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Urbane Immobilienmärkte und ökonomische Theorien der ...

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Staatsexamensarbeit:<br />

<strong>Urbane</strong> <strong>Immobilienmärkte</strong> <strong>und</strong><br />

<strong>ökonomische</strong> <strong>Theorien</strong> <strong>der</strong><br />

Gentrifizierung<br />

Vorgelegt von Kris Jan Maschewsky am 29.09.2010 in Berlin<br />

1


INHALTSVERZEICHNIS<br />

Einleitung...............................................................................................................................3<br />

Methodisches Vorgehen <strong>und</strong> Struktur <strong>der</strong> Arbeit...............................................................4<br />

1 Was ist Gentrifizierung?......................................................................................................6<br />

1.1 Der klassische Begriff <strong>der</strong> Gentrifizierung..................................................................6<br />

1.2 Gentrifizierung: ein überstrapazierter Begriff?...........................................................8<br />

2 Gentrifizierungsprozesse zu Beginn des 21. Jahrh<strong>und</strong>erts................................................10<br />

2.1 Gentrifizierungsstrategien <strong>und</strong> unternehmerische Stadtpolitik.................................10<br />

2.2 Von <strong>der</strong> „marginal oddity“ zum „central goal of urban policy“................................14<br />

2.3 Sozialwohnungen zu „Luxusappartements“!?...........................................................15<br />

3 <strong>Urbane</strong> <strong>Immobilienmärkte</strong> im Kapitalismus.....................................................................18<br />

3.1 Subjektive vs. objektive Werttheorie.........................................................................19<br />

3.2 Eine allgemeine Theorie <strong>der</strong> Gr<strong>und</strong>rente...................................................................21<br />

3.2.1 Monopolrente.....................................................................................................24<br />

3.2.2 Differenzialrente................................................................................................25<br />

3.2.3 Ableitung von städtischen Nutzungsklassen aus <strong>der</strong> Differenzialrente.............26<br />

3.3 Gr<strong>und</strong>eigentum als fiktives Kapital...........................................................................27<br />

3.4 Spekulation <strong>und</strong> symbolische Aufwertung von Stadtquartieren................................28<br />

3.5 Umlaufgeschwindigkeit des Kapitals in <strong>Immobilienmärkte</strong>n...................................29<br />

3.6 Zyklizität von Boom <strong>und</strong> Krise.................................................................................32<br />

4 Ökonomische <strong>Theorien</strong> <strong>der</strong> Gentrifizierung......................................................................33<br />

4.1 Neil Smiths rent gap-Theorie....................................................................................34<br />

4.1.1 Die Entstehung gentrifizierbarer Stadtquartiere................................................35<br />

4.1.2 Die rent gap-Theorie..........................................................................................37<br />

4.2 Gentrifizierung, Krisen <strong>und</strong> <strong>der</strong> „spatial fix“............................................................41<br />

4.3 Phasenmodelle des Wandels <strong>der</strong> Gentrifizierung......................................................44<br />

1. Welle <strong>der</strong> Gentrifizierung:.......................................................................................45<br />

2. Welle <strong>der</strong> Gentrifizierung........................................................................................45<br />

3. Welle <strong>der</strong> Gentrifizierung........................................................................................47<br />

4. Welle <strong>der</strong> Gentrifizierung........................................................................................47<br />

5 Überakkumulationskrise <strong>und</strong> Gentrifizierung...................................................................48<br />

5.1 Die Krise des Fordismus............................................................................................49<br />

5.2 Finanzialisierung <strong>und</strong> Immobilienboom: Fiktiver Aufschwung................................51<br />

5.3 Gentrifizierung als Akkumulation aus <strong>der</strong> Substanz des Kapitals.............................56<br />

6 Ausblick.............................................................................................................................59<br />

Literaturverzeichnis..............................................................................................................61<br />

Abbildungsverzeichnis.........................................................................................................68<br />

2


EINLEITUNG<br />

„While many elements were involved in the crisis that has rocked the world over the last two<br />

years, it should be clear [...] that urban processes played a key role. The so-called sub-prime foreclosure<br />

crisis was in fact an urban crisis. If, therefore, the roots of the crisis lie in urban malformation<br />

then the solutions must also surely lie, in part if not in whole, in urban re-formations.“<br />

(Harvey 2009, 1270)<br />

Das Ziel dieser Arbeit ist es, eine Untersuchung durchzuführen, die den Zusammenhang<br />

zwischen jüngstem Gentrifizierungsgeschehen 1 <strong>und</strong> <strong>der</strong> Akkumulationsdynamik des Kapitals,<br />

die <strong>der</strong>zeit eine Weltwirtschaftskrise hervor bringt, begreifbar macht. Die zu Gr<strong>und</strong>e<br />

liegende Hypothese ist, dass es einen systematischem <strong>ökonomische</strong>n Zusammenhang gibt<br />

zwischen Verwertungsprozess des Kapitals, Immobilienkrise <strong>und</strong> <strong>der</strong> sogenannten vierten<br />

Welle <strong>der</strong> Gentrifizierung (Lees / Slater / Wyly 2008, 173ff), die ein vorrangig US-amerikanisches<br />

Phänomen ist. Es gibt innerhalb <strong>der</strong> Wirtschafts- <strong>und</strong> Stadtgeografie <strong>und</strong> benachbarter<br />

Disziplinen zwar eine Reihe von Autoren 2 , die vergleichbare Zusammenhänge andeuten,<br />

aber bisher keinen Text, <strong>der</strong> diese Andeutungen <strong>und</strong> Theorieansätze versucht zu<br />

versammeln <strong>und</strong> in eine konsistente These zu synthetisieren. Diese Arbeit soll hierzu einen<br />

relevanten Beitrag leisten.<br />

Die Weltwirtschaft hat sich seit <strong>der</strong> in den 1970er Jahren mit <strong>der</strong> OPEC-Krise offenbar<br />

werdenden Krise fordistischer Regulation stark gewandelt (vgl. z.B.: Lipietz 1998, Aglietta<br />

2000, Aglietta et al 2002). Dieser soziale, <strong>ökonomische</strong>, politische <strong>und</strong> auch räumliche<br />

Wandel kommt in den öffentlichen Debatten um „Globalisierung“, „Informationsgesellschaft“<br />

u.ä. zum Ausdruck. Auch in <strong>der</strong> Wirtschaftsgeografie ist er spätestens seit Mitte <strong>der</strong><br />

1980er Jahre, etwa mit <strong>der</strong> Veröffentlichung von Piore / Sables (dies. 1989) Thesen zur<br />

Flexibilisierung <strong>der</strong> Industrie o<strong>der</strong> Storper / Walkers (dies. 1989) Überlegungen zur geografischen<br />

Industrialisierung, um nur zwei Beispiele zu nennen, zentraler Gegenstand <strong>der</strong><br />

Forschung. Wirtschafts-, Stadt- <strong>und</strong> Sozialgeografie können damit auf theoretischen Traditionen<br />

aufbauen, die schon lange die Krise fordistischer Regulation <strong>und</strong> die aus ihrem Zusammenhang<br />

entstehenden <strong>ökonomische</strong>n, gesellschaftlichen <strong>und</strong> sozialräumlichen Umwälzungen<br />

untersuchen. Als deutscher Ausdruck dieser Traditionslinien sei hier etwa auf<br />

den lei<strong>der</strong> vergriffenen Sammelband von Borst / Krätke / Mayer / Roth / Schmoll (dies.<br />

1990) verwiesen, <strong>der</strong> Aufsätze versammelt, die die Krise des Fordismus in ihren Auswirkungen<br />

auf Stadtentwicklung <strong>und</strong> <strong>ökonomische</strong> Restrukturierungen untersuchen.<br />

Das jüngste Gentrifizierunggeschehen fand im historischen Rahmen dieses Wandels statt,<br />

<strong>der</strong> zugleich zum Aufbau einer Weltwirtschaftskrise führte, die seit dem Zusammenbuch<br />

von Lehman Brothers im Oktober 2008 nicht mehr zu verleugnen ist. Der Aufbau dieser<br />

Weltwirtschaftskrise war aber in vielen Län<strong>der</strong>n vermittelt über einen Immobilienboom<br />

<strong>und</strong> entsprechend sich verstärkende Gentrifizierungsprozesse, so etwa in den USA, Großbritannien,<br />

den PIIGS-Staaten mit Ausnahme Griechenlands o<strong>der</strong> auch <strong>der</strong>zeit in China. Es<br />

sei nur daran erinnert, dass die gegenwärtige Krise zunächst als US-amerikanische Immobilien-<br />

<strong>und</strong> Hypothekenkrise zum Ausbruch kam. Immobilienboom bzw.<br />

1 Da sowohl <strong>der</strong> Begriff <strong>der</strong> Gentrifizierung, als auch ein großer Teil <strong>der</strong> Forschungsarbeiten zum Gegenstand<br />

aus dem angelsächsischen Raum kommt o<strong>der</strong> auf Englisch publiziert wird, ist noch keine Variante<br />

<strong>der</strong> Eindeutschung des englischen Wortstammes „gentrifi-“ allgemein durchgesetzt. In <strong>der</strong> folgenden Arbeit<br />

wird <strong>der</strong> englische Wortstamm den deutschen Wortbildungsprinzipien unterworfen, so dass von<br />

„Gentrifizierung“, „gentrifizieren“ <strong>und</strong> „Gentrifikation“ etc. gesprochen wird.<br />

2 Für gemischtgeschlechtliche Personengruppen werden im Folgenden <strong>der</strong> Kürze wegen maskuline Genusformen<br />

verwendet.<br />

3


Immobilienmarktblasen, Gentrifizierungsgeschehen <strong>und</strong> Weltwirtschaftskrise scheinen also<br />

mit einan<strong>der</strong> verquickt zu sein.<br />

David Harvey, laut BBC <strong>der</strong> bekannteste Geograf <strong>der</strong> Welt, geht davon aus, dass das Geschehen<br />

auf den urbanen <strong>Immobilienmärkte</strong>n nicht nur eine Ran<strong>der</strong>scheinung, son<strong>der</strong>n eines<br />

<strong>der</strong> motorischen Zentren <strong>der</strong> gegenwärtigen Weltwirtschaftskrise ist. Auch wenn dieser<br />

These hier nicht unbedingt gefolgt wird, so ist doch festzuhalten, dass die sich wandelnde<br />

Ökonomie urbaner <strong>Immobilienmärkte</strong> offensichtlich eine wesentliche Funktion innerhalb<br />

des gegenwärtigen Krisengeschehens <strong>und</strong> seiner Ursachen hat. Hier wird daher ein Ansatz<br />

verfolgt <strong>der</strong> versucht das übergreifende <strong>ökonomische</strong> Moment von Gentrifizierungsprozessen<br />

aus <strong>der</strong> Funktionsweise lokaler urbaner <strong>Immobilienmärkte</strong> einerseits <strong>und</strong> aus <strong>der</strong> Akkumulationsdynamik<br />

in <strong>der</strong> Gesamtökonomie <strong>und</strong> ihrem Zusammenhang mit diesen <strong>Immobilienmärkte</strong>n<br />

an<strong>der</strong>erseits, zu erklären. Die Überlegung ist, dass Gentrifizierungsprozesse<br />

Teil einer größeren Bewegung hin zur Akkumulation auf <strong>der</strong> Basis von Rentenerträgen<br />

sind, die hier mit einem von Franz Jung entliehenem Begriff als Akkumulation aus <strong>der</strong><br />

Substanz des Kapitals bezeichnet werden soll 3 .<br />

METHODISCHES VORGEHEN UND STRUKTUR DER ARBEIT<br />

Diese Arbeit basiert auf <strong>der</strong> erkenntnistheoretischen Überzeugung, dass in kapitalistischen<br />

Gesellschaften <strong>der</strong> Akkumulationsprozess des Kapitals <strong>der</strong>art übergreifend ist, dass er eine<br />

Totalität gesellschaftlicher Entwicklung erzeugt. Gemeint ist mit dieser Formulierung, dass<br />

die Kapitalakkumulation einen Rahmen aller menschlichen Tätigkeit setzt, mit dem sich<br />

alle menschliche Tätigkeit auseinan<strong>der</strong>setzen muss <strong>und</strong> entsprechend von ihm affiziert<br />

wird. Alle autonome, subjektive Tätigkeit muss sich an <strong>der</strong> heteronomen, objektiven Logik<br />

<strong>der</strong> Kapitalakkumulation abarbeiten, da die materielle Wirklichkeit selbst durch diese Logik<br />

bestimmt ist. Das bedeutet nicht, dass es eine Logik des Kapitals gäbe, aus <strong>der</strong> sich alle<br />

beson<strong>der</strong>en Phänomene kapitalistischer Gesellschaften unvermittelt ableiten ließen. Die<br />

Logik des Kapitals ist selbst wi<strong>der</strong>sprüchlich – wie weiter unten gezeigt wird setzt sie deshalb<br />

auch Krisen aus sich heraus – <strong>und</strong> es sind diese Wi<strong>der</strong>sprüche, die die Entwicklung<br />

kapitalistischer Gesellschaften voran treiben. Die Logik des Kapitals setzt damit gesellschaftliche<br />

Wi<strong>der</strong>sprüche, die von den Akteuren im Rahmen ihrer subjektiven Handlungsmöglichkeiten<br />

gelöst o<strong>der</strong> in eine Verlaufsform gebracht werden müssen, soll die kapitalistische<br />

Gesellschaft nicht an ihren Krisen zerbrechen <strong>und</strong> in die Barbarei zurück fallen. Kapitalistische<br />

Gesellschaften sind daher von einem dialektischen Verhältnis von Subjektivität<br />

<strong>und</strong> Objektivität geprägt, in denen die objektive Logik des Kapitals allerdings das Übergreifende<br />

ist. Hier wird daher eine Forschungsstrategie verfolgt, die einerseits versucht, die<br />

Logik urbaner <strong>Immobilienmärkte</strong> <strong>und</strong> des <strong>ökonomische</strong>n Momentes von Gentrifizierung<br />

herauszuarbeiten. An<strong>der</strong>erseits wird das Handeln institutioneller Akteure innerhalb dieser<br />

Logik untersucht <strong>und</strong> zu bestimmen versucht, ob <strong>und</strong> wie dieses Handeln die Logik von urbanen<br />

<strong>Immobilienmärkte</strong>n <strong>und</strong> Gentrifizierungsprozessen verän<strong>der</strong>t. Zugleich wird davon<br />

ausgegangen, dass die Geschichte des Kapitalismus eine Geschichte seiner Krisen <strong>und</strong> historisch<br />

kontingenten Krisenlösungsstrategien ist. Wer also die Logik <strong>der</strong> Kapitalakkumulation<br />

begreifen will, muss daher auch untersuchen, wie sich diese Logik durch die Krise des<br />

Manchester-Kapitalismus, durch <strong>der</strong>en fordistische Lösung <strong>und</strong> wie<strong>der</strong>um durch die Krise<br />

3 Franz Jung, expressionistisch-avantgardistischer Autor von Romanen <strong>und</strong> Dramen, Rätekommunist <strong>und</strong><br />

langjähriger Wirtschaftsjournalist <strong>und</strong> Wirtschaftsjurist im Berlin <strong>der</strong> Zwischenkriegszeit, wirft in seiner<br />

Autobiographie (Jung 2000) <strong>der</strong> Linken vor, dass sie in den 1920er <strong>und</strong> 1930er Jahren keinen Begriff von<br />

<strong>der</strong> Akkumulation aus <strong>der</strong> Substanz des Kapitals entwickelt habe. Auch er selbst hat diesen Begriff nicht<br />

in Form einer Theorie entfaltet. In seinen Romanen, die zu großen Teilen erst posthum veröffentlicht <strong>und</strong><br />

seither von <strong>der</strong> Literaturwissenschaft weitgehend ignoriert wurden, wird aber auf belletristisch-theoretische<br />

Art deutlich, was er mit diesem Begriff meinen könnte (Jung 1987, 1989, 1992a, 1992b).<br />

4


des Fordismus fortentwickelt hat. Und Gentrifizierung muss entsprechend aus ihrem Zusammenhang<br />

mit <strong>der</strong> Krise des Fordismus begriffen werden.<br />

Ob <strong>der</strong> extremen Komplexität eines solchen Ansatzes wurde hier ein Vorgehen gewählt,<br />

dass sich in Komplexitätsreduktion versucht, in dem es den Forschungsgegenstand in mehrere<br />

Teile zerlegt, die zunächst weitgehend einzeln analysiert werden. Erst im letzten Kapitel<br />

wird eine theoretische Synthese <strong>der</strong> Analyseergebnisse versucht, auch wenn dies bedeutet,<br />

in den einzelnen Kapiteln einen inhaltlichen roten Faden teilweise unterbrechen zu<br />

müssen, um ihn dann erst im Synthesekapitel wie<strong>der</strong> aufzunehmen. Der theoretische Argumentationsstrang<br />

dieser Arbeit, <strong>der</strong> ab dem 3. Kapitel entfaltet wird, steigt also vom Einfachen<br />

zum Komplexen auf. Damit geht einher, dass die systematische Stellung einiger <strong>der</strong><br />

in den Kapiteln dargestellten Sachverhalte <strong>und</strong> Kategorien erst im Synthesekapitel deutlich<br />

wird. Dessen Qualität muss sich daran messen lassen, ob dort die in <strong>der</strong> Arbeit eröffneten<br />

Argumentationsstränge überzeugend zusammengeführt werden.<br />

Das 1. <strong>und</strong> das 2. Kapitel sind zunächst <strong>der</strong> Einführung in die Gentrifizierungsforschung<br />

gewidmet. Ihr Anspruch ist es, eine empirisch <strong>und</strong> analytisch reiche Vorstellung davon zu<br />

vermitteln, was in 50 Jahren Gentrifizierung <strong>und</strong> Gentrifizierungsforschung geschehen ist.<br />

Das Vorgehen besteht darin, durch die Darstellung ausgewählter Debatten <strong>und</strong> Ergebnisse<br />

<strong>der</strong> Gentrifizierungsforschung zugleich eine Idee von <strong>der</strong> Verän<strong>der</strong>ung von Gentrifizierungsprozessen<br />

zu vermitteln. Das 1. Kapitel stellt zunächst den klassischen Begriff <strong>der</strong><br />

Gentrifizierung vor <strong>und</strong> konfrontiert ihn in einem zweiten Teil mit dem Sachverhalt, dass<br />

die Gentrifizierungsforschung inzwischen Phänomene untersucht, die mit klassischer Gentrifizierung<br />

kaum mehr etwas zu tun zu haben. Ist also <strong>der</strong> Begriff <strong>der</strong> Gentrifizierung<br />

überstrapaziert o<strong>der</strong> haben sich Gentrifizierungsprozesse so stark verän<strong>der</strong>t, dass ihre klassischen<br />

Definition nicht mehr passt?<br />

Im 2. Kapitel wird die Verän<strong>der</strong>ung von Gentrifizierungsprozessen untersucht. Im ersten<br />

Teil wird <strong>der</strong> Bedeutungsgewinn von Gentrifizierung im Rahmen unternehmerischer Stadtpolitik<br />

vorgestellt. Im zweiten Teil geht es systematischer um den Wandel von Gentrifizierungsprozessen<br />

<strong>und</strong> um die Dimensionen dieses Wandels. Der dritte Teil versucht mittels<br />

eines Beispiels eine Idee von <strong>der</strong> Qualität <strong>der</strong> vierten Welle <strong>der</strong> Gentrifizierung zu vermitteln.<br />

Das 3. Kapitel möchte eine kategoriale Gr<strong>und</strong>lage für die weitere Untersuchung von urbanen<br />

<strong>Immobilienmärkte</strong>n <strong>und</strong> Gentrifizierungsprozessen legen. Es unterbricht daher zunächst<br />

die Untersuchung von Gentrifizierung <strong>und</strong> arbeitet sich an marxistischen Analysen<br />

<strong>der</strong> Funktionsweise urbaner <strong>Immobilienmärkte</strong> ab. Dabei geht es zentral um die Kategorie<br />

<strong>der</strong> Gr<strong>und</strong>rente <strong>und</strong> es werden einige ihrer theoretischen Implikationen untersucht: die Verwandlung<br />

von Gr<strong>und</strong>besitz in fiktives Kapital <strong>und</strong> die damit möglich werdende Gr<strong>und</strong>stücksspekulation<br />

im Zusammenhang mit <strong>der</strong> symbolischen Aufwertung städtischer Quartiere.<br />

Immobilien <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>stücke sind eine qualitativ beson<strong>der</strong>e Ware, <strong>der</strong>en Untersuchung<br />

im vierten Teil, vorrangig unter dem Aspekt <strong>der</strong> Umlaufgeschwindigkeit des Kapitals<br />

im Immobiliensektor dem wachsenden Einfluss <strong>der</strong> Finanzindustrie, erfolgt. Der fünfte<br />

Teil widmet sich den Immobilienzyklen.<br />

Das 4. Kapitel kehrt zur Gentrifizierung zurück. Zunächst wird Gentrifizierung auf <strong>der</strong><br />

Maßstabsebene urbaner <strong>Immobilienmärkte</strong> mit Hilfe von Neil Smiths rent gap-Theorie<br />

ökonomisch erklärt. Im zweiten Teil werden die Maßstabsebene erweitert <strong>und</strong> lokale Gentrifizierungsprozesse<br />

in ihrem Zusammenhang zur globalen Akkumulationsdynamik <strong>und</strong><br />

<strong>der</strong> Krisenlösung durch spatio-temporal fixes untersucht. Im dritten Teil geht es um ein<br />

Modell <strong>der</strong> Entwicklungsgeschichte <strong>der</strong> Gentrifizierung im Kontext <strong>der</strong> krisenhaften Dynamik<br />

<strong>der</strong> Kapitalakkumulation.<br />

Das 5. Kapitel versucht sich an einer theoretischen Synthese. Im ersten Teil wird eine etwas<br />

holzschnittartige kurze Geschichte <strong>der</strong> Krise des Fordismus geschrieben <strong>und</strong> angedeu­<br />

5


tet, welche sozio<strong>ökonomische</strong>n Probleme diese Krise aufwirft. Im zweiten Teil geht es vorrangig<br />

um die Finanzialisierung <strong>der</strong> Weltwirtschaft, die als Reaktion auf die durch die Krise<br />

des Fordismus gesetzten <strong>ökonomische</strong>n Ungleichgewichte begriffen wird. Im dritten<br />

Teil wird <strong>der</strong> Zusammenhang <strong>der</strong> Krisendynamik des gegenwärtigen Kapitalismus mit <strong>der</strong><br />

Regeneration <strong>der</strong> Städte im Allgemeinen <strong>und</strong> Gentrifizierung im Beson<strong>der</strong>en dargestellt<br />

<strong>und</strong> als Akkumulation aus <strong>der</strong> Substanz des Kapitals bezeichnet.<br />

Neben <strong>der</strong> Rezeption wissenschaftlicher Literatur sind in diese Arbeit zwei Formen unsystematischer<br />

empirischer Forschung eingeflossen. Zum einen ist <strong>der</strong> Autor seit Jahren ein<br />

regelmäßiger Rezipient von Immobilien-, Wirtschafts- <strong>und</strong> Finanzmarktnachrichten. Er hat<br />

den Aufbau <strong>und</strong> Verlauf <strong>der</strong> aktuellen Krise, etwa die Immobilienboom-Euphorie <strong>der</strong> Jahre<br />

2005-2007, intensiv verfolgt. Diese gezielte Rezeption von wirtschaftsjournalistischen<br />

Nachrichten unterfüttert hier die Rezeption wissenschaftlicher Schriften empirisch. Zum<br />

an<strong>der</strong>en hat <strong>der</strong> Autor sich schon frühzeitig an <strong>der</strong> situationistischen „Methode“ des Dérive<br />

orientiert, also <strong>der</strong> Erforschung „psychogeografischer Millieus“ (vgl. Andreotti / Costa<br />

(Hg.) 1996) <strong>und</strong> sich im Laufe <strong>der</strong> Jahre einen reichen geografischen Erfahrungsschatz erworben.<br />

Zwar reicht ein „geografischer Blick“ für geografische Forschung nicht aus, in<br />

diese Arbeit fließen aber auch subjektive Erfahrungen des Autors mit Gentrifizierungsprozessen<br />

sowohl im nördlichen Neukölln Berlins, wie vorrangig aus Indonesien <strong>und</strong> China<br />

ein.<br />

1 WAS IST GENTRIFIZIERUNG?<br />

„One by one, many of the working class quarters of London have been invaded by the middle<br />

classes, upper and lower. Shabby, modest mews and cottages – two rooms up and two down –<br />

have been taken over, when their leases have expired, and have become elegant, expensive residences.<br />

Large Victorian houses, downgraded in an earlier or recent period – which were used as<br />

lodging houses or were otherwise in multiple occupation – have been upgraded once again. Nowadays,<br />

many of these houses are being subdivided into costly flats or 'houselets' (in terms of the<br />

new real estate snob jargon). The current social status and value of such dwellings are frequently<br />

in inverse relation to their size, and in any case enormously inflated by comparison with previous<br />

levels in their neighborhoods. Once this process of 'gentrification' starts in a district, it goes on rapidly<br />

until all or most of the original working class occupiers are displaced, and the whole social<br />

character of the district is changed.“ (Ruth Glass 1964, zitiert nach Atkinson / Bridge 2005, 4)<br />

1.1 DER KLASSISCHE BEGRIFF DER GENTRIFIZIERUNG<br />

Mit <strong>der</strong> hier zitierten Passage über den sozialräumlichen Wandel im London <strong>der</strong><br />

1950/60er Jahre prägte die britische Soziologin Ruth Glass 4 den Begriff <strong>der</strong> Gentrifizierung.<br />

Ihr Begriff „gentrification“ basiert auf dem Begriff <strong>der</strong> „gentry“, einer klassischen<br />

Bezeichnung für den ländlichen Kleinadel des Vereinigten Königreichs im 18. <strong>und</strong> 19.<br />

Jahrh<strong>und</strong>ert <strong>und</strong> spielt damit auf die Entstehung einer neuen „urban gentry“ an, als die die<br />

invasorische Mittelschicht hier sarkastisch bezeichnet wird.<br />

Was aber versteht Glass unter Gentrifizierung? Einen sozialräumlichen Prozess, <strong>der</strong> eine<br />

Invasion von Mittelschichtsangehörigen in ein relativ heruntergekommenes Arbeiterviertel<br />

umfasst, in <strong>der</strong>en Zuge die bauliche Substanz des Viertels saniert <strong>und</strong> entsprechend <strong>der</strong> Bedürfnisse<br />

<strong>der</strong> Invasoren umgebaut wird, die Mieten <strong>und</strong> Immobilienpreise stark ansteigen<br />

4 Ruth Glass wurde als jüdische Deutsche in Berlin geboren <strong>und</strong> floh mit ihren Eltern vor den Nationalsozialisten<br />

nach Großbritannien.<br />

6


<strong>und</strong> zum Ende des Prozesses hin die proletarische <strong>und</strong> subproletarische Bevölkerung des<br />

Viertels weitgehend o<strong>der</strong> vollständig verdrängt <strong>und</strong> durch eine neue, wohlhaben<strong>der</strong>e Bevölkerung<br />

ausgetauscht wird. Dies ist <strong>der</strong> klassische Begriff von Gentrifizierung, <strong>der</strong> die<br />

sozialräumlichen Resultate eines gesellschaftlichen Klassengegensatzes zwischen <strong>der</strong> neuen<br />

„urban gentry“ <strong>und</strong> dem alten Industrie- <strong>und</strong> Subproletariat zum Gegenstand <strong>der</strong> Gentrifizierungsforschung<br />

macht 5 .<br />

Das Alltagsverständnis von Gentrifizierungsprozessen, ebenso wie frühe Stadienmodelle,<br />

die versuchen den Verlauf von Gentrifizierungsprozessen zu beschreiben, gründet auf den<br />

von Glass beschriebenen empirischen Phänomenen. So differenziert Clay in seinem Stadienmodell,<br />

dass 1979 am angloamerikanischen Kontext entwickelt wurde, den Gentrifizierungsprozess<br />

in vier distinkte Phasen (Clay 2010, siehe auch Lees / Slater / Wyly 2008,<br />

31ff). Dieses Modell wird hier kurz vorgestellt, um einen Eindruck von klassischer<br />

Gentrifizierung zu vermitteln:<br />

Phase 1: Ein kleine Gruppe risikobereiter „young urban professionals“ (Yuppis), häufig<br />

mit einem beruflichen Hintergr<strong>und</strong> aus Bereichen wie Kunst, Design, Architektur o<strong>der</strong><br />

Stadtplanung, beginnt in ein heruntergekommenes, oft verslumtes Arbeiterviertel zu ziehen<br />

<strong>und</strong> Häuser für die eigene Nutzung zu kaufen <strong>und</strong> zu renovieren. Die Finanzierung <strong>der</strong> Immobilienkäufe<br />

<strong>und</strong> -renovierungen müssen diese Pioniere in <strong>der</strong> Regel aus eigener Tasche<br />

finanzieren, denn Banken vergeben in den betroffenen Stadtquartieren keine Kredite <strong>und</strong><br />

Hypotheken, da sie <strong>der</strong>en Werthaltigkeit anzweifeln <strong>und</strong> nicht bereit sind, das entsprechende<br />

Risiko einzugehen.<br />

Phase 2: Der Prozess setzt sich fort. Allerdings beginnen auch kleine Spekulanten attraktive<br />

Gr<strong>und</strong>stücke o<strong>der</strong> Immobilien aufzukaufen, um sie aus Gründen <strong>der</strong> Spekulation zurück<br />

zu halten o<strong>der</strong> nach einer Renovierung weiter zu verkaufen o<strong>der</strong> zu vermieten. Erste Promotion-Aktivitäten<br />

für das Stadtquartier laufen an, aber <strong>der</strong> begonnene Gentrifizierungsprozess<br />

des Quartiers hat noch den Status eines Geheimtipps. Wer in Phase 1 o<strong>der</strong> Phase 2<br />

in das Quartier zieht, wird später als Teil <strong>der</strong> „autochthonen“ Bevölkerung wahrgenommen.<br />

Die Verdrängung <strong>der</strong> vorgängigen Bevölkerung gewinnt an Dynamik.<br />

Phase 3: Die Gentrifizierung des Quartiers wird durch Medien <strong>und</strong> Stadtpolitik wahrgenommen.<br />

Der bauliche <strong>und</strong> sozialräumliche Charakter des Viertels verän<strong>der</strong>t sich sichtbar,<br />

auch die Pioniere werden durch die Ankunft <strong>der</strong> Gentrifizierer in den Hintergr<strong>und</strong> gedrängt.<br />

Große Investoren <strong>und</strong> Developer entdecken das Quartier <strong>und</strong> Banken beginnen damit,<br />

Kredite <strong>und</strong> Hypotheken für Immobilien in diesem Viertel zu vergeben. Starke Spannungen<br />

zwischen <strong>der</strong> alten <strong>und</strong> <strong>der</strong> neuen Bevölkerung des Quartiers entstehen <strong>und</strong> die<br />

staatlich <strong>und</strong> privat geschaffene Infrastruktur des Quartiers wird den Bedürfnissen <strong>der</strong> neuen<br />

Bevölkerung angepasst (Schulen, Sicherheit des öffentlichen Raumes, Konsuminfrastruktur<br />

etc. pp.). Die Verdrängung <strong>der</strong> ursprünglichen Bevölkerung ist in vollem Gange.<br />

Phase 4: Die soziale Zusammensetzung <strong>der</strong> Gentrifizierer än<strong>der</strong>t sich, es ziehen mehr<br />

Manager, Unternehmer <strong>und</strong> an<strong>der</strong>e Angehörige <strong>der</strong> oberen Mittelschicht o<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />

Oberschicht in das Quartier. Immobilien, die aus Gründen <strong>der</strong> Spekulation vom Markt<br />

genommen wurden, werden jetzt verkauft. Der soziale Charakter des Quartiers hat sich<br />

gewandelt, die ursprüngliche Bevölkerung ist weitgehend verdrängt <strong>und</strong> teilweise trifft dies<br />

auch Pioniere des Gentrifizierungsprozesses. Eine Immobilienpreisspirale entsteht <strong>und</strong> <strong>der</strong><br />

Gentrifizierungsprozess ist weitgehend abgeschlossen <strong>und</strong> dehnt sich eventuell auf ein<br />

neues Quartier <strong>der</strong> Stadt aus.<br />

Das hier etwas ergänzte Stadienmodell Clays beschreibt den Verlauf klassischer Gentrifi­<br />

5 Smith meint, dass <strong>der</strong> Klassencharakter von Gentrifizierungsprozessen bei Glass' Begriff von Gentrifizierung<br />

noch sichtbar sei, während er heute verschleiert werde: „Indeed, the class nature of the process,<br />

transparent in Glass's version of gentrification, is assiduously hidden […].“ (Smith 2002, 93) <strong>und</strong> auch<br />

Lees / Slater / Wyly behaupten, dass: „Gentrification is nothing more and nothing less than the neighborhood<br />

expression of class inequality.“ ( Lees / Slater / Wyly 2008, 80).<br />

7


zierungsprozesse <strong>und</strong> es sind <strong>der</strong>artige sozialräumliche Prozesse, die gewöhnlich als Gentrifizierung<br />

begriffen werden.<br />

1.2 GENTRIFIZIERUNG: EIN ÜBERSTRAPAZIERTER BEGRIFF?<br />

Derart klassische Vorstellungen von Gentrifizierungsprozessen, wie sie in Clays Modell<br />

deutlich werden, sind am empirischen Erfahrungsschatz <strong>der</strong> 1950er bis 1980er Jahre gewonnen<br />

worden. Derzeit werden aber Phänomene in <strong>der</strong> Gentrifizierungsforschung untersucht,<br />

die mit dieser klassischen Form <strong>der</strong> Gentrifizierung auf den ersten Blick kaum mehr<br />

etwas zu tun haben. So wird etwa von Gentrifizierungsprozessen auf dem Land berichtet<br />

(z.B. Smith / Phillips 2001), von Neubau-Gentrifizierung (etwa Zukin 1991) o<strong>der</strong> „Gentrification<br />

light“ (Holm 2010) gesprochen, die zunehmend wichtige Rolle staatlicher Akteure<br />

in Gentrifizierungsprozessen diskutiert (vgl. das Themenheft von Urban Studies zum Thema,<br />

etwa Lees / Ley 2008), Gentrifizierung im Zusammenhang mit den „kreativen Industrien“<br />

<strong>und</strong> <strong>der</strong> Kulturindustrie erforscht (vgl. z.B. das Themenheft von Urban Studies aus<br />

dem Mai 2009), die ordnungspolitische <strong>und</strong> sozialpsychologische Dimension von Gentrifizierungsprozessen<br />

betont (Holm 2006), versucht viert Wellen <strong>der</strong> Gentrifizierung aus dem<br />

Zusammenhang <strong>der</strong> globalen Akkumulationsdynamik zu begreifen (Smith / Hackworth<br />

2001, Murphy 2008, Lees / Slater / Wyly 2008) o<strong>der</strong> von „Super-Gentrifizierung“ gesprochen,<br />

die sich durch eine beson<strong>der</strong>e Kapitalintensivität <strong>der</strong> Stadterneuerungsmaßnahmen<br />

auszeichne <strong>und</strong> ihre soziale Basis daher in den höheren Angestellten <strong>der</strong> Finanzindustrie<br />

Londons <strong>und</strong> New Yorks habe (Lees 2003).<br />

Unter dem Schlagwort <strong>der</strong> Gentrifizierung werden heute also scheinbar so unterschiedliche<br />

sozialräumliche Prozesse untersucht, dass <strong>der</strong> Gentrifizierungsbegriff selbst überstrapaziert<br />

erscheint <strong>und</strong> zum Teil gänzlich in Frage gestellt wird. Lees / Slater / Wyly sprechen<br />

daher auch davon, dass die Gentrifizierungsforschung eine Forschungsperspektive<br />

mit unterschiedlichen Gegenständen sei, die allerdings mit einan<strong>der</strong> verzahnt sind, statt einer<br />

wissenschaftlichen Disziplin mit einem Gegenstand:<br />

„In short, gentrification has become a valuable lens through which to examine a variety of intersecting<br />

phenomena in a city and / or neighbourhood context.“ (Lees / Slater / Wyly 2008, XVf).<br />

Neil Smith, prominenter Gentrifizierungsforscher <strong>und</strong> Protagonist <strong>der</strong> Erforschung <strong>der</strong><br />

<strong>ökonomische</strong>n Gesetzmäßigkeiten von Gentrifizierungsprozessen, versucht sich hingegen<br />

daran einen Begriff von Gentrifizierungsprozessen zu entwickeln, <strong>der</strong> sich an <strong>der</strong> Marx'schen<br />

Analyse <strong>der</strong> kapitalistischen Gesellschaft orientiert <strong>und</strong> das unkonkrete gesellschaftliche<br />

Wesen hinter den disparaten Erscheinungsformen von Gentrifizierungsprozessen auf<br />

den Begriff zu bringen will. Er meint die disparaten Phänomene von Gentrifizierungsprozessen<br />

auf einen gemeinsamen sozio<strong>ökonomische</strong>n Nenner bringen zu können:<br />

„Gentrification: The reinvestment of CAPITAL at the urban centre, which is designed to produce<br />

space for a more affluent class of people than currently occupies the space. The term, coined by<br />

Ruth Glass in 1964, has mostly been used to describe the residental aspects of this process but<br />

this is changing, as gentrification itself evolves.“ (Hervorhebung im Original, Smith 2000, zitiert<br />

nach Lees / Slater / Wyly 2008, 9)<br />

Smiths Definition von Gentrifizierung zeichnet sich durch zwei Beson<strong>der</strong>heiten aus. Seine<br />

Definition enthält bereits die Aussage, dass die Phänomene <strong>der</strong> Gentrifizierung sich verän<strong>der</strong>n.<br />

Gentrifizierung ist nach Smiths Auffassung also kein einfaches, mit sich selbst<br />

identisches Phänomen, son<strong>der</strong>n ein sozio<strong>ökonomische</strong>r Prozess, <strong>der</strong> unter unterschiedlichen<br />

räumlichen <strong>und</strong> historischen Voraussetzungen unterschiedliche Phänomene hervorbringen<br />

kann. Zweitens ist <strong>der</strong> gemeinsame Nenner dieser Phänomene die Reinvestition<br />

von Kapital in den urbanen Zentren. Diese These Smiths wird weiter unten dargestellt <strong>und</strong><br />

diskutiert. Hier ist aber zunächst festzuhalten, dass Smith <strong>der</strong> Auffassung ist, dass das em­<br />

8


pirische Gentrifizierungsgeschehen aus dem Kapitalakkumulationsprozess erklärt werden<br />

muss. Es stellt sich für die <strong>ökonomische</strong> Gentrifizierungsforschung also die Frage, unter<br />

welchen Bedingungen es zur Reinvestition von Kapital in den urbanen Zentren kommt.<br />

Dies ist auch die zentrale Frage <strong>der</strong> produktionsseitigen <strong>Theorien</strong> <strong>der</strong> Gentrifizierung, im<br />

Gegensatz zu den konsumptionsseitigen <strong>Theorien</strong>, <strong>der</strong>en primäre Frage es ist, wie Pioniere<br />

<strong>und</strong> Gentrifizierer entstehen 6 . Während also die produktionsseitige Gentrifizierungsforschung<br />

versucht, die Phänomenologie <strong>der</strong> Gentrifizierung aus den sozio<strong>ökonomische</strong>n gesellschaftlichen<br />

Bedingungen <strong>und</strong> <strong>der</strong> Akkumulationsdynamik des Kapitals zu verstehen,<br />

glauben die konsumptionsseitigen Erklärungen, dass Gentrifizierungsprozesse über die<br />

Entstehung spezifischer sozialer Milieus erklärt werden müssen, <strong>der</strong>en Angehörige dann<br />

als Gentrifizierer wirken (Lees / Slater / Wyly 2008, 39ff, 129ff). Diesen theoretischen<br />

Gegensatz versuchte Smith auszudrücken, als er 1979 davon sprach, dass Gentrifizierung<br />

ein „back to the city movement by capital, not by people“ sei (Smith 2010).<br />

Auch wenn <strong>der</strong> Gegensatz zwischen produktionsseitigen <strong>und</strong> konsumptionsseitigen Erklärungsansätzen<br />

in <strong>der</strong> Gentrifizierungsforschung unter den Bedingungen des Kalten Krieges<br />

<strong>und</strong> <strong>der</strong> ideologischen Auseinan<strong>der</strong>setzungen zwischen Apologeten des Kapitalismus <strong>und</strong><br />

seinen Kritikern in einer für die Wissenschaft äußerst unproduktiven Weise zugespitzt ausgefochten<br />

wurde <strong>und</strong> hier die neueren Ansätze begrüßt werden, die eine gegenseitige Ergänzung<br />

bei<strong>der</strong> Erklärungsansätze for<strong>der</strong>n (etwa Lees 1994, Rose 2010, Zukin 2010,<br />

Hammnett 2010), so steht die vorliegende Arbeit doch in <strong>der</strong> Traditionslinie <strong>der</strong> produktionsseitigen<br />

<strong>Theorien</strong> <strong>der</strong> Gentrifizierung. Dies erklärt sich nicht nur aus <strong>der</strong> wirtschaftsgeografischen<br />

Orientierung dieser Arbeit, son<strong>der</strong>n auch daraus, dass <strong>der</strong> Autor mit Smith<br />

<strong>der</strong> Auffassung ist, dass die Entwicklung von Gentrifizierungsprozessen wesentlich durch<br />

die Akkumulationsdynamik des Kapitals bestimmt ist.<br />

Bestimmt bedeutet hier allerdings nicht determiniert. Es wird also keine funktionalistische<br />

o<strong>der</strong> strukturalistische Ableitung des empirischen Gentrifizierungsgeschehens aus <strong>der</strong> Kapitalakkumulationsdynamik<br />

versucht, son<strong>der</strong>n ein dialektisches Verhältnis von objektiven<br />

Strukturen <strong>und</strong> subjektivem Handeln <strong>der</strong> Akteure innerhalb dieser objektiven Strukturen<br />

angenommen (zur Theorie eines dialektischen Verhältnisses von Subjektivität <strong>und</strong> Objektivität<br />

vgl. etwa Adorno 1998a o<strong>der</strong> Schmidt 1971). In diesem Sinne ist hier zu betonen, dass<br />

eine Fokussierung auf <strong>ökonomische</strong> Erklärungen <strong>der</strong> Gentrifizierung immer einseitig bleiben<br />

muss. Es sei etwa auf das w<strong>und</strong>erbare Buch Hamnetts über die Entwicklung Londons<br />

verwiesen (Hamnett 2004), einem erklärten Gegner produktionsseitiger <strong>Theorien</strong> <strong>der</strong> Gentrifizierung<br />

<strong>und</strong> Hauptvertreter <strong>der</strong> konsumptionsseitigen Professionalisierungsthese 7 , dessen<br />

Lektüre die theoretischen <strong>und</strong> empirischen Leerstellen einer einseitig <strong>ökonomische</strong>n<br />

Theorie <strong>der</strong> Gentrifizierung deutlich machen kann.<br />

Das Verhältnis zwischen <strong>ökonomische</strong>n <strong>und</strong> nicht-<strong>ökonomische</strong>n Ursachen von Gentrifizierungsprozessen<br />

lässt sich mit dem aus <strong>der</strong> dialektischen Logik kommenden Begriff des<br />

Übergreifens verstehen. Das Ökonomische, so wird hier zunächst nur postuliert, ist als das<br />

Übergreifende im dialektischen Verhältnis zwischen <strong>ökonomische</strong>n <strong>und</strong> nicht-<strong>ökonomische</strong>n<br />

Ursachen von Gentrifizierungsprozessen zu theoretisieren. D.h., es ist zwar das Do­<br />

6 Die Unterscheidung in „production vs. consumption explanaitions of gentrification“ hat sich in <strong>der</strong><br />

angloamerikanischen Gentrifizierungsforschung durchgesetzt <strong>und</strong> wird hier übernommen.<br />

7 Hamnetts Professionalisierungthese gründet auf den Thesen Bells zur postindustriellen Gesellschaft.<br />

Hamnett sieht die soziale Basis von Gentrifizierung in <strong>der</strong> Entstehung einer Klasse von „professionals“,<br />

also Individuen mit hochwertiger Ausbildung <strong>und</strong> entsprechenden Arbeitsplätzen im tertiären o<strong>der</strong> quartären<br />

Sektor, die das klassische Industrieproletariat ersetzen. Aus dieser neuen sozialen Gruppe, die zur gesellschaftlich<br />

dominanten sozialen Gruppe entwickelter Industriegesellschaften geworden ist, rekrutiert<br />

sich das Personal für die Gentrifizierung. Für Hamnett ist Gentrifizierung die Anpassung <strong>der</strong> Stadt an die<br />

Bedürfnisse dieser neuen professionellen Klasse ist. Notwendige Voraussetzung für Hamnetts Überlegungen<br />

ist die nivellierte Mittelstandsgesellschaft, <strong>der</strong>en Tage aber nach Ansicht des Autors gezählt sind.<br />

9


minate, wird aber selbst vom nicht-<strong>ökonomische</strong>n Geschehen qualitativ beeinflusst. Ganz<br />

allgemein formuliert sind also die objektiven, <strong>ökonomische</strong>n Strukturen als gesetzte äußere<br />

Rahmenbedingungen des subjektiven <strong>und</strong> „freien“ Handelns <strong>der</strong> Akteure zu begreifen, statt<br />

als etwas, aus dem dieses Handel unmittelbar abgeleitet werden kann. Derartige Ableitungen<br />

sind immer über das subjektive, freie Handeln <strong>der</strong> Akteure zu vermitteln <strong>und</strong> dieses<br />

Handeln kann wie<strong>der</strong>um die gesetzten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen qualitativ<br />

verän<strong>der</strong>n.<br />

Auf Gr<strong>und</strong> des Übergreifens einer <strong>ökonomische</strong>n Logik über das subjektive Handeln <strong>der</strong><br />

Akteure wird hier angenommen, dass auch die disparaten empirischen Phänomene <strong>der</strong><br />

Gentrifizierung einer <strong>ökonomische</strong>n Logik folgen – auch wenn sie in dieser nicht<br />

aufgehen. Konkrete Gentrifizierungsprozesse sind immer auch von den lokalen baulichen,<br />

politischen <strong>und</strong> gesellschaftlichen Voraussetzungen abhängig <strong>und</strong> diese unterschiedlichen<br />

Voraussetzungen führen zu einer Mannigfaltigkeit von Gentrifizierungsphänomenen.<br />

Orientiert an Smiths Definition <strong>der</strong> Gentrifizierung soll hier aber untersucht werden, ob es<br />

nicht eine gemeinsame <strong>ökonomische</strong> Logik dieser Phänomene gibt, die einen allgemeinen<br />

Begriff <strong>der</strong> Gentrifizierung rechtfertigt.<br />

2 GENTRIFIZIERUNGSPROZESSE ZU BEGINN DES 21. JAHRHUNDERTS<br />

Es ist die subjektive Erfahrung des Autors, dass sich vor zehn Jahren in seinem persönlichen<br />

Umfeld niemand für Gentrifizierungsprozesse interessierte, während das Thema <strong>der</strong>zeit<br />

in aller M<strong>und</strong>e zu sein scheint. Auch massenmedial sind städtische Konflikte, die im<br />

Zusammenhang mit Gentrifizierungsprozessen stehen bspw. in Berlin <strong>der</strong>zeit stark präsent.<br />

So erhält <strong>der</strong> Konflikt um die Räumung des Tacheles ebenso Aufmerksamkeit von <strong>der</strong> lokalen<br />

Presse, wie etwa die Auseinan<strong>der</strong>setzungen um das Spreeufer in Kreuzberg-Friedrichshain,<br />

die Abwicklung <strong>der</strong> letzten Überreste <strong>der</strong> Ostberliner Hausbesetzungswelle vom<br />

Anfang <strong>der</strong> 1990er Jahre in Friedrichshain, Schulklassen mit einem Minimum an<br />

„deutschen Mittelschichtskin<strong>der</strong>n“ im Wedding, <strong>der</strong> Uferweg am Griebnitzsee in Potsdam<br />

o<strong>der</strong> die Aufwertung des im letzten Jahrzehnt als Ghetto <strong>und</strong> sozialer Brennpunkt<br />

gebrandmarkten Neuköllns.<br />

In diesem Kapitel wird die subjektive Erfahrung eines Relevanzgewinns von Gentrifizierungsprozessen<br />

wissenschaftlich objektiviert. Zunächst wird daher die neue Bedeutung von<br />

Gentrifizierungsstrategien im Rahmen unternehmerischer Stadtpolitik im Zusammenhang<br />

mit <strong>der</strong> Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Gentrifizierungsforschung selbst dargestellt. Dann wird <strong>der</strong> Fokus<br />

über die Stadtpolitik hinaus erweitert <strong>und</strong> versucht, die Verän<strong>der</strong>ungen von Gentrifizierungsprozessen<br />

auch in <strong>ökonomische</strong>r <strong>und</strong> räumlicher Hinsicht darzustellen. Im letzten Teil<br />

wird in einem extremen Beispiel verdichtet deutlich gemacht, was die neue Qualität <strong>der</strong><br />

jüngsten o<strong>der</strong> vierten Welle <strong>der</strong> Gentrifizierung ist. Gleichzeitig versucht das Kapitel einen<br />

Einblick in die aktuellen Debatten <strong>der</strong> Gentrifizierungsforschung zu vermitteln.<br />

2.1 GENTRIFIZIERUNGSSTRATEGIEN UND UNTERNEHMERISCHE STADTPOLITIK<br />

Gerade die planerische Relevanz <strong>der</strong> Gentrifizierungsforschung ist in den letzten zwei<br />

Dekaden gestiegen, wodurch sich auch die Forschung gewandelt hat. Sie ist seit den<br />

1990er Jahren pragmatischer <strong>und</strong> affirmativer geworden, während in den 1970er <strong>und</strong><br />

1980er Jahren noch die Kritik an <strong>der</strong> mit Gentrifizierungsprozessen einhergehenden Verdrängung<br />

<strong>der</strong> armen Bevölkerung aus den betroffenen Quartieren im Zentrum vieler Untersuchungen<br />

<strong>und</strong> Debatten stand. Denn im Gegensatz zu diesem gentrifizierungskritischen<br />

Einschlag größerer Teile <strong>der</strong> Gentrifizierungsforschung, wie sozialer Bewegungen, die ge­<br />

10


gen konkrete Gentrifizierungsprozesse in einzelnen Städten o<strong>der</strong> Stadtquartieren ankämpfen,<br />

ist die Gentrifizierung urbaner Quartiere inzwischen auch zu einem Mittel <strong>der</strong> Stadtpolitik<br />

geworden, was etwa Davidson als „staatlich geleitete positive Gentrifizierung“ bezeichnet<br />

hat (Davidson 2008).<br />

In Großbritannien beispielsweise war es die Labourregierung, die 1998 auf <strong>der</strong> skalaren<br />

Ebene 8 einer ganzen Nation eine „urban renaissance“ verkündete <strong>und</strong> den Architekten Richard<br />

Roberts mit <strong>der</strong> Gründung einer Urban Task Force beauftragte, die die Ursachen für<br />

den Nie<strong>der</strong>gang <strong>der</strong> Innenstädte ermitteln <strong>und</strong> Rezepte dagegen entwickeln sollte. Diese<br />

Urban Task Force formulierte eine neue Vision <strong>der</strong> Regeneration <strong>der</strong> Innenstädte, „um die<br />

Menschen wie<strong>der</strong> in die Städte zu bringen“, die nach Lees Gentrifizierung zum<br />

vorrangigen Mittel <strong>und</strong> Ziel <strong>der</strong> angestrebten Regeneration <strong>der</strong> Innenstädte macht:<br />

„This 'new' vision is remarkably similar to visions of gentrification. For example, the task force<br />

tout the gentrified neighborhood of Islington in London as a success story in terms of urban regeneration,<br />

a story from which they can learn lessons. Gentrification is in effect being promoted<br />

by the Urban Task Force as the blueprint for a civilized citylife. Urban renaissance is being prescribed<br />

as the medicine for decaying inner cities.“ (Lees 2000, 391)<br />

In den USA soll diese Entwicklung zu einer Stadtpolitik gezielter Gentrifizierung bereits<br />

früher eingesetzt haben als in Großbritannien (Lees / Slater / Wyly 2008, XVIIff) <strong>und</strong> sie<br />

scheint sich primär auf <strong>der</strong> skalaren Ebene einzelner Städte entwickelt zu haben. Denn dort<br />

erklärte die Commission for a National Agenda for the Eighties 1979 den Verfall <strong>der</strong> Innenstädte<br />

zwar noch als unvermeidbar. In den 1980er Jahren aber begann sich in Reaktion<br />

auf Deindustrialisierungsprozesse, wachsende Arbeitslosigkeit, die ausufernde Suburbanisierung<br />

<strong>und</strong> den entsprechenden Wohnbevölkerungsverlust <strong>der</strong> Innenstädte (<strong>der</strong> ja häufig,<br />

allerdings in Abhängigkeit von <strong>der</strong> nationalen Steuergesetzgebung <strong>und</strong> dem räumlichen<br />

Zuschnitt politisch-administrativer Stadtgebiete, auch mit einem Verlust von Steuereinnahmen<br />

in den Stadtzentren einher geht) <strong>und</strong> infolge einer zunehmend neoliberalen Politik, die<br />

weniger überregionale Transferleistungen <strong>und</strong> Sozialausgleiche finanzierte <strong>und</strong> zu einem<br />

globalen Prozess <strong>ökonomische</strong>r Regionalisierung beitrug (Storper 1997, Kröcher 2007),<br />

das herauszubilden, was Harvey als Umlenken von einer managerialen zu einer unternehmerischen<br />

Stadtpolitik bezeichnet hat (Harvey 2001).<br />

Denn in Reaktion auf die im Zuge <strong>der</strong> Krise des Fordismus seit den 1970ern anwachsenden<br />

sozialen <strong>und</strong> <strong>ökonomische</strong>n Probleme vieler Städte versuchten immer mehr Lokalpolitiker<br />

private Kapitalinvestitionen in die verfallenden Innenstadtregionen ihrer Städte zu locken,<br />

in <strong>der</strong> Hoffnung dieses würde die Dienstleistungs- <strong>und</strong> Konsumindustrie stärken <strong>und</strong><br />

zu Jobs <strong>und</strong> an<strong>der</strong>en „trickle-down“-Effekten in den benachbarten Quartieren <strong>und</strong> im Resultat<br />

zu <strong>der</strong>en sozio-<strong>ökonomische</strong>r Revitalisierung führen 9 . In <strong>der</strong> Folge kam es in vielen<br />

Städten zum Bau von Orten etwa einer festivalisierten Konsumindustrie, z.B. Shopping-<br />

Malls mit Achterbahn <strong>und</strong> Ausgehmeilen o<strong>der</strong> von Kongresszentren, postmo<strong>der</strong>nen Bürokomplexen,<br />

<strong>der</strong> Entwicklung attraktiver Altindustrieflächen für die gehobene Dienstleistungsindustrie<br />

o<strong>der</strong> das Luxuswohnen 10 etc. pp. Derartige städtische Revitalisierungsstrate­<br />

8 Zum Begriff <strong>der</strong> skalaren Ebene, <strong>der</strong> darin über den deutschen Begriff <strong>der</strong> Maßstabsebene hinaus geht,<br />

dass er zu reflektieren versucht, welche sozialen Praxen welche räumliche Reichweite haben, <strong>und</strong> zur<br />

jüngsten deutschen Rezeption <strong>der</strong> angloamerikanischen „scale“-Debatte in <strong>der</strong> Geografie vgl. Wissen /<br />

Röttger / Heeg (Hg.) 2008, vor allem den Einleitungsartikel von Markus Wissen (Wissen 2008).<br />

9 Auch Squires behauptet diesen Zusammenhang mit einer Betonung auf Immobilienmarktinevestitionen:<br />

„Real estate investment is frequently viewed as part of the antidote to deindustrialization. All of this is justified,<br />

however, by the assumption that a revitalized economy generally and a reinvigorated downtown in<br />

particular will lead to regeneration throughout the city. As more jobs are created and space is more intensively<br />

utilized, more money is earned and spent by local residents, new property and income tax dollars<br />

bolster local treasuries, and new wealth trickles down throughout the metroploitan area.“ Squires 1996,<br />

zitiert nach Heeg 2008, 11).<br />

10 Als dem Autor aus eigener Anschauung bekannte Beispiele für <strong>der</strong>artige Entwicklungsprojekte am Was­<br />

11


gien zielen zumeist auf die Bedürfnisse <strong>der</strong> (gehobenen) Mittel- <strong>und</strong> Oberschicht ab <strong>und</strong><br />

haben häufig die Gentrifizierung <strong>der</strong> umliegenden Quartiere zum Effekt, wenn dies nicht<br />

sogar ihr mehr o<strong>der</strong> weniger explizit erklärtes Ziel ist. So schätzen Lees et al. auch den<br />

„State of the Cities“-Report des US Department of Housing and Urban Development<br />

(HUD) von 1999 so ein, dass er de facto eine Gentrifizierungsstrategie für die Städte <strong>der</strong><br />

USA formuliert <strong>und</strong> damit den herrschenden Zustand <strong>der</strong> „Stadtentwicklung durch Gentrifizierung“<br />

als Leitbild für die Stadtentwicklung festschreibt (Lees / Slater / Wyly 2008,<br />

XIX).<br />

In Deutschland ist es unter an<strong>der</strong>em das B<strong>und</strong>esprogramm „Soziale Stadt“, über das etwa<br />

Quartiersmanagements finanziert werden, die dann auf behutsame Art <strong>und</strong> Weise Innenstadtquartiere<br />

<strong>und</strong> ihre Wohnbevölkerung aufwerten sollen. In die selbe Stoßrichtung zielt<br />

auch das B<strong>und</strong>-Län<strong>der</strong>-Programm Stadtumbau Ost:<br />

„Mit dem Programm soll eine Stärkung <strong>der</strong> Innenstädte, die Reduzierung des Angebotsüberhangs<br />

an Wohnraum <strong>und</strong> die Aufwertung <strong>der</strong> von Schrumpfungsprozessen betroffenen Städte erreicht<br />

werden [...]“ (B<strong>und</strong>estransferstelle Stadtumbau Ost 2010).<br />

Zwischen 2002 <strong>und</strong> 2009 wurde mit dem Ziel <strong>der</strong> Aufwertung <strong>der</strong> Abriss von r<strong>und</strong><br />

350.000 Wohnungen aus Steuermitteln finanziert, was zu einer künstlichen Verknappung<br />

des Wohnungsangebotes <strong>und</strong> damit zum sukzessiven Anstieg <strong>der</strong> Miet- <strong>und</strong> Immobilienpreise<br />

führte. Die Bürger zahlen also mit ihren Steuermitteln für die Erhöhung ihrer Mieten.<br />

In diesem Sinne lässt sich sogar davon sprechen, dass die Gentrifizierung ganzer Städte<br />

zu einer bewussten Strategie <strong>der</strong> Politik avanciert ist.<br />

Unter den Bedingungen verallgemeinerter instrumenteller Vernunft (Horkheimer 1991) ist<br />

die häufig in kritischer Absicht betriebene Gentrifizierungsforschung so auch zu einer Bausteinkiste<br />

für politische Gentrifizierungsstrategien geworden. Denn die Analyse von Ursachen<br />

<strong>und</strong> Dynamiken von Gentrifizierungsprozessen wird zum Mittel einer bewusst implementierten<br />

Gentrifizierungspolitik, auch wenn diese unter weniger negativ konnotierten<br />

Schlagworten als dem <strong>der</strong> Gentrifizierung verkauft wird, etwa als „<strong>Urbane</strong> Renaissance“,<br />

„Regeneration <strong>der</strong> Innenstädte“, „Erhöhung <strong>der</strong> sozialen Durchmischung von Quartieren“<br />

o<strong>der</strong> Abriss des „Wohnraumüberhangs“.<br />

Der durchschlagende Erfolg des Stadtsoziologen Richard Florida mit seinen Thesen zur<br />

„creative class“ als Trägerin urbaner <strong>ökonomische</strong>r Revitalisierung (Florida 2003) ist sicherlich<br />

im Zusammenhang <strong>der</strong>artiger unternehmerischer Stadtpolitiken zu sehen, denen<br />

die Zurichtung von Innenstadtquartieren für die Arbeits- <strong>und</strong> Konsumbedürfnisse <strong>der</strong> gehobenen,<br />

konsumfähigen „kreativen Klasse“ zum Mittel gegen den Nie<strong>der</strong>gang <strong>der</strong> Innenstädte<br />

wird. Was dabei ausgeblendet wird ist, dass diese Politiken auf den Austausch <strong>der</strong><br />

armen Bevölkerung bestimmter städtischer Quartiere gegen eine ökonomisch erfolgreichere<br />

Bevölkerung zielen, ohne Lösungen für die soziale <strong>und</strong> <strong>ökonomische</strong> Misere <strong>der</strong> Armen<br />

anzubieten. Und selbst Florida musste erkennen, dass seine Lösungsstrategie für die städtische<br />

Misere durch starke Gentrifizierungsprozesse gefährdet ist, da diese zum Teil selbst<br />

zur Verdrängung <strong>der</strong> kreativen Klasse <strong>und</strong> zur Zerstörung sozialer urbaner Diversität führen<br />

<strong>und</strong> damit die Existenzbedingungen <strong>der</strong> „kreativen Klasse“ untergraben:<br />

„[T]he current ro<strong>und</strong> of urban revitalization is giving rise to serious tensions between established<br />

neighborhood residents and newer, more affluent people moving in. In an increasing number of<br />

cities, the scales have tipped from revitalization to rampant gentrification and displacement.<br />

Some of these places have become unaffordable for any but the most affluent […] gentrification<br />

in major urban centers continues to threaten the diversity and creativity that have driven these ci­<br />

ser, ein häufig bevorzugter Standort, seien hier etwa <strong>der</strong> ehemalige Bremer Holz- <strong>und</strong> Getreidehafen sowie<br />

das Gelände <strong>der</strong> in den 1980er Jahren in Insolvenz gegangenen Werft AG-Weser, das Gebiet um den<br />

Rummelsburger See in Berlin o<strong>der</strong> <strong>der</strong> ehemalige Hafen von Edinburgh genannt. Aus <strong>der</strong> Gentrifizierungsliteratur<br />

bekannt sind etwa die Londoner Docklands o<strong>der</strong> <strong>der</strong> neue Hafen Baltimores.<br />

12


ties' innovation and growth in the first place.“ (Florida 2003, 289f)<br />

Es scheint, als ob eine Art sich selbst verstärken<strong>der</strong> Kreislauf entstanden ist, in dem konkrete<br />

Gentrifizierungsprozesse, ihre wissenschaftliche Analyse <strong>und</strong> massenmediale Verarbeitung<br />

sowie die Suche städtischer Politiker nach Mitteln zur <strong>ökonomische</strong>n <strong>und</strong> sozialen<br />

Revitalisierung ihrer Städte zu immer bewussteren <strong>und</strong> ausgefeilteren Politiken <strong>der</strong> Gentrifizierung<br />

führen. Ein neues Paradigma städtischer Entwicklung <strong>und</strong> Politik, dass sich an erfolgreich<br />

gentrifizierten Stadtquartieren orientiert, ist entstanden. Wyly <strong>und</strong> Hammel argumentieren<br />

in diesem Sinne:<br />

„[T]he most durable result of gentrification may be its effect on new priorities in the formulation<br />

of urban policy. Inner city land use decisions come to rely on consi<strong>der</strong>ations of middle-class market<br />

demand; gentrification <strong>und</strong>erwrites new configurations of highest and best use, reallocation of<br />

neighborhood public services, and realignments of police practices and public space regulation.<br />

The inherited landscapes and potential expansion of gentrification are now critical consi<strong>der</strong>ations<br />

in many domains of urban policy. […] the interests and priorities of gentrifiers are a fo<strong>und</strong>ational<br />

element of the post-industrial city as growth machine.“ (Wyly / Hammel 2005, 36).<br />

Lees <strong>und</strong> Davidson gehen sogar so weit, davon zu sprechen, dass ein globaler Diskurs <strong>der</strong><br />

Gentrifizierung entstanden sei, <strong>der</strong> einen spätfordistischen Diskurs des Stadtverfalls<br />

abgelöst hätte:<br />

„[A] gentrification „blue-print“ is beeing mass-produced, mass-marketed, and mass-consumed<br />

aro<strong>und</strong> the world. As the urban-rural dichotomy has broken down […] as a significant part of the<br />

world has become increasingly urbanized and desirous of an urban lifestyle, the result seems to<br />

be that even some Third World cities and First World suburban and rural areas are experiencing<br />

gentrification.“ (Davidson / Lees 2005, 1167, zitiert nach Lees et al 2008, XVIII)<br />

Wenn Lees / Davidson hier von einer „Gentrifizierungs-Blaupause“ schreiben, die massenproduziert,<br />

massenvermarktet <strong>und</strong> massenkonsumiert werde, dann sprechen sie damit<br />

an, dass Gentrifizierungsprozesse zu einem wichtigen „Leitmotiv“ (Holm 2010, 18) städtischer<br />

Entwicklungsstrategien geworden sind. Entsprechend verw<strong>und</strong>ert es nicht, dass auch<br />

in <strong>der</strong> Gentrifizierungsforschung die Untersuchung städtischer Governance, also städtischer<br />

Politik mit einem weiteren Politikbegriff als ihn die deutsche Sprache hergibt, eine<br />

zentrale Stellung eingenommen hat (z.B.: Wyly / Hammel 2000 o<strong>der</strong> Vojnovic 2003). Dies<br />

geht nicht vorrangig auf eine epistemiologische Wende in <strong>der</strong> Forschung zurück, wie sie<br />

Schamp etwa für die Wirtschaftsgeografie einfor<strong>der</strong>t, wenn er die „Neubelebung eines an<br />

Institutionen orientierten Ansatzes“ bespricht (Schamp 2003, 145; auch Oßenbrücke 2003).<br />

Diese Wende geht vielmehr auf einen Wandel des Gegenstandes selbst zurück, nämlich die<br />

gewachsene Bedeutung <strong>der</strong> städtischen Politik für das empirische Gentrifizierungsgeschehen.<br />

Es lässt sich festhalten, dass die gewachsene Quantität von Gentrifizierungsprozessen wie<br />

ihre verän<strong>der</strong>te Qualität zu einem Teil daraus resultieren, das Gentrifizierungsstrategien ein<br />

wichtiges Instrument <strong>der</strong> Stadtpolitik geworden sind. Was Heeg über neue stadtpolitische<br />

Strategien des „property-led development“ (PLD) berichtet, lässt sich daher auch auf Gentrifizierung<br />

anwenden:<br />

„Eine zentrale Bedingung bei <strong>der</strong> Anwendung von Strategien des property-led development ist<br />

<strong>der</strong> Einbezug <strong>der</strong> Immobilienwirtschaft in die Stadtpolitik. Es sind neue Koordinationsformen<br />

zwischen Immobilienakteuren <strong>und</strong> Stadtplanung notwendig […]. Tatsächlich bedeutet dies eine<br />

Beteiligung <strong>der</strong> privaten Akteure an <strong>der</strong> Planung: ihre Interessen werden häufig in die Planung<br />

eingeschrieben. Die Untersuchung von property-led development […] ermöglicht damit eine<br />

Qualifizierung von „urban governance“.“ (Heeg 2008, 15).<br />

Die neue Qualität <strong>der</strong> „urban governance“ scheint dahin zu tendieren, dass sie immer<br />

identischer wird mit den Interessen relevanter Immobilienkonzerne. PLD ist dabei nur eine<br />

Form <strong>der</strong> Institutionalisierung <strong>der</strong> Orientierung <strong>der</strong> städtischen Politik an den Interessen<br />

13


<strong>der</strong> Immobilienwirtschaft unter vielen. Es ist nicht verw<strong>und</strong>erlich, dass diese Einebnung eines<br />

Gegensatzes zwischen städtischer Politik <strong>und</strong> immobilienwirtschaftlichen Interessen<br />

eine quantitative Zunahme von Gentrifizierungsprozessen zum Resultat hat.<br />

2.2 VON DER „MARGINAL ODDITY“ ZUM „CENTRAL GOAL OF URBAN POLICY“<br />

Bereits 1979 hielt Eugen Wirth in seiner „Theoretischen Geographie“ fest, dass die Geografie<br />

es sowohl in <strong>der</strong> Physischen Geografie wie in <strong>der</strong> Humangeografie zumeist mit Gegenständen<br />

zu tun hat, denen ihre zeitliche Dimension wesentlich ist (Wirth 1979, 86ff). Es<br />

ist daher auch nicht verw<strong>und</strong>erlich, dass Wirth auf Hegel zu sprechen kommt (Wirth 1979,<br />

29f), als dem Theoretiker eines Begriffs vom Begriff, <strong>der</strong> dem Werden <strong>und</strong> dem historischen<br />

Wandel eines Gegenstandes, gegebenenfalls auch seiner inneren Wi<strong>der</strong>sprüchlichkeit,<br />

mit seiner dialektischen Logik Rechnung zu tragen suchte (Hegel 1988). Die Geografie<br />

sollte von Hegel lernen, dass sie es zumeist mit Gegenständen zu tun hat, für <strong>der</strong>en adäquates<br />

Begreifen es notwendig ist, die Geschichte ihres Werdens in <strong>der</strong> Zeit nachzuvollziehen<br />

<strong>und</strong> als Moment ihres Begriffs festzuhalten.<br />

Um es nicht im kategorialen System <strong>der</strong> Philosophie, son<strong>der</strong>n in <strong>der</strong> Sprache <strong>der</strong> <strong>der</strong> Geografie<br />

auszudrücken, soll zur Gentrifizierung zurückgekehrt werden. Der Gegenstand Gentrifizierung<br />

ist ein sich zeitlich wandeln<strong>der</strong>, <strong>und</strong> zwar auf zwei distinkten Ebenen. Zunächst<br />

ist Gentrifizierung als Prozess selbst keine mit sich selbst identische Entität. Es geht darum,<br />

mit dem Begriff <strong>der</strong> Gentrifizierung einen spezifischen sozialräumlichen Wandel eines<br />

Stadtquartiers in <strong>der</strong> Zeit zu begreifen. Das materielle Substrat des Begriffes <strong>der</strong> Gentrifizierung,<br />

die von Menschenhand gebaute urbane Umwelt <strong>und</strong> ihre Nutzung durch spezifische<br />

gesellschaftliche Gruppen, die wie<strong>der</strong>um distinkte Sozialräume schaffen, verwandelt<br />

sich in einer beson<strong>der</strong>en Art <strong>und</strong> Weise: die relativ arme Bevölkerung eines Stadtquartiers<br />

mit ihren spezifischen Nutzungsarten des Raums, die sich auch in einer spezifischen baulichen<br />

Struktur materialisieren, wird durch eine relativ reichere soziale Gruppe verdrängt<br />

<strong>und</strong> das Stadtquartier wird entsprechend <strong>der</strong> Nutzungsarten <strong>der</strong> neuen Bevölkerung sozialräumlich<br />

<strong>und</strong> baulich umgestaltet. Diesen beson<strong>der</strong>en zeitlichen, sozialräumlichen <strong>und</strong><br />

baulichen Wandel drückt <strong>der</strong> Begriff <strong>der</strong> Gentrifizierung aus <strong>und</strong> das stellt auch das Allgemeine<br />

dar, das den Begriff <strong>der</strong> Gentrifizierung legitimiert. Der Begriff Gentrifizierung erfasst<br />

also eine bestimmte Qualität des sozialräumlichen Wandels von Stadtquartieren in <strong>der</strong><br />

Zeit.<br />

Aber <strong>der</strong> Prozess <strong>der</strong> Gentrifizierung unterliegt noch auf einer zweiten Ebene einem zeitlichen<br />

Wandel, er verän<strong>der</strong>t sich selbst qualitativ. Smith bringt dies in folgen<strong>der</strong> Passage<br />

zum Ausdruck:<br />

„Wheras, for Glass, 1960s gentrification was a marginal oddity in the Islington housing market –<br />

a quaint sport of the hipper professional classes unafraid to rub shoul<strong>der</strong>s with the unwashed<br />

masses – by the end of the twentieth century it had become a central goal of British urban policy.<br />

Whereas the key actors in Glass's story were assumed to be middle- and upper-middle-class immigrants<br />

to a neighborhood, the agents of urban regeneration thirty-five years later are governmental,<br />

corporate, or corporate-governmental partnerships. A seemingly serendipitous, unplanned<br />

process that popped up in the postwar housing market is now, at one extreme, ambitiously and<br />

scrupulously planned. That which was utterly haphazard is increasingly systematized. In scale<br />

and diversity, the process of gentrification has evolved rapidly, to the point where the narrowly<br />

residential rehabilitation projects that were so paradigmatic of the process in the 1960s and 1970s<br />

now seem quaint, not just in the urban landscape but in the urban-theory literature. Most importantly,<br />

perhaps, a highly local reality, first identified in a few major advanced capitalist cities such<br />

as London, New York, Paris, and Sidney, is now virtually global. Its evolution has been both, vertical<br />

and lateral.“ (Smith 2002, 92).<br />

Smith zeigt hier, dass sich <strong>der</strong> Prozess <strong>der</strong> Gentrifizierung selbst in <strong>der</strong> Zeit qualitativ<br />

verwandelt hat, <strong>und</strong> zwar innerhalb eines Zeitfensters von r<strong>und</strong> 30 Jahren. Was sind die<br />

14


Dimensionen dieser Verwandlung?<br />

1.) Gentrifizierungsprozesse waren in den 1960er Jahren eine Ausnahme in <strong>der</strong> Stadtentwicklung<br />

<strong>und</strong> auf wenige Stadtquartiere, vornehmlich in einer Hand voll Weltstädten, beschränkt.<br />

Heute aber sind Gentrifizierungsprozesse zu einem Phänomen geworden, das<br />

sich weltweit beobachten lässt <strong>und</strong> sich in <strong>der</strong> globalen Städtehierarchie von den urbanen<br />

Zentren des Weltmarktes in Richtung <strong>der</strong> nie<strong>der</strong>en Ränge <strong>und</strong> <strong>der</strong> Peripherie ausbreitet.<br />

Gentrifizierungsprozesse sind damit zu einem tendenziell globalem Phänomen geworden.<br />

2.) Die die Gentrifizierungsprozesse antreibenden Akteure haben sich verän<strong>der</strong>t. Waren es<br />

in den 1960er Jahren noch die klassischen Mittelschichtspioniere <strong>und</strong> -Gentrifizierer,<br />

häufig mit einem linken o<strong>der</strong> alternativen Millieu-Hintergr<strong>und</strong>, die <strong>der</strong> Monotonie des suburbanen<br />

Raumes entkommen wollten <strong>und</strong> in die sozial <strong>und</strong> baulich zunächst weniger normierten<br />

<strong>und</strong> homogenisierten Innenstädte zogen, so sind es heute staatliche <strong>und</strong> privatkapitalistische<br />

Akteure, die die Gentrifizierungsprozesse antreiben.<br />

3.) Von einem zufälligen Prozess auf kleinräumigen <strong>Immobilienmärkte</strong>n sind Gentrifizierungsprozesse<br />

heute zu einem zunehmend geplanten, bewusst initiiertem <strong>und</strong> sogar zum<br />

Leitbild nationaler Stadtentwicklung erhobenem Prozess geworden.<br />

4.) Das materielle Substrat von Gentrifizierungsprozessen hat sich gewandelt. Unter dem<br />

Begriff <strong>der</strong> Gentrifizierung werden gegenwärtig Phänomene untersucht <strong>und</strong> diskutiert, die<br />

mit jenen Gentrifizierungsprozessen, die in den 1960er <strong>und</strong> 1970er Jahren als paradigmatisch<br />

für Gentrifizierung galten, kaum mehr etwas gemein zu haben scheinen.<br />

Diesen spezifischen Wandel von Gentrifizierungsprozessen muss eine Theorie <strong>der</strong><br />

Gentrifizierung zu begreifen versuchen<br />

2.3 SOZIALWOHNUNGEN ZU „LUXUSAPPARTEMENTS“!?<br />

Der von Smith behauptete qualitative Wandel von Gentrifizierungsprozessen lässt sich an<br />

einem Beispiel verdeutlichen. Am 30.10.2009 konnte man bei Spiegel-Online unter dem<br />

Titel „Teuerster Immobilien-Deal in den USA droht zu platzen“ über folgendes Phänomen<br />

lesen (Spiegel-Online 2009, 2010, The New York Times 2006, 2010a, 2010b):<br />

2006 hatte ein Konsortium aus <strong>der</strong> Immobilienfirma Tishman Speyer <strong>und</strong> dem Vermögensverwalter<br />

Blackrock im größten Immobiliengeschäft <strong>der</strong> Geschichte <strong>der</strong> USA die<br />

Stuyvesant Town <strong>und</strong> das Peter Cooper Village in Manhattan / New York (siehe Abb. 1)<br />

für eine Summe von 5,4 Milliarden US-$ von dem Versicherer MetLife gekauft. Die Stuyvesant<br />

Town <strong>und</strong> das Peter Cooper Village sind Stadtquartiere Manhattans, die während<br />

des 2. Weltkriegs im Zuge des sozialen Wohnungsbaus errichtet wurden. Beide Viertel liege<br />

sehr zentral, grob zwischen East Village im Süden <strong>und</strong> dem Flatiron District im Norden<br />

<strong>und</strong> zu größeren Teilen am East River. Das Peter Cooper Village gruppiert sich im Süden<br />

um die Williamsburg Bridge <strong>und</strong> erstreckt sich dann nach Norden entlang des East River,<br />

während die Stuyvesant Town am East River ungefähr zwischen <strong>der</strong> 14ten <strong>und</strong> <strong>der</strong> 20ten<br />

Straße liegt <strong>und</strong> sich nach Westen in den Stadtkörper hinein ausdehnt. Beide Komplexe zusammen<br />

umfassen 110 Gebäude mit ca 11.220 Apartments <strong>und</strong> r<strong>und</strong> 25.000 Mietern <strong>und</strong><br />

sind auf Satellitenaufnahmen gut zu erkennen, da in ihnen die Blockrandbebauung aufgehoben<br />

<strong>und</strong> durch einzeln, aber relativ dicht stehende, meist 15-stöckige Wohnblöcke ersetzt<br />

ist. Wahrscheinlich wurden diese Blöcke in den 1940er Jahren bereits auf Altindustrie- <strong>und</strong><br />

Hafenflächen errichtet. Seit ihrer Eröffnung 1947 sollen sie einen „[...] comfortable harbor<br />

for the city’s middle class [...]“ (The New York Times 2010) dargestellt haben. Große Teile<br />

<strong>der</strong> Wohnungen sind mietpreisgeb<strong>und</strong>en <strong>und</strong> werden für nur r<strong>und</strong> die Hälfte bis zwei Drittel<br />

ihres Marktwertes vermietet. Sie stellen damit einen für die Mittelschicht noch bezahlbaren<br />

Wohnraum in bester Lage in Manhattan dar.<br />

15


Abb. 1: Die Stuyvesant Town in Manhattan / New York, Objekt von Gentrifizierungsstrategien. Aber<br />

lassen sich diese Blöcke des sozialen Wohnungsbaus <strong>der</strong> 1940er Jahre wirklich in „Luxusapartments“ für<br />

die gehobene Mittel- <strong>und</strong> die Oberschicht umwandeln? Quelle: Spiegel-Online 2009.<br />

Die beiden Komplexe liegen im Einzugsbereich des Tompkins Square, <strong>der</strong> in <strong>der</strong> Gentrifizierungsforschung<br />

ob <strong>der</strong> dort tobenden Kämpfe um die Vertreibung mehrerer H<strong>und</strong>ert Obdachloser<br />

im Zuge <strong>der</strong> Entstehung <strong>der</strong> Zero-Toleranz-Polizeistrategien in <strong>der</strong> ersten Hälfte<br />

<strong>der</strong> 1990er Jahre, traurige Berühmtheit erlangt hat. Diese Auseinan<strong>der</strong>setzungen <strong>und</strong> die<br />

folgende Gentrifizierung des umliegenden Quartiers waren es, die Smith zu seinem Begriff<br />

<strong>der</strong> „revanchist city“ als damals neuestem Stadium <strong>der</strong> Gentrifizierung anregten (Smith<br />

1996, vor allem S. 210-232). Es ist vorstellbar, dass die damalige Vertreibung Obdachloser<br />

<strong>und</strong> <strong>der</strong> Gentrifizierung des Quartiers um den Tompkins Square dazu beigetragen haben,<br />

diese Blöcke des sozialen Wohnungsbaus für gehobene soziale Schichten attraktiv zu machen<br />

<strong>und</strong> aufzuwerten. Zudem müssen beide Komplexe bereits eine Gentrifizierungswelle<br />

erlebt haben, da sie ehemals als Quartiere <strong>der</strong> Arbeiterklasse galten, während sie heute als<br />

Mittelschichtsquartiere bezeichnet werden. Eventuell stand diese erste Gentrifizierungswelle<br />

im Zusammenhang mit den Ereignissen um den Tompkins Square, sie könnte aber<br />

auch bereits früher stattgef<strong>und</strong>en haben.<br />

Tishman Speyer <strong>und</strong> Blackrock kauften beide Komplexe zwar für 5,4 Milliarden US-$,<br />

stellten dabei aber nur 112 Millionen US-$ Eigenkapital bereit <strong>und</strong> finanzierten den Rest<br />

über Kredite <strong>und</strong> Hypotheken. Schon zum Zeitpunkt des Kaufs deckten die Mieteinnahmen<br />

aus den 11.200 Apartments nur 58% <strong>der</strong> Schuld- <strong>und</strong> Zinszahlungen. Das Konzept von<br />

Tishman Speyer <strong>und</strong> Blackrock sah daher vor, die Mietpreisbindung <strong>der</strong> Wohnungen in den<br />

Komplexen zu unterlaufen <strong>und</strong> die Wohnungen zu den gängigen Marktpreisen zu vermieten.<br />

Ihre Annahme war, dass sie die Mieteinnahmen bis 2011 verdreifachen könnten. Das<br />

Geschäftsmodell von Tishman Speyer <strong>und</strong> Blackrock bestand also darin, die zwei Komplexe<br />

des sozialen Wohnungsbaus zu gentrifizieren <strong>und</strong> ihre Mittelschichtsbewohner durch<br />

eine zahlungsfähigere Klientel zu ersetzen, sowie die gesetzliche Mietpreisbindung zu um­<br />

16


gehen.<br />

Dieser Akkumulationsstrategie haben sich aber relevante Teile <strong>der</strong> Bewohnerschaft erfolgreich<br />

wi<strong>der</strong>setzt. Vor allem die Strategie, die Mietpreisbindung aufzuheben <strong>und</strong> die<br />

Mieten zu verdreifachen, ging nicht auf, als ein New Yorker Gericht den Bewohnern im<br />

Spätsommer 2009 Recht gab <strong>und</strong> die Mietpreisbindung <strong>der</strong> Wohnungen bestätigte <strong>und</strong> sogar<br />

bereits vollzogene Mieterhöhungen für illegal erklärte. Zudem setzte in den USA 2007<br />

die Immobilienkrise ein <strong>und</strong> führte zum Teil schon damals zu sinkenden Immobilienpreisen,<br />

reduzierte aber vor allem den Anstieg <strong>der</strong> Immobilienpreise erheblich.<br />

Es war Tishman Speyer <strong>und</strong> Blackrock aus beiden Gründen nicht möglich, die Mieteinnahmen<br />

im gewünschten Ausmaß zu erhöhen. Bis Januar 2010 häuften sie mit ihrem Immobiliendeal<br />

daher Verluste von r<strong>und</strong> 890 Millionen US-$ an, kamen in Verzug mit ihren<br />

Schuld- <strong>und</strong> Zinszahlung <strong>und</strong> scheiterten gleichzeitig mit <strong>der</strong> Umschuldung ihrer Kredite<br />

<strong>und</strong> Hypotheken. Pinkant ist zudem, dass mehrere Pensionsfonds als Kreditgeber für Tishman<br />

Speyer <strong>und</strong> Blackrock fungiert haben. So musste bspw. <strong>der</strong> Pensionsfond <strong>der</strong> Lehrer<br />

Kaliforniens bereits mehr als 100 Millionen US-$ auf seine Beteiligung an diesem Geschäft<br />

abschreiben – die nun natürlich für die Auszahlung von Pensionen fehlen.<br />

Seit Mitte August 2010 sieht es nun so aus, dass <strong>der</strong> Milliardär <strong>und</strong> Hedge Fonds Manager<br />

William A. Ackman (Pershing Square Capital Managment) beide Komplexe für nur ca.<br />

3 Milliarden US-$ übernehmen wird (irgendwer wird also r<strong>und</strong> 2,4 Milliarden US-$ abschreiben<br />

müssen). Sein Geschäftsmodell: die größte Konversion von Mietwohnungen in<br />

Genossenschaftswohnungen, die in New York jemals stattgef<strong>und</strong>en hat. D.h., er möchte die<br />

Mietwohnungen in genossenschaftlich eingeb<strong>und</strong>ene Privatwohnungen umwandeln <strong>und</strong><br />

angeblich vornehmlich an die jetzigen Mieter verkaufen. Der Verkaufserlös <strong>der</strong> einzelnen<br />

Wohnungen soll dabei die Gesamtinvestitionen in die beiden Komplexe übersteigen. Kalkulationen<br />

<strong>der</strong> New York Times (The New York Times 2010b) zeigen aber, dass die Mieter<br />

dann zumeist höhere Abzahlungen auf ihre Wohnungskäufe leisten müssten, als sie <strong>der</strong>zeit<br />

an Miete zahlen – was den Ankauf <strong>der</strong> eigenen Wohnung für durchschnittlich r<strong>und</strong> eine<br />

halbe Millionen US-$ unattraktiv erscheinen lässt. Zudem ist fraglich, ob sich die <strong>der</strong>zeitigen<br />

Bewohner <strong>der</strong> beiden Komplexe zu relevanten Teilen eine <strong>der</strong>artige Investition überhaupt<br />

leisten könnten. Die New York Times kommentiert diese Strategie daher wie folgt:<br />

„The sprawling apartment complex on the East Side of Manhattan could end up being either a<br />

cash cow or a huge headache for Mr. Ackman [...].“ (The New York Times 2010b).<br />

Welche Erkenntnis lässt sich aus diesem Beispiel nun über den qualitativen Wandel von<br />

Gentrifizierungsprozessen gewinnen?<br />

1.) Zunächst ist festzuhalten, dass die Investmentstrategie sowohl von Tishman Speyer /<br />

Blackrock, wie von Herrn Ackman darauf abzielt, die Immobilienpreise zu erhöhen, einmal<br />

in <strong>der</strong> Form einer Erhöhung des Mietzinses, einmal in <strong>der</strong> Form des kleinteiligen Verkaufs<br />

<strong>der</strong> Wohnungen. Beide Strategien haben tendenziell zum Effekt, dass die <strong>der</strong>zeitige Wohnbevölkerung<br />

<strong>der</strong> Stuyvesant Town <strong>und</strong> des Peter Cooper Village, immerhin r<strong>und</strong> 25.000<br />

New Yorker Mittelschichtsangehörige, gegen eine zahlungskräftigere Bevölkerung ausgetauscht<br />

wird, die in <strong>der</strong> Lage ist, die gestiegenen Immobilienpreise zu bezahlen. Die Strategien<br />

<strong>der</strong> Wertschöpfung basieren also in beiden Fällen auf <strong>der</strong> Gentrifizierung <strong>der</strong> Quartiere.<br />

2.) Die erhoffte Erhöhung <strong>der</strong> Wertschöpfung basiert auf <strong>der</strong> Schleifung eines Überbleibsels<br />

fordistischer Regulation, <strong>der</strong> Mietpreisbindung, sei es durch ihr illegales Unterlaufen<br />

o<strong>der</strong> durch Privatisierung.<br />

3.) Es sind vorrangig Akteure aus <strong>der</strong> Finanzindustrie, Hedge Fonds, Vermögensverwalter,<br />

Pensionskassen, Banken, die auf <strong>der</strong> Suche nach Anlagemöglichkeiten des bei ihnen<br />

aufgehäuften Kapitals in den Immobilienmarkt drängen <strong>und</strong> Profitraten erwirtschaften wol­<br />

17


len, die dort bisher nicht erwirtschaftet wurden. Es sind hier, im Vergleich etwa zu Industriekapitalien,<br />

also hochflexible Finanzkapitalien, <strong>der</strong>en Akkumulationsstrategien einen<br />

ganz maßgeblichen Einfluss auf die Stadtentwicklung <strong>und</strong> die Wohnraumversorgung erlangen.<br />

4.) Die Investitionen wurden auf Basis <strong>der</strong> Spekulation auf eine substanzielle Erhöhung<br />

<strong>der</strong> Wertschöpfung in <strong>der</strong> Zukunft getätigt, die bis dato nicht stattgef<strong>und</strong>en hat.<br />

5.) Im Fall Tishman Speyer / Blackrock überstiegen die erwarteten Profitraten <strong>der</strong> Finanzindustrie<br />

die in <strong>der</strong> Realwirtschaft (Wohnungsvermietung) erwirtschafteten Profite, was<br />

zum Zusammenbruch des Geschäfts <strong>und</strong> zu „Abschreibungsbedarf“ in <strong>der</strong> Finanzindustrie<br />

führte.<br />

6.) Das anvisierte Geschäft ging im Kontext <strong>der</strong> US-amerikanischen Immobilienkrise <strong>und</strong><br />

<strong>der</strong> sich daran anschließenden Weltwirtschaftskrise bisher nicht auf.<br />

Sicherlich ist das hier dargestellte Beispiel ein Extrem. Aber etwa die Debatte um Real<br />

Estate Investment Trusts (REITs, zu Deutsch: Immobilien-Aktiongesellschaften mit börsennotierten<br />

Anteilen), <strong>der</strong>en Ziel es ist, in Immobilien geb<strong>und</strong>enes Kapital freizusetzen<br />

<strong>und</strong> flexibles Anlagekapital in den Immobilienmarkt zu locken (Wikipedia 2010) <strong>und</strong> ihre<br />

folgende Einführung im Jahre 2007 in Deutschland (zunächst nur für Gewerbeimmobilien,<br />

ihre Ausweitung auf Wohnimmobilien war 2010 in Deutschland noch umkämpft), verweist<br />

darauf, dass das hier dargestellte Beispiel keine Ausnahme ist. Denn obwohl den REITs im<br />

Zuge <strong>der</strong> Weltwirtschaftskrise in Deutschland bisher kein durchschlagen<strong>der</strong> Erfolg beschieden<br />

war, so sind sie doch ein weiteres Indiz dafür, dass sich die Kapialverwertungsprozesse<br />

auf den <strong>Immobilienmärkte</strong>n zu verän<strong>der</strong>n scheinen, <strong>und</strong> dass in diesem Verän<strong>der</strong>ungsprozess<br />

Finanzkapital eine neue, zunehmend dominante Rolle einnimmt.<br />

Der Eindruck drängt sich auf, dass die jüngste qualitative Verwandlung von Gentrifizierungsprozessen<br />

dahin tendiert, dass große Finanzkapitalien eine immer wichtigere <strong>und</strong> dominantere<br />

Rolle in urbanen <strong>Immobilienmärkte</strong>n erlangen. Die Stadtentwicklung im Allgemeinen<br />

<strong>und</strong> Gentrifizierungsstrategien im Beson<strong>der</strong>en scheinen in stärkerem Ausmaße, als<br />

es jemals zuvor <strong>der</strong> Fall war, von den Akkumulationsstrategien flexibler Finanzkapitalien<br />

bestimmt zu werden. In diesem Sinne lässt sich davon sprechen, dass die Gentrifizierungsforschung<br />

heute in zunehmendem Maße dazu gezwungen ist, Gentrifizierungsprozesse aus<br />

ihrem Zusammenhang mit <strong>der</strong> globalen Kapitalakkumulationsdynamik zu begreifen, da<br />

hier vermutlich die Ursache für die neue Attraktivität von urbanen <strong>Immobilienmärkte</strong>n für<br />

die Finanzindustrie zu suchen ist. Es lässt sich weiter behaupten, dass <strong>der</strong> qualitative <strong>und</strong><br />

quantitative Wandel von Gentrifizierungsprozessen, vereinfachend ausgedrückt, einer Tendenz<br />

folgt die weg vom Mittelschichtsangehörigen, als primären Akteur in Gentrifizierungsprozessen,<br />

führt, hin zu einem Zustand, in dem staatliche <strong>und</strong> großkapitalistische Akteure<br />

zunehmend an Bedeutung gewinnen.<br />

Um den qualitativen Wandel von Gentrifizierung im Zusammenhang zur Dynamik <strong>der</strong><br />

Kapitalakkumulation weiter untersuchen zu können, bedarf es aber eines kategorialen<br />

Gerüsts zur Analyse des Geschehens auf urbanen <strong>Immobilienmärkte</strong>n. Dieses kategoriale<br />

Gerüst soll nun zunächst erarbeitet werden.<br />

3 URBANE IMMOBILIENMÄRKTE IM KAPITALISMUS<br />

Als theoretische Gr<strong>und</strong>lage <strong>der</strong> Analyse <strong>der</strong> <strong>ökonomische</strong>n Vorgänge im Zusammenhang<br />

mit Gentrifizierungsprozessen sollen im Folgenden einige wesentliche Bestimmungen<br />

städtischer Boden- <strong>und</strong> <strong>Immobilienmärkte</strong>n herausgearbeitet werden. Es wird zunächst die<br />

Kategorie <strong>der</strong> Gr<strong>und</strong>rente untersucht, um dann eine ihrer Implikationen, die Transformati­<br />

18


on von Gr<strong>und</strong>eigentum in fiktives Kapital <strong>und</strong> die damit möglich werdende Gr<strong>und</strong>stücksspekulation,<br />

zu analysieren, mit einem zusätzlichen Fokus auf <strong>der</strong> kulturellen o<strong>der</strong> symbolischen<br />

Aufwertung von Stadtquartieren im Zusammenhang mit Gentrifizierungsprozessen.<br />

Danach geht es um die beson<strong>der</strong>e physische <strong>und</strong> die daraus resultierende beson<strong>der</strong>e <strong>ökonomische</strong><br />

Qualität von Immobilien <strong>und</strong> <strong>Immobilienmärkte</strong>n <strong>und</strong> ihre Auswirkungen auf den<br />

Akkumulationsprozess von Kapital, die hier vorrangig unter dem Aspekt <strong>der</strong> Umlaufgeschwindigkeit<br />

des Kapitals untersucht wird. Zudem wird die sich wandelnde Qualität von<br />

<strong>Immobilienmärkte</strong>n im Zuge eines gesamtgesellschaftlichen Bedeutungsgewinns <strong>der</strong> Finanzindustrie<br />

untersucht. Abschließend wird die Zyklizität von Immobilienboom- <strong>und</strong> Immobilienkrise<br />

dargestellt. Soweit es möglich ist, verbleibt dieses Kapitel auf <strong>der</strong> skalaren<br />

Ebene einzelner Städte <strong>und</strong> deutet Verbindungen zur Weltwirtschaft nur an.<br />

3.1 SUBJEKTIVE VS. OBJEKTIVE WERTTHEORIE<br />

Auf den ersten Blick erscheint es verblüffend, dass sich in gängigen deutschen Einführungen<br />

in die Wirtschafts- o<strong>der</strong> Stadtgeografie keine allgemeine Theorie <strong>der</strong> Gr<strong>und</strong>rente findet<br />

(z.B. Schätzl 1998, 2000, 1994, Bathelt / Glückler 2003, Kulke 2004, Hofmeister 1994,<br />

Lichtenberger 1998). So wäre doch anzunehmen, dass es die vornehmliche Aufgabe <strong>der</strong><br />

Geografie als Wissenschaft vom Raum wäre, sich Rechenschaft abzulegen über die Beson<strong>der</strong>heiten<br />

<strong>der</strong> Ware Boden in unterschiedlichen gesellschaftlichen Formationen <strong>und</strong> in kapitalistischen<br />

Gesellschaften im Beson<strong>der</strong>en. Zumindest eine allgemeine Theorie darüber,<br />

wie Boden einen Preis bekommen kann, wäre zu erwarten. Statt dessen übergeht die Geografie<br />

dieses Problem für gewöhnlich <strong>und</strong> beginnt unmittelbar mit Standorttheorien, etwa<br />

v. Thünens landwirtschaftlicher Standorttheorie, Alfred Webers industrieller Standorttheorie<br />

o<strong>der</strong> Alonsos städtischer Standorttheorie, um einige maßgebliche Klassiker zu nennen.<br />

Sie befasst sich also mit <strong>der</strong> <strong>ökonomische</strong>n Steuerung von Landnutzungen, ohne eine vorgeordnete<br />

Theorie <strong>der</strong> Bodenpreisbildung <strong>und</strong> das bedeutet, ohne die <strong>ökonomische</strong> Beson<strong>der</strong>heit<br />

des Bodens in kapitalistischen Gesellschaften zu untersuchen.<br />

Auf den zweiten Blick wird diese Leerstelle <strong>der</strong> hegemonialen theoretischen Strömungen<br />

in <strong>der</strong> Geografie aber logisch ableitbar. Denn diese Strömungen stehen auf <strong>der</strong> Gr<strong>und</strong>lage<br />

<strong>der</strong> subjektiven Werttheorie. Die subjektive Werttheorie löst aber das in <strong>der</strong> klassischen Politischen<br />

Ökonomie bereits existierende <strong>und</strong> durch Adam Smith popularisierte Wertparadoxon<br />

– die Abweichung des Preises einer Ware, bzw. ihres Nutzens von ihrem Wert –<br />

dadurch, dass sie die Preisbildung insgesamt den Resultaten <strong>der</strong> subjektiven Entscheidungen<br />

<strong>der</strong> Wirtschaftssubjekte zuschreibt <strong>und</strong> die Kategorie eines vom Preis eventuell abweichenden<br />

Wertes einer Ware einfach aufgibt. Für sie existiert das Wertparadoxon durch diesen<br />

Kunstgriff daher nicht mehr.<br />

Der Preis aller Waren wird in <strong>der</strong> subjektiven Werttheorie bestimmt durch das Verhältnis<br />

von Angebot <strong>und</strong> Nachfrage (Blum 2004, 142ff). Sind Angebot <strong>und</strong> Nachfrage ausgeglichen,<br />

d.h. trifft eine Menge an Waren auf eine gleich große Menge an zahlungsfähigem Bedürfnis<br />

nach diesen Waren, dann ergibt sich <strong>der</strong> so genannte Gleichgewichtspreis. Bei einem<br />

Angebotsüberhang ergibt sich eine Konkurrenz <strong>der</strong> Verkäufer, die die Machtposition<br />

<strong>der</strong> Käufer stärkt, es wird von einem Käufermarkt gesprochen. Der umgekehrte Fall wird<br />

als Verkäufermarkt bezeichnet. Boden ist innerhalb dieses theoretischen Rahmens zwar einer<br />

von drei distinkten Produktionsfaktoren, Boden 11 , Arbeit <strong>und</strong> Kapital <strong>und</strong> er hat beson<strong>der</strong>e<br />

physische Qualitäten, die für Produktions- <strong>und</strong> Konsumptionsprozess relevant sein<br />

können <strong>und</strong> in <strong>der</strong> Geografie sind Boden, Raum <strong>und</strong> Standort natürlich ganz zentrale Kategorien.<br />

Die Bildung eines Preises für Boden, also seine <strong>ökonomische</strong> Qualität, ist aber innerhalb<br />

<strong>der</strong> subjektiven Werttheorie im Allgemeinen nichts Beson<strong>der</strong>es <strong>und</strong> wird ebenfalls<br />

11 Boden wird teilweise erweitert zu „Umwelt“ im Allgemeinen, z.B. Blum 2004, 88ff.<br />

19


durch Angebot <strong>und</strong> Nachfrage bestimmt.<br />

Nicht so bei <strong>der</strong> objektiven Werttheorie, für <strong>der</strong>en unterschiedliche Strömungen die Wertbildung<br />

bei Boden von zentralem theoretischen Stellenwert ist. So stellt <strong>der</strong> Boden etwa für<br />

eine <strong>der</strong> ersten theoretischen Fraktionen <strong>der</strong> klassischen Politischen Ökonomie, den Physiokratismus<br />

(wichtigster Vertreter Quesnai), sogar die einzige Quelle von Mehrwert dar<br />

(Ökonomisches Lexikon 1970, 355ff). Zwar wurde die erste Form einen Arbeitswerttheorie,<br />

also einer Theorie, die annimmt, dass <strong>der</strong> Wert von Waren durch die für ihre Produktion<br />

verausgabte menschliche Arbeitskraft bestimmt wird, nicht im Rahmen des Physiokratismus,<br />

son<strong>der</strong>n im 17. Jahrh<strong>und</strong>ert etwas früher bereits von William S. Petty, formuliert.<br />

Es war aber <strong>der</strong> Physiokratismus, dem nur landwirtschaftliche Arbeit als mehrwertbildend<br />

galt. Damit ist die Gr<strong>und</strong>rente innerhalb des kategorialen Systems des Physikratismus die<br />

einzige Form <strong>der</strong> Generierung von Mehrwert überhaupt <strong>und</strong> <strong>der</strong> Wert des Bodens von<br />

zentraler Bedeutung.<br />

Ricardo ist <strong>der</strong> eigentliche Begrün<strong>der</strong> einer objektiven Arbeitswerttheorie, die auf industrielle<br />

Gesellschaften anwendbar ist, während dem Physiokratismus anzumerken ist, dass<br />

er, obwohl er bereits eine bürgerliche Strömung darstellt, mit seiner Zentrierung auf die<br />

landwirtschaftliche Arbeit noch deutlich in einem feudalistischen gesellschaftlichen Kontext<br />

steht. Ricardos Arbeitswertlehre wurde von Marx erweitert <strong>und</strong> systematisiert <strong>und</strong> zur<br />

Gr<strong>und</strong>lage seiner Kritik <strong>der</strong> Politischen Ökonomie <strong>und</strong> Analyse <strong>der</strong> kapitalistischen Gesellschaft<br />

gemacht.<br />

Nach Marx 12 bildet die gesellschaftlich im Durchschnitt notwendige Arbeitskraft, die zur<br />

Produktion einer Ware inklusive ihrer Vorprodukte notwendig ist, den Wert dieser Ware<br />

(Marx 1993, zur Einführung: 46-99). Der Wert hat damit eine objektive Substanz: die in einer<br />

Ware aufgestaute tote Arbeitskraft, die zu ihrer Produktion im gesellschaftlichen<br />

Durchschnitt notwendig war.<br />

Die Kategorie des gesellschaftlichen Durchschnitts ist für Marx' Bestimmung aus zwei<br />

Gründen gr<strong>und</strong>legend. Erstens hat eine Ware nicht mehr Wert, wenn ihr Produzent langsamer<br />

o<strong>der</strong> unproduktiver arbeitet, also mehr Arbeitskraft zu ihrer Produktion verausgabt, als<br />

es im gesellschaftlichen Durchschnitt <strong>der</strong> Fall ist. Er schießt zwar höhere Produktionskosten<br />

vor, wird auf dem Markt aber in <strong>der</strong> Regel nur den durchschnittlichen Marktpreis <strong>der</strong><br />

Ware erzielen <strong>und</strong> darum einen unterdurchschnittlichen Profit o<strong>der</strong> sogar Verlust machen.<br />

Zweitens kann ein Produzent aber auch produktiver als <strong>der</strong> Durchschnitt arbeiten. Erzielt<br />

er beim Verkauf seiner Waren den durchschnittlichen Marktpreis, so kann er einen Surplusprofit<br />

einstreichen, <strong>der</strong> aus <strong>der</strong> Differenz zwischen <strong>der</strong> gesellschaftlich im Durchschnitt<br />

notwendig zu verausgabenden Arbeitskraft für die Produktion dieser Ware <strong>und</strong> <strong>der</strong> von ihm<br />

real niedrigeren Verausgabung von Arbeitskraft resultiert. Er produziert also kostengünstiger<br />

als die Konkurrenz, kann auf dem Markt aber den gesellschaftlichen Wert <strong>der</strong> Ware abschöpfen<br />

<strong>und</strong> macht daher einen Zusatzprofit, <strong>der</strong> eine Form des Surplusprofits darstellt.<br />

Aus diesem Verhältnis leitet Marx den rapiden <strong>und</strong> immer wie<strong>der</strong> revolutionären technologischen<br />

Wandel im Kapitalismus ab, da einzelne Kapitalien versuchen, durch die Produk­<br />

12 Karl Marx gilt als einer <strong>der</strong> meistzitierter Theoretiker <strong>der</strong> Welt. Entsprechend wi<strong>der</strong>sprüchlich <strong>und</strong> zum<br />

Teil vollkommen konträr sind auch seine Interpretationen <strong>und</strong> Auslegungen, die zudem auf eine 150-jährige<br />

intensive Rezeptionsgeschichte zurück gehen, die stark von instrumentell-politischen Auseinan<strong>der</strong>setzungen<br />

geprägt war <strong>und</strong> ist. Da hier nicht eine Marx-exegetische Arbeit angestrebt wird, soll nur mittels<br />

einiger Literaturangaben angedeutet werden, aus welcher Richtung die Marxinterpretation des Autoren<br />

kommt. Auch wenn er keinem dieser Werke apologetisch gegenüber steht, waren sie doch Momente<br />

seiner theoretischen Entwicklung: Heinrich 2005, Harvey 1999, Postone 1996, Backhaus 1997, Bensch /<br />

Kuhne (Hg.) 1998, Reichelt 2001. Alle Autoren ließen sich im weitesten Sinn unter dem Begriff <strong>der</strong> Wertkritik<br />

subsumieren, also einer Kapitalismuskritik, die den Ursprung <strong>der</strong> Wi<strong>der</strong>sprüche des Kapitalismus<br />

bereits im Arbeitsprozess verortet, nicht erst in <strong>der</strong> Distribution des gesellschaftlichen Reichtums, <strong>und</strong><br />

versucht die theoretischen Fehler des klassischen Arbeiterbewegungsmarxismus nicht nur osteuropäischer<br />

Provenienz zu kritisieren, um so zu einer Erneuerung <strong>der</strong> kritischen Gesellschaftstheorie beizutragen.<br />

20


tivitätssteigerung <strong>der</strong> von ihnen kommandierten Arbeit technologische o<strong>der</strong> aus <strong>der</strong> Effizienzsteigerung<br />

<strong>der</strong> Arbeitsorganisation resultierende Surplusprofite zu akkumulieren. Die<br />

Konkurrenz muss ihnen bei diesen Produktivitätsfortschritten mindestens folgen, will sie<br />

nicht untergehen (Harvey 1999, 98ff).<br />

Gleichzeitig ergibt sich daraus aber auch das Problem des tendenziellen Falls <strong>der</strong> Profitrate<br />

(Marx 1970, 221-277). Das Gesetz vom tendenziellen Fall <strong>der</strong> Profitrate besagt, dass mit<br />

dem Konkurrenzkampf um technologischen Surplusprofite die organische Zusammensetzung<br />

des Kapitals anwächst, d.h. es muss mehr konstantes Kapital, vorrangig Maschinerie,<br />

im Verhältnis zum variablen Kapital, den Arbeitskräften, angewandt werden, um auf dem<br />

Produktivitätsniveau <strong>der</strong> Gesellschaft konkurrenzfähig produzieren zu können. Da aber nur<br />

Arbeitskraft mehrwertbildend ist, beschneidet die wachsende organische Zusammensetzung<br />

des Kapitals jenen Kapitalanteil, <strong>der</strong> einen Mehrwert produzieren kann, im Verhältnis<br />

zu jenem Kapitalanteil, <strong>der</strong> seinen Wert nur an die Endprodukte weiter gibt, aber selbst keinen<br />

Mehrwert schafft. Es muss also immer mehr <strong>und</strong> teurere Maschinerie im Verhältnis zur<br />

ausbeutbaren Ware Arbeitskraft angewandt werden, was tendenziell die Kapitalprofitablität<br />

reduziert <strong>und</strong> zu einem Fall <strong>der</strong> Profitraten führt, dem durch unterschiedliche Strategien<br />

begegnet werden muss.<br />

Aber zurück zum Wertparadoxon. Dieses versucht Marx durch eine Unterscheidung von<br />

Wert <strong>und</strong> Preis von Waren zu lösen. Während Wert die in kapitalistischen Gesellschaften<br />

den Dingen aus einem sozialen Verhältnis heraus zukommende Substanz, das kapitalistisch-gesellschaftliche<br />

Wesen <strong>der</strong> Waren ist, ist <strong>der</strong> Preis seine auf dem Markt sich offenbarende<br />

Erscheinungsform, <strong>der</strong> sinnlich-konkrete Ausdruck dieser Substanz. Wert ist vom logischen<br />

Status her also eine Kategorie, um die hinter den konkreten, sinnlichen Erscheinungen<br />

liegenden gesellschaftlichen Verhältnisse <strong>und</strong> Prozesse zu begreifen, während <strong>der</strong><br />

Preis die sinnlich erfahrbare Erscheinungsform des Wertes ist, etwa im Preisschild im<br />

Supermarkt.<br />

Zum Verhältnis von Wert <strong>und</strong> Preis sagt Marx, dass <strong>der</strong> Preis vom Wert zwar zeitweise<br />

abweichen könne, aber um ihn oszilliere, da die Konkurrenz auf den Warenmärkten es auf<br />

Dauer nicht erlaube, dass Waren völlig unabhängig von ihrem Wert eingepreist werden<br />

(eine Ausnahme von dieser Regel wären allerdings Monopole). Wert <strong>und</strong> Preis werden<br />

also, vermittelt über die Konkurrenz auf dem Markt, einmal unmittelbar als Preisvergleich,<br />

einmal vermittelt über die durchschnittlich gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit zur Produktion<br />

einer Ware, gesellschaftlich vermittelt <strong>und</strong> bestimmt. Sie resultieren damit nicht<br />

wie in <strong>der</strong> subjektiven Werttheorie aus den subjektiven Wertschätzungen <strong>der</strong> Käufer o<strong>der</strong><br />

aus dem in Geld ausgedrückten Nutzen für diese. Vielmehr ist die in <strong>der</strong> Produktion <strong>der</strong><br />

Waren verausgabte menschliche Arbeitskraft im Verhältnis zur Durchschnittsproduktivität<br />

<strong>der</strong> Arbeit ein objektives Maß für ihren Wert, das sek<strong>und</strong>är auch ihren Preis bestimmt.<br />

Dieser Wert <strong>der</strong> Waren lässt sich aber immer erst im zeitlichen Nachhinein des Produktionsprozesses<br />

auf dem Markt ermitteln, durch seine Realisierung, wie es bei Marx heißt,<br />

also durch den erfolgreichen Verkauf. Kann die Ware nicht verkauft werden, wird ihr Wert<br />

nicht realisiert <strong>und</strong> sie ist wertlos, <strong>der</strong> für den Produktionsprozess vorgeschossene Wert ist<br />

verloren. Der Wert ist damit eine nur dem Kapitalismus eigene gesellschaftliche Eigenschaft<br />

von Dingen o<strong>der</strong> Gebrauchswerten, keine Natureigenschaft. Die auf dem Utilitarismus<br />

aufbauende subjektive Werttheorie hingegen unterscheidet nicht zwischen Gebrauchswert<br />

<strong>und</strong> Tauschwert, bzw. Wert <strong>und</strong> vermischt daher beides.<br />

3.2 EINE ALLGEMEINE THEORIE DER GRUNDRENTE<br />

Wenn <strong>der</strong> Wert einer Ware durch die zu ihrer Produktion verausgabte menschliche Arbeitskraft<br />

bestimmt wird, dann dürften Dinge, die nicht von Menschenhand produziert<br />

worden sind, keinen Wert haben. Ersteres ist beim Boden in seiner elementaren Form <strong>der</strong><br />

21


Fall: er ist zwar eine enorm wichtige natürliche Voraussetzung aller menschlichen Lebensaktivität<br />

– Marx z.B. stellt fest, dass er als Element <strong>der</strong> Produktion (z.B. Bauwirtschaft), als<br />

Produktionsmittel (z.B. Landwirtschaft), als Voraussetzung <strong>der</strong> Produktion (z.B. verarbeitende<br />

Industrie, tertiärer Sektor) sowie als Reservoir für Gebrauchswerte, sprich natürliche<br />

Ressourcen (Primärindustrie), fungieren kann (Harvey 1989, 91) –, aber er ist in seiner natürlichen<br />

Form kein Produkt menschlicher Arbeit. Dennoch wird für Boden in kapitalistischen<br />

Gesellschaften in <strong>der</strong> Regel ein Preis bezahlt. Harvey formuliert daher:<br />

„The central theoretical difficulty is to explain a payment made to the owners of land (as opposed<br />

to improvements embedded by human labor on the land) on the basis of a theory of value in<br />

which human labor is key. How can raw land, not itself a product of human labor, have a price<br />

(the appearance if not the reality of value)?“ (Harvey 1989, 90).<br />

Die Gr<strong>und</strong>rente, <strong>der</strong> allgemeine Begriff für diese merkwürdige Zahlung an Gr<strong>und</strong>eigentümer,<br />

die Harvey hier anspricht, wird innerhalb des kategorialen Systems <strong>der</strong> Arbeitswertlehre<br />

als arbeitsloses <strong>und</strong> von <strong>der</strong> Möglichkeit her parasitäres Einkommen durchschaubar.<br />

Denn während <strong>der</strong> Austausch von Waren in <strong>der</strong> Regel ein Äquivalententausch 13 ist, Arbeitskraft<br />

wird verausgabt <strong>und</strong> erhält dafür ihren Wert in Form von Lohn, <strong>der</strong> dann in eine Mannigfaltigkeit<br />

von quantitativ gleichwertigen Waren getauscht werden kann, ist dies bei <strong>der</strong><br />

Rente nicht <strong>der</strong> Fall. Hier wird vom Bodeneigentümer keine Arbeitskraft verausgabt <strong>und</strong><br />

kein Wert produziert, son<strong>der</strong>n er erzielt mit <strong>der</strong> Gr<strong>und</strong>rente ein Einkommen, ohne dafür<br />

eine gleichwertige Leistung zu erbringen. Mit Marx begreift Harvey die Gr<strong>und</strong>rente daher<br />

als Tribut an die gesellschaftliche Institution des Privateigentums, o<strong>der</strong>, in Worten Krätkes:<br />

„Die [städtische] Gr<strong>und</strong>rente stellt eine Transferzahlung an Gr<strong>und</strong>besitzer dar. Dieser Transfer<br />

kann aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong> gesellschaftlichen Monopolisierung <strong>der</strong> Verfügung über Gr<strong>und</strong> <strong>und</strong> Boden, die<br />

<strong>der</strong> Basis-Institution des Privateigentums eigen ist, realisiert werden. So kann die Gr<strong>und</strong>rente<br />

auch als ein „Tribut“ an die gesellschaftliche Institution des privaten Gr<strong>und</strong>eigentums charakterisiert<br />

werden.“ (Krätke 1995, 212).<br />

Gr<strong>und</strong>rente, <strong>und</strong> zwar sowohl rurale wie urbane Gr<strong>und</strong>rente, sind innerhalb <strong>der</strong> Arbeitswerttheorie<br />

also Son<strong>der</strong>fälle ungleichen Tausches <strong>und</strong> arbeitslosen Einkommens. Dabei ist<br />

allerdings festzuhalten, dass die Gr<strong>und</strong>rente im Kapitalismus nicht als solche erscheint.<br />

Denn in <strong>der</strong> Miete o<strong>der</strong> im Kauf einer Immobilie fallen <strong>der</strong> Wert <strong>der</strong> auf einem Gr<strong>und</strong>stück<br />

durch menschliche Arbeit hergestellten Verbesserungen, etwa ein Gebäude, <strong>und</strong> die Gr<strong>und</strong>rente<br />

in eins. Wie <strong>der</strong> Wert ist die Gr<strong>und</strong>rente damit eine Kategorie, die die hinter den sinnlichen<br />

Erscheinungen liegenden sozio<strong>ökonomische</strong> Verhältnisse erfasst, ohne selbst einfach<br />

13 Natürlich gibt es auch im Kapitalismus Übervorteilung, Betrug, Abzocke, Wucherpreise <strong>und</strong> an<strong>der</strong>e Formen<br />

des nicht-äquivalenten Tausches. Die Crux von Marx' Kritik <strong>der</strong> Politischen Ökonomie ist es aber<br />

nachzuweisen, dass <strong>der</strong> Ausbeutungsprozess des Proletariats im Kapitalismus nicht über Betrug, son<strong>der</strong>n<br />

vermittels des Äquivalententauschs gleicher Werte funktioniert. Der Wert <strong>der</strong> Ware Arbeitskraft ist nämlich<br />

bestimmt, wie aller Wert, durch die gesellschaftlich durchschnittlichen Kosten ihrer Produktion (Nahrung,<br />

Unterkunft, Kleidung, Kin<strong>der</strong>aufzucht, eventuell Ausbildung, Krankenversorgung, Altersheim, Freizeitaktivitäten<br />

etc.). Dieser Wert <strong>der</strong> Ware Arbeitskraft ist natürlich historisch-kulturell unterschiedlich.<br />

So liegt er in den Exportindustrien Chinas bei gegenwärtig wohl um 100€ pro Kopf <strong>und</strong> Monat für Wan<strong>der</strong>arbeiterinnen<br />

in den bekannten Drei-zu-Eins-Fabriken. Das bedeutet für diese ein Leben auf Sklaven-<br />

Niveau (Pun / Li 2008, Reeve / Xi 2001) <strong>und</strong> es wird inzwischen diskutiert, ob <strong>der</strong>art niedrige Löhne in<br />

näherer Zukunft noch die Reproduktion <strong>der</strong> chinesischen Wan<strong>der</strong>arbeiterinnenklasse garantieren können<br />

(Anonymus 2009). In Deutschland liegt, trotz <strong>der</strong> Großoffensive auf das Lohnniveau von SPD <strong>und</strong> Grünen<br />

mit <strong>der</strong> Agenda 2010 <strong>und</strong> dem darauf hin stark beschleunigten Verarmungsprozess großer Teile des<br />

deutschen Proletariats, das Lohnniveau noch so hoch, dass etwa eine medizinische Basisversorgung o<strong>der</strong><br />

die schulische Ausbildung <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> in <strong>der</strong> Regel noch finanzierbar sind.<br />

Der kapitalistische Ausbeutungsprozess funktioniert nun darüber, dass die Ware Arbeitskraft zwar ihren<br />

Wert als Lohn bezahlt bekommt, im Arbeitsprozess aber mehr Wert schaffen kann, als sie selbst wert ist.<br />

Dieser Mehrwert wird als Profit vom Kapital abgeschöpft <strong>und</strong> Akkumuliert. Im Kapitalismus sind damit<br />

zwei für die vordialektische, etwa aristotelische Logik wi<strong>der</strong>sprüchliche Bestimmungen, Ausbeutung <strong>und</strong><br />

Äquivalententausch, im Arbeitsprozess vereint.<br />

22


empirisch bestimmbar zu sein. Und dieses Verhältnis ist bestimmt durch ein arbeitsloses<br />

Einkommen, was äußerst relevante Konsequenzen für den gesamtgesellschaftlichen Prozess<br />

<strong>der</strong> Kapitalakkumulation haben, die ohne einen Begriff von Gr<strong>und</strong>rente nicht zu<br />

entdecken sind. Denn:<br />

„Jagt alles Kapital nur noch <strong>der</strong> Gr<strong>und</strong>rente nach <strong>und</strong> wird nichts mehr in die Produktion investiert,<br />

dann wird folglich auch kein Wert mehr produziert, aus dem sich die Transferleistungen –<br />

Gr<strong>und</strong>rente – schöpfen lassen.“ (Harvey 1974)<br />

Dieses Problem soll hier zunächst nur angedeutet werden, es wird weiter unten noch zentral<br />

für die Argumentation werden 14 . Zunächst wird <strong>der</strong> Frage nachgegangen, ob sich die<br />

Kategorie <strong>der</strong> Gr<strong>und</strong>rente weiter differenzieren lässt <strong>und</strong> ob es objektive Bestimmungsgründe<br />

für ihre Höhe gibt.<br />

Harvey hält die Überlegungen von Marx zum Boden <strong>und</strong> zur Gr<strong>und</strong>rente insgesamt für<br />

wi<strong>der</strong>sprüchlich <strong>und</strong> inkonsistent. So basiert Marx' Spätwerk etwa auf einer zwei-Klassen-<br />

Theorie, in <strong>der</strong> sich Bourgeoisie <strong>und</strong> Proletariat antagonistisch gegenüber stehen 15 . Teilweise<br />

aber taucht auch im Kapital plötzlich <strong>und</strong> theoretisch unvermittelt eine dritte Klasse auf,<br />

die <strong>der</strong> Gr<strong>und</strong>eigentümer. Dies resultiert im Wesentlichen daraus, dass Marx <strong>der</strong><br />

Überzeugung war, dass die gesellschaftliche Dynamik auf die Zerstörung vorkapitalistischer<br />

gesellschaftlicher Verhältnisse – <strong>und</strong> damit auch des feudalen Gr<strong>und</strong>eigentums –<br />

<strong>und</strong> <strong>der</strong>en Subsumption unter das Wertgesetz hinaus läuft. Er nahm also an, dass sich im<br />

Prozess <strong>der</strong> Durchsetzung kapitalistischer Gesellschaftsverhältnisse Gr<strong>und</strong> <strong>und</strong> Boden aus<br />

traditionellen, feudalistischen Verhältnissen lösen <strong>und</strong> zu einer normalen Ware <strong>und</strong> Wertanlageform<br />

werden. Ein nicht kapitalkonformes Gr<strong>und</strong>eigentum sah Marx also als gesellschaftlichen<br />

Anachronismus <strong>und</strong> die Gr<strong>und</strong>rente als zwar existierende, aber im entfalteten<br />

Kapitalismus kaum mehr relevante Größe an. Mehr als h<strong>und</strong>ert Jahre später zeigt die empirische<br />

Erfahrung aber, dass feudalistische Elemente bspw. in 3.-Welt Gesellschaften häufig<br />

sehr gut im Kapitalismus überleben können <strong>und</strong> damit etwa auch Formen einer pseudofeudalen<br />

Gr<strong>und</strong>eigentümerklasse 16 . Marx' Annahme einer Entwicklung des Kapitalismus zu<br />

seiner „reinen Form“ hin, lässt sich also nicht ohne Einschränkungen aufrechterhalten.<br />

Im Folgenden wird sich daher an Harveys Versuchen orientiert, das theoretisch-kategoriale<br />

Chaos, das Marx zum Gegenstand <strong>der</strong> Gr<strong>und</strong>rente hinterlassen hat, zu lichten. Da Harveys<br />

Überlegungen Marx mehr als h<strong>und</strong>ert Jahre historische Erfahrung voraus haben, wird<br />

dies für fruchtbarer gehalten, als auf Marx selbst zurück zu gehen. Allerdings soll hier nur<br />

auf zwei Hauptformen <strong>der</strong> Gr<strong>und</strong>rente eingegangen werden, die Monopolrente <strong>und</strong> die Differenzialrente,<br />

die absolute Rente wird ausgelassen. Anzumerken ist ebenfalls, dass die<br />

<strong>Theorien</strong> zur Gr<strong>und</strong>rente zunächst an landwirtschaftlichen Nutzungen entwickelt wurden.<br />

14 Ein aktuelles Beispiel soll hier aber angesprochen werden: <strong>der</strong> Fall Karstadt. Unter seinem Vorsitzenden<br />

Middelhoff hatte <strong>der</strong> Arcandor-Konzern Mitte <strong>der</strong> '00er-Jahre seine Immobilien verkauft, angeblich um in<br />

ihnen geb<strong>und</strong>enes Kapital liquide zu machen <strong>und</strong> es für Investitionen nutzen zu können. Der Verkauf erfolgte<br />

an ein Konsortium, dem Middelhoff führend angehörte, er trat also sowohl als Verkäufer, wie als<br />

Käufer auf. Der Zusammenbruch Karstadts wurde nun davon ausgelöst, dass Karstadt nicht in <strong>der</strong> Lage<br />

war, die Mieten für seine gerade verkauften Immobilien zu zahlen. Die Gr<strong>und</strong>rente fraß also den mit dem<br />

Einzelhandelsgeschäft erwirtschafteten Mehrwert auf, das Unternehmen musste Konkurs anmelden. In<br />

<strong>der</strong>artiger Weise kann die Abschöpfung von Gr<strong>und</strong>rente in Wi<strong>der</strong>spruch zur Kapitalakkumulation treten<br />

<strong>und</strong> diese be- o<strong>der</strong> sogar verhin<strong>der</strong>n.<br />

15 In Marx Frühwerk ist das noch nicht so. In den Ökonomisch-Philosophischen Manuskripten von 1844<br />

etwa, in denen Marx seine Kritik <strong>der</strong> kapitalistischen Gesellschaft noch an Hegels Begriff <strong>der</strong> Entfremdung<br />

aufhängt, hat die feudale Klasse <strong>der</strong> Gr<strong>und</strong>eigentümer noch einen zentralen Stellenwert. Vgl.: Marx<br />

1968, 465-590.<br />

16 Derartige pseudofeudale existieren bspw. bei Krui an <strong>der</strong> südwestlichen Küste Sumatras, in <strong>der</strong> Provinz<br />

Palembang. Landbesitz, Wald- <strong>und</strong> Fischereirechte sind dort in <strong>der</strong> Hand weniger Gr<strong>und</strong>besitzer konzentriert<br />

<strong>und</strong> paternalistische Pachtverhältnisse zwischen Gr<strong>und</strong>eigentümern <strong>und</strong> Transmigrasi-Immigranten<br />

regulieren die Nutzung dieser Produktionsmittel (Quelle: eigene Beobachtung 2009).<br />

23


Hier wird versucht, soweit dies möglich ist, direkt auf die urbane Gr<strong>und</strong>rentenbildung einzugehen.<br />

3.2.1 MONOPOLRENTE<br />

Monopolrenten (Harvey 1999, 349f) werden möglich, wenn ein bestimmtes Stück Land<br />

eine spezifische Qualität hat, die es nicht, o<strong>der</strong> nicht ohne qualitativen Verlust, durch ein<br />

an<strong>der</strong>es Stück Land substituierbar macht. Klassisches Beispiel für diesen Fall sind einzigartig<br />

gute Weinberge, in denen etwa eine Kombination von Bodenqualität <strong>und</strong> Mikroklima<br />

die Herstellung eines außergewöhnlich guten Weines ermöglicht. Kann dieser Wein zu Monopolpreisen<br />

verkauft werden, dann lässt sich auch eine Monopolrente mit dem Gr<strong>und</strong>stück<br />

erzielen, auf dem er wächst.<br />

Unter Qualität ist hier auch ein einzigartiger Stadtort zu verstehen, <strong>der</strong> etwa ein beson<strong>der</strong>es<br />

Prestige besitzt o<strong>der</strong> notwendige Voraussetzung für bestimmte Aktivitäten ist. Ersteres<br />

ist in Städten höchst relevant. Als Beispiel ließe sich etwa <strong>der</strong> Pariser Platz in Berlin nennen,<br />

<strong>der</strong>, ob seiner einzigartigen Lage am Brandenburger Tor, eine ihm gesellschaftlich zugeschriebene<br />

Qualität besitzt, die für Aktivitäten, die am Brandenburger Tor stattfinden<br />

sollen, etwa die Repräsentation von Macht <strong>und</strong> Einfluss einer Bank o<strong>der</strong> Nation, nicht gut<br />

substituierbar ist. Im Bereich des vor allem innerstädtischen Einzelhandels können etwa<br />

auch Konkurrenzanziehungseffekte (Kulke 2004, 141) für Branchen, die auf Konkurrenzanziehung<br />

angewiesen sind, <strong>der</strong>artige Standorte produzieren. Zweiteres könnte z.B. eine<br />

schiffbare Bucht an einer sonst unschiffbaren Küste sein, die sich als einziges zur Anlage<br />

eines Hafens eignet.<br />

Unter diesen Bedingungen kann eine Monopolrente potenziell erzielt werden. Die Realisierung<br />

<strong>der</strong> Monopolrente hängt aber davon ab, dass mit <strong>der</strong> auf dem Gr<strong>und</strong>stück getätigten<br />

Produktion o<strong>der</strong> Tätigkeit ebenfalls ein Monopolpreis realisiert werden kann. Sprich:<br />

wenn das Hotel Adlon nicht in <strong>der</strong> Lage ist „Monopolpreise“ für Übernachtungen zu verlangen,<br />

kann es auch keine Monopolrente an den Gr<strong>und</strong>eigentümer zahlen. Krätke spricht<br />

daher davon, dass im Fall <strong>der</strong> Monopolrente die Gr<strong>und</strong>rente den Produktpreis mitbestimmt,<br />

bzw.: „[...] die Rente Ursache <strong>der</strong> Verteuerung des Produkts ist.“ (Krätke 1979, 55).<br />

Auch in den unterschiedlichen Segmenten städtischer Wohnungsmärkte können Monopolrenten<br />

entstehen. So bemerkte die Frankfurter Allgemeine Zeitung über die wachsenden<br />

Slums in Indien: „Je Quadratmeter berechnet, liegen ihre Mieten manchmal höher als diejenigen<br />

in den teuersten Wohngegenden <strong>der</strong> Erde“ (FAZ, 06.09.2010). Auch Davis weist in<br />

seinem Buch „Planet <strong>der</strong> Slums“ auf diesen Sachverhalt hin <strong>und</strong> zeigt, dass es sich hierbei<br />

um ein globales Phänomen handelt (Davis 2007).<br />

Wie ist das aber möglich, dass in Slums teilweise die höchsten Quadratmetermieten <strong>der</strong><br />

Welt gezahlt werden <strong>und</strong> zwar von den ärmsten Menschen <strong>der</strong> Weltbevölkerung? Nach<br />

klassischen „bid-rent“-Modellen sollte es doch genau umgekehrt sein: die Wohlhabendsten<br />

können die höchsten Preise für die besten städtischen Wohnlagen zahlen, für die Ärmsten<br />

bleiben die schlechtesten Lagen, aber zu den niedrigsten Preisen.<br />

Mit Hilfe <strong>der</strong> Kategorie <strong>der</strong> Monopolrente lässt sich dieses Phänomen erklären. So sind<br />

Slumbewohner in <strong>der</strong> Regel aus unterschiedlichen Gründen von großen Teilen des städtischen<br />

Wohnungsmarktes ausgeschlossen, da sie etwa kein gesichertes o<strong>der</strong> zu niedriges<br />

Einkommen haben, auf Gr<strong>und</strong> von Diskriminierung keine „normale“ Wohnung bekommen<br />

o<strong>der</strong> ohne legalen Aufenthaltsstatus in <strong>der</strong> Stadt sind etc. pp. Häufig sind sie auch nicht in<br />

<strong>der</strong> Lage, die Kosten für die Nutzung des ÖPNV zu bezahlen, so dass sie in <strong>der</strong> Nähe ihrer<br />

Arbeitsgelegenheiten <strong>und</strong> unterstützen<strong>der</strong> sozialer Netzwerke wohnen müssen. Und sie<br />

sind oft auf eine spezifische „Slum-Infrastruktur“ für ihr Überleben angewiesen. Der Stadtraum,<br />

<strong>der</strong> ihnen potentiell als Wohnraum zur Verfügung steht, ist damit wesentlich kleiner<br />

als bei Mittel- o<strong>der</strong> Oberschichtsangehörigen. Wenn in diesem reduzierten Stadtraum, den<br />

24


Slums, ein Mangel an Wohnraum <strong>und</strong> wenig Konkurrenz zwischen den Gr<strong>und</strong>eigentümern<br />

herrscht, dann können diese von den Slumbewohnern eine „Klassenmonopolrente“ abschöpfen,<br />

wie Harvey dieses Phänomen nennt (Harvey 1974). Ähnliches kann für ethnisch<br />

o<strong>der</strong> aus an<strong>der</strong>en Gründen stark diskriminierte Populationen gelten.<br />

3.2.2 DIFFERENZIALRENTE<br />

Die Differenzialrente ist in gewissem Sinne die Umkehrung <strong>der</strong> Monopolrente. Sie basiert<br />

darauf, dass bestimmte Standorte Qualitäten besitzen, die dort die Produktionskosten bestimmter<br />

Waren verbilligen. In <strong>der</strong> Landwirtschaft könnten das beson<strong>der</strong>s gute Böden sein.<br />

Wer auf diesen etwa Reis anbaut, kann gegenüber den Konkurrenten, die Reis auf durchschnittlichen<br />

o<strong>der</strong> schlechten Böden anbauen, einen standortbedingten Surplusprofit<br />

erwirtschaften. Im städtischen Kontext ließe sich die Differenzialrente etwa mit zwei<br />

Zeitungskiosken veranschaulichen, von denen einer an einer stark frequentierten U-<br />

Bahnsta-tion mit viel Laufk<strong>und</strong>schaft liegt, im Gegensatz zu einem Kiosk innerhalb einer<br />

Schlafwohnstadt. Der Kiosk an <strong>der</strong> U-Bahn wird im Regelfall den höheren Umsatz machen<br />

<strong>und</strong> damit gegenüber dem an<strong>der</strong>en Kiosk einen Surplusprofit erwirtschaften. Bedingung<br />

dafür ist allerdings, dass <strong>der</strong> gesellschaftlich durchschnittliche Wert des verkauften o<strong>der</strong><br />

produzierten Produktes<br />

nicht wesentlich von <strong>der</strong><br />

Produktion an dem beson<strong>der</strong>s<br />

guten Standort<br />

beeinflusst wird, <strong>der</strong><br />

Preis <strong>der</strong> produzierten<br />

Ware also<br />

gesellschaftlich gesetzt<br />

ist. Die Kostenersparnis,<br />

<strong>der</strong> Surplusprofit, bei <strong>der</strong><br />

Produktion an diesem<br />

Vorzugsstandort wird<br />

nun zum Teil o<strong>der</strong><br />

vollständig vom<br />

Gr<strong>und</strong>eigentümer als<br />

Differenzialrente<br />

abgeschöpft. Die<br />

Differenzialrente wird<br />

also aus einem<br />

lagebedingten<br />

Surplusprofit bei <strong>der</strong><br />

Produktion abgeschöpft.<br />

Harvey unterscheidet<br />

mit Marx zusätzlich<br />

zwischen zwei Formen<br />

<strong>der</strong> Differenzialrente,<br />

DR 1 <strong>und</strong> DR 2, die<br />

allerdings ineinan<strong>der</strong><br />

über gehen (Harvey<br />

1989, 93ff). Das Relevante<br />

an dieser<br />

Abb. 2: Graphische Darstellung des Unterschieds zwischen Differenzialrente<br />

<strong>und</strong> Monopolrente. Quelle. Krätke 1995, 215.<br />

25<br />

Unterscheidung ist, dass<br />

die DR 2 aus bereits


earbeitetem Gr<strong>und</strong>eigentum resultiert,<br />

während die DR 1 zunächst unbearbeiteten<br />

Boden betrifft. DR 2 ist damit eine<br />

Differenzialrente auf <strong>der</strong> Basis von Qualitäten<br />

eines Standorts, die durch menschliche<br />

Arbeit, bzw. im Kapitalismus durch Kapitalinvestitionen<br />

hervorgebracht wurden. So<br />

ist schon Ackerland in <strong>der</strong> Regel Resultat<br />

menschlicher Arbeit: Wäl<strong>der</strong> müssen gerodet,<br />

Sümpfe trockengelegt <strong>und</strong> Berghänge terrassiert<br />

werden, damit sie für die Landwirtschaft<br />

nutzbar werden. Derartige „Investitionen“ in<br />

den Boden sind aber oft bereits vor h<strong>und</strong>erten<br />

o<strong>der</strong> sogar tausenden von Jahren getätigt<br />

worden. Sie werden damit wie<strong>der</strong> zu einen<br />

„Natureigenschaft“ des Bodens <strong>und</strong> lassen<br />

sich unter <strong>der</strong> DR 1 befassen. Die DR 2 hingegen<br />

ist gerade in urbanen Kontexten von<br />

immenser Bedeutung. Denn Stadtlandschaften<br />

sind fast vollständig Produkt<br />

menschlicher Arbeit. Die in Städten<br />

erwirtschaftete Differenzialrente ist daher<br />

vom Typ DR 2, da die in urbanen Räumen<br />

existierenden Standortvorteile Resultat<br />

menschlicher Arbeit sind, etwa die Lage<br />

eines Gr<strong>und</strong>stückes im Verhältnis zu den<br />

Verkehrskorridoren einer Stadt. Empirisch<br />

lassen sich DR1 <strong>und</strong> DR 2 aber in <strong>der</strong> Regel<br />

nicht von einan<strong>der</strong> unterscheiden <strong>und</strong> fallen<br />

zusammen.<br />

3.2.3 ABLEITUNG VON STÄDTISCHEN<br />

NUTZUNGSKLASSEN AUS DER DIFFERENZIALRENTE<br />

Im Gegensatz zur Monopolrente, die den Preis eines Produktes erhöht, basiert die Differenzialrente<br />

auf Kostenersparnissen <strong>der</strong> Produktion an einem bestimmten Standort. Sie<br />

eignet sich daher zur Ableitung von Nutzungsklassen im urbanen Raum. Denn<br />

unterschiedliche produktive <strong>und</strong> konsumptive Tätigkeiten haben eine unterschiedliche<br />

Fähigkeit zur Zahlung von Rente, ihr Bodenrentenpotenzial (Krätke 1995, 218) bzw. die<br />

lagebedingte Kostenersparnis / <strong>der</strong> Surplusprofit hat für unterschiedliche Nutzungsklassen<br />

verschiedene Relevanz. Es lässt sich also eine räumliche Differenzierung von Nutzungen<br />

aus <strong>der</strong>en jeweiliger Fähigkeit zur Zahlung von Rente ableiten.<br />

Bei <strong>der</strong>artigen Bodenrentenmodellen für städtische Nutzungen wird vereinfachend angenommen,<br />

dass die lagebedingten Standortvorteile in einer Stadt in ihrem Zentrum am<br />

höchsten, also eine abgeleitete Funktion <strong>der</strong> Transportkosten zu einem zentralen Markt<br />

sind, während sie gegen die Peripherie hin abfallen (das Modell orientiert sich am klassischen<br />

Bodenpreiskegel) 17 . Je nach ihrer Produktivität <strong>und</strong> daher nach ihrer Fähigkeit zur<br />

17 Bodenrentenmodelle für städtische Nutzungen lassen sich auch mit mehr als zwei Dimensionen erstellen,<br />

etwa mit einer dritten räumlichen Dimension <strong>und</strong> einer vierten Dimension, die wichtige Verkehrskorridore<br />

abbildet. Es ließen sich auf diese Art wesentlich differenziertere Bodenrentenmodelle erstellen. Das<br />

Problem ist aber, dass lagebedingte Vorteile für unterschiedliche Nutzungsklassen unterschiedliche Qualität<br />

haben können: so ist für die Lagerhalle eines just-in-time Zulieferbetriebes für einen Automobilkon­<br />

26<br />

Abb. 3: Bodenrentenmodell für Nutzungklassen<br />

im urbanen Raum. Quelle: Kulke 2004, 144.


Zahlung von Gr<strong>und</strong>rente gruppieren sich Nutzungsarten in gestaffelter Weise um das Zentrum<br />

herum. Dehnt sich <strong>der</strong> Flächenanspruch einer Nutzungsklasse aus, dann verschieben<br />

sich die zwischen dieser Nutzungsklasse <strong>und</strong> <strong>der</strong> Peripherie liegenden Nutzungsklassen in<br />

Richtung <strong>der</strong> Peripherie. Der Gr<strong>und</strong> ist die Erhöhung <strong>der</strong> Gr<strong>und</strong>rente im Zentrum, da dort<br />

jetzt mehr Flächen von einer Nutzung beansprucht werden, die in <strong>der</strong> Lage ist, eine höhere<br />

Gr<strong>und</strong>rente zu entrichten. Jene Nutzungen, die diese Erhöhung <strong>der</strong> Rentenansprüche nicht<br />

bezahlen können, werden in Richtung Peripherie verdrängt.<br />

Auch wenn Bodenrentenmodelle etwas vereinfachend sind, lässt sich mit ihnen doch ein<br />

erster Eindruck von <strong>der</strong> <strong>ökonomische</strong>n Steuerung <strong>der</strong> räumlichen Verteilung von<br />

Nutzungsklassen im städtischen Raum gewinnen. Und diese <strong>ökonomische</strong> Steuerung<br />

funktioniert wesentlich über die Erwirtschaftung von Gr<strong>und</strong>rente.<br />

3.3 GRUNDEIGENTUM ALS FIKTIVES KAPITAL<br />

Unter <strong>der</strong> Voraussetzung, dass <strong>der</strong> Boden aus seinen feudalen o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en traditionellen<br />

Bindungen an bestimmte Personen o<strong>der</strong> Dynastien befreit <strong>und</strong> zu einer Ware geworden ist,<br />

erscheint die Gr<strong>und</strong>rente als normale Kapitalverzinsung. D.h., in dem Moment, wo Boden<br />

als normale Anlageklasse genutzt werden kann, erscheint <strong>der</strong> Kauf von Boden als normale<br />

Kapitalinvestition, die eine normale Verzinsung des investierten Kapitals abwirft. Der Begriff<br />

einer „normalen Verzinsung“ setzt natürlich gesellschaftliche Institutionen voraus, die<br />

zu einem tendenziellen Ausgleich <strong>der</strong> Profitraten in allen Sektoren <strong>der</strong> Ökonomie führen,<br />

ein Problem, das Marx <strong>und</strong> auch Harvey intensiv diskutieren 18 . Sind diese Bedingungen<br />

aber erfüllt, dann lässt sich <strong>der</strong> „Gr<strong>und</strong>preis“ von Boden quantitativ bestimmen, da ein Verkäufer<br />

bei Verkauf seines Bodens mindestens so viel Kapital erhalten möchte, dass es bei<br />

einer erneuten Investition mindestens die selbe Rendite abwirft, die er vorher an Gr<strong>und</strong>rente<br />

eingenommen hat. Der Gr<strong>und</strong>preis für Boden ist damit abhängig von <strong>der</strong> durchschnittlichen<br />

Verzinsung von Kapital <strong>und</strong> es gilt: Gp = Gr(100/p), wobei: Gp=Gr<strong>und</strong>preis,<br />

Gr=durchschnittliche Gr<strong>und</strong>rente des Gr<strong>und</strong>stücks, p= durchschnittliche Verzinsung von<br />

Kapital. Dies stellt den Minimalpreis für Gr<strong>und</strong>stücke dar (Harvey 1989, 96, Krätke 1995,<br />

211, Heeg 2008, 74f).<br />

Wie ersichtlich wurde, lässt sich zwar ein minimaler Preis für Boden angeben, dies gilt<br />

aber nicht umgekehrt für einen maximalen Preis, denn Verhandlungen über den Bodenpreis<br />

beinhalten auch immer ein spekulatives Moment:<br />

„The money laid out by the buyer of land is equivalent to an interest-bearing investment, a claim<br />

upon future fruits of labor. Titel to land becomes a form of fictitious capital, in principle no different<br />

from stocks and shares, government bonds etc.“ (Harvey 1989, 96)<br />

Harvey macht hier auf ein relevantes Problem aufmerksam: Wenn ein Gr<strong>und</strong>stück verkauft<br />

wird, dann wird im Kaufpreis nicht <strong>der</strong> Wert des Bodens bezahlt, son<strong>der</strong>n das Recht<br />

die aus diesem Boden erzielbare Gr<strong>und</strong>rente einzustreichen (Krätke 1995, 211ff). Die<br />

Höhe dieser Gr<strong>und</strong>rente hängt aber einerseits von unterschiedlichen gesellschaftlichen<br />

Faktoren ab <strong>und</strong> ist variabel. An<strong>der</strong>erseits entspricht <strong>der</strong> Kaufpreis für den Boden nicht <strong>der</strong><br />

erzielbaren Gr<strong>und</strong>rente in einem Jahr, son<strong>der</strong>n im Regelfall <strong>der</strong> von vielen Jahren o<strong>der</strong> sogar<br />

von Jahrzehnten. Der Verkaufspreis legitimiert sich daher durch eine Spekulation auf<br />

zukünftige Rentenerträge. Gr<strong>und</strong>besitz wird in diesem Sinne zu fiktivem Kapital.<br />

zern die Lage an einer Autobahnauffahrt ein Vorteil, während die gleiche Lage für die Wohnnutzung<br />

durch ein grün-alternatives Oberschichtsmilieu wohl eher in einen Standortnachteil umschlagen würde.<br />

Derartige Qualitäten sinnvoll zu quantifizieren, dürfte nur sehr schwer möglich sein.<br />

18 Es sei hier darauf verwiesen, dass <strong>der</strong> Theoriekorpus des uneven geographical development unter an<strong>der</strong>em<br />

darauf basiert, dass die kapitalistische Gesellschaft immer wie<strong>der</strong> räumliche Differenzen <strong>der</strong> Kapitalproduktivität<br />

<strong>und</strong> damit <strong>der</strong> Profitraten schafft. Ein Ausgleich <strong>der</strong> Profitraten ist zwar eine dem Kapitalverhältnis<br />

immanente Tendenz, zu <strong>der</strong> es aber genauso Gegentendenzen gibt (Harvey 2006).<br />

27


Den Begriff des fiktiven Kapitals führt Marx im 3. Band des Kapital ein (Marx 1970,<br />

413ff). Fiktives Kapital ist im Kern Kapital auf <strong>der</strong> Basis eines noch nicht produzierten <strong>und</strong><br />

erwirtschafteten Mehrwerts. Es stellt also eine Investition dar, bei <strong>der</strong> vorausgesetzt wird,<br />

dass sie sich in <strong>der</strong> Zukunft als erfolgreich darstellen <strong>und</strong> Mehrwert abwerfen wird. Fiktives<br />

Kapital ist damit ein Anspruch auf den Mehrwert noch nicht getätigter Arbeit, es ist<br />

Anspruch auf die Früchte <strong>der</strong> Arbeit <strong>der</strong> Zukunft. Bei Staats- o<strong>der</strong> Unternehmensanleihen<br />

ist das einfach ersichtlich: ein Investor leiht einem Staat o<strong>der</strong> Unternehmen Kapital <strong>und</strong> bekommt<br />

dafür eine Anleihe. Diese Anleihe ist ein Rechtsanspruch auf zukünftige Kapitalerträge.<br />

Es wird also angenommen, dass <strong>der</strong> Anleihegeber das Kapital produktiv investiert<br />

<strong>und</strong> in Zukunft in <strong>der</strong> Lage ist, es plus einer Verzinsung an den Anleiheinhaber zurück zu<br />

zahlen. In diesem Sinne wird auch Gr<strong>und</strong>besitz im Kapitalismus zu einer Form fiktiven<br />

Kapitals, da vorausgesetzt wird, dass sich mit ihm in Zukunft gleichbleibende o<strong>der</strong> steigende<br />

Rentenerträge erzielen lassen.<br />

Fiktives Kapital hat eine zentrale Funktion in <strong>der</strong> Zirkulationssphäre <strong>und</strong> ist extrem wichtig<br />

für die Allokation <strong>und</strong> Verteilung von Kapital über den Raum <strong>und</strong> die unterschiedlichen<br />

Sektoren <strong>der</strong> kapitalistischen Ökonomie. Es ist aber nicht notwendig in <strong>der</strong> Produktionssphäre<br />

verankert <strong>und</strong> kann sich von dieser abheben. Denn nichts steht dem entgegen, dass<br />

sich Investoren darüber hinweg täuschen, dass zukünftige Arbeit eventuell nicht so viel<br />

Mehrwert produziert kann, wie die Investoren kalkuliert haben o<strong>der</strong> es sich wünschen 19 . In<br />

dem in Kapitel 2 ausgebreiteten Manhattan-Beispiel war es etwa die Spekulation auf zukünftige<br />

Mieteinnahmesteigerungen, die einen exorbitant hohen Kaufpreis für die zwei Immobilienkomplexe<br />

legitimierte <strong>und</strong> die sich zwei, drei Jahre später als überzogen erwies.<br />

Es ist also festzuhalten, dass sich zwar eine minimale Grenze für Gr<strong>und</strong>stückspreise bestimmen<br />

lässt, aber keine maximale Grenze, da Gr<strong>und</strong>stückspreise immer eine spekulative<br />

Wette auf zukünftige Rentenerträge beinhalten <strong>und</strong> im entfalteten Kapitalismus zu fiktivem<br />

Kapital werden.<br />

3.4 SPEKULATION UND SYMBOLISCHE AUFWERTUNG VON STADTQUARTIEREN<br />

Wenn Gr<strong>und</strong>stückspreise immer ein spekulatives Moment beinhalten, dann lässt sich mit<br />

geschickter Gr<strong>und</strong>stücksspekulation eine Menge Geld machen. Und die Bedingungen, die<br />

solche erfolgreiche Bodenspekulation ermöglichen, sind gesellschaftlich bestimmt <strong>und</strong> von<br />

Individuen, vorrangig aber von institutionellen Akteuren, beeinflussbar. Der Immobilienökonom<br />

Fred Harrison drückt dies beispielhaft aus:<br />

„Eine Baugenehmigung kann in Großbritannien die 200£, die ein Feld pro Morgen wert ist, sagen<br />

wir mal, in 200.000£ verwandeln.“ (Harrison 2008, 165).<br />

Strategien <strong>der</strong> Bodenspekulation zielen also darauf ab Gr<strong>und</strong>stücke preiswert einzukaufen,<br />

darauf zu warten o<strong>der</strong> dafür zu sorgen, dass ihr Preis steigt, <strong>und</strong> sie dann wie<strong>der</strong> zu<br />

verkaufen o<strong>der</strong> gewinnbringend zu vermieten. Dafür gibt es unterschiedlichste Methoden,<br />

19 Diese Formulierung ist stark vereinfachend. Die Crux am fiktiven Kapital ist nämlich gegenwärtig, dass<br />

sich die Investoren in <strong>der</strong> Regel keinen Kopf darum machen wollen, ob eine Investition in Zukunft erfolgreich<br />

sein wird. Sie verkaufen lieber ihr Kapital an jemanden, <strong>der</strong> verspricht, dass er dieses Kapital gewinnbringend<br />

einsetzen wird. Im Gegenzug erhalten sie einen Rechtstitel auf einen Anteil an diesem Gewinn<br />

<strong>und</strong> das reicht ihnen, solange die Zinszahlungen pünktlich kommen <strong>und</strong> die Märkte so liquide sind,<br />

dass die Anleihenehmer ihre Anleihen auch vor <strong>der</strong>en Terminierungsfrist verkaufen können. Erst im Krisenfall,<br />

wenn sich heraus stellt, dass <strong>der</strong> versprochene zukünftige Mehrwert nicht erwirtschaftbar ist, entsteht<br />

ein Problem. Nur zur Illustration <strong>der</strong> Dimensionen des fiktiven Kapitals sei hier daran erinnert, dass<br />

zu Beginn <strong>der</strong> aktuellen Krise das Bruttoglobalprodukt (BGP) um r<strong>und</strong> das 60-fache mit fiktivem Kapital<br />

überzeichnet gewesen sein soll. D.h. es bestand (<strong>und</strong> besteht zum Großteil noch heute) so viel fiktives Kapital,<br />

dass bei einem konstanten BGP 60 Jahre lang das gesamte BGP in die Tilgung von Zinsversprechen<br />

fließen müsste. Dass es in näherer Zukunft schwierig wird, diese Zinsversprechen einzuhalten, liegt auf<br />

<strong>der</strong> Hand.<br />

28


die häufig halb- o<strong>der</strong> illegale Formen annehmen, wie etwa die Bestechung <strong>und</strong> Korrumpierung<br />

von einflussreichen Individuen in staatlichen Raumplanungsinstitutionen u.ä. Es gibt<br />

aber inzwischen auch ein ganzes Arsenal an legalen Instrumenten zur gezielten Steigerung<br />

des Preises von Gr<strong>und</strong>stücken, wie etwa das neighborhood branding, das quasi als umfassende<br />

Promotion-Strategie für bestimmte Stadtquartiere zu begreifen ist. Derartige Strategien<br />

versuchen mittels einer symbolischen Aufwertung von Stadtquartieren die dort gelegenen<br />

Gr<strong>und</strong>stücke auch ökonomisch aufzuwerten.<br />

Auch im Zusammenhang von Gentrifizierungsprozessen sind Formen <strong>der</strong> Bodenspekulation<br />

äußerst relevant. Zukin (Zukin 2010) bemerkt etwa, dass gerade in <strong>der</strong> Initialphase<br />

von Gentrifizierungsprozessen sowohl Pioniere wie kleinere Immobilienmakler auf Gr<strong>und</strong><br />

<strong>der</strong> relativ geringen Kapitalintensivität von Gr<strong>und</strong>stückskäufen in heruntergekommenen<br />

Arbeitervierteln, Gr<strong>und</strong>stücke in Erwartung einer Wertsteigerung erwerben. Die Spekulation<br />

auf eine erfolgreiche Gentrifizierung des Stadtquartiers <strong>und</strong> in ihrer Folge auf die Wertsteigerung<br />

<strong>der</strong> dort gelegenen Gr<strong>und</strong>stücke ist also ein wesentliches Moment von Gentrifizierungsprozessen.<br />

In <strong>der</strong> Gentrifizierungsforschung wird schon lange <strong>der</strong> Einfluss von Kunst-, Kultur- <strong>und</strong><br />

Subkulturszenen auf Gentrifizierungsprozesse erforscht (z.B. Shaw 2005, Vicario / Monje<br />

2005, Zukin 2010, Lees / Slater / Wyly 2008, 112ff). Und auch in <strong>der</strong> Stadtpolitik ist längst<br />

angekommen, dass Gentrifizierungsprozesse häufig von künstlerisch o<strong>der</strong> kulturell orientierten<br />

sozialen Gruppen mit angeschoben werden <strong>und</strong> sich Kunstszenen als Publikumsmagneten<br />

erweisen können. Daher ist es zu einem wichtigen Mittel sowohl <strong>der</strong> städtischen<br />

Politik, wie von Immobilienunternehmen geworden, Stadtteilen ein spezifisches kulturelles<br />

o<strong>der</strong> künstlerisches Image zu geben, dass diese interessanter macht <strong>und</strong> damit zur Wertsteigerung<br />

<strong>der</strong> dort gelegenen Gr<strong>und</strong>stücke <strong>und</strong> Immobilien beiträgt 20 . Die kulturelle Aufwertung<br />

eines Stadtquartiers soll dabei zur Produktion einer beson<strong>der</strong>en Qualität o<strong>der</strong> zumindest<br />

des Scheins dieser beson<strong>der</strong>en Qualität (des Images) von einem Segment des städtischen<br />

Wohnungsmarktes führen. Die Wertsteigerung wird also durch die Produktion einer<br />

Vorzugslage mittels Kunst <strong>und</strong> Kultur erreicht. Es müssen damit kaum Investitionen in die<br />

Bausubstanz getätigt werden, da die Wertsteigerung quasi aus einer Mode resultiert <strong>und</strong> die<br />

sie auslösenden Künstler <strong>und</strong> Kulturschaffenden dies zumeist fast kostenlos machen <strong>und</strong><br />

froh darüber sind, wenn ihnen, wie im Fall Neuköllns, das Quartiersmanagement ein billiges<br />

Ladenlokal als Atelier vermittelt. Die kulturelle Aufwertung von Stadtquartieren zum<br />

Zwecke <strong>der</strong> <strong>ökonomische</strong>n Aufwertung <strong>der</strong> dort gelegenen Gr<strong>und</strong>stücke lässt sich so als<br />

eine relativ preiswerte Strategie <strong>der</strong> Bodenspekulation begreifen.<br />

3.5 UMLAUFGESCHWINDIGKEIT DES KAPITALS IN IMMOBILIENMÄRKTEN<br />

Immobilien gelten klassischerweise als langlebige, sichere <strong>und</strong> unflexible Anlageform.<br />

Vom Erwerb eines Baugr<strong>und</strong>stücks über den Planungs- <strong>und</strong> Bauprozess bis zur Amortisation<br />

<strong>der</strong> Investition durch Vermietung können Jahrzehnte vergehen. Die Umlaufgeschwindigkeit<br />

des Kapitals, also die Zeit, die zwischen Investition <strong>und</strong> Rückkehr des Kapitals plus<br />

Mehrwert o<strong>der</strong> Rente zum Investor vergeht, war bei Immobilien gewöhnlich sehr niedrig.<br />

Denn wenn ein Kapital von <strong>der</strong> Größe 100 in Immobilien investiert wird <strong>und</strong> erst nach sagen<br />

wir 20 Jahren inklusive eines Rentenprofits von vielleicht 50% zurückkehrt, hat es<br />

einen großen Nachteil gegenüber einem gleich großen Kapital, das bspw. eine Umlaufgeschwindigkeit<br />

von einem Jahr hat <strong>und</strong> eine Profitrate von nur 5%. Nach 20 Jahren ist unser<br />

Immobilienkapital auf einen Wert von 150 gestiegen. Unser zweites Kapital konnte hingegen<br />

jedes Jahr neu investiert werden <strong>und</strong> stieg dabei jeweils um 5% an, wodurch sich auch<br />

20 Im nördlichen Neukölln steht das dort seit einigen Jahren veranstaltete Kleinkunstfestival „48-St<strong>und</strong>en<br />

Neukölln“ beispielhaft für eine <strong>der</strong>artige Strategie <strong>der</strong> <strong>ökonomische</strong>n Aufwertung vermittels einer kulturellen<br />

Aufwertung des Stadtteils.<br />

29


das investierte Kapital jährlich vergrößerte. Nach 20 Jahren ist es bei einer zehnfach niedrigeren<br />

Verzinsung auf einen Wert von 279 angestiegen, fast das Doppelte unseres Immobilienkapitals.<br />

Dieses Beispiel veranschaulicht, dass die Umlaufgeschwindigkeit von<br />

Kapital höchst relevant für die Bestimmung <strong>der</strong> Kapitalprofitabilität ist <strong>und</strong> das Immobilien<br />

in diesem Sinne häufig relativ unprofitabel waren.<br />

Im Immobiliensektor war die Umlaufgeschwindigkeit des Kapitals also traditionell sehr<br />

niedrig. Investitionen in den Immobiliensektor hatten daher zumeist den Charakter langfristiger<br />

Anlagen. Um die Umlaufgeschwindigkeit von Kapital im Immobiliensektor zu erhöhen<br />

<strong>und</strong> diesen damit konkurrenzfähig gegenüber Investition in die Industrieproduktion<br />

zu machen, gibt es daher schon lange diverse Strategien. So wurden etwa die Berliner<br />

Grün<strong>der</strong>zeitviertel zwar in <strong>der</strong> Regel von Projektentwicklern gebaut, die das dafür<br />

notwendige Kapital vorschossen. Diese versuchten aber die Häuser sofort nach ihrer Fertigstellung<br />

wie<strong>der</strong> zu verkaufen, um das in ihnen geb<strong>und</strong>ene Kapital flüssig zu machen <strong>und</strong><br />

neu investieren zu können. Auch die in vielen Staaten existierenden För<strong>der</strong>ungen des<br />

Wohnimmobilienbaus, z.B. steuerliche Abschreibungsmöglichkeiten o<strong>der</strong> staatliche Programme<br />

zur För<strong>der</strong>ung des Wohnimmobilienbaus, wie etwa die amerikanischen Banken<br />

Fannie Mae <strong>und</strong> Fannie Mac, sind Indizien für die relative Unattraktivität von klassischen<br />

Immobilieninvestments, vor allem im Bereich des Wohnungsbaus. Der vor allem in Europa<br />

früher weit verbreitete soziale Wohnungsbau durch staatliche o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e öffentliche Träger<br />

weist darauf hin, dass die im Wohnimmobilienmarkt erzielbaren Profite häufig so niedrig<br />

sein müssen, dass Marktanreize nicht genügen, um eine ausreichende Versorgung <strong>der</strong><br />

Bevölkerung mit annehmbaren Wohnraum <strong>und</strong> für Mietpreise, die die Ware Arbeitskraft<br />

nicht über die Maßen verteuern, zu gewährleisten.<br />

Im Zuge des Relevanzgewinns <strong>der</strong> Finanzindustrie seit den 1980er Jahren sind neue Möglichkeiten<br />

entwickelt worden, die Umlaufgeschwindigkeit von Kapital im Immobiliensektor<br />

zu erhöhen <strong>und</strong> den Immobilien- <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>stücksmarkt für flexibles Finanzkapital attraktiv<br />

zu machen. Damit geht ein qualitativer Wandel von Immobilien- <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>stücksmärkten<br />

einher. In <strong>der</strong> deutschsprachigen Geografie scheint es vorrangig Susanne Heeg zu<br />

sein, die sich mit dem Wandel <strong>der</strong> Immobilienindustrie im Zusammenhang mit <strong>der</strong> Finanzindustrie<br />

beschäftigt hat. An ihren Überlegungen soll sich im Folgenden abgearbeitet<br />

werden (Heeg 2004, 2008, vgl. auch: Downs 2009 <strong>und</strong> Stieglitz 2010).<br />

Heeg hält fest, dass die Finanzierung von Immobilien klassischerweise von Banken übernommen<br />

wurde <strong>und</strong> zwar vorrangig von lokal verankerten Banken, wie etwa Sparkassen,<br />

Genossenschaftsanken u.ä. Denn:<br />

„Die langfristige Bindung von Kapital [in Immobilien] bedeutete ein hohes Risiko, da Nachfrageän<strong>der</strong>ungen<br />

über längere Zeiträume kaum kalkulierbar waren […]. Aufgr<strong>und</strong> des Risikos […]<br />

war Immobilienfinanzierung vorrangig ein Geschäft <strong>der</strong> lokalen Banken – <strong>und</strong> nicht <strong>der</strong> Banken<br />

mit internationaler Orientierung. Lokale Banken hatten (<strong>und</strong> haben) aufgr<strong>und</strong> ihrer lokalen Eingeb<strong>und</strong>enheit<br />

ein umfassendes Know-how über problematische <strong>und</strong> aussichtsreiche Immobilieninvestitionen<br />

im regionalen Kontext.“ (Heeg 2008, 77).<br />

Im Zuge <strong>der</strong> Liberalisierung nationaler Finanzsysteme sind neben den Banken neue Formen<br />

<strong>der</strong> Immobilienfinanzierung entstanden, etwa Immobilienfonds, die in offene <strong>und</strong> geschlossene<br />

unterschieden werden, Immobilien-AGs (inklusive <strong>der</strong> weiter oben angesprochenen<br />

RITEs), Privat-Equity-Beteiligungen u.ä. Es sind damit neue Akteure in den<br />

Immobiliensektor eingedrungen, die sich als institutionelle Investoren zusammenfassen<br />

lassen <strong>und</strong> Heeg weist beson<strong>der</strong>s auf den gewachsenen Einfluss von Pensions-, Investmentfonds<br />

<strong>und</strong> Versicherungen hin, die gerade in Boomphasen ihren Marktanteil im Immobiliensektor<br />

stark ausbauen konnten. Relevant ist auch die Entwicklung neuer Finanzprodukte,<br />

namentlich verbriefte Hypothekendarlehen (z.B. ABS: Asset Backed Securities) <strong>und</strong><br />

Derivate.<br />

30


Beide Produktgruppen sind seit dem Zusammenbruch von Lehman Brothers stark kritisiert<br />

worden. Dies ist auch nicht verw<strong>und</strong>erlich, basieren sie doch de facto auf dem Verkauf<br />

von Schulden: ein Finanzierer von Immobilien vergibt Kredite zum Bau von Häusern.<br />

Diese Kredite werden mit Hypotheken abgesichert. Anschließend verkauft <strong>der</strong> Finanzierer<br />

die Ansprüche auf die Tilgung <strong>der</strong> Kredite <strong>und</strong> die Zinszahlungen weiter, zumeist verpackt<br />

in Pakete mit Krediten unterschiedlicher Qualität, um von Rankingagenturen gute Noten<br />

für seine Finanzinnovation zu bekommen. Er erhält durch den Verkauf frisches Kapital,<br />

dass er erneut investieren kann <strong>und</strong> gibt die Risiken eines Ausfalls <strong>der</strong> Kredittilgung weiter.<br />

Die Finanzierer erhöhen damit die Umlaufgeschwindigkeit ihres Kapitals, da sie nicht<br />

bspw. 20 Jahre auf die Tilgung <strong>der</strong> von ihnen vergebenen Kredite warten müssen, son<strong>der</strong>n<br />

ihr verliehenes Kapital nach Weitergabe <strong>der</strong> Kreditansprüche wie<strong>der</strong> in liqui<strong>der</strong> Form vorliegen<br />

haben <strong>und</strong> neuerlich investieren können. Die genannten Finanzinnovationen machen<br />

damit den Immobilienmarkt auch für Investoren attraktiv, die kurzfristige Investitionsstrategien<br />

verfolgen, da Derivate <strong>und</strong> verbriefte Hypothekendarlehen handelbar sind, im Gegensatz<br />

zu klassischen Immobilienkrediten. Zugleich basiert das gesamte Geschäft auf <strong>der</strong><br />

Gr<strong>und</strong>lage, dass das von Heeg angesprochene Know-how über lokale <strong>Immobilienmärkte</strong><br />

verloren geht. Es ist daher nicht verw<strong>und</strong>erlich, dass mit diesen Finanzinnovationen Übervorteilung<br />

<strong>und</strong> Betrug zu einer recht einfachen Angelegenheit werden. Und wie das „Austrocknen“<br />

<strong>der</strong> Derivatemärkte, also die Unverkäuflichkeit dieser Finanzprodukte im Zuge<br />

<strong>der</strong> aktuellen Krise, zeigt, sind auch viele Investoren auf <strong>der</strong>artige Betrügereien herein<br />

gefallen <strong>und</strong> haben nun Abschreibungsbedarf (bzw. die entstandenen Verluste <strong>der</strong> Investoren<br />

werden durch das Geld <strong>der</strong> Steuerzahler ausgeglichen, die für die „Vergoldung“<br />

<strong>der</strong> in Staatshaushalte, Bad-Banks <strong>und</strong> den Tresoren von Nationalbanken ausgelagerten<br />

Altpapierbestände aufkommen müssen).<br />

Es ist in diesem Zusammenhang nicht verw<strong>und</strong>erlich, dass Heeg betont, dass durch die<br />

Öffnung des Marktes für Immobilienfinanzierungen für hochflexibles Finanzkapital eine<br />

Erhöhung <strong>der</strong> Volatilität auf den <strong>Immobilienmärkte</strong>n einher geht. Zugleich werden lokale<br />

<strong>Immobilienmärkte</strong> durch ihre zunehmende Verflechtung mit einer international aufgestellten<br />

Finanzindustrie selbst internationalisiert. Dabei ist allerdings eine räumliche Einschränkung<br />

zu machen. Heeg betont, dass vor allem Metropolen zu Zentren von internationalen<br />

Immobilieninvestitionen werden (Heeg 2008, 84ff) 21 . Sie begründet dies damit, dass metropolitane<br />

<strong>Immobilienmärkte</strong> relativ liquide sind <strong>und</strong> sich dort das Risiko, eine erworbene<br />

Immobilie nicht wie<strong>der</strong> verkaufen zu können, reduzieren lässt. Zugleich ist diese räumliche<br />

Konzentration von Immobilieninvestitionen: „[...] gleichbedeutend mit Überinvestitionen<br />

auf bestimmten Märkten [...]“ (Heeg 2008, 84). Es lässt sich damit schlussfolgern, dass in<br />

den betroffenen Metropolen ein von den Immobilieninvestitionen internationaler Finanzkapitalien<br />

angetriebener lokal begrenzter „künstlicher“ Immobilienboom geschaffen wird, <strong>der</strong><br />

zu einem inflationären Anstieg von Immobilienpreisen führt – <strong>und</strong> auch Gentrifizierungsprozesse<br />

antreibt <strong>und</strong> verstärkt. Derartige Immobilienpreisspiralen ermöglichen den Investoren<br />

zwar schnelle, aus Spekulation geborene, Gewinne, können aber vermittelt über den<br />

Anstieg <strong>der</strong> Gr<strong>und</strong>rente <strong>und</strong> damit von Wohn- <strong>und</strong> Produktionskosten negativ auf die internationale<br />

Konkurrenzfähigkeit dieser Metropolen zurückschlagen <strong>und</strong> zu <strong>der</strong>en Deindustrialisierung<br />

beitragen.<br />

21 Um einen quantitativen Eindruck von <strong>der</strong> Relevanz institutioneller Investoren in metropolitanen <strong>Immobilienmärkte</strong>n<br />

zu vermitteln, seien hier ein paar Daten Heegs referiert: 2002 kamen bspw. 70% <strong>der</strong> Investitionen<br />

in Gewerbeimmobilien in den fünf größten deutschen Städten (Berlin, Hamburg, Düsseldorf,<br />

Frankfurt / Main, München) von institutionellen Investoren, davon allein 55% von Immobilienfonds.<br />

2001 wurden 72% aller grenzüberschreitenden Immobilieninvestitionen in Europa von institutionellen Investoren<br />

getätigt. Und während 1980 in deutschen offenen Immobilienfonds ein Vermögen von ca. 2 Milliarden<br />

€ angelegt war, hatte sich das dort angelegte Kapital bis 2005 auf r<strong>und</strong> 105 Milliarden € mehr als<br />

verfünzigfacht. (Heeg 2008, 81, 83, 86).<br />

31


Ein weiterer Aspekt <strong>der</strong> Finanzialisierung <strong>der</strong> Immobilienwirtschaft ist, dass Finanzkapitalien<br />

häufiger sowohl zu Eigentümern von Immobilien werden als auch einen stärkeren<br />

Einfluss auf die Projektentwicklung <strong>und</strong> Stadtplanung bekommen. Die Stadtentwicklung<br />

kommt damit zunehmend unter den Einfluss finanzkapitalistischer Verwertungsstrategien,<br />

die auch die Qualität von Immobilienprojekten zu beeinflussen scheinen. Heeg weist<br />

darauf hin, dass Finanzinvestoren z.B. häufig an prestigeträchtigen Großprojekten interessiert<br />

sind. Mit Wharf spricht sie davon, dass eine finanzkapitalistische Logik <strong>der</strong> Stadtentwicklung<br />

entstehen könnte:<br />

„[..] it is clear from the surge of investment-driven construction that swept the USA in the<br />

1980ies that finance capital is not some passive actor in the construction of landscapes, but an<br />

active participant with a logic of its own.“ (Wharf 1994, 325, zitiert nach Heeg 2008, 84).<br />

Es lässt sich festhalten, dass <strong>Immobilienmärkte</strong> <strong>und</strong> Märkte für die Finanzierung von Immobilien<br />

seit den 1980ern ihre Qualität verloren haben, in gewissen Grenzen so etwas wie<br />

natürliche Monopole 22 für lokale Banken <strong>und</strong> Sparkassen darzustellen. Mit <strong>der</strong> Öffnung des<br />

Immobilienmarktes für die Finanzindustrie ging einerseits eine quantitative Än<strong>der</strong>ung einher,<br />

denn für eine größere Kapitalmasse sind <strong>Immobilienmärkte</strong> zu einer interessanten Investitionsoption<br />

geworden. Diese gewachsen Masse von Investitionskapital kann gerade in<br />

Metropolen Immobilienpreisspiralen entfachen, die die internationale Konkurrenzfähigkeit<br />

<strong>der</strong> Metropolregion untergraben können. Zugleich ging damit auch ein qualitativer Wandel<br />

einher. Vorrangig metropolitane <strong>Immobilienmärkte</strong> wurden den flexiblen Finanzkapitalien<br />

geöffnet <strong>und</strong> die Umlaufgeschwindigkeit von Kapital im Immobiliensektor konnte teilweise<br />

stark erhöht werden. Finanzkapitalien haben damit heute einen gewachsenen Einfluss<br />

auf die Immobilien- <strong>und</strong> Stadtentwicklung. Dies drückt sich zum einen in einer Internationalisierung<br />

vorrangig metropolitaner <strong>Immobilienmärkte</strong> aus, wie in einer finanzkapitalistischen<br />

Verwertungslogik, die sich baulich in die Stadtkörper einzuschreiben scheint.<br />

3.6 ZYKLIZITÄT VON BOOM UND KRISE<br />

Wie die gesamte kapitalistische Ökonomie sind auch <strong>Immobilienmärkte</strong> von einem Zyklus<br />

von Boom <strong>und</strong> Krise geprägt. Es gibt unterschiedliche <strong>Theorien</strong> zur Ursache dieser<br />

Zyklen, auf die aber an dieser Stelle nicht eingegangen werden soll. Relevanter ist es hier,<br />

die Phänomenologie dieser Zyklen darzustellen. Festzuhalten ist auch, dass die Immobilienwirtschaft<br />

ein sehr relevanter Teilbereich von Nationalökonomien ist <strong>und</strong> sich das Krisengeschehen<br />

dort wie<strong>der</strong>um stark auf die Gesamtökonomie auswirkt. Mit <strong>der</strong><br />

Finanzialisierung <strong>der</strong> <strong>Immobilienmärkte</strong> hat sich dieser Zusammenhang noch verstärkt.<br />

Fred Harrison hat versucht, die Boom-Krisen-Zyklen des britischen Immobiliensektors<br />

bis ins 18. Jahrh<strong>und</strong>ert zu verfolgen <strong>und</strong> er kommt zu dem Schluss, dass diese Zyklen eine<br />

durchschnittliche Länge von 17,4 Jahren haben (Harrison 2008, 103ff). Er geht daher von<br />

einem 18-jährigen Immobilienzyklus aus <strong>und</strong> behauptet, dass nach dem 2. Weltkrieg eine<br />

globale Synchronisierung <strong>der</strong> Immobilienzyklen stattgef<strong>und</strong>en habe. Dieser Krisenzyklus,<br />

so prognostizierte er 2007, müsste 2010 in eine neue Krise eintreten.<br />

Den 18-jährigen Krisenzyklus des Immobiliensektors unterscheidet Harrison in vier Pha­<br />

22 Als natürliche Monopole lassen sich in <strong>der</strong> Geografie „Monopole“ auf <strong>der</strong> Basis von Transportkosten<br />

<strong>und</strong> / o<strong>der</strong> technologischen Einschränkungen bezeichnen. Klassisches Beispiel waren die „Bier-Monopole“<br />

bis in die Nachkriegszeit hinein. Bier ist eine wenig wertvolle, dafür aber schwere <strong>und</strong> in Glasflaschen<br />

auch schwierig zu transportierende Ware. Bier hatte daher eine geringe Reichweite, ließ sich also nicht<br />

profitabel über weitere Strecken „exportieren“ <strong>und</strong> fast jede größere Stadt hatte daher früher ihre eigen(n)<br />

Brauerei(en). Erst mit <strong>der</strong> Reduzierung <strong>der</strong> Transportkosten <strong>und</strong> <strong>der</strong> Erfindung von Bierdosen <strong>und</strong> an<strong>der</strong>en<br />

Mitteln zur Reduktion des Transportbruchs erhöhte sich die Reichweite von Bier <strong>und</strong> ein Prozess <strong>der</strong><br />

Konzentration des Bierkapitals begann, <strong>der</strong> mit dem Aussterben o<strong>der</strong> Aufkauf kleinerer Brauereien einher<br />

ging. Die natürlichen Biermonopole hörten auf zu existieren (vgl. Harvey 2001c).<br />

32


sen (vgl. Abb. 4). Zunächst beginn ein Krisenzyklus mit einer r<strong>und</strong> siebenjährigen Erholungsphase,<br />

in <strong>der</strong> die Immobilienwirtschaft langsam wächst. Dieser gemächliche Aufschwung<br />

wird dann von einer kurzen Rezession in <strong>der</strong> Zyklusmitte abgelöst. Danach beginnt<br />

ein rasanterer, wie<strong>der</strong>um siebenjähriger Aufschwung, den Harrison als Explosionsphase<br />

bezeichnet. Die letzten zwei Jahre dieses Booms bezeichnet Harrison als Phase <strong>der</strong><br />

teuer erkauften Siege, da hier die Euphorie <strong>der</strong> Investoren über den Boom so gesteigert ist,<br />

dass diese vollkommen unrentable, überteuerte Investitionen tätigen. Der Boom endet im<br />

Abschwung <strong>und</strong> <strong>der</strong> Krise,<br />

die laut Harrison ca. vier<br />

Jahre andauert.<br />

Nach Maßgabe <strong>der</strong> Wahrheit<br />

von Harrisons Überlegungen<br />

zum Krisenzyklus<br />

<strong>der</strong> Immobilienwirtschaft<br />

dürfte <strong>der</strong> Immobilienboom<br />

Mitte <strong>der</strong> '00er-Jahre genau<br />

in die Phase <strong>der</strong> teuer<br />

erkauften Siege gefallen<br />

sein. Es ist daher nicht<br />

verw<strong>und</strong>erlich, dass in dieser<br />

Phase viele Investoren,<br />

von <strong>der</strong> Euphorie über den<br />

Abb. 4: Der Boom-Krise-Zyklus <strong>der</strong> Immobilienwirtschaft nach<br />

Harrison. Quelle: Harrison 2008, 124.<br />

Immobilienboom geblendet,<br />

falsche Entscheidungen<br />

trafen <strong>und</strong> Fehlinvestitonen<br />

tätigten. Auch eine Verstär­<br />

kung von Gentrifizierungsprozessen dürfte in <strong>der</strong> Boomphase stattgef<strong>und</strong>en haben. Die<br />

Resultate <strong>der</strong> getätigten Fehlinvestitionen aber dürften erst in den kommenden Jahren voll<br />

zum Tragen kommen. Erst in <strong>der</strong> zweiten Hälfte des gerade begonnenen Jahrzehnts dürften<br />

<strong>Immobilienmärkte</strong> <strong>und</strong> eventuell mit ihnen auch die Gesamtwirtschaft wie<strong>der</strong> an Dynamik<br />

gewinnen. Es ist aber fraglich, wie die Finanzialisierung des Immobiliensektors sich in den<br />

nächsten Jahren auf den Boom-Krise-Zyklus <strong>der</strong> Immobilienwirtschaft auswirken wird <strong>und</strong><br />

ob Harrisons Annahme eines 18-jährigern immobilienwirtschaftlichen Zyklus Gültigkeit<br />

behalten wird.<br />

4 ÖKONOMISCHE THEORIEN DER GENTRIFIZIERUNG<br />

In diesem Kapitel sollen die im vorangegangenen Kapitel erarbeiteten Erkenntnisse über<br />

die Funktionsweise urbaner <strong>Immobilienmärkte</strong> für die Untersuchung von Gentrifizierungsprozessen<br />

genutzt werden. In einem ersten Teil wird daher die von Neil Smith erstmalig<br />

1979 publizierte rent gap-Theorie <strong>der</strong> Gentrifizierung vorgestellt <strong>und</strong> diskutiert 23 . Es wird<br />

sich dabei allerdings nicht an <strong>der</strong> ursprünglichen Form dieser Theorie abgearbeitet, son<strong>der</strong>n<br />

an ihrer überarbeiteten <strong>und</strong> erweiterten Version von 1996 (Smith 1996, vorrangig S.<br />

51-118). In diesem ersten Teil werden Gentrifizierungsprozesse ökonomisch erklärt, allerdings<br />

zunächst auf <strong>der</strong> skalaren Ebene von lokalen urbanen <strong>Immobilienmärkte</strong>n. Im zwei­<br />

23 Die Erstveröffentlichung <strong>der</strong> rent gap-Theorie wurde hier in ihrer neu aufgelegten Variante von 2010<br />

(Smith 2010) rezipiert. Da „Gr<strong>und</strong>rentenlücke-Theorie“ kein schöner Begriff ist hat sich in <strong>der</strong> deutschen<br />

Geografie die Verwendung des englischen Begriffs durchgesetzt.<br />

33


ten Teil werden daher noch einige Thesen zur globalen Einbindung von Gentrifizierung<br />

ausgebreitet. Im dritten Teil werden dann Überlegungen zur einer Entwicklungsgeschichte<br />

von Gentrifizierungsprozessen vorgestellt <strong>und</strong> auf den sich verän<strong>der</strong>nden Einfluss <strong>der</strong> Finanzindustrie<br />

auf diese Entwicklung hin untersucht.<br />

4.1 NEIL SMITHS RENT GAP-THEORIE<br />

Neil Smith, <strong>der</strong> für Lees / Slater / Wyly (2008, 39-86) <strong>der</strong> prominenteste Vertreter produktionsseitiger<br />

Erklärungen von Gentrifizierungsprozessen ist, grenzt sich selbst in <strong>der</strong> 1996<br />

herausgegebenen Version seiner rent gap-Theorie von dem <strong>und</strong>ialektischen Gegensatz von<br />

konsumptionsseitigen <strong>und</strong> produktionsseitigen Erklärungsansätzen <strong>der</strong> Gentrifizierung ab.<br />

Er versucht, die konsumptionsseitigen Erklärungsansätze zu wi<strong>der</strong>legen, unter an<strong>der</strong>em mit<br />

dem empirischen Argument, dass Gentrifizierungsprozesse in einem engen historischen<br />

Fenster in vielen Großstädten <strong>der</strong> westlichen Welt <strong>und</strong> tendenziell international einsetzten.<br />

Dieses Phänomen aber, so Smith, lässt sich nicht mit einem theoretischen Ansatz erklären,<br />

<strong>der</strong> die Ursache von Gentrifizierungsprozessen in den individuellen Entscheidungen von<br />

Konsumenten sieht, denn:<br />

„If cultural choice and consumer preference really explain gentrification, this amounts either to<br />

the hypothesis that individual preferences change in unison not only nationally but internationally<br />

– a bleak view of human nature and cultural individuality – or that the overriding constrains are<br />

strong enough to obliterate the indivduality implied in consumer preference.“ (Smith 1996, 55).<br />

Und er versucht weiter zu bestimmen, welche „constrains“, also Zwänge o<strong>der</strong> Notwendigkeiten,<br />

es sind, die die individuellen Entscheidungen <strong>der</strong> Akteure so eingrenzen, dass sie<br />

eine Internationalisierung von Gentrifizierungsprozessen zum Resultat haben:<br />

„To explain gentrification according to the gentrifier's preference alone, while ignoring the role of<br />

buil<strong>der</strong>s, developers, landlords, mortage len<strong>der</strong>s, government agencies, real estate agents – gentrifiers<br />

as producers – is excessively narrow. A broa<strong>der</strong> theory of gentrification must take the role of<br />

the producers as well as the consumers into account, and when this is done it appears that the<br />

needs of production – in particular the need to earn profit – are a more decisive initiative behind<br />

gentrification than consumer preference. […] the relationship between production and consumption<br />

is symbiotic, but it is a symbiosis in which the movement of capital in search of profit predominates.“<br />

(Smith 1996, 57).<br />

Seine Auffassung von Gentrifizierung ist also, dass:<br />

„[...] the complexity of capital mobility in and out of the built environment lies at the heart of the<br />

process.“ (Smith 1996, 51).<br />

Smith formuliert damit den Anspruch, <strong>der</strong> auch in dieser Arbeit verfolgt wird, nämlich<br />

Gentrifizierungsprozesse aus <strong>der</strong> Akkumulationsdynamik des Kapitals zu erklären. Diese<br />

Akkumulationsdynamik kann sich aber nur über das Handeln <strong>der</strong> unterschiedlichen institutionellen<br />

<strong>und</strong> individuellen Akteure durchsetzen. Die Akkumulationsdynamik ist damit<br />

zwar das Übergreifende, aber sie ist immer vermittelt über die Akteure <strong>und</strong> <strong>der</strong>en Handeln<br />

wird zu einem Moment <strong>der</strong> Akkumulationsdynamik, das sich aber nicht unbedingt wi<strong>der</strong>spruchslos<br />

in diese einfügt.<br />

Die Entscheidungen <strong>der</strong> Akteure sind daher in keiner Weise in einer Theorie <strong>der</strong> Gentrifizierung<br />

zu vernachlässigen, aber es existiert ein gesellschaftlicher Rahmen dieser Entscheidungen,<br />

<strong>der</strong> sie in gewissen Grenzen homogenisiert. Denn, so Smith, eine individuelle<br />

Überlegung <strong>der</strong> Akteure ist zentral, wenn es um Gentrifizierung geht: die Entscheidung,<br />

wo eine ökonomisch sinnvolle Investition in Immobilien getätigt werden kann. Smith argumentiert<br />

also, dass die individuellen Entscheidungen <strong>der</strong> Akteure einer überindividuellen<br />

Logik folgen, die sich hinter dem Rücken <strong>der</strong> Akteure durchsetzt <strong>und</strong> in ihren Entscheidungen<br />

<strong>und</strong> Handlungen manifestiert. Diese überindividuelle Logik ist die Logik <strong>der</strong> profita­<br />

34


len Investition, Adam Smiths „invisible hand“, da nur die wenigsten Akteure bereit sind<br />

ein Haus <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>stück zu kaufen, wenn sich erwarten lässt, dass dieser Kauf einen finanziellen<br />

Verlust für sie bedeuten wird.<br />

Für eine Theorie <strong>der</strong> Gentrifizierung stellt sich auf dieser konzeptionellen Basis damit<br />

aber eine neue zentrale Frage:<br />

„A theory of gentrification must therefore explain why some neighborhoods are profitable to<br />

redevelop while others are not. What are the conditions for profitability? Consumer sovereignty<br />

explanations have taken for granted the availability of areas ripe for gentrification when this was<br />

precisely what had to be explained.“ (Smith 1996, 57)<br />

Smith ist also er Auffassung, dass eine Theorie <strong>der</strong> Gentrifizierung nicht erst da ansetzen<br />

darf, wo Gentrifizierungsprozesse, wenn sie sich auch erst im Initialstadium befinden, bereits<br />

evident sind. Eine Theorie <strong>der</strong> Gentrifizierung muss einen Schritt früher einsetzen, mit<br />

<strong>der</strong> Frage, wie es dazu kommt, dass die Gentrifizierung bestimmter Stadtquartiere zu einer<br />

profitablen Investition wird. Die Gentrifizierungsforschung muss also die Frage nach den<br />

Profitabilitätsbedingungen für Gentrifizierungsprozesse stellen <strong>und</strong> erklären können,<br />

warum bestimmte Stadtviertel profitabel revitalisiert werden können.<br />

4.1.1 DIE ENTSTEHUNG GENTRIFIZIERBARER STADTQUARTIERE<br />

Um die Frage zu klären, wie es zur Entstehung von Stadtquartieren kommt, die „reif für<br />

ihre Gentrifizierung“ sind, schreibt Smith eine kurze Geschichte kapitalistischer Urbanisierung.<br />

Diese Geschichte lässt sich am einfachsten an Städten <strong>der</strong> Neuen Welt schreiben, also<br />

an Städten Nordamerikas etwa. Diese Städte haben, da sie sehr jung sind, nur eine innerkapitalistische<br />

Geschichte, während in Städten aus älteren Hochkulturen viele h<strong>und</strong>ert Jahre<br />

vorkapitalistischer Entwicklungsgeschichte baulich materialisiert sein können. Es sei hier<br />

damit vorweg angemerkt, dass Smiths Überlegungen an US-amerikanischen Städten entwickelt<br />

wurden <strong>und</strong> dort sicherlich auch die stärkste empirische Evidenz besitzen, auch wenn<br />

sie generelle Geltung beanspruchen können.<br />

Smiths Theorie des rent gap fußt erstens auf <strong>der</strong> Theorie <strong>der</strong> Gr<strong>und</strong>rente, wie sie weiter<br />

oben dargestellt wurde, wobei er zusätzlich betont, dass das Gr<strong>und</strong>eigentum zugleich mit<br />

einer monopol-ähnlichen Verfügungsgewalt des Eigentümers über die Verwendung des Bodens<br />

einher geht. Auch er hält zweitens fest, dass Investitionen in Gebäude eine sehr lange<br />

Umschlagszeit des Kapitals mit sich bringen. Drittens haben auch Immobilien selbst eine<br />

sehr lange Lebensdauer, in <strong>der</strong> Regel Jahrzehnte, <strong>und</strong> das in ihnen geb<strong>und</strong>ene Kapital ist in<br />

<strong>der</strong> baulichen Substanz räumlich fixiert. Aus diesen drei Bestimmungen ergibt sich, dass<br />

beim Bau einer Stadt zunächst große Kapitalmassen in Gebäude, Infrastruktur,<br />

Verkehrswege usw. investiert werden müssen, <strong>und</strong> dass diese Investitionen sowohl in<br />

materieller, wie in <strong>ökonomische</strong>r Hinsicht auf lange Zeit hin räumlich fixiert o<strong>der</strong><br />

geb<strong>und</strong>en sind. Sowohl das im Stadtkörper geb<strong>und</strong>ene Kapital wie seine materielle<br />

Bausubstanz bilden damit aber eine Schranke weiterer Kapitalakkumulation <strong>und</strong> Bebauung<br />

in situ, d.h. am selben Ort. Obwohl <strong>der</strong> Bau einer Stadt Moment <strong>der</strong> Kapitalakkumulation<br />

ist, kann die gebaute Stadt also zur Grenze weiterer Kapitalakkumulation in situ werden.<br />

Smith erklärt dies aus den selben drei Bestimmungen des kapitalistischen Immobilienmarktes.<br />

Die monopol-ähnliche Verfügungsgewalt des Eigentümers über ein Gr<strong>und</strong>stück<br />

kann verhin<strong>der</strong>n, dass dieses für eine Neuinvestition verkauft wird 24 . Die lange Umschlagszeit<br />

des Kapitals im Immobiliensektor kann den Kapitalzufluss aus an<strong>der</strong>en Sektoren be­<br />

24 Dieses Problem hat in den frühen Schriften von Marx <strong>und</strong> Engels eine prominente Stellung, da zu Beginn<br />

<strong>der</strong> Industrialisierung häufig starke Konflikte zwischen dem entstehenden Industriekapital <strong>und</strong> den feudalen<br />

Gr<strong>und</strong>eigentümern bestanden, die es den Industriekapitalisten schwer machten Gr<strong>und</strong>eigentum für Fabriken,<br />

Bergwerke usw. von den Aristokraten zu kaufen (vgl. Sa<strong>und</strong>ers 1987, 22-33). Das Gr<strong>und</strong>eigentum<br />

war noch nicht in ausreichendem Maße zur Ware geworden <strong>und</strong> dies behin<strong>der</strong>te die Kapitalakkumulation.<br />

35


hin<strong>der</strong>n, so lange Sektoren mit niedrigerer Umlaufgeschwindigkeit noch profitabel bleiben.<br />

Die örtliche Geb<strong>und</strong>enheit o<strong>der</strong> Fixierung des Kapitals <strong>und</strong> <strong>der</strong> baulichen Substanz zwingt<br />

neue Investitionen dazu an an<strong>der</strong>e, eventuell nachteiligere Orte auszuweichen <strong>und</strong><br />

verhin<strong>der</strong>t eine Neubebauung bis das investierte Kapital sein <strong>ökonomische</strong>s Leben „ausgelebt“<br />

hat 25 .<br />

Aus diesen drei Ursachekomplexen, so Smith, wurde die frühindustrielle Stadt zur Grenze<br />

weiterer Kapitalakkumulation. Die Suburbanisierung begreift er damit als Reaktion des<br />

Kapitals auf diese Grenze. Wie ist das zu verstehen? Smith argumentiert, dass die Gr<strong>und</strong>stückspreise<br />

im 19. Jahrh<strong>und</strong>ert grob dem klassischen Bodenpreiskegel glichen. Während<br />

die Stadt wuchs, stiegen die Bodenpreise im Zentrum, während sich zugleich die Basis des<br />

Bodenpreiskegels ausdehnte. Das Wachstum von Stadt <strong>und</strong> Bodenpreiskegel verläuft aber<br />

nicht zeitlich kontinuierlich, son<strong>der</strong>n ist geprägt von den Boom-Krise-Zyklen des Immobiliensektors.<br />

Stadterweiterungen erfolgen damit vorrangig im Zusammenhang mit Boomphasen<br />

<strong>und</strong> <strong>der</strong> Stadtkörper kann zum Teil als bauliche Manifestation dieser Boomphasen<br />

dechiffriert werden. In dem Maße aber, wie eine Stadt wuchs, wurde die Expansion etwa<br />

<strong>der</strong> in ihrem Inneren angesiedelten Industrie schwierig. Denn gerade für die Industrie war<br />

es zu teuer, innerhalb <strong>der</strong> frühindustriellen Städte zu expandieren, da dort die Bodenpreise<br />

stark angestiegen waren <strong>und</strong> drohten, die Produktionskosten mit in die Höhe zu ziehen.<br />

Daher erfolgte die Expansion <strong>der</strong> Industrie an <strong>der</strong> Stadtgrenze, also dort, wo <strong>der</strong> städtische<br />

Bodenpreiskegel seine Basis hat. Die Industrie suchte sich also jene Lokalitäten, an denen<br />

sie eine möglichst geringe Gr<strong>und</strong>rente zahlen musste <strong>und</strong> diese Lokalitäten lagen am<br />

Stadtrand. Smith datiert den Beginn dieser Suburbanisierung <strong>der</strong> Industrie in den USA auf<br />

die Zeit nach <strong>der</strong> Depression von 1893-1897 (Smith 1996, 59). Der Suburbanisierung <strong>der</strong><br />

Industrie folgte die Suburbanisierung von Wohnfunktionen.<br />

Smiths Argument basiert also auf <strong>der</strong> Überlegung, dass die Bestimmungen kapitalistischer<br />

<strong>Immobilienmärkte</strong> die Profitabilität von Neuinvestitionen in den Kernstädten um das Jahr<br />

1900 stark einschränkten. Immobilienkapital drängte daher an den Stadtrand, wo die<br />

Gr<strong>und</strong>rente niedrig, Gr<strong>und</strong>stücke verfügbar <strong>und</strong> die Risiken gering waren. Diese Relokalisierung<br />

des Immobilienkapitals von <strong>der</strong> Kernstadt in die entstehende suburbane Zone bedeutete<br />

aber zugleich einen Abzug von Kapital aus den Kernstädten:<br />

„In fact, the inner city was adversely affected by this movement of capital to the suburbs where<br />

higher returns were available: a combination of neglect and concerted disinvestment by investors,<br />

due to high risk and low rates of return, initiated a long period of detoriation and a lack of new<br />

capital investment in the inner city.“ (Smith 1996, 60)<br />

Die einzige Ausnahme von dieser Suburbanisierung des Immobilienkapitals, <strong>der</strong> damit<br />

einher gehenden Unterkapitalisierung kernstädtischer <strong>Immobilienmärkte</strong> <strong>und</strong> den daraus<br />

resultierenden Phänomenen wie Verslumung <strong>und</strong> einem generellen Verfall, existierte in den<br />

Geschäftszentren <strong>der</strong> Städte, den Central Business Districts (CBD). In den CBDs fanden<br />

weiterhin substanzielle Kapitalinvestitionen statt, was sich etwa im Hochhausbau ab den<br />

1920er Jahren sinnlich manifestierte. Dort müssen also Funktionen angesiedelt gewesen<br />

sein, die in <strong>der</strong> Lage waren, die gestiegenen Gr<strong>und</strong>renten zu zahlen <strong>und</strong> auch das bereits in<br />

<strong>der</strong> baulichen Substanz fixierte Kapital im Verhältnis zu potenziellen Neuinvestitionen <strong>der</strong>art<br />

zu entwerten, dass Abriss <strong>und</strong> Neubebauung sich rentierten. Wohnfunktionen gehörten<br />

zumeist nicht in diese Gruppe wertschöpfungsstarker Immobilieninvestitionen, woraus sich<br />

25 Smith schreibt hier: „[...] until invested capital has lived out it economic life.“ (Smith 1996, 59). Dieser<br />

Begriff ist sehr vage <strong>und</strong> macht keine Angaben darüber, wann Kapital sein <strong>ökonomische</strong>s Leben ausgelebt<br />

haben sollte. Empirisch lässt sich beobachten, dass die Neubebauungszyklen in Städten sehr unterschiedlich<br />

sind. So sollen sie in den boomenden Metropolen Chinas <strong>der</strong>zeit bei nur r<strong>und</strong> 30 Jahren liegen, während<br />

viele Gebäude des innenstädtischen Berlins um 100 Jahre alt sind. Es stellt sich als die Frage, welche<br />

Bedingungen steuern, wann Kapital im Immobiliensektor sein <strong>ökonomische</strong>s Leben ausgelebt hat.<br />

36


die funktionale Entmischung <strong>der</strong> CBDs <strong>und</strong> die dortige Konzentration von Geschäfts- <strong>und</strong><br />

Bürobauten ableiten lässt. Diese funktionale Entmischung <strong>der</strong> (Kern-) Städte wurde 1933<br />

mit <strong>der</strong> Charta von Athen auch zum städtebaulichen Leitbild erhoben, dass sich allerdings<br />

erst nach dem 2. Weltkrieg durchsetzte.<br />

Es lässt sich zusammenfassen, dass Smith die Suburbanisierung aus den relativ schlechten<br />

Akkumulationsbedingungen des Kapitals in den Kernstädten <strong>und</strong> <strong>der</strong> höheren Profitabilität<br />

von Investitionen am Stadtrand, wo das Gr<strong>und</strong>rentenniveau niedrig war, begreift. Diese<br />

Überlegung Smiths hat ihre empirische Basis in Untersuchungen des städtischen<br />

Bodenpreisgefüges, die Homer Hoyt, Angehöriger <strong>der</strong> Chicago-School <strong>der</strong> Stadtforschung,<br />

in den 1930er Jahren durchführte. Wie aus Abb. 5 ersichtlich wird, entdeckte Hoyt 1928<br />

eine systematische Abweichung des Bodenpreisgefüges in Chicago von dem Modell des<br />

Bodenpreiskegels. Während das Bodenpreisgefüge 1873 <strong>und</strong> 1892 dem Modell des<br />

Bodenpreiskegels entspricht, enthält die Kurve von 1928 eine von Hoyt als „land value<br />

valley“, also als „Bodenwerttal“, bezeichnete Beson<strong>der</strong>heit. Hoyt hält fest, dass in diesem<br />

Bereich um den CBD die Gebäude in <strong>der</strong> Regel älter als 40 Jahre sind <strong>und</strong> dort diejenigen<br />

wohnen, die die geringste Fähigkeit zur Zahlung von Gr<strong>und</strong>rente haben <strong>und</strong> laut Smith<br />

rätselte er über dieses Phänomen, konnte<br />

es aber nicht erklären <strong>und</strong> ignorierte es<br />

später.<br />

Die „Beson<strong>der</strong>heit“ des land value valley<br />

lässt sich allerdings in vielen Städten<br />

Nordamerikas, Australiens <strong>und</strong> auch Europas<br />

finden, sie hat allgemeine Gültigkeit.<br />

Smith hält fest, dass das land value valley<br />

bis in die 1960er Jahre wuchs <strong>und</strong> in diesem<br />

Zeitraum in Chicago wie in New York<br />

eine räumliche Ausdehnung von gut 10<br />

Kilometern erreichte.<br />

Auf <strong>der</strong> Basis <strong>der</strong> empirischen Studien<br />

Hoyts <strong>und</strong> mit Hilfe einer marxistischen<br />

Analyse wesentlicher Bestimmungen kapitalistischer<br />

Gr<strong>und</strong>stücks- <strong>und</strong> <strong>Immobilienmärkte</strong><br />

gelingt es Smith also, die Relokalisierung<br />

des Kapitals von <strong>der</strong> Kernstadt an<br />

den Stadtrand zu erklären, in <strong>der</strong>en Zuge<br />

Abb. 5: Ergebnisse <strong>der</strong> empirischen Untersuchung<br />

des Bodenpreiskegels in Chicago von Hoyt. Vgl. mit<br />

<strong>der</strong> Interpretation des land value valley von Kulke in<br />

Abb. 3. Quelle: Smith 1996, 60.<br />

4.1.2 DIE RENT GAP-THEORIE<br />

Smith behauptet, dass:<br />

es zu Desinvestition, Kapitalentwertung<br />

<strong>und</strong> Stadtverfall im kernstädtischen<br />

Bereich des land value valley kommt.<br />

Damit ist die Basis für Smiths rent gap-<br />

Theorie gelegt.<br />

„A theory of gentrification will need to explain the historical process of capital devalorization in<br />

the inner city and the precise way in which this devalorization produces the possibility for<br />

profitable reinvestment.“ (Smith 1996, 61)<br />

Die Relokalisierung von Immobilienkapital vom kernstädtischen land value valley in die<br />

suburbane Zone wurde bereits dargestellt. An diesem Punkt <strong>der</strong> Argumentation ist zu erklären,<br />

wie diese Entwertung von kernstädtischem Immobilienkapital die Bedingungen für<br />

37


eine profitable Reinvestition im Bereich des land value valley schafft. Diese Erklärung<br />

gründet Smith auf vier Kategorien: Immobilienwert, Verkaufspreis, kapitalisierte Gr<strong>und</strong>rente<br />

<strong>und</strong> potenzielle Gr<strong>und</strong>rente (Smith 1996, 61ff). Diese Kategorien müssen zunächst<br />

eingeführt werden.<br />

Der Immobilienwert („house value“ im englischen Original) wird bestimmt durch die zur<br />

Errichtung <strong>der</strong> Immobilie gesellschaftlich durchschnittliche Arbeitszeit. Zusätzlich wird<br />

<strong>der</strong> Immobilienwert sowohl durch eine Entwertung <strong>der</strong> Immobilie durch <strong>der</strong>en Benutzung,<br />

als auch eine Aufwertung durch Sanierungsmaßnahmen beeinflusst. Der Verkaufspreis einer<br />

Immobilie hingegen enthält nicht nur den Wert <strong>der</strong> Immobilie, son<strong>der</strong>n ebenfalls eine<br />

Zahlung für das Gr<strong>und</strong>stück <strong>und</strong> die auf ihm abgeschöpfte Gr<strong>und</strong>rente, die mit <strong>der</strong> Immobilie<br />

verkauft werden. Unter kapitalisierter Gr<strong>und</strong>rente versteht Smith die mit einem<br />

Gr<strong>und</strong>stück real durch den Eigentümer abgeschöpfte Gr<strong>und</strong>rente. Er hält fest, dass die<br />

Gr<strong>und</strong>rente für gewöhnlich nicht als solche erscheint, son<strong>der</strong>n etwa in Form von Mietzahlungen,<br />

in denen eine Abzahlung des Immobilienwerts <strong>und</strong> die Gr<strong>und</strong>rente zusammen fallen.<br />

In dem Fall, dass Gr<strong>und</strong>eigentümer <strong>und</strong> Nutzer eines Gr<strong>und</strong>stücks zusammen fallen,<br />

erscheint die Gr<strong>und</strong>rente sogar nur im Verkaufspreis des Gr<strong>und</strong>stücks. Von <strong>der</strong> kapitalisierten<br />

Gr<strong>und</strong>rente unterscheidet Smith die potenzielle Gr<strong>und</strong>rente. Die potenzielle Gr<strong>und</strong>rente<br />

ist die potenziell mit dem Gr<strong>und</strong>stück erwirtschaftbare Gr<strong>und</strong>rente, wenn dessen <strong>der</strong>zeitige<br />

Nutzung verdrängt <strong>und</strong> durch die zum gegebenen historischen Zeitpunkt wertschöpfungsstärkste<br />

o<strong>der</strong> zumindest eine wertschöpfungsstärkere Nutzung ersetzt wird.<br />

Wie aber lässt sich mit Hilfe dieser Kategorien Gentrifizierung ökonomisch erklären?<br />

Smith argumentiert, das nach <strong>der</strong> Fertigstellung einer Immobilie ein spezifischer Zyklus<br />

<strong>der</strong> Entwertung dieser Immobilie beginnt. Ist ein Stadtquartier fertiggestellt worden, dann<br />

wird <strong>der</strong> Wert <strong>der</strong> Immobilien in diesem Quartier durch den Wert <strong>der</strong> Gebäude <strong>und</strong> Infrastruktur<br />

<strong>und</strong> <strong>der</strong> abgeschöpften Gr<strong>und</strong>rente bestimmt. Zu Beginn <strong>der</strong> Nutzung <strong>der</strong> Gebäude<br />

steigt <strong>der</strong>en Preis in <strong>der</strong> Regel <strong>und</strong> zwar in Abhängigkeit vom Wachstum <strong>der</strong> Stadt <strong>und</strong><br />

dem damit einher gehenden Wachsen des Bodenpreiskegels. Nach einer gewissen Zeit setzt<br />

aber häufig ein Prozess <strong>der</strong> Entwertung des Stadtquartiers <strong>und</strong> <strong>der</strong> dort gelegenen Immobilien<br />

ein. Dies ist allerdings nicht notwendig, es gibt auch Stadtquartiere, die stabil bleiben.<br />

Smith nennt für die Entwertung drei Gründe: die Erhöhung <strong>der</strong> Arbeitsproduktivität im<br />

Immobiliensektor, die den Wert bereits gebauter Immobilien senkt, da vergleichbare Immobilien<br />

jetzt billiger produziert werden können; architektonische Moden, die dazu führen<br />

können, dass bestimmte Architekturstile obsolet werden <strong>und</strong> den Preis von Immobilien in<br />

diesem Stil senken (hier ist anzumerken, dass auch genau das Gegenteil <strong>der</strong> Fall sein kann,<br />

ein wichtiger Aspekt gerade <strong>der</strong> klassischen Gentrifizierungsprozesse in den Grün<strong>der</strong>zeitvierteln);<br />

<strong>und</strong> <strong>der</strong> bauliche Verfall 26 . Hinzuzufügen ist, dass auch die in <strong>der</strong> baulichen<br />

Struktur materialisierte Nutzung des Gebäudes obsolet werden kann. Ein Beispiel wäre ein<br />

Bürogebäude eines vertikal integrierten fordistischen Konzerns, dass unter den Bedingungen<br />

eine flexibilisierten Ökonomie, die stärker auf <strong>der</strong> Gr<strong>und</strong>lage vernetzter kleinerer Betriebe<br />

basiert, auf die Bedürfnisse dieser kleinen Betriebe nicht mehr zugeschnitten ist.<br />

Unter den Bedingungen, dass <strong>der</strong> Wert <strong>der</strong> Immobilie aus den genannten Gründen zu sinken<br />

beginnt <strong>und</strong> sich auch die mit dem Gr<strong>und</strong>stück erzielte Gr<strong>und</strong>rente nicht erhöhen lässt,<br />

wird es für die Eigentümer immer unattraktiver, in die Erhaltung o<strong>der</strong> Verbesserung <strong>der</strong><br />

baulichen Substanz zu investieren. In diesem Zusammenhang sind Quartierseffekte sehr relevant.<br />

Wenn ein ganzes Quartier abwertet, werden Investitionen eines einzelnen Eigentümers<br />

in seine Immobilie, die über das im Quartier durchgesetzte Niveau hinaus gehen, in<br />

26 Smith stellt an dieser Stelle <strong>der</strong> Argumentation den klassischen Verlauf <strong>der</strong> Entwertung von Stadtquartieren<br />

in den USA dar. Dieser Verlauf ist aber stark von nationalen <strong>und</strong> regionalen Beson<strong>der</strong>heiten geprägt,<br />

auch wenn Smith darauf hin weist, dass er im Prinzip auch außerhalb <strong>der</strong> USA zu beobachten ist, so auch<br />

in an<strong>der</strong>en Formen. Hier werden nur jene Prozesse dargestellt, die transnationale Gültigkeit haben.<br />

38


<strong>der</strong> Regel zu einem Verlust führen, da <strong>der</strong> Eigentümer nicht in <strong>der</strong> Lage sein wird einen<br />

substanziell höheren Mietzins für seine Immobilie zu verlangen, als im Quartier normal ist.<br />

Er kann also seine höheren Investitionen nicht wie<strong>der</strong> herein holen. Insgesamt werden Investitionen<br />

in die Sanierung o<strong>der</strong> Verbesserung <strong>der</strong> Immobilien immer unattraktiver, da<br />

sich durch <strong>der</strong>artige Investitionen keine substanzielle Wertsteigerung erzielen lässt. Zudem<br />

existieren in <strong>der</strong> suburbanen Zone wesentlich attraktivere Investitionsmöglichkeiten. Eigentümer<br />

beginnen unter diesen Bedingungen häufig ihre Immobilien zu „melken“. Mit<br />

<strong>der</strong> Phrase „to milk a property“ wird in <strong>der</strong> englischsprachigen Gentrifizierungsforschung<br />

ein Zustand bezeichnet, in dem die Immobilieneigentümer nur noch so viel in die Aufrechterhaltung<br />

ihres Gebäudes investieren, dass dieses überhaupt noch vermietbar ist. Es wird<br />

also tendenziell nichts mehr investiert <strong>und</strong> nur noch Gr<strong>und</strong>rente in Form des Mietzinses<br />

abgeschöpft. Wenn die absolut notwendigen Investitionen in ein Gebäude die mit ihm erzielbaren<br />

Mieterträge übersteigen, wird das Gebäude nicht mehr vermietet <strong>und</strong> aufgegeben.<br />

Der Zyklus <strong>der</strong> Entwertung ist abgeschlossen.<br />

Wie schafft nun dieser Zyklus <strong>der</strong> Entwertung<br />

die Voraussetzungen für eine profitable<br />

Reinvestition von Kapital? Hier<br />

kommt Smiths Unterscheidung in kapitalisierte<br />

<strong>und</strong> potenzielle Gr<strong>und</strong>rente ins<br />

Spiel. Die kapitalisierte Gr<strong>und</strong>rente ist die<br />

aktuell abgeschöpfte Gr<strong>und</strong>rente. Durch<br />

den Zyklus <strong>der</strong> Entwertung weicht diese<br />

kapitalisierte Gr<strong>und</strong>rente immer stärker<br />

von <strong>der</strong> potenziell erzielbaren Gr<strong>und</strong>rente<br />

ab, wenn das Gr<strong>und</strong>stück einer wertschöpfungsstärkeren<br />

Nutzung zugeführt würde.<br />

Diese Abweichung von kapitalisierter <strong>und</strong><br />

potenzieller Gr<strong>und</strong>rente, die sich durch<br />

den Zyklus <strong>der</strong> Entwertung auftut, nennt<br />

Smith den rent gap (vgl. Abb. 7). Der rent<br />

gap resultiert damit aus <strong>der</strong> dem<br />

Immobilienkapital eigentümlichen<br />

Qualität, dass dieses zeitlich <strong>und</strong> räumlich<br />

fixiert ist. Es lässt sich daher nicht so<br />

einfach abziehen <strong>und</strong> in eine an<strong>der</strong>e In­<br />

Abb. 6: Grafische Darstellung von Smiths rent gap-<br />

Theorie. Der rent gap öffnet sich mit <strong>der</strong> Zeit<br />

zwischen kapitalisierter <strong>und</strong> potenzieller Gr<strong>und</strong>rente.<br />

Quelle: Smith 1996, 65.<br />

vestition umschichten, wenn die mit ihm erzielbare Profitrate bzw. Gr<strong>und</strong>rente fällt <strong>und</strong><br />

entsprechend wird das Immobilienkapital entwertet 27 . Ist <strong>der</strong> rent gap weit genug gewachsen,<br />

sind die Rentabilitätskriterien für eine profitable Reinvestition von Kapital in das<br />

Gr<strong>und</strong>stück erreicht <strong>und</strong> Gentrifizierung o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Prozesse <strong>der</strong> Inwertsetzung können<br />

einsetzen. Smith schreibt:<br />

„Gentrification occurs when the gap is sufficiently wide that developers can purchase structures<br />

cheaply, can pay the buil<strong>der</strong>'s costs and profit for rehabilitation, can pay interest on mortage and<br />

construction loans, and can then sell the end product for a sale price that leaves a satisfactory<br />

return to the developer. The entire gro<strong>und</strong> rent, or a large portion of it, is now capitalized; the<br />

neighborhood is thereby „recycled“ and begins a new cycle of use.“ (Smith 1996, 68).<br />

Smith kann mit seiner rent gap-Theorie also Kriterien angeben, wann die Bedingungen er­<br />

27 Es sei angemerkt, dass auch an<strong>der</strong>e Kapitalformen nicht völlig flexibel sind. Industriekapital etwa, angelegt<br />

in Arbeitskraft, Maschinerie, Fabrikhalle <strong>und</strong> Vorprodukte, kann zwar relativ einfach aus Arbeitskraft<br />

<strong>und</strong> Vorprodukten abgezogen werden, Maschinerie <strong>und</strong> Fabrikhalle sind aber fixiert <strong>und</strong> Objekt von Entwertungsprozessen,<br />

aus diesen kann Kapital zumeist nicht ohne Verlust abgezogen werden.<br />

39


füllt sind, die die Reinvestition von Kapital in ein entwertetes Stadtquartier profitabel machen.<br />

Diese Profitabilität ist gegeben, wenn <strong>der</strong> rent gap zwischen kapitalisierter <strong>und</strong> potenzieller<br />

Gr<strong>und</strong>rente so groß geworden ist, dass die Kosten einer Inwertsetzung des<br />

Gr<strong>und</strong>stückes <strong>und</strong> <strong>der</strong> Immobilie unter dem zu erwartendem Verkaufs- o<strong>der</strong> Vermietungserlös<br />

liegen, wenn die Immobilie einer wertschöpfungsstärkeren Nutzung zugeführt wird.<br />

Unter diesen Bedingungen können Gentrifizierungsprozesse einsetzen.<br />

Wie aus diesen Formulierungen deutlich wird, haben wir es hier aber nicht mit konstanten,<br />

son<strong>der</strong>n mit variablen Größen zu tun, die zudem in einem Interdependenzverhältnis zu<br />

einan<strong>der</strong> stehen. Die Größe <strong>der</strong> relevanten Variablen ergibt sich also aus <strong>der</strong>en Relation zu<br />

einan<strong>der</strong>. Damit lässt sich aber auch die weiter oben in einer Fußnote aufgeworfene Frage<br />

klären, wann denn das Immobilienkapital sein <strong>ökonomische</strong>s Leben ausgelebt hat. Dies ist<br />

<strong>der</strong> Fall, wenn <strong>der</strong> rent gap so groß geworden ist, dass sich eine Reinvestition von Kapital<br />

rentiert.<br />

Dies passiert gewöhnlich nach einem langen Zyklus <strong>der</strong> Entwertung investierten Immobilienkapitals.<br />

Es gibt aber auch eine zweite Möglichkeit. Wenn nämlich <strong>der</strong> urbane Immobilienpreiskegel<br />

insgesamt stark steigt, dann kann sich ein rent gap auch öffnen, wenn Immobilien<br />

keinen Entwertungszyklus durchlaufen haben. Die Geschwindigkeit, mit <strong>der</strong> sich ein<br />

rent gap öffnet ist damit abhängig von <strong>der</strong> Geschwindigkeit, mit <strong>der</strong> das Boden- <strong>und</strong> Immobilienpreisniveau<br />

in <strong>der</strong> Gesamtstadt wächst. Bleibt dies verhältnismäßig konstant, dann<br />

kann, wie im Falle Berlins, die bauliche Substanz zwar saniert <strong>und</strong> eventuell auch gentrifiziert<br />

werden, aber sie bleibt für mehr als 100 Jahre im Wesentlichen erhalten. Boomt eine<br />

Stadt aber, etwa Chongqing, dann kann es sein, dass sich rent gaps so schnell öffnen, dass<br />

sich <strong>der</strong> Abriss <strong>und</strong> die Neubebauung ganzer Stadtviertel schon nach wenigen Jahrzehnten<br />

rentieren <strong>und</strong> die bauliche Substanz einer Stadt zwei o<strong>der</strong> drei mal im Jahrh<strong>und</strong>ert weitgehend<br />

ersetzt wird.<br />

Hingewiesen werden soll an dieser Stelle darauf, dass die im vorangegangenen Kapital<br />

angesprochene Finanzialisierung <strong>und</strong> die damit einhergehende Überhitzung metropolitaner<br />

<strong>Immobilienmärkte</strong> einen starken Einfluss auf die Öffnung von rent gaps haben kann. Denn<br />

dringen größere Massen anlagehungrigen Finanzkapitals auf den Immobilienmarkt einer<br />

Stadt, dann kann dies zu einem starken Anstieg <strong>der</strong> Immobilienpreise <strong>und</strong> damit auch <strong>der</strong><br />

potenziellen Gr<strong>und</strong>rente führen. Der Zufluss von Kapitalmassen in den Immobilienmarkt<br />

dürfte daher dazu führen, dass sich rent gaps schneller öffnen <strong>und</strong> damit auch die Profitabilitätsbedingungen<br />

für Gentrifizierungsprozesse o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Formen <strong>der</strong> Inwertsetzung <strong>der</strong><br />

Stadt schneller erreicht werden.<br />

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Neil Smith mit seiner rent gap-Theorie in <strong>der</strong><br />

Lage ist zu erklären, wie es dazu kommt, dass es profitabel ist, bestimmte Stadtquartiere zu<br />

Gentrifizieren <strong>und</strong> wann diese Profitabilität erreicht ist. Wesentlich ist dabei, dass die Herstellung<br />

<strong>der</strong> Profitabilitätsbedingungen für Gentrifizierungsprozesse in <strong>der</strong> Regel auf einen<br />

Zyklus <strong>der</strong> Entwertung von Stadtquartieren folgt, <strong>der</strong> sich selbst aus <strong>der</strong> räumlichen <strong>und</strong><br />

zeitlichen Geb<strong>und</strong>enheit von Kapitalinvestitionen in Gr<strong>und</strong>stücke <strong>und</strong> Immobilien ableiten<br />

lässt. Smith kann damit sowohl das Phänomen <strong>der</strong> Entwertung von Immobilien als auch<br />

die Suburbanisierung des Kapitals <strong>und</strong> die reziproke Rekonzentration des Kapitals in <strong>der</strong><br />

Kernstadt aus <strong>der</strong> Funktionsweise urbaner <strong>Immobilienmärkte</strong> im Kapitalismus erklären<br />

<strong>und</strong> zwar auf <strong>der</strong> skalaren Ebene einer Stadt. Gentrifizierung wird damit als ein „normales“<br />

Resultat kapitalistischer <strong>Immobilienmärkte</strong> erklärbar, das aber nur eine Form <strong>der</strong> Inwertsetzung<br />

innerstädtischer Gr<strong>und</strong>stücke ist. Zugleich wird Gentrifizierung als ein „back to<br />

the city movement by capital“ begreifbar <strong>und</strong> muss nicht mehr vorrangig aus Konsumentenwünschen<br />

erklärt werden – auch wenn diese sicherlich einen starken Einfluss auf die<br />

Form haben, die Gentrifizierungsprozesse annehmen können. Smith gelingt es also, die<br />

Entstehung von Gentrifizierungsprozessen aus <strong>der</strong> Funktionsweise urbaner Immobilien­<br />

40


märkte ökonomisch zu erklären, weil <strong>der</strong> Akkumulationsprozess des Immobilienkapitals<br />

selbst räumlich disparate Profitabilitätsbedingungen in Städten schafft, die sich zudem in<br />

<strong>der</strong> Zeit verän<strong>der</strong>n. Dieses geografische Moment <strong>der</strong> Kapitalakkumulation liegt damit an<br />

<strong>der</strong> Basis von Gentrifizierungsphänomenen 28 .<br />

4.2 GENTRIFIZIERUNG, KRISEN UND DER „SPATIAL FIX“<br />

Mit Hilfe <strong>der</strong> rent gap-Theorie Smiths lässt sich das übergreifende <strong>ökonomische</strong> Moment<br />

<strong>der</strong> Gentrifizierung aus <strong>der</strong> Logik kapitalistischer urbaner <strong>Immobilienmärkte</strong> erklären. Wie<br />

aber mit dem Hinweis auf eine mögliche „künstliche“ Überhitzung eines städtischen Immobilienmarktes<br />

durch den Zufluss von Finanzkapital bereits angedeutet wurde, werden<br />

lokale urbane <strong>Immobilienmärkte</strong> wie<strong>der</strong>um von den Bewegungen des Kapitals in <strong>der</strong> Gesamtökonomie<br />

beeinflusst. Smith weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass das Geschehen<br />

auf lokalen <strong>Immobilienmärkte</strong>n <strong>und</strong> damit auch das Gentrifizierungsgeschehen in<br />

einem engen Zusammenhang zu den Boom-Krisen-Zyklen <strong>der</strong> Gesamtökonomie steht (allerdings<br />

häufig kontrazyklisch!). Harvey verweist auf einen engen empirischen Zusammenhang<br />

zwischen Krisen in <strong>der</strong> Gesamtökonomie <strong>und</strong> den räumlichen <strong>und</strong> quantitativen<br />

Verän<strong>der</strong>ungen von Kapitalinvestitionen in die gebaute Umwelt (Harvey 1989a, 1989b,<br />

1999). Es liegt also auf <strong>der</strong> Hand, dass eine <strong>ökonomische</strong> Erklärung von Gentrifizierungsprozessen,<br />

die nur auf <strong>der</strong> skalaren Ebene <strong>der</strong> Region o<strong>der</strong> Stadt operiert, verkürzt wäre.<br />

Gentrifizierung muss auch im Zusammenhang mit dem Geschehen in <strong>der</strong> Gesamtökonomie<br />

erklärt werden. Dieser globale Aspekt lokalen Gentrifizierungsgeschehens wird im Folgenden<br />

untersucht. Dabei wird zunächst das Krisengeschehen im Kapitalismus beleuchtet <strong>und</strong><br />

dann sein systematischer Zusammenhang mit Gentrifizierungsprozessen analysiert.<br />

Ein wesentlicher Teil des wissenschaftlichen Lebenswerkes Harveys widmet sich genau<br />

dem Zusammenhang zwischen Stadtentwicklung <strong>und</strong> gesamtgesellschaftlicher Dynamik<br />

<strong>der</strong> Kapitalakkumulation. Er benutzt dabei drei Begriffe, „Überakkumulationskrise“, „spatio-temporal<br />

fix“ <strong>und</strong> „uneven geographical development“, die hier kurz eingeführt werden<br />

sollen. Harvey geht mit Marx davon aus, dass <strong>der</strong> Akkumulationsprozess des Kapitals beständig<br />

aus sich selbst heraus Dynamiken hervor bringt, die die Kapitalakkumulation in die<br />

Krise treiben. Diese in <strong>der</strong> Kapitalakkumulation selbst angelegten Krisen sind vorrangig<br />

Überakkumulationskrisen. Der Begriff <strong>der</strong> Überakkumulationskrise beschreibt das Phänomen,<br />

dass <strong>der</strong> <strong>der</strong> Kapitalverwertung immanente Wi<strong>der</strong>spruch, dass eine erfolgreiche Kapitalakkumulation<br />

sich durch die Ausbeutung <strong>der</strong> Ware Arbeitskraft tendenziell den eigenen<br />

Absatzmarkt <strong>und</strong> damit die Bedingung <strong>der</strong> Möglichkeit <strong>der</strong> Ausweitung <strong>der</strong> Kapitalakkumulation<br />

untergräbt, auf eine krisenhafte Lösung dieses Wi<strong>der</strong>spruchs drängt.<br />

Die Überlegung ist also, dass <strong>der</strong> Ausbeutungsprozess <strong>der</strong> Ware Arbeitskraft, <strong>der</strong> ja zugleich<br />

<strong>der</strong> Akkumulationsprozess des Kapitals ist, dazu führt, dass sich <strong>der</strong> gesellschaftliche<br />

Reichtum auf Seiten des Kapitals konzentriert. Es wächst ein immer größerer<br />

Kapitalberg heran, <strong>der</strong> nach profitablen Investitionsmöglichkeiten sucht. Da die Profitabilität<br />

von Investitionen aber davon abhängt, dass etwa produzierte Waren o<strong>der</strong> gentrifizierte<br />

Quartiere auch wie<strong>der</strong> verkauft, bzw. vermietet werden müssen, ergibt sich ein Problem,<br />

wenn das Proletariat verarmt <strong>und</strong> zwar in dem Maße, wie das Kapital akkumuliert.<br />

Es entsteht eine Disproportionalität zwischen verwertbarem Kapital einerseits <strong>und</strong> einer<br />

ungenügenden, in Geld ausgedrückten Nachfrage des Proletariats an<strong>der</strong>erseits, die dazu<br />

28 Nebenbei lässt sich mit Hilfe von Smiths rent gap-Theorie auch das relativ späte Einsetzen von starken<br />

Suburbanisierungsprozessen in Westdeutschland in den 1960er Jahren erklären (Häußermann / Siebel<br />

2004). Durch den 2. Weltkrieg waren die Innenstädte zerstört <strong>und</strong> wurden in den 1940ern <strong>und</strong> 1950ern zunächst<br />

wie<strong>der</strong> aufgebaut. Daher gab es in den Kernstädten anfangs ausreichend attraktive Investitionsmöglichkeiten.<br />

Erst nach dem Wie<strong>der</strong>aufbau wan<strong>der</strong>ten dann größere Teile des Immobilienkapitals in die<br />

entstehenden suburbanen Zonen ab.<br />

41


führt, dass <strong>der</strong> Verwertungsprozess insgesamt ins Stocken gerät 29 . Der bürgerlichen Ökonomie,<br />

vornehmlich den Anhängern Keynes, erscheinen diese Überakkumulationskrisen als<br />

Unterkonsumptionskrisen, die durch Nachfragerestriktionen auf den Märkten geprägt sind<br />

(vgl. z.B. Schui 2002). Im Rahmen marxistischer <strong>Theorien</strong> werden Überakkumulationskrisen<br />

aber als ein Überschuss von Kapital begreifbar. D.h. aber auch, dass Krisen nicht vorrangig<br />

durch externe Faktoren ausgelöst werden, wie es <strong>der</strong> Großteil <strong>der</strong> bürgerlichen Ökonomie<br />

glaubt, son<strong>der</strong>n dass sie ein internes Resultat <strong>der</strong> Wi<strong>der</strong>sprüche kapitalistischer Vergesellschaftung<br />

sind.<br />

Harvey versucht diese innere, krisenhafte Dialektik <strong>der</strong> Kapitalakkumulation <strong>und</strong> die daraus<br />

resultierende Tendenz zur Überakkumulationskrise in kurzer Form folgen<strong>der</strong> Maßen zu<br />

fassen:<br />

„I shall work with a highly simplified version in which individual capitalists, locked into class<br />

struggle and coerced by intra-capitalist competition, are forced into technological adjustments<br />

which destroy the potential for balanced accumulation, and so threaten the reproduction of both<br />

the capitalist and working classes. The end-product of such a process is a condition of overaccu ­<br />

mulation of capital, defined as an excess of capital in relation to the opportunities to employ that<br />

capital profitably. This excess of capital […] leads to a surplus of labor power […]. The only effective<br />

resolution to such crises, in the absence of a spatial fix, is the devaluation of capital […<br />

and] labor power.” (Harvey 2001a, 300)<br />

Die Überakkumulationskrise ist also durch ein Überangebot an Arbeitskräften <strong>und</strong> ein<br />

gleichzeitiges Überangebot an Kapital geprägt.<br />

Harveys Begriff des spatial fix, den er in den letzten Jahren um eine zeitliche Komponente<br />

erweiterte, weswegen er gegenwärtig vom spatio-temporal fix spricht, fasst das Phänomen,<br />

dass diese Überakkumulationsdynamiken temporär durch das räumliche Ausweichen<br />

von Kapital <strong>und</strong> / o<strong>der</strong> Arbeit gelöst werden können. Überschüssige Kapitalien o<strong>der</strong> Arbeitskräfte<br />

werden also räumlich dorthin verlagert, wo es noch profitable Akkumulationsmöglichkeiten<br />

gibt; dies ist <strong>der</strong> spatial fix 30 . Aus <strong>der</strong> dem Verwertungsprozess immanenten<br />

Krisendynamik leitet Harvey damit eine Tendenz zur räumlichen Expansion des Kapitals<br />

ab (beson<strong>der</strong>s prägnant <strong>und</strong> lesenswert in Harvey 2001a), die auch schon zentralen Stellenwert<br />

in Luxemburgs Imperialismustheorie hatte (Luxemburg 1969):<br />

„The impulse of expansion [...] can be interpretet in Hegelian terms as […] being a specific manifestation<br />

of a general relation between an „inner dialectic“ of crisis formation manifest as overaccumulation<br />

within a space (most virulently as surpluses of capital and labor side by side) and an<br />

„outer dialectic“ of geographical (spacial) release of these surpluses. […] The effect is to allow<br />

accumulation on a world scale to continue its problematic temporal trajectory through continuous<br />

and sometimes disruptive geographical adjustments and reconfigurations. But the effect is also to<br />

project and replicate the contradictions of capital onto an ever-broadening geographical terrain.“<br />

(Harvey 2001b, 26f)<br />

Der spatial fix lässt sich also als eine Form des geografischen Ausagierens o<strong>der</strong> als räumliche<br />

Verlaufsform <strong>der</strong> Krisendynamik des Kapitalismus begreifen. Da die Tendenz zur<br />

Überakkumulation dem Akkumulationsprozess aber immanent ist, funktioniert eine Lö­<br />

29 Die Darstellung hier ist verkürzt, da sie das Problem ignoriert, dass das Kapital sich seine Waren zum Teil<br />

auch selbst verkaufen kann, etwa in <strong>der</strong> Form von Produktionsmitteln o<strong>der</strong> Luxusprodukten. Marx diskutiert<br />

diesen Sachverhalt intensiv <strong>und</strong> seither wird zwischen marxistischen Theoretikern darüber gestritten.<br />

Hier wird die Auffassung vertreten, dass sich <strong>der</strong> Verwertungsprozess des Kapitals von <strong>der</strong> Konsumption<br />

durch das Proletariat nicht auf Dauer unabhängig machen kann. Es sei auf San<strong>der</strong> (2009) verwiesen, <strong>der</strong><br />

eine passable Synthese <strong>der</strong> krisentheoretischen Debatten des US-amerikanischen Marxismus liefert, in<br />

denen auch diese Frage im Ansatz diskutiert wird.<br />

30 Als Form eines <strong>der</strong>artigen spatial fix ist etwa <strong>der</strong> Aufstieg <strong>der</strong> südostasiatischen Tigerstaaten in den<br />

1990ern <strong>und</strong> Chinas zu begreifen. Die schwindende Profitabilität <strong>der</strong> Produktion von Low-Tech-Gütern in<br />

Hochllohnlän<strong>der</strong>n wird durch eine geografische Verlagerung des Kapitals <strong>und</strong> damit <strong>der</strong> Produktion in autoritäre<br />

Staaten mit niedrigem Lohnniveau ausgeglichen.<br />

42


sung <strong>der</strong> Krise durch spatial fixes immer nur temporär. Überakkumulationsdynamiken etablieren<br />

sich relativ schnell wie<strong>der</strong> <strong>und</strong> Kapital <strong>und</strong> Gesellschaft werden gezwungen, eine<br />

neue Krisenlösungsoption zu entwickeln, die auch ein neuer spatial fix an einem neuen Ort<br />

sein kann. Gerade in Zeiten von Krisen kommt es daher zu massiven geografischen Verlagerungen<br />

<strong>und</strong> Rekonfigurationen <strong>der</strong> Kapitalakkumulation, in <strong>der</strong>en Zuge ganze Landstriche<br />

entwertet werden können, während sich die Kapitalakkumulation an neuen o<strong>der</strong> zumindest<br />

an an<strong>der</strong>en Orten konzentriert. Die räumliche Entwicklung im Kapitalismus ist daher<br />

geprägt vom „uneven geographical development“ <strong>und</strong> einer beständigen Sukzession<br />

kreativer Zerstörungen (Schumpeter). Smith fasst dies wie folgt:<br />

„The logic of uneven [geographic] development is that the development of one area creates barriers<br />

to further development, thus leading to an <strong>und</strong>erdevelopment that in turn creates opportunities<br />

for a new phase of development. Geographically, this leads to the possibility of what we might<br />

call a „locational seesaw“: the successive development, <strong>und</strong>erdevelopment and redevelopment of<br />

given areas as capital jumps from one place to another, than back again, both creating and destroying<br />

its own opportunities for development.“ (Smith 1996, 88).<br />

Es lässt sich allgemein <strong>und</strong> zusammenfassend festhalten, dass die Produktion des Raumes<br />

im Kapitalismus durch eine Sukzession kreativer Zerstörungen geprägt ist, angetrieben vor<br />

allem durch Krisen <strong>und</strong> spatio-temporal fixes, die sich als uneven geographic development<br />

begreifen lässt 31 .<br />

Gibt es nun aber einen Zusammenhang zwischen diesen Krisendynamiken in kapitalistischen<br />

Gesellschaften <strong>und</strong> Gentrifizierungsprozessen? Neil Smith behauptet eindeutig einen<br />

solchen Zusammenhang. Er weist darauf hin, dass Krisen es sowohl notwendig machen,<br />

wie sie die Möglichkeit bieten für eine f<strong>und</strong>amentale Restrukturierung des sozialen <strong>und</strong><br />

<strong>ökonomische</strong>n Raums, wie er es nennt (Smith 1996, 86ff). Er argumentiert, dass gerade in<br />

Krisenzeiten bzw. in <strong>der</strong> Phase des Aufbaus einer Krise Investitionen in die gebaute urbane<br />

Umwelt eine Möglichkeit des Abflusses <strong>und</strong> <strong>der</strong> räumlichen Fixierung von überakkumuliertem<br />

Kapital bieten <strong>und</strong> Gentrifizierung als ein Teil dieser Art von spatio-temporal fix<br />

zu begreifen ist:<br />

„Gentrification is intimately interwined with these larger processes [<strong>der</strong> Krisendynamik]. [….]<br />

When rates of profit in the major industrial sectors begin to fall, financial capital seeks an<br />

alternative arena for investment, an arena where the profitrate remains comperatively high and<br />

where the risk is low. At precisely this point, there tends to be an increase in the capital flowing<br />

into the built environment.“ (Smith 1996, 86)<br />

Smith leitet also den massiven Zufluss von Kapital in den Immobiliensektor aus Verwertungsschwierigkeiten<br />

des Kapitals im industriellen Sektor ab. In diesem Sinne begreift<br />

er etwa die Suburbanisierungswellen in den USA als spatio-temporal fix für das überakkumulierte<br />

industrielle Kapital:<br />

„In the US, suburbanization was a concrete spatial response to the depressions of the 1890s and<br />

1930s, in the sense that suburban development opened up a whole series of investment<br />

possibilities which could help to revive the profit rate.“ (Smith 1996, 87).<br />

Aufbauend auf <strong>der</strong> kreativen Zerstörung des kernstädtischen land value valley durch den<br />

spatial fix <strong>der</strong> Suburbanisierung konnte mit <strong>der</strong> einsetzenden allgemeinen Überakkumulationsdynamik<br />

in den 1960ern <strong>und</strong> 1970ern die Kernstadt wie<strong>der</strong>um zum Ort eines neuen<br />

spatial fixes werden. Das „locational seesaw“-Muster <strong>der</strong> Urbanisierung, das als Bedingung<br />

<strong>der</strong> Möglichkeit <strong>der</strong> Entstehung des land value valley <strong>und</strong> damit als notwendige Voraussetzung<br />

von Gentrifizierung zu begreifen ist, erklärt sich daher nicht nur aus einer auf<br />

lokaler Maßstabsebene existierenden Logik urbaner <strong>Immobilienmärkte</strong> <strong>und</strong> <strong>der</strong> Entstehung<br />

31 Für eine industriegeografisch ausgerichtete Darstellung dieses Phänomens vergleiche etwa das Einführungskapitel:<br />

„The Inconstant Geography of Capitalism“ in Storper / Walker 1989.<br />

43


von rent gaps. Son<strong>der</strong>n das Geschehen auf urbanen <strong>Immobilienmärkte</strong>n muss im Zusammenhang<br />

mit <strong>der</strong> allgemeinen Krisendynamik begriffen werden, da urbane <strong>Immobilienmärkte</strong><br />

eine bevorzugte Investitionsmöglichkeit für überakkumuliertes Kapital <strong>und</strong> die Formierung<br />

von spatio-temporal fixes darstellen 32 .<br />

Gentrifizierung stellt sich damit als Teil einer größeren Bewegung <strong>der</strong> Restrukturierung<br />

<strong>der</strong> Städte dar, die durch eine sich seit den 1970er Jahren verschärfende globale Krisendynamik<br />

angetrieben wird. Diese Krisendynamik ist als Krise des Fordismus schon lange<br />

Forschungsgegenstand <strong>und</strong> sie zieht auch eine allgemeine gesellschaftliche Restrukturierung<br />

mit sich, die sich vorrangig durch die Zerstörung fordistischer Modi gesellschaftlicher<br />

Regulation auf diversen gesellschaftlichen Ebenen auszeichnet (vgl. Brenner / Theodore<br />

2002, 2002a, Brenner 2004, Smith 2002, Jessop 2002, Swyngedouw / Moulaert / Rodriguez<br />

2002, Harvey 2006, 2006a). Smith stellt Gentrifizierung daher in den systematischen<br />

Zusammenhang einer globalen Restrukturierung des Kapitalismus, die als Reaktion auf die<br />

seit den 1970er Jahren nicht nachhaltig, son<strong>der</strong>n immer nur temporär <strong>und</strong> räumlich partikular,<br />

gelöste Krise des Kapitalismus:<br />

„Gentrification is part of this larger redevelopment process dedicated to the revitalization of the<br />

profit rate. In the process, many downtowns are being converted into bourgeoise playgro<strong>und</strong>s<br />

replete with quaint markets, restored town houses, boutique rows, yachting marinas and Hyatt<br />

Regencies. These very visual alterations to the urban landscape are not at all an accidential sideeffect<br />

of temporary economic disequilibrium but are rooted in the structure of capitalist society<br />

every bit as deeply as is suburbanization.“ (Smith 1996, 88).<br />

Es muss also festgehalten werden, dass es einen systematischen Zusammenhang von Gentrifizierungsprozessen<br />

<strong>und</strong> einer globalen Überakkumulationsdynamik des Kapitals gibt.<br />

Gentrifizierungsprozesse sind Teil einer allgemeinen gesellschaftlichen Restrukturierung,<br />

in <strong>der</strong> urbane spatio-temporal fixes für Überakkumulationsprobleme einen großen Stellenwert<br />

haben. Gleichzeitig behauptet Smith 1996, dass die daraus folgende Restrukturierung<br />

<strong>der</strong> Städte Teil einer Bewegung zur Erhöhung <strong>der</strong> Profitraten des Kapitals wäre. Es stellt<br />

sich hier unmittelbar die Frage, ob Smiths Behauptung fast 15 Jahre später noch richtig ist.<br />

Es stellt sich also die Frage, ob Gentrifizierungsprozesse <strong>der</strong> vierten Welle als Strategien<br />

zur Erhöhung <strong>der</strong> Profitrate begriffen werden können. Bevor diese Frage aber im letzten<br />

Kapitel untersucht werden kann, muss zunächst deutlich gemacht werden, inwiefern sich<br />

die vierte Welle <strong>der</strong> Gentrifizierung qualitativ <strong>und</strong> quantitativ von vorhergegangenen Wellen<br />

<strong>der</strong> Gentrifizierung unterscheidet.<br />

4.3 PHASENMODELLE DES WANDELS DER GENTRIFIZIERUNG<br />

Im Folgenden ist die Frage zu klären, welche Qualität die jüngste, vierte Welle <strong>der</strong> Gentrifizierung<br />

hat. Zu diesem Zweck wird ein Modell vorgestellt, das versucht die Entwicklung<br />

von Gentrifizierungsprozessen seit den 1950er Jahren in vier distinkte Phasen zu unterscheiden<br />

(vgl. Abb. 7). Ein <strong>der</strong>artiges Phasenmodell <strong>der</strong> Gentrifizierung wurde erstmalig<br />

2001 von Hackworth <strong>und</strong> Smith für New York erarbeitet <strong>und</strong> publiziert (Smith / Hackworth<br />

2001). Sie argumentieren, dass zwar viele Gentrifizierungsforscher Loretta Lees Urteil zustimmen,<br />

dass zeitgenössische Gentrifizierungsprozesse sich stark von Gentrifizierungsprozessen<br />

während <strong>der</strong> 1970er, 1980er <strong>und</strong> sogar <strong>der</strong> 1990er Jahre unterscheiden, bemängeln<br />

aber, dass vor ihnen niemand den Versuch einer systematischen Klassifizierung dieses<br />

Wandels gewagt habe (Smith / Hackworth 2001, 466). Sie versuchen daher diese Klassifi­<br />

32 Die beson<strong>der</strong>e Relevanz von Bauwirtschaft <strong>und</strong> Immobilienwirtschaft für Nationalökonomien wird von<br />

vielen Autoren behauptet (z.B. Frank 2007) <strong>und</strong> wer einmal einen Blick in Statistiken zur Wertschöpfung<br />

in den unterschiedlichen Branchen unterschiedlicher Län<strong>der</strong> wirft, wird merken, dass die Bau- <strong>und</strong><br />

Immobilienwirtschaft in vielen Län<strong>der</strong>n einen maßgeblichen Beitrag zum Bruttosozialprodukt (BSP)<br />

leistet.<br />

44


zierung durchzuführen <strong>und</strong> ordnen dabei den drei von ihnen unterschiedenen Wellen <strong>der</strong><br />

Gentrifizierung jeweils eine grobe Beschreibung des politisch-staatlichen <strong>und</strong> <strong>ökonomische</strong>n<br />

Kontextes zu.<br />

Dieses drei Phasen Modell wurde von Lees / Slater / Wyly in <strong>der</strong> zweiten Hälfte <strong>der</strong> '00er<br />

Jahre überarbeitet, um eine vierte Welle <strong>der</strong> Gentrifizierung erweitert <strong>und</strong> aktualisiert (Lees<br />

/ Slater / Wyly 2008, 173-187). Da Lees et al einen wachsenden Einfluss <strong>der</strong> Finanzindustrie<br />

auf Gentrifizierungsprozesse seit <strong>der</strong> dot.com-Krise 2000/01 sehen, haben sie ihrem<br />

Phasenmodell sinnvoller Weise eine Kurve des US-amerikanischen Wirtschaftswachstums<br />

<strong>und</strong> eine Kurve <strong>der</strong> Hypothekenverschuldung <strong>der</strong> privaten Haushalte <strong>der</strong> USA, ausgedrückt<br />

als Prozentsatz am Bruttosozialprodukt, unterlegt. Bevor aber auf diese neuere<br />

Entwicklung im Zusammenhang mit <strong>der</strong> vierten Welle <strong>der</strong> Gentrifizierung eingegangen<br />

wird, sollen zunächst alle vier Phasen vorgestellt werden.<br />

1. WELLE DER GENTRIFIZIERUNG:<br />

Die erste Welle <strong>der</strong> Gentrifizierung fand von den 1950er Jahren bis zur Krise 1973 statt.<br />

Sie wird als räumlich sporadische <strong>und</strong> staatlich angeleitete Gentrifizierungswelle beschrieben.<br />

In diesem Zeitraum reichten privatwirtschaftliche Anreize für eine Initiierung von<br />

Gentrifizierungsprozessen in <strong>der</strong> Regel nicht aus, so dass staatliche Subventionen für kernstädtische<br />

Revitalisierungsprojekte notwendig waren. Legitimiert wurden diese als staatliche<br />

Interventionsmöglichkeit gegen den Verfall <strong>der</strong> Kernstädte, obwohl sie fast ausschließlich<br />

Angehörigen <strong>der</strong> Mittel <strong>und</strong> Oberschicht zu gute kamen. Diese erste Welle entsprach<br />

weitgehend dem was im 1. Kapitel als klassische Gentrifizierung bezeichnet wurde.<br />

Die Rezession Mitte <strong>der</strong> 1970er Jahre verweist jedoch auf umfassende sozio<strong>ökonomische</strong><br />

Restrukturierungen während dieser ersten Welle: <strong>der</strong> Aufstieg Westdeutschlands <strong>und</strong> Japans<br />

als neue <strong>ökonomische</strong> Konkurrenten <strong>der</strong> USA, die Nutzung von Niedriglohnstaaten<br />

als Produktionsstandort u.ä. sind Indizien für eine sich anbahnende Überakkumulationskrise,<br />

die allerdings zunächst kaum Auswirkungen auf Gentrifzierungsprozesse hatte.<br />

2. WELLE DER GENTRIFIZIERUNG<br />

Die zweite Welle <strong>der</strong> Gentrifizierung schloss sich an die Rezession Mitte <strong>der</strong> 1970er Jahre<br />

an <strong>und</strong> dauerte bis zur Rezession Anfang <strong>der</strong> 1990er Jahre. Sie wird beschrieben als eine<br />

Phase, in <strong>der</strong> Gentrifizierungsprozesse zunehmend in <strong>der</strong> Stadtpolitik verankert wurden.<br />

Smith <strong>und</strong> Hackworth schreiben, dass auch Städte, die vorher keine Gentrifizierungsprozesse<br />

aufwiesen, nun bewusst versuchten Kapital für die Gentrifizierung von Stadtquartieren<br />

anzulocken. Resultat war eine quantitative Ausbreitung von Gentrifizierung, die es vorher<br />

noch nicht gegeben hatte (Smith / Hackwort 2001, 466).<br />

Gentrifizierung wurde aber auch in weitere <strong>ökonomische</strong> <strong>und</strong> kulturelle Prozesse auf nationaler<br />

o<strong>der</strong> globaler Ebene integriert. So drückte sich die neoliberale Wende in <strong>der</strong> nationalen<br />

Politik (Deng Xiaoping 1978 in China, Reagan <strong>und</strong> Thatcher 1980 in den USA <strong>und</strong><br />

GB, Kohl 1982 in Westdeutschland) auch in <strong>der</strong> Stadtpolitik aus. Die unternehmerische<br />

Stadtpolitik setzte weniger auf die Versorgung <strong>der</strong> Bevölkerung mit öffentlicher Infrastruktur<br />

<strong>und</strong> mehr auf die <strong>ökonomische</strong> Revitalisierung <strong>der</strong> Städte durch privatkapitalistische<br />

Investitionsprojekte. Nicht nur in den USA <strong>und</strong> Großbritannien herrschte in <strong>der</strong> Stadtentwicklung<br />

eine laissez-faire Haltung vor. Public-Privat-Partnerships wurden relevant <strong>und</strong><br />

<strong>der</strong> Einfluss von Developern, sowie <strong>der</strong> sich globalisierenden Finanz- <strong>und</strong> Immobilienindustrie<br />

auf Gentrifizierungsprozesse wuchs rasant an. New York <strong>und</strong> London stiegen<br />

gleichzeitig zu Global Citys (Sassen 2001) auf. Damit verän<strong>der</strong>ten sich aber auch die Gentrifizierer<br />

<strong>der</strong> zweiten Welle, die sich nun stärker aus den unterschiedlichen Hierarchieebenen<br />

des Managements von (Finanz-) Firmen <strong>und</strong> staatlichen Institutionen rekrutierten <strong>und</strong><br />

<strong>der</strong> Flächenbedarf dieses neuen quartären Sektors machte sich in den Städten bemerkbar<br />

45


Abb. 7: Phasenmodell <strong>der</strong> Entwicklung <strong>der</strong> Gentrifizierung. Quelle: Lees / Slater / Wyly 2008, 180.<br />

<strong>und</strong> zog Verdrängungsprozesse etwa von Wohnfunktionen nach sich.<br />

Das Entwicklungsprogramm Bilbaos in Spanien wird als symptomatisch für diese zweite<br />

Welle <strong>der</strong> Gentrifizierung gesehen. Die sechs vorrangigen Ziele <strong>der</strong> städtischen Renaissance<br />

Bilbaos waren:<br />

„1) a postindustrial vision for the city, 2) altering the city's image, 3) transforming its physical environment,<br />

focusing on symbols of renaissance (e.g., exhibition centers and concert halls), 4) an<br />

explicit focus on the downtown and its <strong>der</strong>elict areas, 5) the importance of urban leisure economics<br />

– the Guggenheim effect, 6) a new urban governance system based on public-private-partnerships.“<br />

(Lees / Slater / Wyly 2008, 177).<br />

Wenn die Entwicklung Bilbaos wirklich so symptomatisch gewesen ist, wie es Lees et al<br />

behaupten, dann würde dies bedeuten, dass die zweite Welle <strong>der</strong> Gentrifizierung durch Politiken<br />

<strong>der</strong> Konstruktion einer Konsumentenstadt (im Gegensatz zur industriellen Produzentenstadt)<br />

geprägt war. Insgesamt führte die zweite Welle <strong>der</strong> Gentrifizierung zu einer<br />

46


starken sozialräumlich Polarisierung vieler Städte. In New York etwa explodierte die Zahl<br />

<strong>der</strong> Obdachlosen <strong>und</strong> Smith weist darauf hin, dass schon zu Beginn dieser Welle 1979 in<br />

den USA jährlich r<strong>und</strong> 500.000 Haushalte mit 2 Millionen Personen aus ihren Häusern verdrängt<br />

wurden (Smith 1996, 89).<br />

3. WELLE DER GENTRIFIZIERUNG<br />

Im Gegensatz zur Rezession zwischen 1. <strong>und</strong> 2. Welle <strong>der</strong> Gentrifizierung beeinträchtigte<br />

die Rezession bis 1993 Gentrifizierungsprozesse so stark, dass eine Debatte um „Degentrifizierung“<br />

entbrannte, die aber mit dem wie<strong>der</strong> Einsetzen <strong>der</strong> Gentrifizierung nach 1993<br />

schnell verebbte. Smith <strong>und</strong> Hackworth argumentieren, dass die 3. Welle davon geprägt<br />

sei, dass die <strong>ökonomische</strong>n Momente <strong>der</strong> Gentrifizierung offener als zuvor zu Tage treten.<br />

Die kulturellen Momente treten hingegen in den Hintergr<strong>und</strong>:<br />

„Overall, economic forces driving gentrification seem to have eclipsed cultural factors as the scale<br />

of investment is greater and the level of corporate, as opposed to smaller-scale capital, has<br />

grown.“ (Smith / Hackworth 2001)<br />

Die 3. Welle <strong>der</strong> Gentrifizierung ist davon geprägt, dass Gentrifizierungsprozesse zunehmend<br />

von großen Kapitalien bewusst initiiert werden, während die klassischen individuellen<br />

Pioniere <strong>und</strong> Gentrifizierer stark an Bedeutung verlieren. Während <strong>der</strong> vorangegangenen<br />

Wellen waren Gentrifizierungsprozesse für institutionelle Investoren <strong>und</strong> an<strong>der</strong>e große<br />

Kapitalien erst in einem späten, etablierten Stadium als Investitionsmöglichkeit attraktiv.<br />

Zudem breitet sich Gentrifizierung in räumlicher Hinsicht stark aus. Der lokale Staat wird<br />

zu einem wichtigen Akteur in diesen Prozessen:<br />

„The third wave of gentrification is characterized by interventionist governments working with<br />

the privat sector to facilitate gentrification: quite a shift from the typical second-wave position of<br />

passive support.“ (Shaw 2005, zitiert nach Lees / Slater / Wyly 2008, 178).<br />

4. WELLE DER GENTRIFIZIERUNG<br />

Die 4. Welle <strong>der</strong> Gentrifizierung setzen Lees et al mit dem Ende <strong>der</strong> dot.com-Krise 2001<br />

an <strong>und</strong> sie bemerken, dass diese Welle vorrangig in den USA zu beobachten ist. Diese 4.<br />

Welle zeichnet sich aus durch:<br />

„[...] an intensified financialization of housing combined with the consolidation of progentrification<br />

politics and polarized urban policies.“ (Lees / Slater / Wyly 2008, 179).<br />

Sie argumentieren, dass die Fe<strong>der</strong>al Reserve (FED, Zentralbank <strong>der</strong> USA) auf die dot.com-Krise<br />

vorrangig durch die Senkung des Leitzinses zur Stimulierung <strong>der</strong> Ökonomie<br />

setzte. Diese Politik spülte riesige Mengen billigen Geldes in die <strong>Immobilienmärkte</strong>. Im<br />

Gegensatz zu „normalen“ Rezessionen schossen die Immobilienpreise daher auch während<br />

<strong>der</strong> Rezession weiter in die Höhe – sicherlich auch als Resultat einer Umschichtung von<br />

Kapital, das vorher in Aktien <strong>der</strong> 2000/01 abstürzenden New Economy investiert war, in<br />

den „sicheren“ Immobiliensektor. In diesem Sinn merken Lees et al auch an, dass <strong>der</strong> Immobilienmarkt<br />

für reiche Haushalte zunehmend zu einem Spekulationsobjekt wurde. Sie<br />

verdeutlichen die Dimensionen des neuen Zuflusses von Kapital in den Immobiliensektor<br />

damit, dass innerhalb von fünf Jahren 33 <strong>der</strong> Gesamtwert von Wohnimmobilien in allen Entwickelten<br />

Staaten um sagenhafte 30.000 Milliarden US-$ anstieg, ein Wert <strong>der</strong> immerhin<br />

r<strong>und</strong> 100% des BSP aller Entwickelten Staaten entspricht (Lees / Slater / Wyly 2008, 181).<br />

Dieser Anstieg verweist auf einen inflationären Immobilienpreisboom.<br />

Relevant ist aber vor allem, dass die Innovationen <strong>der</strong> Finanzindustrie, die weiter unten<br />

bereits angesprochen wurden, ebenfalls zu einer Explosion <strong>der</strong> Vergabe von Hypothekenkrediten<br />

führte. Im Umfeld eines inflationären Immobilienmarktes schienen diese Hypo­<br />

33 Lei<strong>der</strong> machen sie keine Angaben dazu, in genau welchen fünf Jahren!<br />

47


theken immer sicher zu sein, da <strong>der</strong> Wert <strong>der</strong> ihnen zu Gr<strong>und</strong>e liegenden Gr<strong>und</strong>stücke beständig<br />

anstieg. Dies führte dazu, dass immer mehr US-amerikanische Haushalte ihren<br />

Konsum über die Aufnahme von Hypothekenkrediten finanzierten. Wie aus Abb. 7 ersichtlich<br />

wird, waren diese Hypotheken 2006 auf einen Wert von r<strong>und</strong> 75% des BSP gestiegen<br />

(zu diesem Phänomen <strong>der</strong> „predatory subprime mortages“ im Umfeld eines inflationären<br />

Immobilienbooms vgl. auch Wilson / Beck / Bailey 2009, Wyly / Moos / Foxcroft / Kabahizi<br />

2007, Wyly / Atia / Foxcroft / Hammel / Phillips-Watts 2006, Hackworth / Wyly<br />

2003).<br />

Über die 4. Welle <strong>der</strong> Gentrifizierung lässt sich noch nicht abschließend urteilen, da sie<br />

<strong>der</strong>zeit noch im Gange ist. Wesentlich festzuhalten ist hier aber, dass diese Welle im Kontext<br />

einer inflationären Überhitzung <strong>der</strong> <strong>Immobilienmärkte</strong> nicht nur in den USA, son<strong>der</strong>n<br />

auch Großbritanniens, den PIIGS-Staaten mit Ausnahme Griechenlands o<strong>der</strong> Chinas, stattfindet.<br />

Bemerkenswert ist auch, dass das, was Lees et al 2007 noch als 4. Welle <strong>der</strong> Gentrifizierung<br />

beschreiben, sich wenige Monate später als Auslöser <strong>der</strong> größten Weltwirtschaftskrise<br />

seit 1929 entpuppte.<br />

Die Klassifizierung <strong>der</strong> Entwicklungsgeschichte <strong>der</strong> Gentrifizierung wie sie von Smith /<br />

Hackworth <strong>und</strong> Lees / Slater / Wyly vorgelegt wurde, verdeutlicht eine relativ kontinuierliche<br />

Bewegung, in <strong>der</strong> Gentrifizierungsprozesse von einer untypischen Ausnahme an wenigen<br />

Orten, die zudem anfangs ökonomisch relativ unattraktiv war, zu Prozessen werden,<br />

die vornehmlich von großen Kapitalien <strong>und</strong> lokalstaatlichen Akteuren ausgehen <strong>und</strong> eine<br />

zentrale Rolle im Krisengeschehen 2007ff zu spielen scheinen. Gleichzeitig ging damit<br />

eine starke sozio<strong>ökonomische</strong> Polarisierung vieler Städte einher, die die lokal-staatliche<br />

Politik mit Pro-Gentrifizierungsstrategien begleitet <strong>und</strong> verstärkt. Etwas grobschlächtig<br />

lässt sich also zusammenfassen, dass Gentrifizierungsprozesse in den letzten 60 Jahren zunehmend<br />

von großen Kapitalien <strong>und</strong> städtischen Wachstumskoalitionen mit einer pro-gentrifizierungs<br />

Agenda angetrieben werden, dass sie wichtiges Moment eines neuen spatiotemporal<br />

fix für Überakkumuliertes Kapital sind <strong>und</strong> dass sie sich daher globalisieren o<strong>der</strong><br />

verallgemeinern.<br />

5 ÜBERAKKUMULATIONSKRISE UND GENTRIFIZIERUNG<br />

Wie weiter oben bereits dargestellt wurde, subsumiert Smith 1996 das Gentrifizierungsgeschehen<br />

unter eine größere gesellschaftliche Bewegung zur Hebung <strong>der</strong> Profitraten. Die<br />

Relokalisierung von Kapital in den Kernstädten ist damit Moment eines neuen spatio-temporal<br />

fixes, um die Überakkumulationsdynamik des Kapitals durch geografische Verlagerungen<br />

zeitweilig zu lösen. Seit 1996 steht die Zeit aber nicht still <strong>und</strong> in wirtschaftshistorischer<br />

Hinsicht ist sehr viel Relevantes passiert. Es sei hier nur an die Asienkrise 1997/98,<br />

die Russlandkrise 1998/99, die dot.com-Krise 2000/01 <strong>und</strong> die gegenwärtige Weltwirtschaftskrise<br />

2007ff erinnert. Mit diesen Krisen stellt sich aber die Frage, ob Smiths<br />

Einschätzung <strong>der</strong> gesamt-<strong>ökonomische</strong>n Funktion von Gentrifizierungsprozessen noch<br />

Gültigkeit besitzt – immerhin haben spatio-temporal fixes offensichtlich nicht ausgereicht,<br />

um die <strong>der</strong>zeitige Krise zu verhin<strong>der</strong>n. Und das Beson<strong>der</strong>e an <strong>der</strong> gegenwärtigen Krise ist<br />

zudem, dass sie eine Krise ist, die auf dem US-amerikanischen Immobilienmarkt ausgelöst<br />

wurde, sich von dort ausbreitete <strong>und</strong> we<strong>der</strong> auf einen bestimmten Raum o<strong>der</strong> auf eine<br />

bestimmte Branche beschränkt blieb, wie es bei den Krisen <strong>der</strong> letzten 30 Jahre sonst <strong>der</strong><br />

Fall war (vgl. Brenner 2003, Fre<strong>und</strong>innen <strong>und</strong> Fre<strong>und</strong>e <strong>der</strong> klassenlosen Gesellschaft<br />

2009). Sie hat die gesamte Weltwirtschaft erfasst.<br />

Smith behauptet, dass die Gentrifizierung Anteil an <strong>der</strong> Erhöhung <strong>der</strong> Profitraten habe.<br />

48


Die Profitrate ist bei Marx bestimmt als das Verhältnis von eingesetztem Kapital zum erwirtschafteten<br />

Profit. Aller Profit speist sich aber in letzter Instanz aus dem im Produktionsprozess<br />

auf Basis <strong>der</strong> Ausbeutung <strong>der</strong> Ware Arbeitskraft geschaffenen Mehrwert. Marx<br />

diskutiert daher in extenso Formen, wie dieser Mehrwert zwischen unterschiedlichen Kapitalfraktionen<br />

aufgeteilt werden kann, etwa zwischen Industriekapital, das sich für die Ausweitung<br />

<strong>der</strong> Produktion von einem Finanzkapital einen Kredit besorgt <strong>und</strong> dafür einen Teil<br />

des Mehrwertes als Zins an dieses Finanzkapital abtreten muss. Wie im 3. Kapitel dargelegt,<br />

resultiert <strong>der</strong> größere Teil <strong>der</strong> Profite im Immobiliensektor aus Gr<strong>und</strong>renten. Die Erwirtschaftung<br />

von Gr<strong>und</strong>rente ist aber selbst nicht mehrwertschöpfend. Gr<strong>und</strong>rente wird<br />

also einerseits aus dem im Produktionsprozess hervorgebrachten <strong>und</strong> vom Kapital angeeigneten<br />

Mehrwert, an<strong>der</strong>erseits aus <strong>der</strong> Lohnsumme des Proletariats abgeschöpft. Es ergibt<br />

sich ein eindeutiges Verhältnis: je mehr Gr<strong>und</strong>rente abgeschöpft wird, desto weniger Mehrwert<br />

kann als Profit an an<strong>der</strong>e Kapitalfraktionen verteilt <strong>und</strong> neu investiert werden <strong>und</strong> desto<br />

weniger Geld hat das Proletariat für an<strong>der</strong>e Konsumausgaben zur Verfügung. Die Abschöpfung<br />

von Gr<strong>und</strong>rente kann also einen parasitären Charakter bekommen, in dem Sinne,<br />

dass sie den gesamtgesellschaftlichen Fonds, <strong>der</strong> in die Ausweitung <strong>der</strong> Kapitalakkumulation<br />

investiert werden kann, schmälert.<br />

In diesem Zusammenhang ist es ein interessantes Indiz, dass die Deutschen inzwischen<br />

ein Drittel ihres verfügbaren Haushaltseinkommens für Miete ausgeben (Süddeutsche Zeitung<br />

2010). Mitte <strong>der</strong> '00er Jahre stieß <strong>der</strong> Autor noch auf eine Website, die eine Konferenz<br />

zum Stadtumbau Ost dokumentierte, auf <strong>der</strong> sich die anwesenden Vertreter von Politik <strong>und</strong><br />

Immobilienwirtschaft über das Problem den Kopf zerbrachen, dass die deutschen Haushalte<br />

nur zwischen einem Sechstel <strong>und</strong> einem Fünftel ihres Haushaltseinkommens für Miete<br />

aufbrächten – ein klares „Entwicklungsdefizit“ gegenüber Staaten wie Irland, Großbritannien,<br />

Spanien o<strong>der</strong> Portugal, wo um einen Drittel des Einkommens für Mieten ausgegeben<br />

würde. Dieser „Entwicklungsvorsprung“ drückt sich <strong>der</strong>zeit in einem Absturz <strong>der</strong> <strong>Immobilienmärkte</strong>,<br />

in einer galoppierenden Staatsverschuldung <strong>und</strong> den bereits erfolgten o<strong>der</strong> drohenden<br />

Zurückstufungen des Kreditratings <strong>der</strong> Staatsanleihen dieser Staaten aus. In den<br />

USA hingegen sollen im Zuge <strong>der</strong> Subprime-Hypothekenkrise inzwischen mehrere Millionen<br />

Haushalte ihre Häuser verloren haben (qualitativ dokumentiert in dem neuen Film Michael<br />

Moors, „Capitalism – a love affair“, USA 2009). Diese Menschen wohnen jetzt zu<br />

großen Teilen in ihren Autos, in Zeltstädten o<strong>der</strong> sind obdachlos. Die 4. Welle <strong>der</strong> Gentrifizierung<br />

erscheint im Lichte dieser Entwicklungen nicht unbedingt als beson<strong>der</strong>s nachhaltiges<br />

urbanes Entwicklungsmodell. Lässt sich dieser Schein aber wissenschaftlich untermauern?<br />

Das soll im Folgenden versucht werden, indem zunächst eine kurze Krisengeschichte des<br />

Kapitalismus seit dem 2. Weltkrieg geschrieben wird, um aus dieser die Finanzialisierung<br />

<strong>der</strong> Weltwirtschaft <strong>und</strong> die gegenwärtige Krise zu erklären. Abschließend wird<br />

Gentrifizierung als Moment <strong>der</strong> Akkumulation aus <strong>der</strong> Substanz des Kapitals dargestellt.<br />

5.1 DIE KRISE DES FORDISMUS<br />

Die relativ stabile fordistische Epoche des Kapitalismus zwischen 1945 <strong>und</strong> <strong>der</strong> Mitte <strong>der</strong><br />

1970er Jahre basierte vornehmlich auf drei Bedingungen: 1.) auf <strong>der</strong> ungeheuren Entwertung<br />

<strong>und</strong> Vernichtung von Kapital <strong>und</strong> Arbeit im 2. Weltkrieg, die die Überakkumulationskrise<br />

<strong>der</strong> 1930er Jahre temporär löste (Scheit 2001), 2.) auf hohen technologischen Surplusprofiten<br />

<strong>und</strong> <strong>der</strong> beständigen Erhöhung <strong>der</strong> Arbeitsproduktivität <strong>und</strong> 3.) auf <strong>der</strong> Verteilung<br />

eines Teils dieser Surplusprofite an das Proletariat, das sich dadurch einen höheren<br />

Wohlstand leisten konnte, <strong>der</strong> sich zugleich als Nachfrage auf den Märkten positiv bemerkbar<br />

machte <strong>und</strong> das Wirtschaftswachstum befeuerte. Dieser fordistische Wachstumsmodus<br />

des Kapitalismus brachte aber schon in den 1960er Jahren erste Krisendynamiken hervor<br />

49


(Leborgne / Lipietz 1990, Gottdiener 1990).<br />

Dafür gibt es vorrangig zwei Gründe: zum einen drangen neue Industrienationen auf den<br />

Weltmarkt, zunächst Japan <strong>und</strong> Deutschland, womit die vorher von den USA dominierten<br />

Märkte sich zu füllen begannen <strong>und</strong> sich die Konkurrenz verschärfte. Zum an<strong>der</strong>en verkehrte<br />

sich <strong>der</strong> technologische Modus, auf dem <strong>der</strong> Erfolg des Fordismus basierte, in eine<br />

Schranke des Erfolgs, denn die beständige technologische Erhöhung <strong>der</strong> Arbeitsproduktivität<br />

führte zum Anwachsen <strong>der</strong> organischen Zusammensetzung des Kapitals <strong>und</strong> damit, seit<br />

beginn <strong>der</strong> 1960er Jahre zum Fallen <strong>der</strong> Profitraten. Brenner versucht dies empirisch nachzuweisen.<br />

Für den Zeitraum von 1950 – 1970 nennt er durchschnittliche Netto-Profitraten<br />

<strong>der</strong> verarbeitenden Industrie in den USA von 24,35%, in Deutschland von 23,1%, in Japan<br />

von 40,4% <strong>und</strong> den G-7 insgesamt von 26,2%. Im Zeitraum zwischen 1970 – 1993 lagen<br />

diese Profitraten wesentlich niedriger <strong>und</strong> hatten sich z.T. halbiert: USA: 14,5%, D: 10,9%,<br />

J: 20,4% <strong>und</strong> G-7: 15,7% (Brenner 2002, 8; Candeias 2004 kommt auf ähnliche Dimensionen<br />

<strong>und</strong> Mattick 1969, 1974 diskutiert dieses Problem in seinen Kritiken des „goldenen<br />

Zeitalters“ bereits in den 1960ern).<br />

Die polit-<strong>ökonomische</strong>n Restrukturierungen seit Mitte <strong>der</strong> 1970er Jahre, die mit <strong>der</strong> neoliberalen<br />

Wende in <strong>der</strong> Politik um das Jahr 1980 auch politisch manifest wurden, müssen als<br />

Reaktionen auf diesen Fall <strong>der</strong> Profitraten interpretiert werden. Große Teile <strong>der</strong> wirtschafts-<br />

<strong>und</strong> sozialgeografischen Literatur, die in den letzten 30 Jahren entstanden ist, hat<br />

diese gesellschaftlichen <strong>und</strong> räumlichen Restrukturierungen zum Gegenstand, auch wenn<br />

das den Autoren nicht immer bewusst ist. Vorrangiges Ziel dieser Restrukturierungen war<br />

die Erhöhung <strong>der</strong> Profitraten, sei es über die vertikale Desintegration fordistischer<br />

Großbetriebe <strong>und</strong> die Flexibilisierung <strong>der</strong> Industrie, die Senkung von Spitzensteuersätzen,<br />

Unternehmenssteuern, die Liberalisierung <strong>der</strong> Finanzmärkte <strong>und</strong> des internationalen Handels,<br />

die verstärkte Subventionierung von Unternehmen aus Schlüsselbranchen durch staatliche<br />

Initiativen, z.B. durch die Errichtung von Industrieparks (vgl. Castells / Hall 1994),<br />

die Ersetzung fordistisch regulierter Arbeitsverhältnisse durch flexible Jobs o<strong>der</strong> über die<br />

Inwertsetzung urbaner Gr<strong>und</strong>stücks- <strong>und</strong> <strong>Immobilienmärkte</strong>, von <strong>der</strong> Gentrifizierung ein<br />

Moment ist. Diese Politiken führten insgesamt zu einer temporären Erholung <strong>der</strong> Profitraten,<br />

ab ca. 1981 begannen sie in den entwickelten Staaten wie<strong>der</strong> zu wachsen (vgl. Abb. 8).<br />

Gleichzeitig basierten diese Maßnahmen aber größtenteils auf <strong>der</strong> Erhöhung <strong>der</strong> Ausbeutungsrate<br />

des Proletariats. So sank etwa die Lohnquote in Deutschland, also <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong><br />

nationalen Wertschöpfung, <strong>der</strong> als Lohn ausgezahlt wird, im Gegensatz zu jenem Anteil,<br />

<strong>der</strong> als Kapitalprofit angeeignet wird, allein nach Durchsetzung <strong>der</strong> Agenda 2010 innerhalb<br />

von nur sechs Jahren von 72,2% im Jahre 2000 auf 66,2% in 2006, die Kapitalgewinne<br />

stiegen reziprok von 27,8% auf 33,8% an (Statistisches B<strong>und</strong>esamt, zitiert nach Schuhler<br />

2007, 34). D.h., dass jährlich 1% des gesellschaftlichen Reichtums von den Löhnen auf die<br />

Kapitalprofite umverteilt wurde. 2009 hat die Lohnquote in Deutschland den niedrigsten<br />

Stand seit den 1960er Jahren erreicht haben. Dies ist nur ein Indikator für das Senken <strong>der</strong><br />

Arbeitseinkünfte des Proletariats zu Gunsten <strong>der</strong> Erhöhung <strong>der</strong> Profite des Kapitals. Phänomene,<br />

wie die sukzessive Ersetzung von Textilarbeiterinnen <strong>der</strong> 1960er Jahre im Stuttgarter<br />

Raum durch billigere Arbeiterinnen im 3. Italien <strong>der</strong> 1970er <strong>und</strong> 1980er Jahre <strong>und</strong> wie<strong>der</strong>um<br />

<strong>der</strong>en Ersetzung durch noch billigere chinesische Wan<strong>der</strong>arbeiterinnen im Zhujiang-<br />

Delta in den letzten zwei Jahrzehnten, die <strong>der</strong>zeit von <strong>der</strong> Niedriglohnkonkurrenz aus Zentralchina<br />

<strong>und</strong> Vietnam bedroht, sind tauchen in <strong>der</strong>artigen Statistiken nicht auf <strong>und</strong> lassen<br />

sich auch nur schwer quantifizieren.<br />

Es lässt sich zusammenfassend sagen, dass die diversen Strategien zur Hebung <strong>der</strong> Profitraten<br />

seit den 1980er Jahre relativ erfolgreich waren. Viele Kapitalien akkumulierten<br />

hohe Profite <strong>und</strong> wuchsen entsprechend stark an. Da dieses Wachstum <strong>der</strong> Profitraten aber<br />

im Wesentlichen gleichbedeutend mit <strong>der</strong> Senkung des Wohlstands des Proletariats ist, ent­<br />

50


Abb. 8: Profit- <strong>und</strong> Akkumulationsraten in den USA, Japan <strong>und</strong> <strong>der</strong> EU. Ersichtlich ist, dass <strong>der</strong> Anstieg<br />

<strong>der</strong> Profitraten ab 1981 nicht zur Reinvestition des gesamten Kapitals führt.<br />

Quelle: Husson 2009, 176.<br />

wickelte sich ein neues Problem: die strukturelle Überakkumulationskrise <strong>der</strong> Weltwirtschaft<br />

begann sich zu verstärken. Die erfolgreichen Kapitalien wuchsen beständig an, das<br />

Mehr an Kapital ließ sich aber nicht mehr sinnvoll vollständig in die Ausweitung <strong>der</strong> Produktion<br />

reinvestieren, da auf vielen Märkten in vermehrt Nachfragerestriktionen entstanden.<br />

Kapitalberge wurden angehäuft, die keine profitablen Investitionsmöglichkeiten fanden.<br />

Bereits 1990 beschreibt etwa Krätke, dass viele deutsche Technologieunternehmen in<br />

den 1980er Jahren begannen ihr überschüssiges Kapital an den Finanzmärkten anzulegen<br />

o<strong>der</strong> eigene Finanzsparten gründeten (Krätke 1990). Das Wachstum <strong>der</strong> Finanzindustrie<br />

seit Ende <strong>der</strong> 1970er Jahre leitet sich vorrangig aus einer strukturellen Überakkumulationskrise<br />

ab, die es unrentabel machte, die Produktion in dem Maße auszuweiten wie investitionsfähiges<br />

Kapital akkumuliert wurde. Dies offenbart sich auch in Abb. 8, die zeigt, dass<br />

sich das Wachstum <strong>der</strong> Profitraten <strong>und</strong> das Wachstum <strong>der</strong> Akkumulationsrate, also des in<br />

die Produktion reinvestierten Kapitals, ab Anfang <strong>der</strong> 1980er Jahre entkoppelten. Der Kapitalismus<br />

begann also an seinem Erfolg zu erkranken, was nach Brenner (2002) zu einer<br />

Verstärkung <strong>und</strong> zeitlichen Häufung von Krisen seit den 1980er Jahren führt.<br />

5.2 FINANZIALISIERUNG UND IMMOBILIENBOOM: FIKTIVER AUFSCHWUNG<br />

Das primäre Problem <strong>der</strong> Weltwirtschaft besteht seit den letzten 15 bis 20 Jahren in einer<br />

strukturellen Überakkumulationskrise. Diese wird durch die diversen neoliberalen Strategien<br />

zur Steigerung <strong>der</strong> Profitraten vornehmlich verstärkt, seien sie auf <strong>der</strong> Ebene <strong>der</strong> Politik<br />

o<strong>der</strong> privater Unternehmen angesiedelt. Es kommt damit zur Anhäufung riesiger Kapitalien<br />

die auf <strong>der</strong> Suche nach profitablen Anlagemöglichkeiten über den Erdball schweifen. Dieses<br />

Kapital muss aber profitabel investiert werden, soll es nicht auf den vorkapitalistischen<br />

Status <strong>der</strong> Schatzbildung zurückgeworfen werden. Es verstärkt sich damit <strong>der</strong> gesellschaftliche<br />

Druck, neue spatio-temporal fixes o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Möglichkeiten aufzuschließen, dieses<br />

Kapital zu investieren, da sonst seine krisenhafte Entwertung droht. Neben spatio-temporal<br />

fixes, ist es vorrangig die Finanzindustrie, die dieses überschüssige Kapital absorbiert. Die<br />

Finanzsphäre erlangt mit <strong>der</strong> wachsenden Masse des in ihr verwalteten Kapitals aber eine<br />

51


neue gesellschaftliche Relevanz <strong>und</strong> es wird in marxistischen Kreisen diskutiert, ob damit<br />

auch eine neue Qualität einher geht, ein „finanzdominiertes Akkumulationsregime“ (Chesnais<br />

2004, Zeller 2004, 2004a, Husson 2009).<br />

Zunächst stellt sich aber die Frage, was die beson<strong>der</strong>e Qualität <strong>der</strong> Finanzsphäre ausmacht,<br />

die es ermöglicht, dort überschüssiges Kapital zu investieren, während dieses Kapital<br />

sonst keine profitablen Anlagemöglichkeiten findet. Hier wird <strong>der</strong> Begriff des fiktiven<br />

Kapitals wichtig. Wie bereits ausgeführt wurde, ist fiktives Kapital eine Rechtstitel auf in<br />

<strong>der</strong> Zukunft zu produzierenden Mehrwert. Fiktives Kapital hat damit aber die Eigenschaft,<br />

dass es höhere Profitraten versprechen kann, als sich in Zukunft wirklich erwirtschaften<br />

lassen. Dies war etwa bei den US-amerikanischen Subprime-Hypotheken <strong>der</strong> Fall: die Kreditnehmer<br />

versprachen den Hypothekengebern, in Zukunft nach den Marktbedingungen<br />

variabel steigende Zinsen zahlen zu können, was sich als uneinlösbares Versprechen entpuppte<br />

<strong>und</strong> die auf diesen Hypotheken aufbauenden Finanzprodukte plötzlich unverkäuflich<br />

machte. Krätke spricht in diesem Sinne von <strong>der</strong> Möglichkeit einer „Entkoppelung des<br />

Kapitalverwertungsprozesses [in <strong>der</strong> Finanzsphäre] vom realen Produktionsprozess“ (Krätke<br />

1995, 225). Die beson<strong>der</strong>e Qualität <strong>der</strong> Finanzsphäre besteht also darin, dass in ihr fiktives<br />

Kapital geschaffen werden <strong>und</strong> dass sie darum von <strong>der</strong> Realwirtschaft „abheben“ kann.<br />

Die Finanzsphäre in deshalb in <strong>der</strong> Lage temporär als Auffangbecken für überakkumuliertes<br />

Kapital zu fungieren.<br />

Dieses Abheben hat aber eine Grenze:<br />

„[...] Finanztitel stellen einen Rechtsanspruch auf einen Teil des produzierten Mehrwerts dar. Solange<br />

man dieses Recht nicht ausübt, bleibt alles virtuell. Sobald man es aber umsetzen will, entdeckt<br />

man, dass es dem Wertgesetz unterworfen ist, das schlicht <strong>und</strong> einfach bedeutet, dass man<br />

nicht mehr Reichtum verteilen kann als vorher produziert worden ist. Aus objektiver Sicht nehmen<br />

die Börsenkurse die zukünftigen Profite <strong>der</strong> Unternehmen vorweg, von denen die Kapitaleinkünfte<br />

ein Teil sein werden. Inzwischen haben sie jedoch völlig abgehoben <strong>und</strong> haben nur<br />

noch eine ganz ferne Beziehung zu den Kapitalrenditen, die auf <strong>der</strong> Ausbeutung menschlicher Arbeit<br />

gründen.“ (Husson 2009, 176).<br />

Der „Überakkumulationskrisen-fix“ <strong>der</strong> Finanzialisierung besteht also darin, dass Kapital<br />

in die Finanzsphäre fließt, weil ihm dort zukünftige Profite versprochen werden können,<br />

die in realen Wertschöpfungsprozessen nicht erwirtschaftbar sind. So lange Kapital in die<br />

Finanzsphäre o<strong>der</strong> auch in die <strong>Immobilienmärkte</strong> fließt, steigen dort die Preise <strong>der</strong> gehandelten<br />

Produkte (Gr<strong>und</strong>stücke, Aktien, Termingeschäfte etc. pp.), versprochene Profite<br />

können ausgezahlt werden <strong>und</strong> die Eigentümer dieser Produkte werden nominell reicher.<br />

Versiegt aber <strong>der</strong> Zufluss neuen Kapitals, dann stagniert <strong>der</strong> Markt. Und verlangt plötzlich<br />

eine relevante Anzahl <strong>der</strong> Eigentümer von Rechtstiteln auf zukünftigen Mehrwert die Einlösung<br />

dieser Versprechen, dann stellt sich heraus, dass <strong>der</strong> versprochene Mehrwert nicht<br />

existiert <strong>und</strong> ergo auch nicht ausgezahlt werden kann. Die vorher wertvollen Rechtstitel<br />

verwandeln sich plötzlich in Altpapierbestände. Es sei in diesem Zusammenhang noch einmal<br />

darauf hingewiesen, dass die jährliche Wertschöpfung <strong>der</strong> gesamten Weltbevölkerung<br />

zu Beginn <strong>der</strong> Krise 2007 um ungefähr das 60-fache überzeichnet gewesen sein soll – das<br />

bedeutet, dass die gesamte Wertschöpfung <strong>der</strong> Weltbevölkerung in den nächsten 60 Jahren<br />

(unter Annahme einer konstanten Wertschöpfung) als Kreditversprechen im Umlauf war.<br />

Dies verdeutlicht die Dimensionen <strong>der</strong> Aufblähung <strong>der</strong> Finanzsphäre.<br />

Wolfgang Pohrt behauptete schon 1975, dass die Pleite, im Sinne des <strong>ökonomische</strong>n Konkurses,<br />

die Bedingung von Vernunft im Kapitalismus sei (Pohrt 1995, 171ff). Diese zunächst<br />

kryptisch wirkende Formulierung wird begreiflich, wenn man bedenkt, dass die von<br />

fiktivem Kapital aufgeblähte Finanzsphäre erst im Moment <strong>der</strong> Krise wie<strong>der</strong> gezwungen<br />

wird, zur realen Wertschöpfung zurück zu finden <strong>und</strong> das Wertgesetz zu realisieren. In den<br />

vergangenen 30 Jahren aber, in denen die Finanzsphäre sich aufblähte, schien jede Bezie­<br />

52


hung zwischen Mehrwertschöpfung in <strong>der</strong> Produktion <strong>und</strong> Akkumulation von Kapital in<br />

<strong>der</strong> Finanzsphäre verloren gegangen zu sein. Marx spricht hier vom Zinsfetisch, also dem<br />

Schein, dass Geld unmittelbar zu geldheckendem Geld werde, ohne sich zwischendurch im<br />

Produktionsprozess verwerten zu müssen 34 . Die <strong>der</strong>zeitige Popularität etwa <strong>der</strong> „Psyconomics“,<br />

also einer wirtschaftswissenschaftlichen Disziplin, die das Marktgeschehen primär<br />

aus <strong>der</strong> Psychologie <strong>der</strong> Investoren erklärt, ist vorwissenschaftliche Quacksalberei auf <strong>der</strong><br />

Basis dieses Zinsfetischs, allerdings nicht ohne Wahrheitsmoment. Es ist kein W<strong>und</strong>er,<br />

dass eine Wirtschaftswissenschaft auf <strong>der</strong> Gr<strong>und</strong>lage <strong>der</strong> subjektiven Wertlehre <strong>der</strong>artigem<br />

Mystizismus aufsitzt.<br />

Marx' Kategorie des Zinsfetisch verweist auf ein ideologietheoretisches Problem 35 : in <strong>der</strong><br />

Finanzsphäre herrscht <strong>der</strong> objektive Schein vor, dass es eine Natureigenschaft von Kapital<br />

sei, einen Zins zu tragen. Im Gegensatz dazu zwingt industrielles Kapital seinem Bedienungspersonal<br />

in <strong>der</strong> Regel wenigstens den Rest eines Bewusstseins davon auf, dass <strong>der</strong><br />

Verwertungsprozess durch den Produktionsprozess hindurch gehen muss. Es lässt sich darum<br />

aber annehmen, dass Finanzkapital <strong>und</strong> Industriekapital nach unterschiedlichen Logiken<br />

funktionieren. Während die Logik des Industriekapitals als Produktionslogik bezeichnet<br />

werden kann, ist die des Finanzkapitals die Logik des zinstragenden Kapitals, also einer<br />

zinstragenden Investition ohne Ansehung <strong>der</strong> Ursprünge des Zinses.<br />

Hier wird die Debatte um die Entstehung eines finanzdominierten Akkumulationsregimes<br />

interessant. Chesnais etwa behauptet:<br />

„Seit 1979-1980 entstand […] ein hochkonzentriertes finanzielles Anlagekapital. In den beiden<br />

letzten Jahrzehnten wurden auch das Wie<strong>der</strong>aufleben <strong>und</strong> später die volle Entfaltung von Finanzmärkten<br />

sichtbar, die diesem Kapital die beson<strong>der</strong>en Privilegien <strong>und</strong> die beträchtliche wirtschaftliche<br />

<strong>und</strong> soziale Macht garantieren, die mit „Liquidität“ verb<strong>und</strong>en sind. […] Seit Mitte <strong>der</strong><br />

achtziger Jahre hat das finanzielle Anlagekapital Positionen erworben, die ihm erlauben, sehr<br />

stark auf das Niveau <strong>und</strong> die Ausrichtung von Investitionen wie auch auf die Gestaltung <strong>und</strong> Verteilung<br />

<strong>der</strong> Erträge Einfluss zu nehmen. […] die wirtschaftliche <strong>und</strong> soziale Entwicklung des<br />

letzten Jahrzehnts bestätigen, dass jene Form des Kapitals, die als finanzielles Anlagekapital verwertet<br />

wird <strong>und</strong> von den Unternehmensgewinnen lebt, die dominante Fraktion des Kapitals darstellt,<br />

also jene Fraktion, die über Formen <strong>und</strong> Rhythmen <strong>der</strong> Kapitalakkumulation bestimmen<br />

kann. Während diese Form des Kapitals sich durchsetzte, entstanden neue systematische Strukturen<br />

sowie neuartige makro<strong>ökonomische</strong> Verkettungen, bei denen die Finanzmärkte <strong>und</strong> das neue<br />

Aktionariat eine zentrale Rolle spielen.“ (Chesnais 2004, 217f).<br />

Chesnais Überlegung ist, dass eine neue Art institutioneller Akteure entstanden ist, hochflexible<br />

Finanzkapitalien, die die fordistische Vormachtstellung von Industriekapitalien zurück<br />

drängen. Derartige Finanzkapitalien mit ihrer spezifischen Verwertungslogik entwickeln<br />

sich zu den gesellschaftlich dominanten institutionellen Akteuren. Und sie konzentrieren<br />

eine <strong>der</strong>artige <strong>ökonomische</strong> <strong>und</strong> politische Macht, dass sie auf die Dynamik <strong>der</strong> Kapitalakkumulation<br />

maßgeblichen Einfluss gewinnen. Damit wird aber eine industriekapitalistische<br />

Logik <strong>der</strong> Kapitalverwertung sukzessive durch finanzkapitalistische Verwertungslogiken<br />

ersetzt, die die Notwendigkeit <strong>der</strong> Produktion von Mehrwert in <strong>der</strong> Regel<br />

ignorieren. Und auch Politik <strong>und</strong> Wirtschaftswissenschaft werden zunehmend von dieser<br />

Logik durchdrungen. Harrison drückt das folgen<strong>der</strong> Maßen aus:<br />

„Der vertraueneinflößende Vorsitzende <strong>der</strong> Fe<strong>der</strong>al Reserve, Alan Greenspan – <strong>der</strong> Meister <strong>der</strong><br />

<strong>ökonomische</strong>n Metaphysik –, versicherte den Regierenden im Lande [USA], ihre Wirtschaft sei<br />

34 Marx im Original: „Alle Nationen kapitalistischer Produktionsweise werden […] periodisch von einem<br />

Schwindel ergriffen, worin sie ohne Vermittlung des Produktionsprozesses das Geldmachen vollziehen<br />

wollen.“ Zitiert nach Chesnais 2004, 222.<br />

35 Auf Marx Ideologietheorie einzugehen fehlt hier <strong>der</strong> Platz. Verwiesen sei auf einen Artikel des Autors,<br />

veröffentlicht unter Pseudonym, in dem er versucht den Zusammenhang zwischen Krise, objektiver Ideologie<br />

<strong>und</strong> Antisemitismus zu untersuchen. Dort weist er auch schon auf eine drohende Immobilienkrise in<br />

den USA hin (vgl. Maschewsky 2005).<br />

53


lediglich von <strong>der</strong> „physischen“ Gr<strong>und</strong>lage des Produzierens auf eine „gedanklich-konzeptionelle“<br />

Gr<strong>und</strong>lage umgestellt worden. Und die amerikanische Bevölkerung war überzeugt, sie könne von<br />

heißer Luft leben. Der Absturz war schmerzvoll.“ (Harrison 2008, 163).<br />

Greenspan ist kein Einzelfall. Im letzten Jahrzehnt häuften sich <strong>der</strong>artige Vorstellungen<br />

einer „Befreiung“ <strong>der</strong> Ökonomie von ihren materiellen Gr<strong>und</strong>lagen. Und entsprechend<br />

sahen dann auch die politischen Strategien zur Ankurbelung <strong>der</strong> Wirtschaft nach <strong>der</strong><br />

dot.com-Krise 2000/01 aus. Harrison argumentiert, dass die Niedrigzinspolitik in den USA<br />

<strong>und</strong> Großbritannien zu einer Flut billiger Kredite führte. Diese Kredite wie<strong>der</strong>um ersetzten<br />

die durch die neoliberale Lohnsenkungspolitik fehlende Kaufkraft des Proletariats. Abb. 9<br />

zeigt, dass sich die Löhne <strong>und</strong> <strong>der</strong> Anteil des Konsums am Bruttoinlandsprodukt (BIP) in<br />

<strong>der</strong> Mitte <strong>der</strong> 1980er Jahre auseinan<strong>der</strong> entwickelten. Die gesamtgesellschaftliche<br />

Lohnsumme deckte den Anteil des Konsums am BIP nicht mehr ab. Wie wird nun diese<br />

Lücke gefüllt? Einerseits durch Konsum auf <strong>der</strong> Basis von Kapitaleinkünften, an<strong>der</strong>erseits<br />

aber auf <strong>der</strong> Basis eines „Konsums auf Pump“, also durch Kredite 36 . Der rasante<br />

Wirtschaftsaufschwung <strong>und</strong> <strong>der</strong> Immobilienboom in den USA, Großbritannien, den PIIGS-<br />

Staaten etc. nach <strong>der</strong> dot.com-Krise basierte also im Wesentlichen auf Verschuldung <strong>und</strong><br />

<strong>der</strong> Schaffung fiktiven Kapitals. Harrison behauptet sogar, dass es eine mehr o<strong>der</strong> weniger<br />

bewusste Politik in den USA <strong>und</strong> Großbritannien gegeben habe, die fehlende Nachfrage<br />

auf den Märkten durch die Verschuldung <strong>der</strong> privaten Haushalte auszugleichen. Dieser<br />

verschwörungstheoretischen These wird hier allerdings nicht gefolgt.<br />

Es bleibt aber festzuhalten, dass <strong>der</strong> wirtschaftliche Aufschwung nach 2001 in den USA,<br />

Großbritannien <strong>und</strong> vielen an<strong>der</strong>en Staaten im Wesentlichen durch die Schaffung fiktiven<br />

Kapitals ermöglicht wurde. Dabei hatten die <strong>Immobilienmärkte</strong> eine ganz zentrale Funktion:<br />

da viel neues Kapital in die <strong>Immobilienmärkte</strong> floss, hervorgebracht durch die strukturelle<br />

Überakkumulationskrise <strong>und</strong> die Niedrigzinspolitik vieler Zentralbanken, entstand auf<br />

diesen ein Boom, angefeuert durch fiktives Kapital. Die Preise für Immobilien <strong>und</strong><br />

Gr<strong>und</strong>stücke stiegen schnell 37 . Da, wie dargestellt wurde, Gr<strong>und</strong>eigentum selbst zu fiktivem<br />

Kapital werden kann, ließ sich in diesem inflationärem Immobilienmarktumfeld mit<br />

Immobilienspekulation viel <strong>und</strong> schnelles Geld verdienen. Und Immobilien eigneten sich<br />

gut als Gegenwert für Kredite, aus denen die Bevölkerung dann wie<strong>der</strong>um ihren Konsum<br />

finanzieren konnte. Der wirtschaftliche Aufschwung ab 2001 war damit im Wesentlichen<br />

ein fiktiver Aufschwung auf <strong>der</strong> Basis einer Inflation von Vermögenswerten <strong>und</strong> die außergewöhnlichen<br />

Wachstumsraten etwa in den USA <strong>und</strong> Großbritannien basierten zu einem<br />

guten Teil darauf, dass Häuser gehandelt wurden <strong>und</strong> sich <strong>der</strong>en Preis jährlich erhöhte,<br />

ohne dass ihnen wirklich neuer Wert zugesetzt wurde. Die Wachstumsraten spiegelten also<br />

die Vermögenswerte- <strong>und</strong> Immobilienpreisinflation wi<strong>der</strong> <strong>und</strong> kaum eine reale Wertschöpfung.<br />

Es gilt zu rekapitulieren. Es wurde argumentiert, dass die Weltwirtschaft seit r<strong>und</strong> 30 Jahren<br />

an einer strukturellen Überakkumulationskrise <strong>und</strong> bis Anfang / Mitte <strong>der</strong> 1980er Jahre<br />

auch am Fall <strong>der</strong> Profitraten krankt(e). Dieser Krise wird mit relativ erfolgreichen Strategien<br />

<strong>der</strong> Erhöhung <strong>der</strong> Profitraten begegnet, die aber eine Erhöhung <strong>der</strong> Ausbeutungsrate des<br />

Proletariats zur Folge haben. Dadurch wird die Überakkumulationskrise verschärft, da die<br />

36 Harrison weist darauf hin, dass die Sparquote in den USA im dritten Quartal 1998 erstmalig negativ war,<br />

die US-Amerikaner also mehr Geld ausgaben, als sie einnahmen. Inzwischen ist es im Wirtschaftsjournalismus<br />

zur Binsenweisheit geworden, dass nicht nur die Griechen, son<strong>der</strong>n auch die Amerikaner auf<br />

„Pump“ leben.<br />

37 Einige Zahlen dazu: Anstieg <strong>der</strong> Wohnimmobilienpreise im Zeitraum 1997-2007: Irland: 240%, GB:<br />

213%, Frankreich: 144%, Spanien: 190%, Italien: 102%, USA: 102% (hier macht sich bereits die Stagnation<br />

bzw. <strong>der</strong> Rückgang <strong>der</strong> Immobilienpreise ab Mitte 2006 bemerkbar), Japan: -32%, Deutschland:<br />

-7,2% (Harrison 2008, 287). Diese Zahlen müssen mit <strong>der</strong> Wachstumsrate <strong>der</strong> Löhne ins Verhältnis<br />

gesetzt werden, um ihre Bedeutung zu begreifen.<br />

54


Kaufkraft des Proletariats geschwächt wird o<strong>der</strong> zumindest nicht in ausreichendem Maße<br />

steigt. Als eine Option <strong>der</strong> temporären Lösung dieser Krise hat sich wie<strong>der</strong>um <strong>der</strong> Abfluss<br />

von überflüssigem Kapital in die Finanzsphäre etabliert. Mit dem massiven Zufluss von<br />

Kapital in die Finanzsphäre hat diese einen starken Bedeutungsgewinn erlebt. Es sind neue<br />

Abb. 9: Anteil <strong>der</strong> Löhne <strong>und</strong> des privaten Konsums am Bruttoinlandsprodukt, oben USA, unten EU.<br />

Es lässt sich erkennen, dass die Schere zwischen Löhnen <strong>und</strong> Konsum wächst – dabei ist allerdings zu<br />

beachten, dass sie für die EU überzeichnet ist, da die Skalierungen für Lohn <strong>und</strong> privaten Konsum nicht<br />

identisch sind. Dennoch wird deutlich, dass die Löhne den privaten Konsum nicht abdecken. Entwe<strong>der</strong><br />

zehren die Lohnabhängigen also von ihren Ersparnissen o<strong>der</strong> sie verschulden sich o<strong>der</strong> <strong>der</strong> private<br />

Konsum aus Kapitaleinkünften ersetzt den privaten Konsum aus Löhnen. Interessant ist auch, dass die<br />

Löhne in den USA kaum sanken, aber <strong>der</strong> Konsum anstieg, während sich in <strong>der</strong> EU Lohnsenkungen<br />

zeigen <strong>und</strong> <strong>der</strong> Konsum stagniert. Basiert <strong>der</strong> Anstieg des Konsums in den USA auf <strong>der</strong> privaten<br />

Verschuldung auf Basis von Hypothekenkrediten <strong>und</strong> damit auf <strong>der</strong> 4. Welle <strong>der</strong> Gentrifizierung?<br />

Quelle: Husson 2009, 177.<br />

55


institutionelle Akteure entstanden, große Finanzkapitalien o<strong>der</strong> institutionelle Investoren,<br />

die eine an<strong>der</strong>e Verwertungslogik verfolgen, als es die fordistischen Industriekapitalien taten.<br />

Diese Logik wurde in einer ersten Annäherung als „Logik des zinstragenden Kapitals“<br />

bezeichnet. Ob dieser neuen Dominanz <strong>der</strong> Finanzindustrie lässt sich von einem finanzdominierten<br />

Akkumulationsregime sprechen. Dieses finanzdominierte Akkumulationsregime<br />

geht mit einem Verlust des Bewusstseins davon einher, dass Kapital sich durch Produktionsprozesse<br />

hindurch verwerten muss. Die Strategien <strong>der</strong> Lösung gerade <strong>der</strong> dot.com-Krise<br />

basierten daher vorrangig auf Logiken des zinstragenden Kapitals. Gerade durch die<br />

Niedrigzinspolitiken <strong>der</strong> Zentralbanken wurde nach 2001 eine inflationäre Preisspirale bei<br />

Vermögenswerten angefeuert, die eine Immobilienpreisinflation mit sich brachte. Diese ermöglichte<br />

zugleich die Ausweitung des privaten Konsums durch Kredite auf <strong>der</strong> Basis von<br />

Immobilienhypotheken. Der gesamte Boom basierte aber im Wesentlichen auf <strong>der</strong> Schaffung<br />

fiktiven Kapitals <strong>und</strong> musste früher o<strong>der</strong> später in die Krise führen. Entsprechend ließ<br />

sich die Immobilienkrise in den USA auf <strong>der</strong> theoretischen Gr<strong>und</strong>lage <strong>der</strong> Marx'schen Arbeitswertlehre<br />

auch relativ leicht voraussehen (vgl. etwa Harrison 2008, Maschewsky<br />

2005, Zeller 2004a, Chesnais 2004, Harvey 2004, Husson 2004). Polemisch formuliert erweisen<br />

sich die neoliberalen Strategien <strong>der</strong> Krisenlösung daher als weitgehend bornierte<br />

Politik zu Gunsten des Finanzkapitals <strong>und</strong> anscheinend ohne Bewusstsein von den krisenhaften<br />

Konsequenzen dieser Politik. Die Politik scheint sich vielmehr die Logik des Finanzkapitals<br />

zu eigen zu machen.<br />

5.3 GENTRIFIZIERUNG ALS AKKUMULATION AUS DER SUBSTANZ DES KAPITALS<br />

Es stellt sich abschließend die Frage, wie die von den Verwertungslogiken finanzkapitalistischer<br />

institutioneller Akteure dominierte Kapitalakkumulationsdynamik <strong>und</strong> die Krisen,<br />

die diese aus sich heraus treibt, mit <strong>der</strong> vierten Welle <strong>der</strong> Gentrifizierung zusammen hängen.<br />

Auf einer assoziativen Ebene scheint dieser Zusammenhang auf <strong>der</strong> Hand zu liegen,<br />

bspw. im Fall des Stuyvesant-Town-Beispiels aus dem 2. Kapitel. Dort waren es die Verwertungslogiken<br />

vorrangig institutioneller Investoren aus <strong>der</strong> Finanzindustrie im Kontext<br />

eines inflationären Immobilienmarktumfeldes, die zu einer Akkumulationsstrategie führten,<br />

die auf <strong>der</strong> Gentrifizierung zweier urbaner Wohnquartiere basierte. Mit Hilfe <strong>der</strong> begrifflichen<br />

Differenzierungen aus dem 3. Kapitel lässt sich zudem erkennen, dass die Akkumulationsstrategie<br />

in diesem Beispiel nicht auf einer Abschöpfung von Differenzialrente<br />

gründete, denn die angestrebte Erhöhung <strong>der</strong> Mieten begründete sich nicht aus neu geschaffenen<br />

Standortvorteilen, die mit einer Reduktion von „Produktionskosten“ (etwa Wegekosten)<br />

<strong>der</strong> Mieter in den beiden Wohnkomplexen einher ging. Die Akkumulationsstrategie<br />

basierte statt dessen auf <strong>der</strong> Abschöpfung von Monopolrente. Es wurde aber in Frage<br />

gestellt, ob dieses extreme Beispiel verallgemeinerbare Bedeutung besitzt.<br />

Im 3. Kapitel wurde mit Susanne Heeg gezeigt, dass <strong>der</strong> Einfluss von institutionellen Investoren<br />

auf die <strong>Immobilienmärkte</strong> stark angewachsen ist. Zudem wurde angedeutet, dass<br />

sich die Verwertungslogiken dieser institutionellen Investoren aus <strong>der</strong> Finanzindustrie substanziell<br />

von den Verwertungslogiken <strong>der</strong> ehemals wichtigsten Finanziers <strong>der</strong> Immobilienentwicklung,<br />

den lokalen Banken, unterscheiden. Es liegt daher nahe anzunehmen, dass<br />

sich mit <strong>der</strong> neuen Dominanz institutioneller Investoren auf den <strong>Immobilienmärkte</strong>n dort<br />

auch neue Kapitalverwertungslogiken durchsetzen. Gezeigt wurde vor allem, dass sich die<br />

Umlaufgeschwindigkeit des Kapitals in den <strong>Immobilienmärkte</strong>n durch die Entwicklung<br />

neuer Finanzprodukte, vorrangig durch Derivate, extrem erhöht hat. Diese Erhöhung <strong>der</strong><br />

Umlaufgeschwindigkeit des Kapitals, so wurde argumentiert, hat die <strong>Immobilienmärkte</strong> für<br />

finanzkapitalistische institutionelle Investoren überhaupt erst zu einer attraktiven<br />

Anlageoption gemacht. Damit aber wurden die rechtlichen <strong>und</strong> privatwirtschaftlichen<br />

Voraussetzungen verbessert (erinnert sei etwa an die deutschen RITEs), die es<br />

56


ermöglichen, dass überschüssiges Kapital in die <strong>Immobilienmärkte</strong> fließt. Und es wurde<br />

gezeigt, dass es gerade in Metropolregionen zu einem massiven Zufluss von<br />

internationalem Finanzkapital in die <strong>Immobilienmärkte</strong> kommt, was dort zu „künstlichen“<br />

Immobilienpreisinflationen führt.<br />

Mit Neil Smith wurde im 4. Kapitel die Funktionsweise von rent gaps erklärt <strong>und</strong> es wurde<br />

darauf hingewiesen, dass rent gaps nicht nur durch eine vorhergehende Entwertung eines<br />

Stadtquartiers <strong>und</strong> die Entstehung eines land value valley hervorgebracht werden können.<br />

Rent gaps können auch entstehen, wenn sich <strong>der</strong> Bodenpreiskegel einer Stadt insgesamt<br />

hebt, etwa durch den massiven Zufluss von internationalem Finanzkapital. Ein <strong>der</strong>artige<br />

Zufluss von Kapital führt dazu, dass sich im Stadtgebiet wesentlich mehr <strong>und</strong> wesentlich<br />

schneller rent gaps öffnen, die dann für eine profitable Investition in den Immobilienmarkt<br />

genutzt werden können. Es erscheint damit logisch, dass eine starke Erhöhung <strong>der</strong><br />

Kapitalmasse, die in einem lokalen Immobilienmarkt investiert ist, die Bedingungen verbessert,<br />

unter denen rent gaps profitabel genutzt werden können. Daraus lässt sich logisch<br />

sowohl eine Verkürzung <strong>der</strong> Periodizität, in <strong>der</strong> in einem gegebenen Stadtquartier ein rent<br />

gap entsteht (das Phänomen <strong>der</strong> „Super-Gentrifizierung“), als auch eine quantitative Ausdehnung<br />

von rent gaps <strong>und</strong> damit <strong>der</strong> Bedingung <strong>der</strong> Möglichkeit <strong>der</strong> Gentrifizierung ableiten.<br />

Es ist an diesem Punkt <strong>der</strong> Argumentation damit möglich, die Verallgemeinerung von Bedingungen<br />

<strong>der</strong> Möglichkeit von Gentrifizierung aus <strong>der</strong> Logik von urbanen <strong>Immobilienmärkte</strong>n<br />

<strong>und</strong> dem empirischen Bef<strong>und</strong> eines starken Zuflusses von Kapitalinvestitionen in<br />

diese Märkte abzuleiten. Das Kausalgefüge stellt sich schematisch wie folgt dar:<br />

1.) es existiert eine strukturelle Überakkumulationskrise;<br />

2.) diese führt zum Abfluss überschüssigen Kapitals in die Finanzsphäre;<br />

3.) <strong>der</strong> Anlagedruck des Finanzkapitals führt zu politisch-rechtlichen Deregulierungen,<br />

neuen Finanzinnovationen <strong>und</strong> lokalen Pro-Gentrifizierungspolitiken, die die urbanen<br />

<strong>Immobilienmärkte</strong>, vornehmlich von Metropolen mit internationaler Bedeutung,<br />

für Investitionen aus <strong>der</strong> Finanzindustrie öffnen <strong>und</strong> attraktiv machen;<br />

4.) <strong>der</strong> Zustrom von internationalem Finanzkapital in diese lokalen urbanen <strong>Immobilienmärkte</strong><br />

führt dort zu einem generellen Anstieg des Bodenpreiskegels, <strong>und</strong> damit<br />

öffnen sich rent gaps auf diesen Märkten wesentlich schneller <strong>und</strong> wesentlich häufiger,<br />

als es vorher <strong>der</strong> Fall war;<br />

5.) aus dieser Kausalkette lässt sich eine Verbesserung <strong>der</strong> Bedingungen <strong>der</strong> Möglichkeit<br />

<strong>der</strong> Profitabilität von Gentrifizierung logisch ableiten.<br />

Die von vielen Gentrifizierungsforschern behauptete Globalisierung o<strong>der</strong> Generalisierung<br />

<strong>der</strong> Gentrifizierung ist damit in letzter Instanz aus <strong>der</strong> globalen, von einer strukturellen<br />

Überakkumulationskrise geprägten Akkumulationsdynamik des Kapitals ableitbar. Es<br />

konnte also ein systematischer <strong>ökonomische</strong>r Zusammenhang zwischen Akkumulationsdynamik<br />

<strong>und</strong> Gentrifizierung aufgedeckt werden.<br />

Bleibt die Frage, wie diese Logik mit <strong>der</strong> Immobilienkrise zusammenhängt. Smith behauptete,<br />

dass Gentrifizierung Teil einer größeren Bewegung zur Hebung <strong>der</strong> Profitraten<br />

sei, die unter an<strong>der</strong>em über die Inwertsetzung urbaner Gr<strong>und</strong>stücke funktioniert. Der Begriff<br />

<strong>der</strong> Profitrate sagt aber nichts darüber aus, woher <strong>der</strong> Profit kommt. Die kategoriale<br />

Unterscheidung von Mehrwert <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>rente ermöglicht es hingegen zu erkennen, dass<br />

im Falle von Gentrifizierung den betroffenen Stadtquartieren im Normalfall durch die Sanierung<br />

<strong>der</strong> Gebäudesubstanz relativ wenig neuer Wert zugesetzt wird. Die Immobilienpreisinflation<br />

im Zuge von Gentrifizierungsprozessen gründet vorrangig auf <strong>der</strong> Abschöpfung<br />

erhöhter Gr<strong>und</strong>renten. Zudem lässt sich die Gentrifizierung von Stadtquartieren im<br />

Sinne des uneven geographical development als Konstruktion räumlicher Differenz begreifen.<br />

Auf <strong>der</strong> Basis dieser Produktion räumlicher Differenz lässt sich Gentrifizierung damit<br />

57


als eine Strategie begreifen, beson<strong>der</strong>e Stadtquartiere für bestimmte soziale Millieus attraktiv<br />

zu machen. Dies wird beson<strong>der</strong>s deutlich etwa in <strong>der</strong> „gay gentrification“, also Gentrifizierungsprozessen<br />

auf <strong>der</strong> Gr<strong>und</strong>lage <strong>der</strong> Entstehung „homosexueller“ Stadtviertel wie z.B.<br />

Schöneberg in Berlin (Lees / Slater / Wyly 2008, 103-108). Gentrifizierungsstrategien zielen<br />

damit aber häufig auf die Konstruktion monopol- o<strong>der</strong> oligopolartiger Verknappung einer<br />

begehrten Ware ab, etwa dem Wohnen im „alternativen“ o<strong>der</strong> „schwulen“ Stadtquartier.<br />

Das Begehrte an dieser Ware Stadtquartier geht aber in aller Regel nicht o<strong>der</strong> nur unwesentlich<br />

mit einer Senkung von Produktionskosten an diesem Ort einher. Es lässt sich damit<br />

schlussfolgern, dass die in gentrifizierenden o<strong>der</strong> gentrifizierten Stadtquartieren abgeschöpften<br />

Gr<strong>und</strong>renten vorrangig Monopolrenten sind <strong>und</strong> nicht Differenzialrenten. Monopolrenten<br />

haben aber die Eigenschaft, den Preis <strong>der</strong> Produktion „künstlich“ zu erhöhen. Im<br />

Falle von Gentrifizierung erhöhen sie also den Preis des Wohnens – was sich entwe<strong>der</strong> in<br />

einer Erhöhung <strong>der</strong> Löhne <strong>der</strong> Mieter o<strong>der</strong> in einer Senkung ihrer sonstigen Konsumausgaben<br />

<strong>und</strong> Lebensqualität nie<strong>der</strong>schlagen wird. Beide Fälle haben tendenziell einen<br />

negativen Einfluss auf die Konkurrenzfähigkeit stark von Gentrifizierungsprozessen betroffenen<br />

Städte.<br />

Gentrifizierung, so lässt sich ableiten, ist zwar Teil einer Bewegung zur Erhöhung <strong>der</strong><br />

Profitraten, aber sie tut dies im Wesentlichen durch die Abschöpfung erhöhter Monopolrenten.<br />

Die Verwertungslogik von Kapital in Gentrifizierungsprozessen basiert also nicht auf<br />

<strong>der</strong> Produktion von Mehrwert, son<strong>der</strong>n auf <strong>der</strong> Abschöpfung von Monopolrenten, die aus<br />

dem an<strong>der</strong>swo produzierten Mehrwert bezahlt werden müssen. Private Kapitalien machen<br />

sich in <strong>der</strong> Regel keinen Kopf darum, wo <strong>der</strong> von ihnen akkumulierte Profit herkommt.<br />

Gesamtgesellschaftlich wird es aber zu einem f<strong>und</strong>amentalen Problem, wenn sich die<br />

Quantität <strong>der</strong> Abschöpfung von Rentenerträgen <strong>der</strong> Quantität <strong>der</strong> Produktion des Mehrwerts<br />

annähert o<strong>der</strong> diese überschreitet. Candeias zeigt, dass wenn <strong>der</strong> Zinsdienst – <strong>und</strong> als<br />

Kapitalverzinsung erscheint dem Immobilienkapital seine Abschöpfung von Monopolrente<br />

– entwe<strong>der</strong> die Profitrate o<strong>der</strong> die Produktivität übersteigt, die Zinsen aus <strong>der</strong> produktiven<br />

Substanz des Kapitals <strong>und</strong> den Löhnen <strong>der</strong> arbeitenden Bevölkerung bezahlt werden müssen<br />

(Candeias 2004, 116). Es kommt also zu Lohnsenkungen <strong>und</strong> einem Verzehr <strong>der</strong> produktiven<br />

Substanz des Kapitals („Heuschrecken“, die „ges<strong>und</strong>e“ Industrieunternehmen<br />

ausweiden). In diesem Sinne ist Gentrifizierung Akkumulation aus <strong>der</strong> Substanz des Kapitals,<br />

da die abgeschöpften Monopolrenten den gesamtgesellschaftlichen Fonds, <strong>der</strong> in die<br />

erweiterte Reproduktion, also die Ausweitung <strong>der</strong> Kapitalakkumulation, investiert werden<br />

kann, schmäler, aufzehren o<strong>der</strong> sogar den neu geschaffenen Mehrwert übersteigen <strong>und</strong> daher<br />

das schon existente Kapital verzehren.<br />

Gentrifizierung ist aber kein Einzelfall dieser parasitären Verwertungslogik. Die strukturelle<br />

Überakkumulationskrise führt generell zur Verschärfung <strong>der</strong> Konkurrenz auch <strong>der</strong> industriellen<br />

Kapitalien, die in den sich häufenden Krisen zum Ausdruck kommt. Generell<br />

lässt sich behaupten, dass das Risiko bei Kapitalinvestitionen ob dieser Konkurrenz gestiegen<br />

ist. Und gerade in <strong>der</strong> gegenwärtigen Krise, in <strong>der</strong> das „Vertrauen <strong>der</strong> Märkte“ in viele<br />

Anlageklassen geschw<strong>und</strong>en ist, suchen Investoren nach sicheren Anlagemöglichkeiten.<br />

Harvey argumentiert bereits 2001, dass Kapitalien daher verstärkt Strategien verfolgen, die<br />

auf die Abschöpfung von Monopolrenten, als sicheren Revenuequellen, zielen (Harvey<br />

2001c). Diese Strategien kommen etwa in den <strong>der</strong>zeitigen Debatten um das neue „land<br />

grapping“ 38 , in den Konflikten um die privatkapitalistische Aneignung ehemals öffentlicher<br />

Wasserversorger o<strong>der</strong> ähnlicher öffentlicher Dienstleistungen <strong>und</strong> in <strong>der</strong> wie<strong>der</strong> gestiegenen<br />

Bedeutung natürlicher Ressourcen zum Ausdruck. Verwertungslogiken, die auf die Er­<br />

38 Der Ankauf großer Län<strong>der</strong>eien durch ausländische Kapitalien in Staaten des Trikonts, z.B. saudiarabische<br />

Kapitalien, die sich große landwirtschaftliche Flächen in Äthiopien sichern o<strong>der</strong> Südkorea, dass den<br />

Großteil <strong>der</strong> landwirtschaftlichen Nutzfläche Madagaskars für 99 Jahre gepachtet hat.<br />

58


zielung kontinuierlicher <strong>und</strong> vor allem sicherer Zinseinkünfte auf <strong>der</strong> Basis einer monopolähnlichen<br />

Verfügungsgewalt über Güter des täglichen Bedarfs, Wasser, Wohnraum, Nahrungsmittel,<br />

Strom etc., zielen scheinen gerade in <strong>der</strong> sich verschärfenden Überakkumulationskrise<br />

an Bedeutung zu gewinnen. All diese Strategien zielen aber auf die Abschöpfung<br />

von Gr<strong>und</strong>rente, vornehmlich von Monopolrenten, <strong>und</strong> tragen nicht zur Produktion von<br />

Mehrwert bei.<br />

Gentrifizierung ist damit Teil einer im Zuge <strong>der</strong> Entstehung eines finanzdominierten Akkumulationsregimes<br />

hervorgebrachten größeren Bewegung zur Erzielung von Monopolrenten.<br />

Gentrifizierung ist also ein Moment des Bedeutungsgewinns von Strategien <strong>der</strong> Akkumulation<br />

aus <strong>der</strong> Substanz des Kapitals. Diese Strategien beruhen aber auf einem Wi<strong>der</strong>spruch:<br />

die Profitraten in <strong>der</strong> mehrwertbildenden Industrieproduktion sind so niedrig, dass<br />

Kapital in die Immobilien- <strong>und</strong> Finanzindustrie strömt, um dort höhere Profitraten zu erzielen.<br />

Die in <strong>der</strong> Immobilien- <strong>und</strong> Finanzindustrie erwirtschafteten Profitraten werden aber in<br />

letzter Instanz wie<strong>der</strong>um aus dem in <strong>der</strong> Industrieproduktion produzierten Mehrwert abgeschöpft.<br />

Dieser Wi<strong>der</strong>spruch wurde in den letzten Jahrzehnten vor allem durch die massenhafte<br />

Schaffung fiktiven Kapitals „gelöst“, die <strong>der</strong>zeitige Krise könnte dem aber ein Ende<br />

setzen. Die politischen Strategien in <strong>der</strong> Krise haben zwar versucht, diese durch die Schaffung<br />

noch mehr fiktiven Kapitals zu lösen, indem Kredite, Bürgschaften, Garantien <strong>und</strong><br />

staatliche Subventionen im Billionenhöhe an die Kapitaleigentümer verschenkt wurden. De<br />

facto wurde die Krise damit aber nur aus <strong>der</strong> Finanzsphäre heraus <strong>und</strong> in die Staatshaushalte<br />

hinein verlagert. Eine spanische Tageszeitung titelte im September 2007 daher ganz angemessen:<br />

„Sozialismus für die Reichen, Kapitalismus für die Armen“. Die Finanzkrise<br />

wird also in den nächsten Jahren als Staatskrise zum Ausdruck kommen, während viele<br />

Kapitalien ihre „Risiken“ an die Staaten weiterreichen konnten <strong>und</strong> saniert sind. Griechenland,<br />

Estland <strong>und</strong> Ungarn waren nur europäische Vorboten dieser kommenden Staatskrise.<br />

Die Ansprüche von Finanz- <strong>und</strong> Immobilienkapitalien auf Monopolrenten werden aber in<br />

Zukunft mit einer wachsenden Unfähigkeit <strong>der</strong> Bevölkerungsmehrheit, diese Monopolrenten<br />

zu zahlen, kollidieren. Es lässt sich vermuten, dass es zu Phänomen kommen wird, die<br />

sich vielleicht als Gentrifizierung ohne Gentrifizierer begreifen ließen: Immobilienkapitalien,<br />

die auf <strong>der</strong> Suche nach Monopolrenten die Gentrifizierung von Stadtquartieren betreiben<br />

<strong>und</strong> irgendwann schmerzhaft erfahren müssen, dass es die Gentrifizierer, die in <strong>der</strong><br />

Lage sind, die gestiegenen Monopolrenten zu bezahlen, nicht in ausreichen<strong>der</strong> Masse gibt.<br />

Dieser Wi<strong>der</strong>spruch aber wird neue Immobilienkrisen aus sich hervor treiben.<br />

6 AUSBLICK<br />

Es konnte in dieser Arbeit gezeigt werden, wie Gentrifizierung, Kapitalakkumulationsdynamik<br />

<strong>und</strong> Krise zusammenhängen. Dieser Zusammenhang ist ein systematischer <strong>ökonomische</strong>r<br />

Zusammenhang, <strong>der</strong> als Akkumulation aus <strong>der</strong> Substanz des Kapitals bezeichnet<br />

wurde. Diese Akkumulation aus <strong>der</strong> Substanz des Kapitals gründet aber auf einem Selbstwi<strong>der</strong>spruch<br />

<strong>der</strong> Kapitalakkumulation: das Kapital will mehr Mehrwert abschöpfen, als<br />

produziert wird. Dieser Wi<strong>der</strong>spruch wird sich entsprechend in Krisen Ausdruck verschaffen<br />

müssen. Wie diese Krisen aber gelöst werden können ist historisch kontingent <strong>und</strong><br />

hängt von <strong>der</strong> gesellschaftlichen Praxis ab. Derzeit ist die Finanzkrise in die Staatshaushalte<br />

verlagert <strong>und</strong> wird sich in den nächsten Jahren o<strong>der</strong> Jahrzehnten als Staatskrise Ausdruck<br />

verschaffen – Japan ist dafür vielleicht ein gutes „roll model“, vielleicht ist dies aber<br />

auch eher Somalia. Es lässt sich nicht mehr prognostizieren, als dass die zeitgenössische<br />

kapitalistische Gesellschaft ob ihrer immanenten Wi<strong>der</strong>sprüche auf eine große Krise zu­<br />

59


steuert <strong>und</strong> wir stehen sicherlich erst an <strong>der</strong>en Anfang. Wie sich diese Krise aber manifestiert<br />

<strong>und</strong> ob sie gelöst wird, lässt sich nicht voraussagen. Sagen lässt sich aber, dass <strong>der</strong> Kapitalismus<br />

aber bisher alle seine Krisen überlebt hat – auch wenn das, wie im Nationalsozialismus,<br />

die Vernichtung von Millionen von Menschen mit sich brachte.<br />

Auch unter diesem Aspekt ist Franz Jungs Begriff <strong>der</strong> Akkumulation aus <strong>der</strong> Substanz des<br />

Kapitals erhellend. In seinen Romanen kommt nämlich, zumeist kritisch reflektiert, auch<br />

das Erstarken strukturell <strong>und</strong> aktuell antisemitischer „Kritiken“ am kriselnden Kapitalismus<br />

zum Ausdruck. Die Untersuchung dieses Aspekts <strong>der</strong> Akkumulation aus <strong>der</strong> Substanz<br />

des Kapitals musste lei<strong>der</strong> aus Platzgründen aus dieser Arbeit wie<strong>der</strong> gestrichen werden. Es<br />

sei aber daran erinnert, das die nationalsozialistischen Deutschen zwischen „raffendem“<br />

<strong>und</strong> „schaffendem“ Kapital unterschieden <strong>und</strong> in den Juden das raffende Finanzkapital zu<br />

vernichten suchten (Postone 1982, Adorno / Horkheimer 1998). Wenn sich nun auf urbanen<br />

Wohnimmobilienmärkten verstärkt „raffende“ Gr<strong>und</strong>rentenabschöpfer <strong>und</strong> eine verarmende<br />

Bevölkerung gegenübertreten, steht zu befürchten, dass strukturell antisemitische<br />

Kritiken stark an Konjunktur gewinnen. Diese Tendenz offenbart sich bereits heute in <strong>der</strong><br />

massenmedial verbreiteten Hetze gegen „skrupelose“, „gierige“ <strong>und</strong> „kriminelle“ Börsenmakler,<br />

Bankmanager etc. pp. Mit <strong>der</strong> vorgelegten Analyse <strong>der</strong> systematischen Ursachen<br />

<strong>der</strong> Entstehung solch „raffen<strong>der</strong>“ Kapitalien im Immobiliensektor soll diese Arbeit<br />

daher auch einen Beitrag zur Aufklärung zu leisten, die <strong>der</strong> Verbreitung (strukturell) antisemitischer<br />

Positionen hoffentlich entgegen wirken kann.<br />

60


LITERATURVERZEICHNIS<br />

Im Folgenden orientiert sich die Schreibung englischsprachiger Literaturtitel an <strong>der</strong><br />

Schreibung im Original. Auch die Schreibung deutscher Titel orientiert sich an den Originalen<br />

<strong>und</strong> führt keine Aktualisierung <strong>der</strong> Schreibweise nach den <strong>der</strong>zeit gültigen Rechtschreibregeln<br />

durch (vorrangig: Geographie vs. Geografie). Es werden die benutzten Ausgaben,<br />

nicht unbedingt die Erstveröffentlichungen <strong>der</strong> Texte angegeben.<br />

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<strong>der</strong> WBG, Darmstadt.<br />

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Schriften Bd. 10.2, Lizenzausgabe <strong>der</strong> WBG, Darmstadt, S. 741-759.<br />

Adorno, Theodor W. / Horkheimer, Max (1998): Dialektik <strong>der</strong> Aufklärung, in: Adorno,<br />

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ABBILDUNGSVERZEICHNIS<br />

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(2009): Teuerster Immobilien-Deal <strong>der</strong> USA droht zu platzen, 30.10.2009, http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/0,1518,658330,00.html,<br />

Zugriff am 08.08.2010.<br />

Abbildung 2: Grafische Darstellung <strong>der</strong> Differenz von Differenzial- <strong>und</strong> Monopolrente.<br />

Aus: Krätke, Stefan (1995): Stadt. Raum. Ökonomie. Eine Einführung in aktuelle Problemfel<strong>der</strong><br />

<strong>der</strong> Stadtökonomie <strong>und</strong> Wirtschaftsgeographie, Basel, S. 215.<br />

Abbildung 3: Bodenrentenmodell für Nutzungsklassen im urbanen Raum. Aus: Kulke, Elmar<br />

(2004): Wirtschaftsgeographie, Pa<strong>der</strong>born / München / Wien / Zürich, S. 144.<br />

Abbildung 4: Der Boom-Krise-Zyklus <strong>der</strong> Immobilienwirtschaft nach Harrison. Aus: Harrison,<br />

Fred (2008): Wirtschaft, Krise, 2010. Wie die Immobilienblase die Wirtschaft in<br />

die Krise stürzt, Weinheim, S. 124.<br />

Abbildung 5: Das land value valley. Aus: Smith, Neil (1996): The New Urban Frontier.<br />

Gentrification and the revanchist city, Oxon / New York, S. 60.<br />

Abbildung 6: Der rent gap. Aus: Smith, Neil (1996): The New Urban Frontier. Gentrification<br />

and the revanchist city, Oxon / New York, S. 65.<br />

Abbildung 7: Phasenmodell <strong>der</strong> Entwicklung von Gentrifizierungsprozessen. Aus: Lees,<br />

Loretta / Slater, Tom / Wyly, Elvin (2008): Gentrification, Oxon / New York, S. 180.<br />

Abbildung 8: Profit- <strong>und</strong> Akkumulationsrate in den USA, <strong>der</strong> EU <strong>und</strong> Japan. Aus: Husson,<br />

Michel (2009): Kapitalismus pur. Deregulierung, Finanzkrise <strong>und</strong> weltweite Rezession.<br />

Eine marxistische Analyse, Karlsruhe, S. 176.<br />

Abbildung 9: Lohn- <strong>und</strong> privater Konsumanteil am BIP in den USA <strong>und</strong> <strong>der</strong> EU. Aus: Husson,<br />

Michel (2009): Kapitalismus pur. Deregulierung, Finanzkrise <strong>und</strong> weltweite Rezession.<br />

Eine marxistische Analyse, Karlsruhe, 177.<br />

68

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