carte blanche - Slow Food Convivium Bern
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<strong>carte</strong> <strong>blanche</strong><br />
• 8 •<br />
das Bild der eigenen Landschaft vor Augen, und an der<br />
Oberfläche hat mich dieses Bild angetrieben, nun aber,<br />
da sie fertig waren, zog ich nach einiger Zeit des Betrachtens<br />
weiter.<br />
Die wahre Lust lag auf einer anderen Ebene. In meiner<br />
Erinnerung sind das Tun und das Erfahren des Waldes<br />
brachland Centralweg: Mobiliät als Maxime<br />
noch sehr präsent, in Form von Gerüchen, Geräuschen,<br />
dem Spüren von Oberflächen. Wären es Bilder, hätte ich<br />
sie vielleicht früher kontrollieren und bewusst benennen<br />
können. Jeder Krumen Waldboden unter den Fingernägeln<br />
hat mich erleben lassen, dass ich bin und was ich<br />
bin und kann und was dieser Wald ist. Der Wald war mein<br />
Freund und ich der seine. Würde ich mir heute zusehen,<br />
käme ich zum Schluss, dass ich mich mit diesem Tun<br />
in der Welt verortet habe. Verortung nicht wörtlich gemeint,<br />
aber im übertragenen Sinn, mit meinem ganzen<br />
Wesen, meinen Fähigkeiten und meinem Denken.<br />
Ich wage mich, nun wieder ganz zu Hause in diesem frühen<br />
Erleben, an eine These: Wir verorten uns in der Welt<br />
über Kanäle, die sich der Kontrolle des<br />
Geistes und des Bewusstseins entziehen.<br />
Vielleicht wird uns darum erst bewusst,<br />
was wir alles hatten, wenn wir es<br />
aufgegeben haben.<br />
Zurück zur IKEA-Tasche. Es schwant<br />
mir nach diesen Abstechern, dass die<br />
IKEA-Tasche auf brachland Centralweg<br />
zu mehr taugt, als HÄGAR-Schneidbretter<br />
und GRATÄN-Schalen heimzutragen<br />
Urban Gardening<br />
und dann Fenchel darin zu ziehen. Die IKEA-Tasche wird<br />
mir zur Metapher des städtischen Lebens schlechthin.<br />
Seine künstliche Umwandung kann genutzt werden zu<br />
Ursprünglichem und vielleicht Art-fremdem und kann,<br />
erst zweckentfremdet, Heimat generieren. Die Gärtner/innen<br />
ziehen zwar Gemüse, vor allem aber verorten sie<br />
sich im künstlichen Lebensumfeld Quartier und in der<br />
unüberschaubaren modernen Gesellschaft. Das Gemeinsame<br />
in diesem Tun beheimatet sie zusätzlich.<br />
Und ich armer Socken überlege und schreibe, vielleicht<br />
auch auf der Suche nach einer Heimat, irgendwo. Doch<br />
fehlen mir die Krumen unter den Fingernägeln zum direkten<br />
Erleben; das Gedachte ist dem Erlebten sichtlich<br />
unterlegen. Und dies bleibt nun wohl so, gerade wenn<br />
ich schwanke zwischen Lollo aus Italien und Eisberg Bio<br />
aus der Region, die IKEA-Tasche gefaltet unter dem Arm.<br />
Doch ich weiss auch, ich könnte sie auch entfalten.<br />
Martin Beutler hat in Lausanne Architektur studiert<br />
und später einen Master in Kulturmanagement an der<br />
Universität Basel absolviert. Er betreibt seine Firma für<br />
soziale Plastik seit 1998. Im Zentrum seines Interesses<br />
und seiner Tätigkeit stehen die Frage nach der Entstehung<br />
dessen, was gemeinhin Realität genannt wird<br />
und die Plastizität anderer gesellschaftlicher Prozesse.<br />
Neben den brachland-Projekten hat er sich einen Namen<br />
geschaffen mit der «Rückeroberung der Strasse –<br />
Begegnungsstrassen» und Arbeiten in den Bereichen<br />
Quartier- und Stadtplanung.<br />
www.soziale-plastik.ch<br />
www.centralweg.ch<br />
www.brachland.ch<br />
brachland Centralweg: gemeinsam die Früchte der Arbeit geniessen