Herunterladen (Pdf, 4,9 MB) - Neue Deutsche Burschenschaft
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eine die <strong>Deutsche</strong>n zusammenhaltende<br />
Identität gab es längst vor Johann<br />
Gottlieb Fichte, auf die Gemeinsamkeit<br />
der deutschen sprache „verfiel“ keineswegs<br />
erst ernst Moritz Arndt. Das<br />
deutsche Wort „Vaterland“ wurde nicht<br />
von der <strong>Burschenschaft</strong> erfunden. es<br />
war bereits im Mittelhochdeutschen ein<br />
feststehender Begriff und bezeichnete<br />
ursprünglich das dem Vater gehörende<br />
land. erst im laufe der Zeit erweiterte<br />
sich der Begriff, bis er schließlich ein vor<br />
allem auf gemeinsamer sprache und<br />
gemeinsamen Wertvorstellungen beruhendes<br />
Zusammengehörigkeitsgefühl<br />
beinhaltete. ein derartiges Zusammengehörigkeitsgefühl<br />
verband und verbindet<br />
<strong>Burschenschaft</strong>er unabhängig von<br />
staatlichen Grenzen. Der zentrale unterschied<br />
zwischen der DB und der <strong>Neue</strong>nDB<br />
liegt meines erachtens in der Definition<br />
des Vaterlands. Mit der anfangs<br />
zitierten Definition unterscheidet sich<br />
die <strong>Neue</strong>DB von dem volksbezogenen<br />
(nicht völkischen!) Vaterlandsbegriff der<br />
urburschenschaft und der <strong>Deutsche</strong>n<br />
<strong>Burschenschaft</strong>. Art. 9 der Grundsätze<br />
der DB lautet: „Die <strong>Burschenschaft</strong> bekennt<br />
sich zum deutschen Vaterland als<br />
der geistig-kulturellen heimat des deutschen<br />
Volkes. unter dem Volk versteht<br />
sie die Gemeinschaft, die durch gleiches<br />
geschichtliches schicksal, gleiche<br />
Kultur, verwandtes Brauchtum und gleiche<br />
sprache verbunden ist“. Anders als<br />
die <strong>Neue</strong>DB sieht die DB dagegen „das<br />
deutsche Vaterland unabhängig von<br />
staatlichen Grenzen ...“ (handbuch der<br />
<strong>Deutsche</strong>n <strong>Burschenschaft</strong> 2005, s. 1).<br />
Danach ist „<strong>Deutsche</strong>r, wer auf Grund<br />
seiner Abstammung, sprache und Kultur<br />
zum deutschen Volk gehört und sich<br />
zu ihm bekennt“ (ebd., s. 244). Was von<br />
seiten der <strong>Neue</strong>nDB dagegen einzu-<br />
academicus 1/2012<br />
dr. peter KAupp:<br />
VoLkStUMSBEzoGEnES<br />
BEkEnntnISPrInzIP<br />
wenden ist, bleibt mir unerfindlich.<br />
Der Vaterlandsbegriff der <strong>Neue</strong>nDB<br />
grenzt beispielsweise pauschal alle<br />
<strong>Burschenschaft</strong>er in Österreich und<br />
chile aus, die sich als staatsbürger<br />
ihres landes (auch) zum deutschen<br />
Volkstum, zum deutschen Vaterland<br />
bekennen. Nach dieser territorial fixierten<br />
Definition hätte etwa die Jenaische<br />
<strong>Burschenschaft</strong> keine Bundesbrüder<br />
aus Dänemark (etwa lornsen und v.<br />
Binzer), meine <strong>Burschenschaft</strong> später<br />
keine Rätoromanen aus der schweiz<br />
und keine siebenbürger sachsen aus<br />
ungarn aufnehmen können. Wer zum<br />
Beispiel auf dem Territorium von Italien,<br />
Frankreich, Russland, südafrika, chile<br />
oder den usA lebt und dort ein guter<br />
staatsbürger ist, kann sich sehr wohl<br />
(auch) zum deutschen Volkstum, zum<br />
deutschen Vaterland bekennen. Nur<br />
politische Tagträumer (unter ihnen vielleicht<br />
auch manche <strong>Burschenschaft</strong>er)<br />
erheben daraus irgendwelche territorialen<br />
Ansprüche, etwa auf ostpreußen,<br />
das elsass, südtirol oder siebenbürgen.<br />
VAterlAnd Als beKenntnisge-<br />
MeinschAft<br />
es ist meiner Meinung nach ein Missverständnis,<br />
den burschenschaftlichen<br />
Vaterlandsbegriff im territorial-nationalstaatlichen<br />
sinn zu verstehen und<br />
damit vielleicht sogar Forderungen<br />
auf von <strong>Deutsche</strong>n besiedelte Gebiete<br />
jenseits der deutschen Grenzen zu erheben.<br />
Auch wenn es der Begriff ‚Vaterland‘<br />
semantisch nahelegt: Vaterland<br />
war und ist keine Territorial-, sondern<br />
eine Bekenntnisgemeinschaft. Der<br />
Vaterlandsbegriff der <strong>Burschenschaft</strong><br />
bezog sich noch nie auf ein bestimmtes<br />
Territorium, sondern schloss immer<br />
die außerhalb der nationalstaatlichen<br />
“Vaterland war und<br />
ist keine Territorial,<br />
sondern eine Bekenntnisgemeinschaft.“<br />
Grenzen lebenden <strong>Deutsche</strong>n mit ein.<br />
Natürlich gab es zur Zeit der urburschenschaft<br />
noch nicht das ersehnte<br />
politisch geeinte Deutschland. Die <strong>Burschenschaft</strong><br />
propagierte aber ein alle<br />
<strong>Deutsche</strong>n verbindendes gemeinsames<br />
deutsches Vaterland. Auch die <strong>Deutsche</strong>n<br />
in den baltischen ostseeprovinzen<br />
des russischen Reiches (unter ihnen<br />
einige Gründer bzw. Mitglieder der<br />
urburschenschaft) zählen jenseits der<br />
politischen Grenzen zum deutschen Vaterland.<br />
<strong>Burschenschaft</strong>er bekannten<br />
sich schon zu einem deutschen Vaterland,<br />
als es den von ihnen politisch ersehnten<br />
deutschen Nationalstaat (von<br />
dem sie übrigens noch sehr unklare<br />
Vorstellungen hatten) überhaupt noch<br />
nicht gab. schon immer bekannten sich<br />
auch außerhalb des Territoriums eines<br />
deutschen Nationalstaates lebende<br />
<strong>Deutsche</strong> zu einem alle <strong>Deutsche</strong>n<br />
verbindenden gemeinsamen Volkstum<br />
und Vaterland. Insofern fand ernst<br />
Moritz Arndt auf die Frage „Was ist<br />
des <strong>Deutsche</strong>n Vaterland?“ die richtige<br />
Antwort: „o nein, ... sein Vaterland<br />
muß größer sein“. Dass daraus die<br />
utopische politische Forderung nach<br />
einem großdeutschen Nationalstaat<br />
entstand, der alle deutschsprachigen<br />
länder europas umfassen sollte, steht<br />
auf einem anderen, weniger rühmlichen<br />
Blatt. Das Bekenntnis zum deutschen<br />
Vaterland war und ist unabhängig<br />
von territorialen Grenzen zu sehen.<br />
Viele burschenschaftliche 1848er Demokraten,<br />
die in die usA emigrierten<br />
und die us-staatsangehörigkeit über-<br />
nahmen (carl schurz etwa brachte es<br />
sogar zum Innenminister) blieben zeitlebens<br />
dem deutschen Vaterland eng<br />
verbunden. Die Geschichte der Familie<br />
Drewing bietet dafür ein gutes Beispiel.<br />
Für sie war und ist das Baltikum ihre<br />
heimat, Deutschland ihr Vaterland.<br />
Ähnlich war es in meiner Familie: Für<br />
zwei Generationen war spanien unsere<br />
heimat, Deutschland unser Vaterland.<br />
„Von dem lande oder ländchen, in welchem<br />
wir geboren sind, wollen wir niemals<br />
das Wort Vaterland gebrauchen“,<br />
heißt es in Beschluss 10 der „Grundsätze<br />
und Beschlüsse des Wartburgfestes<br />
von 1817“. „Deutschland ist unser Vaterland;<br />
das land, wo wir geboren sind,<br />
ist unsere heimat.“ heimat wird im allgemeinen<br />
sprachgebrauch als der ort<br />
oder die landschaft verstanden, in die<br />
der Mensch hineingeboren wird und in<br />
der die frühkindliche sozialisation erfolgt,<br />
die weithin Identität, charakter,<br />
Mentalität, einstellung und Weltauffassung<br />
prägt.<br />
stAAt und VAterlAnd gezielt<br />
VerWechselt<br />
Die <strong>Neue</strong>DB verwechselt staat und Vaterland<br />
meiner Meinung nach gezielt<br />
mit der Absicht, die rechtskonservativen<br />
österreichischen <strong>Burschenschaft</strong>en aus<br />
ihrem Verband herauszuhalten (was in<br />
der Verallgemeinerung sicher nicht richtig<br />
ist: es gibt auch, wenn auch zugegeben<br />
wenige, liberale österreichische<br />
<strong>Burschenschaft</strong>en). Dieses Ziel könnte<br />
man aber auch durch eine Zweidrittel-<br />
oder Dreiviertelmehrheit bei Aufnahmeanträgen<br />
erreichen, dazu braucht<br />
man die Grundsätze nicht zu ändern.<br />
Art. 4, Abs. 2, satz 2 ausgenommen,<br />
kann meines erachtens jeder <strong>Burschenschaft</strong>er<br />
den Grundsätzen der <strong>Neue</strong>nDB<br />
zustimmen: Art. 4 (1): „Das deutsche<br />
Vaterland stellt den heimatlichen<br />
Verantwortungsbereich des deutschen<br />
Volkes dar. Jeder <strong>Burschenschaft</strong>er ist<br />
aufgerufen, für das Wohlergehen des<br />
deutschen Vaterlandes zu wirken, und<br />
es mit seinen Mitteln zu verteidigen“,<br />
(2), satz 2: „Das verantwortliche streben<br />
der <strong>Neue</strong>n <strong>Deutsche</strong>n <strong>Burschenschaft</strong><br />
schließt jene <strong>Deutsche</strong>n mit ein,<br />
die ihre heimat außerhalb dieser Grenzen<br />
haben“, (3): „Die ehre und Verantwortung<br />
eines jeden <strong>Burschenschaft</strong>ers<br />
verbieten es, sich den lehren der deutschen<br />
Geschichte zu verschließen. Nur<br />
derjenige kann und soll ohne hochmut<br />
stolz auf die leistungen und errungenschaften<br />
seines Volkes sein, der sich zu<br />
dessen Geschichte bekennt, ohne dabei<br />
ihre dunklen seiten zu verleugnen oder<br />
zu verharmlosen“, und (4): „Die <strong>Neue</strong><br />
<strong>Deutsche</strong> <strong>Burschenschaft</strong> tritt für ein<br />
Vaterland als Teil der Völkergemeinschaft<br />
sowie für das Zusammenwachsen<br />
jeder Nationen europas ein“. Diese<br />
Zielsetzungen unterscheiden sich nicht<br />
substanziell von der Verfassung der DB.<br />
sie sollten nicht nur für Mitglieder der<br />
<strong>Neue</strong>nDB, sondern für jeden <strong>Burschenschaft</strong>er<br />
selbstverständlich sein.<br />
Dass es leider <strong>Burschenschaft</strong>er gibt,<br />
auch im letzten offiziellen handbuch<br />
der <strong>Deutsche</strong>n <strong>Burschenschaft</strong> von<br />
2005, die sich den lehren der deutschen<br />
Geschichte und der politischen<br />
Realität verschließen, steht auf einem<br />
anderen Blatt.<br />
VorschlAg für eine definition<br />
Dass dem Vernehmen nach auch mehrere<br />
<strong>Burschenschaft</strong>en der <strong>Neue</strong>nDB<br />
sich zum Deutschtum bekennende Ausländer<br />
aufnehmen, zeigt, dass diese<br />
Bestimmung wohl nicht überall ernst<br />
genommen wird. Vielleicht ist das ein<br />
hoffnungsvolles signal für die im Interesse<br />
der gemeinsamen burschenschaftlichen<br />
sache dringend erforderliche<br />
Wiederannäherung der beiden burschenschaftlichen<br />
Verbände. Folgender<br />
Vorschlag einer modifizierten Definition<br />
könnte vielleicht eine Annäherung<br />
der <strong>Neue</strong>nDB und der verbandsfreien<br />
<strong>Burschenschaft</strong>en fördern, ja vielleicht<br />
sogar für alle <strong>Burschenschaft</strong>er akzeptabel<br />
sein:<br />
„Das deutsche Vaterland reicht über<br />
die Grenzen der Bundesrepublik<br />
Deutschland hinaus und umfasst all<br />
diejenigen, die sich unabhängig von der<br />
Abstammung und staatsangehörigkeit<br />
zum deutschen Vaterland als der geistig-kulturellen<br />
heimat des deutschen<br />
Volkes bekennen. unter dem Volk ist die<br />
Gemeinschaft zu verstehen, die durch<br />
gleiches geschichtliches schicksal, gleiche<br />
Kultur, verwandtes Brauchtum und<br />
gleiche sprache verbunden ist. pflicht<br />
der <strong>Burschenschaft</strong>en ist das dauernde<br />
rechtsstaatliche Wirken für die freie entfaltung<br />
deutschen Volkstums in enger<br />
Verbundenheit aller Teile des deutschen<br />
Volkes, unabhängig von staatlichen<br />
Grenzen in einem einigen europa in der<br />
Gemeinschaft freier Völker“.<br />
Diese Definition fasst – Absatz 2, satz<br />
1 ausgenommen – Art. 4 der Grundsätze<br />
der <strong>Neue</strong>nDB zusammen und<br />
erweitert den bekenntnisbezogenen<br />
Vaterlandsbegriff in Art. 9 der Verfassung<br />
der DB („unabhängig von der<br />
Abstammung und staatsangehörigkeit“).<br />
Diese Definition entspricht der<br />
burschenschaftlichen Tradition (statt<br />
‚Bundesrepublik Deutschland‘ hätte<br />
man 1815 ‚Großherzogtum sachsen-<br />
Weimar-eisenach‘, 1848/49, 1871 und<br />
1919 ‚<strong>Deutsche</strong>s Reich‘ sagen können)<br />
und berücksichtigt den gegenwärtigen<br />
stand der Diskussion um die Aufnahme<br />
von Mitgliedern. Von der <strong>Neue</strong>nDB<br />
könnte auch der Verzicht auf einen<br />
allmächtigen Rechtsausschuss und<br />
ein die Dominanz zahlenmäßig kleiner<br />
<strong>Burschenschaft</strong>en verhinderndes,<br />
nach Mitgliederzahl abgestuftes Abstimmungsrecht<br />
übernommen werden.<br />
Vielleicht sind das angesichts der nahenden<br />
200-Jahr-Feier der Gründung<br />
der <strong>Burschenschaft</strong> im Jahr 2015 hoffnungsvolle<br />
Anzeichen einer wie immer<br />
gearteten Wiederannäherung.<br />
academicus 1/2012<br />
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