hat<br />

1990 im Gebäudere<strong>in</strong>igungsbereich mit<br />

<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Stelle im Sekretariat begonnen,<br />

wo sie sich von der Objektleiter<strong>in</strong>, über<br />

den Vertrieb bis h<strong>in</strong> zur Abteilungsleiter<strong>in</strong><br />

mit Prokura hochgearbeitet<br />

hat. Das Betriebsklima sei jedoch<br />

aufgrund der kritischen E<strong>in</strong>stellung<br />

gegenüber Frauen <strong>in</strong> Führungspositionen<br />

mit mobb<strong>in</strong>gähnlichen Zuständen<br />

zunehmend schlechter geworden. Ich<br />

habe damals gesagt: „Wenn ich k<strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />

zufriedene Mitarbeiter<strong>in</strong> b<strong>in</strong>, macht<br />

es k<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Spaß und ich kann nicht<br />

m<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Mit arbeiterInnen motivieren,<br />

wenn ich selbst demotiviert b<strong>in</strong>.“ Von<br />

der DIW wurde sie damals angesprochen,<br />

im ersten Schritt <strong>die</strong> Leitung<br />

im Bereich Wien zu übernehmen. Die<br />

deutlich spürbare positivere E<strong>in</strong>stellung<br />

gegenüber Frauen <strong>in</strong> Managementfunktionen<br />

war für sie ausschlaggebend,<br />

das Angebot anzunehmen, was sie auch<br />

nicht bereut habe.<br />

Ansteckende Euphorie<br />

Mart<strong>in</strong>a Beimel hat für sich e<strong>in</strong> Lebensmotto:<br />

„Träume nicht De<strong>in</strong> Leben,<br />

sondern lebe D<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Traum.“ Als junges<br />

Mädchen hat sie schon von <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Job<br />

geträumt, bei dem sie viel mit dem<br />

Flugzeug re<strong>ist</strong>, e<strong>in</strong> Meet<strong>in</strong>g dort, <strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />

Besprechung da hat. „Und ich wollte<br />

immer etwas bewegen <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Unternehmen,<br />

ich wollte nicht irgendwo<br />

se<strong>in</strong>, wo ich nur Anweisungen kriege,<br />

sondern ich wollte eigenständig arbeiten<br />

und das, was ich vorschlage, <strong>in</strong> <strong>die</strong><br />

Praxis umsetzen können.“<br />

Ihre Stärken sieht sie <strong>in</strong> der Kommunikation.<br />

Die Kunden hätten ke<strong>in</strong> Problem<br />

damit, dass Ihnen <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Frau gegenüber<br />

sitze, sagt sie. „Wenn Du <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n guten<br />

KundInnenkontakt hast, und wenn Du<br />

weißt, wovon Du sprichst, akzeptieren sie<br />

auch, wenn ich sage: Ich b<strong>in</strong> nicht <strong>die</strong><br />

Techniker<strong>in</strong>, aber wenn es e<strong>in</strong> Problem<br />

gibt, dann schicke ich den Richtigen,<br />

der das Problem löst“.<br />

Neue KundInnen zu gew<strong>in</strong>nen und <strong>die</strong><br />

MitarbeiterInnen zu überzeugen, dass<br />

sie dort <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n guten Job erledigen, mache<br />

ihr besonders Spaß. Für <strong>die</strong> Motivation<br />

der MitarbeiterInnen sei es wichtig,<br />

dass <strong>die</strong>se auch <strong>in</strong> Entscheidungen<br />

mite<strong>in</strong>bezogen würden. Da habe sie viel<br />

von <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m früheren Chef gelernt, der<br />

immer e<strong>in</strong> offenes Ohr für <strong>die</strong> Anliegen<br />

der MitarbeiterInnen hatte.<br />

„Für mich <strong>ist</strong> es e<strong>in</strong> Erfolg, wenn ich<br />

sehe, dass unsere Euphorie wie e<strong>in</strong><br />

Dom<strong>in</strong>o-Effekt auch <strong>die</strong> Mitarbeiter-<br />

Innen ansteckt“, sagt Mart<strong>in</strong>a Beimel.<br />

„Du b<strong>ist</strong> nur so gut wie de<strong>in</strong> ganzes<br />

Team“, fügt Gabriele Gailhart h<strong>in</strong>zu,<br />

<strong>die</strong> sich besonders freut, wenn sie<br />

schwierige Aufgaben geschafft hat und<br />

im Team abschließen kann.<br />

38 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie


Positive E<strong>in</strong>stellung als Basis<br />

Die Freude an der Arbeit verb<strong>in</strong>det <strong>die</strong><br />

beiden Frauen. Gabriele Gailhart me<strong>in</strong>t<br />

sogar: „Wenn ich <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Lotto-Sechser<br />

hätte, würde ich mir wahrsche<strong>in</strong>lich<br />

trotzdem irgend<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Tätigkeit suchen,<br />

weil ich e<strong>in</strong>fach gerne arbeite.“ Dafür<br />

sei <strong>e<strong>in</strong>e</strong> positive Lebense<strong>in</strong>stellung<br />

<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Grundvoraussetzung. Wobei Tiefs<br />

natürlich auch vorkommen, gibt sie zu.<br />

„Krisen gibt‘s immer. Aber wenn <strong>man</strong><br />

wirklich gute FreundInnen hat, mit denen<br />

<strong>man</strong> über solche D<strong>in</strong>ge reden kann,<br />

dann wird‘s immer <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Weg gehen,<br />

damit es weitergeht.“ Die Zusammenarbeit<br />

im Zweierteam erweise sich dabei<br />

als Pluspunkt, weil sie versuchen, sich<br />

gegenseitig positiv aufzubauen, wenn<br />

<strong>e<strong>in</strong>e</strong> e<strong>in</strong>mal schlechter drauf <strong>ist</strong>. Sie<br />

s<strong>in</strong>d auch stolz darauf, dass sie <strong>in</strong> der<br />

Firma <strong>e<strong>in</strong>e</strong> gute Streitkultur etabliert<br />

haben, weil „ja nicht jeden Tag <strong>die</strong><br />

Sonne sche<strong>in</strong>t“. Die MitarbeiterInnen<br />

wissen, dass sie „mit allem, auch mit<br />

privaten Problemen“ zu ihnen kommen<br />

können.<br />

Derzeit leben beide Frauen als S<strong>in</strong>gles,<br />

was sie zum Teil auf <strong>die</strong> Zeit<strong>in</strong>tensität<br />

des Berufs zurückführen, <strong>die</strong> für <strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />

Partnerschaft <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Schwierigkeit darstellen<br />

könne. Wobei sie sich dagegen<br />

verwehren, dass <strong>die</strong>se Lebenssituation<br />

nur mit dem Job zu tun habe. „<strong>Es</strong> gibt<br />

genug Frauen, <strong>die</strong> S<strong>in</strong>gle s<strong>in</strong>d und nicht<br />

<strong>in</strong> unserer Position s<strong>in</strong>d“, stellt Gabriele<br />

Gailhart fest. Ihre Kolleg<strong>in</strong> ärgert sich<br />

darüber, wenn <strong>in</strong> Zeitungen geschrieben<br />

wird, dass Frauen, <strong>die</strong> nach Karriere<br />

streben alle S<strong>in</strong>gles wären. „Oft<br />

kl<strong>in</strong>gt das dann so, dass Karrierefrauen<br />

k<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Männer f<strong>in</strong>den. Ich denke aber,<br />

das lässt sich ganz gut unter <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n<br />

Hut br<strong>in</strong>gen, wenn beide PartnerInnen<br />

Diszipl<strong>in</strong> haben und mite<strong>in</strong>ander <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n<br />

goldenen Mittelweg suchen.“ Diszipl<strong>in</strong>iertes<br />

Arbeiten während der Woche <strong>ist</strong><br />

für beide <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Selbstverständlichkeit.<br />

Wobei Mart<strong>in</strong>a Beimel betont, dass es<br />

„Erfolg <strong>ist</strong> für mich nicht<br />

f<strong>in</strong>anziell, sondern e<strong>in</strong>fach <strong>die</strong><br />

Genugtuung, dass <strong>man</strong> etwas<br />

mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m guten Gefühl wirklich<br />

gut fertig gebracht hat.“<br />

für sie „nie <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Belastung <strong>ist</strong>, weil ich<br />

es eben gern mache“. In der Freizeit<br />

malt sie gerne, genießt es <strong>in</strong> der Stadt<br />

spazieren zu gehen, sich <strong>die</strong> Auslagen<br />

anzuschauen oder <strong>in</strong> ihrem Garten<br />

Unkraut zu zupfen. Gabriele Gailhart<br />

sucht Erholung am Golfplatz, auf<br />

Reisen oder <strong>in</strong> geme<strong>in</strong>samen Unternehmungen<br />

mit FreundInnen. Seit kurzem<br />

hat sie das Salsa-Tanzen für sich entdeckt,<br />

aus dem sie „viel Kraft schöpfen“<br />

kann. Die Empfehlung der beiden<br />

Frauen für Berufse<strong>in</strong>steiger<strong>in</strong>nen: „Ja<br />

nicht aufgeben, sich immer wieder<br />

weiterbilden, mit anderen Frauen<br />

sprechen, <strong>die</strong> viele Jahre Praxis haben,<br />

Kontakte pflegen und immer positiv an<br />

den nächsten Schritt denken.“<br />

39


Sab<strong>in</strong>e Grupe<br />

Interview: Teresa Arrieta | März 2007<br />

„Ich möchte Wissenschaft und Kunst verb<strong>in</strong>den“<br />

Fotos: Kathar<strong>in</strong>a Gossow<br />

40 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie


E<strong>in</strong> Menschenleben <strong>ist</strong> e<strong>in</strong><br />

Augenklick der Zeit<br />

Die Geolog<strong>in</strong> Sab<strong>in</strong>e Grupe <strong>ist</strong> auf<br />

den Untergrund von Wien spezialisiert<br />

und hat e<strong>in</strong> lichtästhetisches<br />

Verfahren an der Schnittstelle<br />

zwischen Wissenschaft und Kunst<br />

erfunden.<br />

„Im Grunde <strong>ist</strong> immer Geologie“, steht<br />

neben Sab<strong>in</strong>e Grupes Email-Signatur:<br />

E<strong>in</strong> Liebesbekenntnis für ihr Fach, denn<br />

<strong>die</strong> ausgebildete Petrolog<strong>in</strong> bege<strong>ist</strong>ert<br />

Ausbildung:<br />

Studium der Petrologie,<br />

Universität Wien<br />

Position:<br />

Fachbereichsleiter<strong>in</strong> Geologie<br />

<strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Ingenieurbüro<br />

Wissenschaftsdiszipl<strong>in</strong>:<br />

Geologie<br />

sich dafür zu wissen, auf welchen Gest<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n<br />

Wien steht. Wo und <strong>in</strong> welcher<br />

Tiefe bef<strong>in</strong>den sich miozäne Schluffe<br />

und Tone, ple<strong>ist</strong>ozäne Kiese und<br />

Sande, rezente Sedimente? Wo gibt<br />

es tektonische Störungen? Wie hoch<br />

liegt der Grundwasserstand? „Wenn<br />

ich über den Stephansplatz gehe, weiß<br />

ich, wie es unter mir aussieht“, so <strong>die</strong><br />

Geste<strong>in</strong>sexpert<strong>in</strong> über ihre Leidenschaft<br />

fürs Unterirdische. „Der Untergrund <strong>ist</strong><br />

immer präsent <strong>in</strong> m<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Bewusstse<strong>in</strong>.“<br />

Im Rahmen ihrer wissenschaftlichen<br />

Tätigkeit <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Ingenieurbüro<br />

hat sie sich auf den geologischen<br />

Aufbau der Stadt spezialisiert. Dieses<br />

Wissen <strong>die</strong>nt als Planungsgrundlage für<br />

<strong>e<strong>in</strong>e</strong> unter der Erde liegende, viel fältige<br />

Welt: Leitungen und Schächte für<br />

Wasser, Abwasser, Strom, Information<br />

und Transport. Ke<strong>in</strong> alltäglicher Beruf<br />

und k<strong>e<strong>in</strong>e</strong> alltägliche Leidenschaft,<br />

<strong>die</strong> Sab<strong>in</strong>e Grupe da beschreibt, aber<br />

sie <strong>ist</strong> auch k<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Frau, der <strong>man</strong> alle<br />

Tage begegnet: Eleganz mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m<br />

Hauch Exzentrik, Herzlichkeit und<br />

<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r besonderen Formulierungsgabe:<br />

schonungslos, analytisch und poetisch<br />

41


- <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Gedankenwelt, <strong>die</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> Tiefe<br />

geht, <strong>die</strong> kilometerdicke Geste<strong>in</strong>sschichten<br />

und unendlich langsame<br />

Zeitabläufe durchdr<strong>in</strong>gt.<br />

Der Zauber der St<strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />

Die Sedimente im Untergrund von Wien<br />

s<strong>in</strong>d an <strong>die</strong> fünf Millionen Jahre alt,<br />

erklärt <strong>die</strong> Geolog<strong>in</strong>. Immer noch e<strong>in</strong><br />

Säugl<strong>in</strong>gsalter angesichts der kanadischen<br />

Fundamente, <strong>die</strong> mit methusalemschen<br />

Dimensionen von bis zu vier<br />

Milliarden Jahren aufwarten können,<br />

fügt sie h<strong>in</strong>zu. Angesichts solcher<br />

Dimensionen hat sich ihr Zeitempf<strong>in</strong>den<br />

radikal verändert: „E<strong>in</strong> Menschenleben<br />

<strong>ist</strong> nur e<strong>in</strong> Augenklick der Zeit.“ Dem<br />

Zauber der St<strong>e<strong>in</strong>e</strong> war Grupe bereits<br />

als K<strong>in</strong>d erlegen, wo sie Kiesel sammelte,<br />

um sie zu berühren und deren<br />

Strukturen zu bestaunen. Begonnen hat<br />

<strong>die</strong> gebürtige Deutsche ihre berufliche<br />

Laufbahn <strong>in</strong> Bochum, wo sie sich zur<br />

geowissenschaftlichen Präparator<strong>in</strong><br />

ausbilden ließ und Edelst<strong>e<strong>in</strong>e</strong> bestimmen<br />

lernte. 1982/83 g<strong>in</strong>g sie nach Sri<br />

Lanka, um dort für <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n M<strong>in</strong>eralogen<br />

Edelst<strong>e<strong>in</strong>e</strong> zu kaufen und Expertisen zu<br />

erstellen. Doch schon damals hatte sie<br />

wenig Beziehung zum Glitzernden und<br />

Vordergründigen – sie fühlte sich mehr<br />

zu den grauen St<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n h<strong>in</strong>gezogen,<br />

denn <strong>die</strong>se seien „e<strong>in</strong> Archiv, aus dem<br />

<strong>man</strong> lesen kann.“ Die buddh<strong>ist</strong>ische<br />

Kultur von Sri Lanka bee<strong>in</strong>druckte sie<br />

zutiefst, doch als 1983 der Bürgerkrieg<br />

ausbrach, begab sie sich auf der Suche<br />

nach <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m „sicheren Land“ nach<br />

Österreich. Denn hier gibt es noch „Zeit<br />

für Höflichkeit“ wie Grupe fand, außerdem<br />

funktioniere <strong>die</strong> Infrastruktur. Der<br />

Hochwasserschutz sei beispielsweise<br />

auf e<strong>in</strong> 10.000jähriges Hochwasser (e<strong>in</strong><br />

Hochwasser, wie es im Durchschnitt<br />

nur alle 10.000 Jahre vorkommt)<br />

dimensioniert, me<strong>in</strong>t <strong>die</strong> Untergrundexpert<strong>in</strong>.<br />

Noch im selben Jahr <strong>in</strong>skribierte<br />

sie Petrologie an der Universität Wien,<br />

e<strong>in</strong> AußenseiterInnenfach, wo <strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />

Handvoll Stu<strong>die</strong>render von mehreren<br />

ProfessorInnen <strong>in</strong> familiärer Atmosphäre<br />

betreut wird. Sab<strong>in</strong>e Grupe hatte<br />

besonderen Spaß an den Geste<strong>in</strong>sdünnschliffen,<br />

<strong>in</strong> <strong>die</strong> sie sich mithilfe der<br />

Polarisations-Mikroskopie vertiefte.<br />

Lichtästhetische Erf<strong>in</strong>dung<br />

Im Rahmen <strong>die</strong>ser Arbeit entstand auch<br />

ihr Patent: Sie ersetzte <strong>die</strong> Geste<strong>in</strong>sdünnschliffe<br />

durch doppelbrechende,<br />

verschiedenartig bearbeitete Folien und<br />

übertrug sie mittels <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s adaptierten<br />

Diaprojektors als Licht<strong>in</strong>stallation<br />

an <strong>die</strong> Wand. Die KollegInnen waren<br />

bege<strong>ist</strong>ert von den so entstehenden<br />

psychedelischen Mustern und Farbstrukturen<br />

und ermutigten Grupe zur<br />

Patentierung <strong>die</strong>ses <strong>in</strong>novativen, lichtästhetischen<br />

Verfahrens. 1990 erhielt<br />

sie am österreichischen Patentamt den<br />

Zuschlag für „Optische Eigenschaften<br />

42 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie


anisotroper Materialien als Mittel zur<br />

bildnerischen Gestaltung“, e<strong>in</strong>setzbar<br />

für „Foto- und Bühnenbildtechnik als<br />

Licht<strong>in</strong>stallation bei Produktwerbung,<br />

Video und Film“. Die solchermaßen entstandene<br />

Schnittstelle zwischen Kunst<br />

und Wissenschaft verfolgte Sab<strong>in</strong>e Grupe<br />

auch weiterh<strong>in</strong>: Nachdem sie später<br />

<strong>e<strong>in</strong>e</strong> technische Berufslaufbahn <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m<br />

Ingenieurbüro e<strong>in</strong>geschlagen hatte,<br />

beteiligte sie sich immer wieder an<br />

künstlerischen Projekten wie Hörspielen<br />

oder Kunst<strong>in</strong>stallationen. Ihr Patent<br />

verschwand jedoch für <strong>die</strong> kommenden<br />

fünfzehn Jahre <strong>in</strong> der Schublade, denn<br />

<strong>die</strong> Geste<strong>in</strong>sexpert<strong>in</strong> bege<strong>ist</strong>erte sich<br />

anfangs wenig für <strong>die</strong> quietschigen Farben<br />

und psychedelischen Muster ihrer<br />

Erf<strong>in</strong>dung. Sie änderte ihre Me<strong>in</strong>ung im<br />

Jahre 2006, als <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Ausstellung <strong>in</strong> der<br />

Wiener Kunsthalle zur psychedelischen<br />

Kunst und Kultur der Siebziger ihre Lust<br />

an rauschartigen Farbstrukturen neu<br />

erweckte. Prompt brachte Sab<strong>in</strong>e Grupe<br />

ihre Erf<strong>in</strong>dung, deren Patent zwischen-<br />

zeitlich ausgelaufen war, im Rahmen<br />

<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Kunstausstellung zum E<strong>in</strong>satz, wo<br />

sie ihre polarisationsoptischen Muster<br />

auf das Objekt <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s bildenden Künstlers<br />

projizierte.<br />

Widerständen mit Heiterkeit<br />

begegnen<br />

Über ihre Erfahrungen abseits der<br />

Kunst, im beruflichen Kontext, <strong>in</strong><br />

Zusammenarbeit mit Techniker Innen<br />

möchte sie nur soviel sagen „Ich<br />

b<strong>in</strong> k<strong>e<strong>in</strong>e</strong> nett Lächelnde, ich spiele<br />

nie<strong>man</strong>dem den Bewunderungszwerg,<br />

sondern denke quer und sage m<strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />

Me<strong>in</strong>ung klar und offen.“ E<strong>in</strong>e Haltung,<br />

<strong>die</strong> ihr nicht immer gut bekommt, denn<br />

gerade unter TechnikerInnen sei <strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />

„schwache, irritierte Männlichkeit“<br />

verbreitet. Für <strong>die</strong>se stellen erfolg reiche<br />

Frauen <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Gefahr dar, wie Sab<strong>in</strong>e<br />

Grupe mitunter erlebt hat: „Frause<strong>in</strong><br />

„Frauen s<strong>in</strong>d geradl<strong>in</strong>ig,<br />

sie h<strong>in</strong>terfragen und<br />

setzen auf Kompetenz.<br />

Sie s<strong>in</strong>d gute Netzwerker<strong>in</strong>nen.“<br />

<strong>ist</strong> e<strong>in</strong> großes Karriereh<strong>in</strong>dernis, denn<br />

Frauen s<strong>in</strong>d <strong>die</strong> Störung der männlichen<br />

Übere<strong>in</strong>kunft.“ Strukturelle<br />

Gewalt an Frauen sei heute nach wie<br />

vor gesellschaftlich akzeptiert, so das<br />

Fazit der Geste<strong>in</strong>sexpert<strong>in</strong>. Trotzdem <strong>ist</strong><br />

ihr Freude im Job wichtig: Ihr primäres<br />

Motto <strong>in</strong> schwierigen Zeiten: „Immer<br />

heiter bleiben und nicht zitronengesichtig<br />

werden.“ Sie vermag auch negative<br />

Erfahrungen als Bereicherung zu<br />

sehen, denn daraus sei viel zu lernen:<br />

Etwa, wie wichtig „faire und transparente<br />

Kommunikation <strong>ist</strong> und wie <strong>man</strong><br />

Menschen motivieren kann, anstatt<br />

Druck auf sie auszuüben.“<br />

43


Beate Guschal<br />

Interview: Teresa Arrieta | Juli 2006<br />

„Technische Probleme s<strong>in</strong>d total fasz<strong>in</strong>ierend“<br />

Fotos: Nora Friedel<br />

44 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie


„Technik <strong>ist</strong> fun“<br />

Die Masch<strong>in</strong>enbau<strong>in</strong>genieur<strong>in</strong> Beate<br />

Guschal <strong>ist</strong> „technische Detektiv<strong>in</strong>“<br />

bei General Motors Powertra<strong>in</strong> -<br />

Austria, war TechWo<strong>man</strong> of the year,<br />

lässt sich aus Leidenschaft für Problemlösungen<br />

unbeschwert Kühlmittel<br />

<strong>in</strong> <strong>die</strong> Designerbluse r<strong>in</strong>nen und<br />

beherrscht weibliche und männliche<br />

Spielarten gleichermaßen.<br />

„Die Kompetenz macht es aus“ me<strong>in</strong>t<br />

Beate Guschal, <strong>die</strong> <strong>in</strong>nerhalb kürzester<br />

Zeit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n kometenhaften Erfolgsstart<br />

Ausbildung:<br />

HTL, Masch<strong>in</strong>enbaustudium,<br />

Red X Strategy Master<br />

Position:<br />

Technische Manager<strong>in</strong><br />

bei General Motors<br />

Wissenschaftsdiszipl<strong>in</strong>:<br />

Kraftfahrzeugtechnik<br />

bei General Motors h<strong>in</strong>gelegt hat: Vier<br />

Monate nach ihrem Firmene<strong>in</strong>stieg im<br />

Jahre 2000 wurde sie <strong>in</strong> e<strong>in</strong> außergewöhnliches<br />

Ausbildungsprogramm<br />

zur „Red X-Master<strong>in</strong>“ gesteckt: Was<br />

nach Raumschiff Enterprise kl<strong>in</strong>gt <strong>ist</strong><br />

<strong>in</strong> Wirklichkeit e<strong>in</strong> <strong>in</strong> den USA vor über<br />

sechzig Jahren entwickeltes ausgeklügeltes<br />

Verfahren zur technischen<br />

Problemlösung.<br />

<strong>Es</strong> wird angewendet, wenn beispielsweise<br />

Anfahr-Verzögerungen bei <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m<br />

soeben fertig gestellten Autogetriebe<br />

auftreten. Das System <strong>ist</strong> - anders als<br />

vergleichbare Verfahren - auf statis-<br />

tischen Methoden aufgebaut, <strong>die</strong><br />

strategisches Denken und Kreativität<br />

erfordern. Für Europa entwickelte<br />

General Motors e<strong>in</strong> eigenes Red X<br />

Programm, das seit dem Jahr 2000 <strong>in</strong><br />

europäischen GM Powertra<strong>in</strong> Werken<br />

e<strong>in</strong>geführt wurde. Beate Guschal <strong>ist</strong> der<br />

erste weibliche „Red X Strategy Master“<br />

<strong>in</strong> Europa und <strong>in</strong> <strong>die</strong>ser Funktion für<br />

alle GM Powertra<strong>in</strong> Werke <strong>in</strong> Europa<br />

zuständig. Nichts f<strong>in</strong>det sie fasz<strong>in</strong>ierender,<br />

als herauszubekommen, warum<br />

etwa e<strong>in</strong> Motorenteil „e<strong>in</strong> schleifendes<br />

Geräusch“ produziert und deswegen<br />

ausgesondert werden muss.<br />

45


Berufung zum Beruf machen<br />

Gleich <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Detektiv tastet sie sich<br />

nach dem Ausschlussverfahren mittels<br />

stat<strong>ist</strong>ischer Beweise an <strong>die</strong> Lösung<br />

heran, <strong>man</strong>che <strong>die</strong>ser technischen<br />

Rätsel verfolgen sie über Monate. Auf<br />

ihren Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsunterlagen <strong>ist</strong> folgerichtig<br />

Sherlock Holmes abgebildet.<br />

Doch nicht nur das Brüten über kniffligen<br />

Problemen bege<strong>ist</strong>ert sie, sondern<br />

sie legt auch gerne selbst Hand an.<br />

Dabei würden zierliche Statur und<br />

Seidenbluse nie erahnen lassen, dass<br />

sie am liebsten draußen im Werk vor<br />

den wuchtigen Masch<strong>in</strong>en steht und<br />

sich eigenhändig <strong>in</strong> <strong>die</strong> E<strong>in</strong>geweide der<br />

Motoren vertieft, um deren Geheimnisse<br />

zu ergründen. E<strong>in</strong> Kollege habe<br />

ihr unlängst gestanden: „Beate, ich<br />

werd´ nie vergessen, wie dir das Kühlmittel<br />

<strong>in</strong>s Hemd läuft und du bege<strong>ist</strong>ert<br />

rufst: Da schau her, der Kühlschlauch<br />

liegt falsch!“ Dabei hat es e<strong>in</strong>ige Jahre<br />

gebraucht, bis sie ihre wahre Berufung<br />

entdeckte: Nach dem Masch<strong>in</strong>enbaustudium<br />

arbeitete sie zuerst<br />

als technische E<strong>in</strong>käufer<strong>in</strong>, hernach<br />

<strong>in</strong> der Qualitätsabteilung der für ihre<br />

Kunststoffp<strong>ist</strong>olen bekannten Firma<br />

Glock. Nach vier Jahren wollte sie sich<br />

verändern. Seit dem Engagement als<br />

Technikdetektiv<strong>in</strong> bei General Motors<br />

Powertra<strong>in</strong> - Austria weiß sie: „Das <strong>ist</strong><br />

wirklich m<strong>e<strong>in</strong>e</strong>s“.<br />

Technik bedeutet Spaß<br />

Ihr Engagement f<strong>in</strong>det Anerkennung:<br />

In der Zwischenzeit bildet <strong>die</strong> Inge nieur<strong>in</strong><br />

firmen<strong>in</strong>tern neue Master aus,<br />

<strong>die</strong> dann <strong>in</strong> ihren jeweiligen Werken so<br />

wie sie technische Rätsel auf hohem<br />

Niveau knacken („Diesen Coach-Job<br />

hab ich, obwohl ich <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Frau b<strong>in</strong>,<br />

völlig problemlos bekommen.“). Auch<br />

<strong>die</strong> Auszeichnung zur „TechWo<strong>man</strong><br />

of the year“ im vergangenen Jahr hat<br />

sie riesig gefreut. Der im Rahmen des<br />

österreichischen Automationspreises<br />

„Leonardo Award“ ausgeschriebene<br />

Sonderpreis soll Frauen <strong>in</strong> technischen<br />

Berufen <strong>in</strong>s Rampenlicht stellen. Die<br />

Besonderheit dabei <strong>ist</strong>, dass <strong>man</strong> dafür<br />

nicht e<strong>in</strong> reichen kann, sondern frau<br />

dafür nom<strong>in</strong>iert werden muss. Das wichtigste<br />

sei der Spaß bei der Arbeit, so<br />

Beate Guschal über <strong>die</strong> Voraussetzun-<br />

gen für ihre rasche Karriere, e<strong>in</strong> „Spaß“,<br />

der wohl nur für e<strong>in</strong>geschworene<br />

Technik-Freaks nachvollziehbar <strong>ist</strong>: E<strong>in</strong><br />

US-Kollege habe ihr unlängst bei <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m<br />

Sem<strong>in</strong>ar zwischen Algorythmus tabelle<br />

und Analyseteilen <strong>in</strong> <strong>die</strong> Augen geblickt:<br />

„Isn´t it fun?“ hat er gefragt. „Correct,<br />

it´s fun!“ hat sie geantwortet.<br />

Ruppig und e<strong>in</strong>fühlsam<br />

Akzeptanzprobleme hat <strong>die</strong> 35 jährige,<br />

<strong>die</strong> sich seit der HTL Zeit nur <strong>in</strong><br />

Männerwelten bewegte, nie gehabt:<br />

Männliche Kommunikationsformen hat<br />

46 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie


„Frauen müssen sich mehr beweisen: Man wird schon kritischer beobachtet als e<strong>in</strong> Mann.“<br />

sie sich als K<strong>in</strong>d („Ich geb´s zu, ich hab<br />

am liebsten mit Barbies gespielt“) mit<br />

ihren beiden Brüdern angeeignet, heute<br />

beherrscht sie weibliche und männliche<br />

Spielarten. So habe sie im Laufe der<br />

Zeit gelernt, im Job „Jungs, es mieft“<br />

zu sagen, wenn sie <strong>die</strong> Fenster öffnen<br />

will und sie könne auch laut fluchen.<br />

Ne<strong>in</strong>, zu den sensibelsten Frauen zähle<br />

sie wohl nicht. Trotzdem br<strong>in</strong>gt sie<br />

weibliches E<strong>in</strong>fühlungsvermögen mit,<br />

wenn sich etwa <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r ihrer Sem<strong>in</strong>ar-<br />

teilnehmer mit dem H<strong>in</strong>weis auf den<br />

Geburtsterm<strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Frau entschuldigen<br />

lässt. Ganz überrascht sei der<br />

Betreffende gewesen, als Guschal sich<br />

verständnisvoll gezeigt habe: „Nicht<br />

alle verstehen, dass ich mir da frei<br />

nehmen muss“, habe er ihr gestanden.<br />

Auch als Lehrende <strong>ist</strong> sie als Frau stets<br />

auf positives Echo gestoßen, denn <strong>in</strong><br />

männlichen Ingenieurswelten zählt vor<br />

allem Qualifikation, wie sie immer wieder<br />

erlebt. Die Überraschung, wenn sie<br />

bei <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Sem<strong>in</strong>ar als „Red X Master“<br />

den Raum betritt, löst sich rasch auf,<br />

sobald sie <strong>in</strong> medias res geht. „Sie s<strong>in</strong>d<br />

der Master?“ wundert sich so <strong>man</strong>che<br />

Teilnehmer<strong>in</strong> und <strong>man</strong>cher Teilnehmer<br />

anfangs. Spätestens nach <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r halben<br />

Stunde Fachsimpeln <strong>ist</strong> jedoch jedem<br />

klar, dass sie der Master <strong>ist</strong>.<br />

47


Vera Hammer<br />

Interview: Teresa Arrieta | Oktober 2006<br />

„Wer heute <strong>die</strong> Karriereleiter hoch klimmen will,<br />

braucht gutes Teamwork.“<br />

Fotos: Nora Friedel<br />

48 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie


Hüter<strong>in</strong> der Schätze<br />

Die M<strong>in</strong>eralog<strong>in</strong> Vera Hammer <strong>ist</strong><br />

im Naturh<strong>ist</strong>orischen Museum Wien<br />

Kustod<strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r der größten M<strong>in</strong>eralien-<br />

und Edelste<strong>in</strong>sammlungen<br />

Europas. Sie umschifft verst<strong>e<strong>in</strong>e</strong>rte<br />

Hierarchien und sieht <strong>die</strong> f<strong>in</strong>anzielle<br />

Museumszukunft skeptisch.<br />

Vera Hammer liebt ihren Job, steht<br />

jedoch den aktuellen Entwicklungen der<br />

ehemaligen Bundesmuseen zwiespältig<br />

gegenüber. Durch <strong>die</strong> Vollrechtsfähigkeit<br />

werden <strong>die</strong>se zwar zu mehr<br />

Ausbildung:<br />

Studium der M<strong>in</strong>eralogie und<br />

Kr<strong>ist</strong>allographie Universität Wien<br />

Position:<br />

Leiter<strong>in</strong> der M<strong>in</strong>eraliensammlung und<br />

des staatlichen Edelste<strong>in</strong><strong>in</strong>stituts<br />

Wissenschaftsdiszipl<strong>in</strong>:<br />

M<strong>in</strong>eralogie<br />

Wirtschaftlichkeit h<strong>in</strong>geführt, andererseits<br />

aber sei e<strong>in</strong> Museum doch ke<strong>in</strong><br />

Gewerbebetrieb: „Dieses Haus <strong>ist</strong> vom<br />

Konzept her e<strong>in</strong> Ort zum Forschen,<br />

Bewahren und Sammeln“, erklärt <strong>die</strong><br />

St<strong>e<strong>in</strong>e</strong>xpert<strong>in</strong> und aus jedem Wort<br />

kl<strong>in</strong>gt Leidenschaft für ihre Aufgabe.<br />

„Wir s<strong>in</strong>d AnsprechpartnerInnen für<br />

Schulen und für <strong>die</strong> naturwissenschaftlich<br />

<strong>in</strong>teressierte Öffentlichkeit“.<br />

WissenschaftlerInnen seien sie, k<strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />

ManagerInnen. „Sollen <strong>die</strong> BotanikerInnen<br />

jetzt selbst gesammelte<br />

Kräutertees verkaufen?“ beschreibt <strong>die</strong><br />

Widerspenstige den schwierigen Spagat<br />

zwischen Wirtschaft und Forschung.<br />

Groß gewachsen und selbstbewusst <strong>ist</strong><br />

sie und mitunter recht verzweifelt über<br />

<strong>die</strong> derzeitige Situation: Jahrzehnte<br />

alte Analysegeräte, e<strong>in</strong> sehr knappes<br />

Budget für Neuankäufe, „Verhältnisse,<br />

<strong>die</strong> wir vor weniger als zwanzig Jahren<br />

im Ostblock noch belächelt haben“<br />

würden derzeit im Haus herrschen,<br />

und Hierarchien wie zu Kaisers Zeiten.<br />

Aber Vera Hammer kämpft wie <strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />

Löw<strong>in</strong>, um <strong>die</strong> f<strong>in</strong>anzielle Situation mit<br />

viel Eigen <strong>in</strong>itiative zu verbessern und<br />

trachtet danach, für ihre Abteilung<br />

neue F<strong>in</strong>anzierungswege zu erschließen.<br />

49


Verw<strong>in</strong>kelte Wege<br />

Die Edelste<strong>in</strong>liebhaber<strong>in</strong> hat immer<br />

schon gewusst, dass sie M<strong>in</strong>eralog<strong>in</strong><br />

werden möchte. St<strong>e<strong>in</strong>e</strong> waren <strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />

Leidenschaft von K<strong>in</strong>dheit an: Formen<br />

und Farben bestaunen, <strong>die</strong> Geheimnisse<br />

der Herkunft durchdr<strong>in</strong>gen, berühren,<br />

begreifen, beschauen. Später, während<br />

des M<strong>in</strong>eralogie-Studiums, war davon<br />

k<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Rede mehr: Erst nach vielen<br />

Büffelsemestern durfte <strong>man</strong> den ersten<br />

Ste<strong>in</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> Hand nehmen. Endlos lange<br />

Praktikumszeiten, nach vier Versuchen<br />

als Draufgabe noch <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Fünften, das<br />

gebe es seit der neuen Stu<strong>die</strong>nordnung<br />

Gott sei Dank nicht mehr. Trotzdem<br />

er<strong>in</strong>nert sie sich gern an <strong>die</strong> Stu<strong>die</strong>nzeit,<br />

mit den Kolleg<strong>in</strong>nen und Kollegen<br />

war es immer lustig. Das M<strong>in</strong>eralogische<br />

Institut auf der alten Uni am R<strong>in</strong>g<br />

bildete <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n überschaubaren, fast<br />

privaten Rahmen.<br />

E<strong>in</strong>e Hand voll Stu<strong>die</strong>nanfängerInnen,<br />

über Jahre h<strong>in</strong>durch im selben Raum,<br />

fast alles habe <strong>man</strong> vone<strong>in</strong>ander gewusst.<br />

Als Stu<strong>die</strong>nass<strong>ist</strong>ent<strong>in</strong> konnte sie<br />

sich f<strong>in</strong>anziell über Wasser halten, auch<br />

wenn es gerade für <strong>die</strong> Miete reichte.<br />

Nach dem Studium folgte <strong>e<strong>in</strong>e</strong> wechselvolle<br />

Zeit: Halbtags an der Uni, halbtags<br />

an der Forschungsanstalt Arsenal.<br />

E<strong>in</strong> junges ErdwissenschafterInnenteam,<br />

das dort neue Analysegeräte und<br />

Bestimmungsmethoden erprobte, <strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />

fidele Messkolonne waren sie, „der<br />

Schmäh <strong>ist</strong> gelaufen“, gearbeitet wurde<br />

trotzdem viel. Bis auf den miserablen<br />

Arbeitsvertrag war es „<strong>e<strong>in</strong>e</strong> sehr positive<br />

Zeit <strong>in</strong> m<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Leben.“ Unverhofft<br />

ergatterte sie dann den Traumjob am<br />

Naturh<strong>ist</strong>orischen Museum, <strong>in</strong> dem<br />

sie es sich seit nun schon vierzehn<br />

Jahren e<strong>in</strong>gerichtet hat wie <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m<br />

zweiten Zuhause. Der Weg zu ihr führt<br />

über breite Marmorstufen, verw<strong>in</strong>kelte<br />

Gänge und schwere Flügeltüren, bis der<br />

Besucher <strong>in</strong> Vera Hammers Schneckenhaus<br />

vorgedrungen <strong>ist</strong>.<br />

Geheimes Reich<br />

Die Wände entlang stapeln sich Laden<br />

über Laden, Regale und Schränke bis an<br />

<strong>die</strong> Decke, Angefülltes, E<strong>in</strong>geordnetes,<br />

Etikettiertes: „Ich b<strong>in</strong> sehr genau, sonst<br />

könnte ich den Job nicht machen“ -<br />

immerh<strong>in</strong> bewahrt Vera Hammer <strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />

der größten M<strong>in</strong>eraliensammlungen der<br />

Welt. Ihr Arbeitsplatz <strong>ist</strong> e<strong>in</strong> drunter<br />

und drüber von Schachteln, Büchern<br />

und Mikroskopen. Am Fensterbrett liegt<br />

der GeologInnenhammer samt selbst<br />

herausgehauenen Geste<strong>in</strong>sproben, Trophäen<br />

der letzten Pak<strong>ist</strong>an Reise. Seit<br />

Monaten warten <strong>die</strong> neuen Schätze auf<br />

Benennung und E<strong>in</strong>ordnung.<br />

„Viel Staub und viel Arbeit“ kündigte<br />

<strong>man</strong> ihr an, als sie ihre Karriere hier<br />

begann, und das hat sich auch bewahrheitet.<br />

Die riesige Sammlung wird<br />

ständig ergänzt, Belegmaterial gekauft<br />

oder auch selbst gesammelt, und<br />

e<strong>in</strong>iges bekommt das Haus ja auch geschenkt.<br />

Viele M<strong>in</strong>eraliensammlerInnen<br />

suchen <strong>die</strong> Geste<strong>in</strong>sspezial<strong>ist</strong><strong>in</strong> auf, um<br />

ihre Funde bestimmen zu lassen. E<strong>in</strong><br />

Service, von dem beide profitieren. „Wir<br />

sehen <strong>die</strong> Neufunde, und der M<strong>in</strong>eraliensammler<br />

oder <strong>die</strong> M<strong>in</strong>eralsammler<strong>in</strong><br />

bekommt Fach<strong>in</strong>formation“, erklärt sie<br />

den Deal, oft bleibt dafür e<strong>in</strong> respektables<br />

Belegstück <strong>in</strong> der Sammlung.<br />

Weibliche Offenheit<br />

Gute KundInnen s<strong>in</strong>d auch diverse<br />

M<strong>in</strong>eralien- und Edelste<strong>in</strong>händler Innen,<br />

<strong>die</strong> aus der ganzen Welt kommen<br />

und sich ihr Material im staatlichen<br />

Edelste<strong>in</strong><strong>in</strong>stitut bestimmen lassen.<br />

Ist e<strong>in</strong> Edelste<strong>in</strong> echt oder falsch? Ist<br />

er behandelt oder zeigt er natürliche<br />

Farbe? Aufgrund der gut sortierten<br />

Vergleichssammlung werden solche<br />

Fragen kompetent beantwortet: „Wir<br />

können unsere Sammlungen wie <strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />

Bibliothek benutzen, nachschlagen,<br />

ver gleichen...“ Doch <strong>die</strong> M<strong>in</strong>eralog<strong>in</strong><br />

vergräbt sich nicht nur <strong>in</strong> St<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n,<br />

sondern geht auch gerne an <strong>die</strong><br />

Öffentlichkeit: Sie pflegt <strong>die</strong> Kontakte<br />

mit SammlerInnen, hat zahlreiche<br />

Vorstandsfunktionen bei Fachver<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n,<br />

hält Vorträge und leitet Exkursionsfahrten<br />

für e<strong>in</strong> <strong>in</strong>teressiertes Publikum.<br />

Die vielen St<strong>e<strong>in</strong>e</strong>, <strong>die</strong> am Weg von Vera<br />

Hammer lagen, waren auch St<strong>e<strong>in</strong>e</strong> <strong>in</strong><br />

ihrer Karriereleiter. Kommendes Jahr<br />

avanciert sie zur Leiter<strong>in</strong> der M<strong>in</strong>eralien-<br />

und Edelste<strong>in</strong>sammlung im<br />

Haus am R<strong>in</strong>g. Nie möchte sie ihren<br />

Traumjob hergeben, denn so kann sie<br />

ihrer Leidenschaft für Edelst<strong>e<strong>in</strong>e</strong> und M<strong>in</strong>eralien<br />

ungeh<strong>in</strong>dert nachgehen: „Was<br />

mich irrs<strong>in</strong>nig beruhigt: Ich kann hier<br />

sammeln und muss das nicht wie viele<br />

andere <strong>in</strong> m<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r eigenen Wohnung<br />

unterbr<strong>in</strong>gen.“<br />

50 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie


„Ich b<strong>in</strong> halt <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Bewahrer<strong>in</strong>.“<br />

51


Selma Hansal<br />

Interview: Teresa Arrieta | April 2007<br />

„Selbstbestimmung <strong>ist</strong> m<strong>e<strong>in</strong>e</strong> wichtigste Triebfeder.<br />

Als Frau möchte ich mich nicht <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Richtung<br />

drängen lassen.“<br />

Fotos: Nora Friedel<br />

52 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie


Sprechen reißt <strong>die</strong> Mauern<br />

nieder<br />

Die Galvanotechniker<strong>in</strong> Selma Hansal<br />

hat <strong>die</strong> Galvanik vom alchem<strong>ist</strong>ischen<br />

Gebräu zum High Tech Verfahren erhoben,<br />

beliefert mit ihrer neuen Technik<br />

auch <strong>die</strong> Weltraumforschung und<br />

darf nun sogar als Frau Expert<strong>in</strong> se<strong>in</strong>.<br />

E<strong>in</strong> Labor voller Computer, Elektrokästen<br />

und kl<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Wannen aus Kunststoff,<br />

gefüllt mit bunten Flüssigkeiten:<br />

Grau, rot, grün, blau. Die chemischen<br />

Dünste s<strong>in</strong>d unüberriechbar,<br />

Ausbildung:<br />

Studium der Physikalischen Chemie,<br />

Universität Wien<br />

Position:<br />

Mitbegründer<strong>in</strong> von<br />

„Happy Plat<strong>in</strong>g“, 2004<br />

Branche:<br />

Chemische Industrie<br />

es plätschert, blubbert und brummt.<br />

Menschen im weißen Mantel hantieren<br />

mit Metall- und Kunststoffteilen,<br />

<strong>die</strong> masch<strong>in</strong>ell <strong>in</strong> <strong>die</strong> farbigen Bäder<br />

getaucht werden. Wir bef<strong>in</strong>den uns <strong>in</strong><br />

<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Labor für Galvanotechnik, dem<br />

Herzstück der Firma Happy Plat<strong>in</strong>g im<br />

niederösterreichischen Berndorf. Selma<br />

Hansal, Firmengründer<strong>in</strong> im weißen<br />

Mantel, <strong>ist</strong> ganz <strong>in</strong> ihrem Element und<br />

führt zwischen surrenden High-Tech<br />

Geräten herum. Gemütlich, ruhig und<br />

Vertrauen erweckend, <strong>e<strong>in</strong>e</strong> von ihrem<br />

Fach Durchdrungene, <strong>die</strong> sich redlich<br />

bemüht, ihr Spezialwissen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>fache<br />

Worte zu fassen. Ihre Mission <strong>ist</strong> es,<br />

<strong>die</strong> Menschheit von den Vorzügen der<br />

Galvanik zu überzeugen, und das tut<br />

sie mit sanfter Stimme und viel Geduld:<br />

Galvanisieren bedeutet Veredeln von<br />

Metall- und Kunststoffgegenständen.<br />

Die Metallbeschichtung erfolgt durch<br />

das E<strong>in</strong>tauchen <strong>in</strong> metallhaltige elektrolytische<br />

Bäder. Solcherart beschichtet<br />

werden <strong>die</strong> Objekte widerstandsfähiger<br />

und korrosionsres<strong>ist</strong>enter. Schmuck kann<br />

ebenso galvanisiert werden wie Badezimmerarmaturen<br />

oder Masch<strong>in</strong>en teile,<br />

auch <strong>in</strong> der Elektronik gibt es vielfältige<br />

Anwendungsmöglichkeiten.<br />

53


Galvanik ex<strong>ist</strong>iert seit dem 18. Jahrhundert.<br />

Das Verfahren steht im Ruf,<br />

<strong>die</strong> Umwelt zu belasten und wenig<br />

berechenbar zu se<strong>in</strong>, nach dem Motto:<br />

GalvaniseurInnen s<strong>in</strong>d Alchem<strong>ist</strong>Innen,<br />

<strong>die</strong> solange probieren, bis es geht, wie<br />

Selma Hansal bedauert. Und genau hier<br />

setzt ihr missionarischer Eifer e<strong>in</strong>.<br />

Geheimverfahren zur<br />

Metallhärtung<br />

Mit ihrer Firma „Happy Plat<strong>in</strong>g“ - der<br />

unkonventionelle Name kommt gerade<br />

im Ausland gut an - <strong>die</strong> sie vor drei<br />

Jahren geme<strong>in</strong>sam mit ihrem Mann und<br />

<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Kolleg<strong>in</strong> gegründet hat, konnte<br />

sie e<strong>in</strong> besonders effizientes und umweltschonendesGalvanisierungsverfahren<br />

entwickeln: „Pulse Plat<strong>in</strong>g“ lautet<br />

das Zauberwort. Beim Versuch, <strong>die</strong><br />

neue geniale Technik zu erklären, wird<br />

Selma Hansal reflexartig zur Vortragenden<br />

für Expertenpublikum: „Unser<br />

Prozess der modulierten Pulsstromabscheidung<br />

ermöglicht <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n homogeneren<br />

Metallaufbau, der <strong>die</strong> Haftung<br />

der Metallschichten optimiert, denn<br />

<strong>die</strong> modernen Gleichrichter können<br />

<strong>die</strong> Stromsignale sogar im Millisekundenbereich<br />

<strong>in</strong> erforderlicher Genauigkeit<br />

liefern.“ Fazit <strong>ist</strong> jedenfalls, dass<br />

das von Happy Plat<strong>in</strong>g entwickelte<br />

Verfahren den Galvanisierungs prozess<br />

schneller macht, Materialkosten<br />

e<strong>in</strong>sparen hilft und zu noch härteren<br />

sowie besser haftenden Metallüberzügen<br />

führt. Durch Pulse Plat<strong>in</strong>g<br />

unterliegt <strong>die</strong> Galvanik nicht mehr dem<br />

alchem<strong>ist</strong>ischen Zufallspr<strong>in</strong>zip, sondern<br />

hat sich zum High Tech Verfahren<br />

gemausert. Das kommt Zulieferern für<br />

„Erfolg bedeutet auch, e<strong>in</strong>mal mehr aufzustehen als<br />

h<strong>in</strong>zufallen. Man darf sich nie unterkriegen lassen,<br />

es wird alles nicht so heiß gegessen wie gekocht.“<br />

54 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie


<strong>die</strong> Automobil<strong>in</strong>dustrie gelegen, <strong>die</strong> zu<br />

Hansals besten KundInnen zählen. Sie<br />

wollen zum Beispiel <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Werkzeugteil<br />

herstellen, der 80.000 Stunden schleift<br />

oder bohrt, ohne zu verschleißen. Mit<br />

dem Happy Plat<strong>in</strong>g Verfahren, das<br />

<strong>in</strong> Lizenz vergeben wird, können <strong>die</strong><br />

Unternehmen den Zeitaufwand für das<br />

Herstellungsverfahren um bis zu zwei<br />

Drittel verkürzen. Ke<strong>in</strong> Wunder, dass<br />

<strong>die</strong> Nachfrage enorm <strong>ist</strong>.<br />

Raketenteile für den<br />

absoluten Nullpunkt<br />

Das niederösterreichische Unternehmen<br />

beliefert mittlerweile ganz<br />

Mittel- und Osteuropa und unterhält<br />

e<strong>in</strong> PartnerInnenlabor <strong>in</strong> den USA.<br />

Siebzig Prozent der Produktion <strong>ist</strong> für<br />

den Export bestimmt. Zu Selma Hansals<br />

Klientel zählt auch <strong>die</strong> europäische<br />

Weltraumforschung. Für <strong>die</strong>se besonderen<br />

KundInnen stellt sie beispielsweise<br />

Metallteile her, <strong>die</strong> auch nahe dem absoluten<br />

Nullpunkt nicht verschmelzen,<br />

„denn Metall kann nicht nur bei starker<br />

Hitze, sondern auch bei großer Kälte<br />

verschweißen“, weiht Selma Hansal <strong>in</strong><br />

<strong>die</strong> Geheimnisse der Raumfahrttechnik<br />

e<strong>in</strong>. Für ihre Erfolge hat <strong>die</strong> Elektrochemiker<strong>in</strong><br />

lange kämpfen müssen, denn<br />

vor der Firmengründung lief es für sie<br />

weniger glatt. Die aus <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Ärzt-<br />

Innenfamilie Stammende hat <strong>in</strong> Wien<br />

Biochemie stu<strong>die</strong>rt. Als sie im dritten<br />

Semester ihren technik orientierten<br />

Mann kennen lernte, erfolgte rasch der<br />

Schwenk zur Physikalischen Chemie,<br />

denn fortan<br />

g<strong>in</strong>gen beide geme<strong>in</strong>sam durchs<br />

Studium. In <strong>man</strong>chen Sem<strong>in</strong>aren war<br />

sie <strong>die</strong> e<strong>in</strong>zige Frau, „vor allem ältere<br />

Professoren hatten spürbare Hemmungen,<br />

mit mir <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n wissenschaftlichen<br />

Dialog zu führen“, schildert sie <strong>die</strong><br />

Hürden der Anfänge. Bei mündlichen<br />

Prüfungen musste sie beweisen, dass<br />

auch weibliche Gehirne wissenschaftstauglich<br />

s<strong>in</strong>d: „Ich hab oft noch <strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />

Zusatzfrage bekommen, um sicher zu<br />

gehen, dass ich wirklich alles verstanden<br />

hab.“ Nach der Dissertation g<strong>in</strong>g<br />

<strong>die</strong> partnerschaftliche Zusammenarbeit<br />

mit ihrem Mann weiter: Beide heuerten<br />

<strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Forschungszentrum an, doch<br />

auch dort war <strong>die</strong> auf Gender basierende<br />

Ungleichbehandlung deutlich:<br />

Während ihr Ehe<strong>man</strong>n sofort mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r<br />

Projektleitung betraut wurde, zweifelten<br />

<strong>die</strong> Vorgesetzten an ihren Qualifikationen.<br />

Darf es auch Fachfrauen<br />

geben?<br />

Immer wieder musste sie um <strong>die</strong> Beibehaltung<br />

ihrer Projektleitung kämpfen:<br />

„Man war sich unsicher, ob ich mich<br />

durchsetzen kann.“ Das lag vor allem<br />

an ihrer von Teamge<strong>ist</strong> getragenen<br />

Geme<strong>in</strong>schaftsstrategie. „Ich wollte,<br />

dass k<strong>e<strong>in</strong>e</strong> und k<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r m<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r MitarbeiterInnen<br />

sich zurückgesetzt fühlt und<br />

gab jeder und jedem <strong>die</strong> Möglichkeit<br />

sich e<strong>in</strong>zubr<strong>in</strong>gen.“ So waren zwar alle<br />

motiviert und auch <strong>in</strong> Krisenzeiten<br />

leichter bei Laune zu halten. Für <strong>die</strong><br />

Unternehmensführung habe das jedoch<br />

so gewirkt, als ob Selma Hansal zuwenig<br />

Führungsqualität hätte. Trotz des<br />

sich letztendlich e<strong>in</strong>stellenden Erfolges<br />

<strong>e<strong>in</strong>e</strong> schwierige Zeit. Ihr Fazit heute:<br />

„Nie <strong>die</strong> Kommunikation e<strong>in</strong>schlafen<br />

lassen. Me<strong>in</strong> Tipp an Frauen <strong>ist</strong>: Sprechen,<br />

sprechen, sprechen - das reißt<br />

alle Mauern nieder.“ Gerade als Frau<br />

müsse <strong>man</strong> sich oft dazu überw<strong>in</strong>den,<br />

gegenüber Vorgesetzen <strong>die</strong> eigenen<br />

Le<strong>ist</strong>ungen hervorzuheben, „aber es <strong>ist</strong><br />

e<strong>in</strong> Wunder, was dann alles zu bewegen<br />

<strong>ist</strong>.“ Auch bei Happy Plat<strong>in</strong>g macht<br />

sie mitunter <strong>die</strong> Erfahrung, dass <strong>die</strong><br />

KundInnen ihrem Ehe<strong>man</strong>n mehr Fachwissen<br />

zutrauen. „Wenn ich am Telefon<br />

etwas erkläre, sagen mir <strong>man</strong>che: Kann<br />

ich nicht doch lieber den Fach<strong>man</strong>n<br />

sprechen.“ Anfangs kränkten sie solche<br />

Erfahrungen, doch <strong>in</strong> der Zwischenzeit<br />

nimmt sie es mit Humor und sieht<br />

solche Gespräche als missionarische<br />

Herausforderung: „Heute macht es<br />

mir Spaß, gerade an solche Leute zu<br />

geraten, <strong>man</strong>che kann ich sogar davon<br />

überzeugen, dass auch <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Frau Expert<strong>in</strong><br />

se<strong>in</strong> darf.“<br />

55


„Am Bau <strong>ist</strong> e<strong>in</strong> gutes Klima des Vertrauens wichtig.“<br />

Barbara Hollerer<br />

Interview: Knoll&Szalai, Teresa Arrieta | September 2007<br />

Fotos: Kathar<strong>in</strong>a Gossow<br />

56 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie


Mikrokosmos Baustelle<br />

Die Architekt<strong>in</strong> Barbara Hollerer <strong>ist</strong><br />

e<strong>in</strong> log<strong>ist</strong>isches Ausnahmetalent,<br />

dirigiert Baustellen und weiß um <strong>die</strong><br />

speziellen Antennen von Frauen im<br />

Bauwesen.<br />

Die Fe<strong>in</strong>heit im Groben, das bege<strong>ist</strong>ert<br />

Barbara Hollerer: Wenn etwa e<strong>in</strong><br />

riesenhafter Kran punktgenau <strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />

tonnenschwere Fassade versetzt, „das<br />

wird mich immer fasz<strong>in</strong>ieren, wie viel<br />

Präzision <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r so riesigen Masch<strong>in</strong>e<br />

steckt“, so <strong>die</strong> Architekt<strong>in</strong>. Barbara<br />

Ausbildung:<br />

Studium der Architektur an der<br />

technischen Universität Graz<br />

Position:<br />

Seit 2000 selbstständig mit dem<br />

„Architekturbüro Hollerer“<br />

Branche:<br />

Bauwesen<br />

Hollerer <strong>ist</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>, <strong>die</strong> gerne zupackt und<br />

koord<strong>in</strong>iert. Souverän bewegt sie sich<br />

auf Baustellen, wo sie oft als e<strong>in</strong>zige<br />

Frau werkende Männerhorden leitet.<br />

„Man lernt, sich durchzusetzen“, sagt<br />

sie nach fünfzehnjähriger Berufserfahrung.<br />

„Anfangs stelle ich immer<br />

e<strong>in</strong>deutig fest, wer das Sagen hat.“<br />

Sie hat sich jenes unmissverständliche<br />

Auftreten angeeignet, das notwendig<br />

<strong>ist</strong>, um ernst genommen zu werden.<br />

Solche Selbstsicherheit bedarf profunder<br />

handwerklicher Fach kenntnisse:<br />

Wann s<strong>in</strong>d <strong>die</strong> Hausanschlüsse herzustellen,<br />

wie s<strong>in</strong>d <strong>die</strong> Fugen auszubilden,<br />

wo muss der Fassadenbauteil abgedichtet<br />

werden. <strong>Es</strong> gilt, e<strong>in</strong> komplexes<br />

Netz <strong>in</strong>e<strong>in</strong>ander verwobener Tätigkeiten<br />

zu sp<strong>in</strong>nen, <strong>e<strong>in</strong>e</strong> klare Sprache<br />

zu ent wickeln, <strong>die</strong> gehört wird. <strong>Es</strong><br />

gilt relevante Informationen aus den<br />

Gesprächen mit Fachmännern herauszufiltern,<br />

jenen Moment zu erkennen,<br />

wo gesagt werden darf: „Ich weiß net,<br />

wie des funktioniert, machen´s ma an<br />

Vorschlag.“ Und trotzdem se<strong>in</strong> Gesicht<br />

dabei zu wahren. Denn „<strong>man</strong> büßt <strong>die</strong><br />

Autorität eher e<strong>in</strong>, wenn <strong>man</strong> behauptet,<br />

alles zu können“, weiß Barbara<br />

Hollerer. Baustellen zu leiten, das <strong>ist</strong><br />

57


„Mehr technische Unternehmer<strong>in</strong>nen<br />

täten der gesamten<br />

Branche gut!“<br />

e<strong>in</strong> ständiger Balanceakt zwischen<br />

Bestimmen und Kooperieren, <strong>die</strong><br />

unsichtbaren Fäden laufen jedoch stets<br />

bei der Architekt<strong>in</strong> zusammen. „Ich<br />

muss kommunikativ se<strong>in</strong> und Antennen<br />

dafür haben, dass <strong>man</strong>che Probleme<br />

vor Ort außerhalb m<strong>e<strong>in</strong>e</strong>s E<strong>in</strong>flussbereiches<br />

liegen.“ Am Bau herrschen<br />

viele unausgesprochene Regeln, e<strong>in</strong><br />

eigener Mikrokosmos mit s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Krisen,<br />

aber auch Momente des geme<strong>in</strong>samen<br />

Triumphes. „Diese Spannung, wenn<br />

langsam e<strong>in</strong> Gebäude entsteht, das hat<br />

so <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Fasz<strong>in</strong>ation, dass <strong>man</strong> darüber<br />

<strong>die</strong> Ängste vor dem Job vergisst.“<br />

Aufgaben an sich reißen<br />

Die <strong>in</strong> Kapfenberg Aufgewachsene hat<br />

<strong>in</strong> Graz an der Technischen Universität<br />

Architektur stu<strong>die</strong>rt. Schon während<br />

des Studiums arbeitete sie <strong>in</strong>tensiv<br />

<strong>in</strong> Architekturbüros mit. Nach ihrem<br />

Abschluss ass<strong>ist</strong>ierte sie bei der Ausführungsplanung<br />

<strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Krankenhauses,<br />

wo sie am Baustellengeschehen vom<br />

ersten Spatenstich an mit dabei war.<br />

„Dort hab ich <strong>die</strong> Umsetzung hautnah<br />

miterlebt. Ich hab nicht e<strong>in</strong>sam vor<br />

mich h<strong>in</strong>geplant, sondern war mit<br />

NutzerInnen, F<strong>in</strong>anciers und Fr<strong>ist</strong>en<br />

konfrontiert, da geht es ans E<strong>in</strong>gemachte.“<br />

Damals hat Barbara Hollerer<br />

ihr Organisations talent erkannt: „Ich<br />

reiße gerne D<strong>in</strong>ge an mich und gebe<br />

nichts mehr ab.“ Bei ihrem nächsten<br />

Arbeitgeber übernahm <strong>die</strong> Ehrgeizige<br />

dann örtliche Bauaufsichten. E<strong>in</strong><br />

ungewöhnlicher Weg für <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Architekt<strong>in</strong>.<br />

„Die me<strong>ist</strong>en BerufskollegInnen<br />

bleiben <strong>in</strong> ihrer Planungsecke stecken.<br />

Ich h<strong>in</strong>gegen wildere <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Bereich,<br />

der normalerweise von Technikern<br />

abgedeckt wird.“ Doch am Bau sollte<br />

es viel mehr ArchitektInnen geben,<br />

bef<strong>in</strong>det Hollerer. Denn als gelernte<br />

Planer<strong>in</strong> verstehe <strong>man</strong> <strong>die</strong> Sprache<br />

58 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie


der Entwürfe am besten: „Ich kann<br />

aus Plänen ablesen, was je<strong>man</strong>d mit<br />

<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m bestimmten Detail ausdrücken<br />

möchte.“ Für <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Baume<strong>ist</strong>er sei das<br />

nicht so selbstverständlich, beim architektonischen<br />

Entwerfen h<strong>in</strong>gegen wird<br />

das Denken auf das fertige Bild <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s<br />

Gebäudes geschult, auf <strong>die</strong> Stimmung,<br />

auf <strong>die</strong> räumliche Wirkung.<br />

Mehr Frauen am Bau<br />

Im Jahr 2000 machte sich <strong>die</strong> Architekt<strong>in</strong><br />

mit dem „Architekturbüro Hollerer“<br />

<strong>in</strong> Graz selbstständig. Ihr Schwerpunkt<br />

<strong>ist</strong> weiterh<strong>in</strong> Bauleitung und Baustellenlog<strong>ist</strong>ik,<br />

sie <strong>ist</strong> spezialisiert auf<br />

den Umbau von Krankenanstalten und<br />

mediz<strong>in</strong>ischen E<strong>in</strong>richtungen, sowie<br />

auf Sanierungen bei laufendem Betrieb.<br />

Die Vorbereitung für <strong>die</strong> Aussiedlung<br />

<strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Gebäudetraktes wird mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m<br />

Jahr Vorlauf angesetzt, um fließende<br />

Übergänge zu gewährle<strong>ist</strong>en. Neben<br />

öffentlichen Aufträgen übernimmt <strong>die</strong><br />

Unternehmer<strong>in</strong> mit ihren <strong>in</strong>sgesamt<br />

drei Angestellten auch Planungen und<br />

Ausschreibungen für private Haus-,<br />

Wohnungs- und Geschäftsumbauten.<br />

Als <strong>e<strong>in</strong>e</strong> der wenigen Frauen unter lauter<br />

Bau<strong>in</strong>genieuren, Handwerkern und<br />

Architekten hatte Barbara Hollerer sich<br />

nie benachteiligt gefühlt. „Vielleicht<br />

hab ich <strong>die</strong>sbezügliche Wahrnehmungen<br />

negiert.“ Immerh<strong>in</strong> engagiert sie sich<br />

seit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Jahr <strong>in</strong>nerhalb der Archtekt-<br />

Innenkammer im Ausschuss der Ziviltechniker<strong>in</strong>nen,<br />

denn klar <strong>ist</strong>, dass es zu<br />

wenige selbstständige Architekt<strong>in</strong>nen<br />

gibt. „Die Stu<strong>die</strong>nabsolvent<strong>in</strong>nen verschw<strong>in</strong>den<br />

<strong>in</strong> den Büros oder zu Hause“.<br />

Derzeit f<strong>in</strong>det <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Berufsrechtsreform<br />

statt, wo das ZiviltechnikerInnen-<br />

Gesetz auch auf Ungleichbehandlungen<br />

von Frauen h<strong>in</strong> durchforstet wird: „Wir<br />

s<strong>in</strong>d darauf gekommen, dass Frauen,<br />

wenn sie nur halbtags arbeiten, ihre<br />

Praxiszeiten für <strong>die</strong> ZiviltechnikerInnen-<br />

Prüfung nicht zusammenbr<strong>in</strong>gen“,<br />

schildert Hollerer erste Resultate, auch<br />

<strong>die</strong> Karenzregelungen seien unbefriedigend.<br />

Insgesamt bedauert sie, dass<br />

es zu wenige weibliche Vorbilder im<br />

Bereich des Bau- und Planungswesens<br />

gibt. E<strong>in</strong> Grund mehr für Hollerer, sich<br />

nun selbst als Role-Model zu engagieren.<br />

Vor <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Jahr hat sie geme<strong>in</strong>sam<br />

mit Kolleg<strong>in</strong>nen über ihre Kammer<br />

<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Folder mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r L<strong>ist</strong>e aller Ziviltechniker<strong>in</strong>nen<br />

<strong>in</strong> der Steiermark und<br />

<strong>in</strong> Kärnten konzipiert und an sämtliche<br />

Geme<strong>in</strong>den verschickt. „Wir haben<br />

achtzig Frauen, <strong>die</strong> <strong>in</strong> verschiedensten<br />

bautechnischen Gebieten arbeiten“,<br />

wollten sie als Interessensvertretung<br />

damit deutlich machen. In Zukunft will<br />

ihr Ausschuss u. a. verstärkt mit den<br />

technischen Universitäten zusammenarbeiten,<br />

damit <strong>die</strong> Student<strong>in</strong>nen <strong>die</strong><br />

Perspektive Selbstständigkeit im Kopf<br />

behalten. „Um jenen, <strong>die</strong> sagen, es<br />

gibt k<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Frauen, <strong>die</strong> wir beauftragen<br />

können, den W<strong>in</strong>d aus den Segeln zu<br />

nehmen!“<br />

59


Jutta Isopp<br />

„Der Wiedererkennungswert als Frau <strong>die</strong>nt auch dem<br />

Erfolg <strong>in</strong> m<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Beruf.“<br />

Interview: Knoll&Szalai, Teresa Arrieta | September 2007<br />

Fotos: Nora Friedel<br />

60 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie


Die Masch<strong>in</strong>endoktor<strong>in</strong><br />

Jutta Isopp ergründet das Innenleben<br />

von Masch<strong>in</strong>en, leitet <strong>e<strong>in</strong>e</strong> boomende<br />

Firma und sucht beim Imkern<br />

Zuflucht vor dem Alltagsstress.<br />

Gestern war es wieder e<strong>in</strong>mal soweit:<br />

<strong>die</strong> 25 Tonnen schwere Papiermasch<strong>in</strong>e<br />

vibrierte und war nicht mehr zu beruhigen.<br />

Sogleich war das Team der Firma<br />

Messtechnik zur Stelle. Sie hörten ab,<br />

untersuchten, nahmen ause<strong>in</strong>ander und<br />

bauten wieder zusammen. Diagnose<br />

und Therapie standen rasch fest. „Man<br />

Ausbildung:<br />

HTL für Elektrotechnik<br />

Studium Wirtschafts<strong>in</strong>genieurwesen/<br />

Masch<strong>in</strong>enbau an der Technischen<br />

Universität Graz<br />

Position:<br />

Firma Messfeld GesmbH seit 2006<br />

Branche:<br />

Condition Monitor<strong>in</strong>g und<br />

Industrielle Messtechnik<br />

nennt uns <strong>die</strong> Masch<strong>in</strong>endoktorInnen“,<br />

sagt Firmenleiter<strong>in</strong> Jutta Isopp. <strong>Es</strong> gibt<br />

<strong>die</strong> HausärztInnen <strong>in</strong> der Firma, das <strong>ist</strong><br />

<strong>die</strong> Abteilung für Instandhaltung, sie<br />

<strong>ist</strong> zuständig für laufende Inspektionen,<br />

Wartung und Reparaturen. Wenn<br />

<strong>die</strong>se Abteilung nicht mehr weiter<br />

weiß, wenn etwa zu starke Vibrationen<br />

auftreten oder zu hohe Temperaturen,<br />

werden <strong>die</strong> FachärztInnen zu Hilfe<br />

gerufen, das <strong>ist</strong> <strong>die</strong> Firma Messfeld.<br />

Jutta Isopp und ihr Team verfügen<br />

über hochqualifiziertes Fachwissen<br />

im Bereich der Schw<strong>in</strong>gungstechnik,<br />

Thermografie, Ausrichtung oder<br />

auch Wuchtung. Ihre Expertise wird<br />

<strong>in</strong> unterschiedlichsten Industriezweigen<br />

benötigt: Die Messfeld GesmbH<br />

besucht Stahlunternehmen ebenso<br />

wie AutospiegelherstellerInnen, auch<br />

Siemens zählt zu Isopps ständigen<br />

KundInnen. Mittlerweile wird das Team<br />

bis nach Slowenien und Norditalien engagiert,<br />

denn <strong>in</strong> technischen Branchen<br />

s<strong>in</strong>d Stehzeiten sehr teuer, deswegen<br />

<strong>ist</strong> promptes Handeln gefragt. „Ich<br />

liebe es das Innenleben <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Masch<strong>in</strong>e<br />

zu erkunden“, zeigt sich <strong>die</strong> Unternehmer<strong>in</strong><br />

von ihrem Job bege<strong>ist</strong>ert.<br />

„Man bekommt <strong>die</strong> unterschiedlichsten<br />

61


An lagen zu Gesicht. Wenn ich mich<br />

vor Ort an der Problemstelle bef<strong>in</strong>de,<br />

kommuniziere ich mit Mensch und<br />

Masch<strong>in</strong>e zugleich.“<br />

Schwierige Stu<strong>die</strong>nzeit,<br />

erfolgreicher Jobe<strong>in</strong>stieg<br />

Jutta Isopps technisches Talent<br />

zeichnete sich früh ab: Bereits <strong>in</strong> der<br />

Schule <strong>in</strong>teressierte sich <strong>die</strong> gebürtige<br />

„St<strong>e<strong>in</strong>e</strong> im Weg gibt es immer, sie s<strong>in</strong>d aber da um weggeräumt zu<br />

werden. Die Art und Weise, wie <strong>die</strong>se weggeräumt werden, <strong>ist</strong> der<br />

persönliche Weg, den <strong>man</strong> als Unternehmer<strong>in</strong> frei gehen kann.“<br />

Kärntner<strong>in</strong> für Mathe und Naturwissenschaften,<br />

später absolvierte sie <strong>in</strong><br />

Klagenfurt <strong>e<strong>in</strong>e</strong> HTL für Elektrotechnik.<br />

Als <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s der wenigen Mädchen stand<br />

sie dort unter Beobachtung und hatte<br />

das Gefühl sich ständig beweisen zu<br />

müssen: „Die Wettbewerbssituation <strong>ist</strong><br />

hoch, das hat m<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Ehrgeiz geschürt.“<br />

Danach folgte der E<strong>in</strong>stieg <strong>in</strong><br />

<strong>die</strong> Berufswelt, auf Montage und Konstruktion,<br />

anfängliche Hürden me<strong>ist</strong>erte<br />

sie souverän. „Nach dem ersten halben<br />

Jahr hatte ich als Frau k<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Akzeptanzprobleme<br />

mehr.“ Schwieriger wurde<br />

es, als sie nach sechs arbeits reichen<br />

Jahren beschloss, an der technischen<br />

Universität Graz Wirtschafts<strong>in</strong>genieurwesen<br />

für Masch<strong>in</strong>enbau zu stu<strong>die</strong>ren,<br />

um sich neue berufliche Perspektiven<br />

zu erschließen. „Die Wettbewerbssituation<br />

dort war extrem, als Frau b<strong>in</strong> ich<br />

überall rausgestochen.“ Noch dazu war<br />

Jutta Isopp e<strong>in</strong>ige Jahre älter als ihre<br />

MitstudentInnen, verheiratet und hatte<br />

62 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie


gerade e<strong>in</strong> Baby bekommen. „Ich hab<br />

oft polarisiert: Wenn ich <strong>e<strong>in</strong>e</strong> supergute<br />

Note bekommen hab, dann <strong>ist</strong><br />

sie mir geschenkt worden. Bekam ich<br />

<strong>e<strong>in</strong>e</strong> schlechte, dann war ich nicht gut<br />

genug. E<strong>in</strong> Mittelmaß gab es kaum.“ Ihr<br />

Mann war ihr <strong>in</strong> <strong>die</strong>ser schwierigen Zeit<br />

<strong>e<strong>in</strong>e</strong> wichtige Stütze. Nach dem Diplom<br />

g<strong>in</strong>g <strong>die</strong> frischgebackene Ingenieur<strong>in</strong><br />

zum Wälzlagerhersteller Schäffler, wo<br />

sie <strong>die</strong> Abteilung für den technischen<br />

Service und Condition Monitor<strong>in</strong>g<br />

aufbaute: Sie erhob Masch<strong>in</strong>en-Messdaten<br />

über längere Zeiträume und zog<br />

daraus Rückschlüsse für den optimalen<br />

Zeitpunkt vorbeugender Instandhaltungsmaßnahmen.<br />

„Dort b<strong>in</strong> ich als<br />

e<strong>in</strong>zige Frau sehr positiv aufgenommen<br />

worden, auch bei den KundInnen.“<br />

Firmenchef<strong>in</strong> und Lehrer<strong>in</strong><br />

Der Sprung <strong>in</strong> <strong>die</strong> Selbstständigkeit erfolgte,<br />

als sich bei ihr und ihrem Mann<br />

der Wunsch verfestigte, <strong>in</strong> <strong>die</strong> Kärntner<br />

Heimat zurückzukehren und nahe des<br />

Wörthersees sesshaft zu werden. Das<br />

Kärntner GründerInnenzentrum „Build“<br />

war dabei <strong>e<strong>in</strong>e</strong> große Hilfe. Isopp<br />

gründete 2006 ihre Firma Messfeld,<br />

mit durchschlagendem Erfolg: Innerhalb<br />

<strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Jahres entwickelte sich das<br />

E<strong>in</strong>zelunternehmen zu <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r GmbH, e<strong>in</strong><br />

Techniker und <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Sekretär<strong>in</strong> wurden<br />

e<strong>in</strong>gestellt. „Wir s<strong>in</strong>d ke<strong>in</strong> typisches<br />

technisches Büro, sondern e<strong>in</strong> Industrie<br />

<strong>die</strong>nstle<strong>ist</strong>er“, erklärt <strong>die</strong> Jungunternehmer<strong>in</strong>.<br />

Wir unterstützen Instandhaltung<br />

im Bereich des Condition<br />

Monitor<strong>in</strong>g, vom Engeneer<strong>in</strong>g bis zur<br />

Implementierung und Betrieb machen<br />

wir hier alles. Der Fokus liegt vor allem<br />

auf der Schw<strong>in</strong>gungsmesstechnik.<br />

Unser Kern<strong>in</strong>teresse <strong>ist</strong>, Probleme im<br />

Bereich der Instandhaltung zu lösen.“<br />

Sie hat großen Spaß an ihrer neuen<br />

Selbstständigkeit. Die neu gewon nenen<br />

Entfaltungsmöglichkeiten und das<br />

eigenverantwortliche Tun liegen der<br />

self-made-Chef<strong>in</strong>, <strong>die</strong> „unrunderen<br />

Arbeitszeiten“ seien Vorteil und Nachteil<br />

zugleich.<br />

Ruhe bei den Bienen f<strong>in</strong>den<br />

Ihr zweites Standbe<strong>in</strong> <strong>ist</strong> <strong>die</strong> Lehre:<br />

Jutta Isopp lehrt Masch<strong>in</strong>endiagnose<br />

an der Grazer Fachhochschule für<br />

Wirtschaft. Im Stu<strong>die</strong>ngang Automatisierungstechnik<br />

an der Fachhochschule<br />

Kärnten arbeitet sie derzeit bei der<br />

Entwicklung neuer Stu<strong>die</strong>ngänge mit.<br />

Sie legt viel Wert auf <strong>die</strong> fachliche<br />

Weiterbildung der Instandhaltungsbranche:<br />

„Ich lehre wahns<strong>in</strong>nig gern,<br />

angesichts des FacharbeiterInnen<strong>man</strong>gels,<br />

auch im Instandhaltungsbereich,<br />

<strong>ist</strong> es mir e<strong>in</strong> großes Anliegen, dass <strong>die</strong><br />

Ausbildung voran getrieben wird.“ Das<br />

schlechte Image der InstandhalterInnen<br />

sei derzeit im positiven Wandel: „E<strong>in</strong><br />

Instandhalter <strong>ist</strong> e<strong>in</strong> Wunderwuzi, e<strong>in</strong><br />

Allrounder mit sehr breitem Wissen.<br />

Effiziente Instandhaltung <strong>ist</strong> e<strong>in</strong> enormer<br />

Gew<strong>in</strong>n für e<strong>in</strong> Unternehmen, das<br />

muss <strong>man</strong> <strong>in</strong> Zukunft den Firmen besser<br />

kommunizieren.“ Doch <strong>die</strong> Vielseitige<br />

hat noch weitere Interessen: Für ihren<br />

privaten Ausgleich hat sie <strong>die</strong> Imkerei<br />

entdeckt und ihrem gründlichen Wesen<br />

entsprechend absolviert sie derzeit<br />

<strong>e<strong>in</strong>e</strong> ImkerInnen-Fachausbildung. In<br />

ihrem Tentschacher Haus am Rande<br />

von Klagenfurt steht seit zwei Jahren<br />

<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Reihe Bienenstöcke, <strong>die</strong> jedes<br />

Jahr länger wird. Beim Imkern gilt es,<br />

völlige Ruhe zu bewahren. „Ich b<strong>in</strong><br />

sehr impulsiv und unruhig, doch das<br />

verzeihen <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Bienen nicht. Wenn<br />

<strong>man</strong> den Bienenstock öffnet und Hektik<br />

ausstrahlt, stechen sie.“ Übers Imkern<br />

hat sich <strong>die</strong> „tausend Volt-Frau“ Ruhe<br />

und Gelassen heit angeeignet. „<strong>Es</strong> <strong>ist</strong><br />

fasz<strong>in</strong>ierend, zu beobachten, wie sich<br />

e<strong>in</strong> Bienenvolk entwickelt. Diese w<strong>in</strong>zigen<br />

Tiere le<strong>ist</strong>en Unglaubliches.“<br />

63


Erika Jensen-Jarolim<br />

Interview: Teresa Arrieta | März 2007<br />

„Ich hab viel zu lange gewartet, dass ich belohnt und<br />

gesehen werde: So, ich war e<strong>in</strong> braves Mädchen, jetzt<br />

muss <strong>die</strong> Belohnung kommen - aber das funktioniert<br />

nicht so. Männer s<strong>in</strong>d da viel offensiver.“<br />

Fotos: Kathar<strong>in</strong>a Gossow<br />

64 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie


Sich <strong>in</strong>s Licht stellen, gegen<br />

den Strom schwimmen<br />

Die Top-Allergolog<strong>in</strong> Erika Jensen-<br />

Jarolim fördert Frauen mit großem<br />

Engagement, forscht erfolgreich<br />

abseits des Ma<strong>in</strong>streams und entwickelt<br />

Impfungen gegen Allergien<br />

und Krebs.<br />

„Am selben Tag, an dem ich <strong>die</strong><br />

Professur bekam, hab ich im Club der<br />

Professor<strong>in</strong>nen angerufen, um dort aufgenommen<br />

zu werden. Denn nur von<br />

Ausbildung:<br />

Mediz<strong>in</strong>studium, Mediz<strong>in</strong>ische<br />

Universität Wien<br />

Position:<br />

Professur und Leiter<strong>in</strong> des Institutes<br />

für Pathophysiologie, Mediz<strong>in</strong>ische<br />

Universität Wien<br />

Wissenschaftsdiszipl<strong>in</strong>:<br />

Hu<strong>man</strong>mediz<strong>in</strong><br />

<strong>die</strong>ser Ebene aus kann <strong>man</strong> dann aktiv<br />

<strong>die</strong> vielen weiblichen Talente nach<br />

oben holen.“ Erika Jensen-Jarolim <strong>ist</strong><br />

nicht nur zielstrebig, sondern spricht<br />

Unterschiede zwischen Männer- und<br />

Frauenkarrieren sofort an: „Männer<br />

werden automatisch besser gefördert,<br />

Frauen häufiger zur Infrastrukturerhaltung<br />

e<strong>in</strong>gesetzt. Informationsflüsse<br />

zwischen Männern funktionieren<br />

besser, weibliche Netzwerke müssen<br />

h<strong>in</strong>gegen erst ausgebaut werden.“<br />

Gelassen und ohne Vorwurf schildert<br />

<strong>die</strong> Allergolog<strong>in</strong> Ungleichbehandlungen<br />

- und <strong>die</strong>se unprätentiöse Haltung,<br />

gepaart mit sozialem E<strong>in</strong>fühlungsvermögen,<br />

<strong>ist</strong> neben den wissenschaftlichen<br />

Qualifikationen wohl <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s<br />

ihrer Erfolgsgeheimnisse. E<strong>in</strong>e Bilderbuchkarriere<br />

hat <strong>die</strong> mit Juli 2006 zur<br />

Leiter<strong>in</strong> des Universitäts<strong>in</strong>stitutes für<br />

Pathophysiologie Gekürte h<strong>in</strong>gelegt.<br />

Nach vierjähriger Karenzzeit konnte<br />

sie den k<strong>in</strong>derbed<strong>in</strong>gten Karriereknick<br />

<strong>in</strong>nerhalb kürzester Zeit aufholen und<br />

sich <strong>in</strong>nerhalb von weiteren vier Jahren<br />

habilitieren. Nach dem Wiedere<strong>in</strong>stieg<br />

wurde ihr Zeit<strong>man</strong>agement effizienter.<br />

65


Die Topforscher<strong>in</strong> lernte sich mehr <strong>in</strong>s<br />

Licht zu stellen, kündigte ihre wissenschaftlichen<br />

Vorträge aktiver an und<br />

suchte sich kühn <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Mentor für <strong>die</strong><br />

Habil zu Zeiten, wo offizielle Mentor<strong>in</strong>gprogramme<br />

noch <strong>in</strong> amerikanischen<br />

Fernen lagen.<br />

„Man muss sich trauen, gegen den Strom zu schwimmen, auch wenn es nicht<br />

dem Lehrbuch entspricht. Wissenschaftliche Diskussion kommt nur zustande,<br />

wenn es unterschiedliche Me<strong>in</strong>ungen gibt. Mir macht es Spaß, zu polarisieren“<br />

Provokante Wissenschaft<br />

Der Förderer lehrte sie, wie <strong>man</strong> sich<br />

im Zuge des Habilitationsvortrags am<br />

besten präsentiert, wie <strong>man</strong> Fragen<br />

vorbereitet und zu erkunden, wer<br />

anwesend se<strong>in</strong> wird. „Denn das Drum-<br />

herum <strong>ist</strong> m<strong>in</strong>destens ebenso wichtig<br />

wie <strong>die</strong> harten Fakten“, wie Jensen-<br />

Jarolim von ihrem Mentor erfuhr. Im<br />

Rückblick ärgert sie sich trotzdem über<br />

typisch weibliche Angepasstheit: „Für<br />

<strong>die</strong> Habil hab ich zu lange auf das ‚Ok‘<br />

m<strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Chefs gewartet - ich hätte<br />

66 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie


es schon früher machen sollen, denn<br />

ich hatte m<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Habil-Kriterien schon<br />

lange erreicht. Manche Herren haben<br />

früher e<strong>in</strong>gereicht.“ Die Professur<br />

habe natürlich ihren Status verbessert,<br />

„<strong>man</strong> wird wichtiger genommen <strong>in</strong><br />

den Sitzungen“, aber nun war auch e<strong>in</strong><br />

<strong>Rolle</strong>nwechsel angesagt:„Weniger blutrünstig<br />

für <strong>die</strong> eigene Karriere kämpfen,<br />

danach trachten, e<strong>in</strong> Team heranzubilden,<br />

das das eigene Lebenspr<strong>in</strong>zip und<br />

<strong>die</strong> wissenschaftliche Ethik nach außen<br />

weiter trägt.“ Denn <strong>die</strong> E<strong>in</strong>zelkämpfer-<br />

ProfessorInnen sterben e<strong>in</strong>sam und<br />

br<strong>in</strong>gen auch k<strong>e<strong>in</strong>e</strong> erfolgreichen SchülerInnen<br />

hervor, wie <strong>die</strong> Allergolog<strong>in</strong><br />

beobachtet hat. Ihre wissenschaftliche<br />

Ethik kann sie klar umreißen: „Gegen<br />

den Strom schwimmen, gesichertes<br />

Wissen h<strong>in</strong>terfragen.“ Geprägt hat<br />

sie dabei ihr Schweizer Lehrer Beda<br />

Stadler, charismatischer Querdenker,<br />

Allergologe und Genforscher. „Er hat<br />

mir Mut gemacht, Forschungswege<br />

gegen den Ma<strong>in</strong>stream zu beschreiten.<br />

Man muss provokante Neuigkeiten<br />

hartnäckig verbreiten. Das macht es<br />

so spannend, deswegen arbeite ich so<br />

gerne.“<br />

Wissenschaft auf Augenhöhe<br />

Durch konsequentes Querdenken konnte<br />

Jensen-Jarolim etwa beweisen, dass<br />

magensäurem<strong>in</strong>dernde Medikamente<br />

Nahrungsmittelallergien auslösen<br />

können, „weil <strong>die</strong>se Medikamente <strong>die</strong><br />

Prote<strong>in</strong>verdauung bee<strong>in</strong>trächtigen und<br />

sich dadurch allergieauslösende IgE<br />

Antikörper bilden können.“ Damals<br />

habe sie viele böse Briefe von Pharmafirmen<br />

bekommen, denn Magensäure-<br />

neutralisatoren oder -<strong>in</strong>hibitoren zählen<br />

zu den Bestsellern der Pharma<strong>in</strong>dustrie.<br />

„Ich hätte zu <strong>die</strong>sem Zeitpunkt Angst<br />

bekommen und aufhören können.“<br />

Stattdessen schob sie immer mehr harte<br />

Fakten nach, bis der wissenschaftliche<br />

Durchbruch gelang. Heute wird sie mit<br />

ihrem Team zu Kongressen und Reviews<br />

e<strong>in</strong>geladen, um ihre Erkenntnisse<br />

darzulegen. Auch, nachdem ihr <strong>die</strong> Institutsleitung<br />

übertragen wurde, <strong>ist</strong> sie<br />

ihrer Ethik, <strong>die</strong> sie auch „Wissenschaft<br />

auf Augenhöhe“ nennt, treu geblieben<br />

– hat das gesamte Institut auf den Kopf<br />

gestellt und Hierarchien konsequent<br />

durchbrochen : Statt der halbjährlichen<br />

strengen Institutskonferenzen gibt es<br />

nun monatliche Sitzungen mit allen<br />

ArbeitsgruppenleiterInnen. „Da s<strong>in</strong>d<br />

sehr viele Frauen dabei, <strong>die</strong> vorher nicht<br />

gehört wurden. Mir <strong>ist</strong> ganz wichtig,<br />

dass ich <strong>die</strong> Fühler nach unten ausstrecke<br />

um Stimmungen mitzubekommen.“<br />

E<strong>in</strong> bisschen kämpft sie noch mit der<br />

Tatsache, dass <strong>die</strong> vielen Frauen oft<br />

erst nach Sitzungsende ihre Me<strong>in</strong>ung<br />

kundtun. Doch langsam lockert sich<br />

das Klima, „<strong>die</strong> Leute sehen, dass sie<br />

nun mitgestalten können.“ Als weiteren<br />

Schritt hat Jensen-Jarolim <strong>die</strong> f<strong>in</strong>anzielle<br />

Gebarung des Institutes offen gelegt.<br />

Transparenz bis zur Schmerzgrenze wie<br />

sie sagt, denn ihr <strong>ist</strong> wichtig, dass <strong>die</strong><br />

Mittel gleichwertig und offen verteilt<br />

werden.<br />

Impfung gegen Krebs<br />

E<strong>in</strong> anstrengendes Jahr hat <strong>die</strong> neue<br />

Institutsleiter<strong>in</strong> h<strong>in</strong>ter sich, aber „<strong>man</strong><br />

hat dann irgendwann <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Mission“,<br />

und <strong>die</strong>se liegt neben den wissen-<br />

schaftlichen Zielsetzungen <strong>in</strong> ihrem<br />

hartnäckigen E<strong>in</strong>satz für Frauengleichbehandlung:<br />

Vergangenes Jahr nahm<br />

<strong>die</strong> Forscher<strong>in</strong> am Frauenmentor<strong>in</strong>g<br />

Programm der Mediz<strong>in</strong>ischen Universität<br />

Wien teil, wo sie gleich fünf<br />

Mentees übernahm. Dabei konnte sie<br />

erstaunliche Strategieunterschiede beobachten,<br />

denn auch männliche Kollegen<br />

waren unter den MentorInnen: „Die<br />

Männer sahen ihre Aufgabe vor allem<br />

dar<strong>in</strong>, ihre Mentees <strong>in</strong> <strong>die</strong> Seilschaften<br />

und Lagerbildungen e<strong>in</strong>zuweihen. Die<br />

Mentor<strong>in</strong>nen h<strong>in</strong>gegen haben an den<br />

konkreten Defiziten der Betreffenden<br />

gearbeitet: Internetpräsenz, Auftreten,<br />

Kommunikationstechnik.“ Der nächste<br />

Karriereschritt kündigt sich bei der<br />

Umtriebigen bereits an: Seit 2000 <strong>ist</strong><br />

Erika Jensen-Jarolim als Erf<strong>in</strong>der<strong>in</strong><br />

an zahlreichen Patentanmeldungen<br />

für Impfungen gegen Allergien sowie<br />

Krebstumoren beteiligt. Sie hatte im<br />

Zuge ihrer Untersuchungen entdeckt,<br />

dass das körpereigene Eiweiss IgE, das<br />

Allergien auslöst, gleichzeitig auch zur<br />

Rückbildung von Tumoren beiträgt.<br />

Verwegen führte sie Allergologie und<br />

Onkologie zusammen – zwei Diszipl<strong>in</strong>en,<br />

<strong>die</strong> noch nie Austausch pflegten,<br />

und entwickelte <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Tumorimpfung<br />

auf Basis von IgE Antikörpern. Auf<br />

Basis <strong>die</strong>ser Erkenntnisse organisiert<br />

sie nun auch das welterste allergo-onkologische<br />

Symposium. Darüber h<strong>in</strong>aus<br />

<strong>ist</strong> für Ende 2007 geplant, <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r<br />

Kooperation krebskranke Hunde auf der<br />

veter<strong>in</strong>ärmediz<strong>in</strong>ischen Universität mit<br />

ihrer Tumorimpfung zu behandeln, als<br />

<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Mensch - Tier Vergleichsstu<strong>die</strong> und<br />

nicht als Tierversuch: Ebenfalls <strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />

<strong>in</strong>novative und ungewöhnliche Wissenschaftsmethode.<br />

67


Sab<strong>in</strong>e Kern<br />

Interview: Anita Zieher | August 2005<br />

„Wie e<strong>in</strong> Geschenk des Himmels.“<br />

Fotos: Kathar<strong>in</strong>a Gossow<br />

68 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie


E<strong>in</strong> erfrischendes Blau durchzieht<br />

<strong>die</strong> Büroräume von Interl<strong>in</strong>gua. „Ich<br />

habe <strong>die</strong> Farbe e<strong>in</strong>fach im Baumarkt<br />

ausgesucht. Später hat mir dann mal<br />

<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Farbpsycholog<strong>in</strong> erklärt, dass<br />

<strong>die</strong> Farbe für Kommunikation steht“,<br />

erzählt Sab<strong>in</strong>e Kern. Erfrischend wie <strong>die</strong><br />

Farbe <strong>ist</strong> auch <strong>die</strong> Art, wie sie über ihr<br />

Unternehmen, <strong>die</strong> MitarbeiterInnen und<br />

KundInnen spricht. Mit Kommunikation<br />

hat sie als Chef<strong>in</strong> der Übersetzungsfirma<br />

Interl<strong>in</strong>gua klarerweise viel zu tun.<br />

Auch wenn sie sich bei der Wahl der<br />

Wandfarbe ihres Büros von ihrer<br />

Ausbildung:<br />

Studium der Ro<strong>man</strong><strong>ist</strong>ik, Publiz<strong>ist</strong>ik-<br />

und Kommunikationswissenschaften an<br />

der Universität Wien<br />

Position:<br />

Geschäftsführende Gesellschafter<strong>in</strong><br />

von Interl<strong>in</strong>gua<br />

Branche:<br />

Übersetzungen und Dolmetschen<br />

Intuition leiten ließ, bei der Entscheidung,<br />

das Unternehmen zu übernehmen,<br />

hat sie vorher doch sehr genau<br />

<strong>die</strong> Für und Wider abgewogen. Im Jahr<br />

2002 hatten Bekannte ihrem Mann,<br />

der sich selbständig machen wollte,<br />

Interl<strong>in</strong>gua zum Kauf angeboten. „Er<br />

hatte zu <strong>die</strong>sem Zeitpunkt aber bereits<br />

<strong>e<strong>in</strong>e</strong> eigene Firma gefunden. Und da<br />

haben sich plötzlich alle Blicke <strong>in</strong> der<br />

Runde auf mich konzentriert“, erzählt<br />

Sab<strong>in</strong>e Kern. Durch ihr Studium der<br />

Ro<strong>man</strong><strong>ist</strong>ik, Publiz<strong>ist</strong>ik und Kommunikationswissenschaften<br />

und zehn<br />

Jahre Auslandsaufenthalte war ihr das<br />

Thema Sprache sehr vertraut und <strong>die</strong><br />

Über nahme <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Übersetzungsfirma<br />

erschien naheliegend. Der wachsende<br />

Übersetzungsmarkt und das gute Netz<br />

mit PartnerInnenbüros <strong>in</strong> anderen<br />

Ländern, das ihr Vorgänger aufgebaut<br />

hatte, gaben ihr das Vertrauen <strong>in</strong> <strong>die</strong><br />

Erfolgschancen der Firma. Dass sie ihre<br />

Entscheidung nicht bereut hat, <strong>ist</strong> der<br />

Bege<strong>ist</strong>erung anzumerken, mit der sie<br />

über ihre Aufgaben spricht: über <strong>die</strong><br />

Arbeit mit den KundInnen, denen sie<br />

<strong>die</strong> Sicherheit vermitteln will, dass sie<br />

ihre Probleme rechtzeitig lösen wird<br />

und über ihr Bemühen dafür zu sorgen,<br />

69


dass sich <strong>die</strong> sechs MitarbeiterInnen,<br />

<strong>die</strong> seit der ersten Stunde dabei s<strong>in</strong>d,<br />

im Betrieb wohl fühlen. Sab<strong>in</strong>e Kern<br />

setzt <strong>in</strong> ihrem Unter nehmen auf den<br />

E<strong>in</strong>satz neuer Technologien, wie lernende<br />

Übersetzungsprogramme.<br />

Die beschleunigten Produktzyklen<br />

fordern immer mehr e<strong>in</strong> rasches, effizientes<br />

und kostengünstiges Übersetzen,<br />

etwa von Gebrauchsanweisungen.<br />

Geme<strong>in</strong>sam mit den KundInnen probiert<br />

sie neue Lösungen aus, gehe dabei<br />

auch Risiken e<strong>in</strong> und agiert dennoch<br />

vorsichtig.<br />

„Erfolg das bedeutet für mich,<br />

dass alle zufrieden s<strong>in</strong>d. Am<br />

me<strong>ist</strong>en Spaß macht es mir,<br />

wenn was los <strong>ist</strong>. Wenn Kund-<br />

Innen sagen, das war super,<br />

und gerne wieder kommen.<br />

Wenn MitarbeiterInnen sagen,<br />

das war klasse und ich merke,<br />

sie haben Freude mit dem<br />

Erfolg.“<br />

Selbständigkeit statt „Warten<br />

auf Godot“<br />

Selbständigkeit als Arbeitsform habe<br />

sie bereits im Elternhaus <strong>in</strong> Kärnten<br />

kennen gelernt. Der Vater war Industrieller,<br />

<strong>die</strong> Mutter zunächst Hausfrau,<br />

später hat sie sich – „zum Leidwesen<br />

des Vaters“ – selbständig gemacht und<br />

auch politisch engagiert. Die F<strong>in</strong>anzierung<br />

der Unternehmensübernahme<br />

habe sie jedoch eigenständig auf <strong>die</strong><br />

70 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie


B<strong>e<strong>in</strong>e</strong> gestellt, stellt sie klar. Darauf zu<br />

warten, dass ihr etwas geschenkt oder<br />

angeboten wird, <strong>ist</strong> nicht ihre Sache.<br />

Da hat sie, so ihre Erfahrungen, bei<br />

<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m früheren Arbeitgeber gemacht,<br />

wo sie große Projekte leitete und mehr<br />

Verantwortung übernehmen wollte.<br />

„Als Frau hattest du da k<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Chance<br />

auf den Posten <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Abteilungsleiter<strong>in</strong>.<br />

Das <strong>ist</strong> e<strong>in</strong> ‚Warten auf Godot’.“ Als sich<br />

<strong>die</strong> Chance dazu ergab, hat sie also<br />

selbst <strong>die</strong> Initiative ergriffen. „Das kam<br />

dann wie e<strong>in</strong> Geschenk des Himmels.“<br />

Der Schritt <strong>in</strong> <strong>die</strong> Selbständigkeit sei<br />

ihr leicht gefallen, erzählt sie. Die zwei<br />

Söhne waren schon fast erwachsen und<br />

ihr Mann war gerade mit s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m eigenen<br />

Unternehmen ziemlich beschäftigt.<br />

„Wir haben <strong>man</strong>chmal um zehn Uhr am<br />

Abend mite<strong>in</strong>ander telefoniert. ‚B<strong>ist</strong> du<br />

auch noch im Büro?’ ‚Ja.’ ‚Erwartest du<br />

dir eh ke<strong>in</strong> Abendessen von mir?’ ‚ erzählt<br />

sie, lacht dabei und ergänzt: „Wir<br />

s<strong>in</strong>d weiter gut verheiratet.“ Als beste<br />

Schule um ihr Unternehmen zu leiten,<br />

hat sie <strong>die</strong> Jahre zuvor empfunden, <strong>in</strong><br />

denen sie Familie, FreundInnenkreis<br />

und Beruf unter <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Hut zu br<strong>in</strong>gen<br />

hatte. In der Anfangszeit sei es schon<br />

auch schwierig gewesen, gibt sie zu.<br />

„Wenn du um zehn am Abend heim<br />

kommst und am nächsten Tag wieder<br />

um acht da b<strong>ist</strong>, das schlaucht schon.“<br />

Aber dann habe sie sich selbst auf <strong>die</strong><br />

Schulter geklopft und gut zugesprochen.<br />

Und wenn dann e<strong>in</strong> toller Auftrag<br />

re<strong>in</strong> kam, dann sei es ihr wieder gut<br />

gegangen. Ihr Ehe<strong>man</strong>n und ihre MitarbeiterInnen<br />

waren dabei sehr wichtige<br />

Stützen für sie.<br />

Anregungen <strong>in</strong> guter<br />

Gesellschaft<br />

Damit das Privatleben nicht zu kurz<br />

kommt, hat Sab<strong>in</strong>e Kern 2004 <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n<br />

„organisierten FreundInnenkreis“ <strong>in</strong>s<br />

Leben gerufen, <strong>in</strong>dem sie kurzerhand<br />

<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Rotary Club gegründet hat. „Die<br />

me<strong>ist</strong>en Rotary Clubs s<strong>in</strong>d Männerclubs<br />

und das <strong>ist</strong> auch e<strong>in</strong> ‚Warten auf<br />

Godot’, bis <strong>man</strong> da e<strong>in</strong>mal gefragt wird,<br />

dass <strong>man</strong> dabei se<strong>in</strong> kann.“ Mittlerweile<br />

<strong>ist</strong> e<strong>in</strong> junger, lebendiger Club entstanden,<br />

der sich wöchentlich e<strong>in</strong>mal trifft,<br />

bei dem sie Leute aus anderen Berufen<br />

sieht und sich neue Anregungen holen<br />

kann. Zu den regelmäßigen Treffen<br />

kommen sportliche Aktivitäten als Ausgleich<br />

h<strong>in</strong>zu: „Weil <strong>man</strong> nur dann gut<br />

<strong>ist</strong>, wenn <strong>man</strong> auch auf andere Gedanken<br />

kommt. Jeder von uns muss e<strong>in</strong>mal<br />

durchhalten und e<strong>in</strong>mal <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Zeitlang<br />

alles h<strong>in</strong>ten anstellen. Aber <strong>man</strong> muss<br />

auf s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Gesundheit achten.“<br />

Was sie jungen Frauen für das Arbeitsleben<br />

empfehlen würde? „Bleib immer<br />

am Ball! Steh’s durch! Und lass dich<br />

nicht zu lange vom Job fern halten!“<br />

14 71


Ruth Kolmer<br />

Interview: Teresa Arrieta | Oktober 2006<br />

„Frauen brauchen Unterstützung für <strong>die</strong> typisch<br />

weiblichen Tätigkeiten, von denen sich <strong>die</strong> Gesellschaft<br />

vorstellt, dass <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Frau sie tun muss.“<br />

Fotos: Kathar<strong>in</strong>a Gossow<br />

72 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie


Halbe Halbe <strong>in</strong> den 50er<br />

Jahren<br />

Ruth Kolmer hat <strong>in</strong> den fünfziger<br />

Jahren als e<strong>in</strong>zige Frau ihres Jahrgangs<br />

stu<strong>die</strong>rt, war technische Direktor<strong>in</strong><br />

von drei Firmen und g<strong>in</strong>g fünf<br />

Wochen nach der Entb<strong>in</strong>dung wieder<br />

arbeiten.<br />

„E<strong>in</strong> Charmeurlächeln hab ich nie<br />

aufgesetzt <strong>in</strong> der Firma, ich hab mich<br />

als Frau völlig normal verhalten“, sagt<br />

Ruth Kolmer. Und das nimmt <strong>man</strong> ihr<br />

Ausbildung:<br />

Studium Lebensmittelchemie/<br />

Gärungstechnik<br />

Position:<br />

Technische Direktor<strong>in</strong> i. R.<br />

Branche:<br />

Lebensmittel<strong>in</strong>dustrie<br />

auch ab. Nüchtern, sachlich und sehr<br />

bestimmt wirkt sie auch noch mit<br />

ihren 79 Jahren. Auch, dass sie als<br />

technische Frau Direktor<strong>in</strong> bereits <strong>in</strong><br />

den siebziger Jahren über drei Firmen<br />

geherrscht hat und <strong>in</strong> ihrer Position<br />

<strong>die</strong> e<strong>in</strong>zige Frau weit und breit war,<br />

f<strong>in</strong>det sie „völlig normal“. Jene, <strong>die</strong><br />

daran Anstoß nahmen, überg<strong>in</strong>g sie<br />

hoheitlich, denn Ruth Kolmer <strong>ist</strong> nicht<br />

aus der Fassung zu br<strong>in</strong>gen. Wie <strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />

eiserne Lady thront sie im Lehnstuhl<br />

ihrer biedermeierlich e<strong>in</strong>gerichteten<br />

Wiener Wohnung und will das Arbeiten<br />

immer noch nicht lassen. Sie kann sich<br />

nicht vorstellen, „ohne Tätigkeit zu<br />

leben“ gesteht sie melancholisch, denn<br />

<strong>die</strong> große Zeit der österreichischen<br />

Lebensmittel<strong>in</strong>dustrie <strong>ist</strong> e<strong>in</strong>deutig<br />

vorbei. Zwar hat sie immer noch <strong>die</strong><br />

Verwaltung der still gelegten Wiener<br />

„Vegetabilen Ölfabrik“ <strong>in</strong>ne, doch nach<br />

dem EU Beitritt Österreichs g<strong>in</strong>g alles<br />

bergab, „<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Industriefriedhof“<br />

gleichen <strong>man</strong>che Wiener Randbezirke<br />

heute, murmelt Ruth Kolmer betrübt.<br />

73


Eiserner Führungswille<br />

Viel Wehmut lässt sich jedoch nicht zu,<br />

Zeit ihres Berufslebens war Weichheit<br />

fehl am Platz, denn es galt, sich als<br />

Frau Chef<strong>in</strong> durchzusetzen und das<br />

Familienleben mit zwei K<strong>in</strong>dern an ihre<br />

Arbeit anzupassen. Stu<strong>die</strong>rt hat <strong>die</strong><br />

Respektgebietende Lebensmittelchemie<br />

und Gärungstechnik. In ihrem Jahrgang<br />

waren sie drei Mädchen, doch nur <strong>die</strong><br />

junge Ruth schloss das Studium ab. „<strong>Es</strong><br />

war damals ungewöhnlich“ er<strong>in</strong>nert sie<br />

sich, hat jedoch auch k<strong>e<strong>in</strong>e</strong> besondere<br />

Erklärung für ihr frühes Streben nach<br />

Selbstständigkeit parat - allerd<strong>in</strong>gs<br />

habe auch ihr Vater sie immer zur<br />

Selbstbestimmtheit ermutigt. 1952<br />

schloss Ruth Kolmer ihr Studium als<br />

Frau Ingenieur<strong>in</strong> ab und bekam zwei<br />

Wochen darauf ihre erste Stelle bei<br />

der „Speiseöl und Speisefett<strong>in</strong>dustrie<br />

Schichtwerke Atzgersdorf“. Sie hatte<br />

das bakteriologische Labor über, war<br />

für Hygiene und Produktentwicklung<br />

zuständig. Von Anfang an strebte <strong>die</strong><br />

Avantgarde-Fem<strong>in</strong><strong>ist</strong><strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong> leitende<br />

Stellung an. Denn jeder Mensch, der<br />

nicht <strong>die</strong> Möglichkeit hat, <strong>e<strong>in</strong>e</strong> verantwortungsvolle<br />

Position auszuüben, tue<br />

ihr leid, wie sie während des Gesprächs<br />

immer wieder betont. Die erste<br />

Schwanger schaft machte ihrem Ehrgeiz<br />

trotz allen Elans <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Strich durch <strong>die</strong><br />

Rechnung, denn dem neuen Direktor<br />

„hat es nicht geschmeckt, dass ich als<br />

Mutter weiter arbeiten wollte“.<br />

Herr<strong>in</strong> über drei Reiche<br />

Be<strong>in</strong>hart zeigte sie sich auch hier:<br />

„Ich hab rasch gesagt: Dann können<br />

wir unser Dienstverhältnis lösen.“ Drei<br />

Monate nach der Entb<strong>in</strong>dung trat sie<br />

<strong>e<strong>in</strong>e</strong> neue Stelle <strong>in</strong> der vegetabilen<br />

Öl fabrik an, wo sie bald zur Betriebsleiter<strong>in</strong><br />

avancierte. Die Frau Ingenieur<strong>in</strong><br />

74 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie


war damals an der Erf<strong>in</strong>dung von so<br />

bekannten Namen wie Osolio und<br />

Frivissa beteiligt. Der große Karrieresprung<br />

erfolgte 1972, als sich <strong>die</strong> Firma<br />

mit zwei anderen zur „Vere<strong>in</strong>igten<br />

Fett waren<strong>in</strong>dustrie“ zusammenschloss.<br />

Fortan war sie technische Direktor<strong>in</strong><br />

von drei Firmen und re<strong>ist</strong>e zwischen<br />

Wels, Wien und Innsbruck kontrollierend<br />

h<strong>in</strong> und her. Ja klar, für <strong>die</strong><br />

Bundesländer-Betriebe war es ungewohnt,<br />

unter dem Regime <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r willensstarken<br />

weiblichen Vorgesetzten zu<br />

stehen: „Man hat sich wohl gewundert,<br />

aber sich´s nie anmerken lassen, denn<br />

ich war ja <strong>die</strong> Vorgesetzte.“ sagt Ruth<br />

Kolmer ungerührt. Das Wiener Unternehmen<br />

galt bald als „Weiberbetrieb“,<br />

denn Ruth Kolmer bemühte sich nach<br />

Kräften, weitere Frauen <strong>in</strong> leitende<br />

Positionen zu hieven. Ihr Lebensmotto:<br />

„Gleiche Rechte und gleiche Pflichten“<br />

zog sie unerschütterlich durch: In<br />

ihrer Familie sei es selbstverständlich<br />

ge wesen, dass alle zusammenhelfen,<br />

Halbe-Halbe war „net amal <strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />

Diskussion“. Bei der zweiten Schwangerschaft<br />

arbeitete sie quasi bis zum<br />

Tag der Entb<strong>in</strong>dung und trat wenige<br />

Wochen später ihren Job wieder an.<br />

Arbeiten Tag und Nacht<br />

E<strong>in</strong>e K<strong>in</strong>derfrau stand schon nach der<br />

Geburt bereit und führte <strong>die</strong> Sprössl<strong>in</strong>ge<br />

täglich zum K<strong>in</strong>dergarten. Wenn<br />

<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r krank war, standen auch Großmutter<br />

und Tante zur Verfügung, denn<br />

Ruth Kolmer saß wenn nötig auch<br />

spätnachts noch <strong>in</strong> der Firma: „Ich b<strong>in</strong><br />

der Me<strong>in</strong>ung, dass Frauen <strong>die</strong> Möglichkeit<br />

erhalten sollen, ihre Le<strong>ist</strong>ung<br />

auch mit K<strong>in</strong>dern voll zu erbr<strong>in</strong>gen.<br />

<strong>Es</strong> <strong>ist</strong> Aufgabe der Gesellschaft, den<br />

Frauen <strong>die</strong> Möglichkeiten zu schaffen,<br />

sich beruflich e<strong>in</strong>zusetzen. K<strong>in</strong>derbetreuungsplätze<br />

und e<strong>in</strong> geme<strong>in</strong>sames<br />

Arbeiten <strong>in</strong> der Hauswirtschaft s<strong>in</strong>d<br />

selbstverständlich“, schildert sie ihre<br />

Überzeugungen. Die Arbeitsstunden hat<br />

sie nie gezählt, sich mit der Firma voll<br />

identifiziert bis <strong>in</strong> <strong>die</strong> Urlaube h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>,<br />

denn „wenn <strong>man</strong> im Meer schwimmt<br />

und es geht je<strong>man</strong>d am Strand entlang<br />

mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Schild mit m<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m<br />

Namen“, fällt es schwer, abzuschalten.<br />

Weswegen soll sie sich als schlechte<br />

Mutter fühlen, <strong>die</strong> K<strong>in</strong>der seien ganz im<br />

Gegenteil immer stolz auf ihre erfolgreiche<br />

Mama gewesen. E<strong>in</strong> Mann wird<br />

ja auch nicht gefragt, wie er s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n<br />

Direktorenposten mit s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Familienleben<br />

ver<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n kann.<br />

„Ich hab <strong>die</strong> Firma völlig <strong>in</strong><br />

me<strong>in</strong> Leben <strong>in</strong>tegriert.“<br />

75 14


Ir<strong>in</strong>a Korsch<strong>in</strong>eck<br />

Interview: Teresa Arrieta | März 2007<br />

„Ich hab me<strong>in</strong> Unternehmen Schritt für Schritt nach<br />

oben geführt, ohne fremdes Kapital, dafür mit sehr<br />

hohen Qualitätsansprüchen“<br />

Fotos: Nora Friedel<br />

76 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie


„Frauen müssen aus der<br />

Komfortzone heraus“<br />

Neo-Unternehmer<strong>in</strong> Ir<strong>in</strong>a Korsch<strong>in</strong>eck<br />

entwickelt mit ihrer Firma Ingenetix<br />

molekularbiologische Nachweismethoden,<br />

tätigt genetische Analysen<br />

für <strong>die</strong> Gerichtsmediz<strong>in</strong> und genießt<br />

ihre Unabhängigkeit.<br />

„E<strong>in</strong>es m<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Motive war, dass ich k<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n<br />

Chef mehr wollte“, erläutert Ir<strong>in</strong>a<br />

Korsch<strong>in</strong>eck <strong>die</strong> Gründe, <strong>die</strong> sie zur<br />

Selbstständigkeit bewogen. Sie sei eben<br />

e<strong>in</strong> sehr autonomer Mensch: „<strong>Es</strong> fällt<br />

Ausbildung:<br />

Studium Biotechnologie, Universität für<br />

Bodenkultur, Wien, Postdoc<br />

Mediz<strong>in</strong>ische Universität Wien<br />

Position:<br />

Gründer<strong>in</strong> von INGENETIX, 2003<br />

Branche:<br />

Forschung und Entwicklung<br />

im Bereich Biotechnologie<br />

mir schwer, Anordnungen von oben<br />

e<strong>in</strong>fach auszuführen – ich diskutiere,<br />

h<strong>in</strong>terfrage und lasse mich danach<br />

auch überzeugen, nur: So funktioniert<br />

das <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r großen Firma nicht“<br />

er<strong>in</strong>nert sich <strong>die</strong> Biotechnolog<strong>in</strong> an<br />

schwierige Zeiten als Angestellte. Bevor<br />

sie zur Gründer<strong>in</strong> wurde, arbeitete sie<br />

als Applikationsspezial<strong>ist</strong><strong>in</strong> für molekularbiologische<br />

Geräte <strong>in</strong> der österreichischen<br />

Niederlassung <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s amerikanischen<br />

Biotechnologie-Unternehmens,<br />

zu dessen KundInnen Pharmafirmen<br />

und Universitäten zählten. Sie führte<br />

<strong>die</strong> Klientel <strong>in</strong> <strong>die</strong> Anwendung der Ge-<br />

räte e<strong>in</strong> und versorgte sie auch mit den<br />

dazugehörigen chemischen Reagenzien.<br />

Die Technik der molekularbiologischen<br />

Geräte hat Ir<strong>in</strong>a Korsch<strong>in</strong>eck schon seit<br />

dem Studium fasz<strong>in</strong>iert: „Die Methodik<br />

war immer schon das Interessanteste<br />

für mich, das Geschehen im Labor, das<br />

technische Drumherum.“ Damals wurde<br />

der amerikanische Konzern Applied<br />

Biosystems auf ihre Talente aufmerksam.<br />

Sechs Jahre lang arbeitete sie <strong>in</strong><br />

der österreichischen Niederlassung des<br />

Biotechnologie-Unternehmens, heute<br />

blickt sie mit gemischten Gefühlen auf<br />

<strong>die</strong>se Zeit zurück: E<strong>in</strong>erseits konnte sie<br />

77


viel reisen und erleben, wie <strong>in</strong>ternationale<br />

Teamarbeit funktioniert. Auch<br />

erhielt <strong>die</strong> Gentechnik-Spezial<strong>ist</strong><strong>in</strong><br />

viel Anerkennung von KundInnenseite<br />

aufgrund ihrer hohen fachlichen<br />

Kompetenz.<br />

Unverschämtheit bei<br />

Gehaltsverhandlungen<br />

Darüber h<strong>in</strong>aus profitierte sie von<br />

den erstklassigen firmenunterstützten<br />

Weiterbildungen im Bereich Market<strong>in</strong>g<br />

und Kommunikation. „Ich habe<br />

viel gelernt, was mir jetzt sehr zugute<br />

kommt.“ Etwa, dass zu Beg<strong>in</strong>n <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s<br />

Vortrages Schweigen s<strong>in</strong>nvoll <strong>ist</strong>, wenn<br />

es gilt, das murmelnde Publikum zur<br />

Ruhe zu br<strong>in</strong>gen. „Wenn <strong>man</strong> e<strong>in</strong>fach<br />

wartet und nichts sagt, werden <strong>die</strong><br />

Zuhörer Innen von ganz all<strong>e<strong>in</strong>e</strong> still.<br />

Und <strong>man</strong> hat schnell <strong>die</strong> ungeteilte<br />

Aufmerksamkeit auf s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Seite“,<br />

plaudert sie <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n der damals erlernten<br />

Kommunikations-Tricks aus. Neben <strong>die</strong>sen<br />

Highlights <strong>in</strong>nerhalb des Großunternehmens<br />

tat sie sich jedoch schwer<br />

mit den konzern-typischen Hierarchien.<br />

Auch wurden ihr im Laufe der Jahre<br />

<strong>die</strong> Gehalts- und Karriereunterschiede<br />

zwischen Männern und Frauen immer<br />

deutlicher bewusst.<br />

„Männer erreichen Führungspositionen<br />

rascher und ver<strong>die</strong>nen mehr. Frauen<br />

fehlt e<strong>in</strong>fach <strong>die</strong> Unverschämtheit bei<br />

den Gehaltsverhandlungen“, so ihr<br />

Fazit heute. „Aber wir müssen aus der<br />

Komfortzone heraus, mit fünf Prozent<br />

darf <strong>man</strong> sich nicht zufrieden geben.“<br />

Sie fand es schlichtweg schwieriger, als<br />

Frau Karriere zu machen. Und da sich<br />

<strong>die</strong> hoch Qualifizierte mit wenig nicht<br />

zufrieden geben wollte, wagte sie den<br />

Schritt <strong>in</strong> <strong>die</strong> Selbstständigkeit. Dabei<br />

wurde ihr von den damaligen KundInnen<br />

stets Ermutigung und Unterstützung<br />

zuteil. Bis heute verdankt sie den steilen<br />

Aufwärtstrend ihres Unternehmens<br />

der Mundpropaganda, <strong>die</strong> auf <strong>die</strong> hohe<br />

Qualität ihrer Arbeit zurückzuführen <strong>ist</strong>.<br />

Unerklärliches<br />

ExpertInnenwissen<br />

<strong>Es</strong> <strong>ist</strong> ke<strong>in</strong> leichtes Unterfangen,<br />

den Kern ihrer heutigen Tätigkeit<br />

<strong>in</strong> allgeme<strong>in</strong>verständliche Worte zu<br />

kleiden: E<strong>in</strong>e der Ingenetix-Säulen s<strong>in</strong>d<br />

genetische Analysen, beispielsweise<br />

Vaterschaftstests. Säule Nummer zwei<br />

<strong>ist</strong> <strong>die</strong> Entwicklung von so genannten<br />

molekularbiologischen Assays, <strong>die</strong> Etablierung<br />

neuer Nachweismethoden für<br />

seltene Viren und Bakterien. Mitunter<br />

lagern Industrie und Universitäts<strong>in</strong>stitute<br />

Teile <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Forschungsprojekts<br />

an Ingenetix aus, z. B. Analysen zur<br />

Mengenbestimmung von Nukle<strong>in</strong>säuren<br />

(RNA/DNA) oder der Nachweis von<br />

Polymorphismen (genetische Variabilität).<br />

Darüber h<strong>in</strong>aus vertreibt Ingenetix<br />

auch Testverfahren, welche geme<strong>in</strong>sam<br />

mit Universitäten entwickelt wurden:<br />

„<strong>Es</strong> liegt viel Spezialwissen <strong>in</strong> Österreich<br />

brach, das nicht <strong>in</strong> der Schublade landen<br />

sollte“, f<strong>in</strong>det <strong>die</strong> Biotechnolog<strong>in</strong>.<br />

Der Erfolg ihrer vor kaum dreie<strong>in</strong>halb<br />

Jahren gegründeten Firma beruht auf<br />

re<strong>in</strong> weiblichem Know-how, <strong>in</strong>sofern<br />

passt der Firmenname Ingenetix („Mit<br />

X, wie das X-Chromosom“) perfekt.<br />

Denn Ingenetix wird zurzeit von <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m<br />

r<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Frauenteam gestellt - und das<br />

<strong>ist</strong> ke<strong>in</strong> Zufall: „Ich arbeite nur mit<br />

hoch qualifizierten MitarbeiterInnen.<br />

Unter <strong>die</strong>sen s<strong>in</strong>d Frauen eher als<br />

Männer bereit, bei <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Start-up<br />

Unternehmen e<strong>in</strong>zusteigen.“ Denn<br />

Männer haben auf dem von Ingenetix<br />

geforderten Qualifikationsniveau<br />

bereits anderswo Karriere gemacht und<br />

s<strong>in</strong>d nicht so leicht abzuwerben.<br />

Auf Expansionskurs<br />

„Wir s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong> sehr gutes Team, das hart<br />

arbeitet, aber wir haben auch viel Spaß<br />

zusammen und das <strong>ist</strong> mir sehr, sehr<br />

wichtig“, erklärt Ir<strong>in</strong>a Korsch<strong>in</strong>eck ihre<br />

Firmenphilosophie. „Ich kritisiere hart,<br />

aber ich teile auch Lorbeeren an m<strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />

MitarbeiterInnen aus - übrigens <strong>ist</strong><br />

es umgekehrt genau so.“ Im Zuge der<br />

Firmengründung zog sie <strong>die</strong> für sie so<br />

wichtige Autonomie auch auf f<strong>in</strong>anzieller<br />

Ebene durch und verzichtete auf<br />

jegliches Fremdkapital, um sich nicht<br />

<strong>in</strong> erneute Abhängigkeiten zu begeben.<br />

„Da hätte ich mich schon wieder<br />

rechtfertigen müssen dafür, wie ich<br />

<strong>die</strong> D<strong>in</strong>ge anpacke.“ Ir<strong>in</strong>a Korsch<strong>in</strong>eck<br />

reduzierte stattdessen ihre Lebenshaltungskosten<br />

und startete mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m<br />

uralten Computer im Homeoffice, bis<br />

sie den Ankauf der teuren Biotechnologie<br />

Geräte selbst bestreiten konnte.<br />

„Ich hab <strong>die</strong> Firma völlig alle<strong>in</strong> aus<br />

dem Boden gestampft und b<strong>in</strong> dabei<br />

ke<strong>in</strong> großes Risiko e<strong>in</strong>gegangen“, sagt<br />

sie heute stolz, und der Erfolg gibt ihr<br />

Recht: Ingenetix wächst jedes Jahr um<br />

35 bis 40 Prozent, alle zwölf Monate<br />

kommt zum<strong>in</strong>dest <strong>e<strong>in</strong>e</strong> neue MitarbeiterIn<br />

h<strong>in</strong>zu.<br />

78 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie


Ir<strong>in</strong>a Korsch<strong>in</strong>ecks Zukunftspläne:<br />

Weiter auf Expansionskurs bleiben und<br />

<strong>in</strong> naher Zukunft <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n männlichen Mitarbeiter<br />

e<strong>in</strong>stellen „um auch der männlichen<br />

Gleichberechtigung <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Chance<br />

zu geben und so der genetischen Vielfalt<br />

Genüge zu tun“, verrät Ir<strong>in</strong>a Korsch<strong>in</strong>eck<br />

mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Augenzw<strong>in</strong>kern.<br />

„Ich brauche den Sche<strong>in</strong> des Luxus nicht.<br />

Bevor ich mir e<strong>in</strong> tolles Auto kaufe, <strong>in</strong>vestiere<br />

ich lieber <strong>in</strong> m<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Firma.“<br />

79 14


„Ich möchte jungen Kolleg<strong>in</strong>nen Mut zur<br />

Selbstständigkeit machen.“<br />

Elisabeth Mandl<br />

Interview: Knoll&Szalai, Teresa Arrieta | September 2007<br />

Fotos: Nora Friedel<br />

80 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie


E<strong>in</strong> Fuß im OP, <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r<br />

auf der Baustelle<br />

Die Ingenieur<strong>in</strong> Elisabeth Mandl<br />

richtet Intensivstationen e<strong>in</strong>, liebt<br />

Baustellen, vermittelt <strong>in</strong> Streitverfahren<br />

und fühlt sich rundherum<br />

wohl.<br />

Mediz<strong>in</strong>, Technik, Bauplanung:<br />

Elisabeth Mandl vere<strong>in</strong>t alles <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r<br />

Person. Sie komb<strong>in</strong>iert ihre soziale Ader,<br />

(„ich wollte Menschen immer schon<br />

Ausbildung:<br />

Studium Elektrotechnik an der<br />

Technischen Universität Graz<br />

Position:<br />

Seit 1996 selbstständige<br />

Ingenieurskonsulent<strong>in</strong><br />

Branche:<br />

Mediz<strong>in</strong>technik<br />

gerne helfen, deswegen fühlte ich mich<br />

zum mediz<strong>in</strong>ischen Bereich h<strong>in</strong>gezogen“)<br />

mit ihrem technischen Talent und<br />

ihrem ausgeprägten räumlichen Vorstellungsvermögen.<br />

Seit elf Jahren plant<br />

sie als selbstständige Ingenieurskonsulent<strong>in</strong><br />

den Bau von Krankenhausabteilungen,<br />

richtet Operationssäle und<br />

Intensivstationen e<strong>in</strong>, schätzt Kosten,<br />

erstellt Machbarkeitsstu<strong>die</strong>n und fungiert<br />

nebenbei als Gerichtsgutachter<strong>in</strong><br />

im Bereich Mediz<strong>in</strong>technik. Der Weg<br />

bis zur Selbstständigkeit war lang,<br />

aber ihre Technikbege<strong>ist</strong>erung zeichnete<br />

sich bereits <strong>in</strong> der K<strong>in</strong>dheit ab,<br />

geprägt von ihrem Vater: „Er hat viel<br />

selber gemacht, z. B. Uhren repariert.<br />

Die Unruhen, <strong>die</strong> Zahnräder … . <strong>Es</strong> hat<br />

mich fasz<strong>in</strong>iert, dass er jedes Problemchen<br />

lösen konnte.“ Später besuchte<br />

sie <strong>die</strong> HTL <strong>in</strong> Kapfenberg, als <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s von<br />

zwei Mädchen ihres Jahrgangs. Nach<br />

ihrem Abschluss schnupperte sie <strong>in</strong> den<br />

bereits damals von ihr favorisierten Feldern<br />

Technik und Mediz<strong>in</strong>: Sie arbeitete<br />

an der Technischen Universität Graz als<br />

81


„Ich identifiziere mich mit m<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Projekten<br />

und kann nur jene KundInnenwünsche<br />

umsetzen, <strong>die</strong> ich auch bejahe.“<br />

Hilfskraft und <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Krankenhaus<br />

als Pflegerhelfer<strong>in</strong>. „Ich hab <strong>die</strong> Böden<br />

gewischt und <strong>die</strong> PatientInnen gefüttert.<br />

Aber <strong>die</strong> mediz<strong>in</strong>ische Seite alle<strong>in</strong><br />

hat mir nicht gereicht, mich hat´s zur<br />

Technik h<strong>in</strong>gezogen. Ich wollte den<br />

Menschen mittels Technik helfen.“<br />

Die Geburtsstunde des<br />

papierlosen EEG<br />

Schließlich entschied sie sich fürs Studium<br />

der Elektrotechnik <strong>in</strong> Graz, <strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />

harte Zeit: Da sie von der HTL kam,<br />

waren <strong>die</strong> ersten Semester noch locker,<br />

82 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie


doch irgendwann steckte sie fest: „Die<br />

Prüfung zur Wechselstromtechnik hab<br />

ich e<strong>in</strong>ige Male wiederholt, das war<br />

<strong>e<strong>in</strong>e</strong> echte Hürde.“ E<strong>in</strong>e der wenigen<br />

Student<strong>in</strong>nen zu se<strong>in</strong> war ebenfalls<br />

<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Herausforderung: „Im Zeichensaal<br />

war ich das e<strong>in</strong>zige Mädchen, aber ich<br />

hab das geme<strong>in</strong>same Lernen genossen.<br />

Als ich im Laufe der Zeit nicht mehr<br />

so regelmäßig kam, wollte mich e<strong>in</strong><br />

Stu<strong>die</strong>nkollege mit H<strong>in</strong>weis auf <strong>die</strong> Zeichensaalstatuten<br />

aus dem Zeichensaal<br />

entfernen lassen. <strong>Es</strong> <strong>ist</strong> halt so, dass<br />

<strong>man</strong> als Mädel überall auffällt.“<br />

Parallel zum Studium arbeitete sie<br />

als Stu<strong>die</strong>nass<strong>ist</strong>ent<strong>in</strong> am Institut für<br />

Elektro- und Biomediz<strong>in</strong>ische Technik.<br />

Dort erlebte sie <strong>die</strong> Geburtsstunde des<br />

papierlosen EEG – des Elektroenzephalogramms.<br />

Die Befassung mit <strong>die</strong>sen<br />

ersten computergespeicherten Aufnahmen<br />

der elektrischen Gehirnaktivität<br />

sei „wahns<strong>in</strong>nig aufregend“ gewesen,<br />

hier bestätigte sich für Elisabeth Mandl<br />

wieder, dass <strong>die</strong> Komb<strong>in</strong>ation von<br />

Technik und Mediz<strong>in</strong> haargenau richtig<br />

für sie <strong>ist</strong>. Nach Ende des Studiums<br />

waren <strong>in</strong> der Steiermark alle Posten mit<br />

jungen Kollegen besetzt, und so folgte<br />

<strong>die</strong> Ingenieur<strong>in</strong> dem Ruf nach Wien,<br />

wo sie auf Anhieb <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Führungsjob<br />

bekam: Sie wurde zur Leiter<strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s<br />

technischen Servicezentrums <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m<br />

Wiener Krankenhaus: „Wir waren drei<br />

Biomediz<strong>in</strong>erInnen aus Graz, <strong>die</strong> gleichzeitig<br />

<strong>in</strong> <strong>die</strong> Wiener Krankenhäuser<br />

ausgeschwirrt s<strong>in</strong>d. Wir haben <strong>die</strong> mediz<strong>in</strong>ischen<br />

Geräte gewartet, Reparaturen<br />

durchgeführt, <strong>die</strong> Mediz<strong>in</strong>erInnen<br />

bei Neuanschaffungen beraten und <strong>die</strong><br />

sicherheitstechnischen Überprüfungen<br />

gemacht.“<br />

K<strong>in</strong>der machen selbstständig<br />

Nach weiteren Leitungsjobs bei<br />

mediz<strong>in</strong>technischen Firmen, <strong>die</strong> bis<br />

zur örtlichen Bauaufsicht bei neuen<br />

Krankenhausbauten reichten, bekam<br />

Elisabeth Mandl ihr zweites K<strong>in</strong>d und<br />

hatte somit zwei wichtige Gründe,<br />

sich selbstständig zu machen: „E<strong>in</strong><br />

zweites K<strong>in</strong>d war mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m leitenden<br />

Angestelltenposten sehr schwer zu<br />

vere<strong>in</strong>baren, denn ich wollte ja für<br />

m<strong>e<strong>in</strong>e</strong> K<strong>in</strong>der da se<strong>in</strong>.“ Seit elf Jahren<br />

<strong>ist</strong> sie nun schon Freiberufler<strong>in</strong> und<br />

hat <strong>die</strong>sen Schritt nie bereut: „Die Aufträge<br />

flattern Gott sei Dank von selber<br />

here<strong>in</strong>.“<br />

Heute umfasst ihr Arbeitsbereich alles,<br />

was mit Planung und Beratung im<br />

Gesundheitswesen und Krankenhausbau<br />

zu tun hat. Sie erstellt Raumprogramme<br />

für Neu-, Zu- und Umbauten, <strong>ist</strong> für <strong>die</strong><br />

mediz<strong>in</strong>technische Fachplanung verantwortlich<br />

und stapft souverän auf Baustellen<br />

herum: „Ich habe jetzt das Alter,<br />

wo Frau-Se<strong>in</strong> auf der Baustelle e<strong>in</strong>fach<br />

fe<strong>in</strong> <strong>ist</strong>. Der Vorsprung an Jahren<br />

gegenüber jungen KollegInnen <strong>ist</strong> e<strong>in</strong><br />

großer Vorteil.“ Sie liebt ihre Arbeit und<br />

hat „wunderschöne Projekte“: „Mich<br />

fasz<strong>in</strong>iert <strong>die</strong> Vielfältigkeit, ke<strong>in</strong> Projekt<br />

<strong>ist</strong> gleich. Aktuell erstelle ich Raumprogramme<br />

für Geriatriezentren, <strong>die</strong> <strong>die</strong><br />

Grundlage für den ArchitektInnenwettbewerb<br />

darstellen.“<br />

Daneben verfasst sie Le<strong>ist</strong>ungsverzeichnisse<br />

für <strong>die</strong> erforderlichen<br />

mediz<strong>in</strong>technischen Geräte und leitet<br />

<strong>die</strong> örtliche Bauaufsicht. Ihr Mann, der<br />

als EDV-Spezial<strong>ist</strong> arbeitet, unterstützt<br />

sie nach Bedarf.<br />

Mediation und garteln<br />

Elisabeth Mandls AuftraggeberInnen<br />

s<strong>in</strong>d über ganz Österreich verteilt.<br />

Heute fühlt sie sich „so richtig wohl“ <strong>in</strong><br />

ihrem Job, arbeitet sehr viel, sehr gerne<br />

und <strong>ist</strong> dabei e<strong>in</strong> E<strong>in</strong>-Frau Betrieb<br />

geblieben - <strong>man</strong>che Aufgaben werden<br />

nach Bedarf ausgelagert:<br />

„Mir war nie wichtig, <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Riesenfirma<br />

zu haben. Ich will das, was ich für gut<br />

halte umsetzen. Mir <strong>ist</strong> <strong>die</strong> Identifikation<br />

mit m<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Arbeit sehr wichtig, es<br />

soll e<strong>in</strong> positives und s<strong>in</strong>nvolles Projekt<br />

se<strong>in</strong>. Für Prestigeobjekte b<strong>in</strong> ich nicht<br />

zu haben. Funktionalität und Qualität<br />

stehen für mich an erster Stelle.“ Vor<br />

zwei Jahren hat sie auch <strong>die</strong> Ausbildung<br />

zur Mediator<strong>in</strong> für den Planungs-<br />

und Baubereich gemacht. Die dabei<br />

erlernten Konfliktlösungstechniken<br />

wendet sie nun im beruflichen Alltag<br />

an: „Bei Besprechungen mit Bauherren<br />

und Baufrauen kann ich Unstimmigkeiten<br />

nun entspannen, <strong>in</strong>dem ich <strong>die</strong><br />

Beteiligten selber Lösungen f<strong>in</strong>den<br />

lasse, anstatt mit Vorschlägen vorzupreschen.“<br />

Rundum zufrieden mit ihrem Leben<br />

<strong>ist</strong> Elisabeth Mandl. Sie konnte <strong>die</strong><br />

Bege<strong>ist</strong>erung für ihr Fach auch an <strong>die</strong><br />

nächste Generation weitergeben, denn<br />

ihre K<strong>in</strong>der führen <strong>die</strong> mütterlichen<br />

Interessen weiter: Ihre Tochter stu<strong>die</strong>rt<br />

Mediz<strong>in</strong> und berät sie <strong>in</strong> Fachfragen,<br />

ihr Sohn absolviert derzeit <strong>e<strong>in</strong>e</strong> HTL.<br />

Entspannung außerhalb des Jobs f<strong>in</strong>det<br />

sie „bei m<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Familie, mit m<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m<br />

großen FreundInnenkreis, bei vielen<br />

Opern und Konzerten und <strong>in</strong> unserem<br />

Garten im 23. Bezirk <strong>in</strong> Wien“.<br />

83 14


Nicole C. Meisner<br />

Interview: Teresa Arrieta | März 2007<br />

„Frauen <strong>in</strong> Leitungspositionen s<strong>in</strong>d nach wie vor<br />

<strong>in</strong> der M<strong>in</strong>derheit, wahrsche<strong>in</strong>lich weil es vielen<br />

Frauen zu mühsam <strong>ist</strong>, ihre Position im Alltag<br />

ständig verteidigen zu müssen.“<br />

Fotos: Lisa Holzer<br />

84 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie


„Viele Männer können schwer<br />

mit erfolgreichen Frauen<br />

umgehen“<br />

Die Pharmaforscher<strong>in</strong> Nicole Meisner<br />

<strong>ist</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong> der jüngsten Laborleiter-<br />

Innen bei Novartis, entwickelte <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n<br />

neuartigen Ansatz zur Krebstherapie,<br />

muss gegen den Neid männlicher<br />

Kollegen ankämpfen und gegen <strong>die</strong><br />

eigene Lust siebzig Stunden pro Woche<br />

zu arbeiten.<br />

FreundInnen und Familienmitgliedern<br />

kann sie oft nur schwer begreiflich ma-<br />

Ausbildung:<br />

Studium der Molekularbiologie/<br />

Biophysik, Universität Salzburg<br />

Position:<br />

Leiter<strong>in</strong> des Labors für zelluläre<br />

Biophysik bei Novartis Wien<br />

Wissenschaftsdiszipl<strong>in</strong>:<br />

Genetik<br />

chen, warum sie so viel arbeitet: „<strong>Es</strong> <strong>ist</strong><br />

nicht das Geld oder <strong>die</strong> Karriere, es <strong>ist</strong><br />

der Spaß an der Sache.“ erklärt Nicole<br />

Meisner mit leuchtenden Augen – und<br />

auch etwas verlegen. Mit ihrem hippen<br />

Outfit würde <strong>man</strong> sie eher <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m<br />

Szene-Treff als im Forschungslabor vermuten,<br />

aber der Sche<strong>in</strong> trügt gewaltig.<br />

Achtzig Prozent ihrer Zeit verbr<strong>in</strong>ge<br />

sie an ihrer Arbeitsstätte, erklärt <strong>die</strong><br />

Biophysiker<strong>in</strong> schuldbewusst, da bleibe<br />

wenig übrig fürs Privatleben. „Ich hab<br />

das Glück, dass me<strong>in</strong> Partner sehr verständnisvoll<br />

<strong>ist</strong>, er schafft es, dass ich<br />

auch mal abschalte und früher heim<br />

komme.“ Doch ihre Arbeitswut sei <strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />

Branchenkrankheit. Sie sei sicher nicht<br />

<strong>die</strong> e<strong>in</strong>zige Forscher<strong>in</strong>, <strong>die</strong> f<strong>in</strong>det: „<strong>Es</strong><br />

gibt nichts Spannenderes, als vor dem<br />

Mikroskop zu sitzen und <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n neuen<br />

Zusammenhang zu erkennen.“ Ihre Forschungsleidenschaft<br />

hat <strong>die</strong> Molekularbiolog<strong>in</strong><br />

rasch <strong>in</strong> <strong>die</strong> Höhe katapultiert:<br />

Unmittelbar nach Abschluss des<br />

Doktoratstudiums übernahm sie mit<br />

kaum 29 Jahren <strong>die</strong> Leitung des Labors<br />

für zelluläre Biophysik bei der Pharmafirma<br />

Novartis.<br />

85


Tod der Großmutter löst Forschungswut<br />

aus<br />

2006 entwickelte das Ausnahmetalent<br />

<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n neuartigen und möglicherweise<br />

hochwirksamen Ansatz gegen Krebs.<br />

Die von Meisners Team entwickelten<br />

Substanzen sollen sanft wirken und<br />

schädliche Zellen <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m sehr frühen<br />

Stadium angreifen, so dass Chemotherapie<br />

oder Bestrahlung nicht mehr<br />

notwendig s<strong>in</strong>d. „Messenger RNA<br />

Stabilitäts- Modulation“ nennt sich der<br />

neue Therapieansatz, der <strong>in</strong> rund zehn<br />

Jahren auch für den Menschen anwendbar<br />

se<strong>in</strong> könnte und den Novartis<br />

patentieren ließ. So würde sowohl der<br />

Tumor am Wachsen geh<strong>in</strong>dert, als auch<br />

<strong>die</strong> Bildung von Metastasen blockiert.<br />

Auslöser für Meisners wissenschaftlichen<br />

Ehrgeiz war der Krebstod ihrer<br />

Großmutter, <strong>die</strong> sie bis zu ihrem Tod<br />

pflegte und für <strong>die</strong> sie ihren beruflichen<br />

Ehrgeiz zurückstellte: Um ganz für <strong>die</strong><br />

Großmutter da se<strong>in</strong> zu können, zögerte<br />

sie ihren E<strong>in</strong>stieg bei Novartis um e<strong>in</strong><br />

Jahr h<strong>in</strong>aus. Ihr Forschungsprojekt<br />

könnte nun zu <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r neuen Therapie<br />

für genau jene Krebsart führen, an der<br />

ihre Großmutter starb. „M<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Vorgeschichte<br />

verleiht mir zusätzlichen<br />

Antrieb“, bekräftigt Nicole Meisner.<br />

Sieben Jahre liegt der Tod der Großmutter<br />

nun bereits zurück: „Ich muss<br />

mir heute immer öfter <strong>in</strong>s Bewusstse<strong>in</strong><br />

rufen, dem Leben außerhalb der Arbeit<br />

höhere Priorität zu geben. Damals<br />

war´s mir viel bewusster.“<br />

Mobb<strong>in</strong>g durch Männer<br />

Nicole Meisner hat Molekularbiologie<br />

<strong>in</strong> Salzburg stu<strong>die</strong>rt, wo sie ihrem späteren<br />

Doktorvater Manfred Auer bald<br />

positiv auffiel. Er sollte <strong>in</strong> den nächsten<br />

Jahren ihr wichtigster Mentor werden.<br />

So holte er sie für e<strong>in</strong> biophysikalisches<br />

Forschungsprojekt <strong>in</strong> <strong>die</strong> Pharma<strong>in</strong>dustrie<br />

und übertrug ihr rasch den Posten<br />

der Laborleiter<strong>in</strong>, nicht ohne sie zuvor<br />

vor der eigenen Karriere zu warnen:<br />

„Männer können mit jungen Frauen <strong>in</strong><br />

höheren Positionen nicht umgehen“,<br />

me<strong>in</strong>te er <strong>in</strong> weiser Vorausschau –<br />

damals glaubte ihm <strong>die</strong> Hochtalentierte<br />

nicht, doch bald sollte sie es zu spüren<br />

bekommen: <strong>Es</strong> entbrannte e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>jähriger<br />

Konkurrenzkampf mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Kollegen,<br />

der es nicht verkraften konnte,<br />

dass <strong>die</strong> junge Kolleg<strong>in</strong> an s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r statt<br />

den leitenden Posten erhalten hatte.<br />

„Wir haben uns vorher gut verstanden<br />

und gut zusammengearbeitet, aber als<br />

ich <strong>die</strong> Stelle bekam, hat er drei Tage<br />

nicht mit mir gesprochen und mich<br />

dann e<strong>in</strong> Jahr lang gemobbt. <strong>Es</strong> war<br />

schwer erträglich zum Schluss.“ Ihr<br />

Chef habe jedoch <strong>die</strong> Situation erkannt<br />

und sei immer h<strong>in</strong>ter ihr gestanden.<br />

„Männer empf<strong>in</strong>den <strong>die</strong> Konkurrenz<br />

<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Frau anders, als <strong>die</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Mannes“,<br />

bedauert Meisner. Wäre sie e<strong>in</strong><br />

Mann gewesen, hätte der Kollege ihren<br />

Aufstieg weit besser verkraftet, <strong>ist</strong> sie<br />

überzeugt.<br />

International forschen und<br />

Segelboote steuern<br />

Gemessen an ihrem Alter und ihrer Zeit<br />

im Unternehmen hat Nicole Meisner<br />

<strong>e<strong>in</strong>e</strong> ungewöhnlich große Zahl an Patenten<br />

entwickelt. Besonders bege<strong>ist</strong>ert<br />

sie sich für das Sozialverhalten von<br />

Molekülen: „Wir messen mithilfe von<br />

Spektroskopie e<strong>in</strong>zelne Moleküle: Wie<br />

schnell sie sich bewegen, wie schnell<br />

sie rotieren, wie hell sie s<strong>in</strong>d, welche<br />

Farbe sie haben, ob sie all<strong>e<strong>in</strong>e</strong> s<strong>in</strong>d<br />

oder zu zweit.“ Ihr neuestes patentiertes<br />

Bravourstück <strong>ist</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Methode,<br />

Gene mithilfe kl<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r DNA oder RNA<br />

Sequenzen künstlich e<strong>in</strong>zuschalten,<br />

was beispielsweise <strong>die</strong> Blutgefässbildung<br />

verbessern könnte. Das wäre e<strong>in</strong><br />

neuer Therapieansatz für <strong>die</strong> schlechte<br />

Wundheilung bei DiabetikerInnen oder<br />

alten Menschen, hofft Meisner. Ihr<br />

Forschungsprojekt überrollt sie derzeit<br />

geradezu, weil es nun <strong>in</strong> der Firma publik<br />

geworden <strong>ist</strong>. Heute s<strong>in</strong>d mehrere<br />

Arbeitsgruppen weltweit daran beteiligt.<br />

<strong>Es</strong> hat somit auch <strong>e<strong>in</strong>e</strong> <strong>in</strong>ternationale<br />

Dimension bekommen. <strong>Es</strong> sei e<strong>in</strong><br />

Riesenglück, <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Mentor zu haben,<br />

der immer für sie da <strong>ist</strong>, analysiert <strong>die</strong><br />

Molekularbiolog<strong>in</strong> ihre steile Karriere.<br />

Zukunftsperspektiven? In den Hauptsitz<br />

der Firma nach Cambridge zu wechseln,<br />

„das würde mich sehr reizen.“ Und so<br />

viel Zeit wie möglich ihrem Hobby, dem<br />

Segeln zu widmen, wo sie als Skipper<br />

(Schiffsführer<strong>in</strong>) wieder e<strong>in</strong>mal <strong>e<strong>in</strong>e</strong> der<br />

wenigen Frauen weit und breit <strong>ist</strong>.<br />

86 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie


„In m<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r neuen Leitungsposition war <strong>die</strong> größte Erkenntnis, e<strong>in</strong>zusehen,<br />

dass m<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Zeit jetzt nicht mehr e<strong>in</strong>fach nur mir gehört,<br />

sondern dass auch me<strong>in</strong> Team Anspruch darauf hat, und dass ich<br />

eigene Wünsche und Emotionen h<strong>in</strong>tanhalten muss.“<br />

87 14


Renate Moser<br />

Interview: Anita Zieher | Oktober 2005<br />

„Ich habe alles auf <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Karte gesetzt.“<br />

Fotos: Lisa Holzer<br />

88 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie


Weltweit gibt es nur <strong>e<strong>in</strong>e</strong> e<strong>in</strong>zige<br />

Flugl<strong>in</strong>ie, <strong>die</strong> von <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Frau gegründet<br />

wurde und geleitet wird. „Me<strong>in</strong> Leben<br />

<strong>ist</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n konsequenten Lauf gegangen,<br />

ich war immer aufgeschlossen und<br />

neugierig Neues kennen zu lernen, auch<br />

D<strong>in</strong>ge zu tun, <strong>die</strong> e<strong>in</strong>, zwei Nummern<br />

zu groß für mich waren, daran b<strong>in</strong> ich<br />

gewachsen“, erklärt Renate Moser, <strong>die</strong><br />

bislang e<strong>in</strong>zige Frau an der Spitze <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r<br />

Flugl<strong>in</strong>ie. Seit 2001 leitet sie <strong>die</strong> Firma<br />

InterSky, <strong>die</strong> <strong>in</strong> Bregenz ihren Sitz hat<br />

und von der Schweiz ausgewählte Dest<strong>in</strong>ationen<br />

<strong>in</strong> Europa anfliegt.<br />

Ausbildung:<br />

Wirtschaft, Werbung, Sales<br />

Position:<br />

Gründer<strong>in</strong> und Geschäftsführer<strong>in</strong> der<br />

Flugl<strong>in</strong>ie InterSky, Bregenz<br />

Branche:<br />

Luftfahrt<br />

Die Gründung von InterSky habe sich<br />

Schritt für Schritt ergeben, erzählt<br />

Renate Moser. Seit 1989 hatte sie<br />

am Aufbau der Flugl<strong>in</strong>ie Rhe<strong>in</strong>talflug<br />

als Pressesprecher<strong>in</strong> und Leiter<strong>in</strong> des<br />

Verkaufs mitgewirkt. Als das Unternehmen<br />

s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Sitz nach Bregenz verlegte,<br />

wurde sie Market<strong>in</strong>gleiter<strong>in</strong>. „Dann<br />

kam 9/11 und das hat <strong>die</strong> Welt ziemlich<br />

verändert“. Sie sei an dem Tag von<br />

Miami nach Zürich geflogen, er<strong>in</strong>nert<br />

sie sich. Das Geschäft wurde <strong>in</strong> Folge<br />

etwas weniger. Sie war damals für den<br />

Verkauf des Flugzeugs DASH 8-300<br />

<strong>in</strong>ternational tätig, ihr Mann war noch<br />

bei den Austrian Airl<strong>in</strong>es beschäftigt.<br />

Zu dem Zeitpunkt hatten zwei großen<br />

Flugl<strong>in</strong>ien Interesse daran, <strong>die</strong> L<strong>in</strong>ie<br />

Rhe<strong>in</strong>talflug zu kaufen. Da <strong>die</strong> Flüge<br />

von Bern nach Elba und nach Sard<strong>in</strong>ien<br />

sehr gut g<strong>in</strong>gen, gab es <strong>die</strong> Überlegung,<br />

selbst <strong>e<strong>in</strong>e</strong> eigene Flugl<strong>in</strong>ie zu gründen.<br />

„Ich habe gesagt, ich trau mir das zu<br />

und im Herbst 2001 mit der Gründung<br />

begonnen, das Kapital aufgestellt und<br />

selber sehr viel Geld h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> gesteckt. Ich<br />

habe alles auf <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Karte gesetzt.“ Ihre<br />

Reife sei ihr dabei zugute gekommen,<br />

89


auch dass sie seit 20 Jahren <strong>in</strong> der<br />

Luftfahrt tätig und „eigentlich <strong>e<strong>in</strong>e</strong> bekannte<br />

Persönlichkeit <strong>in</strong> der Branche“<br />

war. Von daher sei es e<strong>in</strong>facher für sie<br />

gewesen, das Unternehmen zu gründen.<br />

„Man hat gewusst, ich kenne mich aus,<br />

ich weiß <strong>in</strong> der Luftfahrt Bescheid.<br />

Vor allem, wenn <strong>man</strong> eigenes Kapital<br />

<strong>in</strong>vestiert hat, wissen <strong>die</strong> Leute: das <strong>ist</strong><br />

ernst.“ Also hat sie Flugrouten gesucht,<br />

<strong>die</strong> gut funktionieren und somit <strong>die</strong><br />

erfolgreiche Entwicklung der Firma <strong>in</strong><br />

Gang gesetzt. Insbesondere <strong>die</strong> Strecke<br />

von Friedrichshafen nach Graz hat<br />

sich als Renner erwiesen. 2002 wurde<br />

das Low Fare Konzept e<strong>in</strong>geführt. Die<br />

Verantwortung für <strong>die</strong> strategische<br />

Planung und <strong>die</strong> Koord<strong>in</strong>ation im Unternehmen<br />

trägt sie nach wie vor.<br />

Verantwortungsvoller Mut<br />

zum Risiko<br />

Der Erfolg beruhe jedoch nicht auf<br />

<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r One-Wo<strong>man</strong>-Show, betont<br />

Renate Moser. „Ich b<strong>in</strong> glücklich,<br />

e<strong>in</strong> exzellentes Team zu haben.“ Das<br />

Unternehmen beschäftigt mittlerweile<br />

70 Mitarbeiter Innen. Viele davon s<strong>in</strong>d<br />

Teilzeitkräfte, weil sie gerne Wiedere<strong>in</strong>steigerInnen<br />

beschäftigt, wie sie<br />

sagt, denn „das <strong>ist</strong> ja e<strong>in</strong> tolles Potenzial“.<br />

Das Wichtigste an der Zusammenarbeit<br />

mit den MitarbeiterInnen s<strong>in</strong>d für sie<br />

Ehrlichkeit und Verlässlichkeit. „Ich<br />

habe <strong>e<strong>in</strong>e</strong> hohe Schmerzgrenze, außer<br />

wenn je<strong>man</strong>d unehrlich <strong>ist</strong>. Da <strong>ist</strong><br />

mit mir nicht zu spaßen“, erklärt sie<br />

bestimmt. Auf <strong>die</strong> Frage, wie sie mit<br />

schwierigen Situationen umgehe, me<strong>in</strong>t<br />

sie nachdenklich: „Natürlich gibt es<br />

Momente, da setze ich mich h<strong>in</strong> und<br />

frage: Schaffe ich das? Wenn ich dann<br />

zehn M<strong>in</strong>uten nachdenke, dann <strong>ist</strong><br />

klar: Ich muss es schaffen, ich habe<br />

Verantwortung für viele Menschen, <strong>die</strong><br />

mir vertrauen.“<br />

Ihr Mut und ihre Risikobereitschaft<br />

gepaart mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m hohen Verantwortungsgefühl<br />

haben zu <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r hohen<br />

Identifikation mit dem Unternehmen<br />

geführt. „Ich b<strong>in</strong> e<strong>in</strong> Dienstle<strong>ist</strong>ungsunternehmen“,<br />

sagt sie und bezeichnet<br />

<strong>die</strong> Firma als „Familien-Airl<strong>in</strong>e“. „Jeder<br />

kennt jeden, mit der Zeit auch <strong>die</strong> Passagiere.<br />

Das <strong>ist</strong> e<strong>in</strong> Vorteil gegenüber<br />

Großkonzernen, <strong>die</strong> Leute wissen, an<br />

wen sie sich wenden können.“ Flexibilität<br />

<strong>ist</strong> gerade <strong>in</strong> <strong>die</strong>sem Feld e<strong>in</strong> großer<br />

Pluspunkt, zumal Auslastungsschwankungen<br />

zum Alltag gehören. „In jeder<br />

Branche gibt es Ups and Downs. In der<br />

Luftfahrt <strong>ist</strong> ke<strong>in</strong> Tag wie der andere.<br />

Wenn <strong>man</strong> das nicht aushält, dann <strong>ist</strong><br />

<strong>man</strong> <strong>in</strong> der falschen Branche.“<br />

Ausgleichende Erfolge<br />

Für Renate Moser <strong>ist</strong> es e<strong>in</strong> gutes<br />

Arbeitsumfeld, wobei sich der Erfolg für<br />

sie nicht nur über den Beruf ableiten<br />

lässt. „Erfolg bedeutet für mich<br />

Ausgeglichenheit und dass ich weiß,<br />

ich habe vieles richtig gemacht. Alles<br />

kann <strong>man</strong> nie richtig machen.“ E<strong>in</strong>e<br />

gute Umgebung und <strong>die</strong> Familie s<strong>in</strong>d<br />

wesentliche Faktoren für das Wohlbef<strong>in</strong>den.<br />

„Reichtum <strong>ist</strong> absolut nicht<br />

ausschlaggebend für e<strong>in</strong> gutes Leben“,<br />

hat sie für sich erkannt. Dass sie ihre<br />

beiden Söhne und <strong>die</strong> Arbeit vere<strong>in</strong>baren<br />

konnte, dafür sei sie besonders<br />

ihrer Mutter dankbar, <strong>die</strong> ihr bei der<br />

Familienbetreuung sehr geholfen habe.<br />

„Wenn <strong>man</strong> Karriere machen will, dann<br />

sollte <strong>man</strong> je<strong>man</strong>den haben, der <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m<br />

den Rücken frei hält.“ Dass sich ihre<br />

zwei Söhne gut entwickelt haben und<br />

nicht auf falsche Wege geraten seien,<br />

betrachtet sie als <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n der größten<br />

Erfolge <strong>in</strong> ihrem Leben.<br />

Ausgehend von ihrer eigenen Entschlossenheit<br />

und Klarheit lautet ihr<br />

Rat für junge Menschen: „Der <strong>in</strong>neren<br />

Stimme folgen und sich durch nichts<br />

und nie<strong>man</strong>den abbr<strong>in</strong>gen lassen. Wenn<br />

<strong>man</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n E<strong>in</strong>satzwillen hat, dann<br />

schafft <strong>man</strong> auch sehr große Aufgaben,<br />

neue D<strong>in</strong>ge anzufangen und hundert<br />

Prozent E<strong>in</strong>satz dafür zu geben.“<br />

Das be<strong>in</strong>haltet für sie auch auf <strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />

Familiengründung nicht zu verzichten,<br />

wenn das der Wunsch <strong>ist</strong>. „Wenn <strong>man</strong><br />

wirklich wieder e<strong>in</strong>steigen will, dann<br />

schafft <strong>man</strong> das auch.“ Denn aus ihrer<br />

Sicht br<strong>in</strong>gen Frauen besondere Stärken<br />

mit: „Frauen haben Charme, s<strong>in</strong>d<br />

blitzgescheit, können gut koord<strong>in</strong>ieren<br />

und sie s<strong>in</strong>d zäh.“<br />

90 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie


„Erfolg <strong>ist</strong> für mich e<strong>in</strong> In-sich-Ruhen können, weil <strong>man</strong> etwas erreicht hat.“<br />

91


Andrea Mösl<strong>in</strong>ger<br />

Interview: Anita Zieher | September 2005<br />

Fotos: Nora Friedel<br />

„Die K<strong>in</strong>der waren stolz, was <strong>die</strong> Mama da jetzt macht.“<br />

92 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie


Die Geschäfte <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Firma mit 80 Angestellten<br />

zu leiten, <strong>ist</strong> schon für sich<br />

<strong>e<strong>in</strong>e</strong> große Aufgabe für <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Menschen.<br />

Wenn dazu noch <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Familie<br />

mit drei K<strong>in</strong>dern kommt, stellt sich<br />

natürlich <strong>die</strong> Frage, wie das zu schaffen<br />

<strong>ist</strong>. „Da muss <strong>man</strong> schon e<strong>in</strong> sehr gutes<br />

Time-Management haben“, verrät<br />

Andrea Mösl<strong>in</strong>ger ihr Erfolgsrezept und<br />

fügt als zweite Komponente h<strong>in</strong>zu: „Die<br />

Arbeit müsse schon viel Spaß machen,<br />

das sei e<strong>in</strong> wesentlicher Faktor für das<br />

Funktionieren.“ Ihre Familie sei ganz<br />

h<strong>in</strong>ter ihrer Entscheidung gestanden,<br />

auch „<strong>die</strong> K<strong>in</strong>der waren lustigerweise<br />

Ausbildung:<br />

Betriebswirtschaft an der<br />

Universität L<strong>in</strong>z<br />

Position:<br />

Geschäftsführer<strong>in</strong> der Firma<br />

Profactor <strong>in</strong> Steyr<br />

Branche:<br />

Forschung und Entwicklung<br />

im Bereich Technologie<br />

stolz, was <strong>die</strong> Mama da jetzt macht.“<br />

Und das obwohl sie durchgängig<br />

berufstätig war. Dass sie <strong>die</strong> Zeit zu<br />

Hause mit den K<strong>in</strong>dern als „Erholungsfaktor“<br />

betrachtet, spricht dafür, dass<br />

<strong>die</strong> Doppelfunktion tatsächlich gut<br />

funktioniert. <strong>Es</strong> gibt <strong>e<strong>in</strong>e</strong> strikte Aufteilung<br />

mit dem Ehe<strong>man</strong>n, wann wer für<br />

<strong>die</strong> K<strong>in</strong>derbetreuung zuständig <strong>ist</strong>. „Ich<br />

sage immer zu <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Kollegen, der mit<br />

dem Zeit<strong>man</strong>agement nicht auskommt:<br />

Dann musst du e<strong>in</strong>mal <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Familie<br />

gründen und dann lernst du das“,<br />

erzählt sie lachend. Effizienz <strong>ist</strong> für sie<br />

<strong>e<strong>in</strong>e</strong> zentrale Eigenschaft, weshalb sie<br />

logischerweise jungen Frauen empfiehlt,<br />

„nicht <strong>die</strong> Zeit zu verplempern“.<br />

Dass sie sich im oberösterreichischen<br />

Forschungsunternehmen Profactor<br />

wohl fühlte, war ausschlaggebend<br />

dafür, dass sie sich 2003 ziemlich<br />

rasch entschied, von der Position<br />

der Mitarbeiter<strong>in</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> der zweiten<br />

Geschäftsführer<strong>in</strong> zu wechseln. „<strong>Es</strong><br />

gab schon Erstaunen, was tut <strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />

Betriebswirt<strong>in</strong> <strong>in</strong> der Geschäftsführung<br />

<strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Forschungsunternehmens, das ja<br />

re<strong>in</strong> technologisch orientiert <strong>ist</strong>“, er<strong>in</strong>nert<br />

sie sich an Reaktionen. Während<br />

93


„Dass <strong>die</strong>se Doppelfunktion Mutter und Geschäftsführer<strong>in</strong><br />

zu se<strong>in</strong> funktioniert, <strong>ist</strong> sicherlich etwas,<br />

worauf ich stolz b<strong>in</strong>.“<br />

des Firmenaufbaus sei jedoch deutlich<br />

geworden, dass neben den technischen<br />

Faktoren eben auch wirtschaftliche und<br />

soziale Komponenten <strong>e<strong>in</strong>e</strong> wesentliche<br />

<strong>Rolle</strong> <strong>in</strong> den Projekten spielen und <strong>die</strong>s<br />

<strong>in</strong> der Geschäftsführung zum Ausdruck<br />

kommen solle. Dass sie vorher schon<br />

sechs Jahre im Unternehmen tätig war,<br />

gewährle<strong>ist</strong>ete Kont<strong>in</strong>uität, das Unternehmen<br />

war ihr und sie den MitarbeiterInnen<br />

und KundInnen bekannt. Was<br />

Vor- und Nachteile hatte, wie sie selbst<br />

zugibt. Als Nichttechniker<strong>in</strong> dauert<br />

es schon, <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m High-Tech-Unternehmen<br />

sowohl <strong>in</strong>nen als auch außen<br />

<strong>die</strong> Akzeptanz zu f<strong>in</strong>den. Die e<strong>in</strong>zige<br />

94 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie


Frau im Kreise von Führungskräften zu<br />

se<strong>in</strong>, sei sie bereits von früheren Jobs<br />

gewohnt gewesen, schildert sie. Der<br />

Anteil der Männer im Unternehmen<br />

<strong>ist</strong> <strong>in</strong>sgesamt wesentlich höher als der<br />

Frauenanteil, was sie auf <strong>die</strong> Technologieorientierung<br />

zurückführt. Ihr<br />

Wunsch <strong>ist</strong> es, mehr Frauen im Unternehmen<br />

zu haben. Beim Personalrecruit<strong>in</strong>g<br />

zeigt sich jedoch oft das Problem,<br />

dass sich nur wenige Frauen mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r<br />

technisch-naturwissenschaftlichen<br />

Ausbildung und <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r entsprechend<br />

hohen Qualifikation bewerben.<br />

Forschen mit nachhaltigem<br />

Erfolg<br />

Neben dem Personalbereich zählt<br />

<strong>die</strong> kaufmännische Abwicklung der<br />

Geschäftsprozesse zu ihren Agenden.<br />

Die Schwerpunkte des Unternehmens<br />

liegen zum <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n bei Prozess- und<br />

Produktionssteuerung, bei der direkten<br />

Anwendung von Forschungsergebnissen<br />

<strong>in</strong> der Produktion wie etwa Bildverarbeitung,<br />

robotische Systeme, Simulation<br />

und Automatisierung. Zum anderen<br />

konzentriert sich <strong>die</strong> Forschung auf<br />

<strong>in</strong>novative Material- und Nanotechnologie.<br />

„Das E<strong>in</strong>zigartige liegt dar<strong>in</strong>, dass<br />

wir im Laufe der letzten zehn Jahre<br />

gelernt haben, wie sich <strong>die</strong> Forschung<br />

<strong>in</strong> kl<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n oder auch großen Betrieben<br />

<strong>in</strong> <strong>die</strong> Realität umsetzen lässt.“<br />

Profactor habe hier <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Brückenschlagfunktion<br />

übernommen, weil es an den<br />

Universitäten oder im Forschungsbereich<br />

Neuheiten gibt, <strong>die</strong> nicht zu den Unternehmen<br />

gelangen. Umgekehrt gibt es<br />

Bedürfnisse bei den Unternehmen von<br />

denen <strong>die</strong> ForscherInnen nichts wüss-<br />

ten. Nachhaltig zu arbeiten und solche<br />

Konzepte für UnternehmenskundInnen<br />

zu entwickeln, gehört zur Unternehmensphilosophie.<br />

Dies sei beispielsweise<br />

<strong>in</strong> der Zusammenarbeit mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m<br />

Sägewerk im Ennstal gelungen, das<br />

<strong>e<strong>in</strong>e</strong> neue Art der Holzbearbeitung <strong>in</strong><br />

<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m <strong>in</strong>ternationalen Forschungsprojekt<br />

entwickelt hat und im Probebetrieb<br />

bereits laufen lässt, wodurch 60 neue<br />

Arbeitsplätze geschaffen wurden. Für<br />

Andrea Mösl<strong>in</strong>ger <strong>ist</strong> es wichtig, dass<br />

„<strong>die</strong> Forschung dazu beiträgt, Arbeitsplätze<br />

<strong>in</strong> Betrieben abzusichern, im<br />

Energie- und Umweltbereich Ressourcen<br />

zu schonen und auch <strong>die</strong> sozialen<br />

Inter essen, beispielsweise von MitarbeiterInnen<br />

zu berücksichtigen“.<br />

Spaß an Zahlen<br />

Mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r schwierigen Situation war<br />

das Unternehmen 2002 konfrontiert,<br />

als das Hochwasser <strong>in</strong> Steyr alle Labore<br />

und Masch<strong>in</strong>en der Firma vernichtete.<br />

Das Positive daran war, dass sie nach<br />

<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Jahr e<strong>in</strong> Gebäude gefunden<br />

haben, <strong>in</strong>dem nun alle Firmenbereiche<br />

zusammen geführt und <strong>die</strong> gesamte<br />

Belegschaft Platz f<strong>in</strong>den konnte. Mit<br />

dem angemieteten modernen Bau als<br />

nunmehrigem Firmensitz <strong>ist</strong> Andrea<br />

Mösl<strong>in</strong>ger sehr zufrieden: „Diese<br />

Offenheit und Transparenz im Gebäude,<br />

<strong>die</strong> wir natürlich auch <strong>in</strong> der Kommunikation<br />

haben wollen, spiegelt sich <strong>in</strong><br />

gelungener Weise im Gebäude wieder.“<br />

Für <strong>die</strong> MitarbeiterInnen e<strong>in</strong> Umfeld<br />

zu schaffen, <strong>in</strong> dem sie gerne arbeiten,<br />

sei <strong>die</strong> eigentliche Herausforderung<br />

ihres Jobs, sagt sie. „Profactor <strong>ist</strong><br />

ke<strong>in</strong> Unternehmen, wo <strong>man</strong> nur zum<br />

Arbeiten herkommt, sondern weil es<br />

e<strong>in</strong>fach auch Spaß macht und <strong>man</strong><br />

mitwirken will im Unternehmen“, <strong>ist</strong> sie<br />

überzeugt. Von den MitarbeiterInnen<br />

erwarte sie <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie Selbständigkeit.<br />

Innovation sei von ihnen nicht nur<br />

auf technischer Seite gefragt, sondern<br />

auch im H<strong>in</strong>blick auf Verbesserungen<br />

im Betrieb.<br />

Das Interesse für das F<strong>in</strong>anzwesen hat<br />

sich bei ihr erst nach dem Betriebswirtschaftsstudium<br />

<strong>in</strong> ihrem ersten Job<br />

bei <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m <strong>in</strong>ternationalen Konzern <strong>in</strong><br />

Wien e<strong>in</strong>gestellt. „Ich habe dann im<br />

beruflichen Alltag erkannt, wie wichtig<br />

und <strong>in</strong>teressant das <strong>ist</strong>, dass es nicht<br />

nur trockene Zahlen s<strong>in</strong>d, sondern<br />

dass es wirklich spannend <strong>ist</strong>.“ Für ihr<br />

eigenes berufliches Vorankommen seien<br />

Zielorientierung, Belastbarkeit, Ehrgeiz<br />

und <strong>die</strong> fachliche Kompetenz besonders<br />

wichtig gewesen. „E<strong>in</strong> solides Fachwissen,<br />

das <strong>ist</strong> unumgänglich. Wenn <strong>man</strong><br />

e<strong>in</strong> gewisses Basis-Know-how nicht<br />

hat, dann wird <strong>man</strong> e<strong>in</strong>fach nicht ernst<br />

genommen“, weiß sie. Von ihrer Familie<br />

hat sie <strong>in</strong> Bezug auf ihre Ausbildung<br />

den Grundsatz mitbekommen: „Schau<br />

dass Du das Beste draus machst. Gib<br />

De<strong>in</strong> Bestes.“ Ihr kont<strong>in</strong>uierlicher Karriereweg<br />

lässt darauf schließen, dass<br />

ihr das auch im Beruf gelungen <strong>ist</strong>.<br />

95


Kar<strong>in</strong> Möstl<br />

Interview: Teresa Arrieta | Oktober 2006<br />

„Wer Karriere machen will, kommt mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r üblichen<br />

40 Stunden-Arbeitswoche nicht durch, für Frauen<br />

mit K<strong>in</strong>dern <strong>ist</strong> das e<strong>in</strong> Handicap.“<br />

Fotos: Lisa Holzer<br />

96 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie


„Übermäßiger Erfolgsdruck<br />

geht wider <strong>die</strong> menschliche<br />

Natur“<br />

Virenforscher<strong>in</strong> Kar<strong>in</strong> Möstl kämpft<br />

mit der Zeit, f<strong>in</strong>det, dass der extremer<br />

werdende Le<strong>ist</strong>ungsstress auf Kosten<br />

der Kreativität geht, verhilft Frauen<br />

zur Karriere und erklärt, wieso <strong>man</strong><br />

bei R<strong>in</strong>dern zuschlagen muss.<br />

Kar<strong>in</strong> Möstl zählt zu Österreichs<br />

führenden VirologInnen <strong>in</strong> der Veter<strong>in</strong>ärmediz<strong>in</strong><br />

und hat <strong>e<strong>in</strong>e</strong> beachtliche<br />

Ausbildung:<br />

Studium der Veter<strong>in</strong>ärmediz<strong>in</strong> <strong>in</strong> Wien<br />

Position:<br />

Leiter<strong>in</strong> der „Kl<strong>in</strong>ischen Virologie“ und<br />

Departmentsprecher<strong>in</strong> des Departments<br />

für Bildgebende Diagnostik<br />

Infektions- und Laboratoriumsmediz<strong>in</strong><br />

der Veter<strong>in</strong>ärmediz<strong>in</strong>ischen<br />

Universität Wien<br />

Wissenschaftsdiszipl<strong>in</strong>:<br />

Veter<strong>in</strong>ärmediz<strong>in</strong><br />

Universitätskarriere absolviert, aber sie<br />

musste oft <strong>die</strong> Zähne zusammenbeißen.<br />

<strong>Es</strong> gab „schwierige“ Jahre. Etwa, als<br />

ihre Tochter <strong>in</strong> der Pubertät war und<br />

sie selber ungeplante fünf Jahre lang<br />

<strong>die</strong> <strong>in</strong>terim<strong>ist</strong>ische Leitung des Universitäts-Instituts<br />

übernehmen musste.<br />

E<strong>in</strong> ständiger Zeitkampf sei es gewesen,<br />

mit „wahns<strong>in</strong>nig viel schlechtem Gewissen<br />

auf beiden Fronten“. Natürlich<br />

müssten Frauen <strong>die</strong>selbe Möglichkeit<br />

zur Karriere erhalten wie Männer. Aber<br />

<strong>die</strong>se Theorie dann <strong>in</strong> der Praxis mit dem<br />

Familienleben zu ver<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n, <strong>ist</strong> schwer.<br />

Wie soll frau zu karrierenotwendigen<br />

Arbeitsmeet<strong>in</strong>gs gehen, <strong>die</strong> nach Dienstschluss<br />

gegen 17.30 h beg<strong>in</strong>nen, wenn<br />

das K<strong>in</strong>d zur selben Zeit vom K<strong>in</strong>dergarten<br />

abgeholt werden muss? Karriere<br />

ohne Mehraufwand <strong>ist</strong> nicht möglich, so<br />

<strong>die</strong> bittere Erkenntnis. Dennoch hat<br />

Kar<strong>in</strong> Möstl es geschafft, alles unter<br />

<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Hut zu br<strong>in</strong>gen. Wobei sie ihre fulm<strong>in</strong>ante<br />

Laufbahn nie angestrebt hat: E<strong>in</strong><br />

bisschen unverhofft sei sie da „h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>gestoßen“<br />

worden, dann jedoch habe sie<br />

den sich auftuenden Weg gern beschritten<br />

und sich „voll h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>gestürzt“.<br />

97


„<strong>Es</strong> muss <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Grenze geben: Wenn der Druck zu<br />

groß <strong>ist</strong>, geht das auf Kosten der Lebensqualität.“<br />

Vom „Mauserl“ zur Frau<br />

Professor<br />

Veter<strong>in</strong>ärmediz<strong>in</strong> stu<strong>die</strong>rte sie, um Tieren<br />

zu helfen. Die Frauenquote war damals,<br />

vor dreißig Jahren, noch niedrig,<br />

<strong>die</strong> Aufstiegschancen ger<strong>in</strong>g. Kommentare<br />

wie: „Na Mauserl, kannst des wieder<br />

net“, machten <strong>die</strong> Haltung deutlich,<br />

<strong>die</strong> Frauen von Seiten e<strong>in</strong>iger Lehrenden<br />

entgegengebracht wurde. Zugute<br />

kam ihr, dass sie gleich zu Stu<strong>die</strong>nbeg<strong>in</strong>n<br />

ihren zukünftigen Mann kennen<br />

lernte, der ihr über <strong>die</strong> ärgsten Hürden<br />

98 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie


h<strong>in</strong>weghalf. Denn <strong>die</strong> Rechtsanwaltstochter<br />

war zwar seit ihrer K<strong>in</strong>dheit mit<br />

Pferden vertraut, hatte jedoch den Umgang<br />

mit Nutztieren wie R<strong>in</strong>dern oder<br />

Schw<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n nie gelernt. E<strong>in</strong> Umstand,<br />

den damals an der Universität nie<strong>man</strong>d<br />

verstand. Schwer fiel ihr vor allem das<br />

Blutabnehmen: Während <strong>man</strong> beim<br />

Pferd „gefühlvoll <strong>in</strong> <strong>die</strong> Vene sticht“,<br />

muss <strong>man</strong> beim R<strong>in</strong>d „zuschlagen“, um<br />

<strong>die</strong> dicke Haut zu durchbohren. E<strong>in</strong>ige<br />

Zeit übte Kar<strong>in</strong> Möstl mit ihrem Mann,<br />

<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Tierarztsohn, bis sie ihre Hemmschwelle<br />

überwunden hatte. Nach dem<br />

Studium wollte sie eigentlich an <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r<br />

Universitäts-Tierkl<strong>in</strong>ik arbeiten, doch<br />

es wurden k<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Frauen genommen.<br />

Begründung: Diese können sich bei den<br />

WärterInnen nicht durchsetzen – <strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />

Aussage, <strong>die</strong> damals auf allgem<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n<br />

Konsens stieß. Der Posten auf der Virologie,<br />

der ihr stattdessen angeboten<br />

wurde, markierte dann den Startschuss<br />

für ihre Karriere.<br />

In <strong>die</strong> Karriere h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>gerutscht<br />

Kar<strong>in</strong> Möstl arbeitete als Universitätsass<strong>ist</strong>ent<strong>in</strong><br />

bis <strong>die</strong> Tochter zur Welt<br />

kam. Das darauf folgende Jahr blieb sie<br />

zu Hause, „sicher <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s der schönsten<br />

Jahre“. Geplant war damals, dass ihr<br />

Mann, der ebenfalls an der Vetmed<br />

arbeitete, habilitieren sollte und sie<br />

nebst familiären Pflichten „halt auch<br />

gerne am Institut war“. Dann jedoch<br />

„passierte“ ihr der Karrieresprung: Aus<br />

heiterem Himmel beschloss ihr Chef:<br />

„Sie habilitieren.“ Ihre Zweifel wischte<br />

er vom Tisch und sobald sie Frau Professor<br />

geworden war, emeritierte er –<br />

ebenfalls sehr überraschend. Die darauf<br />

folgenden Jahre als <strong>in</strong>terim<strong>ist</strong>ischer<br />

Institutsvorstand waren Arbeitsstress<br />

pur, <strong>die</strong> heranwachsende Tochter kam<br />

damals zu kurz, bedauert <strong>die</strong> Virolog<strong>in</strong><br />

heute. Erst nach der Spaltung des<br />

Institutes aus fachlichen Gründen und<br />

ihrer Bestellung zur Leiter<strong>in</strong> des somit<br />

neu gegründeten „Institut für kl<strong>in</strong>ische<br />

Virologie“ konnte sie aufatmen und<br />

sich ihrem persönlichen Forschungsschwerpunkt<br />

widmen: Die Forscher<strong>in</strong><br />

aus Leidenschaft befasst sich mit<br />

krankmachenden Eigenschaften von<br />

Viren, neuen Diagnoseverfahren und<br />

prophylaktischen Maßnahmen. Für<br />

„Coronaviren“, <strong>die</strong> bei diversen Tierarten<br />

auftreten können und schwere<br />

Erkrankungen hervorrufen, gilt Kar<strong>in</strong><br />

Möstl als <strong>in</strong>ternationale Kapazität.<br />

Frauenkarrieren fördern<br />

E<strong>in</strong> besonderes Anliegen <strong>ist</strong> ihr <strong>die</strong><br />

Förderung von Frauen. Als ihre Tochter<br />

noch kle<strong>in</strong> war, waren flexible Arbeitszeiten<br />

ke<strong>in</strong> Thema. Das will sie als<br />

Chef<strong>in</strong> nun anders machen: Bis auf<br />

zwei Ausnahmen s<strong>in</strong>d ihre großteils<br />

weiblichen MitarbeiterInnen Mütter.<br />

Als Institutsleiter<strong>in</strong> sieht sie e<strong>in</strong>, „dass<br />

<strong>man</strong>, wenn e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d krank <strong>ist</strong>, nicht um<br />

acht Uhr da se<strong>in</strong> kann.“ Ja, sie bekenne<br />

sich dazu, Frauen, <strong>die</strong> sich für den<br />

Karriereweg entschieden haben, „mehr<br />

Chancen“ ermöglichen zu wollen - und<br />

das bekomme <strong>man</strong> ja „absolut zurück“:<br />

Ihr Institut für Kl<strong>in</strong>ische Virologie zählt<br />

im <strong>in</strong>ternen Vetmed-Rank<strong>in</strong>g zur absoluten<br />

Forschungsspitze, e<strong>in</strong> Umstand,<br />

den sie auf das besondere Engagement<br />

ihrer MitarbeiterInnen zurückführt.<br />

Insgesamt erlebt sie <strong>die</strong> aktuellen<br />

Entwicklungen im Forschungsbereich<br />

mit gemischten Gefühlen. Der Druck<br />

sei enorm gestiegen. Gut <strong>ist</strong> es zwar,<br />

dass durch den verstärkten Wettbewerb<br />

mehr Forschungsle<strong>ist</strong>ung erbracht<br />

werden muss, aber der extreme<br />

Publikationszwang geht auf Kosten<br />

der Kreativität. Auch fragt sich <strong>die</strong> Departmentsprecher<strong>in</strong><br />

mitunter, „warum<br />

denn alles so schnell gehen muss.“ Der<br />

hohe Druck zu rasch erzielten Erfolgen<br />

und ständig steigender Le<strong>ist</strong>ung gehe<br />

„gegen <strong>die</strong> menschliche Natur“, psychosomatische<br />

Beschwerden seien an<br />

der Tagesordnung. Auch <strong>die</strong> Tatsache,<br />

dass immer mehr Frauen, <strong>die</strong> sich zu<br />

<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Forscherkarriere entschließen,<br />

k<strong>e<strong>in</strong>e</strong> K<strong>in</strong>der mehr bekommen, <strong>ist</strong> <strong>in</strong><br />

ihren Augen k<strong>e<strong>in</strong>e</strong> gute Entwicklung.<br />

Sie selber hat, seit <strong>die</strong> Tochter aus dem<br />

Haus <strong>ist</strong>, neue Freiheiten gewonnen.<br />

Z. B. geht sie mit ihrem Mann, der<br />

ebenfalls an der Veter<strong>in</strong>ärmediz<strong>in</strong>ischen<br />

Universität arbeitet, auf dem<br />

geme<strong>in</strong>samen Heimweg spätabends<br />

noch essen; jetzt <strong>ist</strong> das ja möglich.<br />

Und widmet sich ihrer Leidenschaft,<br />

dem Reitsport, als Ausgleich für <strong>die</strong><br />

Seele. Reitexkursionen über <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Woche<br />

<strong>in</strong> Island gehören zum Schönsten,<br />

schwärmt Kar<strong>in</strong> Möstl. Am wichtigsten<br />

<strong>ist</strong>, dass ausreichend Zeit für <strong>die</strong><br />

Familie bleibt. E<strong>in</strong> Herzenswunsch <strong>ist</strong><br />

noch offen: Besonders freuen würde<br />

sich Kar<strong>in</strong> Möstl über Familienzuwachs,<br />

wenn ihre Tochter sie „zur Großmutter<br />

machen sollte.“<br />

99


Inge Mühlbacher und Sonja Pichler<br />

Interview: Teresa Arrieta | März 2007<br />

Fotos: Kathar<strong>in</strong>a Gossow<br />

„Wir stellen <strong>die</strong> gelebte Symbiose zweier Wissenschafter<strong>in</strong>nen<br />

im Bereich der High-Tech Forschung dar.“<br />

100 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie


„Als Zweierteam ergänzen<br />

wir uns perfekt“<br />

Für AT&S, <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m der drei Weltmarktführer<br />

<strong>in</strong> der Leiterplatten<strong>in</strong>dustrie,<br />

haben <strong>die</strong> beiden Forscher<strong>in</strong>nen<br />

geme<strong>in</strong>sam e<strong>in</strong> sensationelles neues<br />

Material für Lichtwellenleiter auf<br />

Basis von Polymeren entwickelt, das<br />

nun patentiert wird.<br />

Eigentlich hat der Zufall Inge Mühlbacher<br />

und Sonja Pichler im Zuge<br />

<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Postenneubesetzung zusammengeführt.<br />

Beide wollten lieber <strong>in</strong> der<br />

Ausbildung:<br />

beide Studium der Chemie<br />

Karl-Franzens Universität Graz<br />

Position:<br />

Researcher (Projektleiter<strong>in</strong>) & Junior<br />

Researcher, Polymer Competence<br />

Center Leoben (PCCL)<br />

PCCL-Außenstelle: Institut für Chemische<br />

Technologie Organischer Stoffe,<br />

Technische Universität Graz<br />

Wissenschaftsdiszipl<strong>in</strong>:<br />

Chemie<br />

anwendungsorientierten Forschung,<br />

als auf der Universität arbeiten, da<br />

ihnen der Praxisbezug besonders am<br />

Herzen liegt: Beiden <strong>ist</strong> es wichtig,<br />

„<strong>die</strong> Umsetzung unserer Forschungsresultate<br />

miterleben zu können.“ Aber<br />

Inge Mühlbacher suchte als Mutter<br />

<strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Sohnes im K<strong>in</strong>dergartenalter <strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />

Halbtagsanstellung – im Forschungsbereich<br />

ke<strong>in</strong> leichtes Unterfangen. Doch<br />

nicht unmöglich, wie sich herausstellen<br />

sollte, denn das Polymer Compentence<br />

Center Leoben (PCCL) erwies sich als<br />

familienfreundliches Unternehmen, das<br />

auch Wiedere<strong>in</strong>steigerInnen <strong>die</strong> Chance<br />

zur Karriere gibt. Das PCCL hat <strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />

Außenstelle am Institut für Chemische<br />

Technologie Organischer Stoffe an<br />

der Technischen Universität Graz. <strong>Es</strong><br />

<strong>ist</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong> <strong>in</strong>novative Forschungsgesellschaft,<br />

<strong>die</strong> das B<strong>in</strong>deglied zwischen<br />

den österreichischen Universitäten und<br />

der anwendungsorientierten Industrie<br />

bildet. Das Unternehmen gab Inge<br />

Mühlbacher <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Halbtagsposten: Die<br />

Leitung <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Forschungsprojektes zur<br />

Entwicklung <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s neuen Materials für<br />

Lichtwellenleiter im Auftrag der Firma<br />

AT&S, <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Weltmarktführer <strong>in</strong> der<br />

Leiterplattenherstellung (Leiterplatten<br />

101


<strong>die</strong>nen im Computer der mechanischen<br />

Befestigung und der Verb<strong>in</strong>dung von<br />

elektronischen Bauteilen). Weltweit<br />

wird <strong>in</strong> <strong>die</strong>sem Bereich an neuen Technologien<br />

geforscht, <strong>die</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n rascheren<br />

und größeren Datentransfer ermöglichen<br />

sollen.<br />

Patent im weiblichen<br />

Alle<strong>in</strong>gang<br />

Mit der Übernahme <strong>die</strong>ses Projektes<br />

erschloss sich Inge Mühlbacher e<strong>in</strong><br />

spannendes Forschungsgebiet, das<br />

ihr gleichzeitig auch <strong>die</strong> Möglichkeit<br />

bot <strong>die</strong> Nachmittage ihrem Sohn zu<br />

widmen. Doch das verdankt sie auch<br />

der harmonischen Zusammenarbeit mit<br />

Sonja Pichler, <strong>die</strong> für dasselbe Projekt<br />

engagiert wurde und sich als kongeniale<br />

Ergänzung erwies. E<strong>in</strong>e der beiden <strong>ist</strong><br />

immer am Arbeitsplatz präsent. Sicher<br />

sei <strong>e<strong>in</strong>e</strong> so partnerInnenschaftliche<br />

Zusammenarbeit im Führungsbereich<br />

ungewöhnlich, aber <strong>in</strong> den drei Jahren<br />

ihrer Kooperation <strong>ist</strong> es k<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r der<br />

beiden e<strong>in</strong>gefallen, <strong>die</strong> Macht an sich<br />

zu reißen. Ganz im Gegenteil: „Wir<br />

gleichen unsere jeweiligen Stärken und<br />

Schwächen gut aus“, bestätigen <strong>die</strong><br />

beiden Forscher<strong>in</strong>nen. Sowohl der Insti-<br />

tutsvorstand als auch der Auftraggeber<br />

AT&S schätzen <strong>in</strong> der Zwischenzeit das<br />

Zusammenspiel der beiden High-Tech<br />

Expert<strong>in</strong>nen und unterstützen <strong>die</strong>se<br />

mit Flexibilität und Verständnis – <strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />

Haltung, <strong>die</strong> nun von Erfolg gekrönt<br />

<strong>ist</strong>: Sonja Pichler und Inge Mühlbacher<br />

haben nach dreijähriger Forschungsarbeit<br />

e<strong>in</strong> neues Lichtwellenleitermaterial<br />

entwickelt, das <strong>die</strong> Integration<br />

von Lichtwellenleitern auf Leiterplatten<br />

kostengünstig, schnell und umweltfreundlich<br />

macht. Das von Inge Mühlbacher<br />

und Sonja Pichler entwickelte<br />

Material könnte sich als sensationelle<br />

und höchst gew<strong>in</strong>nträchtige Erf<strong>in</strong>dung<br />

102 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie


erweisen – vor allem für den Leiterplattenhersteller<br />

AT&S, dem Auftraggeber<br />

und Promotor des Projektes.<br />

Mit Ausdauer zum Erfolg<br />

E<strong>in</strong> Erfolg, der nicht evident schien,<br />

denn anfangs gab es viele Hürden<br />

und von Seiten der AuftraggeberInnen<br />

wenig Vertrauen <strong>in</strong> das Projekt. Doch<br />

<strong>die</strong> beiden Forscher<strong>in</strong>nen ließen sich<br />

von ihrer Vision nicht abbr<strong>in</strong>gen und<br />

setzten sich drei Jahre lang mit Energie<br />

und Stehvermögen gegen alle Widerstände<br />

durch, wie sich Sonja Pichler<br />

er<strong>in</strong>nert: „Wir konnten <strong>die</strong> Firma<br />

schrittweise überzeugen.“ Deswegen<br />

waren <strong>die</strong> Chemiker<strong>in</strong>nen mit der Präsentation<br />

ihrer Resultate zuerst noch<br />

zurückhaltend, bis <strong>die</strong> gewünschten<br />

Erfolge zweifelsfrei vorlagen. Heute <strong>ist</strong><br />

Sonja Pichler überzeugt, dass <strong>man</strong> zu<br />

lange mit der Patentierung gewartet<br />

habe. „Beim nächsten Patent werden<br />

wir das schneller angehen, denn nun<br />

s<strong>in</strong>d wir sicherer geworden.“ Über<br />

<strong>die</strong> Jahre <strong>ist</strong> das geme<strong>in</strong>schaftliche<br />

Forschungsprojekt weiter ge<strong>die</strong>hen:<br />

Heute arbeiten Pichler und Mühlbacher<br />

nicht mehr alle<strong>in</strong> im stillen Kämmerle<strong>in</strong>,<br />

sondern werden von zusätzlichen<br />

MitarbeiterInnen unterstützt.<br />

Der Umgang mit den KollegInnen <strong>ist</strong><br />

nicht hierarchisch, sondern betont<br />

kollegial, „das erhöht den Output und<br />

nützt dem Projekt“. Ihre Zukunftsperspektiven<br />

sehen beide nach <strong>die</strong>sem<br />

E<strong>in</strong>stiegserfolg rosig: E<strong>in</strong>e Zeitlang<br />

werde <strong>man</strong> noch als symbiotisches<br />

Forschungswesen ex<strong>ist</strong>ieren. Nach<br />

Abschluss des Patentes möchte Sonja<br />

Pichler sich dann <strong>in</strong> Richtung Qualitäts<strong>man</strong>agement<br />

weiterentwickeln.<br />

Inge Mühlbacher h<strong>in</strong>gegen bleibt der<br />

Forschung erhalten.<br />

„Wir waren eben zäh und haben<br />

unser Projekt trotz der anfänglichen<br />

Widerstände nicht<br />

aufgegeben, je<strong>man</strong>d anderer<br />

wäre vielleicht abgesprungen.“<br />

103 14


Renate Rosengarten<br />

Interview: Teresa Arrieta | April 2007<br />

„Bei <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Mann wird Erfolg als selbstverständlich<br />

akzeptiert, Frauen werden h<strong>in</strong>gegen unterschätzt<br />

und müssen selbst <strong>in</strong>itiativ werden. Ich war immer<br />

sehr selbstständig.“<br />

Fotos: Lisa Holzer<br />

104 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie


Fasz<strong>in</strong>iert vom Unsichtbaren<br />

Die Mykoplasmen-Expert<strong>in</strong> Renate<br />

Rosengarten erklomm den Karrieregipfel<br />

im völligen Alle<strong>in</strong>gang, hat<br />

kollegialen Neid abgeschüttelt und<br />

strebt e<strong>in</strong> <strong>in</strong>spirierendes Forschungsklima<br />

an, wo alle MitarbeiterInnen<br />

gleichwertig s<strong>in</strong>d.<br />

„In den USA, das war e<strong>in</strong>fach e<strong>in</strong><br />

anderes Leben“, schwärmt Renate<br />

Rosengarten. Mit viel Herzlichkeit und<br />

Unkompliziertheit sei sie an der University<br />

of Missouri als junge Post-Dokto-<br />

Ausbildung:<br />

Studium der Biologie und<br />

Veter<strong>in</strong>är mediz<strong>in</strong> an der<br />

Universität Hannover und<br />

Tierärztlichen Hochschule Hannover<br />

Position:<br />

Vorstand am Institut für Bakteriologie,<br />

Mykologie und Hygiene der Veter<strong>in</strong>ärmediz<strong>in</strong>ischen<br />

Universität Wien<br />

Gründer<strong>in</strong> von Mycosafe, 2003<br />

Branche:<br />

Forschung und Entwicklung<br />

im Bereich Naturwissenschaften<br />

rand<strong>in</strong> empfangen worden. Jenseits von<br />

Hierarchie und Bürokratie – alle seien<br />

dort gleichwertig gewesen. „Die Arbeit<br />

war so spannend, dass wir oft <strong>die</strong><br />

ganze Nacht durchgemacht haben“, so<br />

schildert sie <strong>die</strong> Sternstunden ihres damaligen<br />

Forscher<strong>in</strong>nen-Lebens. Um drei<br />

Uhr früh hätte sich das Team noch <strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />

Pizza bestellt. Nach e<strong>in</strong> paar Stunden<br />

lästigen obligatorischen Schlafes <strong>ist</strong> sie<br />

dann gleich wieder <strong>in</strong>s Labor zurückgekehrt.<br />

Ja, Renate Rosengarten lebt für<br />

ihren Job, e<strong>in</strong> richtiges Arbeitstier, das<br />

sich auch dann nicht aufhalten lässt,<br />

wenn das profane Leben außerhalb des<br />

Labors ihre Arbeitswut zu erschweren<br />

trachtet: Bei <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Forschungsaufenthalt<br />

<strong>in</strong> Israel war sie dermaßen getrieben<br />

von dem Wunsch, „etwas weiterzubr<strong>in</strong>gen“,<br />

dass sie sogar am Sabbat <strong>in</strong>s<br />

Labor g<strong>in</strong>g, bei abgedrehter Klimaanlage<br />

und nur e<strong>in</strong>geschränkt zugänglicher<br />

technischer Ausrüstung. „Aber es gab<br />

auch israelische ForscherInnen, <strong>die</strong> am<br />

Sabbat arbeiteten“, sagt sie entschuldigend.<br />

Liebenswürdig, unaufdr<strong>in</strong>glich<br />

und zurückhaltend <strong>ist</strong> Renate Rosengarten,<br />

nobles Understatement kl<strong>in</strong>gt<br />

aus jeder ihrer Schilderungen. Ihre<br />

fulm<strong>in</strong>ante Karriere habe eher „auf<br />

105


Glück und Zufall beruht“, wiegelt sie<br />

Beifallskundgebungen ab. Als K<strong>in</strong>d sei<br />

sie stets h<strong>in</strong>ter ihrem Bruder zurück<br />

gestanden, bis heute <strong>ist</strong> sie k<strong>e<strong>in</strong>e</strong>, <strong>die</strong><br />

nach vorne prescht und ihre Meriten<br />

vor sich her trägt – dabei hätte sie<br />

allen Grund dazu.<br />

Sensationserfolg <strong>in</strong> den USA<br />

Bereits als junge Post-Doktorand<strong>in</strong> landete<br />

sie <strong>in</strong> den USA unverhofft <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n<br />

wissenschaftlichen Volltreffer: Ihre<br />

Erkenntnisse zur Wandlungsfähigkeit<br />

der Mykoplasmen-Oberfläche wurden<br />

zur Titelstory des renommierten<br />

„Science Magaz<strong>in</strong>e“, das von ihr beigelegte<br />

Mykoplasmen Foto kam prompt<br />

aufs Cover. „<strong>Es</strong> war e<strong>in</strong> wunderschönes<br />

buntes Bild, <strong>die</strong> Story war für mich und<br />

m<strong>e<strong>in</strong>e</strong> amerikanischen KollegInnen e<strong>in</strong><br />

riesiger Durchbruch, mit Presse und<br />

weiteren Papers.“ Um Mykoplasmen,<br />

<strong>die</strong>se kl<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Bakterien ohne Zellwand,<br />

<strong>die</strong> e<strong>in</strong> ger<strong>in</strong>ges Genom aufweisen<br />

und zu chronischen Krankheiten wie<br />

Lungenentzündung oder Arthritis bei<br />

Mensch und Tier führen, dreht sich<br />

Renate Rosengartens Forscherleben bis<br />

heute. Denn häufig erweisen sich <strong>die</strong>se<br />

Krankheitsträger als therapieres<strong>ist</strong>ent,<br />

weil sie über <strong>die</strong> Fähigkeit verfügen,<br />

sich im Wirtsorganismus zu verstecken<br />

und der Immunantwort auszuweichen.<br />

Das Interesse für w<strong>in</strong>zige, mit freiem<br />

Auge nicht auszumachende Lebewesen<br />

war bei Renate Rosengarten von kle<strong>in</strong><br />

an ausgeprägt: Als K<strong>in</strong>d <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r großbürgerlichen<br />

norddeutschen Familie wuchs<br />

sie auf <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m riesigen Anwesen mit<br />

Wäldern und Teichen auf und staunte<br />

schon damals über <strong>die</strong> Wunder der Na-<br />

tur: Als sie zum Geburtstag e<strong>in</strong> Mikroskop<br />

bekam, untersuchte sie stundenlang<br />

Wassertropfen : „Mich hat immer<br />

schon das Unsichtbare fasz<strong>in</strong>iert.“<br />

Frause<strong>in</strong> als Karriereh<strong>in</strong>dernis<br />

Nach den anfänglichen amerikanischen<br />

Sensationserfolgen wollte <strong>man</strong> Renate<br />

Rosengarten <strong>in</strong> Deutschland zurückhaben,<br />

doch <strong>die</strong>se Rückkehr stand unter<br />

k<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m guten Stern: Allzu groß war der<br />

„Kulturschock“ nach der lockeren Amerika<br />

Zeit. „<strong>Es</strong> war alles sehr bürokratisch<br />

und hierarchisch <strong>in</strong> Deutschland,<br />

<strong>die</strong>ses Gleichwertigkeitsgefühl der USA<br />

fehlte“, schildert Renate Rosengarten<br />

den schwierigen Neue<strong>in</strong>stieg. Sie<br />

versuchte <strong>e<strong>in</strong>e</strong> eigene Arbeitsgruppe<br />

aufzubauen und es gelang ihr auch<br />

Forschungsgelder e<strong>in</strong>zuwerben. Doch<br />

<strong>die</strong>ser neuerliche Erfolg führte zu<br />

derart vehementem Neid, dass sie sogar<br />

Rechtsberatung <strong>in</strong> Anspruch nehmen<br />

musste und schließlich an <strong>die</strong> Hadassah<br />

Medical School der Hebrew University<br />

Jerusalem nach Israel flüchtete. „Wäre<br />

ich e<strong>in</strong> Mann gewesen, hätte <strong>man</strong> <strong>in</strong><br />

Deutschland m<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Erfolge eher akzeptiert“,<br />

<strong>ist</strong> <strong>die</strong> Top-Forscher<strong>in</strong> überzeugt.<br />

Viel freundlicher wurde sie h<strong>in</strong>gegen<br />

im aufgeschlossenen Israel empfangen.<br />

Dort bee<strong>in</strong>druckten sie nicht nur <strong>die</strong><br />

Herzlichkeit der ForscherInnengeme<strong>in</strong>de,<br />

sondern auch <strong>die</strong> überwältigende<br />

Landschaft. Täglich wanderte sie<br />

um halb sieben Uhr früh den Berg nahe<br />

der Hadassah Medical School h<strong>in</strong>auf,<br />

um Kraft <strong>in</strong> der Natur zu tanken: „Der<br />

Ausblick war e<strong>in</strong>malig“. Zwei Jahre<br />

später erfolgte der Ruf nach Wien, als<br />

Vorstand des Instituts für Bakteriologie,<br />

Mykologie und Hygiene an der Veter<strong>in</strong>ärmediz<strong>in</strong>ischen<br />

Universität Wien.<br />

Auch hier kam ihr das Frause<strong>in</strong> anfangs<br />

<strong>in</strong> <strong>die</strong> Quere: Nicht nur, dass sie damals<br />

erst <strong>die</strong> zweite ordentliche Universitätsprofessor<strong>in</strong><br />

an der VetMed war,<br />

sondern sie war anfangs <strong>die</strong> jüngste<br />

Professur<strong>in</strong>haber<strong>in</strong> sogar im Männervergleich<br />

und obendre<strong>in</strong> Institutsvorständ<strong>in</strong><br />

– zuviel des Guten. „Noch <strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />

Frau, das <strong>ist</strong> uns hier zuviel“, entfuhr es<br />

<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Wiener Kollegen älteren Semesters<br />

– <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Äußerung, <strong>die</strong> Rosengarten<br />

trotz aller Standfestigkeit verunsicherte<br />

und verletzte. „Aber vielleicht war es<br />

nicht so geme<strong>in</strong>t, <strong>die</strong> Wortwahl war<br />

halt unglücklich“, relativiert sie heute<br />

nobel. E<strong>in</strong>fach seien <strong>die</strong> Anfänge jedenfalls<br />

nicht gewesen, lang hatte sie zu<br />

kämpfen, um ihr Institut wissenschaftlich<br />

flott zu machen.<br />

Eigene Firma, Hochkultur und<br />

Briefmarken<br />

Heute versucht sie, <strong>die</strong> <strong>in</strong> den USA<br />

genossene Gleichwertigkeit auch an<br />

der Wiener Universität zu leben und so<br />

e<strong>in</strong> <strong>in</strong>spirierendes Forschungsklima zu<br />

schaffen. Die MitarbeiterInnen ihres<br />

Institutes danken es ihr mit ausgezeichneten<br />

Forschungsle<strong>ist</strong>ungen und<br />

Bege<strong>ist</strong>erung für <strong>die</strong> Sache: „Manche<br />

KollegInnen, <strong>die</strong> beispielsweise <strong>in</strong><br />

Karenz s<strong>in</strong>d, wollen danach unbed<strong>in</strong>gt<br />

wieder zu mir zurück.“ E<strong>in</strong>e wichtige<br />

Stütze <strong>ist</strong> ihr heute das von ihr Ende<br />

2003 gegründete Sp<strong>in</strong> Off, <strong>die</strong> Firma<br />

Mycosafe. Hier werden für <strong>die</strong> biopharmazeutische<br />

Industrie Impfstoffe und<br />

andere Biologika auf Mykoplasmenfreiheit<br />

erprobt, sowie raschere Testme-<br />

106 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie


thoden entwickelt. Synergien mit der<br />

Mykoplasmen-Forschung am Institut<br />

ergeben sich ideal. Als nächsten Schritt<br />

möchte sie je<strong>man</strong>den mit der kooperativen<br />

Weiterentwicklung der Firma<br />

auf <strong>in</strong>ternationaler Ebene betrauen,<br />

um vielleicht mehr Freizeit gew<strong>in</strong>nen<br />

zu können, denn <strong>die</strong> Wissenschafter<strong>in</strong><br />

genießt Wiens Kultur: „Klassische Musik<br />

hat mich schon als K<strong>in</strong>d bege<strong>ist</strong>ert<br />

und den Goldenen Saal im Musikvere<strong>in</strong><br />

genieße ich e<strong>in</strong>fach.“ Auch möchte sie<br />

<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r weiteren Leidenschaft <strong>in</strong> Zukunft<br />

mehr Raum geben: Der Philatelie,<br />

Spezialgebiet Altdeutschland. Die<br />

Hannoverschen Briefmarken wecken<br />

Assoziationen mit ihrer Familie, <strong>die</strong><br />

angesehene Papierfabrikanten <strong>in</strong><br />

Osnabrück waren. „Über <strong>die</strong> Briefmarken<br />

hab ich mich immer schon<br />

gerne mit m<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Familiengeschichte<br />

bis zu Karl dem Großen befasst.“ Als<br />

Frau hätte sie es <strong>in</strong> ihrer Karriere<br />

bisher immer schwer gehabt, me<strong>in</strong>t sie<br />

rückblickend. „Alles, was ich geschafft<br />

habe, beruhte auf Eigen<strong>in</strong>itiative, mich<br />

hat kaum je<strong>man</strong>d unterstützt.“ Man<br />

müsse sich mitunter eben alternative<br />

Wege schaffen, um trotzdem erfolgreich<br />

se<strong>in</strong> zu können. „M<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Devise<br />

war immer: Weitermachen, hartnäckig<br />

am Ziel dran bleiben.“<br />

„Ich lass mich nicht aus der<br />

Spur br<strong>in</strong>gen. Ich habe bis<br />

heute immer alles geschafft,<br />

was ich mir vorgenommen<br />

habe.“<br />

107


„Jeder Baum erzählt <strong>e<strong>in</strong>e</strong> eigene Geschichte, <strong>man</strong><br />

muss nur h<strong>in</strong>hören.“<br />

Rafaela Rothwangl<br />

Interview: Knoll&Szalai, Teresa Arrieta | September 2007<br />

Fotos: Kathar<strong>in</strong>a Gossow<br />

108 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie


Die Bäume spüren und<br />

erforschen<br />

Die Forstwirtschaftskonsulent<strong>in</strong><br />

Rafaela Rothwangl untersucht<br />

Wälder mit Forste<strong>in</strong>richtungs -<br />

geräten, Computerprogrammen<br />

und wissenschaftlichen Analysen,<br />

bei Bedarf auch mit Geo<strong>man</strong>tie<br />

und Wünschelrute.<br />

Die Forstwirtschaftskonsulent<strong>in</strong> Rafaela<br />

Rothwangl untersucht Wälder mit<br />

Forste<strong>in</strong>richtungsgeräten, Computerprogrammen<br />

und wissenschaftlichen<br />

Ausbildung:<br />

Studium Holz- und Forstwirtschaft,<br />

Universität für Bodenkultur Wien<br />

Position:<br />

Geschäftsführer<strong>in</strong> „Forstbüro Gäbler“<br />

(seit 2001), Forstwirtschaftskonsulent<strong>in</strong>,<br />

Gutachter<strong>in</strong><br />

Branche:<br />

Forst- und Holzwirtschaft<br />

Analysen, bei Bedarf auch mit Geo<strong>man</strong>tie<br />

und Wünschelrute.<br />

Wälder können unter Schock stehen. Das<br />

merkt <strong>man</strong> daran, dass <strong>die</strong> Verjüngung<br />

bei Aufforstungen nicht recht klappen<br />

will, oder das Wachstum e<strong>in</strong>fach nicht<br />

gedeiht. Und das obwohl normale<br />

Boden- und Wasserverhältnisse gegeben<br />

s<strong>in</strong>d. Nachforschungen können<br />

dann beispielsweise ergeben, dass zur<br />

Kriegszeit <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Frontl<strong>in</strong>ie mitten durch<br />

<strong>die</strong>sen Wald geführt hat. „Das hab ich<br />

erfahren, <strong>in</strong>dem ich mit den Menschen<br />

der Ortschaft geplaudert habe, <strong>die</strong><br />

haben mir dann schlimme Kriegsgeschichten<br />

erzählt“, so <strong>die</strong> aus Graz<br />

stammende Forst<strong>in</strong>genieur<strong>in</strong> Rafaela<br />

Rothwangl. Doch Wälder können von<br />

solchen Schocks auch geheilt werden.<br />

Mittels Waldbau und Geo<strong>man</strong>tie können<br />

Blockaden gelöst werden, mittels<br />

Rute als diagnostischem Instrument<br />

können Erd- und Wasserstrahlen sowie<br />

Verwerfungen ausgetestet werden.<br />

Derlei „wissenschaftlich noch nicht<br />

bewiesene“ Methoden wendet <strong>die</strong><br />

Expert<strong>in</strong> immer dann an, wenn ökologisches<br />

Fachwissen alle<strong>in</strong> nicht ausreicht,<br />

um e<strong>in</strong> unausgeglichenes Waldbild zu<br />

109


erklären. Ziel <strong>ist</strong>, dass der Wald wieder<br />

s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> ursprünglichen Vitalität erreicht,<br />

auch wenn <strong>die</strong> Methoden mitunter ungewöhnlich<br />

s<strong>in</strong>d: „Nichts davon <strong>ist</strong> wissenschaftlich<br />

abgesichert. Aber wenn<br />

das Ergebnis vielversprechend <strong>ist</strong>, dann<br />

zählt das für mich. Ich entwickle gerade<br />

m<strong>e<strong>in</strong>e</strong> eigene Methode zur ganzheitlichen<br />

Waldbewirtschaftung“, setzt<br />

Rothwangl fort. Sie betont, dass sie <strong>in</strong><br />

erster L<strong>in</strong>ie Forstwirt<strong>in</strong> <strong>ist</strong>, <strong>die</strong> andere<br />

Sichtweisen bei Bedarf e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gt.<br />

Bäume und Wälder erzählen<br />

Geschichten<br />

Menschen, <strong>die</strong> sehr lange mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m<br />

Wald zu tun gehabt haben, praktizieren<br />

gewisse Regeln unbewusst, wie<br />

Rothwangl beobachtet hat. „E<strong>in</strong> alter<br />

Förster beispielsweise würde zwar nicht<br />

sagen, dass er geo<strong>man</strong>tisch arbeitet,<br />

aber er hat sich auf s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Bäume<br />

e<strong>in</strong>geschwungen.“ Er bewirtschaftet<br />

beispielsweise nicht <strong>in</strong> kerzengeraden<br />

L<strong>in</strong>ien, weil er spürt, das Mäandernde<br />

tut dem Wald gut. E<strong>in</strong>en schönen<br />

Felsste<strong>in</strong> lässt er dann e<strong>in</strong>fach liegen,<br />

ohne zu wissen, warum. „Heute gibt<br />

es auf der Wiener Universität für<br />

Bodenkultur sogar <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Professor, der<br />

der Geo<strong>man</strong>tie zugeneigt <strong>ist</strong>“ sagt <strong>die</strong><br />

Waldexpert<strong>in</strong>, <strong>die</strong> <strong>die</strong>sen Zugang erst<br />

nach dem eigenen Boku-Studium fand.<br />

Dort hat sie <strong>die</strong> handfesten Grundlagen<br />

des Forstbewirtschaftungs-Gewerbes<br />

gelernt, <strong>die</strong> sie heute je nach Bedarf<br />

sehr wissenschaftlich und rational<br />

e<strong>in</strong>setzt, denn nicht alle Waldbesitzer-<br />

Innen bege<strong>ist</strong>ern sich für Baumenergien.<br />

Wenn sie etwa Forstbewirtschaftungspläne<br />

für <strong>die</strong> nächsten zehn Jahre<br />

erstellt, richtet sie sich eben nach den<br />

Vorstellungen ihrer AuftraggeberInnen.<br />

Hier stehen ihr <strong>die</strong> verschiedensten<br />

Umsetzungstools zur Verfügung, denn<br />

das Wissen der e<strong>in</strong>zigen Forstwirtschafts<strong>in</strong>genieurkonsulent<strong>in</strong>Österreichs<br />

umfasst <strong>die</strong> gesamte Bandbreite<br />

der Forstwissenschaft, Forstwirtschaft<br />

und des Waldbaues. Nach dem Studium<br />

stieg Rothwangl bei <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Ziviltechnikerkanzlei<br />

e<strong>in</strong>, <strong>die</strong> sie 2001 übernahm<br />

und somit den Sprung <strong>in</strong> <strong>die</strong> Selbstständigkeit<br />

wagte: Heute <strong>ist</strong> sie zielstrebige<br />

Chef<strong>in</strong> der „Forstbüro Gäbler<br />

GesmbH“ <strong>in</strong> Rettenegg. „Mir gefällt <strong>die</strong><br />

Freiheit des Unternehmertums“, zeigt<br />

sie sich nach sechs Jahren Selbstständigkeit<br />

äußerst zufrieden.<br />

Karthograph<strong>in</strong>, Buchhalter<strong>in</strong>,<br />

Holzhändler<strong>in</strong><br />

Ihre Firma ruht auf mehreren Standb<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n:<br />

Da wäre erstens <strong>die</strong> Forstverwaltung.<br />

Hier geht es um <strong>die</strong> Pflege<br />

des Waldes, Holzverkauf, aber auch<br />

Personal verrechnung. Das zweite<br />

Standbe<strong>in</strong> <strong>ist</strong> Rothwangls gutachterliche<br />

Tätigkeit als gerichtlich beeidete<br />

Sachverständige: Sie erstellt Waldbewertungen<br />

bis zu mehreren tausend<br />

110 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie


Hektar ebenso wie Expertisen für<br />

Versicherungen oder bei Rechtsstreitigkeiten.<br />

Das dritte Standbe<strong>in</strong> <strong>ist</strong> <strong>die</strong><br />

Erstellung von Waldwirtschaftsplänen<br />

um <strong>die</strong> Holzerträge langfr<strong>ist</strong>ig zu<br />

sichern: Die Baumexpert<strong>in</strong> erstellt Aufforstungspläne<br />

zur Baumverjüngung,<br />

baut neue Wege durch den Wald und<br />

erhebt <strong>die</strong> vorhandenen Baumarten. Sie<br />

erstellt detailliert Vegetationsaufnahmen<br />

im Freiland und überträgt <strong>die</strong>se<br />

Wald-Daten dann am Computer <strong>in</strong><br />

digitale Karten. So breit gefächert wie<br />

ihre Tätigkeiten <strong>ist</strong> auch ihr Know-how:<br />

Pflanzenkunde beherrscht sie ebenso<br />

wie Kartographie, <strong>e<strong>in</strong>e</strong> große Portion<br />

betriebswirtschaftliches Fachwissen<br />

„<strong>Es</strong> hat noch nie je<strong>man</strong>d <strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />

blöde Bemerkung gemacht,<br />

weil ich <strong>e<strong>in</strong>e</strong> der raren Frauen<br />

im Forstgewerbe b<strong>in</strong>. Denn<br />

ich b<strong>in</strong> ja selbständig und <strong>die</strong><br />

Leute suchen sich frei aus, ob<br />

sie zu mir kommen.“<br />

für <strong>die</strong> Erstellung der Waldwirtschaftspläne<br />

und <strong>die</strong> Organisation der Holzernte<br />

gehören ebenfalls dazu.<br />

Verborgenes ans Licht<br />

br<strong>in</strong>gen<br />

„E<strong>in</strong>e sehr enge Beziehung“ habe sie<br />

zum Wald. <strong>Es</strong> sei jedes Mal aufregend,<br />

dem Thema des jeweiligen Forstgebietes<br />

nachzuspüren: „Märchen, Sagen,<br />

Ortsnamen, <strong>die</strong> helfen viel weiter.“<br />

Wenn e<strong>in</strong> Ort zum Beispiel Höll heißt,<br />

dann sei wohl <strong>die</strong> Beschäftigung mit<br />

den Schattenseiten e<strong>in</strong> wichtiges<br />

Thema <strong>in</strong> <strong>die</strong>ser Region. „Ich wandere<br />

wirklich gern zwischen den Bäumen.“<br />

Dabei <strong>in</strong>teressiert sie auch das lokale<br />

Volkswissen: „Wenn <strong>man</strong> lang genug<br />

sucht, entdeckt <strong>man</strong> für fast jeden<br />

Ortsteil oder Wald Sagen und Geschichten,<br />

<strong>die</strong> sehr aufschlussreich se<strong>in</strong><br />

können.“ Rafaela Rothwangl liebt es,<br />

<strong>die</strong>ses alte Wissen auszugraben, Beruf<br />

und Berufung treffen sich hier punktgenau.<br />

So kommt es, dass <strong>die</strong> Ingenieur<strong>in</strong><br />

nicht e<strong>in</strong>mal im Urlaub von ihrer<br />

hölzernen Leidenschaft lassen kann.<br />

Ihre Ferien hat sie <strong>in</strong> den kanadischen<br />

Nadelwäldern und <strong>in</strong> Sibirien verbracht.<br />

„Ich suche menschenleere Gegenden,<br />

dort kann ich gut zu mir kommen.“<br />

111 14


Birgit Sattler<br />

Interview: Teresa Arrieta | Dezember 2006<br />

„Im Eis erfährt <strong>man</strong>, was <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n wirklich bewegt und<br />

wozu <strong>man</strong> fähig <strong>ist</strong>. Man lernt, <strong>die</strong> eigenen Grenzen<br />

auszuloten.“<br />

Fotos: Lisa Holzer<br />

112 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie


Das Donnern der Eisgletscher<br />

Polarforscher<strong>in</strong> Birgit Sattler hat auf<br />

ihren Forschungsreisen <strong>die</strong> weiße<br />

Weite der Antarktis kennen gelernt.<br />

Das hat ihr Leben geprägt, denn dort<br />

fühlte sie sich unbezw<strong>in</strong>gbar.<br />

Wer hätte gedacht, dass so viele Farben<br />

schillern an jenem Ort, wo alles weiß<br />

<strong>ist</strong>. In der Antarktis, wo es nur Schnee,<br />

Eis und Wüste gibt, hat <strong>die</strong> Innsbrucker<br />

Polarforscher<strong>in</strong> Birgit Sattler alle<br />

Farben des Regenbogens erlebt: Wie<br />

Ausbildung:<br />

Studium der Mikrobiologie an der<br />

Universität Innsbruck<br />

Position:<br />

Forschungsass<strong>ist</strong>ent<strong>in</strong> am<br />

Institut für Ökologie<br />

Wissenschaftsdiszipl<strong>in</strong>:<br />

Limnologie<br />

der Lichte<strong>in</strong>fall zu Mittag <strong>die</strong> Eisfelsen<br />

blau bricht, wie <strong>die</strong> Abendsonne alles<br />

<strong>in</strong> satte Orangetöne taucht. Sogar das<br />

knallgelbe Zelt, <strong>in</strong> dem sie bei m<strong>in</strong>us<br />

vierzig Grad Außentemperatur geschlafen<br />

hat, wurde gelber: Wie riesengroße<br />

Blüten, denen <strong>die</strong> Bienen zuströmen,<br />

kamen sie ihr vor: „Man wird halt a<br />

bisserl komisch im Kopf dort draußen“<br />

- oder vielleicht nimmt <strong>man</strong> bloß alles<br />

<strong>in</strong>tensiver wahr und <strong>die</strong> D<strong>in</strong>ge werden<br />

echter. Birgit Sattler hat ihr Berufsleben<br />

der Limnologie gewidmet: Die<br />

Ass<strong>ist</strong>ent<strong>in</strong> am Innsbrucker Universi-<br />

täts<strong>in</strong>stitut für Ökologie <strong>ist</strong> Eisforscher<strong>in</strong><br />

und durfte bereits drei Mal <strong>in</strong> <strong>die</strong><br />

Arktis, „das <strong>ist</strong> dort, wo <strong>die</strong> Eisbären<br />

wohnen“ und drei Mal <strong>in</strong> <strong>die</strong> Antarktis,<br />

„dort <strong>ist</strong> es noch viel kälter und dort<br />

leben <strong>die</strong> P<strong>in</strong>gu<strong>in</strong>e“.<br />

Die Reisen haben sie sehr geprägt: „Ich<br />

b<strong>in</strong> für me<strong>in</strong> ganzes Leben dankbar, dass<br />

ich das hab‘ machen dürfen“, schwärmt<br />

sie versonnen. Dort zu se<strong>in</strong>, wo sonst<br />

nichts <strong>ist</strong>, das <strong>ist</strong> e<strong>in</strong>fach e<strong>in</strong> unbeschreibliches<br />

Gefühl: „Wie, wenn <strong>man</strong><br />

<strong>in</strong> etwas ganz Großem dr<strong>in</strong>nen steckt.“<br />

113


„Entweder <strong>man</strong> erlebt den Polar als riesengroßes<br />

Gefängnis oder als riesengroße Weite.“<br />

Reise zu den eigenen Grenzen<br />

„Auf <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m polaren Plateau zu stehen<br />

oder auf <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Gletscher h<strong>in</strong>auf zu<br />

schauen, das <strong>ist</strong> so gewaltig, <strong>man</strong> hat<br />

das Gefühl, <strong>man</strong> kann alles schaffen,<br />

das <strong>ist</strong> sehr prägend.“, er<strong>in</strong>nert sie<br />

sich an ihre letzten Reiseerlebnisse<br />

und vergisst auch nicht <strong>die</strong> damaligen<br />

Schwierigkeiten: Bei m<strong>in</strong>us vierzig Grad<br />

zu forschen, das br<strong>in</strong>ge jeden an s<strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />

Grenzen. Man lernt sehr viel über sich<br />

und über das, was wirklich wichtig <strong>ist</strong>.<br />

Während der ersten Reise <strong>ist</strong> sie anfangs<br />

me<strong>ist</strong> schlecht gelaunt gewesen,<br />

weil sie es nicht fassen konnte, dass<br />

114 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie


<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m immer kalt se<strong>in</strong> kann. Für <strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />

solche Reise erhält <strong>man</strong> nicht etwa<br />

<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n AstronautInnenanzug mit e<strong>in</strong>gebauter<br />

Heizung: Birgit Sattler bekam<br />

schlichte warme Daunenbekleidung und<br />

fuhr ansonsten mit Angoraunterwäsche<br />

und mit der Expeditionskleidung ihres<br />

Vaters aus den siebziger Jahren: „Man<br />

muss sich halt mehr bewegen und 5000<br />

Kalorien pro Tag essen“, schildert sie<br />

nüchtern. Man lernt, was wesentlich<br />

<strong>ist</strong>, denn Alltagsablenkungen gibt es<br />

dort k<strong>e<strong>in</strong>e</strong>. Besonders bee<strong>in</strong>druckt war<br />

<strong>die</strong> 37jährige von den „Dry Valleys“.<br />

Das s<strong>in</strong>d Sandwüsten, zu denen <strong>man</strong><br />

nur mittels Hubschrauber gelangen<br />

kann: Täler mit eisbedeckten Seen<br />

und Sandgeröll, <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Mondlandschaft<br />

gleich. Am me<strong>ist</strong>en bee<strong>in</strong>druckte sie<br />

das brüllende Heulen der W<strong>in</strong>dstürme.<br />

Das Geräusch des zerberstenden Eises,<br />

wenn <strong>die</strong> Brocken <strong>die</strong> Gletscherfront<br />

h<strong>in</strong>unterdonnern, hat sie „an das Peitschenknallen<br />

<strong>in</strong> ihrem Dorf im Fasch<strong>in</strong>g<br />

beim W<strong>in</strong>teraustreiben“ er<strong>in</strong>nert.<br />

Verschmelzen mit den<br />

Gletschern<br />

Frei und unbesiegbar hat sich Birgit<br />

Sattler am Polar gefühlt, obwohl<br />

<strong>man</strong> dort sehr verletzlich sei, denn<br />

<strong>e<strong>in</strong>e</strong> solche Expedition <strong>ist</strong> nun e<strong>in</strong>mal<br />

gefährlich. Deswegen musste sie dort<br />

auch e<strong>in</strong> Überlebenstra<strong>in</strong><strong>in</strong>g absolvieren,<br />

im Zuge dessen sie über Nacht<br />

ausgesetzt wurde – geme<strong>in</strong>sam mit<br />

ihren KollegInnen und nur mit der nötigsten<br />

Grundausrüstung ausgestattet.<br />

Zusammen mussten sie entscheiden,<br />

ob sie aufgrund der Wetterlage zur<br />

Übernachtung e<strong>in</strong> Iglu bauen, <strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />

Schneehöhle graben oder doch das<br />

Zelt aufstellen – <strong>e<strong>in</strong>e</strong> wahrlich harte<br />

Nacht. Aber trotz aller Risiken möchte<br />

<strong>die</strong> Limnolog<strong>in</strong> sobald es geht wieder <strong>in</strong><br />

<strong>die</strong> polaren Regionen. Ihre bisherigen<br />

Forschungsergebnisse erregen bereits<br />

<strong>in</strong>ternationales Aufsehen: „Leben gibt<br />

es überall“, so <strong>die</strong> wichtigste Erkenntnis<br />

der Eisexpert<strong>in</strong>. Die arktischen und<br />

antarktischen Forschungsergebnisse<br />

haben <strong>in</strong>sgesamt zu <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m neuen<br />

Verständnis des polaren Ökosystems<br />

beigetragen.<br />

Leben im Eis<br />

Heute weiß <strong>man</strong>, dass Eis und Schnee<br />

k<strong>e<strong>in</strong>e</strong> sterilen Wüsten s<strong>in</strong>d, sondern<br />

dass sich Leben auch unter den<br />

widrigsten Umständen weiter entwickelt:<br />

Wenn etwa je<strong>man</strong>d am Polar<br />

beim Wandern auf <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Flechte tritt<br />

(<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Symbiose aus Alge und Pilz),<br />

dann braucht <strong>die</strong>se mehrere hundert<br />

Jahre, um sich zu regenerieren, weil<br />

sie extrem langsam wächst. So weit<br />

<strong>ist</strong> <strong>die</strong> Anpassungsle<strong>ist</strong>ung ge<strong>die</strong>hen.<br />

Aber das LimnologInnenteam um<br />

Birgit Sattler hat nicht nur <strong>die</strong> Polarregionen<br />

erforscht, sondern auch alp<strong>in</strong>e<br />

Gegenden: In Innsbruck liegt das Eis ja<br />

praktisch vor der Haustür. Hier, <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r<br />

kl<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Forschungsstation neben <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m<br />

Schigebiet, haben Sattlers Forschungen<br />

ihren Anfang genommen. Hier konnte<br />

ihr Team geme<strong>in</strong>sam mit ihrem<br />

Mentor Prof. Roland Psenner erstmals<br />

nach weisen, dass im W<strong>in</strong>ter <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m<br />

zugefrorenen See <strong>die</strong> me<strong>ist</strong>e mikrobakterielle<br />

Aktivität <strong>in</strong>nerhalb der Eisdecke<br />

– und nicht <strong>in</strong> den Wassertiefen –<br />

stattf<strong>in</strong>det. Später erstreckten sich<br />

ihre Untersuchungen auf Kle<strong>in</strong>storganismen<br />

<strong>in</strong> den Wolken. Die Erkenntnis,<br />

dass auch <strong>die</strong> Luft lebendig <strong>ist</strong>, dass<br />

sich Mikroorganismen <strong>in</strong> der Atmosphäre<br />

reproduzieren und Stoffwechsel<br />

betreiben können, hat vor fünf Jahren<br />

viel Staub aufgewirbelt. Doch derzeit<br />

schwebt Birgit Sattler nicht mehr über<br />

den Wolken sondern fiebert bereits<br />

ihrer nächsten Polarreise entgegen. In<br />

der Zwischenzeit kämpft sie auch für<br />

den Schutz <strong>die</strong>ses vom Klimawandel<br />

und Tourismus bedrohten Ökosystems:<br />

Seit 2006 <strong>ist</strong> sie Delegierte Österreichs<br />

für den Antarktisvertrag. Ihr nächstes<br />

Projekt: Habilitieren und erneut <strong>die</strong><br />

Gletscher der Antarktis besteigen.<br />

115


Renate Scheidenberger<br />

Interview: Teresa Arrieta | Februar 2007<br />

Fotos: Kathar<strong>in</strong>a Gossow<br />

„Loyalität steht im Vordergrund, denn es geht nur geme<strong>in</strong>sam.<br />

Loyalität m<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r MitarbeiterInnen zu mir,<br />

ich zu ihnen und wir zu unseren AuftraggeberInnen.“<br />

116 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie


Respekt, Loyalität, Freude<br />

So lauten <strong>die</strong> Leitmotive der Bau<strong>man</strong>agement<br />

Firma von Jungunternehmer<strong>in</strong><br />

Renate Scheidenberger, mit<br />

der sie höchst erfolgreich Altem neues<br />

Leben e<strong>in</strong>haucht. Dabei vertraut sie<br />

ihrem Inst<strong>in</strong>kt und hält Bauherren<br />

und -frauen den Rücken frei.<br />

Erfreut und gerührt zugleich sei sie<br />

gewesen, sagt Renate Scheidenberger<br />

strahlend, als bei <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Firmensem<strong>in</strong>ar<br />

all ihre MitarbeiterInnen <strong>die</strong> wichtigsten<br />

Firmenwerte mit ähnlichen Worten<br />

Ausbildung:<br />

HTL-Kolleg, Baume<strong>ist</strong>erprüfung<br />

Master of Science<br />

Position:<br />

Gründer<strong>in</strong> von „Baukultur“<br />

(Bau<strong>man</strong>agement Unternehmen) 2002<br />

und „Schlüsselszene“ (Immobilienverwertungs<br />

GesmbH) 2005<br />

Branche:<br />

Bauwesen<br />

beschrieben hätten: Respekt, Loyalität<br />

und Freude am Tun. Gerade der „Respekt“<br />

zieht sich als roter Faden durch<br />

das Berufsleben der Niederösterreicher<strong>in</strong>.<br />

Im Zuge ihrer HTL-Kolleg Ausbildung<br />

„Bautechnische Restaurierung“<br />

entdeckte sie ihre Leidenschaft für das<br />

Handwerk am Bau. Damals erhielt sie<br />

<strong>die</strong> Möglichkeit, <strong>in</strong> der Türkei Teile der<br />

Ausgrabungsstätte von Troja bautechnisch<br />

abzusichern: „E<strong>in</strong>e fantastische<br />

Zeit“. Obwohl k<strong>e<strong>in</strong>e</strong> und k<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r der<br />

Sprache des und der Anderen mächtig<br />

war, habe <strong>die</strong> von gegenseitiger<br />

Achtung geprägte Zusammenarbeit mit<br />

den türkischen ArbeiterInnen bestens<br />

funktioniert. Wenig später legte sie <strong>die</strong><br />

Baume<strong>ist</strong>erInnenprüfung ab und konnte<br />

ihrer Berufung nachgehen, zwischen<br />

Maurern und anderen Profession<strong>ist</strong>Innen<br />

am Bau nach dem Rechten zu<br />

sehen. „Sie haben von mir immer viel<br />

Respekt gespürt, vom kle<strong>in</strong>sten Hilfsarbeiter<br />

und der kle<strong>in</strong>sten Hilfsarbeiter<strong>in</strong><br />

bis ganz h<strong>in</strong>auf, denn ich sehe, welch<br />

enorme Anstrengung es <strong>ist</strong>, den ganzen<br />

Tag schwere körperliche Arbeit zu<br />

verrichten.“ Das E<strong>in</strong>fühlungsvermögen<br />

<strong>in</strong> <strong>die</strong> oft harte Arbeit der Handwerker-<br />

Innen hat Renate Scheidenberger <strong>in</strong><br />

117


der HTL gelernt, wo sie sich e<strong>in</strong>mal pro<br />

Woche quer durch alle Baudiszipl<strong>in</strong>en<br />

Praxis aneignen musste. „Wenn <strong>man</strong><br />

so e<strong>in</strong> Gewölbe selber verputzt und<br />

alles wieder runterfällt, dann weiß <strong>man</strong><br />

erst, was handwerkliches Know-how<br />

bedeutet“, er<strong>in</strong>nert sich <strong>die</strong> Ingenieur<strong>in</strong><br />

an mühsame Zeiten.<br />

Die eigenen Ideen<br />

verwirklichen<br />

Wertschätzung hat sie nicht nur für <strong>die</strong><br />

ArbeiterInnen übrig, sondern auch für<br />

<strong>die</strong> alten Häuser, <strong>die</strong> sie nun saniert.<br />

„Etwas Verfallenem Leben e<strong>in</strong>hauchen,<br />

mit Respekt und Achtung bestehende<br />

Bausubstanz konservieren, um sie dann<br />

im S<strong>in</strong>ne des modernen Zeitge<strong>ist</strong>es<br />

nutzen zu können“, so umreißt sie den<br />

Kern ihrer unternehmerischen Tätigkeit.<br />

In <strong>die</strong>sem S<strong>in</strong>ne <strong>ist</strong> auch der Firmenname<br />

„Baukultur“ zu verstehen. Ihr<br />

bricht es jedes Mal das Herz, wenn so<br />

e<strong>in</strong> altes Gemäuer abgerissen und <strong>in</strong><br />

<strong>die</strong> Baulücken Betonklötze h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>produziert<br />

werden, denn <strong>die</strong> ehrwürdigen<br />

Bauten „atmen Geschichte“. In <strong>die</strong>sen<br />

hohen alten Räumen aus Ziegel und<br />

Holz strömt halt <strong>e<strong>in</strong>e</strong> ganz andere Energie<br />

als <strong>in</strong> den neuen Stahlkästen. Nach<br />

mehreren Jahren zwischen Schutt,<br />

Staub und Betonmischmasch<strong>in</strong>en regte<br />

sich Scheidenbergers zweite Berufung:<br />

Der Wunsch nach Selbstständigkeit,<br />

denn „ich wollte e<strong>in</strong>fach m<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n<br />

eigenen Weg gehen.“ Mit <strong>die</strong>sem Ziel<br />

im Kopf absolvierte sie den Master <strong>in</strong><br />

Bau<strong>man</strong>agement und Unternehmensführung<br />

an der PEF (Wiener Privatuniversität<br />

für Management) – „<strong>e<strong>in</strong>e</strong>s der<br />

besten D<strong>in</strong>ge, <strong>die</strong> ich je gemacht hab“,<br />

wie sich im Nachh<strong>in</strong>e<strong>in</strong> herausstellen<br />

sollte, denn dort erlernte sie nicht nur<br />

das unternehmerische Handwerkszeug,<br />

sondern knüpfte auch zahlreiche Kontakte,<br />

<strong>die</strong> sich später für <strong>die</strong> Auftragsaquisition<br />

als nützlich erweisen sollten.<br />

Rund um <strong>die</strong> Uhr im E<strong>in</strong>satz<br />

Dabei sei <strong>die</strong> Entscheidung, gerade dort<br />

zu <strong>in</strong>skribieren, <strong>e<strong>in</strong>e</strong> r<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Gefühlsentscheidung<br />

gewesen – auch das<br />

e<strong>in</strong> weiterer Faden, der sich durch ihr<br />

Berufsleben zieht: Intuitives Handeln,<br />

das me<strong>ist</strong> zum Erfolg führt: „Die Erfahrung<br />

hat mir gezeigt, dass ich wichtige<br />

Entscheidungen nicht nur mit dem Kopf<br />

treffen soll.“ Noch vor Abschluss ihres<br />

Masters wagte <strong>die</strong> Baume<strong>ist</strong>er<strong>in</strong> den<br />

Schritt <strong>in</strong> <strong>die</strong> Selbstständigkeit, mit<br />

viel Herzflattern und <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Sekretär<strong>in</strong><br />

als e<strong>in</strong>zigem Be<strong>ist</strong>and. Die Privatuni<br />

unterstützte sie dabei: Die ganze<br />

Klasse gab ihr konstruktives Feedback<br />

zu ihren Präsentationen. Schon nach<br />

<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m halben Jahr war ihr klar, dass<br />

es ke<strong>in</strong> Zurück mehr gab, denn <strong>die</strong><br />

Ingenieur<strong>in</strong> hatte Blut geleckt und fand<br />

Ge fallen an der aufreibenden Freiheit<br />

als Jungunternehmer<strong>in</strong>. Innerhalb von<br />

fünf Jahren <strong>ist</strong> ihre Firma „Baukultur“<br />

auf elf MitarbeiterInnen angewachsen,<br />

<strong>die</strong> Auftragslage steigt kont<strong>in</strong>uierlich<br />

und <strong>in</strong>teressante Projekte mit <strong>in</strong>ternationalen<br />

ArchitektInnen haben sich<br />

aufgetan. Der Erfolg liegt auch <strong>in</strong> der<br />

Flexibilität des Unternehmens begründet:<br />

Die „Baukultur“ wird h<strong>in</strong>zugezogen,<br />

um Bauherren und -frauen den<br />

Rücken frei zu halten. E<strong>in</strong>es der Erfolgsrezepte<br />

<strong>ist</strong> das außergewöhnliche<br />

Engagement von Scheidenbergers Team:<br />

„Wenn e<strong>in</strong> Sturm mitten <strong>in</strong> der Nacht<br />

<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Abdeckung wegreißt, stehen wir<br />

Gewehr bei Fuß.“ Wenn extrem kurze<br />

Fr<strong>ist</strong>en e<strong>in</strong>zuhalten s<strong>in</strong>d, kriegt das<br />

Team auch das h<strong>in</strong>, denn „Geht nicht,<br />

gibt´s nicht“ <strong>ist</strong> das konsequent gelebte<br />

Baukultur-Motto.<br />

Aus e<strong>in</strong>s mach zwei<br />

In der Zwischenzeit hat <strong>die</strong> erfolgreiche<br />

Unternehmer<strong>in</strong> bereits Firma Nr. 2<br />

gegründet:<br />

Die „Schlüsselszene“, mit der sie<br />

geme<strong>in</strong>sam mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Architekten<br />

Dachgeschosswohnungen errichtet. Wie<br />

es ihr als Frau <strong>in</strong> <strong>die</strong>ser männerdom<strong>in</strong>ierten<br />

Branche geht? „Danke bestens“<br />

– vielleicht auch deshalb, weil sie ihr<br />

Frause<strong>in</strong> beruflich weder besonders<br />

betont noch negiert. Deswegen will sie<br />

sich auch nicht an Frauennetzwerken<br />

beteiligen. Das kommt ihr „unnatürlich“<br />

vor. Klar, dass der Baume<strong>ist</strong>er Innenkurs<br />

als e<strong>in</strong>zige Frau unter sechzig Männern<br />

hart war – <strong>die</strong> Frauenwitze der Ingenieure<br />

aus dem mittleren Management<br />

seien oft niveauloser gewesen, als <strong>die</strong><br />

der Baustellenarbeiter Innen. Auch blieb<br />

sie von den Stammtischgesellschaften,<br />

bei denen Männer e<strong>in</strong>ander Aufträge<br />

zuschanzen, ausgeschlossen – und das<br />

sei auch gut so. Dafür hat sich Renate<br />

Scheiden berger andere Aquisitionswege<br />

erschlossen, etwa über ihr Kunst<strong>in</strong>teresse,<br />

wo es immer wieder zu beruflichen<br />

Kontakten kommt. Generell <strong>ist</strong> sie<br />

bemüht, <strong>die</strong> männlichen Eigenheiten<br />

nicht so wichtig zu nehmen: Etwa<br />

wenn „Pfauenräder geschlagen werden“,<br />

wie es <strong>in</strong> der männlichen Geschäftsgebarung<br />

oft üblich <strong>ist</strong>: Da sollte <strong>man</strong> als<br />

118 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie


Frau e<strong>in</strong>fach selbstbewusst drüberstehen.<br />

Manches kann <strong>man</strong> sich auch<br />

aus der männlichen Arbeitswelt sogar<br />

abschauen. Umgekehrt könnten auch<br />

Männer von frauentypischen Verhaltensweisen<br />

lernen. Etwa wenn Frauen <strong>in</strong><br />

leitenden Positionen bei Erfolgen sagen:<br />

„Wir (das Team) haben das vollbracht.“<br />

Und bei Misserfolgen: „Ich trage <strong>die</strong><br />

Verantwortung.“ Männer machen es<br />

h<strong>in</strong>gegen häufig umgekehrt. Grundsätzlich,<br />

sagt Baume<strong>ist</strong>er<strong>in</strong> Renate<br />

Scheidenberger, lege sie mehr Wert auf<br />

das Verb<strong>in</strong>dende als auf das Trennende,<br />

und so klug lebt sie auch ihren Arbeitsalltag:<br />

Sie <strong>in</strong>vestiert ihre Zeit und<br />

Energie vorzugsweise <strong>in</strong> jene Seilschaften,<br />

<strong>die</strong> von Geschlechter-Vorurteilen<br />

weitestgehend befreit s<strong>in</strong>d.<br />

„Unser Erfolgsgeheimnis <strong>ist</strong> <strong>die</strong> Flexibilität und das<br />

Engagement <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Jungunternehmens.“<br />

119


Gerda Schneider<br />

Interview: Teresa Arrieta | Februar 2007<br />

„Seit ich selbstständig b<strong>in</strong>, muss ich mich nirgends<br />

mehr unterordnen und kann mich frei bewegen.“<br />

Fotos: Nora Friedel<br />

120 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie


Vernetzt <strong>in</strong> alle Ewigkeit<br />

Die IT-Expert<strong>in</strong> Gerda Schneider<br />

verleiht der Internet-Navigation<br />

<strong>e<strong>in</strong>e</strong> neue Qualität: Sie <strong>ist</strong> Miterf<strong>in</strong>der<strong>in</strong><br />

<strong>e<strong>in</strong>e</strong>s neuartigen Wissensver<br />

netzungs-Systems, das zu<br />

hochwertiger Information führt –<br />

und das sie patentieren ließ.<br />

Die Welt <strong>ist</strong> kompliziert und facettenreich,<br />

warum soll sich das nicht auch<br />

im Reich der Internetl<strong>in</strong>ks wiederspiegeln?<br />

Wo steht geschrieben, dass<br />

e<strong>in</strong> www-L<strong>in</strong>k immer nur auf bloß<br />

Ausbildung:<br />

Studium der Betriebs<strong>in</strong>formatik<br />

Universität Wien<br />

Position:<br />

Mitbegründer<strong>in</strong> von<br />

www.multihyperl<strong>in</strong>k.com<br />

Wissenschaftsdiszipl<strong>in</strong>:<br />

Informationstechnologie<br />

<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Site verweisen soll? Wo bleibt da<br />

<strong>die</strong> Vielseitigkeit? Wer hat sich nicht<br />

schon selber oft über <strong>die</strong> öde Googelei<br />

geärgert, <strong>die</strong> zu stundenlangem Surfen<br />

<strong>in</strong> der Stichwortwüste führt, ohne je<br />

<strong>in</strong> der ersehnten Informationsoase<br />

anzukommen? Was wäre h<strong>in</strong>gegen<br />

mit folgendem Erlösungsszenario:<br />

Man klicke im schwarzen Text auf das<br />

blau gefärbte Wort, und anstatt zu<br />

<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r e<strong>in</strong>zigen Site weitergebeamt zu<br />

werden, erschließt sich den UserInnen<br />

e<strong>in</strong> Informations-Heureka <strong>in</strong> Form <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s<br />

M<strong>in</strong>ifensters – genannt Multihyperl<strong>in</strong>k,<br />

das <strong>e<strong>in</strong>e</strong> große L<strong>ist</strong>e an hoch<strong>in</strong>for-<br />

mativen Datenangeboten zum angeklickten<br />

Begriff bereithält.<br />

Zum Begriff Frankreich steht dann<br />

beispielsweise: Personen zum Land,<br />

Organisationen, Artikel, Zeitungen,<br />

Orte … Wer sich <strong>in</strong> <strong>die</strong>ses kondensierte<br />

Datenuniversum h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>begibt, dem erschließt<br />

sich also e<strong>in</strong> wahrer Wissensschatz.<br />

Diesen neuen Weg, ausgewählte<br />

Informationen optimal zu vernetzen,<br />

nennt Gerda Schneider Multihyperl<strong>in</strong>ks.<br />

Beispielhaft aufbereitet unter<br />

www.warspectrum.com. Und sie hofft,<br />

damit den großen IT-Coup zu landen.<br />

121


Datenungetüme beherrschen<br />

lernen<br />

„Der Auslöser war, dass wir <strong>die</strong> Daten<br />

im Google unstrukturiert fanden. Man<br />

bekommt zu viele Resultate zu <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m<br />

Begriff, zu wenig Hochwertiges. Wir<br />

wollten, dass <strong>man</strong> schneller das f<strong>in</strong>det,<br />

wonach <strong>man</strong> sucht“, schildert der<br />

weibliche Daniel Düsentrieb <strong>die</strong> Quelle<br />

der Erf<strong>in</strong>dungs<strong>in</strong>spiration. Immer schon<br />

hatte <strong>die</strong> ausgebildete Betriebs<strong>in</strong>formatiker<strong>in</strong><br />

„großen Spaß daran, D<strong>in</strong>ge<br />

zu ordnen, für komplexe Strukturen<br />

e<strong>in</strong>fache Lösungen heraus zu destillieren.“<br />

Zurückhaltend und ruhig <strong>ist</strong><br />

Gerda Schneider. K<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Frau der großen<br />

Auftritte, aber <strong>e<strong>in</strong>e</strong>, wo jeder und jede<br />

sich verstanden fühlt: Schwellenangst<br />

bekommt nie<strong>man</strong>d bei der unprätentiösen<br />

IT-Erf<strong>in</strong>der<strong>in</strong>, <strong>die</strong> den Weg <strong>in</strong><br />

<strong>die</strong> Selbstständigkeit familienbed<strong>in</strong>gt<br />

erst spät e<strong>in</strong>geschlagen hat. Nach dem<br />

Betriebs<strong>in</strong>formatikstudium war sie bei<br />

der Creditanstalt tätig, später stieg sie<br />

<strong>in</strong> den Familienbetrieb Morawa e<strong>in</strong>, wo<br />

sie im Zuge der Neuprogrammierung<br />

des Zeitschriftenvertriebs e<strong>in</strong> Teilprojekt<br />

leitete. Bereits <strong>in</strong> jenen Jahren<br />

legte sie geme<strong>in</strong>sam mit ihrem Mann<br />

den Grundste<strong>in</strong> für <strong>die</strong> spätere Erf<strong>in</strong>dung,<br />

denn im Rahmen <strong>die</strong>ser Jobs g<strong>in</strong>g<br />

sie mit riesigen Datenbanksystemen<br />

um. Immer wieder kam <strong>die</strong> Kreative<br />

<strong>in</strong>s Brüten, wie <strong>man</strong> <strong>die</strong>se Datenungetüme<br />

besser verwalten könnte, wie also<br />

„bessere Informationsdialoge für stark<br />

vernetzte Daten“ konzipierbar wären.<br />

Das Ei des Columbus<br />

ausbrüten<br />

Doch erst nach der Familiengründung<br />

schuf sich das Erf<strong>in</strong>derInnen-Team<br />

<strong>die</strong> Möglichkeit <strong>die</strong> <strong>in</strong>novativen Ideen<br />

Wirklichkeit werden zu lassen: Gerda<br />

Schneider hatte ihren Job aufgrund der<br />

Geburt ihrer beiden K<strong>in</strong>der gekündigt.<br />

Als der Nachwuchs dann später im<br />

K<strong>in</strong>dergarten versorgt war, keimten <strong>die</strong><br />

Ideen von früher wieder auf. E<strong>in</strong> Prototyp<br />

für PC wurde programmiert, der<br />

mit Aufkommen des Internet von Gerda<br />

Schneider bald auch für das World Wide<br />

Web umgestellt wurde. Die erste mit<br />

Multihyperl<strong>in</strong>k ausgestattete Homepage<br />

<strong>ist</strong> dem Wirtschafts psychologen und<br />

Motivforscher Ernest Dichter gewidmet<br />

(siehe www.ernest-dichter.net). Der<br />

Weg <strong>in</strong> <strong>die</strong> Selbstständigkeit erfolgte<br />

dann als schleifender Übergang: Nach<br />

der ersten Multihyperl<strong>in</strong>k Erprobungsphase<br />

entschlossen sich Gerda<br />

Schneider und ihr Mann, <strong>die</strong> clevere<br />

IT-Erf<strong>in</strong>dung patentieren zu lassen,<br />

um „von den Firmen nicht so leicht<br />

über den Tisch gezogen zu werden“.<br />

Die Patentschrift verfassten sie <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>jähriger Arbeit im Alle<strong>in</strong>gang, so<br />

sparten sie Kosten für den Patentanwalt.<br />

Zur Orientierung suchten sie nach<br />

vergleichbaren IT-Patentschriften im<br />

Internet. Das Ergebnis geriet dermaßen<br />

professionell, das e<strong>in</strong> <strong>in</strong> der Endphase<br />

122 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie


h<strong>in</strong>zugezogener Patentanwalt gar nicht<br />

glauben wollte, dass das IT-Ehepaar<br />

<strong>die</strong>ses jur<strong>ist</strong>ische Oeuvre alle<strong>in</strong> geschaffen<br />

hatte.<br />

Das Revier verteidigen<br />

Der fertige Antrag g<strong>in</strong>g ans Europäische<br />

Patentamt, und geriet zu <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m<br />

mehrjährigen P<strong>in</strong>gpong Spiel mit dem<br />

Prüfer. „Zwei Jahre hat es gedauert,<br />

bis der Antrag überhaupt <strong>in</strong>haltlich<br />

bearbeitet wurde und weitere drei, bis<br />

wir <strong>die</strong> E<strong>in</strong>wendungen des Experten abgearbeitet<br />

hatten“, er<strong>in</strong>nert sich Gerda<br />

Schneider an zähe Zeiten. „Wir haben<br />

Höhen und Tiefen durchlaufen, waren<br />

mal euphorisch, mal hoffnungslos.“<br />

Die beiden fühlten sich sukzessive <strong>in</strong>s<br />

Patentdenken der Behörde e<strong>in</strong>, lernten,<br />

welche Formulierungen gewünscht<br />

waren, wie <strong>die</strong> Kompetenzen abgesteckt<br />

werden müssen: „Jedes Patent<br />

verteidigt e<strong>in</strong> Revier an Erf<strong>in</strong>dungen,<br />

wo andere dann nicht mehr h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>dürfen.“,<br />

erläutert sie das erworbene<br />

Wissen. „Dieses Revier darf nicht zu<br />

groß und nicht zu kle<strong>in</strong> se<strong>in</strong> - erst <strong>die</strong><br />

Zukunft wird zeigen, ob wir das richtig<br />

gemacht haben.“ Das wird sich möglicherweise<br />

schon sehr bald weisen,<br />

denn nach sechsjähriger Mühsal <strong>ist</strong> das<br />

Patent nun bewilligt. Fortan läuft das<br />

Erf<strong>in</strong>dungsprojekt <strong>in</strong> <strong>die</strong> Phase zwei<br />

über: Jetzt soll es an <strong>die</strong> Vermarktung<br />

gehen.<br />

„Man muss hartnäckig se<strong>in</strong>, nicht aufgeben, den<br />

und <strong>die</strong> anderen ernst nehmen, dann wird <strong>man</strong><br />

auch selbst ernst genommen.“<br />

123 14


Beatrice Senn<br />

Interview: Teresa Arrieta | Oktober 2006<br />

„Als Frau hat <strong>man</strong>´s schwieriger, aber wenn <strong>man</strong> <strong>die</strong><br />

Stärke und den Willen hat, kann <strong>man</strong> es schaffen.“<br />

Fotos: Kathar<strong>in</strong>a Gossow<br />

124 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie


Im Körper herrscht Krieg<br />

Beatrice Senn stu<strong>die</strong>rte beim Zürcher<br />

Nobelpre<strong>ist</strong>räger Z<strong>in</strong>kernagel, <strong>ist</strong><br />

fasz<strong>in</strong>iert vom Kampf zwischen Immunsystem<br />

und Virus und folgte <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r<br />

<strong>in</strong>neren E<strong>in</strong>gebung, <strong>die</strong> ihr Leben<br />

veränderte.<br />

Wir kämpfen den ganzen Tag. Unser<br />

Körper <strong>ist</strong> ständig damit beschäftigt,<br />

E<strong>in</strong>dr<strong>in</strong>gl<strong>in</strong>ge abzuwehren. Zuerst<br />

stehen <strong>die</strong> frühen Abwehrreihen<br />

gleich Schützenpanzern bereit: Das<br />

s<strong>in</strong>d <strong>die</strong> Haare auf der Haut, <strong>die</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />

Ausbildung:<br />

Doktoratsstudium Biochemie<br />

ETH Zürich<br />

Post Doc Experimentelle Immunologie<br />

ETH Zürich<br />

Position:<br />

Abteilungsleiter<strong>in</strong><br />

Wissenschaftsdiszipl<strong>in</strong>:<br />

Biotechnologie<br />

erste Schutzfunktion erfüllen. Später<br />

greifen <strong>die</strong> SoldatInnen an, das s<strong>in</strong>d<br />

<strong>die</strong> Killerzellen. Wenn auch <strong>die</strong> nichts<br />

ausrichten können, kommen noch <strong>die</strong><br />

ABC-Waffen zum E<strong>in</strong>satz, das s<strong>in</strong>d <strong>die</strong><br />

B-Zellen, <strong>die</strong> den Fe<strong>in</strong>d mit speziellen<br />

Antikörpern beschießen. Die Immunolog<strong>in</strong><br />

Beatrice Senn beschreibt<br />

das menschliche Immunsystem als<br />

Kriegschauplatz, der <strong>in</strong> per<strong>man</strong>enter<br />

Weiterentwicklung begriffen <strong>ist</strong>: Die<br />

Viren suchen über Anpassungen neue<br />

Schleichwege <strong>in</strong> den Körper und das<br />

Immunsystem antwortet darauf mit der<br />

Herausbildung neuer Abwehrmethoden.<br />

Dass Beatrice Senn <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Tages solche<br />

Prozesse als hoch spezialisierte Immunolog<strong>in</strong><br />

erforschen würde, hätte zuerst<br />

nie<strong>man</strong>d gedacht. Denn obwohl sie sich<br />

<strong>in</strong> der Schule für Biologie <strong>in</strong>teressierte,<br />

wollte <strong>die</strong> Schweizer<strong>in</strong> nach der Matura<br />

Wirtschaft stu<strong>die</strong>ren.<br />

E<strong>in</strong> Traum führt zur Wende<br />

Doch dann hatte sie e<strong>in</strong> Schlüsselerlebnis,<br />

<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Traum, der sie <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r „Über-<br />

Nacht-Aktion, ohne nachzudenken“<br />

dazu bewog, an der Eidgenössischen<br />

125


Technischen Hochschule Zürich Biologie<br />

zu <strong>in</strong>skribieren. Aus heutiger Sicht<br />

<strong>die</strong> richtige Entscheidung, denn als sie<br />

sich im Zuge des Studiums auf Biochemie<br />

und Immunologie spezialisierte,<br />

wusste sie bald, dass das „ihr Weg“<br />

war. Senn hatte das Glück, im Institut<br />

für Experimentelle Immunologie bei<br />

den Kapazundern Hengartner und<br />

Z<strong>in</strong>kernagel stu<strong>die</strong>ren zu dürfen –<br />

letzterer erhielt 1996 den Mediz<strong>in</strong>-<br />

Nobelpreis, weil er entdeckte, wie das<br />

Immunsystem Virus-<strong>in</strong>fizierte Zellen<br />

erkennt. „<strong>Es</strong> war nicht immer e<strong>in</strong>fach“,<br />

er<strong>in</strong>nert sie sich heute an <strong>die</strong><br />

harte Stu<strong>die</strong>nzeit, „ich habe gelernt,<br />

zu kämpfen und mich weiterzuentwickeln“.<br />

Sie blieb lange am Institut,<br />

schrieb dort ihre Doktorarbeit und<br />

hängte auch noch e<strong>in</strong> Post Doc an. Der<br />

E<strong>in</strong>tritt <strong>in</strong>s Berufsleben erfolgte 2004<br />

bei der Wiener Pharmafirma Intercell,<br />

<strong>die</strong> Impfstoffe zur Vorbeugung und<br />

Behandlung von Infektionskrankheiten<br />

entwickelt. Das 1998 gegründete<br />

Unternehmen zählt heute zu den<br />

erfolgreichsten s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Branche. Mit<br />

ihren 170 MitarbeiterInnen aus sechzehn<br />

verschiedenen Nationen steht <strong>die</strong><br />

Intercell AG an der Spitze der Entwicklung.<br />

Die Forschungs arbeit von Intercell<br />

beschäftigt sich schwerpunktmäßig<br />

mit Impfstoffen gegen Japanische<br />

Enzephalitis, Hepatitis C, Tuberkulose,<br />

Lungenentzündung und Ang<strong>in</strong>a. Die<br />

erfolgreichen kl<strong>in</strong>ischen Tests rufen<br />

großes Interesse bei <strong>in</strong>ternationalen<br />

Pharmakonzernen hervor.<br />

Steil nach oben<br />

Das Engagement bei <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Biotechfirma<br />

kommt Beatrice Senn entgegen,<br />

denn es geht ihr um möglichst große<br />

Anwendungsnähe: Sie möchte etwas<br />

le<strong>ist</strong>en, womit sie „Menschen helfen<br />

kann“. Die von ihr mitentwickelten<br />

126 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie


Impfstoffe gehen sofort <strong>in</strong> <strong>die</strong> kl<strong>in</strong>ische<br />

Test phase, wodurch sie deren<br />

unmittelbaren Nutzen miterleben<br />

kann. Dass gerade <strong>in</strong> ihrer Abteilung<br />

auch Tierversuche gemacht werden,<br />

nimmt sie <strong>in</strong> Kauf. Gern macht sie <strong>die</strong>se<br />

Experimente zwar nicht wie sie sagt,<br />

aber ohne sie könne es k<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Forschung<br />

geben. Allerd<strong>in</strong>gs sollten <strong>die</strong> Versuche<br />

„nie zur Rout<strong>in</strong>e werden“. Senns<br />

Engagement <strong>in</strong> Wien hat jedoch nicht<br />

nur berufliche, sondern auch private<br />

Gründe, denn <strong>die</strong> Immunolog<strong>in</strong> <strong>ist</strong> mit<br />

<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Österreichier liiert. „Sechs Jahre<br />

pendeln zwischen Wien und Zürich<br />

haben mir gereicht“, deswegen packte<br />

sie das Intercell-Angebot beim Schopf,<br />

<strong>die</strong> kl<strong>in</strong>genden Namen Hengartner und<br />

Z<strong>in</strong>kernagel ebneten dabei den Weg. In<br />

den zwei Jahren seit ihrem Firmene<strong>in</strong>tritt<br />

legte sie <strong>e<strong>in</strong>e</strong> fulm<strong>in</strong>ante Karriere<br />

h<strong>in</strong>, denn heute <strong>ist</strong> Senn Abteilungsleiter<strong>in</strong><br />

und hat e<strong>in</strong> Dutzend Mitarbeiter-<br />

Innen unter sich. Menschen anzuleiten<br />

sei <strong>e<strong>in</strong>e</strong> völlig neue Erfahrung, für <strong>die</strong><br />

sie nie ausgebildet worden sei. Von<br />

Tierpfleger Innen bis zu ForscherInnen<br />

musste sie anfangs unterschiedlichste<br />

Menschen unter <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Hut br<strong>in</strong>gen,<br />

doch nun s<strong>in</strong>d alle e<strong>in</strong> „wirklich gutes<br />

Team“.<br />

Schleichende<br />

Verösterreicherung<br />

Für ihren Werdegang kommen ihr<br />

auch ihre Jugenderfahrungen als<br />

Le<strong>ist</strong>ungsschwimmer<strong>in</strong> zugute, wo sie<br />

täglich <strong>in</strong> der Morgendämmerung <strong>in</strong>s<br />

kalte Wasser spr<strong>in</strong>gen musste und der<br />

Schulstress nebenbei e<strong>in</strong>herlief. „Ich<br />

habe damals gelernt mir m<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Zeit gut<br />

e<strong>in</strong>zuteilen und sehr effizient zu se<strong>in</strong>“,<br />

beschreibt sie den Benefit des Le<strong>ist</strong>ungssports.<br />

Auch ihr präziser Schweizer<br />

Arbeitsrythmus komme ihr zu Hilfe.<br />

Denn <strong>in</strong> Wien geht alles e<strong>in</strong> bisschen<br />

langsamer, me<strong>in</strong>t Senn schmunzelnd.<br />

Ihre Liebe zum Sport verfolgt sie <strong>in</strong><br />

ihrer Freizeit weiterh<strong>in</strong>, und tra<strong>in</strong>iert<br />

dabei alles, „was sich grad ergibt.“<br />

Gerne fährt sie am Wochenende raus<br />

aus Wien und bewegt sich <strong>in</strong> der Natur.<br />

Das Leben außerhalb des Jobs <strong>ist</strong> der<br />

Forscher<strong>in</strong> sehr wichtig, vor allem, seit<br />

sie mit ihrem Lebensgefährten <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n<br />

Grund erstand und nun zur gut österreichischen<br />

Häuslbauer<strong>in</strong> avancierte.<br />

Auch sonst entr<strong>in</strong>nt sie der Wiener<br />

Gemütlichkeit auf Dauer nicht, wie es<br />

sche<strong>in</strong>t: „Ich will k<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Karriere um<br />

jeden Preis“, erklärt sie im Zuge des<br />

Gesprächs, „ich brauche me<strong>in</strong> Privatleben<br />

und schaue, dass ich da <strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />

gescheite Balance krieg.“<br />

„Ich war zum richtigen<br />

Zeitpunkt am richtigen Ort.“<br />

127 14


Diana Sepetanc<br />

Interview: Anita Zieher | November 2005<br />

„Mutig war ich schon immer.“<br />

Fotos: Lisa Holzer<br />

128 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie


Oftmals s<strong>in</strong>d es private Gründe, <strong>die</strong><br />

Menschen an <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n anderen Ort oder<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong> anderes Land ziehen. Bei Diana<br />

Sepetanc war es e<strong>in</strong> Ferialjob bei <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m<br />

großen <strong>in</strong>ternational tätigen Technologieunternehmen,<br />

der sie vor 20 Jahren<br />

von Zagreb nach Wien gebracht hat.<br />

Drei Jahre später wurde <strong>e<strong>in</strong>e</strong> fixe Anstellung<br />

daraus und sie <strong>ist</strong> <strong>in</strong> Österreich<br />

geblieben. Seither hat sie bei verschiedenen<br />

Unternehmen gearbeitet, <strong>die</strong><br />

Kommunikation mit Technologie verb<strong>in</strong>den<br />

und neue Lösungen entwickeln.<br />

Ausbildung:<br />

Studium der Elektrotechnik an der<br />

Technischen Universität <strong>in</strong> Zagreb<br />

Position:<br />

Customer Solutions Director<br />

bei Kapsch Carrier AG, Wien<br />

Branche:<br />

Telekommunikation<br />

Seit 2005 <strong>ist</strong> sie bei Kapsch Carrier<br />

für <strong>die</strong> Presales-Beratung von großen<br />

KundInnen <strong>in</strong> West- und Osteuropa<br />

zuständig. In ihrer Verantwortung liegt<br />

es, das Team von elf MitarbeiterInnen<br />

zu koord<strong>in</strong>ieren und für <strong>die</strong> Ausarbeitung<br />

von Lösungsvorschlägen, <strong>die</strong> den<br />

Anforderungen der KundInnen entsprechen<br />

zu sorgen. Sie selbst <strong>ist</strong> direkt<br />

dem Vorstand unterstellt und damit<br />

<strong>e<strong>in</strong>e</strong> der wenigen Frauen auf <strong>die</strong>ser<br />

Ebene. „Da hat sich auch <strong>in</strong> den letzten<br />

10 Jahren nichts getan“, sagt Diana<br />

Sepetanc. Die Gründe dafür liegen zum<br />

<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n <strong>in</strong> der Erziehung der Frauen.<br />

„Was den Frauen fehlt, <strong>ist</strong> Mut mehr<br />

politisch zu denken und an sich selber<br />

zu denken.“ Zum anderen haben <strong>die</strong><br />

Unternehmen auch <strong>die</strong> Verantwortung,<br />

mehr Frauen zu beschäftigen. „<strong>Es</strong> wäre<br />

wichtig, dass <strong>die</strong> Firmen Frauen systematisch<br />

e<strong>in</strong>stellen, damit <strong>die</strong> kritische<br />

Masse erreicht wird und der Pool, aus<br />

denen Frauen <strong>in</strong> Führungspositionen<br />

aufsteigen, größer wird“, fordert sie<br />

deshalb. Vorurteile gegenüber Frauen<br />

129


„Ich habe immer m<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Arbeit mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r<br />

bestimmten Leidenschaft erfüllt. Dass <strong>man</strong><br />

<strong>die</strong> Arbeit mit Be ge<strong>ist</strong>erung macht, das <strong>ist</strong><br />

das wichtigste.“<br />

seien nach wie vor spürbar, jedoch eher<br />

auf der gleichen Ebene, wo es auch um<br />

Konkurrenz geht als bei MitarbeiterInnen.<br />

„Die Männer haben Seilschaften,<br />

<strong>die</strong> gläsernen Decken gibt es.“ Was sie<br />

sich wünscht <strong>ist</strong> e<strong>in</strong> Erfahrungsaustausch<br />

mit Frauen auf gleicher Ebene,<br />

„k<strong>e<strong>in</strong>e</strong> theoretischen Vorträge darüber,<br />

wie <strong>man</strong> sich durchsetzen kann.“<br />

Leidenschaft für komplexe<br />

Aufgaben<br />

Auch beim Studium der Elektrotechnik<br />

waren nicht sehr viele Frauen dabei.<br />

Ihr sei <strong>die</strong> Entscheidung für <strong>die</strong>se<br />

Ausbildung jedoch leicht gefallen. „Ich<br />

habe mich damals sehr für <strong>die</strong> Technik<br />

bege<strong>ist</strong>ert, es war ja alles neu: Computer,<br />

Elektronik, der IT-Bereich und<br />

<strong>die</strong> Automatisierung.“ Der Vater, selbst<br />

e<strong>in</strong> Masch<strong>in</strong>enbau<strong>in</strong>genieur, sah ihren<br />

Entschluss mit Wohlwollen, da es sich<br />

„um <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Technologie von globaler Bedeutung“<br />

handelt. Vom Studium habe<br />

sie weniger <strong>in</strong>haltlich als methodisch<br />

profitiert, sagt Diana Sepetanc, weil<br />

sie gelernt hat zu recherchieren und<br />

„wie <strong>man</strong> komplexe Themen im Kopf<br />

bearbeitet“. Diese Fähigkeit f<strong>in</strong>det sie<br />

auch bei anderen Menschen äußerst<br />

<strong>in</strong>teressant. „Mich fasz<strong>in</strong>ieren alle<br />

Persönlichkeiten, <strong>die</strong> <strong>in</strong> der Lage s<strong>in</strong>d,<br />

große Konzerne zu führen, <strong>die</strong> mit<br />

Komplexität sehr vertraut s<strong>in</strong>d, vor<br />

allem wie sie das tun, von der Führung<br />

bis zur strategischen Zielsetzung.“<br />

Ihre E<strong>in</strong>stellung zur Arbeit lässt sich<br />

am besten damit beschreiben, dass sie<br />

ihre „Aufgaben mit Leidenschaft erledigt“.<br />

Besonderen Spaß macht es ihr,<br />

130 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie


im Job „D<strong>in</strong>ge zu bewegen, kreativ zu<br />

gestalten, organisieren, koor d<strong>in</strong>ieren,<br />

letztendlich für <strong>die</strong> KundInnen etwas<br />

zu tun.“ Dabei setzt sie auf <strong>die</strong> gute<br />

Zusammenarbeit im Team, stellt an sich<br />

selbst den Anspruch sich <strong>die</strong> Loyalität<br />

ihrer MitarbeiterInnen wie jeder Vorgesetzte<br />

ver<strong>die</strong>nen zu müssen. Was sie<br />

nicht leiden kann, s<strong>in</strong>d Menschen, <strong>die</strong><br />

nicht kooperativ s<strong>in</strong>d, nicht am selben<br />

Strang ziehen. In so <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Fall <strong>ist</strong> es<br />

besser, sich von je<strong>man</strong>dem zu trennen<br />

als <strong>in</strong> so <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Situation zu bleiben,<br />

stellt sie klar. Da würde sie <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n<br />

raschen Wandel vollziehen, egal ob es<br />

sich dabei um <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Vorgesetzten oder<br />

<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Vorgesetzte oder <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Mitarbeiter<br />

oder <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Mitarbeiter<strong>in</strong> handelt.<br />

Beharrlichkeit über den Tag<br />

h<strong>in</strong>aus<br />

Außerhalb der <strong>in</strong>tensiven Arbeitswoche<br />

genießt sie es <strong>in</strong> der Freizeit <strong>in</strong>s<br />

K<strong>in</strong>o zu gehen, Sport zu betreiben,<br />

FreundInnen zu treffen oder e<strong>in</strong>fach<br />

nur zu faulenzen. Die Organisation des<br />

Familienlebens stelle mittlerweile k<strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />

Belastung mehr dar: Die Tochter <strong>ist</strong> fast<br />

erwachsen, ihr Lebenspartner unterstützt<br />

jeden Karriereschritt von ihr. „E<strong>in</strong><br />

eigenständiger Weg im Berufsleben<br />

br<strong>in</strong>gt <strong>e<strong>in</strong>e</strong> große Bereicherung. Das<br />

Berufsleben <strong>ist</strong> genauso wertvoll wie<br />

<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Familie zu haben, das begleitet<br />

<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n auch e<strong>in</strong> Leben lang und <strong>ist</strong> sehr<br />

schön“, stellt sie fest. So schnell lässt<br />

sich Diana Sepetanc auch nicht von ihren<br />

Zielen abbr<strong>in</strong>gen. Entschlossenheit<br />

und positives Denken helfen ihr auch<br />

über schwierige Situationen h<strong>in</strong>weg.<br />

„Wenn mal e<strong>in</strong> Durchhänger kommt,<br />

das dauert bei mir ungefähr zwei Stunden<br />

oder ich schlafe mal<br />

drüber. Aber dann <strong>ist</strong> es vorbei. So<br />

leicht gebe ich nicht auf.“, erklärt sie<br />

lachend, „<strong>Es</strong> geht immer um <strong>die</strong> Beharrlichkeit<br />

am Ende des Tages.“<br />

Berufse<strong>in</strong>steigerInnen rät sie, sich für<br />

<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Arbeit entscheiden, <strong>die</strong> sie wirklich<br />

mögen und dass sie herausf<strong>in</strong>den, was<br />

sie wollen und danach handeln. Natürlich<br />

gibt es Frauen, <strong>die</strong> es sich bequem<br />

machen, aber besser <strong>ist</strong> es, „sich mit<br />

<strong>in</strong>telligenten D<strong>in</strong>gen zu beschäftigen,<br />

mit Themen, <strong>die</strong> <strong>die</strong> ganze Wirtschaft<br />

betreffen“. Außerdem ver<strong>die</strong>nt <strong>man</strong> ganz<br />

gut und <strong>ist</strong> wirtschaftlich unabhängig.<br />

131


Sab<strong>in</strong>e Seymour<br />

Interview: Teresa Arrieta | November 2006<br />

„In New York herrscht <strong>in</strong> m<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Beruf Gleichberechtigung.<br />

In Österreich stößt <strong>man</strong> h<strong>in</strong>gegen <strong>in</strong><br />

den Führungsetagen auf <strong>e<strong>in</strong>e</strong> gläserne Decke.“<br />

Fotos: Kathar<strong>in</strong>a Gossow<br />

132 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie


Ich b<strong>in</strong> e<strong>in</strong> Hybrid<br />

Weltenbürger<strong>in</strong> Sab<strong>in</strong>e Seymour<br />

entwirft <strong>die</strong> Kleidung der Zukunft -<br />

etwa Schuhe mit <strong>in</strong>tegrierten<br />

Computern - und pendelt zwischen<br />

den Kont<strong>in</strong>enten als Pionier<strong>in</strong>, Trendsetter<strong>in</strong><br />

und Forscher<strong>in</strong>.<br />

Nike Plus <strong>ist</strong> e<strong>in</strong> Turnschuh mit <strong>in</strong>tegriertem<br />

Chip. Er reg<strong>ist</strong>riert D<strong>ist</strong>anz<br />

und Zeit. Diese Daten überträgt er auf<br />

<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n iPod, der sich zum Beispiel <strong>in</strong> der<br />

Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsjacke bef<strong>in</strong>det. Sab<strong>in</strong>e Seymour<br />

hat im Zuge ihrer Arbeit für Nike<br />

Ausbildung:<br />

Handelswissenschaften<br />

Wirtschaftsuniversität Wien,<br />

Stipendium Columbia<br />

University New York,<br />

Interactive Telekommunications<br />

New York University,<br />

Tisch School of the Arts New York.<br />

Position:<br />

Lehrbeauftragte an der Parsons New<br />

School of Design New York,<br />

Kunstuniversität L<strong>in</strong>z,<br />

Academy of Arts <strong>in</strong> Tall<strong>in</strong>n/<strong>Es</strong>tland,<br />

Firmen<strong>in</strong>haber<strong>in</strong> Moondial Inc.<br />

Wissenschaftsdiszipl<strong>in</strong>:<br />

Kunstwissenschaften<br />

Runn<strong>in</strong>g e<strong>in</strong> solches Konzept vorgestellt,<br />

<strong>e<strong>in</strong>e</strong> ihrer zahlreichen unerhörten<br />

Kreationen. Auch für Dupont hat sie<br />

<strong>in</strong>telligente Kleidung mit <strong>in</strong>tegrierter<br />

tragbarer Technologie geschaffen: Die<br />

mit Sensoren, thermochromischen<br />

Farben und verschiedenen elektronischen<br />

Komponenten ausgestatteten<br />

Kleidungsstücke bl<strong>in</strong>ken, sprechen und<br />

wechseln bei Berührung <strong>die</strong> Farbe.<br />

Damit sollen <strong>die</strong> Eigenschaften des<br />

elektrisch leitenden Fadens erklärt werden.<br />

„Fashionable Technology“ nennt<br />

<strong>die</strong> Kreative ihre Arbeit. Mit der von<br />

ihr gegründeten Firma Moondial br<strong>in</strong>gt<br />

sie Kleidung und Computertechnik <strong>in</strong><br />

ästhetischen E<strong>in</strong>klang. Im Rahmen von<br />

Führungspositionen bei Razorfish,<br />

R/GA und Hewlett-Packard konnte sie<br />

ihre Begabung, <strong>die</strong> auch dar<strong>in</strong> besteht,<br />

Design, Ästhetik und Funktionalität<br />

unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten<br />

zu komb<strong>in</strong>ieren, voll entfalten.<br />

Ihre neuen Projekte konzentrieren sich<br />

auf elektronische Textilien, tragbare<br />

Technologien und digitalen Innenraumdesign.<br />

Räume werden über Sensoren<br />

digital steuerbar. Je nach der vom<br />

Computer ermittelten körperlichen Bef<strong>in</strong>dlichkeit<br />

verändert sich der Duft, <strong>die</strong><br />

133


„Ich war immer schon sehr selbstständig.“<br />

Temperatur, das Licht, zugeschnitten<br />

auf <strong>die</strong> persönlichen Bedürfnisse. Oder<br />

aber KundInnen betreten <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Boutique<br />

und alle roten Artikel treten aus<br />

der Wand, weil auf der elektronischen<br />

KundInnenkarte der KäuferInnen <strong>die</strong><br />

Liebl<strong>in</strong>gsfarbe rot abgespeichert <strong>ist</strong>.<br />

Multikont<strong>in</strong>entale<br />

Avantgard<strong>ist</strong><strong>in</strong><br />

Sab<strong>in</strong>e Seymour versteht sich als<br />

Visionär<strong>in</strong>, ganzheitliche Denker<strong>in</strong> und<br />

<strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>äre Rebell<strong>in</strong>. In Österreich,<br />

wo sie ihr Studium begann, fühlte<br />

sie sich anfangs als Prophet<strong>in</strong> <strong>in</strong> der<br />

Wüste, damals war ihr Zukunftsmode-<br />

Design-Computer-Fachgebiet wenig<br />

bekannt und geschätzt. In New York<br />

h<strong>in</strong>gegen war das, was sie machte,<br />

völlig normal. Dort war auch der<br />

richtige Boden, um im Rahmen des<br />

Studiums ihren orig<strong>in</strong>ellen Interessen<br />

nachzugehen und nach Lust und Laune<br />

zwischen unterschiedlichen Diszipl<strong>in</strong>en<br />

zu switchen. „E<strong>in</strong> e<strong>in</strong>ziger Bereich war<br />

immer zuwenig für mich“ sagt sie mit<br />

Blick auf ihre Arbeit, und <strong>e<strong>in</strong>e</strong> e<strong>in</strong>zige<br />

Stadt auch. Aufgewachsen <strong>ist</strong> sie im<br />

Burgenland. Bis heute liebt sie <strong>die</strong> Berge,<br />

wo sie als K<strong>in</strong>d viel unterwegs war.<br />

Snowboarden gehört zu den großen<br />

Leidenschaften der IT-Avantgard<strong>ist</strong><strong>in</strong>.<br />

Aber bereits als Halbwüchsige zogen<br />

sie Metropolen magisch an: Mit größter<br />

Selbstverständlichkeit erforschte sie<br />

als Sechzehnjährige Paris auf eigene<br />

Faust und fühlte sich sofort heimisch.<br />

Ebenso <strong>in</strong> Sydney, wo sie nach der<br />

Matura verweilte. Am liebsten <strong>ist</strong> ihr<br />

jedoch New York, „endlich <strong>e<strong>in</strong>e</strong> richtige<br />

Stadt“, wo sie aufleben und ihre beruf-<br />

134 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie


lichen Pläne umsetzen kann, wo sie mit<br />

ihren zukunftsweisenden Ideen nicht<br />

als Exzentriker<strong>in</strong> gilt.<br />

Wechselnde Identitäten<br />

Nach New York g<strong>in</strong>g sie schon während<br />

ihrer Stu<strong>die</strong>nzeit <strong>in</strong> Wien. Im Big<br />

Apple verblieb sie dann im Rahmen<br />

<strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Stipendiums für <strong>die</strong> Columbia<br />

University <strong>in</strong> New York, um <strong>in</strong>teraktive<br />

Telekommunikation an der New<br />

York University zu stu<strong>die</strong>ren und fand<br />

dort <strong>die</strong> ideale Mischung aus Fachkompetenz<br />

und Interdiszipl<strong>in</strong>arität.<br />

Im Rahmen von Fächern wie „Physical<br />

Comput<strong>in</strong>g“ fand sie Inspiration für<br />

ihre zukünftige berufliche Marschrichtung:<br />

<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Komb<strong>in</strong>ation von Design,<br />

Kunst und Technologie. In New York<br />

begann sie auch bald zu unterrichten<br />

und zu forschen. Heute <strong>ist</strong> Sab<strong>in</strong>e<br />

Seymour Professor<strong>in</strong> für Fashionable<br />

Technology an der New Yorker „Parsons<br />

The New School of Design“ und unterrichtet,<br />

wenn sie nicht gerade vor Ort<br />

<strong>ist</strong>, von Wien aus per Videokonferenz.<br />

In <strong>Es</strong>tland lehrt sie im Rahmen <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s<br />

„Smart Products“ Projektes Herstellungsverfahren<br />

für Computerkleidung<br />

und -textilien, d. h. wie <strong>man</strong> technische<br />

Machbarkeit und modische Ansprüche<br />

vere<strong>in</strong>t. E<strong>in</strong>en weiteren Lehrauftrag hat<br />

sie an der Kunstuniversität L<strong>in</strong>z, wo<br />

sie <strong>die</strong> Zusammenarbeit der Institute<br />

Textil Kunst&Design L<strong>in</strong>z und Interface<br />

Cultures New York <strong>in</strong>itiierte, als neue<br />

Schnittstelle zwischen Kunst, Design<br />

und Forschung. Im Rahmen der Ars<br />

Electronica stellt sie sowohl ihre Arbeiten<br />

als auch <strong>die</strong> ihrer StudentInnen<br />

regelmäßig vor. Die Ars <strong>ist</strong> ihr heute<br />

zur österreichischen Heimat geworden,<br />

während sie sich mit den anderen Anteilen<br />

ihrer Seele nach vierzehn Jahren<br />

USA heute eher als Amerikaner<strong>in</strong> fühlt<br />

– immerh<strong>in</strong> besitzt sie <strong>die</strong> Doppelstaatsbürgerschaft.<br />

Durch <strong>die</strong> Kulturen schweben<br />

Zu Österreich hat sie e<strong>in</strong> zwiespältiges<br />

Verhältnis: Wien f<strong>in</strong>det sie atmosphärisch<br />

eher „negativ“, <strong>die</strong> Berge s<strong>in</strong>d ihr<br />

h<strong>in</strong>gegen <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Quelle von Inspiration<br />

und Energie. Auch <strong>die</strong> nicht gerade<br />

frauenfreundlichen Karrieremöglichkeiten<br />

ihres Heimatlandes ernüchtern<br />

sie: „Ich wäre heute nie soweit, wenn<br />

ich hier geblieben wäre“, gibt sich<br />

<strong>die</strong> Wegbereiter<strong>in</strong> illusionslos. Doch<br />

<strong>in</strong> der Zwischenzeit stößt ihr Fachgebiet<br />

– vor allem <strong>in</strong> der Komb<strong>in</strong>ation<br />

mit ihrer handwerklichen Begabung<br />

- auch hierzulande auf immer regeres<br />

Interesse, weswegen sie es zusehends<br />

aufregender f<strong>in</strong>det <strong>in</strong> Europa präsent zu<br />

se<strong>in</strong>. Sab<strong>in</strong>e Seymour hat noch viel vor.<br />

Immer wieder hat sie für große amerikanische<br />

Unternehmen gearbeitet und<br />

sich Kompetenzen auf hohem Niveau<br />

angeeignet, so dass weitere Zusammenarbeiten<br />

immer <strong>in</strong>teressanter werden.<br />

Als Zukunftsvision möchte Seymour mit<br />

ihrem Unternehmen ihren eigenwilligen<br />

Weg fortführen und Projekte mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m<br />

festen Team erarbeiten. Wahrsche<strong>in</strong>lich<br />

wird sie der grauen Großstadt entfliehen<br />

und sich <strong>in</strong> <strong>die</strong> österreichischen<br />

Berge zurückziehen, um e<strong>in</strong> Labor<br />

im Heustadl zu kreieren. Am liebsten<br />

schwebt sie zwischen den Kulturen,<br />

Kont<strong>in</strong>enten und beruflichen Identitäten<br />

als Forscher<strong>in</strong>, Lehrende und Unterneh-<br />

mer<strong>in</strong>. Stolz <strong>ist</strong> sie vor allem auf ihre<br />

visionäre Kraft: „Als Pionier<strong>in</strong> zu gelten<br />

<strong>in</strong> m<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Gebiet, dass me<strong>in</strong> Name<br />

weltweit bekannt <strong>ist</strong> für tragbare Technologien<br />

und elektronische Textilien.“<br />

135 14


Doris Ste<strong>in</strong>müller-Nethl<br />

Interview: Anita Zieher | Oktober 2005<br />

Fotos: Lisa Holzer<br />

„Die Freiheit, Projekte zu verfolgen, <strong>die</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m wichtig s<strong>in</strong>d“<br />

136 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie


Glaubt <strong>man</strong> dem Klischee <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s alten<br />

Songs, dann s<strong>in</strong>d Dia<strong>man</strong>ten der beste<br />

Freund <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Frau. Für Doris Ste<strong>in</strong>müller-Nethl<br />

le<strong>ist</strong>en <strong>die</strong>se Edelst<strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />

tatsächlich wertvolle Dienste, jedoch<br />

nicht als Schmuckstück, sondern als<br />

Werkstoff. Denn geme<strong>in</strong>sam mit ihrem<br />

Mann hat sie <strong>in</strong> Tirol <strong>die</strong> Firma r-BeSt<br />

coat<strong>in</strong>g GmbH gegründet und <strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />

patentierte Methode zur Dia<strong>man</strong>tbeschichtung<br />

entwickelt.<br />

„Schon während des Studiums hatten<br />

ich und me<strong>in</strong> Mann <strong>die</strong> Idee, e<strong>in</strong><br />

Unternehmen zu gründen, das physi-<br />

Ausbildung:<br />

Studium der Physik<br />

an der Universität Innsbruck<br />

Position:<br />

Geschäftsführer<strong>in</strong> der<br />

r-BeSt coat<strong>in</strong>g GmbH, Ste<strong>in</strong>ach<br />

Branche:<br />

Forschung und Entwicklung<br />

im Bereich Naturwissenschaften<br />

kalisches Know-how anderen Betrieben<br />

zugänglich macht, etwa kl<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n<br />

Betrieben, <strong>die</strong> sich das nicht le<strong>ist</strong>en<br />

können.“ Geme<strong>in</strong>sam mit ihrem Mann,<br />

den sie schon seit der Schulzeit kennt,<br />

begann sie nach dem Physikstudium<br />

im Keller Forschung und Entwicklung<br />

zu betreiben. Mit Unterstützung des<br />

Forschungsförderungsfonds konnten sie<br />

erste Projekte realisieren und gründeten<br />

1996 ihre Firma. Ihre Konzentration<br />

galt <strong>in</strong>sbesondere atomarem Wasserstoff.<br />

Sie stießen dabei auf dessen<br />

besondere Eignung zur Erzeugung von<br />

Dia<strong>man</strong>tschichten und entwickelten e<strong>in</strong><br />

Verfahren mit dem Dia<strong>man</strong>t <strong>in</strong> höchster<br />

Qualität reproduziert und <strong>in</strong> <strong>in</strong>dustriellem<br />

Maßstab hergestellt werden kann.<br />

„<strong>Es</strong> gibt viel, was <strong>man</strong> mit Dia<strong>man</strong>ten<br />

machen kann“, erzählt sie bege<strong>ist</strong>ert,<br />

„zum Beispiel Mikrochips herstellen,<br />

<strong>die</strong> für <strong>die</strong> Krebsfrüherkennung<br />

sehr gute Ergebnisse liefern können.“<br />

Der Werkstoff Dia<strong>man</strong>t <strong>ist</strong> chemisch<br />

stabil, biokompatibel und erlaubt<br />

unterschiedlichste Anwendungen <strong>in</strong><br />

verschiedenen Segmenten. Während<br />

im Bereich Elektronik und Life Science<br />

noch Forschungs- und Entwicklungsaufwand<br />

gele<strong>ist</strong>et werden muss, haben<br />

137


sich mittlerweile Luxusgüter und vor<br />

allem Verschleißschutz, also der Schutz<br />

von Werkzeugen und Instrumenten,<br />

als Hauptgeschäftsfelder entwickelt.<br />

„<strong>Es</strong> <strong>ist</strong> wichtig zu beobachten, was am<br />

Markt passiert“, erklärt Doris Ste<strong>in</strong>müller-Nethl.<br />

Deshalb arbeitet ihre<br />

Firma auch ständig an Forschungsprojekten<br />

<strong>in</strong> österreichischen und <strong>in</strong><br />

EU-Programmen mit. Die Partner für<br />

<strong>die</strong>se Projekte sucht Doris Ste<strong>in</strong>müller-<br />

Nehtl zusammen. E<strong>in</strong>e Vision von ihr <strong>ist</strong><br />

es mit den Unternehmen im Nano-<br />

Dia<strong>man</strong>t-Network (NaDiNe) e<strong>in</strong> Nano-<br />

Zentrum mit kr<strong>ist</strong>all<strong>in</strong>en Schichten <strong>in</strong><br />

Tirol aufzubauen. Sie <strong>ist</strong> auch für das<br />

strategische Management der Firma<br />

zuständig, wobei das Ziel nicht so sehr<br />

Wachstum als vielmehr der Zusammenschluss<br />

mit strategischen PartnerInnen<br />

<strong>ist</strong>. „Sonst verliert <strong>man</strong> <strong>die</strong> Flexibilität,<br />

<strong>die</strong> ja e<strong>in</strong> großer Vorteil <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Kle<strong>in</strong>betriebes<br />

<strong>ist</strong>, <strong>die</strong> Freiheit, Projekte zu<br />

verfolgen und das zu entwickeln, was<br />

tatsächlich gebraucht wird.“<br />

Fasz<strong>in</strong>ation für Umwelt und<br />

Natur<br />

Von Physik war Doris Ste<strong>in</strong>müller-Nehtl<br />

schon immer angetan. „Ich wollte<br />

verstehen, was sich <strong>in</strong> der Umwelt und<br />

der Natur abspielt.“ Die me<strong>ist</strong>en Leute<br />

f<strong>in</strong>den das fasz<strong>in</strong>ierend, jedoch wird es<br />

<strong>in</strong> der Schule me<strong>ist</strong>ens nicht gut aufbereitet,<br />

me<strong>in</strong>t sie. Deshalb vermittelt sie<br />

<strong>die</strong>ses Wissen gerne als Gastreferent<strong>in</strong>.<br />

„In der Klasse m<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r jüngsten Söhne<br />

habe ich Feuer und Licht, Wasser und<br />

Eis demonstriert. <strong>Es</strong> <strong>ist</strong> so fasz<strong>in</strong>ierend<br />

zu sehen, wie <strong>die</strong> Kl<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n staunend gescheite<br />

Fragen stellen.“ Mehr Verständnis<br />

<strong>ist</strong> möglich; dazu bedarf es nur des<br />

Engagements der LehrerInnen, <strong>ist</strong> sie<br />

überzeugt.<br />

Im Betrieb <strong>ist</strong> immer viel los, e<strong>in</strong>mal<br />

kommt <strong>die</strong> Delegation <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s japanischen<br />

Dia<strong>man</strong>tzentrums zu Besuch, e<strong>in</strong><br />

anderes Mal fährt sie für <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Präsentation<br />

nach Schweden. Damit sie auch<br />

Zeit für <strong>die</strong> drei K<strong>in</strong>der hat, verlegt<br />

sie das Arbeiten oft <strong>in</strong> <strong>die</strong> Nacht. Für<br />

Erholung bleibt momentan kaum Zeit,<br />

räumt sie e<strong>in</strong>. „<strong>Es</strong> gibt zwei, drei Projekte,<br />

<strong>die</strong> wichtig s<strong>in</strong>d, wenn <strong>die</strong> was<br />

werden, dann s<strong>in</strong>d wir e<strong>in</strong> großes Stück<br />

weiter. Voller E<strong>in</strong>satz <strong>ist</strong> gefordert, da<br />

kann ich nicht sagen: Ich fahre jetzt<br />

<strong>in</strong> Urlaub.“ Beim Aufbau <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Unternehmens<br />

gibt es schon auch große<br />

Durststrecken und schlaflose Nächte,<br />

gibt sie zu. „Ängste gibt es, denen muss<br />

<strong>man</strong> sich stellen.“ Durch <strong>die</strong> geme<strong>in</strong>same<br />

Arbeit mit ihrem Ehe<strong>man</strong>n gibt es<br />

k<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Trennung zwischen Privatleben<br />

und Beruf. Die Zusammenarbeit erwe<strong>ist</strong><br />

sich aber gerade <strong>in</strong> schwierigen Phasen<br />

als großes Plus. „Wir haben das Ziel nie<br />

aus den Augen verloren, uns gegenseitig<br />

unterstützt und motiviert.“<br />

Und zum Glück stellen sich ja auch<br />

Erfolge e<strong>in</strong>, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Mühe lohnen.<br />

Zunächst e<strong>in</strong>mal <strong>die</strong> Gewissheit, „dass<br />

<strong>man</strong> <strong>die</strong> D<strong>in</strong>ge, <strong>die</strong> ich entwickelt habe,<br />

138 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie


zum Wohle der Menschheit e<strong>in</strong>setzen<br />

kann, <strong>in</strong>sbesondere <strong>in</strong> der Krebsfrüherkennung<br />

und der Behandlung von<br />

Diabetes-PatientInnen“. Und auch <strong>die</strong><br />

Zufriedenheit der 21 MitarbeiterInnen<br />

erfüllt sie mit Stolz: „E<strong>in</strong>mal hat e<strong>in</strong><br />

Mitarbeiter gesagt: ‚Das <strong>ist</strong> ja wie e<strong>in</strong><br />

Sechser im Lotto, bei euch zu arbeiten’“,<br />

erzählt sie lachend.<br />

Möglichkeiten für neue Wege<br />

Dass sie als Frau <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r männlich<br />

geprägten Branche tätig <strong>ist</strong>, hat sie<br />

nie als Problem empfunden. Beim<br />

Studium waren am Anfang drei Frauen<br />

und 50 Männer, am Schluss blieb nur<br />

noch sie übrig. Bei KundInnen spürt<br />

sie schon <strong>man</strong>chmal Vorbehalte, dann<br />

versucht sie, „durch Gespräche und<br />

das Runterbr<strong>in</strong>gen auf <strong>die</strong> Sachebene<br />

<strong>die</strong>se Vorurteile auszuräumen“. Nach<br />

wie vor s<strong>in</strong>d jedoch Familie und Beruf<br />

e<strong>in</strong> Haupth<strong>in</strong>dernis für <strong>die</strong> Karriere von<br />

Frauen, <strong>ist</strong> sie überzeugt. Weil es auch<br />

<strong>in</strong> ihrem Wohnort zu wenige K<strong>in</strong>derbetreuungsplätze<br />

gab, hat sie kurzerhand<br />

mit zwei anderen Frauen <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n<br />

Mittagstisch <strong>in</strong>itiiert.<br />

„Da muss mehr geschehen. <strong>Es</strong> kann<br />

nicht se<strong>in</strong>, dass das nur durch Eigen<strong>in</strong>itiative<br />

leichter wird, es sollte<br />

selbstverständlicher werden“, betont<br />

sie und appelliert an <strong>die</strong> Politik, statt<br />

leerer Worthülsen tatsächlich Betreuungsstätten<br />

zu produzieren.<br />

Jungen Frauen rät sie, sich klar zu<br />

werden, was sie wollen und dann<br />

konsequent das Ziel zu verfolgen.<br />

Selbständigkeit sieht sie nach wie<br />

vor als viel versprechende Perspek -<br />

tive: „E<strong>in</strong> eigener Betrieb b<strong>in</strong>det viele<br />

Ressourcen, aber es gibt auch mehr<br />

Möglichkeiten, neue Wege e<strong>in</strong>zuschlagen.“<br />

„Wenn <strong>man</strong> Ideen hat,<br />

bietet <strong>die</strong> Selbständigkeit<br />

<strong>die</strong> beste Möglichkeit, <strong>die</strong>se<br />

zu realisieren.“<br />

139 14


Angela Stöger-Horwath<br />

Interview: Teresa Arrieta | Juli 2006<br />

„Aus Afrika wollte ich nicht wieder weg.“<br />

Fotos: Nora Friedel<br />

140 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie


Wie Elefanten Sprechen lernen<br />

Die Zoolog<strong>in</strong> Angela Stöger-Horwath<br />

versteht <strong>die</strong> geheime Sprache der<br />

Elefanten, schaffte bereits als Jungforscher<strong>in</strong><br />

<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Sensationspublikation<br />

<strong>in</strong> der renommierten Zeitschrift<br />

„Nature“ und liebt Afrika.<br />

Mit Mikrofon und Aufnahmegerät<br />

bewaffnet steht sie im Elefantengehege<br />

im Tiergarten Schönbrunn und hört<br />

den Elefanten zu, wochenlang. Danach<br />

wertet sie <strong>die</strong> f<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Nuancen zwischen<br />

Trompeten, Rumbeln und Grunzen auf<br />

Ausbildung:<br />

Studium der Zoologie Universität Wien<br />

Auslandsstipendium Universität Basel<br />

Position:<br />

Doktorand<strong>in</strong>/Lektor<strong>in</strong> am Department<br />

für Evolutionsbiologie Universität Wien<br />

Freie Wissenschafter<strong>in</strong><br />

Wissenschaftsdiszipl<strong>in</strong>:<br />

Zoologie/Bioakustik<br />

dem Computer aus, monatelang. Knochenarbeit<br />

<strong>ist</strong> Angela Stöger-Horwaths<br />

Job, denn sie <strong>ist</strong> Bioakustiker<strong>in</strong> - und<br />

erzielte bereits früh Erfolge damit:<br />

Vergangenes Jahr konnte <strong>die</strong> 30jährige<br />

<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Publikation im renommierten<br />

Fachmagaz<strong>in</strong> „Nature“ platzieren.<br />

Geme<strong>in</strong>sam mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m <strong>in</strong>ternationalen<br />

ForscherInnenteam, <strong>in</strong> dem auch <strong>die</strong><br />

<strong>in</strong> Kenia lebende „Elefantenflüsterer<strong>in</strong>“<br />

Joyce Poole mitarbeitete, konnte<br />

Stöger-Horwath nachweisen, dass<br />

Elefanten fähig s<strong>in</strong>d, Laute zu imitieren<br />

- <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Fähigkeit, <strong>die</strong> sonst nur<br />

von bestimmten Vögeln oder Walarten<br />

bekannt <strong>ist</strong>.<br />

Elefanten imitieren<br />

LKW-Motoren<br />

Joyce Poole nahm <strong>in</strong> Kenia Laute des<br />

im Tierwaisenhaus lebenden Elefanten<br />

Mlaika auf, der aus r<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Langeweile<br />

das Brummen <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s LKWs täuschend<br />

echt nachzuahmen verstand, und Angela<br />

Stöger-Horwath nahm im Baseler<br />

Zoo das elefantöse Zwitschern des<br />

afrikanischen Dickhäuters Calimero auf,<br />

141


der den artspezifischen Dialekt s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>s<br />

asiatischen Gehegegenossen im Laufe<br />

der Zeit erlernte und imitierte. Die Erkenntnis,<br />

dass Elefanten zur Lautnachahmung<br />

fähig s<strong>in</strong>d, war <strong>e<strong>in</strong>e</strong> bahnbrechende<br />

Erkenntnis, <strong>die</strong> <strong>die</strong> grauen<br />

Riesen <strong>in</strong> den Rang <strong>in</strong>telligenter und<br />

sensibler Meeressäugetiere wie den<br />

Walen oder Delph<strong>in</strong>en erhebt. Das neue<br />

Wissen um deren hohe Intelligenz und<br />

Sensibilität könnte auch <strong>die</strong> Haltungsbed<strong>in</strong>gungen<br />

für Elefanten verbessern,<br />

hofft Angela Stöger-Horwath.<br />

Mit sichtlichem Vergnügen beschreibt<br />

sie <strong>die</strong> von ihr erforschte geheime<br />

Sprache der Elefanten: Bellen, grunzen,<br />

schnauben, zirpen, tröten und brüllen<br />

können <strong>die</strong> Dickhäuter. Jede Familie<br />

produziert <strong>e<strong>in</strong>e</strong> klanspezifische Klangfärbung,<br />

am me<strong>ist</strong>en reden dabei <strong>die</strong><br />

Elefantenweibchen, <strong>die</strong> s<strong>in</strong>d „richtige<br />

Klatschtanten“, so <strong>die</strong> Zoolog<strong>in</strong>. Die genaue<br />

Anzahl der elefantösen Lautarten<br />

werde derzeit erforscht, e<strong>in</strong> Großteil<br />

liegt im Infraschallbereich, der für das<br />

menschliche Ohr unhörbar <strong>ist</strong>. Lediglich<br />

e<strong>in</strong> Vibrieren der Luft <strong>ist</strong> für menschliche<br />

BeobachterInnen spürbar, wenn<br />

sich Elefanten auf <strong>die</strong>ser Wellenlänge<br />

unterhalten.<br />

Sich Kompetenz erst e<strong>in</strong>mal<br />

erkämpfen müssen<br />

Im Zuge der Nature Publikation wurde<br />

Angela Stöger-Horvath von den Me<strong>die</strong>n<br />

entdeckt: „Ich war monatelang nur<br />

noch mit Fernsehteams beschäftigt“,<br />

<strong>e<strong>in</strong>e</strong> anstrengende Zeit, „aber ich war<br />

auch e<strong>in</strong> bissl stolz“. Denn ihr Biologiestudium<br />

war <strong>in</strong> ihrem Bekann-<br />

tenkreis oft als Sonnenblumenfach<br />

belächelt worden, umso wichtiger <strong>ist</strong><br />

es der Bioakustiker<strong>in</strong> heute, Ergebnisse<br />

präsentieren zu können. Am Anfang des<br />

Studiums hatte sie sich noch regelrecht<br />

durchbeißen müssen, „Als Frau muss<br />

<strong>man</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Kompetenz erst e<strong>in</strong>mal beweisen,<br />

Männer werden schneller ernst<br />

genommen“, so ihre Erfahrung. Dabei<br />

glaubt sie, dass Frauen für <strong>die</strong> Verhaltensbiologie<br />

besondere Talente haben,<br />

denn dafür braucht es viel Geduld: „<strong>Es</strong><br />

tut sich oft stundenlang nichts. Das<br />

muss <strong>man</strong> erst e<strong>in</strong>mal Aushalten lernen“<br />

weiß sie aus eigener Erfahrung.<br />

Sie selbst ließ sich von den Mühen des<br />

Anfangs nicht abhalten, hat immer gewusst,<br />

was sie will und das dann auch<br />

durchgezogen. „Was ich mir vornehme,<br />

erreiche ich auch“, so <strong>die</strong> Elefantenforscher<strong>in</strong><br />

selbstbewusst. Auch den Kontakt<br />

mit der renommierten Joyce Poole<br />

hat sie sich all<strong>e<strong>in</strong>e</strong> geschaffen. Im Zuge<br />

der geme<strong>in</strong>samen Arbeit an der „Nature<br />

Publikation“ hat sie sie <strong>in</strong> Kenia im<br />

Amboseli Nationalpark besucht. „<strong>Es</strong> war<br />

wunderschön mit hunderten Elefanten<br />

zusammen zu se<strong>in</strong>, sie unter freieren<br />

Haltungsbed<strong>in</strong>gungen zu erleben.“ Aus<br />

Afrika wollte sie nicht wieder weg. In<br />

Kenias Hauptstadt Nairobi seien <strong>die</strong><br />

Jungtiere sogar zutraulich geworden,<br />

„e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>maliges Erlebnis“.<br />

Frühe Sportler<strong>in</strong>nenkarriere<br />

Ehrgeizig und zielstrebig war Angela<br />

Stöger-Horwath immer schon, geprägt<br />

hat sie dabei ihre Jugendkarriere als<br />

Le<strong>ist</strong>ungsschwimmer<strong>in</strong>: Zwölf Mal wurde<br />

sie Staatsme<strong>ist</strong>er<strong>in</strong> <strong>in</strong> der Diszipl<strong>in</strong><br />

Synchronschwimmen, auch bei Europa-<br />

und Weltme<strong>ist</strong>erschaften erreichte sie<br />

F<strong>in</strong>alplätze. Vier bis sechs Stunden pro<br />

Tag musste sie als Jugendliche tra<strong>in</strong>ieren,<br />

„ich b<strong>in</strong> täglich um sieben Uhr<br />

früh <strong>in</strong>s Wasser gesprungen, ob´s mich<br />

gefreut hat, oder nicht.“<br />

E<strong>in</strong>en Teil ihres Zoologiestudiums<br />

konnte sie sich dann auch aus der<br />

Sporthilfe f<strong>in</strong>anzieren. Sich von Rückschlägen<br />

nicht irritieren lassen, durch<br />

hartnäckige Arbeit ans Ziel kommen,<br />

<strong>die</strong>se Lektionen aus dem Le<strong>ist</strong>ungssport<br />

kommen ihr heute zugute. Erst recht,<br />

seit vor <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Jahr ihre Tochter Cel<strong>in</strong>e<br />

zur Welt kam. Die Herausforderung<br />

besteht nun dar<strong>in</strong>, trotzdem beruflich<br />

voranzukommen. „Ich habe gelernt,<br />

sehr effektiv zu se<strong>in</strong>.“ Täglich beg<strong>in</strong>nt<br />

142 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie


sie um sechs Uhr früh zu arbeiten, um<br />

auf ihr Pensum zu kommen, bis Cel<strong>in</strong>e<br />

aufwacht. Auch ihr Mann, der als Tierpfleger<br />

im Schönbrunner Zoo arbeitet,<br />

unterstützt sie, ebenso ihre Eltern.<br />

Neue berufllche Ziele hat sie auch<br />

bereits: Derzeit arbeitet Angela<br />

Stöger-Horwath an <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m akustischen<br />

Frühwarnsystem, um Menschen, <strong>die</strong> <strong>in</strong><br />

Elefantengebieten <strong>in</strong> Asien und Afrika<br />

leben, vor herannahenden Tierherden<br />

zu warnen. Denn wo Mensch und<br />

Elefant nah beie<strong>in</strong>ander leben, gibt<br />

es immer wieder zu Tode Getrampelte<br />

und Verletzte. E<strong>in</strong>en viel versprechenden<br />

Karrierebeg<strong>in</strong>n mit raschen<br />

Erfolgen hat Angela Stöger-Horwath<br />

bisher absolviert, „besser hätte es<br />

nicht laufen können.“<br />

„Ich hab mir m<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Weg selber gebahnt,<br />

ich war immer dah<strong>in</strong>ter.“<br />

143 14


Sok-Kheng Ta<strong>in</strong>g<br />

Interview: Teresa Arrieta | März 2007<br />

„E<strong>in</strong> Unternehmen <strong>ist</strong> immer so gut wie se<strong>in</strong><br />

schwächstes Glied.“<br />

Fotos: Nora Friedel<br />

144 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie


„Wer mit Leidenschaft arbeitet,<br />

vergisst Raum und Zeit“<br />

Die Oberösterreicher<strong>in</strong> Sok-Kheng<br />

Ta<strong>in</strong>g hat e<strong>in</strong> IT-Unternehmen mitbegründet,<br />

dem sie zur <strong>in</strong>ternationalen<br />

Marktführerschaft verhelfen will. Die<br />

Anfänge s<strong>in</strong>d vielversprechend.<br />

„Ich wollte alles kennen lernen und das<br />

Maximum rausholen“, sagt Sok-Kheng<br />

Ta<strong>in</strong>g über ihre L<strong>in</strong>zer Stu<strong>die</strong>nzeit und<br />

<strong>die</strong>se Worte charakterisieren sie wohl<br />

besonders treffend. E<strong>in</strong>e Asiat<strong>in</strong> mit<br />

oberösterreichischem Akzent im Busi-<br />

Ausbildung:<br />

Studium Betriebswirtschaftslehre,<br />

Johannes Kepler Universität L<strong>in</strong>z<br />

Position:<br />

Gründer<strong>in</strong> von dynaTrace, 2005. Leitung<br />

des <strong>in</strong>ternationalen Geschäftsbereiches,<br />

Vertrieb und Market<strong>in</strong>g<br />

Branche:<br />

Informationstechnologie<br />

ness Look. Quirlig, stets lachend und<br />

voller Tatendrang: Sok-Kheng Ta<strong>in</strong>g <strong>ist</strong><br />

k<strong>e<strong>in</strong>e</strong> alltägliche Ersche<strong>in</strong>ung. Die Eltern<br />

flüchteten 1980 vor den Roten Khmer<br />

von Kambodscha nach Österreich, da<br />

war <strong>die</strong> kl<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Sok-Kheng gerade sechs<br />

Jahre alt. Sie wuchs <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m oberösterreichischen<br />

Dorf auf, absolvierte hier<br />

K<strong>in</strong>dergarten, Schulzeit und danach als<br />

erste Frau <strong>in</strong> ihrer traditionsbewussten<br />

Familie e<strong>in</strong> Studium der Betriebswirtschaftslehre<br />

an der Johannes<br />

Kepler Universität. Nebenbei belegte<br />

sie <strong>in</strong>teressehalber zahlreiche Freifächer<br />

und besuchte sogar abends noch<br />

Zusatzvorlesungen. Getragen war sie<br />

dabei von dem Wunsch immer Neues<br />

zu erfahren. Mit Neugier, Enthusiasmus<br />

und schwammartiger Wissbegierde g<strong>in</strong>g<br />

sie jede neue Erfahrung an und legte<br />

während des Studiums noch e<strong>in</strong> Praktikum<br />

<strong>in</strong> den USA (Atlanta) e<strong>in</strong>, denn ihr<br />

Leben sollte immer „bunt und vielfältig“<br />

se<strong>in</strong>. Um ihr Taschengeld aufzubessern,<br />

nahm sie <strong>in</strong> den Staaten <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Job im<br />

Telemarket<strong>in</strong>g an. Ne<strong>in</strong>, das sei ganz<br />

und gar nicht langweilig gewesen, ganz<br />

im Gegenteil: „Man lernt auf Menschen<br />

zuzugehen. Ich konnte tra<strong>in</strong>ieren Verkaufsgespräche<br />

zu führen.“<br />

145


„Ich habe mich als Frau nie benachteiligt gefühlt.<br />

Das wichtigste <strong>ist</strong>, zufrieden mit sich selbst zu se<strong>in</strong><br />

und s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Weg zu gehen, auch wenn das Umfeld<br />

anderer Me<strong>in</strong>ung <strong>ist</strong>.“<br />

Aus jedem Job das Beste<br />

machen<br />

„Ich hab jeden m<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Jobs ernst<br />

genommen und geschaut, was ich<br />

draus lernen kann“, fasst <strong>die</strong> Ehrgeizige<br />

ihr Lebensmotto zusammen. Vor<br />

allem <strong>die</strong> Offenheit und Kontaktfreudigkeit<br />

der AmerikanerInnen fand <strong>die</strong><br />

BWL-Student<strong>in</strong> fantastisch, trotzdem<br />

zog es sie <strong>in</strong> <strong>die</strong> oberösterreichische<br />

Heimat zurück. Nach Abschluss ihres<br />

Studiums <strong>in</strong> L<strong>in</strong>z heuerte sie zuerst<br />

bei <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Werbeagentur an, um<br />

dann <strong>in</strong> <strong>die</strong> Market<strong>in</strong>g Abteilung der<br />

Büro Handel GesmbH zu wechseln,<br />

146 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie


des führenden Anbieters von Büro-<br />

Produkten <strong>in</strong> Zentraleuropa. Dort baute<br />

sie den gesamten Internetvertrieb des<br />

Unternehmens auf (Onl<strong>in</strong>e Shop, Multi-<br />

Channel Vertrieb über Marktplätze und<br />

Portale). E<strong>in</strong>e Erfahrung, <strong>die</strong> für ihre<br />

spätere Firmengründung sehr nützlich<br />

se<strong>in</strong> sollte, denn hier hatte sie erstmals<br />

mit den Problemen von KundInnen im<br />

E-Bus<strong>in</strong>ess zu kämpfen: „Wenn je<strong>man</strong>d<br />

bei unserer Firma per Onl<strong>in</strong>eshopp<strong>in</strong>g<br />

e<strong>in</strong>kaufen wollte und <strong>die</strong> Applikation<br />

funktionierte nicht, hatte <strong>die</strong>s Umsatze<strong>in</strong>bußen<br />

zur Folge oder <strong>die</strong> KundInnen<br />

g<strong>in</strong>gen zu MitbewerberInnen. Das<br />

war schon sehr ärgerlich.“ Zu dumm,<br />

dachte sie bereits damals, dass es ke<strong>in</strong><br />

Computer-Tool gibt, mit dem solche<br />

Probleme bis an <strong>die</strong> Wurzel zurückverfolgt<br />

werden können, so dass <strong>die</strong><br />

IT-Spezial<strong>ist</strong>Innen <strong>die</strong> genaue Ursuche<br />

des Ausfalls verstehen. Denn zu jener<br />

Zeit erfolgten IT-Reparaturen schlicht<br />

nach dem Trial-and-Error Pr<strong>in</strong>zip.<br />

Firmengründung auf der<br />

grünen Wiese<br />

E<strong>in</strong>ige Jahre später gab <strong>die</strong>se zündende<br />

Idee den Impuls zur Firmengründung<br />

von dynaTrace, wie sich <strong>die</strong><br />

Market<strong>in</strong>g-Expert<strong>in</strong> er<strong>in</strong>nert: „Me<strong>in</strong><br />

Kollege, der Systementwickler Bernd<br />

Greifeneder, kam mit der Idee <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r<br />

Computer Software, mit der <strong>man</strong> den<br />

Weg durchs Problemlabyr<strong>in</strong>th erstmals<br />

deutlich nachvollziehen kann. Mit der<br />

<strong>man</strong> analysieren kann, was bei dem<br />

jeweiligen Ausfall genau passiert <strong>ist</strong><br />

und wo <strong>die</strong> Problemursache liegt.“ E<strong>in</strong><br />

Programm, das Perfor<strong>man</strong>ce-Probleme<br />

und Softwarefehler über verteilte Java<br />

und .NET Systemlandschaften h<strong>in</strong>weg<br />

erstmalig punktgenau identifiziert und<br />

rekonstruiert. „Ich sagte: Wow, super,<br />

bisher war ich wie bl<strong>in</strong>d vor <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m<br />

IT-Problem. Das hat mich immer schon<br />

geschmerzt, ich hab nie verstanden<br />

dass es ke<strong>in</strong> Tool dafür gibt.“ Zu dritt<br />

erfolgte im Jahr 2005 <strong>die</strong> Firmengründung.<br />

Anfangs bewältigten <strong>die</strong> drei IT-<br />

Pioniere <strong>die</strong> gesamte Arbeit alle<strong>in</strong>, das<br />

sei hart und zeit<strong>in</strong>tensiv gewesen: „Wir<br />

haben gut bezahlte, verantwortungsvolle<br />

Positionen und Karrieren aufgegeben,<br />

aber uns hat fasz<strong>in</strong>iert, etwas<br />

Neues aufzubauen“, schildert sie <strong>die</strong><br />

Beweggründe. Wichtig war zu <strong>die</strong>sem<br />

Zeitpunkt auch <strong>die</strong> professionelle Hilfe<br />

von AWS (Austria Wirtschaftsservice)<br />

und <strong>die</strong> f<strong>in</strong>anzielle Unterstützung durch<br />

<strong>die</strong> FFG (Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft).<br />

„AWS und FFG<br />

s<strong>in</strong>d gelungene Konzepte, um UnternehmensgründerInnen<br />

<strong>in</strong> Österreich<br />

den Start <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong> spannende Zukunft zu<br />

ermöglichen“, me<strong>in</strong>t sie heute anerkennend.<br />

Die geme<strong>in</strong>same Anstrengung der<br />

drei IT-Musketiere war jedenfalls von<br />

raschem Erfolg gekrönt:<br />

Nach den Sternen greifen<br />

Nach weniger als drei Jahren verfügt<br />

das Unternehmen nun über vierzig<br />

MitarbeiterInnen, <strong>die</strong> mit Fokus <strong>in</strong><br />

Zentraleuropa, Großbritannien und<br />

den USA tätig s<strong>in</strong>d. KundInnen wie <strong>die</strong><br />

Österreichische Nationalbank oder <strong>die</strong><br />

Deutsche Bahn vertrauen dem Jungunternehmen.<br />

Sok-Kheng Ta<strong>in</strong>g leitet<br />

den <strong>in</strong>ternationalen Geschäftsbereich,<br />

Vertrieb und Market<strong>in</strong>g. Ihr Ziel? „Ich<br />

möchte dynaTrace zum <strong>in</strong>ternationalen<br />

Marktführer begleiten“, formuliert sie<br />

das ehrgeizige Firmenvorhaben. Das<br />

von dynaTrace patentierte „PurePath“<br />

System, das wie e<strong>in</strong> Vergrößerungsglas<br />

E<strong>in</strong>blick <strong>in</strong> <strong>die</strong> verschlungenen<br />

Programmierpfade gewährt, soll zum<br />

Standard für jeder<strong>man</strong>n werden. Bei<br />

Applikations-Problemen soll jeder<br />

IT-Manager <strong>in</strong> Zukunft ganz selbstverständlich<br />

fragen: „Was siehst Du im<br />

PurePath?“, wünscht sich <strong>die</strong> Firmengründer<strong>in</strong>.<br />

Ja, es stimmt, sie habe e<strong>in</strong><br />

ausgeprägtes Le<strong>ist</strong>ungsdenken. Das<br />

komme bereits von den Eltern, ebenfalls<br />

UnternehmerInnen, <strong>die</strong> jedoch <strong>in</strong><br />

Kambodscha alles was sie aufgebaut<br />

hatten, zurück lassen mussten. Wie es<br />

ihr als weibliche Unternehmer<strong>in</strong> gehe?<br />

Danke bestens. Natürlich fällt <strong>man</strong><br />

als Asiat<strong>in</strong> <strong>in</strong> der männerdom<strong>in</strong>ierten<br />

Bus<strong>in</strong>ess Welt auf, aber das kann <strong>man</strong><br />

auch zu s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Vorteil nutzen: „<strong>Es</strong><br />

kommt immer darauf an, wie <strong>man</strong> <strong>die</strong><br />

Genderthematik im Kopf def<strong>in</strong>iert.“<br />

147


Alberta Velimirov<br />

Interview: Teresa Arrieta | Dezember 2006<br />

„<strong>Es</strong> <strong>ist</strong> Uns<strong>in</strong>n, <strong>die</strong> westliche reduktion<strong>ist</strong>ische<br />

Naturwissenschaft über alles andere zu erheben.“<br />

Fotos: Lisa Holzer<br />

148 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie


„Wir brauchen <strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />

Nahrungsrevolution“<br />

Zoolog<strong>in</strong> Alberta Velimirov untersucht<br />

<strong>die</strong> Qualität biologischer<br />

Lebensmittel mit ganzheitlichen<br />

Wissenschaftsmethoden und stellt<br />

<strong>die</strong> Ökologie <strong>in</strong> der Landwirtschaft<br />

auf zeitgemäße wissenschaftliche<br />

B<strong>e<strong>in</strong>e</strong>.<br />

Wir brauchen uns nicht zu wundern,<br />

wenn wir immer dicker und gestresster<br />

werden, denn auch <strong>die</strong> Landwirtschaft<br />

Ausbildung:<br />

Studium der Zoologie<br />

Universität Wien<br />

Position:<br />

Qualitätsforscher<strong>in</strong> bei FiBL<br />

(Forschungs<strong>in</strong>stitut für<br />

biologischen Landbau)<br />

Wissenschaftsdiszipl<strong>in</strong>:<br />

Lebensmitteluntersuchung<br />

<strong>ist</strong> auf größer, schneller und mehr<br />

ausgerichtet, erklärt Alberta Velimirov.<br />

Der Mensch steht ja nicht außerhalb<br />

<strong>die</strong>ses von ihm geschaffenen Systems,<br />

sondern mitten dr<strong>in</strong>. Somit essen<br />

wir den Stress der nicht artgemäß<br />

behandelten Lebewesen mit. Das s<strong>in</strong>d<br />

k<strong>e<strong>in</strong>e</strong>swegs ideologische Aussagen,<br />

sondern wissenschaftliche Erkenntnisse.<br />

Alberta Velimirov arbeitet seit<br />

zwanzig Jahren daran, das System<br />

der biologischen Landwirtschaft auf<br />

<strong>e<strong>in</strong>e</strong> neue wissenschaftliche Basis zu<br />

stellen: „Ich sehe das Nahrungssystem<br />

als e<strong>in</strong> Gesamtsystem. Ich stu<strong>die</strong>re <strong>die</strong><br />

Zusammenhänge zwischen Bodenqualität,<br />

Anbau und Ernährungsweise.<br />

Ich beziehe das Nahrungssystem <strong>in</strong><br />

s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Gesamtheit e<strong>in</strong>, wenn ich von<br />

„biologisch essen“ spreche.“ Deswegen<br />

fordert <strong>die</strong> Expert<strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Nahrungsrevolution.<br />

Auch wenn sie dabei <strong>in</strong><br />

gewissen WissenschafterInnenkreisen<br />

belächelt wird, was <strong>die</strong> selbstbewusste<br />

Ökopionier<strong>in</strong> nicht zu irritieren vermag,<br />

obwohl sie der fortschreitende Machbarkeitswahn<br />

der re<strong>in</strong> analytischen Ernährungswissenschaft<br />

besorgt stimmt.<br />

149


Vor allem <strong>die</strong> grüne Gentechnik, „weil<br />

wir hier ja alle mitgefangen s<strong>in</strong>d.“ Das<br />

h<strong>in</strong>ter dem gentechnischen Machbarkeitsanspruch<br />

stehende Weltbild lehnt<br />

sie ab. Der westlichen analytischen<br />

Wissenschaft, <strong>die</strong> Hierarchien etabliert<br />

und sich nichtwestlichen Denksystemen<br />

überlegen fühlt, muss endlich e<strong>in</strong> Gültigkeitsrahmen<br />

gesetzt werden. Denn<br />

während ihrer Aufenthalte <strong>in</strong> Südafrika,<br />

Kenia, Maurizius und Sri Lanka hat sie<br />

erkannt, dass es auch nicht-wissenschaftliche<br />

Weltbilder gibt, <strong>die</strong> genauso<br />

gültig s<strong>in</strong>d, wenn nicht sogar überlegen.<br />

Schließlich tragen <strong>die</strong>se „anderen“<br />

Denksysteme weit mehr zum harmonischen<br />

Zusammenleben von Mensch und<br />

Natur bei.<br />

K<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Handlanger<strong>in</strong> der<br />

Männerwelt<br />

Doch <strong>die</strong>se Erkenntnisse s<strong>in</strong>d der Forscher<strong>in</strong><br />

erst im Laufe der Zeit gekommen.<br />

Als junges Mädchen wollte<br />

Alberta Velimirov Urwaldforscher<strong>in</strong><br />

werden, später wurde ihr klar, dass<br />

sie dafür Zoologie stu<strong>die</strong>ren muss.<br />

Und noch etwas wurde ihr während<br />

des Studiums an der Universität Wien<br />

bewusst: „Ich hab begriffen, dass ich<br />

<strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Männerwelt lebe und <strong>die</strong>se<br />

<strong>in</strong> der Karriere vorgezogen werden.“<br />

Daraufh<strong>in</strong> beschloss <strong>die</strong> von ihrem Fach<br />

bege<strong>ist</strong>erte Zoolog<strong>in</strong>: „Ich werde nicht<br />

erwerbsmäßig arbeiten, sondern „nur“<br />

im Haushalt und für <strong>die</strong> K<strong>in</strong>der. Ich<br />

werde heiraten und mich für m<strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />

Hausarbeit erhalten lassen, denn den<br />

beruflichen Konkurrenzkampf geb‘ ich<br />

mir nicht.“ Bedenken, ihre Unabhängigkeit<br />

e<strong>in</strong>zubüßen, hatte sie dabei k<strong>e<strong>in</strong>e</strong>:<br />

„Abhängig <strong>ist</strong> <strong>man</strong> immer: Wenn nicht<br />

vom Mann, dann von den AuftraggeberInnen.<br />

Außerdem hab ich immer<br />

gewusst, dass Familienarbeit irrs<strong>in</strong>nig<br />

wertvoll <strong>ist</strong>. Viele Frauen fühlen sich<br />

dabei leider m<strong>in</strong>derwertig.“ Tatsächlich<br />

heiratete <strong>die</strong> Unbeirrbare kurz nach<br />

ihrem Abschluss und begann, mit ihrem<br />

Mann – ebenfalls e<strong>in</strong> Zoologe – zu<br />

arbeiten. Sie folgte ihm nach Kapstadt,<br />

unterstützte s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Stu<strong>die</strong>n, <strong>in</strong>dem sie<br />

mit ihm geme<strong>in</strong>sam nach Muscheln<br />

tauchte und bekam zwei K<strong>in</strong>der. In <strong>die</strong>se<br />

Phase fiel auch der Zeitpunkt ihres<br />

wissenschaftlichen „Erwachens“. Damals<br />

kam sie im Zuge ihrer Reisen mit den<br />

Denkweisen Indigener <strong>in</strong> Berührung, <strong>die</strong><br />

<strong>die</strong> Natur als etwas Belebtes betrachten<br />

und ökologische Kreisläufe berücksichtigen.<br />

„Dieses Denken war mir von<br />

Anfang an sympathischer. <strong>Es</strong> fühlt sich<br />

e<strong>in</strong>fach stimmiger und wärmer an“,<br />

me<strong>in</strong>t <strong>die</strong> Zoolog<strong>in</strong> rückblickend.<br />

Tiere wählen <strong>in</strong>st<strong>in</strong>ktiv<br />

Bio-Futter<br />

Nach ihrer Rückkehr nach Wien bot<br />

<strong>man</strong> ihr am Ludwig-Boltz<strong>man</strong>n Institut<br />

für biologischen Landbau <strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />

Halbtagsstelle zur Qualitätskontrolle<br />

biologischer Lebensmittel an. Dafür<br />

wurden Fütterungsversuche und Futterwahlversuche<br />

mit Laborratten unternommen:<br />

Den Nagern wird über <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n<br />

längeren Zeitabschnitt biologisches<br />

und konventionelles Futter serviert. Die<br />

ForscherInnen untersuchen, ob <strong>die</strong> Tiere<br />

<strong>die</strong> Biokarotte der konventionellen vorziehen<br />

und ob Biofutter langfr<strong>ist</strong>ig zu<br />

mehr tierischer Gesundheit führt. Zwei<br />

lebende Systeme werden hier mite<strong>in</strong>-<br />

ander verglichen – <strong>e<strong>in</strong>e</strong> ganzheitliche<br />

Methodik, <strong>die</strong> dem Denken der Zoolog<strong>in</strong><br />

weit mehr entgegenkam als Nährstoffanalysen.<br />

Vergleicht <strong>man</strong> nämlich den<br />

Vitam<strong>in</strong>gehalt von Bioprodukten mit<br />

konventionellen, f<strong>in</strong>det <strong>man</strong> nur wenige<br />

Unterschiede. Bei den Fütterungsversuchen<br />

h<strong>in</strong>gegen waren <strong>die</strong> Ergebnisse<br />

stets sensationell: Die Ratten fraßen<br />

das Biofutter lieber, blieben gesünder<br />

und es gab auch weniger Totgeburten.<br />

Heute bemüht sich <strong>die</strong> Öko-Forscher<strong>in</strong>,<br />

<strong>die</strong> <strong>in</strong> der Zwischenzeit zum renommierten<br />

„Forschungs<strong>in</strong>stitut für biologischen<br />

Landbau“ (FiBL) gewechselt<br />

<strong>ist</strong>, ihre Ergebnisse mit neuen Wissenschaftsmethoden<br />

zu untermauern. Etwa<br />

mithilfe der Biophotonenuntersuchung,<br />

wo <strong>die</strong> Lichtabstrahlung der Pflanzenzellen<br />

gemessen wird.<br />

Das Pr<strong>in</strong>zip Leben e<strong>in</strong>führen<br />

Denn je gestresster e<strong>in</strong> Organismus<br />

<strong>ist</strong>, umso mehr Lichtenergie strahlt er<br />

ab – auch hier gibt es zwischen Bio und<br />

Nichtbio <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n deutlichen Unterschied.<br />

Velimirov: „Gestresste Lebe wesen<br />

strahlen mehr als solche, <strong>die</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong> lebensfreundliche<br />

Umgebung vor f<strong>in</strong>den.“<br />

E<strong>in</strong>e weitere <strong>in</strong>novative Methodik s<strong>in</strong>d<br />

Zerfallsuntersuchungen: Man reibt<br />

<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Bioapfel und <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n konventionellen,<br />

und beobachtet, welcher schneller<br />

zerfällt, und welche Schimmelarten<br />

aufwachsen. Auch das erlaubt <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n<br />

Rückschluss auf <strong>die</strong> Qualität des Ursprungsproduktes.<br />

Heute stoßen <strong>die</strong> anfangs<br />

be lächelten Stu<strong>die</strong>n von Alberta<br />

Velimirov auf immer größeres Interesse:<br />

Sie erhält unzählige E<strong>in</strong>ladungen für<br />

Vorträge und Tagungen und <strong>ist</strong> u. a.<br />

150 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie


als Tra<strong>in</strong>er<strong>in</strong> bei der Ausbildung zum<br />

Ernährungscoach am Wiener Wifi tätig.<br />

Ihren Erfolg führt sie auch auf ihr Frause<strong>in</strong><br />

zurück: „Als Frau fällt es <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m<br />

wahrsche<strong>in</strong>lich leichter, <strong>die</strong> Gültigkeit<br />

von globalen Wissenschaftsmethoden<br />

zu erkennen.“ Was sie derzeit h<strong>in</strong>gegen<br />

am me<strong>ist</strong>en stört, sei <strong>die</strong> Förderungspolitik:<br />

„Ich spür <strong>die</strong> Widerstände, wenn<br />

ich wieder e<strong>in</strong>mal <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Projektantrag<br />

nicht bewilligt bekommen habe.“<br />

„Ich schließe <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Lücke, denn es <strong>ist</strong> sonst kaum je<strong>man</strong>d da, der das<br />

gesamte biologische Nahrungssystem auf zeitgemäßer wissenschaftlicher<br />

Basis darstellt und untersucht.“<br />

Derzeit gehen <strong>die</strong> Forschungsgelder fast<br />

ausschließlich <strong>in</strong> <strong>die</strong> konventionelle<br />

Landwirtschaft (neue Pestizide etc.)<br />

und <strong>in</strong> <strong>die</strong> Gentechnik. Und das, obwohl<br />

von KonsumentInnen naturbelassene<br />

Lebensmittel gewünscht werden. „Die<br />

Förderpolitik wird ja aus Steuermitteln<br />

f<strong>in</strong>anziert, der e<strong>in</strong>geschlagene Weg <strong>ist</strong><br />

schlichtweg undemokratisch. Nachhaltigkeitsforschung<br />

sollte endlich <strong>in</strong> der<br />

Landwirtschaft anerkannt werden.“<br />

151


Brigitte Weiss<br />

Interview: Teresa Arrieta | Dezember 2006<br />

„Frauen forschen mit mehr F<strong>in</strong>gerspitzengefühl und<br />

s<strong>in</strong>d deswegen mitunter erfolgreicher als Männer,<br />

<strong>die</strong> stets analysieren wollen.“<br />

Fotos: Lisa Holzer<br />

152 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie


Die Mikrowelt mit Gefühl<br />

erforschen<br />

Sie war jahrzehntelang <strong>die</strong> e<strong>in</strong>zige<br />

weibliche Professor<strong>in</strong> für Physik<br />

an der Universität Wien, hat alle<br />

Männer<strong>in</strong>trigen geme<strong>ist</strong>ert und<br />

untersucht <strong>die</strong> Mikrowelt über das<br />

Pensionsalter h<strong>in</strong>aus.<br />

In Österreich hat ihr <strong>die</strong> Weite gefehlt<br />

und der Urwald – denn Brigitte<br />

Weiss hat ihre K<strong>in</strong>dheit <strong>in</strong> Indonesien<br />

verbracht und dort <strong>die</strong> Natur <strong>in</strong>tensiv<br />

Ausbildung:<br />

Studium der Materialwissenschaften<br />

Montanuniversität Leoben,<br />

Studium der Physik Universität Wien<br />

Position:<br />

Professor<strong>in</strong> i.R.<br />

Wissenschaftsdiszipl<strong>in</strong>:<br />

Physik<br />

und wild erlebt: „Der Dschungel begann<br />

h<strong>in</strong>term Haus und <strong>die</strong> Affen haben mir<br />

beim Schlafen zugeschaut, es war wunderschön“,<br />

er<strong>in</strong>nert sich <strong>die</strong> Physikprofessor<strong>in</strong><br />

an ihre para<strong>die</strong>sische K<strong>in</strong>dheit.<br />

Mit dreizehn musste <strong>die</strong> Familie jedoch<br />

<strong>die</strong> Heimkehr nach Österreich antreten,<br />

denn <strong>die</strong> Mutter strebte <strong>e<strong>in</strong>e</strong> gute Ausbildung<br />

für ihre Tochter an: Statt <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r<br />

Villa mit Dienerschaft musste <strong>man</strong> sich<br />

nun mit der Enge <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Wohnung <strong>in</strong><br />

Leoben zufrieden geben. „Aber als junger<br />

Mensch <strong>ist</strong> das ke<strong>in</strong> Problem“, sagt<br />

Brigitte Weiss resolut. E<strong>in</strong> Lächeln und<br />

<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Ausstrahlung, als wäre ihr Leben<br />

e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>ziger Siegeszug gewesen. Nur <strong>die</strong><br />

Milde <strong>in</strong> ihren Augen offenbart viel Verständnis<br />

für menschliche Schwächen.<br />

Das kommt wohl daher, dass auch sie<br />

e<strong>in</strong>iges an Härten erlebte und sich früh<br />

behaupten musste: Weil ihre Familie<br />

ihr ke<strong>in</strong> Studium <strong>in</strong> den Bundeshauptstädten<br />

f<strong>in</strong>anzieren konnte, <strong>in</strong>skribierte<br />

sie - sie war immer schon technisch<br />

<strong>in</strong>teressiert („Von K<strong>in</strong>dheit an hat mich<br />

<strong>die</strong> Eisenbahn mehr <strong>in</strong>teressiert, als <strong>die</strong><br />

Puppen“) - Materialwissenschaften an<br />

der Montanuniversität Leoben.<br />

153


Durchs Studium gekämpft<br />

Zwei Frauen unter 150 StudentInnen<br />

- Brigitte Weiss freundete sich prompt<br />

mit ihrer Mitstreiter<strong>in</strong> an, geme<strong>in</strong>sam<br />

hantelten sie sich durchs Studium.<br />

„Was machst denn du da, suchst eh<br />

nur <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Mann“ habe ihr e<strong>in</strong> Kollege<br />

gleich zu Beg<strong>in</strong>n entgegengeschleudert.<br />

Gewettet habe sie dann mit ihm,<br />

dass sie ihr Studium abschliessen wird.<br />

Nach erfolgreichem Abschluss musste<br />

derselbe ihr dann e<strong>in</strong> Sektfrühstück<br />

bezahlen: „Schwierigkeiten waren für<br />

mich immer e<strong>in</strong> Ansporn“, lacht <strong>die</strong><br />

Forscher<strong>in</strong> und wirkt dabei wie e<strong>in</strong><br />

Fels <strong>in</strong> der Brandung. E<strong>in</strong>fach war <strong>die</strong><br />

Stu<strong>die</strong>nzeit fürwahr nicht: Von den<br />

Professoren wurde sie anfangs nicht<br />

ernst genommen, ihr Vater weilte<br />

noch <strong>in</strong> Indonesien, ihre Mutter war<br />

ihr e<strong>in</strong>ziger Rückhalt, verzagt hat sie<br />

jedoch nie: „Ich hab m<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Probleme<br />

immer selbst gelöst.“ Und <strong>die</strong>se Lösung<br />

hieß: Lernen, lernen, lernen und zeigen,<br />

dass <strong>man</strong> fähig <strong>ist</strong>, „dann kann <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m<br />

nie<strong>man</strong>d weh tun.“ Nach Abschluss des<br />

Studiums gelang der Zielstrebigen doch<br />

noch der Sprung nach Wien um Physik<br />

zu stu<strong>die</strong>ren. Auch hier stieß sie auf<br />

<strong>die</strong>selben Schwierigkeiten, denen sie<br />

aber mit viel Ehrgeiz und Optimismus<br />

begegnete. Nach dem Doktorat g<strong>in</strong>g <strong>die</strong><br />

angehende Professor<strong>in</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> USA, um<br />

ihre Ausbildung zu vervollständigen.<br />

„Dort war ich auch <strong>die</strong> e<strong>in</strong>zige Frau.“<br />

Neid und Missgunst von<br />

seiten der Männer<br />

In der Zwischenzeit hatte sie geheiratet<br />

und <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Tochter bekommen. Ihre<br />

Mutter begleitete sie damals als Babysitter<strong>in</strong><br />

auf ihre amerikanische Reise.<br />

Danach konnte Weiss <strong>in</strong> Wien habilitieren<br />

und wurde außerordentliche Professor<strong>in</strong><br />

am Wiener Universitäts<strong>in</strong>stitut<br />

154 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie


für Materialphysik. In jene Zeit fielen<br />

auch <strong>die</strong> härtesten Kämpfe: „Sobald<br />

<strong>man</strong> Erfolg hat und aufsteigt, wird <strong>man</strong><br />

den Männern zur Konkurrenz: Dann<br />

beg<strong>in</strong>nen Neid, Missgunst und Intrigen“<br />

er<strong>in</strong>nert sie sich an <strong>die</strong>sen spannungsgeladenen<br />

Lebensabschnitt. Doch<br />

auch damals konnte ihr nie<strong>man</strong>d ihren<br />

Optimismus nehmen, Courage setzt sich<br />

letztendlich durch. Zur Karriere verhalf<br />

ihr auch <strong>die</strong> Mutter, <strong>die</strong> stets <strong>die</strong> K<strong>in</strong>derbetreuung<br />

übernahm. Beruflich hat<br />

sich <strong>die</strong> Physiker<strong>in</strong> ihr Leben lang der<br />

Erforschung von Materialeigenschaften<br />

gewidmet und dabei immer <strong>in</strong> <strong>in</strong>dustrierelevanten<br />

Bereichen geforscht.<br />

Die Geheimnisse von<br />

Materialien <strong>in</strong> kl<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n<br />

Dimensionen<br />

Ihr Spezialgebiet war <strong>die</strong> Ermüdungsforschung:<br />

Die Lebensdauer<br />

von Werkstoffen unter schw<strong>in</strong>gender<br />

Belastung (Flugzeug- und Autoteile)<br />

aber auch im Menschen (Hüftprothesen<br />

aus Spezialwerkstoffen). Die<br />

letzten zehn Berufsjahre widmete sich<br />

Brigitte Weiss dann der Erforschung<br />

der Mikrowelt: Beispielsweise <strong>die</strong><br />

Lebensdauer von Stents, das s<strong>in</strong>d zwei<br />

Millimeter kurze Hightech-Röhrchen,<br />

<strong>die</strong> <strong>in</strong> verstopfte Herzadern platziert<br />

werden. Daraus entwickelte sich ihr<br />

aktuelles Forschungsgebiet <strong>in</strong> enger<br />

Zusammenarbeit mit der Industrie: Die<br />

WissenschafterInnengruppe um Brigitte<br />

Weiss testet <strong>die</strong> Eigenschaften von<br />

kle<strong>in</strong>stdimensionierten Materialien:<br />

Schaltkreise <strong>in</strong> Handylautsprechern<br />

oder Sensoren der Autoelektronik. Ihr<br />

ForscherInnenteam hat neue Messverfahren<br />

entwickelt, um <strong>die</strong> Belastbarkeit<br />

<strong>die</strong>ser M<strong>in</strong>isysteme bis h<strong>in</strong> zur<br />

Nanotechnologie zu prüfen: Wie <strong>die</strong>se<br />

auf Hitze und Kälte reagieren, und wie<br />

lange sie zuverlässig funktionieren.<br />

Heute s<strong>in</strong>d Untersuchungen von<br />

Brigitte Weiss und ihren Mitarbeiter-<br />

Innen gefragter denn je, so dass sie<br />

über <strong>die</strong> Pension h<strong>in</strong>aus ohne Honorar<br />

weiter forscht. Ihre privaten Leidenschaften<br />

Sport und Reisen kommen<br />

dabei zu kurz, wie sie bedauernd<br />

feststellt. Ihr Lebensmotto? „Niemals<br />

aufgeben, es geht immer weiter. Ich<br />

war <strong>in</strong> allen schwierigen Lebenslagen<br />

me<strong>ist</strong> optim<strong>ist</strong>isch und kraftvoll.“<br />

„<strong>Es</strong> gab große Krisen, aber <strong>man</strong><br />

f<strong>in</strong>det immer FreundInnen und<br />

KollegInnen, <strong>die</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n unterstützen.“<br />

155 14


„Ich hab‘ mir m<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Stellung am Anfang erst erkämpfen müssen,<br />

hab‘ mich durchgesetzt und gezeigt, was ich kann.“<br />

Susanne W<strong>in</strong>dischberger<br />

Interview: Teresa Arrieta | März 2007<br />

156 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie<br />

ww


„Ich b<strong>in</strong> stolz auf m<strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />

Erf<strong>in</strong>dungen“<br />

Die „Techwo<strong>man</strong> 2004“ entwickelt<br />

w<strong>in</strong>zige Handylautsprecher, mit<br />

denen <strong>man</strong> Mozart hören kann, hat<br />

gelernt, wie frau <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Raum betritt<br />

anstatt h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>zuschleichen und<br />

möchte jungen Mädchen Mut zur<br />

Technik machen.<br />

„Na weißt du denn überhaupt, was du dir<br />

antust!“ rief Susanne W<strong>in</strong>dischbergers<br />

Gymnasiallehrer<strong>in</strong> entsetzt, als <strong>die</strong><br />

Schüler<strong>in</strong> als Studiums-Wunsch „Tech-<br />

Ausbildung:<br />

Studium Technische Physik<br />

Universität Wien<br />

Position:<br />

Abteilungsleiter<strong>in</strong> Philips<br />

Sound Systems<br />

Wissenschaftsdiszipl<strong>in</strong>:<br />

Elektrotechnik<br />

nische Physik“ angab. Das verwirrte<br />

<strong>die</strong> angehende Maturant<strong>in</strong>, waren<br />

naturwissenschaftliche Fächer doch<br />

immer ihre Stärke gewesen. „Die Lehrkräfte<br />

s<strong>in</strong>d halt damals noch nicht auf<br />

geschlechtssensible Erziehung geschult<br />

gewesen“, urteilt Susanne W<strong>in</strong>dischberger<br />

im Rückblick. Sie selber setzt<br />

sich h<strong>in</strong>gegen heute nach Kräften dafür<br />

e<strong>in</strong> jungen Mädchen <strong>die</strong> Scheu vor der<br />

Technik zu nehmen. Neben ihrer erfolgreichen<br />

Tätigkeit bei Philips Sound Solutions<br />

<strong>ist</strong> sie Vorstandsmitglied bei der<br />

Beratungsstelle Sprungbrett, <strong>die</strong> junge<br />

Mädchen bei der Berufsorientierung<br />

unterstützt. In den Köpfen der Schüler<strong>in</strong>nen<br />

ge<strong>ist</strong>ern noch viele Vorurteile<br />

gegenüber der Technik herum: „Das <strong>ist</strong><br />

uncool, da macht <strong>man</strong> sich schmutzig<br />

…“ Im Rahmen des Vere<strong>in</strong>s wird sehr<br />

viel darüber diskutiert, wie früh mit der<br />

Sensibilisierung angefangen werden<br />

sollte. Denn den K<strong>in</strong>dern wird schon im<br />

K<strong>in</strong>dergartenalter vermittelt, <strong>in</strong> welche<br />

Richtung sie gehören: So s<strong>in</strong>d beispielsweise<br />

Legost<strong>e<strong>in</strong>e</strong> für kl<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Buben<br />

viel komplexer zusammen zu bauen, als<br />

jene für Mädchen.<br />

157


Unterstützung durch <strong>die</strong><br />

Mutter<br />

Mit vierzehn Jahren sei es dann schon<br />

„ziemlich <strong>in</strong> den Köpfen dr<strong>in</strong>, was sich<br />

für e<strong>in</strong> Madel gehört“. W<strong>in</strong>dischberger<br />

möchte den Jugendlichen jedoch zeigen:<br />

„He, es gibt auch andere Möglichkeiten<br />

für dich.“ Ihr konnte <strong>man</strong><br />

<strong>die</strong> naturwissenschaftliche Laufbahn<br />

auch deswegen nicht verleiden, weil<br />

sie viel Unterstützung von daheim<br />

genoss, denn ihre Mutter unterrichtet<br />

Mathematik und Physik. So <strong>in</strong>skribierte<br />

Susanne W<strong>in</strong>dischberger unerschrocken<br />

Technische Physik an der Technischen<br />

Universität Wien und absolvierte ihr<br />

Doktorat am Atom<strong>in</strong>stitut. Doch als<br />

Universitätsass<strong>ist</strong>ent<strong>in</strong> wurde ihr bald<br />

klar, dass <strong>die</strong> Grundlagenforschung sie<br />

nicht zufrieden stellen würde: „Mit<br />

dem Untersuchungsergebnis schreibt<br />

<strong>man</strong> e<strong>in</strong> Paper, da macht <strong>man</strong> dann<br />

zwei Löcher re<strong>in</strong>, legt es <strong>in</strong> <strong>die</strong> Schublade<br />

und das war´s.“ Statt also <strong>die</strong><br />

ForscherInnenlaufbahn zu beschreiten,<br />

bewarb sie sich für <strong>e<strong>in</strong>e</strong> ausgeschriebene<br />

Stelle bei Philips Sound Systems<br />

und hat den Schritt nie bereut: Seit<br />

viere<strong>in</strong>halb Jahren werkt sie bege<strong>ist</strong>ert<br />

an der Weiterentwicklung von M<strong>in</strong>iaturlautsprechern.<br />

In weniger als <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r<br />

Sekunde fällt so e<strong>in</strong> Lautsprecher vom<br />

Band. „Bei uns muss <strong>die</strong> Entwicklung<br />

rasch gehen, denn der Handymarkt <strong>ist</strong><br />

e<strong>in</strong> sehr schneller und das gefällt mir<br />

wahns<strong>in</strong>nig gut.“<br />

Fluchende Kollegen<br />

An acht Patenten hat <strong>die</strong> Techniker<strong>in</strong><br />

seit ihrem Philips E<strong>in</strong>stand mitgewirkt.<br />

Sie erf<strong>in</strong>det k<strong>e<strong>in</strong>e</strong> kompletten Lautsprecher,<br />

sondern kl<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Details zur<br />

Optimierung: Strukturen auf Lautsprechermembranen,<br />

M<strong>in</strong>iaturbestandteile<br />

bei der E<strong>in</strong>spannung. „Ich trage dazu<br />

bei, dass Lautsprecher kl<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r und<br />

flacher werden und trotzdem <strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />

gute akustische Perfor<strong>man</strong>ce liefern.<br />

Die Herausforderungen werden immer<br />

größer, denn <strong>die</strong> Leute wollen mit dem<br />

Handy Mozart hören“, erklärt Susanne<br />

W<strong>in</strong>dischberger. „Ich b<strong>in</strong> schon stolz auf<br />

m<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Erf<strong>in</strong>dungen.“<br />

Die Anfänge bei Philips waren allerd<strong>in</strong>gs<br />

nicht ganz e<strong>in</strong>fach: Der Sache<br />

nicht genug, dass sie <strong>e<strong>in</strong>e</strong> der wenigen<br />

Frauen war. Zu allem Überdruss führte<br />

Susanne W<strong>in</strong>dischberger auch noch<br />

neuartige Computersimulationen e<strong>in</strong>,<br />

anstatt mechanische Experimente<br />

zu tätigen. So stellte sie <strong>die</strong> Philips<br />

Entwicklungsabteilung sukzessive auf<br />

theoretische B<strong>e<strong>in</strong>e</strong>. Doch der entstandene<br />

Männeraufruhr legte sich bald, als<br />

klar wurde, dass <strong>die</strong> Computerarbeiten<br />

der neuen Mitarbeiter<strong>in</strong> mit den Experimenten<br />

zusammenpassten und sie<br />

darüber h<strong>in</strong>aus ihren Kollegen zu verstehen<br />

gab: „Ihr dürft bei mir fluchen.“<br />

Denn unter Technikern werde halt e<strong>in</strong><br />

lockerer Umgangston gepflegt. „Sie<br />

158 w-<strong>fFORTE</strong> Wirtschaftsimpulse von Frauen <strong>in</strong> Forschung und Technologie


entschuldigen sich dann immer und ich<br />

sage jedes Mal darauf: Ich habe das<br />

Wort schon mal gehört!“<br />

Frauen bremsen sich selbst<br />

Trotz allem erfolgte der wahre Karrierekick<br />

erst, als Susanne W<strong>in</strong>dischberger<br />

im Rahmen des Leonardo Awards<br />

„Techwo<strong>man</strong> of the year 2004“ wurde.<br />

Zwar hatte es schon vorher Karrieregespräche<br />

mit Vorgesetzten gegeben,<br />

bei denen ihre hohen Entwicklungsmöglichkeiten<br />

festgehalten worden<br />

waren. Trotzdem habe es viel mehr<br />

bewirkt, als im Rahmen des Award<br />

auch von außen bestätigt wurde: „Die<br />

<strong>ist</strong> gut“, analysiert W<strong>in</strong>dischberger<br />

im Nachh<strong>in</strong>e<strong>in</strong>. Im vergangenen Jahr<br />

avancierte <strong>die</strong> Physiker<strong>in</strong> dann zur<br />

Leiter<strong>in</strong> der Vorentwicklungsgruppe,<br />

was ihr großen Spaß macht, denn „ich<br />

habe den Mut, Entscheidungen zu<br />

fällen und übernehme gerne Verantwortung.“<br />

Das war jedoch nicht immer<br />

so. Viel geholfen hat ihr auch das<br />

Philips Frauenmentor<strong>in</strong>g Programm.<br />

Mit ihrer Mentor<strong>in</strong> arbeitete sie etwa<br />

am selbstsicheren Ersche<strong>in</strong>ungsbild:<br />

„Wenn ich <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Raum betrete, b<strong>in</strong> ich<br />

früher h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>geschlichen – das hat sich<br />

nun verändert.“ Fortan beobachtete<br />

sie ihre Körperhaltung, denn e<strong>in</strong> Mann<br />

sitzt nun mal ganz anders: „Breite<br />

B<strong>e<strong>in</strong>e</strong>, breite Ellenbogen - automatisch<br />

raumfüllender als <strong>die</strong> me<strong>ist</strong>en Frauen.“<br />

Damals wurde W<strong>in</strong>dischberger bewusst,<br />

dass Frauen sich oft selbst bremsen:<br />

„Ke<strong>in</strong> Mann hält mich davon ab, mich<br />

aufrecht h<strong>in</strong>zusetzen, und dadurch<br />

stärker zu wirken.“<br />

„<strong>Es</strong> <strong>ist</strong> <strong>in</strong> m<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Bereich sehr schwierig, weibliche Vorbilder<br />

zu bekommen, obwohl ich <strong>die</strong>se als Orientierung<br />

gerne hätte.“<br />

159

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