Lesesozialisation, PDF - LesepartnerInnen
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4. Unterrichtsbegleitende <strong>Lesesozialisation</strong><br />
4.1. Entwicklungsmodelle des Lesens<br />
4.1.1. Kompetenzentwicklungsmodell nach Klicpera, Schabmann & Gasteiger-<br />
Klicpera (2003)<br />
Nach diesem Modell erfolgt das Worterkennen entweder durch einen direkten Zugriff auf<br />
das mentale Lexikon, in dem die Wörter als Ganzes abgespeichert sind, oder aber mittels<br />
phonologischer Rekodierung, bei welcher das Wort sequenziell aus der Buchstabenanordnung<br />
ermittelt wird. Bei neuen, in ihrer schriftlichen Form unbekannten Wörtern,<br />
erfolgt das Lesen bei reifen LeserInnen über das phonologische Rekodieren. Wörter<br />
jedoch, deren Schreibung stark von der Aussprache abweicht (z. B. Fremdwörter), werden<br />
über den lexikalischen Weg erlesen. Je nach individuellen Eingangsvoraussetzungen und<br />
Art der Leseinstruktion können sich Kinder in ihren Fähigkeiten verbessern oder aber auch<br />
hinter anderen zurückbleiben. Dieses Modell berücksichtigt somit – im Unterschied zu<br />
anderen Erklärungsmodellen – unterschiedliche Entwicklungsverläufe in Abhängigkeit von<br />
diesen beiden Faktoren.<br />
Am Anfang der Leseentwicklung steht die sogenannte präalphabetische Phase. Vor Schuleintritt<br />
können manche Kinder bereits versuchen, Wörter aufgrund von hervorstechenden<br />
Merkmalen zu „erlesen“, die Benennung der einzelnen Buchstaben ist hier allerdings<br />
noch nicht möglich. (In einzelnen Fällen kann diese Strategie auch noch in der Schulanfangsphase<br />
vorkommen, jedoch nur bei sehr schwachen LeserInnen bzw. bei einer<br />
Instruktion, die sich kaum an der Graphem/Phonem-Korrespondenz orientiert.) Ansonsten<br />
zeigen sich schon im Vorschulalter Unterschiede in den für den Erwerb der Schriftsprache<br />
relevanten Kompetenzen, wie beispielsweise der phonologischen Bewusstheit und dem<br />
Gedächtnis.<br />
Die alphabetische Phase mit geringer Integration ist die erste „echte“ Phase des Lesenlernens.<br />
Die zum Lesen notwendigen Fähigkeiten bilden sich zunehmend heraus, das<br />
alphabetische Prinzip und das phonologische Rekodieren werden erlernt. Aufgrund der<br />
hohen Regelmäßigkeit der Graphem/Phonem-Korrespondenzen im Deutschen können<br />
die meisten Kinder diese Strategie bereits von Beginn des schulischen Lesenlernens an<br />
anwenden.<br />
Anschließend kommt es zu einer allmählichen Automatisierung des Lesevorgangs. Die<br />
Fähigkeit zum schnellen lexikalischen Abruf von Wörtern entwickelt sich dabei in etwa<br />
synchron mit dem phonologischen Rekodieren, wobei die Kinder häufige, kurze Wörter<br />
bereits rasch direkt erkennen können ohne diese erlesen zu müssen. Das bedeutet, die<br />
Entwicklung des phonologischen Rekodierens muss noch nicht abgeschlossen sein, um<br />
das mentale Lexikon aufzubauen, sondern unterstützt vielmehr die Etablierung des<br />
Lexikons. Diese beiden Zugangsweisen werden zusehends automatisiert, sodass die<br />
Kinder weniger Fehler begehen und sich in ihrer Lesegeschwindigkeit steigern.<br />
Schließlich kommt es zur letzten alphabetischen Phase mit voller Integration aller beteiligten<br />
Verarbeitungsprozesse. Bei längeren Wörtern erfolgt eine Zerlegung in größere<br />
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