Strom - Elektrizitätswerk Obwalden
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22 Konkret [ Persönlich ]<br />
«Kinder sind ausserordentlich<br />
neugierige und unvoreingenommene<br />
Forscher. Wir nehmen sie ernst»,<br />
erklärt Thorsten-D. Künnemann.<br />
Thorsten-D. Künnemann<br />
Der 38-jährige Biologe ist seit November 2008<br />
Leiter des Swiss Science Center Technorama<br />
in Winterthur. Er befasste sich vorher beruflich<br />
genauso mit Naturwissenschaften wie mit IT,<br />
Marketing und Kommunikation. Komplizierte Phäno -<br />
mene und Zusammenhänge naturwissenschaftlicher<br />
Art einfach und mit Begeisterung zu vermitteln,<br />
liegt ihm sehr am Herzen.<br />
«Wir vermitteln Erfahrungen»<br />
«Das Technorama ist ein Science Center, kein Museum», betont Thorsten-D. Künnemann, Direktor<br />
des Technorama in Winterthur. Phänomene selber mit allen Sinnen erleben, statt nackte Theorie zu<br />
büffeln – nur so könne das Interesse an Naturwissenschaft und Technik richtig geweckt werden.<br />
Den technischen Berufen fehlt der Nachwuchs.<br />
Was, glauben Sie, ist der Grund dafür?<br />
Technik kommt heute immer mehr als «Black<br />
Box» daher. Man sieht den zahlreichen technischen<br />
Geräten zu Hause nicht an, wie sie funktionieren,<br />
und kann sie deshalb auch nicht verstehen.<br />
Früher konnte man der Mechanik einer<br />
Maschine bei der Arbeit zusehen. Auf diese Weise<br />
wird man eher neugierig. Ich denke, das ist<br />
ein ganz wichtiger Punkt. Hinzu kommt, dass<br />
der Ingenieur oder Techniker nicht dasselbe Ansehen<br />
geniesst wie ein Arzt oder Jurist und viele<br />
Menschen Angst vor Physik und Mathe haben.<br />
Wie kann man denn heute das Interesse an<br />
der Technik bei den Jungen trotzdem wecken?<br />
Kinder müssen möglichst früh Phänomene<br />
selbst erleben, ausprobieren, spüren. Das ist unser<br />
Ansatz im Technorama. Velo fahren lernen<br />
Sie auch nur, wenn Sie es probieren, da nützen<br />
Ihnen alle Bücher der Welt nichts. Genauso ist<br />
es mit der Natur und der Technik. Als Science<br />
Center wollen wir nicht wie ein Museum Wissen<br />
und Geschichten, sondern echte Erfahrungen<br />
mit Phänomenen der Natur vermitteln, um die<br />
Welt im doppelten Wortsinn zu «begreifen».<br />
Das Interesse an der Technik wecken und das<br />
Bewusstsein für Umwelt und Natur schärfen.<br />
Könnte man so die Aufgaben des Technorama<br />
zusammenfassen?<br />
Begeisterung für Naturwissenschaft und Technik<br />
wecken – ja. Der zweite Teil der Aussage ergibt<br />
sich aus der Beobachtung der Naturphänomene,<br />
wir vermeiden aber wertende Aussagen.<br />
Beispiel Klimaerwärmung: Das Thema ist zu einem<br />
kleinen Teil wissenschaftlich und zu einem<br />
grossen Teil politisch. Wir beschränken uns auf<br />
das Phänomen, zeigen, wie ein Treibhausgas die<br />
Temperatur verändern kann. Wir wollen nicht<br />
ermahnen oder politische Aussagen machen. Es<br />
gibt Science Center, die diese Grenze nicht einhalten.<br />
Die bewegen sich auf dünnem Eis.<br />
Wie meinen Sie das?<br />
Wissenschaft liefert keine absoluten Wahrheiten,<br />
sondern wird immer von Zweifeln begleitet,<br />
und ihre Interpretationen sind auch vom<br />
Zeitgeist abhängig. Das wollen wir anerkennen.<br />
Unsere Besucher sollen spielerisch die wissenschaftliche<br />
Methode anwenden lernen und das<br />
Technorama mit einer selbstgewonnenen Erkenntnis<br />
verlassen, so wie das Forscher eben<br />
tun. Wissenschaft als unfehlbare Prophetin<br />
darzustellen, wird ihrem Wesen nicht gerecht.<br />
Wie und wo finden Kinder weiter den Zugang<br />
zu Naturwissenschaft und Technik?<br />
Am besten draussen in der Natur. Dort kann<br />
man fast alles erleben. Dieses Bewusstsein ist<br />
leider teilweise verloren gegangen. Das Spiel<br />
mit Wasser, Wind, Erde und so weiter – das sind<br />
grundsätzliche Erfahrungen mit Naturkräften.<br />
Wir unterstützen Lehrende mit Fortbildungen<br />
und zeigen ihnen, wie sie mit einfachen Mitteln<br />
die faszinierenden Phänomene der Natur erlebbar<br />
machen können. Ganz besonders im Primarschulalter<br />
muss das Interesse bei den Kindern<br />
geweckt werden.<br />
Und was können Eltern tun?<br />
Genau dasselbe. Im eigenen Haushalt gibt es viele<br />
Phänomene, mit denen man experimentieren<br />
kann. Bringen Sie einen Topf Wasser zum Kochen<br />
und beobachten Sie mehrere Phänomene innert<br />
kürzester Zeit: verschiedene Geräusche, grosse<br />
Blasen, kleine Blasen, Dampf und so weiter. Oder<br />
nehmen Sie ein Päckchen Backpulver. Damit<br />
kann man die schönsten Experimente machen.<br />
Sie sind Biologe. Wie wurde bei Ihnen persönlich<br />
das Interesse für die Natur geweckt?<br />
Ich bin an der Nordseeküste aufgewachsen.<br />
Wenn Sturmflut war, hat der Wind einem nur so<br />
um die Ohren geweht, und das Wasser stieg<br />
mehrere Meter hoch. Ich habe dort die Natur<br />
mit allen Sinnen erfahren. DALIAH KREMER<br />
FOTOS: TANJA DEMARMELS