Bachelorarbeit - Logistics Baden-Württemberg
Bachelorarbeit - Logistics Baden-Württemberg
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Logistik<br />
fossiler Energieträger<br />
<strong>Bachelorarbeit</strong><br />
im Fach Logistik<br />
Studiengang Betriebswirtschaft<br />
für kleine und mittlere Unternehmen<br />
der<br />
Hochschule für Technik und Wirtschaft<br />
Aalen<br />
Jens Schleicher<br />
Matrikelnummer: 25867<br />
Erstprüfer: Prof. Dr. Ulrich Morlock<br />
Zweitprüfer: Prof. Dr. Eugen May<br />
Bearbeitungszeitraum:<br />
01. November 2009 bis 30. April 2010<br />
Aalen, April 2010
Inhaltsverzeichnis 2<br />
Inhaltsverzeichnis<br />
Inhaltsverzeichnis .......................................................................................................2<br />
Abbildungsverzeichnis ...............................................................................................4<br />
Tabellenverzeichnis ....................................................................................................5<br />
Abkürzungsverzeichnis ..............................................................................................6<br />
Vorwort ........................................................................................................................8<br />
1 Einleitung..........................................................................................................9<br />
1.1 Aufgabenstellung..............................................................................................10<br />
1.2 Vorgehensweise...............................................................................................11<br />
2 Energiemarkt ..................................................................................................12<br />
2.1 Energie.............................................................................................................12<br />
2.2 Energienachfrage.............................................................................................16<br />
2.3 Deckung des Energiebedarfs ...........................................................................22<br />
2.4 Fossile Energieträger .......................................................................................24<br />
2.4.1 Zusammensetzung...........................................................................................24<br />
2.4.2 Entstehung .......................................................................................................25<br />
2.4.3 Geschichtliche Nutzungsentwicklung................................................................26<br />
2.5 Fossile Energievorkommen ..............................................................................27<br />
2.5.1 Reserven..........................................................................................................28<br />
2.5.2 Ressourcen ......................................................................................................32<br />
2.5.3 Reichweite........................................................................................................33<br />
2.6 Deutsche Lieferabhängigkeiten ........................................................................35<br />
3 Logistischer Prozess Erdöl ...........................................................................40<br />
3.1 Erdölgewinnung................................................................................................43<br />
3.1.1 Exploration .......................................................................................................43<br />
3.1.2 Bohrung ...........................................................................................................43<br />
3.1.3 Förderung.........................................................................................................46<br />
3.2 Transport vom Förderort in die Verbraucherregion ...........................................48<br />
3.2.1 Pipeline ............................................................................................................49<br />
3.2.2 Schiff ................................................................................................................56<br />
3.3 Transport zur Weiterverarbeitung in Raffinerie .................................................64<br />
3.3.1 Pipeline ............................................................................................................64<br />
3.3.2 Tankmotorschiff................................................................................................67<br />
3.4 Verarbeitung in der Raffinerie...........................................................................71<br />
3.4.1 Destillation........................................................................................................71
Inhaltsverzeichnis 3<br />
3.4.2 Konversion .......................................................................................................72<br />
3.4.3 Reformierung ...................................................................................................73<br />
3.4.4 Mineralölprodukte.............................................................................................74<br />
3.5 Lagerung der Fertigprodukte ............................................................................74<br />
3.5.1 Lagerhaltung von Mineralölprodukten...............................................................75<br />
3.5.2 Pflichtbevorratung ............................................................................................77<br />
3.6 Transport der Fertigprodukte zum Endverbraucher ..........................................78<br />
3.6.1 Straßentankfahrzeug........................................................................................79<br />
3.6.2 Eisenbahnkesselwagen....................................................................................85<br />
3.6.3 Pipeline ............................................................................................................89<br />
3.6.4 Tankmotorschiff................................................................................................90<br />
4 Logistischer Prozess Erdgas ........................................................................91<br />
4.1 Erdgasförderung...............................................................................................93<br />
4.1.1 Exploration .......................................................................................................93<br />
4.1.2 Bohrung ...........................................................................................................93<br />
4.1.3 Förderung.........................................................................................................94<br />
4.2 Transport vom Förderort in die Verbraucherregion ...........................................95<br />
4.2.1 Pipeline ............................................................................................................95<br />
4.2.2 Schiff ..............................................................................................................100<br />
4.3 Gasspeicherung .............................................................................................105<br />
4.3.1 Notwendigkeit von Erdgasspeichern...............................................................106<br />
4.3.2 Erdgasspeichertypen......................................................................................107<br />
4.4 Transport zum Endverbraucher ......................................................................110<br />
5 Zusammenfassung und Ausblick................................................................113<br />
Anhang A: Regionale Gruppierungen....................................................................116<br />
Anhang B: Umrechnungsfaktoren .........................................................................117<br />
Anhang C: Raffineriestandorte...............................................................................118<br />
Anhang D: Mitglieder der Internationalen Energieagentur...................................119<br />
Literaturverzeichnis ................................................................................................120<br />
Ehrenwörtliche Erklärung.......................................................................................130
Abbildungsverzeichnis 4<br />
Abbildungsverzeichnis<br />
Abbildung 1: Klassifizierung der Energieträger............................................................13<br />
Abbildung 2: Energieumwandlungskette fossiler Energieträger ...................................14<br />
Abbildung 3: Entwicklung des Weltprimärenergieverbrauchs ......................................17<br />
Abbildung 4: Weltweiter Primärenergieverbrauch nach Regionen 2008 ......................18<br />
Abbildung 5: Rangliste der Länder mit dem höchsten Primärenergieverbrauch<br />
2008.................................................................................................................19<br />
Abbildung 6: Pro-Kopf-Energieverbrauch 2008 in ausgewählten Ländern und<br />
Regionen .........................................................................................................21<br />
Abbildung 7: Primärenergieverbrauch der Welt nach Energieträgern 2008 .................22<br />
Abbildung 8: Primärenergieverbrauch in Deutschland nach Energieträgern 2008 .......23<br />
Abbildung 9: Welt-Erdölreserven 2008 nach Regionen ...............................................28<br />
Abbildung 10: Welt-Erdölreserven 2008 nach Ländern................................................29<br />
Abbildung 11: Welt-Erdgasreserven 2008 nach Regionen...........................................30<br />
Abbildung 12: Welt-Erdgasreserven 2008 nach Ländern.............................................30<br />
Abbildung 13: Welt-Kohlereserven 2008 nach Regionen.............................................31<br />
Abbildung 14: Welt-Kohlereserven 2008 nach Ländern...............................................32<br />
Abbildung 15: Gegenüberstellung der Ressourcen und Reserven...............................33<br />
Abbildung 16: Reichweite der weltweiten Reserven an Energieträgern 2008 ..............34<br />
Abbildung 17: Energieimportabhängigkeit Deutschlands 2008 ....................................35<br />
Abbildung 18: Energieträgerlieferanten Deutschlands 2008 ........................................36<br />
Abbildung 19: Strategische Ellipse ..............................................................................38<br />
Abbildung 20: Erdöltransportströme 2008 ...................................................................40<br />
Abbildung 21: Rangliste der größten Erdölförderländer 2008 ......................................41<br />
Abbildung 22: Erdölversorgungskette..........................................................................42<br />
Abbildung 23: Bohrturm beim Rotary-Verfahren ..........................................................44<br />
Abbildung 24: Bohrmeißel beim Abtransport des Bohrkleins .......................................45<br />
Abbildung 25: Fördermethoden ...................................................................................47<br />
Abbildung 26: Tanklager .............................................................................................50<br />
Abbildung 27: Pumpstation..........................................................................................51<br />
Abbildung 28: Druschba-Pipeline ................................................................................54<br />
Abbildung 29: BTC-Pipeline ........................................................................................54<br />
Abbildung 30: Tengiz–Noworossisk-Pipeline...............................................................55<br />
Abbildung 31: Trans-Alaska-Pipeline...........................................................................55<br />
Abbildung 32: Tankschiff .............................................................................................58<br />
Abbildung 33: Aufbau eines Tankschiffes....................................................................60<br />
Abbildung 34: Doppelhüllentanker...............................................................................60<br />
Abbildung 35: Hafen in Rotterdam...............................................................................63<br />
Abbildung 36: Raffineriestandorte und Pipelineverbindungen in Deutschland .............65<br />
Abbildung 37: Tankmotorschiff ....................................................................................68<br />
Abbildung 38: Deutsches Wasserstraßennetz.............................................................70<br />
Abbildung 39: Rohöldestillationsanlage.......................................................................72<br />
Abbildung 40: Transportmittel von der Raffinerie bis zum Großtanklager ....................75
Tabellenverzeichnis 5<br />
Abbildung 41: Standorte der Großtanklager ................................................................76<br />
Abbildung 42: Kosten des Mineralöltransports in Abhängigkeit von der<br />
Transportweite und dem Transportmittel..........................................................79<br />
Abbildung 43: Straßentankfahrzeug ............................................................................81<br />
Abbildung 44: Kraftfahrzeug mit Sattelauflieger...........................................................81<br />
Abbildung 45: Gefahrzettel ..........................................................................................84<br />
Abbildung 46: Warntafel ..............................................................................................84<br />
Abbildung 47: Eisenbahnkesselwagen ........................................................................86<br />
Abbildung 48: Beladung von Eisenbahnkesselwagen..................................................87<br />
Abbildung 49: Entladung von Eisenbahnkesselwagen.................................................88<br />
Abbildung 50: Erdgastransportströme 2008 ................................................................91<br />
Abbildung 51: Rangliste der größten Erdgasförderer 2008..........................................92<br />
Abbildung 52: Erdgasversorgungskette.......................................................................93<br />
Abbildung 53: Europäisches Ferngasnetz ...................................................................97<br />
Abbildung 54: Nord-Stream-Pipeline ...........................................................................98<br />
Abbildung 55: Nabucco-Pipeline..................................................................................99<br />
Abbildung 56: South-Stream-Pipeline........................................................................100<br />
Abbildung 57: LNG-Transportkette............................................................................101<br />
Abbildung 58: LNG-Tankschiff mit Kugel- bzw. Membrantanks .................................102<br />
Abbildung 59: LNG-Tankschiff...................................................................................103<br />
Abbildung 60: LNG-Anlandeterminals in Europa .......................................................105<br />
Abbildung 61: Speicherung zum Ausgleich von Förderung und Absatz.....................106<br />
Abbildung 62: Poren- bzw. Kavernenspeicher...........................................................108<br />
Abbildung 63: Lage der deutschen Gasspeicher .......................................................109<br />
Abbildung 64: Hoch- und Mitteldruckleitungen im deutschen Erdgasnetz..................111<br />
Tabellenverzeichnis<br />
Tabelle 1: Abkürzungen für Zehnerpotenzen...............................................................15<br />
Tabelle 2: Schiffsgrößenklassen beim Öltransport ......................................................58<br />
Tabelle 3: Anlandestationen von Rohöl der BRD 2007................................................62<br />
Tabelle 4: Rohölpipelines in Deutschland....................................................................66<br />
Tabelle 5: Nationale und internationale Gefahrgutvorschriften ....................................83<br />
Tabelle 6: Ausgewählte Mineralölprodukte mit Kennnummern ....................................83<br />
Tabelle 7: Mineralölpipelines in Deutschland...............................................................89
Abkürzungsverzeichnis 6<br />
Abkürzungsverzeichnis<br />
°C Grad Celsius<br />
3D dreidimensional<br />
AFM+E Außenhandelsverband für Mineralöl und Energie<br />
AG Aktiengesellschaft<br />
AGEB Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen<br />
BDB Bundesverband der Deutschen Binnenschifffahrt<br />
BDEW Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft<br />
BGR Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe<br />
Bill. Billionen<br />
BMWi Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie<br />
BP British Petroleum<br />
BRD Bundesrepublik Deutschland<br />
BTC Baku-Tiflis-Ceyhan<br />
cm Zentimeter<br />
CPC Caspian Pipeline Consortium<br />
DDR Deutsche Demokratische Republik<br />
DNK Deutsche Nationale Komitee des Weltenergierates<br />
EBV Erdölbevorratungsverband<br />
EIA Energy Information Administration<br />
EU Europäische Union<br />
EV Erdöl-Vereinigung Schweiz<br />
EWI Energiewissenschaftliches Institut an der Universität Köln<br />
FVMI Fachverband der Mineralölindustrie Österreichs<br />
IEA Internationale Energie-Agentur<br />
IMO International Maritime Organization<br />
km Kilometer<br />
km/h Kilometer pro Stunde<br />
LKW Lastkraftwagen<br />
LNG Liquefied Natural Gas
Abkürzungsverzeichnis 7<br />
LPG Liquefied Petroleum Gas<br />
m 3<br />
Kubikmeter<br />
mbar Millibar<br />
MEGAL Mittel-Europäische-Gasleitung<br />
MIDAL Mitteldeutsche Anbindungsleitung<br />
Mio. Millionen<br />
mm Millimeter<br />
Mrd. Milliarden<br />
MVL Mineralölverbundleitung<br />
MWV Mineralölwirtschaftsverband<br />
NATO North Atlantic Treaty Organization<br />
NWO Nord-West-Ölleitung<br />
OMV Österreichische Mineralölverwaltung<br />
o.V. ohne Verfasser<br />
RÖE Rohöleinheiten<br />
RRP Rotterdam-Rhein-Pipeline<br />
RWE Rheinisch-Westfälisches Elektrizitätswerk AG<br />
SEPL Südeuropäische-Pipeline<br />
SI Système international d’unités (Internationales Einheitensystem)<br />
SKE Steinkohleeinheiten<br />
t Tonnen<br />
TAL Transalpine Ölleitung<br />
tdw tons deadweight<br />
TENP Trans-Europa-Naturgas-Pipeline<br />
tkm Tonnenkilometer<br />
ULCC Ultra Large Crude Carrier<br />
UN United Nations<br />
USA United States of America<br />
USD United States Dollar<br />
v. Chr. vor Christus<br />
VLCC Very Large Crude Carrier<br />
WEG Wirtschaftsverband Erdöl- und Gasgewinnung
Vorwort 8<br />
Vorwort<br />
Die vorliegende <strong>Bachelorarbeit</strong> mit dem Titel „Logistik fossiler Energieträger“ wurde im<br />
Zeitraum vom 01. November 2009 bis 30. April 2010 im Rahmen des Studiengangs<br />
Betriebswirtschaft für kleine und mittlere Unternehmen an der Hochschule für Technik<br />
und Wirtschaft in Aalen erstellt.<br />
Besonders herzlich bedanken möchte ich mich bei Herrn Professor Dr. Ulrich Morlock,<br />
der die Betreuung meiner <strong>Bachelorarbeit</strong> übernommen hat. Seine wertvollen Ratschlä-<br />
ge und Anregungen lenkten die Arbeit in die richtige Richtung und waren mir stets eine<br />
große Hilfe. Zudem war mir seine tatkräftige Unterstützung zu jeder Zeit sicher.<br />
Mein weiterer Dank gilt der Hermann Bantleon GmbH in Ulm, im Besonderen Frau<br />
Kletting und Herrn Janz, die mich durch ihr Unternehmen führten und mich mit<br />
Informationen unterstützten.<br />
Altheim/Alb, April 2010<br />
Jens Schleicher
1 Einleitung 9<br />
1 Einleitung<br />
Energie besitzt eine grundlegende Bedeutung für den Menschen. 1 Jeder „Normalbür-<br />
ger“ nutzt sie täglich in den verschiedensten Erscheinungsformen. Schon der Früh-<br />
stückskaffee benötigt reichlich Energie, bevor er dampfend in der Tasse zum Trinken<br />
bereit steht. Ebenso die tägliche Autofahrt zur Arbeit, die beheizte Wohnung, das be-<br />
leuchtete Zimmer, das Telefonat mit dem Handy und so weiter. Energie wird bei nahe-<br />
zu jeder Aktivität benötigt und ist aus unserem alltäglichen Leben nicht mehr wegzu-<br />
denken.<br />
Zum allergrößten Teil schöpft die Menschheit ihren Energiebedarf aus den fossilen<br />
Energieträgern Erdöl, Erdgas und Kohle. Diese natürlich vorkommenden Energieträger<br />
sind jedoch global verhältnismäßig ungleich verteilt. Aus diesem Grund muss der<br />
überwiegende Teil der in Deutschland benötigten Rohstoffe aus dem Ausland impor-<br />
tiert werden. 2 Häufig tauchen Themen zu diesen Einfuhren in den Medien auf und wer-<br />
den öffentlich diskutiert.<br />
Im Januar 2009 sorgte beispielsweise der Gasstreit zwischen Russland und der Ukrai-<br />
ne für Schlagzeilen. Der Streit über höhere Gaspreise eskalierte als Russland seine<br />
Gaslieferungen in die Ukraine vorübergehend einstellte. Da der Großteil des in der EU<br />
benötigten Gases durch ukrainische Pipelines führt, beeinträchtigte der Lieferstopp die<br />
europäische Gasversorgung beträchtlich. Auch in Deutschland wurden aufgrund der<br />
vorübergehenden Lieferengpässe größere Versorgungsschwierigkeiten befürchtet. 3<br />
Aber auch weitere Vorfälle wie z.B. das Tankerunglück in Norwegen im Juli 2009, bei<br />
dem ca. 300 Tonnen Rohöl aus einem havarierten Öltanker ins Meer entwichen, ma-<br />
chen immer wieder auf den Transport von Energieträgern aufmerksam. 4 Allerdings ist<br />
über die logistischen Prozesse der fossilen Energieträger, trotz ihrer großen Relevanz,<br />
nur wenig bekannt. Es scheint also die Notwendigkeit gegeben sich grundlegend mit<br />
dieser Thematik auseinanderzusetzen. Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich detail-<br />
liert mit der „Logistik fossiler Energieträger“ und zeigt dem Leser, wie breit gefächert<br />
dieses Themengebiet ist.<br />
In den folgenden Unterkapiteln wird die Aufgabenstellung der <strong>Bachelorarbeit</strong> definiert,<br />
das Thema abgegrenzt und die Zielsetzung der Arbeit näher erläutert. Zudem wird auf<br />
die in der Arbeit angewandte Vorgehensweise eingegangen.<br />
1<br />
Vgl. Rebhan, E. (2002): Energiehandbuch. S. VII.<br />
2<br />
Vgl. Zahoransky, R. (2009): Energietechnik. S. 1.<br />
3<br />
Vgl. http://www.zeit.de/online/2009/02/gasstreit-russland-ukraine-3, vom 16.12.09.<br />
4 Vgl. http://www.zeit.de/online/2009/31/norwegen-oelpest, vom 16.12.09.
1 Einleitung 10<br />
1.1 Aufgabenstellung<br />
Die Aufgabe der vorliegenden <strong>Bachelorarbeit</strong> „Logistik fossiler Energieträger“ ist es,<br />
den logistischen Prozess von Erdöl und Erdgas von der Förderung bis zum End-<br />
verbraucher zu analysieren und eingehend darzustellen. Zudem soll die Arbeit einen<br />
umfassenden Überblick über die aktuelle globale Energienachfrage und die Deckung<br />
dieses Energiebedarfs ermöglichen. Des Weiteren sollen die gegenwärtigen weltweiten<br />
Vorkommen an fossilen Energieträgern aufgezeigt und die Lieferabhängigkeiten<br />
Deutschlands dargelegt werden.<br />
Der logistische Bereich der fossilen Energieträger Erdöl und Erdgas steht somit im Fo-<br />
kus dieser Ausarbeitung. Die verschiedenartigen Transportabläufe der Energieträger<br />
nehmen dabei eine übergeordnete Stellung ein, da der Ort des Energievorkommens<br />
und des Energieverbrauchs in der Regel nicht direkt beieinander liegt. Hierzu gehören<br />
Informationen über die diversen Transportmittel und die verschiedenen Umschlagspro-<br />
zesse, die zur Veranschaulichung der Versorgungskette dienen. Zudem zeigt die Arbeit<br />
die Exploration, die Förderungstechnik, die Aufbereitung und die Speicherung bzw.<br />
Lagerung der Energieträger auf.<br />
Abgrenzung<br />
In dieser Arbeit wird ausschließlich der logistische Prozess der fossilen Energieträger<br />
Erdöl und Erdgas behandelt. Allerdings werden im zweiten Kapitel, das den gesamten<br />
Energiemarkt und insbesondere die fossilen Energievorkommen umfasst, alle fossilen<br />
Energieträger betrachtet. Auf die nuklearen Energieträger und die erneuerbaren Ener-<br />
gien wird hingegen nicht näher eingegangen.<br />
Die Betrachtung des logistischen Prozesses beginnt jeweils mit der Förderung des<br />
Energieträgers und endet mit dem Transport zum Endverbraucher. Die Darstellung der<br />
Versorgungskette ist dabei grundsätzlich auf den Transport nach Deutschland ausge-<br />
richtet und es werden lediglich die relevanten und gebräuchlichen Transportmittel auf-<br />
gezeigt. Zudem werden Mineralölprodukte die bereits im Ausland hergestellt wurden<br />
und anschließend nach Deutschland befördert werden nicht betrachtet. Außerdem wird<br />
beim logistischen Prozess von Erdgas nur auf die wichtigsten Transportmittel Pipeline<br />
und Schiff eingegangen.<br />
Das große und komplexe Themengebiet dieser <strong>Bachelorarbeit</strong> bringt jedoch mit sich,<br />
dass gewisse Abstriche im Bezug auf den Detaillierungsgrad gemacht werden müssen,<br />
um nicht den Rahmen der Arbeit zu sprengen. Beispielsweise werden die physikali-<br />
schen und technischen Grundlagen nur eingeschränkt dargestellt.<br />
Ziel der Arbeit<br />
Ziel der Arbeit ist es, in einer ganzheitlichen Darstellung die verschiedenartigen Ener-<br />
gieversorgungswege der fossilen Energieträger Erdöl und Erdgas vom Ort der Förde-<br />
rung bis zum Endverbraucher aufzuzeigen. Die einzelnen Stufen der Erdöl- bzw. Erd-<br />
gasversorgungskette sollen dabei zusammenhängend und eingehend erläutert werden.<br />
Zudem sollen die unterschiedlichen Transportmittel die dabei zum Einsatz kommen
1 Einleitung 11<br />
ausführlich vorgestellt werden, um differenzieren zu können wann und weshalb die<br />
Transportmittel auf der Versorgungskette eingesetzt werden. Dem Leser soll dadurch<br />
ein umfassender Einblick in das Thema „Logistik fossiler Energieträger“ ermöglicht<br />
werden, um zu verstehen wie Erdöl und Erdgas nach Deutschland und letztendlich<br />
zum Verbraucher gelangen.<br />
1.2 Vorgehensweise<br />
Das erste einleitende Kapitel führt anhand der Aufgabenstellung in die <strong>Bachelorarbeit</strong><br />
ein, schränkt den Umfang des zu bearbeitenden Themas ein und erläutert das damit<br />
verbundene Ziel der Arbeit. Zudem wird die angewandte Vorgehensweise in dieser<br />
Arbeit aufgezeigt.<br />
In Kapitel zwei wird ein Überblick über den Energiemarkt gegeben. Energiebegrifflich-<br />
keiten, die aktuelle weltweite Energienachfrage und die gegenwärtige globale und nati-<br />
onale Deckung des Energiebedarfs werden erläutert. Ebenso werden die fossilen<br />
Energieträger detailliert vorgestellt und deren weltweiten Vorkommen anhand der Re-<br />
serven und Ressourcen aufgezeigt. Außerdem wird die Abhängigkeit Deutschlands<br />
von fossilen Energieimporten näher beschrieben.<br />
In Kapitel drei wird der logistische Prozess von Erdöl dargestellt. Dabei wird der Weg<br />
des Erdöls von der Gewinnung bis zum Endverbraucher detailliert aufgezeigt. Neben<br />
den eingesetzten Transportmitteln wird insbesondere auf die Förderung des Erdöls, die<br />
Verarbeitung des Rohöls in der Raffinerie und die Lagerung der Mineralölprodukte ein-<br />
gegangen.<br />
Der logistische Prozess von Erdgas wird in Kapitel vier ausführlich beschrieben. Dort<br />
wird der Weg, den das Erdgas von der Förderung bis zum Endverbraucher zurücklegt,<br />
eingehend erläutert. Dabei werden vor allem die dort zum Einsatz kommenden Trans-<br />
portmittel und die Speicherung des Erdgases betrachtet.<br />
In Kapitel fünf wird ein Ausblick auf die zukünftige Entwicklung des logistischen Pro-<br />
zesses von Erdöl und Erdgas gegeben. Zudem wird der grundlegende Kerngedanke<br />
dieser Arbeit zusammengefasst und dargestellt.<br />
Den Abschluss bilden der Anhang, das Literaturverzeichnis und die eidesstattliche Er-<br />
klärung.
2 Energiemarkt 12<br />
2 Energiemarkt<br />
Im Kapitel Energiemarkt werden zuerst einige grundlegende Energiebegriffe erläutert,<br />
die diversen Energieträger klassifiziert und die Energiemaßeinheiten vorgestellt. Des<br />
Weiteren werden die Energienachfrage und die Deckung des Energiebedarfs anhand<br />
der gegenwärtigen globalen und nationalen Situation dargestellt. Anschließend werden<br />
die fossilen Energieträger und deren weltweiten Vorkommen aufgezeigt. Im letzen Teil<br />
dieses Kapitels wird die Abhängigkeit Deutschlands von fossilen Energieimporten nä-<br />
her beschrieben.<br />
2.1 Energie<br />
Mit Energie gehen wir täglich um und umgangssprachlich wird der Begriff kontinuierlich<br />
verwendet. Doch was bedeutet Energie tatsächlich? Ursprünglich geht der Begriff<br />
Energie auf das griechische "energeia" zurück, zu deutsch Wirksamkeit und tauchte<br />
erstmals bei dem antiken Philosophen Aristoteles auf. 5<br />
Allgemein definiert ist Energie „das in einem Körper oder Stoff vorhandene Potenzial,<br />
physikalische Arbeit zu verrichten oder Wärme abzugeben.“ 6 Eine weitere, wenn auch<br />
nicht allumfassende Definition besagt, „Energie ist gespeicherte Arbeit.“ 7 Aufgrund der<br />
vielfältigen Erscheinungsformen der Energie, existieren jedoch zahlreiche weitere Defi-<br />
nitionen und Beschreibungen zu dem Begriff. Die Erscheinungsformen der Energie<br />
unterteilen sich in chemische, elektrische, mechanische, thermische Energie, Kern-<br />
und Strahlungsenergie. 8<br />
Die zum Gebrauch benötigte Energie wird aus einer Vielfalt verschiedener, in der Natur<br />
vorhandener Energiequellen bezogen, die sich in der Energieform als auch in der Zu-<br />
gänglichkeit unterscheiden. 9 Diese Energiequellen werden Energieträger genannt und<br />
werden definiert als „Stoffe, die Energiepotentiale mit hoher Arbeitsfähigkeit enthalten,<br />
welche technisch genutzt werden können und wirtschaftlich nutzbar sind.“ 10<br />
Generell wird bei den Energieträgern zwischen erneuerbaren und nicht erneuerbaren<br />
Energien unterschieden (Abbildung 1). Zu den erneuerbaren bzw. regenerativen Ener-<br />
gien zählen Biomasse, Geothermie (Erdwärme), Photovoltaik, Solarthermie, Wasser-<br />
kraft und Windkraft. Die erneuerbaren Energien werden aus natürlichen Prozessen<br />
5 Vgl. http://www.thema-energie.de/energie-im-ueberblick/technik/physikalische-grundlagen/<br />
energie- in-der-geschichte.html, vom 16.12.09.<br />
6 Kraus, M. (2004): Lexikon der Energiewirtschaft. S. 68.<br />
7 http://www.energieanalyse.info/seiten/energie.php?commentStart=5&PHPSESSID=e6ef0i04<br />
65k1gjus3v5f2ed2u0, vom 16.12.09.<br />
8 Vgl. Konstantin, P. (2009): Praxisbuch Energiewirtschaft. S. 1.<br />
9 Vgl. Rebhan, E. (2002): Energiehandbuch. S. 36.<br />
10 Schiffer, H. (2008): Energiemarkt Deutschland. S. 25.
2 Energiemarkt 13<br />
gewonnen und sind prinzipiell unerschöpflich. Die nicht erneuerbaren Energien glie-<br />
dern sich in fossile und nukleare Energieträger. Die fossilen Energieträger umfassen<br />
Erdgas, Erdöl, Stein- und Braunkohle. Zu den nuklearen Energieträgern gehören Plu-<br />
tonium, Thorium und Uran. Die nicht erneuerbaren Energieträger können nur einmal<br />
verwendet werden und stehen somit nur begrenzt zur Verfügung. 11<br />
Energieträger<br />
Nicht erneuerbare Energien Erneuerbare Energien<br />
Fossile Energieträger Nukleare Energieträger Biomasse<br />
Erdgas Plutonium Geothermie<br />
Erdöl Thorium Photovoltaik<br />
Stein- und Uran Solarthermie<br />
Braunkohle<br />
Wasserkraft<br />
Abbildung 1: Klassifizierung der Energieträger 12<br />
Windkraft<br />
Bis zur gewünschten Dienstleistung beim Verbraucher durchlaufen die Energieträger<br />
verschiedene Umwandlungsprozesse, in denen Energie von einer Form in eine andere<br />
transformiert wird. 13 Auf jeder Umwandlungsstufe geht dabei ein Teil der Arbeitsfähig-<br />
keit z.B. durch Abwärme, Transport und Verarbeitung verloren. In der Energieumwand-<br />
lungskette werden deshalb Primär-, Sekundär-, End- und Nutzenergie unterschieden. 14<br />
Primärenergie ist die Energie, die in der Natur vorkommt und noch nicht von den<br />
Menschen verändert wurde. Hierzu zählen alle Energieträger die noch unverarbeitet<br />
sind, wie beispielsweise Kohle oder Erdöl. 15 Die für den Verbraucher bestimmte Ener-<br />
gie entsteht durch Umwandlung aus Primärenergie und wird als Sekundärenergie<br />
bezeichnet. Die Sekundärenergie ist in der Regel leicht speicher-, nutz- und transpor-<br />
tierbar. Beispielweise wird in Kraftwerken Kohle zu Strom umgewandelt und in Raffine-<br />
rien Erdöl in Benzin oder Diesel transformiert.<br />
Der Anteil der Sekundärenergie, der schließlich an den Verbraucher geliefert wird, wird<br />
als Endenergie bezeichnet. Dem Verbraucher werden beispielsweise Heizöl, Benzin,<br />
11<br />
Vgl. Schiffer, H. (2008): Energiemarkt Deutschland. S. 25.<br />
12<br />
In Anlehnung an Schiffer, H. (2008): Energiemarkt Deutschland. S. 25.<br />
13<br />
Vgl. Schiffer, H. (2008): Energiemarkt Deutschland. S. 25.<br />
14<br />
Vgl. http://www.thema-energie.de/energie-im-ueberblick/technik/physikalische-grundlagen/<br />
energieformen.html, vom 16.12.2009.
2 Energiemarkt 14<br />
Gas oder Strom in Form von Endenergie zur Verfügung gestellt. Die bei der Nutzung<br />
durch den Verbraucher tatsächlich verwendete Energie wird Nutzenergie genannt. 16<br />
Sie ist die Energie, die nach der letzten Umwandlung dem Verbraucher in Geräten,<br />
z.B. in Form von mechanischer Energie, Wärme oder Licht, zur Verfügung steht. 17 Die<br />
gesamte Energieumwandlungskette fossiler Energieträger ist in Abbildung 2 darge-<br />
stellt.<br />
Primärenergie<br />
z.B. Erdöl, Kohle<br />
Sekundärenergie<br />
z.B. Benzin, Diesel, Strom<br />
Endenergie<br />
z.B. Diesel im Tank, Strom aus Steckdose<br />
Nutzenergie<br />
z.B. Licht, Wärme<br />
unverarbeitete Energieträger<br />
für Verbraucher bestimmte Energie<br />
Abbildung 2: Energieumwandlungskette fossiler Energieträger 18<br />
bereitgestellte Energie für Endverbraucher<br />
vom Endverbraucher verwendete Energie<br />
Bei den diversen Umwandlungsprozessen geht ein Teil der Energie ungenutzt verlo-<br />
ren. Werden diese Umwandlungsverluste subtrahiert, beträgt die Endenergie noch ca.<br />
66 % der Primärenergie. Wird die Endenergie unter weiteren Umwandlungsverlusten in<br />
Nutzenergie transformiert, bleiben ca. 33 % der primären Energiequelle erhalten. 19<br />
Die Energienachfrager sind somit nicht an den Energieträgern interessiert, sondern an<br />
den Energiedienstleistungen, die unter dem Einsatz von Energieträgern erstellt wer-<br />
den. Die Nachfrage nach Energieträgern ist deshalb eine abgeleitete Nachfrage aus<br />
dem Bedarf an beispielsweise Wärme, Helligkeit oder motorischer Kraft. 20<br />
Energiemaßeinheiten<br />
Energiemengen werden zumeist bezogen auf das Volumen, das Gewicht und den<br />
Energiegehalt ausgewiesen. International anerkannte Einheiten sind Kubikmeter (m 3 ),<br />
15 Vgl. Kraus, M. (2004): Lexikon der Energiewirtschaft. S. 159.<br />
16 Vgl. Zahoransky, R. (2009): Energietechnik. S. 11.<br />
17 Vgl. Kraus, M. (2004): Lexikon der Energiewirtschaft. S. 146.<br />
18 In Anlehnung an Rebhan, E. (2002): Energiehandbuch. S. 41.<br />
19 Vgl. Rebhan, E. (2002): Energiehandbuch. S. 38-39.
2 Energiemarkt 15<br />
Tonnen (t) und Joule (J). Diese Größen werden von den im internationalen System von<br />
Einheiten (SI) festgelegten Basiseinheiten Meter, Kilogramm und Sekunde abgeleitet. 21<br />
Die so genannten SI-Einheiten wurden im Jahr 1960 eingeführt und sind international<br />
in Wissenschaft und Technik als Grundlage angenommen. 22<br />
Die SI-Einheit zur Messung von Energie ist das Joule. Da das Joule im Verhältnis zu<br />
Energieangaben recht klein ist, werden meist Abkürzungen für die Zehnerpotenzen<br />
verwendet, um eine unübersichtliche Schreibweise mit vielen Nullen zu vermeiden. 23<br />
Die Vorsätze sind in Tabelle 1 dargestellt.<br />
Tabelle 1: Abkürzungen für Zehnerpotenzen 24<br />
Vorsatz Abk. Faktor Zahlenname<br />
Joule J 1 J -<br />
Kilojoule kJ 1 kJ = 10 3<br />
J Tausend<br />
Megajoule MJ 1 MJ = 10 6<br />
J Million<br />
Gigajoule GJ 1 GJ = 10 9<br />
J Milliarde<br />
Terajoule TJ 1 TJ = 10 12 J Billion<br />
Petajoule PJ 1 PJ = 10 15 J Billiarde<br />
Exajoule EJ 1 EJ = 10 18 J Trillon<br />
Die Verwendung der Einheit Joule als gemeinsamer Standard für verschiedene Ener-<br />
giearten ist in der Praxis jedoch eher die Ausnahme. 25 In der Energiewirtschaft werden<br />
Energievorräte, Energieverbrauch und Energiebedarf auf Grund der Anschaulichkeit<br />
häufig in Rohöleinheiten (RÖE) ausgewiesen. Die RÖE beruht auf den Heizwertei-<br />
genschaften und wird verwendet, um Öl mit anderen Energieformen zu vergleichen. In<br />
der Vergangenheit wurde Energie hingegen bevorzugt in Steinkohleinheiten (SKE)<br />
ausgedrückt, was aber durch die erhöhte Bedeutung von Erdöl durch RÖE, auch Öl-<br />
äquivalent genannt, ersetzt wurde. 26 Eine t RÖE entspricht 41,868 GJ und sollte nicht<br />
mit der in t angegebenen Masse verwechselt werden.<br />
Im Bezug auf die fossilen Energieträger wird Erdgas in Volumenangaben, zumeist m 3 ,<br />
gemessen. Bei Kohle ist hingegen die Gewichtsangabe in t üblich. Erdöl und Mineral-<br />
ölprodukte werden prinzipiell in den Maßeinheiten t, RÖE oder Barrel angegeben. 27<br />
Das Barrel (engl. für Fass) ist ein bekanntes Beispiel für eine Volumenmaßeinheit, die<br />
sich weltweit durchgesetzt hat. Die Bezeichnung geht auf die Anfänge der Erdölindust-<br />
20<br />
Vgl. Schiffer, H. (2008): Energiemarkt Deutschland. S. 28.<br />
21<br />
Vgl. IEA. (2005): Handbuch Energiestatistik. S. 205.<br />
22<br />
Vgl. http://www.ptb.de/de/wegweiser/einheiten/si/geschichte.html, vom 17.12.09.<br />
23<br />
Vgl. IEA. (2005): Handbuch Energiestatistik. S. 207.<br />
24<br />
In Anlehnung an IEA. (2005): Handbuch Energiestatistik. S. 207.<br />
25<br />
Vgl. IEA. (2005): Handbuch Energiestatistik. S. 207-208.<br />
26<br />
Vgl. http://www.enbw.com/content/de/impulse/_media/_pdf/lehrerportal/EnBW_Energie.pdf,<br />
vom 17.12.09.<br />
27<br />
Vgl. RWE. (2005): Weltenergiereport 2005. S. 15.
2 Energiemarkt 16<br />
rie in den USA im Jahr 1859 zurück. Der Transport und die Lagerung des Erdöls stell-<br />
ten damals ein großes Problem dar, woraufhin Heringsfässer verwendet wurden. He-<br />
ringe wurde zu diesem Zeitpunkt in großen Mengen in Holzfässern verkauft, so dass<br />
die Fässer günstig erworben werden konnten. Diese Holzfässer besaßen eine Stan-<br />
dardgröße von 42 US-Gallonen bzw. 158, 987 Liter und wurden um Verwechslungen<br />
auszuschließen am Fassboden blau angestrichen. Die Maßeinheit ist der Erdölindust-<br />
rie bis heute erhalten geblieben. 28<br />
In der vorliegenden Arbeit werden Erdöl und Mineralölprodukte grundsätzlich in Mrd. t<br />
und RÖE aufgeführt. Erdgas in m 3 , Kohle in t und der Energieverbrauch in GJ. Die ein-<br />
zelnen Umrechnungsfaktoren der relevanten Einheiten sind in Anhang B dargestellt.<br />
2.2 Energienachfrage<br />
Die weltweite Energienachfrage ist von vielen Faktoren abhängig. Dazu zählen die<br />
Verfügbarkeit und die Preise der Energieträger, die Bevölkerungsentwicklung, die<br />
rechtlichen und politischen Rahmenbedingungen, das Wirtschaftswachstum und die<br />
technologischen Entwicklungen. 29 Im folgenden Kapitel erfolgt allerdings keine detail-<br />
lierte Betrachtung dieser Faktoren. Es wird ausschließlich die historische Entwicklung<br />
des weltweiten Energiebedarfs, die aktuelle globale Nachfrage nach Energie und die<br />
Volatilität der Energiepreise aufgezeigt.<br />
Entwicklung des Weltprimärenergieverbrauchs<br />
Der weltweite Gesamtenergieverbrauch der Menschen hat in seiner Entwicklung be-<br />
ständig zugenommen. 30 Im Jahr 2008 befand sich der globale Primärenergieverbrauch,<br />
also der Verbrauch von Energieträgern vor deren Umwandlung, mit ca. 11.300 Mio. t<br />
RÖE auf einem neuen Höchststand. 31 Auch zukünftig wird der Weltenergiebedarf wei-<br />
ter steigen und somit eine enorme Nachfrage nach Energie hervorrufen. 32 Die histori-<br />
sche Entwicklung des weltweiten Primärenergieverbrauchs ab dem Jahr 1860 ist in<br />
Abbildung 3 dargestellt.<br />
Im vorindustriellen Zeitalter wurde der geringe Energiebedarf überwiegend durch ge-<br />
sammelte Brennstoffe wie Holz, körperliche Arbeit und Nutztiere gedeckt. Mit dem Be-<br />
ginn der Industrialisierung Mitte des 19. Jahrhunderts und den damit verbundenen<br />
technischen Veränderungen, wurden jedoch immer mehr Maschinen genutzt. Um de-<br />
ren Betrieb zu gewährleisten, mussten Energieträger, zunächst Kohle und später auch<br />
Erdöl und Erdgas, eingesetzt werden, wodurch sich deren Bedarf langsam erhöhte.<br />
Während den Weltkriegen und der Weltwirtschaftskrise im Jahr 1929 wurde das<br />
Wachstum des Energieverbrauchs kurzzeitig unterbrochen. Mit dem Ende des Zweiten<br />
28<br />
Vgl. Hohensee, J. (1996): Der erste Ölpreisschock 1973-74. S. 24.<br />
29<br />
Vgl. BMWi. (2009): Energie in Deutschland. S. 8.<br />
30<br />
Vgl. Rebhan, E. (2002): Energiehandbuch. S. 41.<br />
31<br />
Vgl. BP. (2009): Statistical Review of World Energy. S. 40.<br />
32<br />
Vgl. BMWi. (2006): Die Entwicklung der Energiemärkte bis zum Jahr 2030. S. 14.
2 Energiemarkt 17<br />
Weltkrieges und dem damit verbundenen wirtschaftlichen Aufschwung wuchs der<br />
Energiebedarf der Welt, vor allem in den Industriestaaten, kontinuierlich an. 33<br />
Mio. Tonnen Rohöleinheiten<br />
12.000<br />
10.000<br />
8.000<br />
6.000<br />
4.000<br />
2.000<br />
0<br />
1860<br />
Der weltweite Primärenergieverbrauch steigt beständig an<br />
1870<br />
1880<br />
1890<br />
1900<br />
Abbildung 3: Entwicklung des Weltprimärenergieverbrauchs 34<br />
1910<br />
1920<br />
1930<br />
In den Jahren 1973 und 1979 schwächte sich das Wachstum durch die Ölkrise und die<br />
damit verbundenen Erdölpreisanstiege leicht ab. In den neunziger Jahren wirkte sich<br />
die Asienkrise negativ auf das Wachstum aus. Der zunehmende Energiebedarf der<br />
Entwicklungs- und Schwellenländer sorgte jedoch zu Beginn des 21. Jahrhunderts für<br />
einen erneuten großen Zuwachs. 35 Durch die Finanzkrise und der dadurch verursach-<br />
ten Rezession im Jahr 2008 schwächte sich das Wachstum des Energiebedarfs jedoch<br />
erneut leicht ab. 36<br />
Ein wichtiger Faktor für die konstante Entwicklung des Energieverbrauchs zwischen<br />
1950 und heute ist der immense Anstieg der Weltbevölkerung. Die globale Bevölke-<br />
rung ist von 1950 mit 2,54 Mrd. Menschen auf 6,75 Mrd. Menschen im Jahr 2008 an-<br />
gewachsen. 37 Da die Anzahl der Weltbevölkerung stark mit dem Energiebedarf korre-<br />
liert, versechsfachte sich der weltweite Energieverbrauch in diesem Zeitraum. 38<br />
33<br />
Vgl. RWE. (2003): Weltenergiereport 2003. S. 7.<br />
34<br />
Vgl. RWE. (2005): Weltenergiereport 2005. S. 7-8.<br />
35<br />
Vgl. DNK. (2009): Energie für Deutschland 2009. S. 33-34.<br />
1940<br />
36 Vgl. DNK. (2009): Energie für Deutschland 2009. S. 9.<br />
37 Vgl. DNK. (2009): Energie für Deutschland 2009. S. 34.<br />
38 Vgl. Rebhan, E. (2002): Energiehandbuch. S. 43.<br />
1950<br />
1960<br />
1970<br />
1980<br />
1990<br />
2000<br />
2008
2 Energiemarkt 18<br />
Primärenergieverbrauch nach Regionen und Ländern<br />
Wie bereits erwähnt, betrug der gesamte Primärenergieverbrauch im Jahr 2008 welt-<br />
weit rund 11.300 Mio. t RÖE. Der Verbrauch nahm aufgrund des geringen weltweiten<br />
Wirtschaftswachstums gegenüber dem Vorjahr lediglich um 1,4 % zu. Dies entsprach<br />
der geringsten Wachstumsrate seit dem Jahr 2001. Regional betrachtet, steht der asia-<br />
tisch-pazifische Raum mit einem Anteil von 36 % an der Spitze (Abbildung 4). Europa<br />
und Eurasien, sowie Nordamerika befinden sich mit jeweils rund einem Viertel des<br />
weltweiten Verbrauchs auf den Plätzen zwei und drei. Es folgen der Nahe Osten (5 %),<br />
Mittel- und Südamerika (5 %) sowie Afrika (3 %). Eine detaillierte Aufstellung mit den<br />
Zugehörigkeiten der einzelnen Länder zu den Regionen befindet sich im Anhang A:<br />
Regionale Gruppierungen.<br />
Mehr als ein Viertel des weltweiten Primärenergieverbrauchs entfällt auf Europa<br />
Asiatischpazifischer<br />
Raum<br />
Europa und<br />
Eurasien<br />
Nordamerika<br />
Naher Osten<br />
Mittel- und<br />
Südamerika<br />
Afrika<br />
356 (3 %)<br />
614 (5 %)<br />
580 (5 %)<br />
2.965 (26 %)<br />
2.799 (25 %)<br />
3.982<br />
(36 %)<br />
0 500 1.000 1.500 2.000 2.500 3.000 3.500 4.000 4.500<br />
Mio. Tonnen Rohöleinheiten<br />
Abbildung 4: Weltweiter Primärenergieverbrauch nach Regionen 2008 39<br />
Der Spitzenplatz des asiatisch-pazifischen Raums in dieser regionalen Gegenüberstel-<br />
lung überrascht zunächst. Werden jedoch die Hauptkonsumenten dieser Region (z.B.<br />
China, Japan, Indien und Südkorea) betrachtet, wird das Ergebnis nachvollziehbar. Die<br />
mäßige Energienachfrage in Afrika sowie Mittel- und Südamerika ist damit zu erklären,<br />
dass es sich bei diesen Ländern fast ausschließlich um Entwicklungsländer handelt.<br />
Deren Hauptenergiequellen bestehen zumeist aus nicht kommerziellen Brennstoffen<br />
wie z.B. Brennholz, tierischen und pflanzlichen Abfallprodukten. 40 Diese nicht kommer-<br />
39 Vgl. BP. (2009): Statistical Review of World Energy. S. 40.<br />
40 Vgl. RWE. (2005): Weltenergiereport 2005. S. 18.
2 Energiemarkt 19<br />
ziellen Brennstoffe werden jedoch nicht in den Energiestatistiken geführt. Nach wie vor<br />
sind weltweit schätzungsweise noch immer rund zwei Mrd. Menschen ohne Zugang zu<br />
einer sicheren Energieversorgung. 41<br />
Die beiden Hauptkonsumenten im Jahr 2008 waren die USA mit 20,4 % und China mit<br />
17,7 % am globalen Verbrauch. In der Rangliste der Länder mit dem größten Primär-<br />
energieverbrauch (Abbildung 5) folgen Russland (6,1 %), Japan (4,5 %), Indien (3,8 %)<br />
und Kanada (2,9 %). Deutschland rangiert mit 311 t RÖE, was einem weltweiten Anteil<br />
von 2,8 % entspricht, auf dem siebten Platz. Mit einem vergleichsweise geringen Pri-<br />
märenergieverbrauch befinden sich beispielsweise Neuseeland (17,9 t RÖE), Ecuador<br />
(12,3 t RÖE) und Island (3,9 t RÖE) im hinteren Teil der Rangliste.<br />
Die USA hatte im Jahr 2008 den weltweit höchsten Primärenergieverbrauch<br />
USA<br />
China<br />
Russland<br />
Japan<br />
Indien<br />
Kanada<br />
Deutschland<br />
Frankreich<br />
Südkorea<br />
Brasilien<br />
330 (2,9 %)<br />
311 (2,8 %)<br />
258 (2,3 %)<br />
240 (2,1 %)<br />
228 (2,0 %)<br />
508 (4,5 %)<br />
433 (3,8 %)<br />
685 (6,1 %)<br />
2.003 (17,7 %)<br />
2.299<br />
(20,4 %)<br />
0 500 1.000 1.500 2.000 2.500<br />
Mio. Tonnen Rohöleinheiten<br />
Abbildung 5: Rangliste der Länder mit dem höchsten Primärenergieverbrauch 2008 42<br />
Die wichtigsten Veränderungen der Nachfrage 2008 im Vergleich zum Vorjahr ergaben<br />
sich in den zwei Ländern mit dem höchsten Energieverbrauch. China verzeichnete mit<br />
einem Verbrauchsanstieg von 7,2 % das weltweit größte Wachstum, während in den<br />
USA die Nachfrage um 2,8 % zurück ging. Der Energieverbrauch der anderen Export-<br />
und Industrienationen zeigte sich hingegen relativ stabil. 43<br />
Das langsame und teilweise sogar stagnierende Wachstum in diesen Nationen hatte<br />
verschiedene Gründe. Die schlechte wirtschaftliche und konjunkturelle Lage wirkte sich<br />
41 Vgl. DNK. (2009): Energie für Deutschland 2009. S. 34.<br />
42 Vgl. BP. (2009): Statistical Review of World Energy. S. 40.<br />
43 Ebenda
2 Energiemarkt 20<br />
im Jahr 2008 negativ auf den Energieverbrauch aus. 44 Weitere Faktoren sind bereits<br />
über einen längeren Zeitraum zu beobachten. In vielen Industrieländern wächst die<br />
Bevölkerung nur noch schwach oder ist sogar rückläufig. Zudem ist durch den techni-<br />
schen Fortschritt eine effizientere Energienutzung möglich. Außerdem sind Bedürfnisse<br />
wie z.B. Mobilität, deren Befriedigung nur mit einem hohen Energieaufwand möglich<br />
ist, bereits zum Großteil erfüllt.<br />
Während der Energieverbrauch in den meisten Industrieländern stagniert oder zurück<br />
geht, steigt die Energienachfrage vor allem in den Entwicklungs- und Schwellenlän-<br />
dern. Dieser ansteigende Energiebedarf ist bereits seit einiger Zeit zu beobachten und<br />
ist vor allem auf das starke Wirtschafts- und Bevölkerungswachstum in einiger dieser<br />
Länder zurückzuführen. 45 Die erheblichen Veränderungen der Anteile dieser Länder-<br />
gruppen am Primärenergiebedarf werden durch die Gegenüberstellung des Energie-<br />
verbrauchs der Jahre 1970 und 2008 verdeutlicht. Der Anteil der Industrienationen am<br />
Primärenergieverbrauch der Welt betrug im Jahr 1970 mehr als zwei Drittel und redu-<br />
zierte sich bis zum Jahr 2008 auf ca. 50 %. Im selben Zeitraum steigerten die Ent-<br />
wicklungs- und Schwellenländer (mit China) ihren Weltenergieverbrauch rasant auf<br />
ebenfalls rund 50 % im Jahr 2008. 46<br />
In Zukunft wird die Energienachfrage der Entwicklungs- und Schwellenländer weiter<br />
ansteigen und einen noch größeren Anteil am globalen Energiebedarf einnehmen. In-<br />
ternationale Prognosen gehen davon aus, dass der weltweite Bedarf an Energie bis<br />
zum Jahr 2030 um etwa 40 % steigen wird. Zwei Drittel dieses Wachstums werden<br />
allein auf die Entwicklungs- und Schwellenländer entfallen. 47<br />
Pro-Kopf-Energieverbrauch nach Regionen und Ländern<br />
Die Betrachtung des jährlichen Pro-Kopf-Energieverbrauchs gibt weitere Aufschlüsse<br />
über die Energieintensität diverser Länder. Den höchsten Pro-Kopf-Energieverbrauch<br />
im Jahr 2008 wiesen die USA mit 315 GJ auf (Abbildung 6). Weitere Länder mit einem<br />
überdurchschnittlich hohen Verbrauch pro Kopf waren Deutschland mit 170 GJ, Japan<br />
mit 161 GJ und Russland mit 151 GJ. China und Indien verbrauchten hingegen nur 65<br />
bzw. 23 GJ. Der weltweite Pro-Kopf-Durchschnittsverbrauch lag bei 78 GJ. Wird der<br />
regionale Verbrauch pro Kopf betrachtet, steht Nordamerika (259 GJ) an erster Stelle,<br />
gefolgt von Europa (148 GJ), dem Nahen Osten (119 GJ), Südamerika (51 GJ), Asien<br />
(41 GJ) und Afrika (28 GJ). 48<br />
44<br />
Vgl. DNK. (2009): Energie für Deutschland 2009. S. 9.<br />
45<br />
Vgl. DNK. (2009): Energie für Deutschland 2009. S. 34.<br />
46<br />
Vgl. DNK. (2009): Energie für Deutschland 2009. S. 35.<br />
47<br />
Vgl. EIA. (2009): International Energy Outlook 2009. S. 7.<br />
48<br />
Vgl. http://www.bmwi.de/BMWi/Redaktion/Binaer/Energiedaten/internationaler-energiemarkt<br />
2-indikatoren-energieverbrauch,property=blob,bereich=bmwi,sprache=de,rwb=true.xls, vom<br />
19.12.2009.
2 Energiemarkt 21<br />
Die USA hatte 2008 den mit Abstand größten Pro-Kopf-Verbrauch an Energie<br />
USA<br />
Deutschland<br />
Japan<br />
Russland<br />
Europa<br />
Welt<br />
China<br />
Südamerika<br />
Asien<br />
Afrika<br />
Indien<br />
23<br />
28<br />
41<br />
51<br />
65<br />
78<br />
151<br />
148<br />
161<br />
170<br />
0 50 100 150 200 250 300 350<br />
Energieverbrauch pro Kopf in Gigajoule/pro Jahr<br />
Abbildung 6: Pro-Kopf-Energieverbrauch 2008 in ausgewählten Ländern und Regio-<br />
nen 49<br />
Der extrem hohe Energieverbrauch in den USA ist damit zu erklären, dass die durch-<br />
schnittlichen Entfernungen für gewerbliche und private Zwecke in den USA deutlich<br />
größer sind als z.B. in Europa. Außerdem sind Fahrzeuge mit einem hohen Energie-<br />
verbrauch weit verbreitet, was durch eine geringe Besteuerung von Treibstoffen be-<br />
günstigt wird. Durch die preisgünstige Versorgung mit Energie entwickelten sich dort<br />
über die Jahre Verbrauchsgewohnheiten mit einer extrem hohen Energieintensität. 50<br />
Der deutsche Pro-Kopf-Verbrauch entspricht fast der Hälfte des Wertes der USA, je-<br />
doch auch mehr als das Doppelte des weltweiten Durchschnitts. Verglichen mit den<br />
Industrienationen verbrauchen die Entwicklungs- und Schwellenländer nur einen<br />
Bruchteil an Energie. So lag beispielsweise der durchschnittliche Pro-Kopf-Verbrauch<br />
Indiens bei 14 % des deutschen und 4 % Prozent des US-amerikanischen Wertes.<br />
Energiepreise<br />
Im Zusammenhang mit der Energienachfrage nehmen die Energiepreise eine signifi-<br />
kante Stellung ein, da die Nachfrage grundsätzlich von den Preisen abhängt. In den<br />
letzten Jahren zeichneten sich die Energiepreise vor allem durch ihre auffallende Vola-<br />
tilität aus. Insbesondere ist dabei Erdöl zu nennen, das im Juli 2008 mit rund 150 USD<br />
pro Barrel einen historischen Höchststand erreichte und infolge der Weltwirtschaftskri-<br />
se Ende des Jahres 2008 ca. 40 USD pro Barrel kostete. 51 Aufgrund der führenden<br />
49 Vgl. http://www.bmwi.de/BMWi/Redaktion/Binaer/Energiedaten/internationaler-energiemarkt<br />
2-indikatoren-energieverbrauch,property=blob,bereich=bmwi,sprache=de,rwb=true.xls, vom<br />
19.12.2009.<br />
50 Vgl. RWE. (2005): Weltenergiereport 2005. S. 10.<br />
51 Vgl. DNK. (2009): Energie für Deutschland 2009. S. 10-11.<br />
315
2 Energiemarkt 22<br />
Rolle des Erdöls auf dem Energiemarkt ist der Erdölpreis der Leitpreis für Energie, vor<br />
allem für die fossilen Energieträger. 52 Während der Erdgaspreis sehr stark an den Erd-<br />
ölpreis gebunden ist, orientiert sich der Kohlepreis weitaus weniger daran.<br />
Die teilweise erheblichen Schwankungen der Energiepreise sind jedoch nicht mit der<br />
Verknappung der weltweiten Reserven und Ressourcen der fossilen Energieträger zu<br />
erklären. Die Preisbildung ist eine äußerst komplexe Angelegenheit die von einer Viel-<br />
zahl schwer kalkulierbarer Faktoren beeinflusst wird. Verantwortlich sind eher kurzfris-<br />
tige Nachfragesteigerungen auf den Weltmärkten, insbesondere durch Entwicklungs-<br />
und Schwellenländer, wodurch das Angebot vorübergehend sinkt und die Preise stei-<br />
gen. 53 Zudem wirken sich Spekulationen an den Börsen zunehmend auf die Preise<br />
aus. Außerdem werden die Preise der Energieträger besonders durch Krisen, Unruhen<br />
und wirtschaftliche Unsicherheiten in den Förderländern beeinflusst. 54<br />
2.3 Deckung des Energiebedarfs<br />
Die fossilen Energieträger trugen im Jahr 2008 mit 89 % am weltweiten Primärenergie-<br />
verbrauch von 11.300 Mio. t RÖE die Hauptlast der Energieversorgung. Davon entfie-<br />
len 36 % auf Erdöl, 29 % auf Kohle und 24 % auf Erdgas. Weitere bedeutsame Beiträ-<br />
ge leisteten die erneuerbaren Energien mit 6 % und die Kernenergie mit 5 %<br />
(Abbildung 7).<br />
Abbildung 7: Primärenergieverbrauch der Welt nach Energieträgern 2008 55<br />
52 Vgl. Konstantin, P. (2009): Praxisbuch Energiewirtschaft. S. 11.<br />
53 Vgl. DNK. (2009): Energie für Deutschland 2009. S. 10.<br />
54 Vgl. Konstantin, P. (2009): Praxisbuch Energiewirtschaft. S. 11.<br />
55 Vgl. BP. (2009): Statistical Review of World Energy. S. 41.
2 Energiemarkt 23<br />
Bei dem weltweiten Energiemix zeigen sich jedoch beträchtliche Unterschiede zwi-<br />
schen einzelnen Regionen und Ländern. In den meisten Regionen ist Erdöl der wich-<br />
tigste Energieträger. In China und weiten Teilen Asiens ist jedoch Kohle der Haupt-<br />
energieträger, während in Russland Erdgas an erster Stelle steht. Außerdem weichen<br />
weitere kleine Länder aufgrund von Naturbedingungen vom globalen Primärenergie-<br />
verbrauch ab. So deckt beispielsweise Norwegen den Großteil seines Energiebedarfs<br />
mit Wasserkraft. 56<br />
Die Deckung des deutschen Energiebedarfs ist dem globalen Energiemix recht ähnlich.<br />
Im Jahr 2008 trugen die fossilen Energieträger in Deutschland mit 81 % ebenfalls die<br />
Hauptlast des Primärenergieverbrauchs von 311 t RÖE. Erdöl hatte einen Anteil von 35<br />
%, Kohle von 24 % und Erdgas von 22 %. Die Kernenergie trug mit 12 % zur Deckung<br />
des Energiebedarfs bei. Die erneuerbaren Energien erbrachten einen Anteil von 7 %<br />
(Abbildung 8).<br />
Abbildung 8: Primärenergieverbrauch in Deutschland nach Energieträgern 2008 57<br />
Wird die globale Bedarfsdeckung der deutschen gegenübergestellt, können nur mini-<br />
male Unterschiede festgestellt werden. Während die Anteile der Kernenergie und der<br />
erneuerbaren Energien in Deutschland um 6 % bzw. 2 % höher sind als im weltweiten<br />
Vergleich, ist der nationale Kohleverbrauch um 5 % geringer als der globale. Die Antei-<br />
le an Erdöl und Erdgas sind annähernd ausgeglichen.<br />
Um den immensen Bedarf an Erdöl, Erdgas und Kohle zu decken, ist Deutschland wei-<br />
testgehend auf Importe angewiesen. Diese Importabhängigkeit ist durch die bestehen-<br />
56 Vgl. BP. (2009): Statistical Review of World Energy. S. 41.<br />
57 Vgl. AGEB. (2009): Energieverbrauch in Deutschland im Jahr 2008. S. 2.
2 Energiemarkt 24<br />
de globale Verteilung fossiler Energievorkommen zu erklären. Im Unterkapital 2.5 wird<br />
auf die fossilen Energievorkommen näher eingegangen.<br />
2.4 Fossile Energieträger<br />
Der Name „fossile“ Energieträger stammt aus dem Lateinischen. „Fossilis“ steht für<br />
ausgraben und beschreibt somit die Herkunft und Gewinnung der Energieträger. 58 Wie<br />
bereits erwähnt, zählen Erdöl, Erdgas und Kohle zu den fossilen Energieträgern. Sie<br />
sind in großen Mengen und in den verschiedensten Formen in der Erdkruste eingela-<br />
gert. 59 Im Folgenden wird die Zusammensetzung, Entstehung und geschichtliche Ent-<br />
wicklung dieser Energieträger näher erläutert.<br />
2.4.1 Zusammensetzung<br />
Aufgrund der chemischen Zusammensetzung unterscheiden sich die diversen fossilen<br />
Energieträger erheblich voneinander.<br />
Erdöl<br />
Erdöl ist ein komplexes, flüssiges Gemisch aus Kohlenwasserstoffen und enthält zum<br />
Teil Sauerstoff-, Stickstoff-, Schwefel- und Wasserstoffverbindungen. Die Zusammen-<br />
setzung variiert jedoch sehr stark aufgrund der Herkunft. Die Farbe differiert zwischen<br />
schwarz und hellgelb. 60 Der Energiegehalt des Erdöls hängt vom jeweiligen Kohlestoff-<br />
gehalt ab. Um verkaufsfähige Produkte herzustellen, muss das Erdöl zunächst in einer<br />
Raffinerie aufbereitet werden. 61 Aufgrund des flüssigen Aggregatzustands ist Erdöl<br />
relativ einfach zu fördern, zu transportieren und zu lagern. 62<br />
Erdgas<br />
Erdgas ist ein Gemisch aus verschiedenen gasförmigen Substanzen. Davon sind rund<br />
97 % reines Methan. Der Rest setzt sich aus Ethan, Propan, Butan und nicht brennba-<br />
ren Stoffen wie Kohlendioxid und Stickstoff zusammen. Je nach Herkunft des Erdgases<br />
differiert die genaue Zusammensetzung. 63 Je mehr Methan im Erdgas enthalten ist,<br />
desto höher ist die Qualität und der Brennwert.<br />
Durch den hohen Methananteil besitzt Erdgas einen geringen Kohlenstoffgehalt und<br />
einen sehr hohen Wasserstoffgehalt. Aufgrund des hohen Wasserstoffanteils werden<br />
bei der Verbrennung nur geringe Mengen Kohlendioxid gebildet. Deshalb handelt es<br />
sich bei Gas um eine verhältnismäßig umweltfreundliche Energieform. 64 Das geruchlo-<br />
58 Vgl. Pruschek, R. (2002): Energiehandbuch. S. 112.<br />
59 Vgl. BGR. (2009): Energierohstoffe 2009 – Reserven, Ressourcen, Verfügbarkeit. S. 17.<br />
60 Vgl. BGR. (2009): Energierohstoffe 2009 – Reserven, Ressourcen, Verfügbarkeit. S. 31.<br />
61 Vgl. Kosinowski, M. (2002): Energiehandbuch. S. 69-70.<br />
62 Vgl. RWE. (2005): Weltenergiereport 2005. S. 31.<br />
63 Vgl. OMV. (2009): Erdgas – Energie aus der Natur. S. 6.<br />
64 Vgl. http://www.erdgasautos.at/erdgasinfo/, vom 03.01.2010.
2 Energiemarkt 25<br />
se und unsichtbare Erdgas muss, bevor es genutzt werden kann, ebenso wie Erdöl,<br />
aufbereitet werden. 65 Durch den gasförmigen Aggregatzustand ist Erdgas jedoch ein<br />
technisch äußerst anspruchsvoller Energieträger, insbesondere beim Transport und bei<br />
der Speicherung. 66<br />
Kohle<br />
Kohle besteht zum Großteil aus Kohlenstoff, Sauerstoff, Stickstoff, Schwefel und Was-<br />
serstoff. Auch hier unterscheidet sich die Zusammensetzung nach der Herkunft. Die<br />
Farbe des festen Gemisches ist in der Regel schwarz oder braun. Als Kriterium zur<br />
Unterscheidung der Kohlearten dient der Wassergehalt. Bei einem Wasseranteil von 8<br />
bis 10 % wird die Kohle als Steinkohle klassifiziert. Liegt der Anteil des Wassers zwi-<br />
schen 10 und 75 % handelt es sich um Braunkohle. Der Brennwert der Kohle nimmt<br />
jedoch mit abnehmendem Wassergehalt zu. Deshalb ist der Brennwert von Steinkohle<br />
in der Regel um ein Vielfaches höher als der von Braunkohle. Zudem hängt die Quali-<br />
tät der Kohle vom Kohlenstoffanteil ab. 67 Der Nachteil der Kohlenutzung besteht jedoch<br />
darin, dass bei der Verbrennung von Kohle prozentual mehr Kohlendioxid als bei Öl<br />
oder Gas entsteht, was eine erhebliche Belastung der Umwelt zur Folge hat. 68<br />
2.4.2 Entstehung<br />
Die Entstehung fossiler Energieträger vollzieht sich über einen Zeitraum von mehreren<br />
100 Mio. Jahren durch biologische, chemische und physikalische Prozesse. Die Grund-<br />
lage für diesen Entstehungsprozess sind organische Substanzen, meist Pflanzen und<br />
Kleinstlebewesen. Diese organischen Substanzen lagern sich nach ihrem Absterben<br />
auf dem Meeresboden ab und verwesen dort größtenteils. Teilweise wird die Verwe-<br />
sung jedoch durch Sauerstoffmangel behindert, wodurch die organischen Stoffe erhal-<br />
ten bleiben und sich zusammen mit Gesteinsmaterial am Meeresboden sammeln. Die-<br />
ses Gemenge wird als Faulschlamm bezeichnet und wird im Laufe der Zeit weiter von<br />
Sedimenten überdeckt.<br />
Durch geologische Vorgänge werden die abgelagerten Substanzen großem Druck und<br />
hohen Temperaturen von bis zu 180 °C ausgesetzt. 69 Unter diesen Bedingungen wird<br />
das abgelagerte Material in ein Gemisch aus verschiedenen Kohlenwasserstoffen ver-<br />
wandelt. Je nach der Zusammensetzung der organischen Substanzen, dem Druck und<br />
der Temperatur bilden sich dann Erdöl, Erdgas, Kohle oder Mischprodukte wie bei-<br />
spielsweise Ölsande. 70<br />
65<br />
Vgl. Kosinowski, M. (2002): Energiehandbuch. S. 78.<br />
66<br />
Vgl. RWE. (2005): Weltenergiereport 2005. S. 36.<br />
67<br />
Vgl. http://www.geographie.uni-wuerzburg.de/fileadmin/09010000/_temp_/Kohle_Geologie.<br />
pdf, vom 03.01.2010.<br />
68<br />
Vgl. http://www.braunkohle-forum.de/index.php?article_id=69, vom 03.01.2010.<br />
69 Vgl. WEG. (2008): Erdgas – Erdöl: Entstehung, Suche, Förderung. S. 8-10.<br />
70 Vgl. http://www.energieinfo.de/eglossar/node56.html, vom 03.01.2010.
2 Energiemarkt 26<br />
Während Kleinstlebewesen (z.B. Algen) den Großteil des Ausgangsmaterials für die<br />
Entstehung von Erdöl ausmachen, sind es bei Erdgas und Kohle zumeist Pflanzen. 71<br />
Derzeit wird jährlich ca. die Menge an Erdöl, Erdgas und Kohle verbraucht, die in der<br />
Natur in etwa einer Mio. Jahre gebildet wird. 72<br />
2.4.3 Geschichtliche Nutzungsentwicklung<br />
Die geschichtliche Entwicklung der Nutzung zeigt erhebliche Unterschiede zwischen<br />
den einzelnen fossilen Energieträgern, vor allem im Bezug auf die historische Entde-<br />
ckung und Verwendung.<br />
Erdöl<br />
Erdöl war der Menschheit bereits in den frühen Hochkulturen und der Antike bekannt.<br />
Das natürlich an die Erdoberfläche tretende Öl wurde damals als Baumaterial, Konser-<br />
vierungs- und Beleuchtungsmittel verwendet. Während des Mittelalters und bis etwa<br />
zum Beginn des 19. Jahrhunderts wurde Erdöl als Brennstoff, Heilmittel und Schmier-<br />
mittel für Achsen und Räder genutzt. 73<br />
Die wirtschaftliche Förderung von Erdöl startete am 27. August 1859 in den USA in<br />
Titusville (Pennsylvania) am Oil Creek. Die Erschließung dieser Ölquelle war der Be-<br />
ginn der kommerziellen Erdölgewinnung. Ab diesem Zeitpunkt wurde Öl vor allem zur<br />
Beleuchtung von Räumen und Straßen verwendet. 74 Ab dem Jahr 1876 wurden Erdöl-<br />
produkte wie Benzin und Diesel erstmals für den Antrieb von Verbrennungsmotoren<br />
eingesetzt. Bereits 1883 wurde die erste große Ölpipeline vom Kaspischen zum<br />
Schwarzen Meer gebaut, deren Transportweg bis heute erhalten ist. 75<br />
Im 20. Jahrhundert entwickelte sich Erdöl schnell zu einem der wichtigsten Energieträ-<br />
ger der Welt. Gegenwärtig wird Erdöl überwiegend zur Beheizung, Benzin- und Stro-<br />
merzeugung verwendet. Aber auch in der chemischen Industrie zur Produktion von<br />
Kunststoffen und anderen Chemieprodukten wird es vielfach eingesetzt. 76<br />
Erdgas<br />
Erdgas wird von der Menschheit schon länger genutzt als Erdöl. Bereits 6.000 v. Chr.<br />
wurde Erdgas im Iran entdeckt und damals für ein göttliches Zeichen gehalten. 5.000<br />
Jahre später wurde auch in China Erdgas gefunden und zur Trocknung von Salz ein-<br />
gesetzt.<br />
71 Vgl. WEG. (2008): Erdgas – Erdöl: Entstehung, Suche, Förderung. S. 9-10.<br />
72 Vgl. BGR. (2009): Energierohstoffe 2009 – Reserven, Ressourcen, Verfügbarkeit. S. 32.<br />
73 Vgl. http://www.wissen.de/wde/generator/wissen/ressorts/natur/naturwissenschaften/indexoff<br />
line,page=1093614,chunk=5.html, vom 04.01.2010.<br />
74 Vgl. BGR. (2009): Energierohstoffe 2009 – Reserven, Ressourcen, Verfügbarkeit. S. 31.<br />
75 Vgl. http://www.chids.online.uni-marburg.de/dachs/expvortr/648/index.html, vom 04.01.2010<br />
76 Vgl. http://www.energievergleich.de/energiequellen/fossile-energietraeger.htm, vom 04.01.<br />
2010.
2 Energiemarkt 27<br />
In Europa ist Erdgas erst seit Mitte des 17. Jahrhunderts bekannt. Im Jahr 1799 erfand<br />
Philippe Lebon die erste Gaslampe. 1860 entwickelte Etienne Lenoir das erste gasbe-<br />
triebene Auto, mit dem er eine 15 km lange Strecke bewältigte. Die ersten Gasquellen<br />
in Deutschland wurden 1910 entdeckt. Ab 1945 wurden die technischen Vorausset-<br />
zungen für den Transport in Pipelines entwickelt. Im Jahr 1960 wurde dann Erdgas<br />
erstmalig zum Heizen von Häusern genutzt. 77<br />
Derzeit wird Erdgas zur Stromversorgung und zum Antrieb von Kraftfahrzeugen ge-<br />
nutzt. Hauptsächlich wird es jedoch zur Beheizung verwendet. In Deutschland heizen<br />
momentan über die Hälfte aller Haushalte mit Erdgas. 78<br />
Kohle<br />
Der Kohlebergbau startete im Jahr 1195 in Lüttich. Nur kurze Zeit später wurde auch in<br />
Aachen Kohle abgebaut. Die Förderung im Ruhrgebiet folgte etwa im Jahr 1370. Auf-<br />
grund des damaligen Holzmangels waren die Menschen dazu gezwungen neue Ener-<br />
giequellen zu suchen und schaufelten in einfachen Gruben nach Kohle. Die Kohle wur-<br />
de damals insbesondere zur Wärmeerzeugung genutzt, da Holz knapp war. Die Tech-<br />
nik des Kohleabbaus entwickelte sich schnell weiter und im Jahr 1350 wurde bereits in<br />
Tiefen von 150 m abgebaut. Die Kohle wurde mit Schaufeln, Eimern und Seilzügen aus<br />
den Gruben befördert und mit Pferden weitertransportiert. Bereits Ende des 14. Jahr-<br />
hunderts wurde Kohle per Schiff transportiert.<br />
Um etwa 1550 erfuhr der Abbau von Kohle in England einen großen Aufschwung. Mit<br />
dem Beginn der Industrialisierung Mitte des 18. Jahrhunderts steigerte sich der Kohle-<br />
abbau nochmals erheblich, insbesondere in Europa und Nordamerika. Kohle wurde vor<br />
allem als Brennstoff für Dampfmaschinen und Lokomotiven benötigt. Ende des 19.<br />
Jahrhunderts wurden die ersten Dampfkraftwerke mit Kohle betrieben. 79 Heutzutage<br />
wird Kohle vor allem zur Stromerzeugung in Kohlekraftwerken genutzt. Die direkte<br />
Raumheizung findet nur noch in Einzelfällen Anwendung. 80<br />
2.5 Fossile Energievorkommen<br />
Die weltweiten Vorkommen an fossilen Energieträgern sind äußerst ungleich verteilt. 81<br />
Zahlreichen Ländern mit extrem limitierten Energievorkommen, steht eine geringe An-<br />
zahl an Ländern mit beträchtlichen Vorkommen an Energieträgern gegenüber. Im Be-<br />
zug auf die fossilen Energievorkommen wird eine Reihe von Begriffen wie Reserven,<br />
Ressourcen und Reichweite verwendet. All diese Bezeichnungen beschreiben die<br />
77<br />
Vgl. http://www.gasanbieter.com/gas-geschichte.html, vom 04.01.2010.<br />
78<br />
Vgl. http://www.energievergleich.de/energiequellen/fossile-energietraeger.htm, vom 04.01.<br />
2010.<br />
79<br />
Vgl. http://www.planet-wissen.de/laender_leute/nordrhein_westfalen/steinkohlebergbau/inde<br />
x.jsp, vom 04.01.2010.<br />
80<br />
Vgl. http://www.energievergleich.de/energiequellen/fossile-energietraeger.htm, vom 04.01.<br />
2010.<br />
81<br />
Vgl. RWE. (2005): Weltenergiereport 2005. S. 22.
2 Energiemarkt 28<br />
Nutzbarkeit der fossilen Energieträger und sind eindeutig voneinander abzugrenzen. In<br />
den folgenden Unterkapiteln werden die globalen fossilen Energievorkommen anhand<br />
dieser Begrifflichkeiten aufgezeigt.<br />
2.5.1 Reserven<br />
Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) definiert Reserven als<br />
„Mengen eines Energierohstoffes, die mit großer Genauigkeit erfasst wurden und mit<br />
den derzeitigen technischen Möglichkeiten wirtschaftlich gewonnen werden können.“ 82<br />
Damit Vorkommen als Reserven klassifiziert werden, müssen sie also drei Bedingun-<br />
gen erfüllen. Das Vorkommen muss durch Bohrungen bestätigt sein und mit heutiger<br />
Technik zu wirtschaftlichen Preisen gefördert werden können. 83<br />
Es ist jedoch zu beachten, dass es sich bei den Reserven um eine dynamische Größe<br />
handelt, die sich mit variierenden Rahmenbedingungen verändert. Beispielsweise wer-<br />
den Reserven durch ständige Förderung abgebaut und durch technologische Neue-<br />
rungen wieder erhöht. 84<br />
2.5.1.1 Erdöl<br />
Die weltweiten Reserven an Erdöl betrugen Ende 2008 rund 195 Mrd. t ROE. Die un-<br />
gleiche regionale Verteilung ist dabei ausgesprochen auffällig (Abbildung 9).<br />
Mehr als die Hälfte der weltweiten Erdölreserven befinden sich im Nahen Osten<br />
Naher Osten<br />
Nordamerika<br />
Europa und Eurasien<br />
Mittel- und Südamerika<br />
Afrika<br />
Asiatisch-pazifischer-Raum<br />
5,6<br />
(3 %)<br />
19,2<br />
(10 %)<br />
17,6<br />
(9 %)<br />
16,6<br />
(8 %)<br />
34,2<br />
(18 %)<br />
102<br />
(52 %)<br />
0 20 40 60<br />
Mrd. Tonnen<br />
80 100 120<br />
Abbildung 9: Welt-Erdölreserven 2008 nach Regionen 85<br />
82 BGR. (2009): Energierohstoffe 2009 – Reserven, Ressourcen, Verfügbarkeit. S. 23.<br />
83<br />
Vgl. WEG. (2009): Reserven und Ressourcen. S. 2.<br />
84<br />
Vgl. Bothe, D. & Seeliger, A. (2006): Erdgas – Sichere Zukunftsenergie oder knappe Ressource.<br />
S. 6.<br />
85<br />
Vgl. BP. (2009): Statistical Review of World Energy. S. 6.
2 Energiemarkt 29<br />
So entfallen auf den Nahen Osten mit 102 Mrd. t ROE ca. 52 % der Weltreserven. Mit<br />
weitem Abstand folgt Nordamerika, vor allem aufgrund der Ölsandvorkommen, mit 18<br />
% als zweitreichste Region. Auf dem dritten Rang liegen Europa und Eurasien mit rund<br />
10 %. Bereits im einstelligen Bereich befindet sich Mittel- und Südamerika sowie Afrika<br />
mit 9 bzw. 8 %. Der asiatisch-pazifische Raum bildet mit 3 % das Schlusslicht.<br />
Das Land mit den größten globalen Erdölreserven ist Saudi-Arabien mit 18 %. An zwei-<br />
ter Stelle liegt Kanada, aufgrund der enormen Ölsandvorkommen, mit 11%,. Auf den<br />
weiteren Plätzen folgen der Iran mit 10 %, der Irak mit 8 %, sowie Venezuela, Kuwait<br />
und die Vereinigten Arabischen Emirate mit jeweils 7 % (Abbildung 10).<br />
Saudi Arabien verfügt über die größten Erdölreserven der Welt<br />
Saudi Arabien<br />
Kanada<br />
Iran<br />
Irak<br />
Venezuela<br />
Kuwait<br />
Vereinigte Arabische Emirate<br />
Russland<br />
Libyen<br />
Kasachstan<br />
5,7 (3 %)<br />
5,3 (3 %)<br />
13 (7 %)<br />
10,8 (6 %)<br />
15,5 (8 %)<br />
14,3 (7 %)<br />
14 (7 %)<br />
18,9 (10 %)<br />
21,6 (11 %)<br />
36,3<br />
(18 %)<br />
0 5 10 15 20<br />
Mrd. Tonnen<br />
25 30 35 40<br />
Abbildung 10: Welt-Erdölreserven 2008 nach Ländern 86<br />
Die deutschen Erdölreserven sind dagegen äußerst gering. Sie betragen ca. 3 Mio. t<br />
RÖE, was einem extrem geringen Anteil an den weltweiten Reserven entspricht. Die<br />
deutschen Reserven befinden sich überwiegend in Schleswig-Holstein (63 %) und Nie-<br />
dersachsen (34 %). Ohne Neufunde sind sie jedoch in absehbarer Zeit erschöpft. 87<br />
2.5.1.2 Erdgas<br />
Die globalen Erdgasreserven beliefen sich Ende des Jahres 2008 auf rund 185 Bill. m 3 .<br />
Die geographische Verteilung zeigt bei den Erdgasreserven ebenfalls eine starke Do-<br />
minanz des Nahen Ostens mit 41 %. Eine weitere Schwerpunktregion ist Europa und<br />
Eurasien mit 34 %. Es folgen der asiatisch-pazifische Raum und Afrika mit jeweils rund<br />
8 %. Auf den hinteren Plätzen befinden sich Nordamerika mit 5 % und Mittel- und Süd-<br />
amerika mit 4 % (Abbildung 11).<br />
86 Vgl. BP. (2009): Statistical Review of World Energy. S. 6.<br />
87 Vgl. WEG. (2009): Jahresbericht Wirtschaftsverband Erdöl- und Erdgasgewinnung. S. 51.
2 Energiemarkt 30<br />
41 % der globalen Erdgasreserven entfallen auf den Nahen Osten<br />
Naher Osten<br />
Europa und Eurasien<br />
Asiatisch-pazifischer-Raum<br />
Afrika<br />
Nordamerika<br />
Mittel- und Südamerika<br />
8,9 (5 %)<br />
7,3 (4 %)<br />
15,4 (8 %)<br />
14,7 (8 %)<br />
62,9 (34 %)<br />
75,9<br />
(41 %)<br />
0 10 20 30 40<br />
Billionen Kubikmeter<br />
50 60 70 80<br />
Abbildung 11: Welt-Erdgasreserven 2008 nach Regionen 88<br />
Die drei Länder mit den größten Erdgasreserven der Welt verfügen mit 53 % über mehr<br />
als die Hälfte des verbleibenden Erdgases. Dazu zählen Russland mit 23 %, der Iran<br />
mit 16 % und Katar mit 14 %. Auf den weiteren Plätzen folgen Turkmenistan mit (4 %),<br />
Saudi-Arabien (4 %), die USA (4 %) und die Vereinigten Arabischen Emirate (3 %)<br />
(Abbildung 12).<br />
Russland besitzt 23 % der weltweiten Erdgasreserven<br />
Russland<br />
Iran<br />
Katar<br />
Turkmenistan<br />
Saudi Arabien<br />
USA<br />
Vereinigte Arabische Emirate<br />
Nigeria<br />
Venezuela<br />
Algerien<br />
6,7 (4 %)<br />
6,4 (3 %)<br />
5,2 (3 %)<br />
4,9 (3 %)<br />
4,5 (2 %)<br />
7,9 (4 %)<br />
7,6 (4 %)<br />
25,5 (14 %)<br />
29,6 (16 %)<br />
43,3 (23 %)<br />
0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50<br />
Billionen Kubikmeter<br />
Abbildung 12: Welt-Erdgasreserven 2008 nach Ländern 89<br />
88 Vgl. BP. (2009): Statistical Review of World Energy. S. 22.
2 Energiemarkt 31<br />
Die Erdgasreserven Deutschlands betragen hingegen nur 0,12 Bill. m 3 , was einem<br />
weltweiten Anteil von 0,1 % entspricht. Auf das Bundesland Niedersachsen entfallen<br />
98 % der gesamten deutschen Erdgasreserven. 90<br />
2.5.1.3 Kohle<br />
Kohle ist der fossile Energieträger mit den größten globalen Reserven. Sie belaufen<br />
sich insgesamt auf 826 Mrd. t weltweit. Regional betrachtet sind die Kohlereserven<br />
relativ gleichmäßig auf der Erde verteilt. Europa und Eurasien verfügen über 33 %, der<br />
asiatisch-pazifische Raum über 31 % und Nordamerika über 30 %. Auf den nachfol-<br />
genden Plätzen rangieren Afrika mit 4 %, Mittel- und Südamerika mit 1,8 % sowie der<br />
Nahe Osten mit 0,2 % (Abbildung 13).<br />
Ein Drittel der globalen Kohlereserven befindet sich in Europa und Eurasien<br />
Europa und Eurasien<br />
Asiatisch-pazifischer-Raum<br />
Nordamerika<br />
Afrika<br />
Mittel- und Südamerika<br />
Naher Osten<br />
32 (4 %)<br />
15 (1,8 %)<br />
1,4 (0,2 %)<br />
259,3<br />
(31 %)<br />
272,3<br />
(33 %)<br />
246,1 (30 %)<br />
0 50 100 150<br />
Mrd. Tonnen<br />
200 250 300<br />
Abbildung 13: Welt-Kohlereserven 2008 nach Regionen 91<br />
Die Kohlereserven konzentrieren sich zu 62 % auf drei Länder. Die USA mit 29 %,<br />
Russland mit 19 % und China mit 14 %. Eine Reihe weiterer Länder verfügt über deut-<br />
lich kleinere Reserven. Dazu zählen Australien mit 9 %, Indien mit 7 %, sowie die Uk-<br />
raine, Kasachstan und Südafrika mit jeweils 4 % (Abbildung 14).<br />
Die deutschen Reserven belaufen sich auf 6,7 Mrd. t, was einem weltweiten Anteil von<br />
1 % entspricht. Die Reserven befinden sich zum Großteil in den Bundesländern Nord-<br />
rhein-Westfalen, Brandenburg, Sachsen und dem Saarland. Aufgrund der ungünstigen<br />
geologischen Bedingungen sind die Abbaumöglichkeiten jedoch stark eingeschränkt. 92<br />
89 Vgl. BP. (2009): Statistical Review of World Energy. S. 22.<br />
90 Vgl. WEG. (2009): Jahresbericht Wirtschaftsverband Erdöl- und Erdgasgewinnung. S. 44.<br />
91 Vgl. BP. (2009): Statistical Review of World Energy. S. 32.<br />
92 Vgl. Schiffer, H. (2008): Energiemarkt Deutschland. S. 34.
2 Energiemarkt 32<br />
USA<br />
Russland<br />
China<br />
Australien<br />
Indien<br />
Ukraine<br />
Kasachstan<br />
Südafrika<br />
Deutschland<br />
In den USA lagern 29 % der weltweiten Kohlereserven<br />
6,7 (1 %)<br />
33,9 (4 %)<br />
31,3 (4 %)<br />
30,4 (4 %)<br />
58,6 (7 %)<br />
76,2 (9 %)<br />
114,5 (14 %)<br />
157,1 (19 %)<br />
238,3 (29 %)<br />
0 50 100 150<br />
Mrd. Tonnen<br />
200 250 300<br />
Abbildung 14: Welt-Kohlereserven 2008 nach Ländern 93<br />
2.5.2 Ressourcen<br />
Ressourcen werden definiert als „die Mengen eines Energierohstoffes, die geologisch<br />
nachgewiesen sind, aber derzeit nicht wirtschaftlich gewonnen werden können und die<br />
Mengen, die nicht nachgewiesen sind, aber aus geologischen Gründen in dem Gebiet<br />
erwartet werden können.“ 94 Ein Beispiel dafür sind die kanadischen Ölsande. Die Vor-<br />
kommen waren seit langem bekannt, die Produktion war jedoch noch nicht wirtschaft-<br />
lich, weshalb die Ölsande als Ressourcen klassifiziert wurden. Nachdem sich die Pro-<br />
duktionskosten durch technischen Fortschritt senkten, wurden die Vorkommen den<br />
Reserven zugeordnet. 95<br />
Die Ressourcen der fossilen Energieträger erreichten Ende des Jahres 2008 etwa<br />
564.905 EJ. Der dominierende Energieträger ist dabei Kohle, mit einem Anteil von 76<br />
% an den gesamten weltweiten Ressourcen. Mit knapp 20 % rangiert Erdgas an zwei-<br />
ter Stelle. Die Erdölressourcen folgen mit lediglich 4 % auf dem letzten Platz. Bei der<br />
Gegenüberstellung der Ressourcen und Reserven wird ersichtlich, dass Kohle mit 57<br />
% ebenfalls über die größten weltweiten Reserven verfügt. Auf dem zweiten Platz folgt<br />
jedoch Erdöl mit 24 %. Erdgas befindet sich mit 19 % an den globalen Reserven an<br />
letzter Stelle (Abbildung 15).<br />
93 Vgl. BP. (2009): Statistical Review of World Energy. S. 32.<br />
94 BGR. (2009): Energierohstoffe 2009 – Reserven, Ressourcen, Verfügbarkeit. S. 24.<br />
95 Vgl. ExxonMobil. (2009): Oeldorado 2009. S. 3.
2 Energiemarkt 33<br />
Gesamt<br />
Kohle<br />
Erdgas<br />
Erdöl<br />
Kohle ist der Energieträger mit den größten geologischen Ressourcen<br />
37.062 (100 %)<br />
21.119 (57 %)<br />
7.159 (19 %)<br />
22.291 (4 %)<br />
8.784 (24 %)<br />
114.546 (20 %)<br />
428.068 (76 %)<br />
Ressourcen<br />
Reserven<br />
564.905<br />
(100 %)<br />
0 100.000 200.000 300.000<br />
Exajoule<br />
400.000 500.000 600.000<br />
Abbildung 15: Gegenüberstellung der Ressourcen und Reserven 96<br />
Allerdings sind die Angaben zu den Ressourcen mit einer gewissen Unsicherheit be-<br />
haftet, da es sich größtenteils um Schätzungen und Annahmen handelt. 97 Namhafte<br />
Institutionen, wie z.B. die Internationale Energie-Agentur (IEA), stufen jedoch die glo-<br />
bale Energieversorgung der Menschheit bis weit in das 21. Jahrhundert als gesichert<br />
ein. Die fossilen Energieträger werden deshalb global und national in naher Zukunft<br />
eine bedeutende Rolle spielen. 98<br />
2.5.3 Reichweite<br />
Ein weiterer wichtiger Begriff ist die Reichweite der Energieträger. Die Reichweite wird<br />
berechnet, indem die Reserven der jeweiligen Energieträger durch deren weltweiten<br />
Verbrauch dividiert werden. Das Ergebnis ist eine Jahreszahl, die besagt ab welchem<br />
Zeitpunkt der Energieträger aufgebraucht ist. 99 Dabei handelt es sich um eine statische<br />
Betrachtungsweise, da zukünftige Entwicklungen wie z.B. ein veränderter Energiekon-<br />
sum, technische Innovationen, die Entdeckung neuer Lagerstätten und die Neubewer-<br />
tung von Lagerstätten unberücksichtigt bleiben. 100<br />
Die Reichweite der fossilen Energieträger ist naturgemäß begrenzt. Braunkohle besitzt<br />
derzeit mit 336 Jahren die größte Reichweite und kann über einen langen Zeitraum die<br />
Energieversorgung sicherstellen. An zweiter Stelle steht die Steinkohle, die nach heuti-<br />
96 Vgl. BGR. (2009): Energierohstoffe 2009 – Reserven, Ressourcen, Verfügbarkeit. S. 12.<br />
97<br />
Vgl. Bothe, D. & Seeliger, A. (2006): Erdgas – oder knappe Ressource. S. 6.<br />
98<br />
Vgl. DNK. (2009): Energie für Deutschland 2009. S. 34-35.<br />
99<br />
Vgl. BGR. (2009): Energierohstoffe 2009 – Reserven, Ressourcen, Verfügbarkeit. S. 235.<br />
100 Vgl. ExxonMobil. (2009): Oeldorado 2009. S. 3
2 Energiemarkt 34<br />
ger Berechnung noch 130 Jahre als Energieträger zur Verfügung steht. Es folgt Erdgas<br />
mit einer Reichweite von 61 Jahren. Erdöl kann hingegen voraussichtlich nur noch 42<br />
Jahre den weltweiten Bedarf decken (Abbildung 16). 101<br />
400<br />
350<br />
300<br />
250<br />
200<br />
150<br />
100<br />
50<br />
0<br />
336<br />
Jahre Braunkohle besitzt die größte statistische Reichweite aller fossilen Energieträger<br />
130<br />
Braunkohle Steinkohle Erdgas Erdöl<br />
Abbildung 16: Reichweite der weltweiten Reserven an Energieträgern 2008 102<br />
Die mangelnde Aussagekraft dieser statischen Werte zeigt sich beispielsweise an der<br />
Entwicklung der Erdölreichweite. 1940 betrug die Erdölreichweite 21 Jahre, wonach es<br />
im Jahr 1960 kein Erdöl mehr gegeben hätte. Die Reichweite hatte sich jedoch 1960<br />
bereits auf 38 Jahre und zum heutigen Zeitpunkt auf 42 Jahre erhöht. 103<br />
Erdölfördermaximum<br />
Im Zusammenhang mit der Erdölreichweite muss auch das globale Erdölfördermaxi-<br />
mum betrachtet werden. Unter dem Fördermaximum, im englischsprachigen Raum<br />
Peak Oil genannt, wird die „weltweit maximal pro Jahr jemals geförderte Menge an<br />
Erdöl verstanden.“ 104 Die Peak Oil-Theorie beruht darauf, dass die Erdölförderung zu-<br />
nächst stetig ansteigt und dann kontinuierlich sinkt, wenn die Hälfte des insgesamt<br />
förderbaren Erdöls abgebaut wurde. Der Zeitpunkt an dem Peak Oil erreicht ist, also<br />
die Hälfte der Erdölmenge verbraucht ist, wird auch Depletion Midpoint genannt.<br />
Das Jahr in dem die Förderung von Erdöl das Fördermaximum erreicht, ist unter Erdöl-<br />
experten eine umstrittene Frage. Trotz der verschiedenen Ansichten scheinen sich alle<br />
101<br />
Vgl. http://www.bmwi.de/BMWi/Navigation/Energie/energiestatistiken,did=177112.html, vom<br />
10.01.2010.<br />
102<br />
Vgl. BMWi. (2009): Energie in Deutschland. S. 9.<br />
103 Vgl. WEG. (2009): Reserven und Ressourcen. S. 2.<br />
104 BGR. (2009): Energierohstoffe 2009 – Reserven, Ressourcen, Verfügbarkeit. S. 235.<br />
61<br />
42
2 Energiemarkt 35<br />
Experten darüber einig zu sein, dass der Depletion Midpoint spätestens in den nächs-<br />
ten 15 bis 20 Jahren erreicht sein wird und sich danach eine sinkende Verfügbarkeit<br />
von Erdöl einstellt. 105<br />
2.6 Deutsche Lieferabhängigkeiten<br />
Die deutsche Energieversorgung ist besonders durch die große Abhängigkeit von Im-<br />
porten gekennzeichnet. 106 Im Jahr 2008 mussten über 75 % der fossilen Energieträger<br />
importiert werden. Der wichtigste Energieträger war Erdöl, mit einer Importquote von<br />
97 %. Bei Erdgas betrug der Anteil der Einfuhren 86 % und bei Steinkohle 73 %. Dem-<br />
gegenüber wurde der gesamte deutsche Bedarf an Braunkohle durch heimische För-<br />
derung gedeckt (Abbildung 17). 107<br />
Mio. Tonnen Rohöleinheiten<br />
Erdöl ist in Deutschland am stärksten von Importen abhängig<br />
140<br />
120<br />
100<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
0<br />
115<br />
(97 %)<br />
4<br />
(3 %)<br />
63<br />
(86 %)<br />
10<br />
(15 %)<br />
32<br />
(73 %)<br />
12<br />
(27 %)<br />
Importe<br />
Inlandsförderung<br />
0<br />
(0 %)<br />
37<br />
(100 %)<br />
Erdöl 1 Erdgas 2 Steinkohle 3 Braunkohle 4<br />
Abbildung 17: Energieimportabhängigkeit Deutschlands 2008 108<br />
Die nach den einzelnen Energieträgern unterschiedliche Abhängigkeit von Importen ist<br />
durch die bestehende Reservensituation in Deutschland zu erklären (Kapitel 2.5.1). Die<br />
deutsche Inlandsförderung beschränkt sich im Wesentlichen auf Kohle und sehr gerin-<br />
ge Mengen an Erdöl und Erdgas. 109 Deshalb ist Deutschland in beträchtlichem Maß<br />
von den Herkunftsländern der fossilen Energieträger abhängig.<br />
105 Vgl. Erdmann, G. & Zweifel, P. (2008): Energieökonomik. S. 177.<br />
106 Vgl. Schiffer, H. (2008): Energiemarkt Deutschland. S. 34.<br />
107 Vgl. DNK. (2009): Energie für Deutschland 2009. S. 65-70.<br />
108 Ebenda<br />
109 Vgl. Schiffer, H. (2008): Energiemarkt Deutschland. S. 34.
2 Energiemarkt 36<br />
Der wichtigste Energielieferant Deutschlands ist Russland. Bei den Erdöl-, Erdgas- und<br />
Kohleimporten steht Russland jeweils auf dem ersten Platz der mengenmäßig größten<br />
Lieferländer. Auf den weiteren Plätzen der wichtigsten deutschen Energielieferanten<br />
folgen mit Norwegen, den Niederlanden und Großbritannien drei westeuropäische<br />
Staaten. Weitere wichtige Bezugsländer sind Libyen, Südafrika und Polen (Abbildung<br />
18). 110<br />
Großbritannien<br />
Wichtigster deutscher Energielieferant ist Russland<br />
Russland<br />
Norwegen<br />
Niederlande<br />
Libyen<br />
Südafrika<br />
Polen<br />
USA<br />
Nigeria<br />
Kolumbien<br />
Erdöl<br />
Erdgas<br />
Steinkohle<br />
0 10 20 30 40 50 60 70 80<br />
Mio. Tonnen Rohöleinheiten<br />
Abbildung 18: Energieträgerlieferanten Deutschlands 2008 111<br />
Bei den Erdöllieferungen 2008 kamen ca. 70 % aller Einfuhren aus den vier wichtigsten<br />
Bezugsländern. Russland lag mit einem Importanteil von 32 % an erster Stellte, gefolgt<br />
von Großbritannien und Norwegen mit jeweils 14 % sowie Libyen mit 10 %. Weitere<br />
Lieferländer waren Nigeria, Algerien, Saudi-Arabien und Venezuela. 112<br />
Die Erdgasimporte 2008 verteilten sich im Wesentlichen auf drei Lieferländer, die ins-<br />
gesamt 95 % aller Einfuhren erbrachten. Bedeutendster Lieferant mit einem Importan-<br />
teil von 43 % war ebenso Russland. Die nächst wichtigsten Lieferländer waren Norwe-<br />
gen mit 30 % und die Niederlande mit 22 %. Die restlichen Bedarfsmengen wurden<br />
überwiegend aus Dänemark und Großbritannien importiert. 113<br />
110 Vgl. DNK. (2009): Energie für Deutschland 2009. S. 9.<br />
111 Vgl. Statistisches Bundesamt. (2009): Energie auf einen Blick 2009. S. 40-44.<br />
112 Vgl. Statistisches Bundesamt. (2009): Energie auf einen Blick 2009. S. 40-41.<br />
113 Vgl. Statistisches Bundesamt. (2009): Energie auf einen Blick 2009. S. 42.
2 Energiemarkt 37<br />
Die Steinkohleeinfuhren verteilten sich ausgewogener auf mehrere Herkunftsländer.<br />
Die wichtigsten Lieferanten für die heimische Versorgung waren Russland mit einem<br />
Importanteil von 20 %, Südafrika mit 19 % und Polen mit 18 %. Weitere wichtige Liefer-<br />
länder waren die USA, Kolumbien und Australien. 114<br />
Insbesondere die fossilen Energieträger haben sich weltwirtschaftlich und geopolitisch<br />
zu einem bestimmenden Faktor entwickelt. So setzen einige Länder ihren Ressourcen-<br />
reichtum zunehmend für ihre politischen Interessen und Ziele ein. Russland verwende-<br />
te beispielsweise sein Erdgas im Gasstreit gezielt gegen die Ukraine. 115 Um die Risiken<br />
solcher strategischen Lieferabhängigkeiten zu minimieren, muss eine Diversifikation<br />
der Lieferländer erfolgen. Je mehr Bezugsquellen vorhanden sind, desto breiter sind<br />
die Risiken gestreut und die Abhängigkeit von großen Energieträgerlieferanten sinkt,<br />
wodurch eine Verbesserung der Versorgungssicherheit erreicht wird. 116<br />
Strategische Ellipse<br />
Wie bereits aufgezeigt, konzentrieren sich die globalen Erdöl- und Erdgasgasreserven<br />
in ihrer regionalen Verteilung auf wenige Länder. Eine besonders wichtige Rolle spielt<br />
dabei die strategische Ellipse, die sich vom Nahen Osten über den Kaukasus bis nach<br />
Westsibirien erstreckt. 117 In dieser Region, zu der unter anderem der Irak, der Iran, Ka-<br />
sachstan, Katar, Kuwait, Russland, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emi-<br />
rate zählen, lagern rund 70 % der weltweiten Reserven an Erdöl und Erdgas<br />
(Abbildung 19). 118<br />
Problematisch ist jedoch, dass diese Region, vor allem der Nahe Osten, sehr stark<br />
durch politische Instabilität und religiöse Spannungen gekennzeichnet ist. Darin liegt<br />
eine besonders große Gefahr für die Weltversorgung mit Erdöl und Erdgas, da eine<br />
erhebliche Abhängigkeit von den Ländern der strategischen Ellipse gegeben ist. 119 Ins-<br />
besondere durch den immer weiter fortschreitenden Ressourcenabbau, muss zukünftig<br />
verstärkt auf die Vorkommen in diesem Gebiet zurückgegriffen werden. Dies verdeut-<br />
licht die enorme strategische Bedeutung dieser Region für die Energieversorgung der<br />
Zukunft. 120<br />
114 Vgl. Statistisches Bundesamt. (2009): Energie auf einen Blick 2009. S. 44.<br />
115 Vgl. Fröhlich, S. (2008): Energiesicherheit im 21.Jahrhundert. S. 14.<br />
116<br />
Vgl. http://www.bmwi.de/BMWi/Navigation/Energie/ziele-der-energiepolitik.html, vom<br />
08.02.2010.<br />
117<br />
Vgl. Gabriel, E. & Florin, M (2008): Weltverträgliche Energiesicherheitspolitik. S. 86.<br />
118 Vgl. BGR. (2009): Energierohstoffe 2009 – Reserven, Ressourcen, Verfügbarkeit. S. 253.<br />
119 Vgl. Altmann, F. (2008): Weltverträgliche Energiesicherheitspolitik. S. 86.<br />
120 Vgl. BGR. (2009): Energierohstoffe 2009 – Reserven, Ressourcen, Verfügbarkeit. S. 253.
2 Energiemarkt 38<br />
Abbildung 19: Strategische Ellipse 121<br />
Organisation erdölexportierender Länder<br />
Strategische Ellipse<br />
Am Beispiel der Organisation erdölexportierender Länder, kurz OPEC (Organization of<br />
Petroleum Exporting Countries), zeigt sich die Lieferabhängigkeit des Erdöls von dieser<br />
politischen Gruppierung. Die OPEC wurde im Jahr 1960 in Bagdad gegründet, der<br />
Hauptsitz befindet sich in Wien. 122 Insgesamt haben sich zwölf erdölexportierende Län-<br />
der zusammengeschlossen, zu denen Algerien, Angola, Ecuador, der Irak, der Iran,<br />
Katar, Kuwait, Libyen, Nigeria, Saudi-Arabien, Venezuela und die Vereinigten Arabi-<br />
sche Emirate gehören. 123<br />
Das Ziel der OPEC ist die gemeinsame Interessenvertretung der Mitgliedsstaaten, ins-<br />
besondere im Hinblick auf die Erdölpreise. Um die Preise auf dem internationalen Öl-<br />
markt zu stabilisieren, wird jedem Mitgliedsland eine spezielle Förderquote zugeteilt.<br />
Durch die Absprache der Förderquote entsteht eine künstliche Verknappung oder Stei-<br />
gerung der Ölförderung, wodurch die Preise auf dem Weltmarkt bewusst gesteuert und<br />
in einem bestimmten Preiskorridor gehalten werden können. 124<br />
Die besondere Bedeutung der OPEC für den Erdölmarkt ergibt sich daraus, dass deren<br />
Mitgliedsstaaten insgesamt 76 % der gesamten weltweiten Erdölreserven besitzen und<br />
einen Anteil von rund 45 % an der derzeitigen globalen Erdölförderung haben. 125 Die-<br />
ser Sachverhalt zeigt die Relevanz der OPEC-Staaten, besonders im Bezug auf die<br />
zukünftige Weltölversorgung. Die Lieferabhängigkeit der restlichen Welt von den<br />
121<br />
In Anlehnung an BGR. (2009): Energierohstoffe 2009 – Reserven, Ressourcen, Verfügbarkeit.<br />
S. 253.<br />
122<br />
Vgl. Kneissl, K. (2008): Der Energiepoker: Wie Erdöl und Erdgas die Weltwirtschaft beeinflussen.<br />
S. 54.<br />
123<br />
Vgl. http://www.opec.org/aboutus/, vom 09.02.20010.<br />
124<br />
Vgl. Eschlbeck, D. (2005): Internationale Wirtschaft. S. 132.<br />
125 Vgl. BP. (2009): Statistical Review of World Energy. S. 6-8.
2 Energiemarkt 39<br />
OPEC-Ländern und der Einfluss der Organisation wird deshalb in den kommenden<br />
Jahrzehnten immens zunehmen. 126<br />
Neben der OPEC zeichnet sich derzeit beim Erdgas ebenfalls ein Zusammenschluss<br />
von mehreren Ländern ab. Bis jetzt ist es zwar noch nicht zu der Bildung einer Gas-<br />
OPEC gekommen, jedoch sind die drei Länder mit den größten Erdgasreserven offen-<br />
bar kurz davor ein Abkommen über eine wirtschaftliche Zusammenarbeit zu schlie-<br />
ßen. 127 Russland, Katar und der Iran verfügen derzeit über ca. 53 % der weltweiten<br />
Erdgasreserven. 128<br />
126 Vgl. RWE. (2005): Weltenergiereport 2005. S. 32.<br />
127 Vgl. DNK. (2009): Energie für Deutschland 2009. S. 35.<br />
128 Vgl. BP. (2009): Statistical Review of World Energy. S. 22.
3 Logistischer Prozess Erdöl 40<br />
3 Logistischer Prozess Erdöl<br />
Die fossilen Energieträger werden aufgrund der globalen Reserven- und Ressourcensi-<br />
tuation auch in den kommenden Jahrzehnten die Hauptlast der Energieversorgung<br />
tragen. 129 Die Energieträger müssen jedoch vom Ort der Gewinnung zum Endverbrau-<br />
cher transportiert werden. Deshalb stellt vorerst nicht die Energieversorgung das Prob-<br />
lem dar, sondern vielmehr die Handhabung der erheblichen Mengen- und Volumen-<br />
ströme der fossilen Energieträger, die teilweise über weite Distanzen in die Verbrau-<br />
cherregionen importiert werden müssen. Zudem erfordern die großen Mengen zum Teil<br />
aufwendige Transport- und Speichertechniken. Aufgrund dieser Faktoren besitzt die<br />
Logistik bei den fossilen Energieträgern eine besondere Relevanz. 130 Der logistische<br />
Prozess von Erdöl wird in diesem Kapitel eingehend beschrieben.<br />
Um zunächst einen Überblick über die weltweiten Transportströme von Erdöl zu erhal-<br />
ten, sind in Abbildung 20 die Transportströme des Jahres 2008 in Megatonnen (Mt)<br />
veranschaulicht. Die Transporte innerhalb der Regionen wurden dort jedoch nicht be-<br />
rücksichtigt.<br />
Abbildung 20: Erdöltransportströme 2008 131<br />
129 Vgl. DNK. (2009): Energie für Deutschland 2009. S. 34-35.<br />
130 Vgl. Sauer, E. (2003): Energietransport, -speicherung, -verteilung. S. 7.<br />
131 BGR. (2009): Energierohstoffe 2009 – Reserven, Ressourcen, Verfügbarkeit. S. 49.
3 Logistischer Prozess Erdöl 41<br />
Die wichtigsten Exportregionen waren der Nahe Osten und Afrika. Die führenden Ex-<br />
portländer waren Saudi Arabien, Russland, der Iran, Nigeria und Venezuela. Die domi-<br />
nanten Importländer waren hingegen die USA, Japan, China und Südkorea. Insgesamt<br />
wurden im Jahr 2008 3.929 Mio. t Erdöl gefördert, von denen ca. zwei Drittel grenz-<br />
überschreitend und teilweise über große Distanzen transportiert wurden. Die Rangliste<br />
der weltweit größten Förderländer des Jahres 2008 ist in Abbildung 21 dargestellt.<br />
Saudi Arabien war im Jahr 2008 der größte Erdölförderer der Welt<br />
Saudi Arabien<br />
Russland<br />
USA<br />
Iran<br />
China<br />
Mexiko<br />
Kanada<br />
Vereinigte<br />
Arabische Emirate<br />
Kuwait<br />
Venezuela<br />
158 (4,0 %)<br />
157 (4,0 %)<br />
140 (3,6 %)<br />
137 (3,5 %)<br />
132 (3,4 %)<br />
210 (5,3 %)<br />
190 (4,8 %)<br />
305 (7,8 %)<br />
515<br />
(13,1 %)<br />
489 (12,4 %)<br />
0 100 200 300 400 500 600<br />
Mio. Tonnen<br />
Abbildung 21: Rangliste der größten Erdölförderländer 2008 132<br />
Saudi Arabien war im Jahr 2008 mit einem Anteil von 13,1 % an der weltweiten Erdöl-<br />
förderung das Hauptförderland. In der Rangliste folgen Russland mit 12,4 %, die USA<br />
mit 7,8 %, der Iran mit 5,3 % und China mit 4,8 %. Insgesamt wurde in diesen Ländern<br />
43,4 % der gesamten Erdölfördermenge gewonnen. Die vorderen Plätze der USA und<br />
China erscheinen in dieser Aufstellung ungewöhnlich, da diese Länder über äußerst<br />
geringe Erdölreserven verfügen. Allerdings zählen sie zu den Hauptkonsumenten von<br />
Erdöl und fördern deswegen die maximal möglichen Mengen, die ihnen zur Verfügung<br />
stehen. 133<br />
Erdölversorgungskette<br />
In der vorliegenden Ausarbeitung wird die Erdölversorgungskette in sechs Stufen un-<br />
terteilt. Zuerst findet die Erdölförderung statt, die die Suche, Bohrung und Förderung<br />
132 Vgl. BP. (2009): Statistical Review of World Energy. S. 9.<br />
133 Vgl. BP. (2009): Statistical Review of World Energy. S. 6.
3 Logistischer Prozess Erdöl 42<br />
des Erdöls umfasst. 134 Zudem wird das Erdöl aufbereitet und in der Folge Rohöl ge-<br />
nannt. 135 Anschließend erfolgt der Transport vom Förderort in die Verbraucherregi-<br />
on mit Pipelines oder Tankschiffen. Ist das Rohöl in der Verbraucherregion angelangt,<br />
wird es entweder zwischengelagert oder direkt in die Raffinerie transportiert. Der<br />
Transport zur Raffinerie erfolgt dabei mit Pipelines oder Tankmotorschiffen. Bei der<br />
Verarbeitung in der Raffinerie wird das Rohöl zu verkaufsfähigen Produkten verwan-<br />
delt. Die Erdölversorgungskette ist in Abbildung 22 graphisch dargestellt.<br />
Abbildung 22: Erdölversorgungskette 136<br />
Nachdem der Raffinerieprozess abgeschlossen ist, erfolgt die Lagerung der Fertig-<br />
produkte in Großtanklagern oder der unmittelbare Transport der Fertigprodukte<br />
zum Endverbraucher. Die Belieferung der Endverbraucher wird dabei mit verschiede-<br />
nen Transportmitteln ausgeführt. Die privaten Haushalte und Tankstellen werden<br />
überwiegend mit Straßentankfahrzeugen beliefert. Großkunden werden hingegen auch<br />
mit Pipelines, Tankmotorschiffen und Eisenbahnkesselwagen versorgt. 137 Die einzel-<br />
134 Vgl. BP. (2008): Erdöl bewegt die Welt. S. 11-18.<br />
135 Vgl. http://www.avia.de/cms/index.php?page=791, vom 22.02.2010.<br />
136 In Anlehnung an http://www.energiewirtschaft.net/HTML/SCM.html, vom 22.02.2010.<br />
137 Vgl. http://www.energiewirtschaft.net/HTML/SCM.html, vom 22.02.2010.
3 Logistischer Prozess Erdöl 43<br />
nen Stufen der Erdölversorgungskette werden in den nachfolgenden Unterkapiteln de-<br />
tailliert aufgezeigt.<br />
3.1 Erdölgewinnung<br />
Die Gewinnung von Erdöl gliedert sich in drei Phasen. Die Exploration, Bohrung und<br />
Förderung, die im Folgenden näher erläutert werden. Andere Gewinnungsverfahren,<br />
(beispielsweise die Extraktion von Öl aus Ölsanden) werden hingegen nicht berück-<br />
sichtigt.<br />
3.1.1 Exploration<br />
Die Suche nach Erdölvorkommen wird in der Fachsprache Exploration genannt und<br />
basiert auf geophysikalischen Untersuchungsmethoden. Das wichtigste Verfahren ist<br />
die 3D- Seismik, das der Bohrung vorausgeht und deren Erfolgschancen deutlich ver-<br />
bessert. 138 Die Kosten einer seismischen Messung sind jedoch enorm hoch, weshalb<br />
sich die Intensität der Explorationstätigkeit zumeist an der Höhe des Ölpreises orien-<br />
tiert. 139<br />
Die 3D-Seismik beruht auf dem Prinzip der reflektierten Schallwellen. Dabei werden<br />
durch künstliche Sprengungen zahlreiche Erschütterungen ausgelöst. 140 Die entste-<br />
henden Schallwellen dringen in den Boden ein und breiten sich dort in Tiefen von<br />
5.000 bis 6.000 m aus. Von den unterschiedlichen Gesteinsschichten werden die<br />
Schallwellen reflektiert und von empfindlichen Messgeräten, so genannten Geopho-<br />
nen, aufgezeichnet. 141<br />
Die gewonnen Daten werden von Computerprogrammen ausgewertet und ergeben ein<br />
aussagekräftiges dreidimensionales Bild über den Aufbau des Untergrunds. Dadurch<br />
lassen sich Bereiche erkennen, in denen gute Voraussetzungen für eine erfolgreiche<br />
Bohrung bestehen. Allerdings kann das 3D-Seismikverfahren die Frage ob Erdöl im<br />
Untergrund tatsächlich vorhanden ist, nicht mit allerletzter Sicherheit beantworten.<br />
Endgültige Klarheit darüber bringt eine Bohrung. 142<br />
3.1.2 Bohrung<br />
Die Erdölvorkommen werden durch eine Tiefenbohrung erschlossen, bei der in der<br />
Regel das Rotary-Verfahren oder die Horizontalbohrtechnik angewendet wird. Neben<br />
diesen häufig verwendeten Bohrtechniken gibt es zahlreiche weitere spezielle Verfah-<br />
138 Vgl. WEG. (2008): Erdgas – Erdöl: Entstehung, Suche, Förderung. S. 13.<br />
139 Vgl. Kosinowski, M. (2002): Energiehandbuch. S. 71.<br />
140 Vgl. EV. (2003): Erdöl – Entstehung, Förderung und Verarbeitung. S. 11.<br />
141 Vgl. Kosinowski, M. (2002): Energiehandbuch. S. 70-71.<br />
142 Vgl. WEG. (2008): Erdgas – Erdöl: Entstehung, Suche, Förderung. S. 14.
3 Logistischer Prozess Erdöl 44<br />
ren, die aufgrund der gegebenen geologischen Verhältnisse zur Anwendung kom-<br />
men. 143<br />
Das wesentliche Merkmal des Rotary-Verfahrens besteht in seinem rotierenden Bohr-<br />
gestänge. Das Bohrgestänge, an dessen Spitze sich ein Stahlmeißel befindet, wird<br />
dabei mit Hilfe eines Bohrturms senkrecht in den Boden getrieben. Durch die Drehbe-<br />
wegung, die durch einen Elektromotor Übertage erzeugt wird, zertrümmert der Meißel<br />
die Gesteinsschichten und frisst sich durch die Absenkung des Flaschenzugs immer<br />
tiefer in das Bohrloch (Abbildung 23). 144<br />
Abbildung 23: Bohrturm beim Rotary-Verfahren 145<br />
Damit das zerkleinerte Gestein, Bohrklein genannt, an die Oberfläche transportiert<br />
werden kann, wird eine wässrige Tonlösung durch das Bohrgestänge zum Meißel ge-<br />
pumpt. Diese Spülflüssigkeit kühlt zum Einen den Meißel und befördert zum Anderen<br />
das Bohrklein zum Auslauf des Bohrlochs (Abbildung 24). Die austretende Spülflüssig-<br />
keit wird vom Bohrklein gereinigt und wieder in das Loch gepumpt.<br />
143<br />
Vgl. WEG. (2008): Erdgas – Erdöl: Entstehung, Suche, Förderung. S. 16-17.<br />
144<br />
Vgl. BP. (2008): Erdöl bewegt die Welt. S. 16.<br />
145<br />
In Anlehnung an EV. (2003): Erdöl – Entstehung, Förderung und Verarbeitung. S. 12.
3 Logistischer Prozess Erdöl 45<br />
Der Meißel wird je nach Härte des Gesteins mehr oder weniger schnell stumpf und<br />
muss unter großem Zeitaufwand bei einer Bohrung mehrmals ausgetauscht werden.<br />
Um die Bohrlochwand zu stabilisieren und einen Einsturz zu verhindern, werden Stahl-<br />
rohre einzementiert. Damit das Erdöl beim Anbohren des Vorkommens nicht aus dem<br />
Bohrloch schießt, ist eine spezielle Vorrichtung an der Bohrstange vorhanden. 146<br />
Abbildung 24: Bohrmeißel beim Abtransport des Bohrkleins 147<br />
Die Horizontalbohrtechnik bzw. Richtbohrtechnik kommt in zunehmendem Umfang<br />
zum Einsatz, da die Erdölvorkommen mit diesem Verfahren effektiver genutzt werden<br />
können. Ebenso wie beim Rotary-Verfahren erfolgt zunächst eine vertikale Bohrung<br />
zum Vorkommen. Allerdings wird, wenn das Ölvorkommen erreicht ist, horizontal zu<br />
den optimalen Förderpunkten weitergebohrt. Da sich die Vorkommen überwiegend in<br />
horizontaler Richtung erstrecken, ist somit ein größerer Zufluss zum Bohrloch möglich<br />
und es kann insbesondere bei weitflächigen Ölfeldern eine höhere Förderrate erzielt<br />
werden. 148<br />
Mit diesen beiden Bohrtechniken lassen sich Löcher mit der Tiefe mehrerer Kilometer<br />
bohren. Die Gesteinsschichten wirken sich jedoch auf das Vorankommen der Bohrung<br />
aus. Der tägliche Fortschritt kann im günstigsten Fall mehrere Meter betragen und im<br />
ungünstigsten nur einige Zentimeter. Bohrungen die nicht auf Erdöl stoßen, werden<br />
wieder aufgefüllt. Wird Erdöl entdeckt, werden mittels physikalischer Untersuchungen<br />
und Berechungen die dort lagernden Reserven ermittelt und über eine endgültige För-<br />
derung entschieden. Die Kosten für eine Bohrung sind jedoch immens hoch. Für eine<br />
146 Vgl. WEG. (2008): Erdgas – Erdöl: Entstehung, Suche, Förderung. S. 13.<br />
147 BP. (2008): Erdöl bewegt die Welt. S. 17.<br />
148 Vgl. BP. (2008): Erdöl bewegt die Welt. S. 18.
3 Logistischer Prozess Erdöl 46<br />
typische Bohrung von rund 5.000 m Tiefe entstehen Kosten zwischen 7 und 12 Mio.<br />
Euro. 149<br />
Ein großer Teil der Erdölvorkommen liegt nicht auf dem Festland (onshore), sondern<br />
unter den Meeren (offshore). Offshore-Bohrungen erfolgen von verankerten oder<br />
schwimmenden Bohrplattformen. Es werden jedoch grundsätzlich dieselben Bohrtech-<br />
niken wie auf dem Festland verwendet. Allerdings sind die Offshore-Bohrungen auf-<br />
grund der schwierigen Umweltbedingungen um ein vielfaches aufwändiger und teu-<br />
rer. 150<br />
3.1.3 Förderung<br />
Zur Förderung von Erdöl wird in das Bohrloch ein Steigrohr eingebaut, das bis zum<br />
tiefsten Punkt des Vorkommens reicht. Damit das Erdöl nach dem Einbau in das Rohr<br />
eintreten kann, wird dieses mit kleinen Sprengsätzen geöffnet. 151<br />
In der ersten Förderungsphase, der Primärförderung, steht das Erdöl unter einem<br />
Gas- und Randwasserdruck, der durch die umliegenden Gesteinsschichten entsteht.<br />
Deshalb steigt das Erdöl zunächst ohne weitere Hilfe aus dem Bohrloch auf. Mit der<br />
Zeit lässt der Druck in dem Vorkommen jedoch nach und es müssen zusätzliche<br />
Pumptechniken eingesetzt werden. Neben Tiefenpumpen kommen dabei vor allem die<br />
so genannten Plumperpumpen, die auf- und abwippen und einem Pferdekopf ähneln,<br />
zum Einsatz. Mit der Primärförderung können durchschnittlich 18 % des vorhandenen<br />
Erdöls gefördert werden. 152<br />
Sind die Möglichkeiten der Primärförderung erschöpft, kommen die Techniken der Se-<br />
kundärförderung zum Einsatz. Dabei wird der Druck im Erdölvorkommen wieder auf-<br />
gebaut. Die Verfahren dazu sind die Gaslift-Förderung und das Wasserfluten. Dabei<br />
wird fortlaufend Wasser oder Gas in das Speichergestein gepumpt, wodurch das Erdöl<br />
an die Oberfläche gedrückt wird. 153 Im Durchschnitt können somit ca. 32 % des Erdöls<br />
gewonnen werden.<br />
Die Tertiärförderung ist die letzte Möglichkeit Erdöl aus dem Vorkommen zu gewin-<br />
nen. Durch Dampfinjektionen (Wasserdampf) und verschiedene chemische Zusätze<br />
kann die Fließfähigkeit des Erdöls erhöht werden, so dass es sich leichter vom Gestein<br />
löst. Der Nutzungsgrad des Erdölvorkommens kann durch die Tertiärförderung auf ca.<br />
45 bis 50 % gesteigert werden. Die diversen Fördermethoden sind in Abbildung 25<br />
veranschaulicht. 154<br />
149 Vgl. WEG. (2008): Erdgas – Erdöl: Entstehung, Suche, Förderung. S. 19-20.<br />
150 Vgl. EV. (2003): Erdöl – Entstehung, Förderung und Verarbeitung. S. 13.<br />
151 Vgl. WEG. (2008): Erdgas – Erdöl: Entstehung, Suche, Förderung. S. 29.<br />
152 Vgl. WEG. (2008): Erdgas – Erdöl: Entstehung, Suche, Förderung. S. 28-29.<br />
153 Vgl. EV. (2003): Erdöl – Entstehung, Förderung und Verarbeitung. S. 15.<br />
154 Vgl. BP. (2008): Erdöl bewegt die Welt. S.16.
3 Logistischer Prozess Erdöl 47<br />
Trotz aller Fördermethoden kann nicht das gesamte Erdöl an die Oberfläche gepumpt<br />
werden. In den Gesteinsporen wird ein großer Teil zurückgehalten. Somit lassen sich<br />
nur selten mehr als 50 % des im Vorkommen vorhandenen Erdöls gewinnen. Aller-<br />
dings konnte der Nutzungsgrad der Erdölvorkommen enorm gesteigert werden. Vor 25<br />
Jahren betrug dieser noch ungefähr 25 %. 155<br />
Abbildung 25: Fördermethoden 156<br />
Die Erdölförderung findet zumeist unter extremen Witterungsbedingungen statt, bei-<br />
spielsweise in den heißen Wüsten Saudi Arabiens, den kalten Steppen in Russland<br />
oder auf Bohrinseln im Meer. Deshalb haben sich einige Unternehmen (z.B. die fran-<br />
zösische Firma Schlumberger oder der amerikanische Konzern Halliburton) aus-<br />
schließlich auf die Erdölgewinnung spezialisiert und übernehmen diesen Prozess größ-<br />
tenteils für die Mineralölkonzerne. 157<br />
Die Summe der Explorations-, Bohrungs- und Förderungskosten sind die Gestehungs-<br />
kosten für die Erdölproduktion. Sie bestimmen ob ein Vorkommen wirtschaftlich in Pro-<br />
duktion genommen werden kann. 158<br />
155 Vgl. EV. (2003): Erdöl – Entstehung, Förderung und Verarbeitung. S. 15.<br />
156 EV. (2003): Erdöl – Entstehung, Förderung und Verarbeitung. S. 14.<br />
157 Vgl. http://www.energiewirtschaft.net/HTML/SCM.html, vom 26.02.2010.<br />
158 Vgl. Kosinowski, M. (2002): Energiehandbuch. S. 71.
3 Logistischer Prozess Erdöl 48<br />
Verarbeitung<br />
Das unmittelbar aus dem Bohrloch geförderte Erdöl ist zunächst ein Gemisch aus Öl,<br />
Gasen, Salzwasser und Verunreinigungen (z.B. Sand) und ist für die Weiterverarbei-<br />
tung in Raffinerien ungeeignet. 159 Es sind deshalb verschiedene Prozesse erforderlich,<br />
um das Erdöl für den Transport in die Verbraucherregion vorzubereiten. In Verarbei-<br />
tungsanlagen wird das Erdöl zunächst von Salzwasser und Verunreinigungen befreit.<br />
In einem Gasabscheider werden anschließend die Gasanteile entfernt, sowie die Was-<br />
serreste und Salzrückstände herausgefiltert. 160<br />
Hat das Erdöl diese Verarbeitungsstufen durchlaufen, wird es Rohöl genannt. 161 Die<br />
Verarbeitung des Erdöls erfolgt jedoch grundsätzlich in der Nähe der Förderstelle, da<br />
die zu transportierende Menge, insbesondere durch das Herausfiltern des Salzwas-<br />
sers, verringert wird und dadurch Kosten beim späteren Transport eingespart werden<br />
können. 162 Mit Pumpen wird das aufbereitete Rohöl zu Sammelpunkten befördert, wo<br />
es bis zum Weitertransport in die Verbraucherregion in großen oberirdischen Tankla-<br />
gern zwischengelagert wird. 163<br />
In der Fachsprache wird die Exploration, Bohrung, Förderung und Bereitstellung des<br />
aufbereiteten Rohöls auch teilweise als Upstream-Prozess bezeichnet. Die restlichen<br />
nachgelagerten Stufen auf der Erdölversorgungskette werden hingegen Downstream-<br />
Prozess genannt. 164<br />
3.2 Transport vom Förderort in die Verbraucherregion<br />
Um die erheblichen Rohölmengen aus den entlegenen Fördergebieten in die Verbrau-<br />
cherregionen zu transportieren, kommen in erster Linie Pipelines und Tankschiffe in<br />
Frage. 165 Der Transport innerhalb der Kontinente erfolgt zumeist durch Pipelines, wäh-<br />
rend die Beförderung zwischen den Kontinenten in der Regel mit Tankschiffen abgewi-<br />
ckelt wird.<br />
Im Jahr 2008 überwog der weltweite Tankertransport mit einem Anteil von 75 % ge-<br />
genüber der Pipelinebeförderung. 166 Deutschland bezieht ausschließlich über die russi-<br />
sche Drushba-Pipeline Rohöl direkt über eine Pipeline aus der Förderregion. Nahezu<br />
alle anderen Lieferungen kommen über den Seeweg mit Tankschiffen nach Deutsch-<br />
land. 167 Im Folgenden werden diese beiden Transportmittel eingehend beschrieben.<br />
159<br />
Vgl. http://www.cac-chem.de/felder_raffinerie_entgasung.php, vom 26.02.2010.<br />
160<br />
Vgl. BP. (2008): Erdöl bewegt die Welt. S. 20.<br />
161<br />
Vgl. http://www.avia.de/cms/index.php?page=791, vom 26.02.2010.<br />
162<br />
Vgl. http://www.eagleburgmann.com/lexikon/de/lex-art-1298.htm, vom 26.02.2010.<br />
163<br />
Vgl. Schieck, A. (2008): Internationale Logistik. S. 337.<br />
164<br />
Vgl. http://www.energiewirtschaft.net/HTML/SCM.html, vom 26.02.2010.<br />
165<br />
Vgl. MWV. (2006): Mineralölversorgung mit Pipelines. S. 3.<br />
166<br />
Vgl. BGR. (2009): Energierohstoffe 2009 – Reserven, Ressourcen, Verfügbarkeit. S. 49-50.<br />
167 Vgl. MWV. (2006): Mineralölversorgung mit Pipelines. S. 7.
3 Logistischer Prozess Erdöl 49<br />
3.2.1 Pipeline<br />
Rohrfernleitungen, die umgangssprachlich Pipelines genannt werden, sind ein Trans-<br />
portmittel für flüssige und gasförmige Massengüter. 168 Typischerweise werden Rohöle,<br />
Mineralölprodukte, Erdgas und Wasser transportiert. Der Transport erfolgt dabei in<br />
geschlossenen Rohrleitungen bzw. einem Rohrleitungssystem. Es handelt sich um<br />
einen eigenständigen Verkehrsträger, der zugleich Transportbehälter, Transportmittel<br />
und Transportweg ist. 169 In der Regel werden Pipelines für die Beförderung großer<br />
Mengen über weite Strecken eingesetzt. Überwiegend werden sie dort gebaut, wo<br />
durchgehende Schienen- oder Wasserwege nicht vorhanden sind. 170<br />
3.2.1.1 Geschichtlicher Rückblick<br />
Die Nutzung von Rohrleitungen hat ihren historischen Ursprung in China. Bereits 6.000<br />
v. Chr. wurde dort Wasser durch Bambusrohre über längere Distanzen transportiert.<br />
Etwa 3.000 v. Chr. wurden in Indien bereits Wasserleitungen aus Tonrohren genutzt.<br />
Allgemein bekannt sind die Aquädukte, mit denen die Römer zu Beginn der Zeitrech-<br />
nung ihre Wasserversorgung sicherstellten.<br />
Im Mittelalter wurden ausgehöhlte Baumstämme zur Beförderung von Wasser verwen-<br />
det. An den Verbindungsstellen wurden diese mit Metallstreifen zusammengefügt. Im<br />
Jahr 1361 hatte die Stadt Nürnberg auf diese Weise die Wasserversorgung aufge-<br />
nommen. 171 Erst im 19. Jahrhundert wurden die Rohrleitungen für die Wasser- und<br />
Gasversorgung aus Gussstahl gefertigt. Die erste Ölrohrleitung wurde im Jahr 1865 in<br />
Pennsylvania (USA) in Betrieb genommen. Über eine Strecke von 8 km wurden da-<br />
mals Eisenbahnkesselwagen befüllt. Damit konnten die Pferdefuhrwerke des Straßen-<br />
güterverkehrs verdrängt werden. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts hatte das Rohrlei-<br />
tungsnetz in den USA bereits eine Länge von 2.000 km.<br />
Mit dem steigenden Ölbedarf ging auch die Entwicklung der Pipelines voran. 1906<br />
wurde bereits die Pipeline von Baku am kaspischen Meer nach Batum am Schwarzen<br />
Meer, mit einer Länge von 883 km, erstellt. Es folgte der Bau weiterer Rohölpipelines in<br />
Russland und dem Nahen Osten. In Westeueropa gewannen die Rohrleitungen erst<br />
nach dem Zweiten Weltkrieg an Bedeutung. In Deutschland wurde die erste Rohölpipe-<br />
line 1958 in Betrieb genommen. Die Nord-West-Ölleitung (NWO) verbindet bis heute<br />
die Tankschiffanlandestation in Wilhelmshaven mit mehreren Raffinerien in Nord-<br />
deutschland.<br />
Nach und nach kamen weitere Pipelines aus dem Rotterdamer-Raum und der Mittel-<br />
meerregion hinzu, die das damalige Westdeutschland mit Rohöl versorgten. Das Ge-<br />
biet der ehemaligen DDR wurde hingegen ausschließlich über die russische Druschba-<br />
168<br />
Vgl. MWV. (2006): Mineralölversorgung mit Pipelines. S. 3.<br />
169<br />
Vgl. Gleißner, H. & Femerling, J. (2008): Logistik, Grundlagen – Übungen – Fallbeispiele. S.<br />
64.<br />
170<br />
Vgl. MWV. (2006): Mineralölversorgung mit Pipelines. S. 3.<br />
171 Vgl. MWV. (2006): Mineralölversorgung mit Pipelines. S. 5-6.
3 Logistischer Prozess Erdöl 50<br />
Pipeline beliefert. Unabhängig davon entwickelte sich aufgrund militärischer Maßnah-<br />
men ein NATO-Pipelinenetz für Rohöl und Mineralölprodukte, welches infolge der poli-<br />
tischen Veränderungen nach 1989 überwiegend zivil genutzt wurde. Die Länge des<br />
deutschen Pipelinenetzes beträgt derzeit ca. 5.600 km. Es wird geschätzt, dass das<br />
gesamte weltweite Rohrfernleitungssystem heute mehr als 650.000 km umfasst und<br />
überwiegend zum Rohöltransport genutzt wird. 172<br />
3.2.1.2 Pipelinetransport<br />
In diesem Abschnitt wird zunächst auf die Bestandteile von Pipelines, dann auf den<br />
Transportvorgang und zuletzt auf die Überwachung der Pipelines eingegangen.<br />
Bestandteile von Pipelines<br />
Pipelines bestehen aus Rohrleitungen, Haupt- und Nebeneinrichtungen und Lagern. 173<br />
Die Rohrleitungen sind aus Stahl und werden aneinander geschweißt. Die Wandstärke<br />
der Rohre ergibt sich aus dem vorhergesehenen Betriebsdruck der Pipeline. 174 Der<br />
Rohrdurchmesser hängt von der geplanten Menge ab, die durch die Pipeline fließen<br />
soll. 175 Durch Beschichtungen werden die Rohre innen und außen gegen Korrosion<br />
geschützt.<br />
Zu den Haupt- und Nebeneinrichtungen gehören Pumpstationen, Entlastungsventile,<br />
Entlastungstanks und Absperreinrichtungen. Das Lager dient zum Ausgleich von<br />
verbrauchs- und lieferbezogenen Schwankungen. Die Zwischenlagerung erfolgt dabei<br />
in großen oberirdischen Tanklagern (siehe Abbildung 26). 176<br />
Abbildung 26: Tanklager 177<br />
172 Vgl. Schieck, A. (2008): Internationale Logistik. S. 333-334.<br />
173 Vgl. Schieck, A. (2008): Internationale Logistik. S. 342.<br />
174 Vgl. MWV. (2006): Mineralölversorgung mit Pipelines. S. 8.<br />
175 Vgl. Zahoransky, R. (2009): Energietechnik. S. 351.<br />
176 Vgl. Schieck, A. (2008): Internationale Logistik. S. 342.<br />
177 Schieck, A. (2008): Internationale Logistik. S. 341.
3 Logistischer Prozess Erdöl 51<br />
Transportvorgang<br />
Bei Ölpipelines wird zwischen Förder- und Fernleitungen unterschieden. Die Förderlei-<br />
tungen werden beim Transport des Erdöls vom Vorkommen zur Verarbeitung und ab-<br />
schließend zu den Tanklagern verwendet (siehe Kapitel 3.1.3). Sie besitzen einen<br />
Durchmesser von rund 10 cm und werden mit einem geringen Druck, der durch eine<br />
Pumpe erzeugt wird, betrieben. Abgehend von den Tanklagern beginnen die Fernlei-<br />
tungen, die einen Rohrdurchmesser von bis zu 1,6 m erreichen. 178<br />
Aus den Tanklagern gelangt das Rohöl in die Kopfstation der Pipeline und wird dort<br />
durch Druck in Bewegung gesetzt. Der Förderdruck wird durch elektrische Pumpen, in<br />
Pumpstationen, erzeugt (siehe Abbildung 27).<br />
Abbildung 27: Pumpstation 179<br />
Die durchschnittliche Fließgeschwindigkeit die das Rohöl erreicht, beträgt dabei etwa 5<br />
bis 7 km/h. 180 So dauert beispielsweise der Transport über die Druschba-Pipeline von<br />
Samara in Russland bis nach Deutschland rund vier Wochen für die 2.280 km lange<br />
Strecke. 181<br />
Um den Druck in der Pipeline aufrecht zu erhalten, sind je nach Distanz und Relief der<br />
Strecke mehrere Pumpstationen an verschiedenen Standorten angebracht. Es wird<br />
jedoch bereits beim Bau der Pipeline darauf geachtet, dass übermäßige Steigungen<br />
und Gefälle nach Möglichkeit vermieden werden, um einen wirtschaftlichen Betrieb zu<br />
gewährleisten. 182<br />
Druckentlastungsstationen sorgen dafür, dass die Pipeline vor unzulässigen Druckwer-<br />
ten geschützt wird. Bei einem zu hohen Druck öffnet ein Überdruckventil und das aus-<br />
178 Gleißner, H. & Femerling, J. (2008): Logistik, Grundlagen – Übungen – Fallbeispiele. S. 64.<br />
179 Schieck, A. (2008): Internationale Logistik. S. 341.<br />
180 Vgl. MWV. (2006): Mineralölversorgung mit Pipelines. S. 8-9.<br />
181 Vgl. Schieck, A. (2008): Internationale Logistik. S. 341.<br />
182 Vgl. MWV. (2006): Mineralölversorgung mit Pipelines. S. 8-9.
3 Logistischer Prozess Erdöl 52<br />
tretende Rohöl wird in einem Tank aufgefangen. Nach der Störung wird es wieder in<br />
die Pipeline zurückgepumpt. 183<br />
Der Transport des Rohöls erfolgt in so genannten Partien (engl. batches). Die Partie-<br />
größen liegen dabei in der Regel zwischen 5.000 und 30.000 m 3 . Die Rohölpartien<br />
werden nacheinander und ohne Trennung transportiert, da keine Vermischungen statt-<br />
finden können. 184<br />
Da es verschiedene Empfänger für das Rohöl gibt, müssen die verschiedenen Partien<br />
am Zielort wieder getrennt werden. Dabei werden spezielle Verfahren angewendet.<br />
Zuerst wird durch eine Mengemessung das Ende der Partie, an der die Trennung er-<br />
folgen soll, ermittelt. Die genaue Schnittstelle wird mit Dichtemessern vorgenommen.<br />
Die beiden Partien werden dann durch das Öffnen und Schließen verschiedener Ab-<br />
sperreinrichtungen getrennt und in den entsprechenden Rohrleitungen zu den Abneh-<br />
mern befördert. 185<br />
Beim Transport des Rohöls durch die Pipeline spielt die Fließfähigkeit eine wichtige<br />
Rolle. Diese wird vor allem durch die Viskosität und den Paraffingehalt beeinflusst. Die<br />
Viskosität des Rohöls nimmt mit abnehmender Temperatur zu und muss deshalb ge-<br />
gebenenfalls durch Heizstationen und wärmeisolierte Rohrleitungen aufrecht erhalten<br />
werden. 186<br />
Die Paraffine und andere Bestandteile des Rohöls setzten sich mit der Zeit an den<br />
Rohrwänden ab, was zu einer Reduzierung der Fließgeschwindigkeit führt. Um diese<br />
Ablagerungen weitestgehend zu verhindern, werden so genannte Reinigungsmolche<br />
eingesetzt. Sie haben denselben Innendurchmesser wie das Rohr und verfügen über<br />
Bürsten und Schaber. Die Reinigungsmolche werden mit dem Rohöl durch die Pipeline<br />
befördert und sorgen dafür, dass die Ablagerungen entfernt werden. Zudem kann da-<br />
durch der Korrosion innerhalb der Rohre entgegengewirkt werden. 187<br />
Bei den Rohrfernleitungen wird außerdem zwischen Onshore-Pipelines und Offshore-<br />
Pipelines unterschieden. Onshore-Pipelines sind Rohrfernleitungen die sich auf dem<br />
Festland erstrecken. Offshore-Pipelines verlaufen hingegen auf dem Meeresboden.<br />
Die sich in Gewässern befindenden Pipelines überbrücken entweder Meere (z.B. Alge-<br />
rien-Italien-Pipeline) oder sie verbinden Offshore-Bohrungen mit dem Festland (z.B.<br />
Ekofisk-Emden-Pipeline in der Nordsee). Der Bau einer solchen Offshore-Pipeline ist<br />
jedoch mit einem extrem hohen Aufwand verbunden und äußerst kostenintensiv. 188<br />
183<br />
Vgl. Sauer, E. (2003): Energietransport, -speicherung, -verteilung. S. 13.<br />
184<br />
Vgl. Schieck, A. (2008): Internationale Logistik. S. 337.<br />
185<br />
Vgl. MWV. (2006): Mineralölversorgung mit Pipelines. S. 9.<br />
186<br />
Vgl. Zahoransky, R. (2009): Energietechnik. S. 352.<br />
187<br />
Vgl. MWV. (2006): Mineralölversorgung mit Pipelines. S. 9.<br />
188<br />
Vgl. http://www.uni-protokolle.de/Lexikon/Pipeline_%28Transport%29.html, vom 02.03.2010.
3 Logistischer Prozess Erdöl 53<br />
Überwachung<br />
Die Steuerung und Überwachung der Pipelines erfolgt grundsätzlich von einer zentra-<br />
len Stelle, die rund um die Uhr besetzt ist. Die Steuerzentrale verfügt über Verbindun-<br />
gen zu allen Messstationen, Pumpen und Schiebern, die mit Hilfe von Prozessrechnern<br />
gesteuert werden können. Betriebsstörungen der Pipeline werden umgehend in der<br />
Steuerzentrale gemeldet. Es liegen somit permanent alle wichtigen Informationen zu<br />
der Pipeline und dem Transportgut vor.<br />
Zudem prüfen spezielle Computerprogramme kontinuierlich die gesamte Pipeline auf<br />
potentielle Schwachstellen und orten diese gegebenenfalls. Somit können mögliche<br />
Defekte umgehend beseitigt werden. Die meisten Schäden an Pipelines werden jedoch<br />
bei Grabungsarbeiten durch Dritte verursacht. Um diese Gefahr zu reduzieren, werden<br />
die Pipelines monatlich mehrfach begangen und mit Hilfe von Hubschraubern kontrol-<br />
liert. 189<br />
Für den Bau und Betrieb von Pipelines existieren weltweit, aufgrund der ausgehenden<br />
Gefahren für die Umwelt, zahlreiche Rechtsgrundlagen. Allein in Deutschland sind rund<br />
30 Gesetze, Verordnungen, Vorschriften und Richtlinien einzuhalten. Beispielsweise<br />
müssen Pipelines grundsätzlich in vorgeschriebenen Mindesttiefen in der Erde verlegt<br />
werden. Die Einhaltung dieser Gesetzesgrundlagen wird durch den Staat überwacht<br />
und gewährleistet ein beträchtliches Sicherheitsniveau. 190<br />
3.2.1.3 Bedeutende Rohölpipelines<br />
Im Folgenden werden ausgewählte Pipelines vorgestellt, die das Rohöl vom Förderort<br />
in die Verbraucherregion bzw. zum Verschiffungshafen transportieren. Die weiteren<br />
relevanten Pipelines, die die Anlandehäfen mit den Raffinerien verbinden, werden in<br />
Kapitel 3.3.1 aufgezeigt.<br />
Die russische Druschba-Pipeline (zu deutsch „Pipeline der Freundschaft“) verbindet in<br />
drei Strängen die Ölfelder im Westen Sibiriens mit einigen westeuropäischen Raffine-<br />
rien. An der Grenze zu Weißrussland teilt sich die Leitung in einen nördlichen und süd-<br />
lichen Abschnitt. Der nördliche Teil verläuft über Polen nach Deutschland. Der südliche<br />
Abschnitt teilt sich in der Ukraine erneut. Das erste Teilstück führt über Ungarn nach<br />
Kroatien, das andere über die Slowakei nach Tschechien. Der Bau des Abschnitts zwi-<br />
schen Prag und Karlsruhe ist bereits geplant (Abbildung 28) 191 .<br />
Die Transportkapazität der Druschba-Pipeline beträgt täglich ca. zwei Mio. Barrel.<br />
Nach Deutschland gelangen pro Tag rund 0,5 Mio. Barrel, womit die Pipeline eine<br />
wichtige Rolle für die deutsche Rohölversorgung spielt. Betrieben wird sie von dem<br />
189<br />
Vgl. MWV. (2006): Mineralölversorgung mit Pipelines. S. 12-15.<br />
190<br />
Vgl. MWV. (2006): Mineralölversorgung mit Pipelines. S. 10.<br />
191<br />
Vgl. http://www.agenda21-treffpunkt.de/lexikon/Druschba-Pipeline.htm, vom 03.03.2010.
3 Logistischer Prozess Erdöl 54<br />
Unternehmen Transneft, das vom russischen Staat gelenkt wird. Insgesamt ist die Pi-<br />
peline mehr als 5.000 km lang und wurde im Jahr 1964 fertiggestellt. 192<br />
Abbildung 28: Druschba-Pipeline 193<br />
Die Baku-Tiflis-Ceyhan-Pipeline (BTC-Pipeline), die auch Transkaukasische Pipeline<br />
genannt wird, führt von den Erdölvorkommen nahe des Kaspischen Meers bei Baku<br />
über Tbilisi (Georgien) an die Küste des Mittelmeers bei Ceyhan (Türkei). In dem türki-<br />
schen Mittelmeerhafen befindet sich eine Verladestation für Tankschiffe (Abbildung<br />
29). 194<br />
Abbildung 29: BTC-Pipeline 195<br />
Die insgesamt 1.750 km lange Pipeline wurde im Jahr 2005 in Betrieb genommen. 196<br />
Die Kapazität beträgt rund eine Mio. Barrel pro Tag. Die Pipeline besitzt außerdem<br />
eine beträchtliche strategische Bedeutung, da das Rohöl aus der kaspischen Region in<br />
den Westen transportiert werden kann, ohne russischen oder iranischen Boden zu be-<br />
rühren. Aufgrund der Verladestation im Hafen in Ceyhan kann zudem die Durchfahrt<br />
der Tankschiffe durch die gefährlichen türkischen Meerengen (Bosporus und Dardanel-<br />
len) vermieden werden. 197<br />
192 Vgl. http://www.agenda21-treffpunkt.de/lexikon/Druschba-Pipeline.htm, vom 03.03.2010.<br />
193 http://www.20min.ch/interaktiv/pipelines/film.html, vom 03.03.2010.<br />
194 Vgl. http://www.agenda21-treffpunkt.de/lexikon/BTC-Pipeline.htm, vom 03.03.2010.<br />
195<br />
http://www.20min.ch/interaktiv/pipelines/film.html, vom 03.03.2010.<br />
196<br />
Vgl. http://www.ilf.com/index.php?id=90&L=0, vom 03.03.2010.<br />
197<br />
Vgl. http://www.agenda21-treffpunkt.de/lexikon/BTC-Pipeline.htm, vom 03.03.2010.
3 Logistischer Prozess Erdöl 55<br />
Die Tengiz–Noworossisk-Pipeline ist auch unter der Abkürzung CPC, welche für<br />
Caspian Pipeline Consortium steht, bekannt. Sie verbindet die Erdölvorkommen in<br />
Tengiz am Kaspischen Meer (Kasachstan) mit dem russischen Schwarzmeerhafen<br />
Noworossisk (Abbildung 30). 198<br />
Abbildung 30: Tengiz–Noworossisk-Pipeline 199<br />
Die Pipeline ist 1.510 km lang und verfügt über eine Kapazität von derzeit 650.000 Bar-<br />
rel pro Tag. Der Betrieb startete im Jahr 2001. 200<br />
Die Trans-Alaska-Pipeline besitzt eine enorme Bedeutung für die Rohölversorgung<br />
der USA. Sie verläuft durch Alaska von Prudhoe Bay im Norden zum eisfreien Hafen<br />
von Valdez im Süden. 201<br />
Abbildung 31: Trans-Alaska-Pipeline 202<br />
Die Transportkapazität beläuft sich auf rund 760.000 Barrel Rohöl pro Tag. Die Pipeli-<br />
ne hat insgesamt eine Länge von 1.287 km und startete ihren Betrieb im Jahr 1977. 203<br />
198<br />
Vgl. http://www.20min.ch/interaktiv/pipelines/film.html, vom 03.03.2010.<br />
199<br />
http://www.20min.ch/interaktiv/pipelines/film.html, vom 03.03.2010.<br />
200<br />
Vgl. http://www.cpc.ru/portal/alias!press/lang!en-US/tabID!3357/DesktopDefault.aspx, vom<br />
03.03.2010.<br />
201<br />
Vgl. http://www.alyeska-pipe.com/Pipelinefacts/FINALfacts%202007.pdf, vom 03.03.2010.<br />
202 http://www.knowledgerush.com/kr/encyclopedia/Trans-Alaska_Pipeline_System/, vom<br />
03.03.2010.
3 Logistischer Prozess Erdöl 56<br />
3.2.1.4 Vor- und Nachteile des Pipelinetransports<br />
Pipelines verfügen über eine Reihe von Eigenschaften die beim Transport von flüssi-<br />
gen und gasförmigen Massengütern vorteilhaft gegenüber anderen Transportmitteln<br />
sind. Es ist ein Punkt-Punkt-Verkehr von großen Mengen über weite Entfernungen<br />
möglich, d.h. es sind keine Umschlagsvorgänge nötig und somit fallen keine Zeitverlus-<br />
te an. Es wird ausschließlich das Transportgut bewegt und nicht das Transportmittel<br />
oder das Transportgefäß.<br />
Der Pipelinetransport ist unabhängig von Witterungseinflüssen (z.B. Hoch- und Nied-<br />
rigwasser) und entlastet die Schienen-, Straßen- und Schifffahrtswege. Es werden kei-<br />
ne Abgase produziert und die Lärmbelastung ist auf ein Minimum reduziert. Zudem<br />
wird durch die Nutzung des natürlichen Fließvermögens des Transportgutes ein hoher<br />
Wirkungsgrad beim Transport erzielt, was die Pipeline zu einem der umweltschonends-<br />
ten Transportmittel macht.<br />
Den zahlreichen Vorteilen stehen jedoch einige Nachteile gegenüber. Der Bau einer<br />
Pipeline ist äußerst kapitalintensiv. Die Investitionskosten liegen im Durchschnitt zwi-<br />
schen ein und zwei Mio. Euro je km Pipeline. Deshalb erfordern Pipelines eine hohe<br />
Auslastung und können lediglich bei langfristigen und kontinuierlichen Transportbezie-<br />
hungen wirtschaftlich betrieben werden. Eine räumliche Flexibilität ist nicht gegeben,<br />
da sich der Lieferort ausschließlich an der Lage der Pipeline orientiert und somit keine<br />
flächendeckenden Transporte möglich sind. Zudem kann auf Schwankungen der<br />
Transportmengen nur in geringem Umfang Einfluss genommen werden, da die Kapazi-<br />
tät bestimmte Grenzen erreicht. 204<br />
3.2.2 Schiff<br />
Rohöltransporte zwischen den Kontinenten werden prinzipiell mit Tankschiffen ausge-<br />
führt. Dabei werden die Ozeane, die rund 70 % der Erdoberfläche bedecken, als<br />
Transportinfrastruktur für die Seeschifffahrt genutzt. 205 Unter der Seeschifffahrt wird<br />
grundsätzlich die Schifffahrt auf dem Meer verstanden. 206 So wurden im Jahr 2008<br />
mehr als 50 % des gesamten weltweit geförderten Rohöls über den Seeweg mit Tank-<br />
schiffen transportiert. 207 Zudem ist Rohöl das am häufigsten transportierte Massengut<br />
im Seegüterverkehr. 208<br />
3.2.2.1 Geschichtlicher Rückblick<br />
Die Geschichte der Schifffahrt beginnt im 4. Jahrtausend v. Chr. mit der Erfindung des<br />
Segels im Indischen Ozean und Roten Meer. Die Nutzung der Windkraft war damals<br />
203 Vgl. http://www.alyeska-pipe.com/Pipelinefacts/FINALfacts%202007.pdf, vom 03.03.2010.<br />
204 Vgl. Bayernoil (2009): Pipelinesicherheit. S. 5.<br />
205 Vgl. Schieck, A. (2008): Internationale Logistik. S. 177.<br />
206 Vgl. http://www.logistikbranche.net/verkehrstraeger/seeschifffahrt.html, vom 03.03.2010.<br />
207 Vgl. EV. (2008): Jahresbericht 2008. S. 5.
3 Logistischer Prozess Erdöl 57<br />
für die Menschheit ein großer Fortschritt. Insgesamt wurden die mit Segeln ausgestat-<br />
teten Holzschiffe mehr als 5.000 Jahre genutzt.<br />
Mit der Erfindung der Dampfmaschine wurden Mitte des 19. Jahrhunderts erstmals<br />
maschinell angetriebene Schiffe gebaut. Eine weitere Innovation war der Ersatz des<br />
Baustoffes Holz durch Eisen und Stahl. Im 20. Jahrhundert setzte sich dann der Die-<br />
selmotor als Schiffsantrieb durch. 209<br />
Ab dem Jahr 1859 wurde Erdöl in Fässern auf Schiffen transportiert. 1886 wurde das<br />
erste Tankschiff in Betrieb genommen, bei dem der Schiffskörper als Behälter für die<br />
zu transportierende Flüssigkeit genutzt wurde. Das Schiff „Glückauf“ wurde in New-<br />
castle (Großbritannien) gebaut und für den Transport von Erdöl eingesetzt. Die „Glück-<br />
auf“ verfügte über eine Tragfähigkeit von 2.750 tdw (tons deadweight). 210 Die Frachtka-<br />
pazität von Schiffen wird in tdw (1 tdw = 1.016 kg) angegeben, die die Gesamttragefä-<br />
higkeit eines Schiffes einschließlich der Betriebslast ausdrückt. 211<br />
Während des Zweiten Weltkriegs setzte die USA bereits größere Tankschiffe ein, die<br />
Frachtkapazitäten von bis zu 16.600 tdw erreichten. Im Jahr 1953 wurde das bekannte<br />
Tankschiff „Tina Onassis“ in Hamburg fertiggestellt. Mit einer Kapazität von 48.000 tdw<br />
war es damals das größte Tankschiff der Welt. Bereits im Jahr 1964 wurde der erste<br />
Tanker mit einer Frachtkapazität von 100.000 tdw gebaut. 212 Die Entwicklung immer<br />
noch größerer Tankschiffe hält bis heute Einzug. Das größte jemals gebaute Tankschiff<br />
besitzt eine Ladekapazität von 650.000 tdw. 213<br />
3.2.2.2 Tankschiff<br />
In der Schifffahrt gibt es zahlreiche unterschiedliche Schiffstypen. Für den maritimen<br />
Rohöltransport werden jedoch ausschließlich Tankschiffe eingesetzt. Tanker sind<br />
Schiffe für flüssige Massengüter wie z.B. Wasser, Rohöl und Mineralölprodukte. 214 Die<br />
Tanker haben bis auf die Schiffsbrücke ein flaches Deck, das ansonsten keine Aufbau-<br />
ten trägt. 215<br />
Die weltweite Flotte an Tankschiffen ist mit der Zeit stetig angewachsen. Heute sind<br />
rund ein Drittel aller Schiffe, die die Welthandelsflotte umfasst, Tankschiffe. 216 Dies ent-<br />
spricht einer Anzahl von rund 7.400 Tankern. 217 International werden die Tankschiffe in<br />
verschiedene Größenklassen eingeteilt, die in Tabelle 2 aufgeführt sind.<br />
208<br />
Vgl. Schieck, A. (2008): Internationale Logistik. S. 182.<br />
209<br />
Vgl. Schieck, A. (2008): Internationale Logistik. S. 178.<br />
210<br />
Vgl. Sauer, E. & Zeise, R. (1982): Energietransport, -speicherung und –verteilung. S. 14.<br />
211 Vgl. Vahrenkamp, R. (2007): Logistik – Management und Strategien. S. 317.<br />
212 Vgl. Sauer, E. & Zeise, R. (1982): Energietransport, -speicherung und –verteilung. S. 14.<br />
213 Vgl. http://www.uni-protokolle.de/Lexikon/Tankschiff.html, vom 03.03.2010.<br />
214 Vgl. Vahrenkamp, R. (2007): Logistik – Management und Strategien. S. 317.<br />
215 Vgl. http://www.uni-protokolle.de/Lexikon/Tankschiff.html, vom 03.03.2010.<br />
216 Vgl. Schieck, A. (2008): Internationale Logistik. S. 203.<br />
217 EV. (2003): Erdöl – Entstehung, Förderung und Verarbeitung. S. 17.
3 Logistischer Prozess Erdöl 58<br />
Tabelle 2: Schiffsgrößenklassen beim Öltransport 218<br />
Größenklassen Abkürzung Frachtkapazität in tdw<br />
Ultra Large Crude Carrier ULCC ≥ 300.000<br />
Very Large Crude Carrier VLCC 150.000 - 300.000<br />
Suezmax-Tanker 120.000 - 150.000<br />
Large Range Carrier 45.000 - 150.000<br />
Panamax-Tanker 45.000 - 80.000<br />
Handy Size-Tanker 20.000 - 45.000<br />
Panamax-Tanker können aufgrund ihrer Frachtkapazität den Panamakanal noch<br />
durchfahren. Das gleiche gilt für die Suezmax-Tanker, die noch durch den Suezkanal<br />
fahren können. ULCC und VLCC sind hingegen so groß, dass sie beispielsweise beim<br />
Transport von Rohöl aus dem Persischen Golf um das Kap der Guten Hoffnung herum-<br />
fahren müssen, da sie für den Suezkanal zu groß sind. 219 Ein Tankschiff ist in<br />
Abbildung 32 dargestellt.<br />
Abbildung 32: Tankschiff 220<br />
Generell wird ein Tankschiff als Supertanker bezeichnet, wenn es ein Gesamtgewicht<br />
von 250.000 tdw überschreitet. 221 Das größte jemals gebaute Tankschiff trägt den Na-<br />
men „Jahre Viking“ und besitzt eine Frachtkapazität von 650.000 tdw. Allerdings sind<br />
218 In Anlehnung an Kugeler, K. & Kugeler, O. & Dienhart, M. (2002): Energiehandbuch. S. 681.<br />
219 Vgl. Vahrenkamp, R. (2007): Logistik – Management und Strategien. S. 317.<br />
220 BP. (2008): Erdöl bewegt die Welt. S. 28.
3 Logistischer Prozess Erdöl 59<br />
solche riesigen Schiffe recht selten, da sie im Betrieb relativ unflexibel sind. 222 Bei-<br />
spielsweise hat ein ULCC mit 300.000 tdw eine Länge von 350 m, eine Breite von 55 m<br />
und einen Tiefgang von 22 m.<br />
Weltweit sind nur wenige Häfen für Schiffe dieser Dimensionen geeignet. In Europa<br />
gehören dazu z.B. Genua, Hamburg, Marseille, Rotterdam oder Wilhelmshaven. 223 Die<br />
geringeren Kosten, die für den Transport über See aufgrund der beförderten Mengen<br />
anfallen, werden durch längere Be- und Entladezeiten und die benötige Hafeninfra-<br />
struktur wieder aufgehoben. 224 Ebenso wird die Nutzung der großen Kanäle und Meer-<br />
engen durch die immensen Größen der Supertanker eingeschränkt. Deswegen werden<br />
überwiegend Tankschiffe mit der Standardgröße von rund 200.000 tdw eingesetzt. 225<br />
Aufbau eines Tankschiffes<br />
Schiffe werden ausschließlich aus Stahl gefertigt. Angetrieben werden sie größtenteils<br />
von Dieselmotoren. Dampf- und Gasturbinen kommen hingegen nur selten zum Ein-<br />
satz. Der Motor bringt dabei Propeller in Gang, die ihre Kraft an das Wasser weiterge-<br />
ben. 226 Die Tankschiffe erreichen dabei eine Geschwindigkeit von 14 bis 17 Seemeilen<br />
pro Stunde, was rund 30 km/h entspricht. Für eine Transportdistanz von 10.000 km<br />
werden für die Hin- und Rückfahrt des Schiffes ca. 3 % der transportierten Energie für<br />
den Antrieb verbraucht. 227 Die Navigation in den Ozeanen erfolgt mit technischen Ein-<br />
richtungen.<br />
Am Heck des Schiffes befinden sich die Schiffsbrücke und der Maschinenraum. Der<br />
davorliegende Teil dient dem Gütertransport. 228 Tankschiffe haben in diesem Bereich<br />
mehrere zellenförmige Tanks. Die zahlreichen Tanks gewährleisten die Stabilität des<br />
Schiffes und tragen zur Sicherheit bei (Abbildung 33). Bei einem kleineren Unfall kön-<br />
nen beispielsweise nur geringe Mengen der Ladung entweichen. Zudem können auf-<br />
grund der Vielzahl der Tanks verschiedene Produkte gleichzeitig transportiert werden.<br />
Die Ladetanks sind zusätzlich mit Heizschlangen durchzogen. Zum Einen wird durch<br />
die Beheizung das Rohöl pumpfähig gehalten und zum Anderen werden Veränderun-<br />
gen des Volumens beim Transport durch verschiedene Klimazonen vermieden. 229 Die<br />
Ladetanks bestehen aus Edelstahl und werden mit einer speziellen Beschichtung<br />
überzogen. 230<br />
221 Vgl. http://www.uni-protokolle.de/Lexikon/Tankschiff.html, vom 03.03.2010.<br />
222 Vgl. Schieck, A. (2008): Internationale Logistik. S. 203.<br />
223 Vgl. Kugeler, K. & Kugeler, O. & Dienhart, M. (2002): Energiehandbuch. S. 681.<br />
224<br />
Vgl. Vahrenkamp, R. (2007): Logistik – Management und Strategien. S. 326.<br />
225<br />
Vgl. Schieck, A. (2008): Internationale Logistik. S. 203.<br />
226<br />
Vgl. Schieck, A. (2008): Internationale Logistik. S. 200.<br />
227<br />
Vgl. Kugeler, K. & Kugeler, O. & Dienhart, M. (2002): Energiehandbuch. S. 681-682.<br />
228<br />
Vgl. Schieck, A. (2008): Internationale Logistik. S. 200.<br />
229<br />
Vgl. BP. (2008): Erdöl bewegt die Welt. S. 30.<br />
230<br />
Vgl.http://www.donauschifffahrt.info/index.php?id=504&no_cache=1&sword_list[0]=tank<br />
schiff, vom 04.03.2010.
3 Logistischer Prozess Erdöl 60<br />
Abbildung 33: Aufbau eines Tankschiffes 231<br />
Ein technischer Fortschritt der in den letzten Jahren im Tankerschiffsbau erzielt wurde,<br />
ist der Bau von so genannten Doppelhüllentankern. Der Tankerrumpf verfügt dabei<br />
über eine doppelwandige Hülle, die im Falle einer Beschädigung des Schiffsrumpfes<br />
den Austritt des Ladegutes erschwert (Abbildung 34). 232<br />
Abbildung 34: Doppelhüllentanker 233<br />
Die innovative Bauweise setzt sich in der Praxis jedoch nur sehr langsam durch, da die<br />
Betriebsdauern der Schiffe relativ lang sind und ausschließlich neue Tankschiffe über<br />
231 BP. (2008): Erdöl bewegt die Welt. S. 30.<br />
232 Vgl. http://www.energiewirtschaft.net/HTML/SCM.html, vom 05.03.2010.<br />
233 BP. (2008): Erdöl bewegt die Welt. S. 29.
3 Logistischer Prozess Erdöl 61<br />
diese Technik verfügen. Ein Verbot des Anlaufens europäischer Häfen durch Einhül-<br />
lentanker ist allerdings bereits für das Jahr 2015 beschlossen. 234<br />
Umweltaspekte<br />
Der Rohöltransport stellt vor allem für die Umwelt ein großes Risiko dar. Aufgrund der<br />
immensen Transportmengen haben Tankerunglücke beträchtliche Auswirkungen auf<br />
die Umwelt. So wurden in der Vergangenheit durch Verschmutzungen der Meere und<br />
Strände große Schäden im Ökosystem verursacht. Als Beispiele dafür können die Un-<br />
fälle mit der Amoco Cadiz, Exxon Valdez und Prestige genannt werden. 235<br />
Der Tanker Amoco Cadiz kollidierte im Jahr 1978 mit einem Felsen an der Küste der<br />
Bretagne (Frankreich) und brach auseinander. Daraufhin gelangten rund 223.000 t<br />
Rohöl ins Meer und verseuchten 200 km des Strandes bei Brest. Aufgrund menschli-<br />
chen Versagens stieß das Tankschiff Exxon Valdez 1989 mit einem Riff zusammen.<br />
Dabei strömen ca. 42.000 t Rohöl ins Meer und verschmutzen die Küste Alaskas. Im<br />
Jahr 2002 havarierte der Tanker Prestige bei einem Sturm vor der Küste Galiciens. Es<br />
gelangten rund 64.000 t Öl ins Meer, das die spanische und französische Küste ver-<br />
schmutzte. 236<br />
Zahlreiche internationale Vorschriften (z.B. Internationale Maritime Dangerous Goods<br />
Code) und nationale Verordnungen (z.B. Gefahrgutverordnung See) sollen deshalb die<br />
Gefahren für die Umwelt minimieren. 237 Global zuständig für die Sicherheitsstandards<br />
der Tankfahrt ist die International Maritime Organization (IMO). 238 Insbesondere ist die<br />
Reinigung der Tanks, die in der Vergangenheit auf See ausgeführt wurde, nur noch in<br />
den Häfen erlaubt. 239<br />
Umschlagsprozess und Transport<br />
Der Transport des Rohöls von den Tanklagern des Föderorts zum Seehafen erfolgt<br />
grundsätzlich per Pipeline (siehe Kapitel 3.2.1). Wichtige Erdölladehäfen befinden sich<br />
beispielsweise in Arzew (Algerien), Ceyhan (Türkei), Mena al Ahmadi (Kuwait), Nowo-<br />
rossisk (Russland), Ras Tanura (Saudi Arabien) und Suspa (Georgien). 240 Im Hafen<br />
wird das Rohöl zunächst in großen oberirdischen Tanklagern, mit einer Kapazität von<br />
bis zu 100.000 m 3 , zwischengelagert. Anschließend erfolgt der Umschlag auf das<br />
Tankschiff. 241<br />
Die technischen Einrichtungen die für den Umschlagsprozess benötigt werden, befin-<br />
den sich zum größten Teil an Bord des Tankschiffes. Die restlichen technischen Kom-<br />
234 Vgl. http://www.energiewirtschaft.net/HTML/SCM.html, vom 05.03.2010.<br />
235 Vgl. Kugeler, K. & Kugeler, O. & Dienhart, M. (2002): Energiehandbuch. S. 682.<br />
236<br />
Vgl. Niedek, I. & Frater, H. (2003): Naturkatastrophen. S. 183.<br />
237<br />
Vgl. Schieck, A. (2008): Internationale Logistik. S. 200.<br />
238<br />
Vgl. EV. (2003): Erdöl – Entstehung, Förderung und Verarbeitung. S. 17.<br />
239 Vgl. Kugeler, K. & Kugeler, O. & Dienhart, M. (2002): Energiehandbuch. S. 682.<br />
240 Vgl. http://www.20min.ch/interaktiv/pipelines/film.html, vom 08.03.2010.<br />
241 Vgl. MWV. (2006): Mineralölversorgung mit Pipelines. S. 7.
3 Logistischer Prozess Erdöl 62<br />
ponenten (z.B. Rohrleitungen und Schläuche) werden vom Hafen bereitgestellt. 242 In<br />
der Mitte des Tankers befindet sich ein so genannter Manifoldkran. Mit ihm werden die<br />
Schläuche für den Umschlag von Land an Bord gehoben, um sie mit dem Leitungssys-<br />
tem des Schiffes zu verbinden. 243<br />
Nachdem die Schläuche des Tankschiffes mit den Rohrleitungen der Tanklager des<br />
Hafens verbunden sind, erfolgt der Umschlag mit dem schiffseigenen Pumpsystem. 244<br />
Die Ladepumpen erreichen dabei eine Leistung von bis zu 10.000 t pro Stunde. Der<br />
gesamte Umschlagsprozess wird dabei mit einem Ladungsrechner, der sich an Bord<br />
des Tankschiffes befindet, überwacht. Mit dessen Hilfe lassen sich alle Kräfte, die auf<br />
das Schiff einwirken, vorhersagen. 245 Ist das Tankschiff vollständig beladen, wird das<br />
Leitungssystem wieder getrennt.<br />
Ist der Umschlagsprozess abgeschlossen, begibt sich das Tankschiff auf die Reise<br />
zum Anlandehafen. Die Rohöllieferungen nach Deutschland erfolgen jedoch nicht nur<br />
in deutsche Häfen, sondern in logistisch günstig gelegene Standorte. 246 In Tabelle 3<br />
sind die Anlandestationen für die Rohölversorgung Deutschlands im Jahr 2007 aufge-<br />
führt.<br />
Tabelle 3: Anlandestationen von Rohöl der BRD 2007 247<br />
Anlandestationen<br />
Erdölanlandungen<br />
in Mio. t<br />
Weser-/Jade-/Ems-Häfen (Bremen, Wilhelmshaven, Emden) 30,4 Mio. t<br />
Triest 23,5 Mio. t<br />
Heinersdorf/Schwedt 21,2 Mio. t<br />
Rhein-/Schelde-Häfen (Rotterdam, Antwerpen) 13,9 Mio. t<br />
Marseille/Lavera 8,9 Mio. t<br />
Elbe-Hafen (Hamburg-Brunsbüttel) 7,5 Mio. t<br />
Rostock 0,9 Mio. t<br />
insgesamt 106,3 Mio. t<br />
Auf die Nordseehäfen Bremen, Wilhelmshaven und Emden entfielen insgesamt 30,4<br />
Mio. t, wobei Wilhelmshaven den weitaus größten Anteil besaß. In Triest wurden ins-<br />
gesamt 23,5 Mio. t und in den Häfen Rotterdam und Antwerpen zusammen 13,9 Mio. t<br />
angelandet, die anschließend nach Deutschland befördert wurden. Weitere Lieferun-<br />
gen entfielen auf die Anlandestationen in Marseille und Lavera, den Elbe-Hafen und<br />
den Hafen in Rostock. In Abbildung 35 ist der Rotterdamer Hafen zu sehen.<br />
242 Vgl. Schieck, A. (2008): Internationale Logistik. S. 205.<br />
243 Vgl. http://www.uni-protokolle.de/Lexikon/Tankschiff.html, vom 08.03.2010.<br />
244 Vgl. Schieck, A. (2008): Internationale Logistik. S. 203.<br />
245 Vgl. http://www.uni-protokolle.de/Lexikon/Tankschiff.html, vom 08.03.2010.<br />
246 Vgl. MWV. (2006): Mineralölversorgung mit Pipelines. S. 7.<br />
247 In Anlehnung an Schiffer, H. (2008): Energiemarkt Deutschland. S. 58.
3 Logistischer Prozess Erdöl 63<br />
Abbildung 35: Hafen in Rotterdam 248<br />
Hat das Tankschiff den Hafen erreicht, wird es in das entsprechende Anlandeterminal<br />
gewiesen. Dort erfolgt der Umschlagsprozess der Entladung, der gleichermaßen ab-<br />
läuft wie bei der Beladung. Der Unterschied besteht jedoch darin, dass das Rohöl aus<br />
den Ladetanks des Schiffes in die oberirdischen Tanklager des Hafens gepumpt wird.<br />
Nachdem das Rohöl aus dem Tankschiff entladen wurde, wird es bis zum Weitertrans-<br />
port in Tanks zwischengelagert.<br />
Die Zwischenlagerung ist notwendig, da die gesamte Ladung die ein Tanker anliefert<br />
nicht umgehend weitertransportiert werden kann. Weder eine Pipeline noch Binnen-<br />
schiffe können das Ladevolumen eines Tankschiffes innerhalb des Entladezeitraums<br />
bewältigen. Zudem wird in den meisten Rohölhäfen ein gewisser Vorrat gelagert, damit<br />
der Rohölfluss zu den Raffinerien nicht unterbrochen wird und ein kontinuierlicher Pipe-<br />
linebetrieb möglich ist, wenn beispielsweise eine Rohöllieferung verspätet eintrifft. 249<br />
Die Lagerung erfolgt in großen Tankbehältern aus Stahl, die zumeist durch doppelte<br />
Wände gegen Leckagen geschützt sind. Große überirdische Tanks unterscheiden sich<br />
aufgrund ihres Daches. Bei Festdachtanks entsteht bei der Be- und Entfüllung ein Luft-<br />
austausch, der zu Geruchsbelästigung und Verdunstung führt. Deshalb kommen oft<br />
Schwimmdachtanks zum Einsatz. Sie besitzen eine aufschwimmende Folienabde-<br />
ckung und umgehen die Nachteile des Festdachtanks. Durch unterirdische Leitungen<br />
sind die Tanks miteinander verbunden. 250<br />
3.2.2.3 Vor- und Nachteile des Seeschiffstransportes<br />
Der Seeschiffstransport besitzt zahlreiche Vorteile gegenüber anderen Transportmit-<br />
teln. Durch die enorm hohe Massenleistungsfähigkeit können gegenüber anderen<br />
248 BP. (2008): Erdöl bewegt die Welt. S. 30.<br />
249 Vgl. http://www.energiewirtschaft.net/HTML/SCM.html, vom 08.03.2010.<br />
250 Vgl. Zahoransky, R. (2009): Energietechnik. S. 357.
3 Logistischer Prozess Erdöl 64<br />
Transportmitteln extrem große Mengen transportiert werden. 251 Der Seeschifffahrts-<br />
transport ist besonders geeignet für die Beförderung von Gütern zwischen Kontinenten<br />
und hat dadurch eine hohe Netzbildungsfähigkeit, die jedoch an den Küsten der Meere<br />
endet. 252 Zudem ist der Seegüterverkehr mit einer hohen Transportsicherheit ausges-<br />
tattet und ist verhältnismäßig umweltfreundlich, da der Energieverbrauch je Transport-<br />
einheit äußerst gering ist. Außerdem ist die Beförderung durch die große Anzahl an<br />
Transporteinheiten relativ kostengünstig und deshalb wirtschaftlich.<br />
Der Seegüterverkehr weist jedoch auch einige Nachteile auf. Die Schiffe sind aufgrund<br />
ihrer geringen Geschwindigkeit bei Transporten über größere Distanzen lange Zeit<br />
unterwegs. Die Beförderung ist von den gegebenen Witterungsverhältnissen abhän-<br />
gig. 253 Es besteht eine eingeschränkte räumliche Flexibilität im Bezug auf Transporte<br />
ins Binnenland. Zudem haben größere Kollisionen, insbesondere mit Rohöltankern,<br />
verheerende Auswirkungen auf das Ökosystem. 254<br />
3.3 Transport zur Weiterverarbeitung in Raffinerie<br />
Das Rohöl, das per Pipeline oder Tankschiff in die Verbraucherregion gelangt, wird<br />
überwiegend mit Pipelines zu den Raffinerien weitertransportiert. 255 In Abhängigkeit<br />
von der geografischen Lage werden jedoch auch einzelne Raffineriestandorte mit Bin-<br />
nentankschiffen beliefert. 256 Das Rohöl wird jedoch nicht immer direkt in die Raffinerie<br />
weitertransportiert. Aufgrund der gesetzlich geregelten Pflichtbevorratung wird Rohöl in<br />
Deutschland für einen Krisenfall gelagert. Auf die Pflichtbevorratung von Rohöl und<br />
Mineralölprodukten wird allerdings erst in Kapitel 3.5 eingegangen. Im Folgenden wer-<br />
den die Pipelinetransportwege und das Transportmittel Binnentankschiff näher betrach-<br />
tet.<br />
3.3.1 Pipeline<br />
Da das Transportmittel Pipeline bereits in Kapitel 3.2.1 eingehend beschrieben wurde,<br />
werden in diesem Abschnitt ausschließlich die für Deutschland relevanten Pipelinever-<br />
bindungen zu den Raffineriestandorten aufgezeigt.<br />
In Deutschland existieren insgesamt 14 Raffinerien, die Rohöl weiterverarbeiten und<br />
die alle über eine direkte Rohölpipelineanbindung verfügen. Die bedeutenden Standor-<br />
te mit den höchsten Produktionskapazitäten befinden sich in Karlsruhe, Wilhelmsha-<br />
251<br />
Vgl. Gleißner, H. & Femerling, J. (2008): Logistik, Grundlagen – Übungen – Fallbeispiele. S.<br />
54.<br />
252<br />
Vgl. Schieck, A. (2008): Internationale Logistik. S. 177.<br />
253<br />
Vgl. Gleißner, H. & Femerling, J. (2008): Logistik, Grundlagen – Übungen – Fallbeispiele. S.<br />
54.<br />
254<br />
Vgl. Schieck, A. (2008): Internationale Logistik. S. 177.<br />
255 Vgl. MWV. (1999): Mineralöl-Logistik. S. 8.<br />
256 Vgl. http://www.energiewirtschaft.net/HTML/SCM.html, vom 09.03.2010.
3 Logistischer Prozess Erdöl 65<br />
ven, Gelsenkirchen, Spergau und Schwedt (Abbildung 36). Eine genaue Auflistung der<br />
Raffineriestandorte befindet sich im Anhang C.<br />
Der Standort der Raffinerie ist von entscheidender Bedeutung, denn dort trennt sich<br />
der Rohölstrom in eine Vielzahl kleinerer Produktströme. Grundsätzlich werden die<br />
Raffinerien in der Nähe der Verbraucherregionen gebaut. Dies verlängert zwar den<br />
Weg des Rohöls, die Transportwege der Fertigprodukte werden jedoch verkürzt. 257<br />
Die von den Raffinerien angeforderten Rohölpartien gelangen über das deutsche Pipe-<br />
lineversorgungsnetz an die entsprechenden Standorte (Abbildung 36). 258 Die Betreiber<br />
der Pipelines sind in der Regel die gleichen Firmen wie die Beteiligungsgesellschaften<br />
der Raffinerien. 259<br />
Abbildung 36: Raffineriestandorte und Pipelineverbindungen in Deutschland 260<br />
257<br />
Vgl. MWV. (2003): Mineralöl und Raffinerien. S. 13.<br />
258<br />
Vgl. MWV. (2006): Mineralölversorgung mit Pipelines. S. 7.<br />
259<br />
Vgl. MWV. (1999): Mineralöl-Logistik. S. 14.<br />
260<br />
In Anlehnung an http://www.mwv.de/cms/front_content.php?idcat=25, vom 09.03.2010.
3 Logistischer Prozess Erdöl 66<br />
Das Pipelinesystem zu den Raffinerien entstand als die Raffinerien nicht nur in Küs-<br />
tennähe, sondern auch in den Verbraucherregionen gebaut wurden und Rohrleitungen<br />
zur direkten Rohölversorgung benötigt wurden. 261 Im Folgenden werden einige für<br />
Deutschland bedeutende Pipelines kurz vorgestellt.<br />
Die Mineralölverbundleitung (MVL) ist der deutsche Anschluss an die russische<br />
Druschba-Pipeline und führt zunächst von Polen nach Schwedt. Der nördliche Teil der<br />
MVL wurde im Jahr 1969 gebaut und erstreckt sich über 201 km von Schwedt nach<br />
Rostock. Der südliche Teil existiert bereits seit 1967 und hat von Schwedt bis Spergau<br />
eine Gesamtlänge von 338 km. Die Transportkapazitäten der beiden Teilstücke betra-<br />
gen 6,8 bzw. 13,5 Mio. t pro Jahr.<br />
Die Nord-West-Ölleitung (NWO) ging 1958 als erste deutsche Pipeline in Betrieb. Sie<br />
führt über 391 km vom Hafen in Wilhelmshaven nach Köln und verfügt über eine Kapa-<br />
zität von 15,5 Mio. t pro Jahr. Die Rotterdam-Rhein-Pipeline (RRP) verläuft von Rot-<br />
terdam über Venlo nach Köln. Die Gesamtlänge der RRP erstreckt sich über 280 km<br />
und die Transportkapazität beträgt 13,6 Mio. t pro Jahr. Die Südeuropäische-Pipeline<br />
(SEPL) verbindet den Hafen von Lavera bei Marseille mit Karlsruhe und überbrückt<br />
eine Entfernung von 770 km. Die SEPL ist bereits seit 1963 in Betrieb, die Kapazität<br />
beläuft sich auf 35 Mio. t pro Jahr.<br />
Die Transalpine Ölleitung (TAL) ist insgesamt 759 km lang und führt vom Hafen<br />
Triest über Ingolstadt nach Karlsruhe. Dabei überquert sie die Alpen und führt durch<br />
italienisches und österreichisches Gebiet. Im Jahr 1967 wurde die TAL in Betrieb ge-<br />
nommen und verfügt über eine Transportkapazität von 42 Mio. t pro Jahr. 262<br />
Alle wichtigen deutschen Rohölleitungen sind nochmals in Tabelle 4 zusammenge-<br />
fasst.<br />
Tabelle 4: Rohölpipelines in Deutschland 263<br />
Abk.<br />
Völlständige Bezeichnung<br />
(teilweise Leistungsbetreiber)<br />
Anfangs-/ Endpunkt<br />
Inbetriebnahme<br />
Kapazität<br />
in Mio. t<br />
pro Jahr<br />
Länge in km<br />
in<br />
gesamt Deutschland<br />
- Shell Brunsbüttel - Heide 1959 8,5 31 31<br />
MERO Mitteleuropäische Rohölleitung Vohburg - Nelahozeves (CZ) 1995 10 340 180<br />
MVL Mineralölverbundleitung Schwedt - Spergau 1967 13,5 338 338<br />
MVL Mineralölverbundleitung Schwedt - Rostock 1969 6,8 201 201<br />
NDO Norddeutsche-Ölleitung Wilhelmshaven - Hamburg 1983 8 144 144<br />
NWO Nord-West-Ölleitung<br />
Österreichische<br />
Wilhelmshaven - Köln 1958 15,5 391 391<br />
OMV Mineralölverwaltung Steinhöring - Burghausen 1967 3,4 62 62<br />
RRP Rotterdam-Rhein-Pipeline Rotterdam (NL) - Köln 1960 13,6 280 103<br />
SEPL Südeuropäische Pipeline Lavera (F) - Karlsruhe 1963 35 770 24<br />
TAL Transalpine Ölleitung Triest (I) - Karlsruhe 1967 42 759 464<br />
261<br />
Vgl. MWV. (2006): Mineralölversorgung mit Pipelines. S. 3.<br />
262<br />
Vgl. MWV. (2006): Mineralölversorgung mit Pipelines. Anhang.<br />
263<br />
In Anlehnung an MWV. (2006): Mineralölversorgung mit Pipelines. Anhang.
3 Logistischer Prozess Erdöl 67<br />
3.3.2 Tankmotorschiff<br />
Für den Transport des Rohöls zur Weiterverarbeitung in die Raffinerie werden auch<br />
Tankmotorschiffe im Rahmen der Binnenschifffahrt eingesetzt. Unter Binnenschifffahrt<br />
wird die Schifffahrt auf den Binnengewässern, zu denen Flüsse, Kanäle und Seen zäh-<br />
len, verstanden. 264 Die Raffineriestandorte die im Landesinneren gelegen sind, müssen<br />
jedoch einen Anschluss an das Binnenwasserstraßennetz besitzen. In der Praxis<br />
kommen die Tankmotorschiffe zumeist dann zum Einsatz, wenn Bedarfsspitzen in den<br />
Raffinerien abgedeckt werden müssen und die Transportkapazität der Pipelines nicht<br />
ausreicht. 265<br />
3.3.2.1 Geschichtlicher Rückblick<br />
Die Binnenschifffahrt gehört zu den ältesten Verkehrsträgern. Boote, Einbäume, Flöße<br />
und Schiffe gehörten Jahrtausende lang zu den wichtigsten Transportmitteln im Bin-<br />
nenland. Bereits 10.000 v. Chr. wurden Flöße auf dem Nil genutzt. Etwa 9.000 v. Chr.<br />
kamen Fellboote in Europa zum Einsatz. Große Flüsse zählten zu der wichtigsten Inf-<br />
rastruktur des alten Ägyptens, Chinas und Südostasiens.<br />
Neben den Römern nutzten vor allem die Wikinger und Friesen die Handelsschiffe. Sie<br />
drangen mit ihren Schiffen, die zunächst auch für die Seeschifffahrt geeignet waren,<br />
weit in die Flüsse des Binnenlandes ein. Die Schiffe wurden damals gerudert und ge-<br />
segelt. Im 12. Jahrhundert trennte sich die Entwicklung der Binnenschiffe von den<br />
Seeschiffen, da immer noch größere Schiffe gebaut wurden, mit denen Flüsse nicht<br />
mehr befahren werden konnten.<br />
Zu Beginn des 17. Jahrhunderts wurden Menschen und Pferde eingesetzt, die die<br />
Schiffe flussaufwärts vom Ufer aus zogen. Anfang des 19. Jahrhunderts wurde die<br />
Dampfkraft zum Antrieb der Binnenschiffe genutzt. Durch die Industrialisierung erfuhr<br />
die Binnenschifffahrt ein immenses Wachstum, was den Ausbau der Wasserstraßen in<br />
Europa beschleunigte. Ab 1910 gingen die ersten Dieselmotoren in Betrieb. Mit der<br />
Einführung der Container in den 70er Jahren begann die Containerisierung, die zu ei-<br />
nem Wandel in der Binnenschifffahrt führte. 266<br />
3.3.2.2 Transport mit Tankmotorschiffen<br />
Tankmotorschiffe dienen ebenso wie Tankschiffe zum Transport von flüssigen und<br />
gasförmigen Massengütern und werden ausschließlich in der Binnenschifffahrt einge-<br />
setzt. 267 Zu Beginn des Jahres 2009 umfasste die deutsche Binnenflotte insgesamt 398<br />
Tankmotorschiffe, die zusammen eine Frachtkapazität von 683.924 t besaßen. Im<br />
264 Vgl. http://www.logistikbranche.net/verkehrstraeger/binnenschifffahrt.html, vom 10.03.2010.<br />
265 http://www.energiewirtschaft.net/HTML/SCM.html, vom 10.03.2010.<br />
266 Vgl. Schieck, A. (2008): Internationale Logistik. S. 309-310.<br />
267 Vgl. http://www.seefracht-lotse.de/binnenschifffahrt.html, vom 10.03.2010.
3 Logistischer Prozess Erdöl 68<br />
Durchschnitt verfügt somit jedes deutsche Tankmotorschiff über eine Kapazität von<br />
rund 1.720 t. 268<br />
Aufbau eines Tankmotorschiffes<br />
Tankmotorschiffe ähneln in ihrem Aufbau weitestgehend Tankschiffen. Der Antrieb<br />
erfolgt zumeist über Dieselmotoren und Propeller. Stromaufwärts erreichen die Tank-<br />
motorschiffe eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 8 bist 10 km/h, stromabwärts hin-<br />
gegen von 18 bis 20 km/h. Höhere Geschwindigkeiten sind derzeit nicht möglich, da<br />
die Uferbefestigungen gegen einen stärkeren Wellenschlag geschützt werden müssen.<br />
An der Bordwand des Schiffes befindet sich in der Regel eine Tiefgangsskala. Die<br />
Schiffsbrücke und die Maschinenräume befinden sich am Heck. Der davor liegende<br />
Teil wird für den Gütertransport genutzt (Abbildung 37). 269 In diesem Bereich verfügen<br />
die Tankmotorschiffe über zellenförmige Tanks, die häufig mit einer Beheizung ausges-<br />
tattet sind (siehe Kapitel 3.2.2.2).<br />
Abbildung 37: Tankmotorschiff 270<br />
Um einen optimalen Schutz bei Kollisionen zu gewährleisten, werden in der Binnen-<br />
schifffahrt, ebenso wie bei der Seeschifffahrt, immer mehr Doppelhüllentankschiffe<br />
eingesetzt. In Deutschland wurde eine stufenweise Umstellung von Einhüllen- auf<br />
Doppelhüllentankschiffe gesetzlich veranlasst. Ab dem Jahr 2018 ist der Einsatz von<br />
Einhüllentankschiffen für alle Flüssigkeiten verboten. 271<br />
Extrem große Motortankschiffe transportieren bis zu 6.000 t, sind aber aufgrund der<br />
größenbedingten Anforderungen der meisten Wasserstraßen ungeeignet. 272 Beispiels-<br />
weise hat ein großes Tankmotorschiff eine Länge von 135 m, eine Breite von 11,5 m,<br />
einen Tiefgang von bis zu 3 m und eine Frachtkapazität von 3.000 t. 273<br />
Umschlagsprozess<br />
Die Tankmotorschiffe werden dabei mit dem in den Tanks der Seehäfen zwischenge-<br />
lagerten Rohöl beladen. Der wichtigste deutsche Rohölverladehafen für Binnenschiffe<br />
268 Vgl. BDB. (2009): Daten und Fakten. Seite 3.<br />
269 Vgl. Schieck, A. (2008): Internationale Logistik. S. 321.<br />
270 Österreichische Wasserstraßen-GmbH. (2005): Handbuch der Donauschifffahrt. S. 44.<br />
271 Vgl. BDB. (2009): Geschäftsbericht. Seite 3.<br />
272 Vgl. http://www.seefracht-lotse.de/binnenschifffahrt.html, vom 10.03.2010.<br />
273 Vgl. Österreichische Wasserstraßen-GmbH. (2005): Handbuch der Donauschifffahrt. S. 44.
3 Logistischer Prozess Erdöl 69<br />
befindet sich in Wilhelmshaven. Für den Umschlag werden Schläuche, ein Pumpsys-<br />
tem und Rohrleitungen zu den Lagertanks benötigt. 274<br />
Neben den zur Verfügung stehenden stationären Hafenpumpen hat der Großteil der<br />
Tankmotorschiffe ein schiffseigenes Pumpsystem. Haben die Schiffe an der Ladebrü-<br />
cke im Hafen angelegt, werden die Schläuche des Tankmotorschiffes mit den Rohrlei-<br />
tungen der Tanklager verbunden. Mit Hilfe des Pumpsystems erfolgt nun die Beladung<br />
des Schifftanks, die anhand der Tiefgangsskala an der Bordwand verfolgt werden<br />
kann. Ist das Tankmotorschiff vollständig beladen, wird das Leitungssystem wieder<br />
getrennt. 275<br />
Ist der Umschlagsprozess beendet, begibt sich das Tankmotorschiff auf den Weg zur<br />
Raffinerie. Beispielsweise wird die Raffinerie in Karlsruhe über einen so genannten<br />
Ölhäfen beliefert, der direkt an der Raffinerie gelegen ist. Der Karlsruher Ölhafen ist<br />
der bedeutendste Umschlagsplatz dieser Art in Deutschland. Er verfügt über vier Lade-<br />
und Entladestationen für die gleichzeitige Be- und Entladung von acht Tankmotorschif-<br />
fen. 276<br />
Hat das Schiff den Ölhafen erreicht, legt es an der vorgegebenen Entladestation an. Es<br />
folgt die Entladung, die gleichermaßen abläuft wie die Beladung. Der Unterschied be-<br />
steht jedoch darin, dass das Rohöl aus dem Tankmotorschiff in die Tanklager der Raf-<br />
finerie gepumpt wird. 277 In den Raffinerietanks wird das Rohöl bis zur Weiterverarbei-<br />
tung zwischengelagert. Ist die Entladung vollständig abgeschlossen, wird das Schiff in<br />
der Regel mit Fertigprodukten der Raffinerie beladen.<br />
3.3.2.3 Deutsches Wasserstraßennetz<br />
Die „Binnenwasserstraßen sind natürliche oder künstliche Gewässer, wie Flüsse, Seen<br />
und Kanäle“. 278 Insgesamt umfasst das deutsche Wasserstraßennetz rund 7.500 km. 279<br />
Es zeichnet sich vor allem durch seine Süd-Nordausrichtung der Flüsse Rhein, Weser,<br />
Elbe und Oder aus. Während in Nordwest- und Ostdeutschland eine ausgeprägte Ver-<br />
netzung der Wasserstraßen vorzufinden ist, beschränkt sich das Netz im Süden auf<br />
den Rhein und die Donau. Das deutsche Wasserstraßennetz ist in Abbildung 38 dar-<br />
gestellt.<br />
Die Nutzung der zahlreichen verschiedenen Binnenwasserstraßen hängt von verschie-<br />
denen Faktoren ab. Die Schiffsgröße, zu der die Länge, Breite und Tragfähigkeit zäh-<br />
len, sowie der zulässige Tiefgang müssen eingehalten werden. Zudem müssen<br />
Schleusenöffnungszeiten und Durchfahrtshöhen an Brücken beachtet werden. 280<br />
274 Vgl. http://www.uni-protokolle.de/Lexikon/Tankschiff.html, 10.03.2010.<br />
275 Vgl. Schieck, A. (2008): Internationale Logistik. S. 324.<br />
276 Vgl. http://www.rheinhafen.de/ger/html/miro.htm, 10.03.2010.<br />
277 Vgl. Schieck, A. (2008): Internationale Logistik. S. 324.<br />
278 Schieck, A. (2008): Internationale Logistik. S. 316.<br />
279 Vgl. http://www.binnenschiff.de/, vom 10.03.2010.<br />
280 Vgl. Schieck, A. (2008): Internationale Logistik. S. 316.
3 Logistischer Prozess Erdöl 70<br />
Abbildung 38: Deutsches Wasserstraßennetz 281<br />
Die Tankmotorschiffe müssen besonders die Wasserstände berücksichtigen, die durch<br />
Niederschlags- und Trockenperioden ständigen Schwankungen unterliegen. Bei so<br />
genanntem Niedrigwasser verringert sich beispielsweise die Transportkapazität der<br />
Schiffe, da aufgrund niedriger Pegelstände der Tiefgang eingeschränkt ist. Während<br />
bei Hochwasser ebenfalls nur eine bedingte Nutzung möglich ist. Die Pegelstände<br />
müssen deshalb permanent beobachtet werden. 282<br />
3.3.2.4 Vor- und Nachteile des Binnenschifftransportes<br />
Der Binnenschifftransport weist im Verhältnis zu den anderen Transportmitteln eine<br />
Reihe von Vorteilen auf. Die Massenleistungsfähigkeit ist im Vergleich mit dem Schie-<br />
nen- und Straßengüterverkehr deutlich höher, da extrem große Gütermengen über<br />
weite Distanzen transportiert werden können. Es handelt sich aufgrund des geringen<br />
Energieverbrauchs je Transporteinheit und der minimalen Lärmentstehung um einen<br />
umweltfreundlichen Transport. 283 Es ist eine hohe Transportsicherheit gegeben, da es<br />
im Verhältnis zum Beförderungsaufkommen relativ wenige Unfälle gibt. Zudem ist die<br />
281<br />
http://www.wsv.de/service/karten/bundeseinheitlich/index.html, vom 10.03.2010.<br />
282<br />
Vgl. Schieck, A. (2008): Internationale Logistik. S. 313.<br />
283<br />
Vgl. Gleißner, H. & Femerling, J. (2008): Logistik, Grundlagen – Übungen – Fallbeispiele. S.<br />
59.
3 Logistischer Prozess Erdöl 71<br />
Binnenschifffahrt relativ kostengünstig und kann rund um die Uhr sowie an Sonn- und<br />
Feiertagen betrieben werden. 284<br />
Diesen Vorteilen stehen jedoch einige Nachteile gegenüber. Die Netzbildungsfähigkeit<br />
des Transportmittels Binnenschiff ist äußerst gering, da eine Bindung an die Wasser-<br />
straßen erforderlich ist. 285 Die geringe Transportgeschwindigkeit wirkt sich auf die Be-<br />
förderungsdauer aus, die durch ausgeprägte Flussläufe noch weiter verzögert wird. Die<br />
Binnenschiffe unterliegen zudem einer starken Wetterabhängigkeit, die beispielsweise<br />
durch Nebel, Vereisung, sowie hohe und niedrige Wasserstände verursacht wird. 286<br />
3.4 Verarbeitung in der Raffinerie<br />
Die chemische Zusammensetzung des Rohöls variiert je nach Herkunftsland. Weltweit<br />
existieren mehrere tausend Erdölsorten wie z.B. Brent, West Texas Intermediate oder<br />
Dubai Fateh. Trotz der Unterschiede enthalten die Rohöle im Kern dieselben Bestand-<br />
teile. Es handelt sich um ein Gemisch aus Kohlenwasserstoffen, geringen Schwefel-<br />
mengen und Spuren von Sauerstoff, Stickstoff und Metallen. Damit aus dem weitest-<br />
gehend unbrauchbaren Rohöl Mineralölprodukte wie Benzin, Gas oder Heizöl entste-<br />
hen, muss es in Raffinerien verschiedene chemische und physikalische Prozesse<br />
durchlaufen. Der Umwandlungsprozess besteht aus der Destillation, Konversion und<br />
Reformierung. 287<br />
3.4.1 Destillation<br />
Der grundlegende Verarbeitungsprozess in einer Raffinerie ist die Rohöldestillation, bei<br />
der das Rohöl in seine einzelnen Bestandteile zerlegt wird. Das Rohöl das getrennt<br />
nach Sorten in Tanks zwischengelagert wurde, gelangt zunächst in einen Ofen und<br />
wird dort vorgewärmt. 288 Das auf 350 bis 370 °C erhitzte Rohöl verwandelt sich in Gas<br />
und strömt in den Destillationsturm, der unter atmosphärischem Druck steht.<br />
In dem rund 50 m hohen Destillationsturm, der in unterschiedliche Temperaturbereiche<br />
unterteilt ist, steigen die Kohlenwasserstoffe auf. Beim Aufsteigen kühlen die Kohlen-<br />
wasserstoffe wieder langsam ab und verflüssigen sich unterhalb ihrer jeweiligen Siede-<br />
temperatur in so genannte Fraktionen (siehe Abbildung 39). 289<br />
Die Fraktionen können nun in den diversen Ebenen des Destillationsturms abgeleitet<br />
werden. Am Boden des Turms setzten sich schwere Stoffe wie z.B. Bitumen ab. Dar-<br />
über sammelt sich Schwergasöl (z.B. Diesel und Heizöl) bei etwa 370 °C. Stoffe wie<br />
284<br />
Vgl. Schieck, A. (2008): Internationale Logistik. S. 307.<br />
285<br />
Vgl. Gleißner, H. & Femerling, J. (2008): Logistik, Grundlagen – Übungen – Fallbeispiele. S.<br />
59.<br />
286<br />
Vgl. Schieck, A. (2008): Internationale Logistik. S. 307.<br />
287 Vgl. BP. (2008): Erdöl bewegt die Welt. S. 36.<br />
288 Vgl. MWV. (2003): Mineralöl und Raffinerien. S. 22.<br />
289 Vgl. Kosinowski, M. (2002): Energiehandbuch. S. 75-76.
3 Logistischer Prozess Erdöl 72<br />
Kerosin und Petroleum verteilen sich in der Mitte bei rund 200 bis 300 °C. Flüssiggas<br />
und Leichtbenzin steigt in den obersten Bereich auf, in dem Temperaturen von 20 bis<br />
150 °C herrschen.<br />
Abbildung 39: Rohöldestillationsanlage 290<br />
Die aufgespalteten Fraktionen werden über Rohrleitungen in Lagertanks geleitet. 291 Die<br />
atmosphärischen Rückstände die sich am Boden gesammelt haben, werden in einen<br />
weiteren Destillationsturm mit weniger Druck geleitet. Bei dem Unterdruck werden die<br />
Rückstände erneut in Fraktionen für die Schmierstoff- und Bitumenherstellung aufge-<br />
teilt. 292<br />
3.4.2 Konversion<br />
Die Produkte die bei der Destillation entstehen, entsprechen jedoch nicht dem Bedarf<br />
des Marktes. Beispielsweise ist die Nachfrage nach den leichten Bestandteilen (z.B.<br />
Benzin, Kerosin, leichtes Heizöl) deutlich höher als nach den schweren Bestandteilen.<br />
Deshalb müssen die weniger nachgefragten Produkte in solche umgewandelt werden,<br />
die einer stärkeren Nachfrage unterliegen. 293<br />
290 BP. (2008): Erdöl bewegt die Welt. S. 38.<br />
291 Vgl. BP. (2008): Erdöl bewegt die Welt. S. 38.<br />
292 Vgl. Kosinowski, M. (2002): Energiehandbuch. S. 76.<br />
293 Vgl. BP. (2008): Erdöl bewegt die Welt. S. 38.
3 Logistischer Prozess Erdöl 73<br />
Dieser Prozess wird in einer Konversionsanlage durchgeführt. Dabei werden langketti-<br />
ge und schwere Kohlenwasserstoffe in kürzere und leichtere aufgespaltet. Dieser Vor-<br />
gang wird Cracken, was zu deutsch zerbrechen oder spalten heißt, genannt. Beim<br />
Cracken werden wiederum katalytisches Cracken, thermisches Cracken und Hydrocra-<br />
cken unterschieden. 294<br />
Beim katalytischen Cracken werden die Fraktionen mit einem Katalysator erhitzt.<br />
Katalysatoren beschleunigen die chemische Reaktion und verändern sich dabei selbst<br />
nicht. Bei Temperaturen von bis zu 600 °C brechen die Kohlenwasserstoffmoleküle<br />
auseinander. 295 Das thermische Cracken erfolgt durch eine kurze Überhitzung der<br />
Fraktionen unter Druck in einem Spaltofen. Die Kohlenwasserstoffe geraten dabei in<br />
eine starke Schwingung und brechen bei etwa 360 °C. 296<br />
Beim Hydrocracken handelt es sich um ein katalytisches Spaltverfahren. Die Fraktio-<br />
nen werden mit Wasserstoff vermischt und bei einem Druck von 100 bis 150 bar durch<br />
einen Reaktor geschickt. Dabei werden die großen Kohlenwasserstoffmoleküle in klei-<br />
ne zerbrochen. 297 Bei allen drei Verfahren muss das entstandene Gemisch, das von<br />
Methan bis zu Schweröl reicht, anschließend erneut destilliert werden. 298<br />
3.4.3 Reformierung<br />
Nach den Prozessen der Destillation und Konversion entsprechen die Produkte in der<br />
Regel noch nicht der geforderten Qualität. Deshalb ist der Prozess der Reformierung<br />
erforderlich, bei dem die Produkte veredelt werden. Beispielsweise ist Benzin noch<br />
nicht als Kraftstoff für Ottomotoren geeignet. Um die benötigte Klopffestigkeit (Oktan-<br />
zahl) zu erreichen, wird das Benzin in einem so genannten Reformer erhitzt und mit<br />
verschiedenen Katalysatoren gemischt. Durch die Katalysatoren verlieren die Kohlen-<br />
wasserstoffverbindungen einige Wasserstoffatome und werden zu hochoktanigen Ben-<br />
zinmolekülen. Dann werden die gewonnen Produkte mit zahlreichen Komponenten wie<br />
z.B. Additiven gemischt, um eine gleichbleibende Qualität zu erhalten. 299<br />
Abschließend wird das zu verkaufsfertigen Produkten verarbeitete Rohöl bis zur weite-<br />
ren Verteilung zwischengelagert. Da aus den wenigen Rohölsorten viele Fertigprodukte<br />
entstehen, sind aufgrund der Produktvielfalt zahlreiche Tanks für die Lagerung not-<br />
wendig.<br />
294<br />
Vgl. MWV. (2003): Mineralöl und Raffinerien. S. 24.<br />
295<br />
Vgl. MWV. (2003): Mineralöl und Raffinerien. S. 26-27.<br />
296<br />
Vgl. MWV. (2003): Mineralöl und Raffinerien. S. 24-25.<br />
297<br />
Vgl. http://www.aral.de/aral/sectiongenericarticle.do?categoryId=4000017&contentId=56242,<br />
vom 12.03.2010.<br />
298<br />
Vgl. MWV. (2003): Mineralöl und Raffinerien. S. 24.<br />
299 Vgl. MWV. (2003): Mineralöl und Raffinerien. S. 32-33.
3 Logistischer Prozess Erdöl 74<br />
3.4.4 Mineralölprodukte<br />
Aus dem Rohöl entstehen zahlreiche Mineralölprodukte. Die wichtigsten werden im<br />
Folgenden vorgestellt. Flüssiggas, das auch Liquefied Petroleum Gas (LPG) genannt<br />
wird, umfasst die leichtesten Bestandteile des Rohöls. Dies sind überwiegend Butan<br />
und Propan, die bei Raumtemperatur einen gasförmigen Zustand besitzen. Das Gas<br />
wird verflüssigt und in Tanks gelagert. Es dient vor allem zu Heizzwecken und wird<br />
vermehrt als Treibstoff für Flüssiggas-Autos eingesetzt. Benzin enthält die leichten<br />
flüssigen Bestandteile des Rohöls. Der Großteil davon wird als Motorenbenzin genutzt.<br />
Außerdem werden Flugbenzine für Sportflugzeuge und Spezialbenzine für die chemi-<br />
sche Industrie daraus gewonnen.<br />
Flugpetrol, zu dem Petroleum und Kerosin gehören, ist schwerer als Benzin und wird<br />
überwiegend als Flugtreibstoff eingesetzt. Um den Antrieb der Flugzeugturbinen zu<br />
gewährleisten, unterliegen diese Treibstoffe strikten Qualitätsbestimmungen. Diesel<br />
besteht aus längerkettigen Kohlenwasserstoffen und wird bevorzugt bei LKW, Schiffen,<br />
Personenwagen und Baumaschinen als Treibstoff eingesetzt. Leichtes Heizöl zählt zu<br />
den Mitteldestillaten und umfasst somit die Anteile des Rohöls, die bei mittlerer Tempe-<br />
ratur sieden. Es besitzt einen besonders hohen Heizwert und wird vorwiegend zu Heiz-<br />
zwecken eingesetzt.<br />
Schweres Heizöl besteht aus langkettigen Kohlenwasserstoffen und bildet eine zäh-<br />
flüssige Masse, die für den Transport und die Verbrennung erwärmt werden muss.<br />
Verwendung findet es vor allem in der Industrie, beispielsweise bei der Zementherstel-<br />
lung und in Papierfabriken. Bitumen ist ein zähflüssiger Rückstand, der bei der Destil-<br />
lation nicht verdampft. Es wird zum größten Teil im Straßenbau und als Dichtungs-,<br />
Isolations- und Verpackungsmittel verwendet. Schmiermittel bestehen ebenfalls aus<br />
langkettigen und schweren Kohlenwasserstoffen. Sie werden aus speziellen Basisölen,<br />
die während dem Raffinerieprozess anfallen, hergestellt. Zum Einsatz kommen sie vor<br />
allem in Motoren und Maschinen als Betriebsstoff, um die Abnutzung und den Ver-<br />
schleiß zu vermindern. 300<br />
3.5 Lagerung der Fertigprodukte<br />
Nachdem das Rohöl in der Raffinerie zu Mineralölprodukten verarbeitet wurde, werden<br />
die Fertigprodukte grundsätzlich zwischengelagert bevor der Transport zum End-<br />
verbraucher erfolgt. 301 Im folgenden Kapitel werden die Besonderheiten der Lagerhal-<br />
tung von Mineralölprodukten und die gesetzlich vorgeschriebene Pflichtbevorratung<br />
näher beschrieben.<br />
300 Vgl. EV. (2008): Erdöl – Anwendungen und Produkte. S. 7-11.<br />
301 Vgl. http://www.energiewirtschaft.net/HTML/SCM.html, vom 15.03.2010.
3 Logistischer Prozess Erdöl 75<br />
3.5.1 Lagerhaltung von Mineralölprodukten<br />
Ein direkter Transport vom Raffineriestandort zum Endverbraucher erfolgt in der Regel<br />
recht selten. Die Mineralölprodukte werden überwiegend in Großtanklagern, die sich<br />
fernab der Raffinerien befinden, zwischengelagert. Die Großtanklager werden dabei<br />
mit Eisenbahnkesselwagen, Pipelines oder Tankmotorschiffen bedient (Abbildung<br />
40). 302 Auf die Transportmittel wird in Kapitel 3.6 näher eingegangen.<br />
Abbildung 40: Transportmittel von der Raffinerie bis zum Großtanklager 303<br />
Von den Großtanklagern werden abschließend die im Umkreis gelegenen Endverbrau-<br />
cher, zumeist mit Straßentankfahrzeugen, beliefert (Kapitel 3.6). Die Standorte der<br />
zahlreichen Tanklager sind regional über das gesamte Gebiet der BRD verteilt (siehe<br />
Abbildung 41).<br />
Die direkte Versorgung der Endverbraucher vom Raffineriestandort ist in der Regel<br />
nicht wirtschaftlich, da die zum Teil großen Transportentfernungen mit Straßentank-<br />
fahrzeugen hohe Kosten verursachen. Zu den Großtanklagern können hingegen er-<br />
hebliche Mengen mit Eisenbahnkesselwagen, Pipelines und Tankmotorschiffen trans-<br />
portiert werden. Deshalb ist die Zwischenlagerung in Großtanklagern und die Versor-<br />
gung der Endverbraucher über kurze Distanzen günstiger, als die direkte Belieferung<br />
der Kunden von der Raffinerie.<br />
Ein weiterer Grund für die Errichtung von Großtanklagern ist die regionale Verteilung<br />
der immensen Mineralölproduktmengen, wodurch die geballte Lagerung an den Raffi-<br />
neriestandorten vermieden wird. Dies streut zum Einen das Risiko bei möglichen Un-<br />
glücksfällen und zum Anderen wir dadurch eine höhere Flexibilität bei kurzfristigen Be-<br />
302 Vgl. BP. (2008): Erdöl bewegt die Welt. S. 48.<br />
303 In Anlehnung an BP. (2008): Erdöl bewegt die Welt. S. 48.
3 Logistischer Prozess Erdöl 76<br />
darfsschwankungen erreicht. 304 Die Lagerung erfolgt dabei überwiegend in Tankbehäl-<br />
tern die aus Stahl bestehen und bis zu 125.000 m 3 aufnehmen können. 305<br />
Abbildung 41: Standorte der Großtanklager 306<br />
In der Praxis bestehen für die Lagerung von Mineralölprodukten besondere Anforde-<br />
rungen. Da es sich bei den Produkten um Gefahrgut handelt, unterliegen diese speziel-<br />
len sicherheitstechnischen Bestimmungen. Beispielsweise müssen die Tanks durch<br />
doppelte Wände gegen Leckagen geschützt sein und über so genannte Gasrückge-<br />
winnungsanlagen verfügen. Damit die umweltschädlichen und gesundheitsgefährden-<br />
den Kohlenwasserstoffdämpfe, die sich bilden wenn Brennstoffe und Kraftstoffe mit<br />
Luft in Berührung kommen, nicht entweichen, werden sie mit Gasrückgewinnungsanla-<br />
gen bei der Befüllung und Entleerung der Tanks zurückgehalten. 307<br />
304 Vgl. http://www.energiewirtschaft.net/HTML/SCM.html, vom 15.03.2010.<br />
305 Vgl. Sauer, E. (2003): Energietransport, -speicherung, -verteilung. S. 52.<br />
306 MWV. (1999): Mineralöl-Logistik. Anhang.<br />
307 Vgl. BP. (2008): Erdöl bewegt die Welt. S. 49.
3 Logistischer Prozess Erdöl 77<br />
Bei einer Bestandsführung in Volumeneinheiten ist insbesondere die temperaturbe-<br />
dingte Veränderung des Volumens zu beachten, da es sich bei Rohöl und Mineralöl-<br />
produkten um Flüssiggüter handelt. Das spezifische Volumen von Flüssigkeiten hängt<br />
von der jeweiligen Temperatur ab, weshalb bei jeglichen Bestandsbewegungen die<br />
Dichte der Produkte und die Temperatur gemessen werden muss. Anhand diesen In-<br />
formationen kann mit Hilfe von Umrechnungstabellen die exakte ab- bzw. zugegange-<br />
ne Menge berechnet werden. Erfolgt die Bestandsführung in Gewichtseinheiten, muss<br />
dies nicht beachtet werden. 308<br />
Die Lagerung der Mineralölprodukte erfüllt insbesondere die Bereitstellungs-, Überbrü-<br />
ckungs- und Sicherungsfunktion. 309 Die Bereitstellungsfunktion umfasst die Bereitstel-<br />
lung der erforderlichen Mineralölprodukte zu der vom Endverbraucher geforderten Zeit,<br />
Menge und Qualität. Die Überbrückungsfunktion überbrückt den Zeitpunkt zwischen<br />
der Produktion und Auslieferung. 310 Durch die Sicherungsfunktion entsteht ein Schutz<br />
vor unvorhersehbaren Liefer- und Bedarfsschwankungen auf den Beschaffungs- und<br />
Absatzmärkten. So können z.B. Transportstörungen, Lieferzeitüberschreitungen oder<br />
schwankende Absatzmengen ausgeglichen werden. 311<br />
3.5.2 Pflichtbevorratung<br />
Deutschland ist verpflichtet einen Vorrat an Rohöl und Mineralölprodukten für Krisenfäl-<br />
le zu lagern, um mögliche Versorgungsstörungen auszugleichen. Dabei muss die<br />
Menge bevorratet werden, die dem deutschen Verbrauch von 90 Tagen entspricht. Zu<br />
der internationalen Vorratspflicht sind neben den EU-Mitgliedsstaaten auch alle Mit-<br />
glieder der Internationalen Energieagentur (IEA) verpflichtet (die IEA-Mitglieder befin-<br />
den sich im Anhang D). 312<br />
National wird die Verpflichtung über das Erdölbevorratungsgesetz umgesetzt. Im Jahr<br />
1978 wurde mit diesem Gesetz der Erdölbevorratungsverband (EBV) gegründet, der<br />
die gesamten deutschen Reserven verwaltet. Die Zielsetzung war die Sicherstellung<br />
der Verfügbarkeit der Bestände in einem Krisenfall. Das Gesetz löste die vorhergehen-<br />
de Pflichtbevorratung ab, die für Ölgesellschaften galt und bereits 1966 veranlasst<br />
wurde. Die Finanzierung des EBV erfolgt über die Beiträge der Ölgesellschaften, die<br />
die Beiträge im Preis an den Verbraucher weitergeben. 313<br />
Die Vorräte an Rohöl und Mineralölprodukten gliedern sich dabei in drei Erzeugnis-<br />
gruppen:<br />
- Erzeugnisgruppe 1: Benzine<br />
308<br />
Vgl. http://www.energiewirtschaft.net/HTML/Lagerung.html, vom 15.03.2010.<br />
309<br />
Ebenda<br />
310<br />
Vgl. Schmidt, A. (2008): Handbuch Logistik. S. 751.<br />
311<br />
Vgl. Schulte, G. (2001): Material- und Logistikmanagement. S. 246-247.<br />
312<br />
Vgl. http://www.bmwi.de/BMWi/Navigation/Energie/mineraloelversorgung,did=159688.html,<br />
vom 15.03.2010.<br />
313<br />
Vgl. EBV. (2008): Mineralölpflichtbevorratung in der BRD. S. 2.
3 Logistischer Prozess Erdöl 78<br />
- Erzeugnisgruppe 2: Dieselkraftstoff, Heizöl leicht und Flugturbinenkraftstoff<br />
- Erzeugnisgruppe 3: Heizöl schwer und Rohöl<br />
Mindestens 40 % der Vorräte müssen Fertigprodukte sein. Der Rest kann dagegen<br />
vollständig aus Rohöl bestehen. Für die Erzeugnisgruppen gilt die Vorratspflicht in Hö-<br />
he der Raffinerieerzeugung und Importmengen die in 90 Tagen anfallen. Zu der ge-<br />
nauen Berechnung wird der Durchschnitt der vergangenen drei Jahre gebildet.<br />
Die Fertigprodukte werden überwiegend in großen Tanklagern oberirdisch bevorratet.<br />
Die Rohölvorräte werden hingegen in Kavernen gelagert und verfügen über eine direk-<br />
te Pipelineverbindung zu Raffinerien. 314 Kavernen sind künstlich geschaffene Hohlräu-<br />
me in Salzstöcken und sind für Erdöl undurchlässig. 315 In den Kavernen fallen geringe<br />
Lagerkosten an und es ist eine sichere Lagerung über einen langen Zeitraum möglich.<br />
Sie befinden sich überwiegend in Norddeutschland, vor allem im Raum Wilhelmsha-<br />
ven. Grundsätzlich sind die Bestände jedoch regional über das gesamte Gebiet der<br />
BRD verteilt.<br />
Tritt ein Krisenfall ein, werden die Reserven vom Bundesministerium für Wirtschaft und<br />
Technologie (BMWi) durch eine Verordnung freigegeben. 316 Die aktuellen Reserven in<br />
Deutschland betragen rund 25 Mio. t, die sich zu etwa 50 % auf Rohöl und Fertigpro-<br />
dukte verteilen. 317 Obwohl sich die Bevorratungspflicht auf 90 Tage bezieht, sind die<br />
deutschen Gesamtbestände deutlich höher. Beispielsweise werden große Mengen von<br />
den Verbrauchern im Heizölsektor gelagert und Raffinerien halten Bestände zur Siche-<br />
rung des Produktionsbetriebs vor. 318<br />
3.6 Transport der Fertigprodukte zum Endverbraucher<br />
Der Transport der Fertigprodukte von den Raffinerien und Großtanklagern zum End-<br />
verbraucher erfolgt mit Straßentankfahrzeugen, Eisenbahnkesselwagen, Pipelines und<br />
Tankmotorschiffen. Die Wahl des Transportmittels hängt dabei von verschiedenen Fak-<br />
toren ab, die individuell abgewogen werden müssen. Zu den maßgeblichen Faktoren<br />
zählen die Eignung der Beförderung großer Mengen, die optimale Bedienung der Flä-<br />
che (Netzbildungsfähigkeit), die Anpassungsfähigkeit an Relationen und Mengen, die<br />
Schnelligkeit und die Wirtschaftlichkeit. 319<br />
Die Wirtschaftlichkeit des Transportmittels spielt bei der Auswahl häufig eine wichtige<br />
Rolle. In Abbildung 42 sind die relativen Kosten des Mineralöltransports in Abhängig-<br />
keit von der Transportweite und dem eingesetzten Transportmittel abgebildet.<br />
314<br />
Vgl. EBV. (2008): Mineralölpflichtbevorratung in der BRD. S. 3-4.<br />
315<br />
Vgl. Zahoransky, R. (2009): Energietechnik. S. 358.<br />
316<br />
Vgl. EBV. (2008): Mineralölpflichtbevorratung in der BRD. S. 5-6.<br />
317<br />
Vgl. http://www.ebv-oil.de/cms/cms2.asp?sid=60&nid=&cof=60, vom 15.03.2010.<br />
318 Vgl. EBV. (2008): Mineralölpflichtbevorratung in der BRD. S. 6.<br />
319 Vgl. MWV. (1999): Mineralöl-Logistik. S. 8-9.
3 Logistischer Prozess Erdöl 79<br />
Abbildung 42: Kosten des Mineralöltransports in Abhängigkeit von der Transportweite<br />
und dem Transportmittel 320<br />
Bei der Pipeline sind die Kosten pro Tonnenkilometer (tkm) unabhängig von der Trans-<br />
portweite konstant. Allerdings sind die Kosten für den Bau einer Pipeline extrem hoch.<br />
Deshalb sind Pipelines auf Massentransporte angewiesen und erst aber einer be-<br />
stimmten Durchleitungsmenge wirtschaftlich. Bei den übrigen Transportmitteln nehmen<br />
die relativen Transportkosten mit zunehmender Transportweite ab. Das Straßentank-<br />
fahrzeug ist dabei das teuerste Transportmittel, aber auch das Flexibelste. 321 Im Weite-<br />
ren wird auf die verschiedenen Transportmittel näher eingegangen.<br />
3.6.1 Straßentankfahrzeug<br />
Für den Transport der Mineralölprodukte von der Raffinerie bzw. dem Großtanklager<br />
zum Endverbraucher werden häufig Straßentankfahrzeuge, im Rahmen des Straßen-<br />
güterverkehrs, eingesetzt. 322 Von Straßengüterverkehr wird dann gesprochen, wenn<br />
das Gewicht der Kraftwagen 3,5 t übersteigt und Güter auf der Straße transportiert<br />
werden. 323 Straßen werden definiert als „planmäßig angelegte und befestigte Ver-<br />
kehrswege“. 324<br />
In der Praxis kommen die Straßentankfahrzeuge vermehrt zum Einsatz, wenn die Mi-<br />
neralölprodukte über kurze Entfernungen transportiert werden müssen und dabei eine<br />
hohe Netzbildung erforderlich ist. 325 Beispielsweise erfolgt die Belieferung von Tank-<br />
320<br />
MWV. (1999): Mineralöl-Logistik. S. 11.<br />
321<br />
Vgl. MWV. (1999): Mineralöl-Logistik. S. 11.<br />
322<br />
Vgl. MWV. (1999): Mineralöl-Logistik. S. 9.<br />
323<br />
Vgl. Schieck, A. (2008): Internationale Logistik. S. 255.<br />
324 Vgl. Stieglitz, A. (1997): Straßennetz. S. 1029.<br />
325 Vgl. MWV. (1999): Mineralöl-Logistik. S. 10.
3 Logistischer Prozess Erdöl 80<br />
stellen und privaten Haushalten mit Diesel- und Ottokraftstoffen bzw. Heizöl üblicher-<br />
weise mit Straßentankfahrzeugen.<br />
3.6.1.1 Geschichtlicher Rückblick<br />
Die ersten Fahrzeuge entstanden vor etwa 6.000 Jahren mit der Erfindung des Rades<br />
und wurden von Tieren gezogen. Nach und nach entwickelte sich deren Technik. Zu-<br />
nächst durch Deichseln und Sturzfelgen, wodurch das Lenken erleichtert und die Trag-<br />
fähigkeit der Fahrzeuge erhöht wurde. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts kamen erste<br />
dampfbetriebene Fahrzeuge zum Einsatz.<br />
Ein Fortschritt für den Straßengüterverkehr war allerdings erst die Erfindung des<br />
Verbrennungsmotors. Bereits 1896 wurden die ersten Lastwagen in Serie hergestellt.<br />
Die 20er Jahre des 20. Jahrhunderts waren durch die Einführung der Luftbereifung und<br />
des Dieselmotors gekennzeichnet, wodurch die Leistungsfähigkeit der Fahrzeuge<br />
stieg. Noch vor dem Zweiten Weltkrieg wurden Sonderfahrzeuge wie z.B. das Straßen-<br />
tankfahrzeug entwickelt.<br />
Die ersten leistungsfähigen Straßen wurden schon vor 4.000 Jahren in China gebaut.<br />
Es folgte das römische Straßennetz, das etwa 140.000 km lang war und vor allem für<br />
militärische Zwecke genutzt wurde. Nach dem Niedergang des Römischen Reiches<br />
zerfiel das Straßennetz für einen langen Zeitraum und wurde durch schlechte Wege<br />
ersetzt.<br />
Erst im 18. Jahrhundert wurden in Frankreich und England leistungsfähige Straßen<br />
gebaut. Das deutsche Straßennetz war bis 1930 für Lastkraftwagen (LKW) ungeeignet.<br />
Dann wurden jedoch die ersten Straßen gebaut die für LKW geeignet waren. 326 Bis<br />
heute entwickelte sich in Deutschland ein Netz aus Kraftverkehrsstraßen, das rund<br />
650.000 km umfasst. 327<br />
3.6.1.2 Transport mit Straßentankfahrzeugen<br />
Straßentankfahrzeuge dienen zum Transport von flüssigen und gasförmigen Gütern,<br />
die in größeren Mengen transportiert werden. Aus technischer Sicht werden das Fahr-<br />
gestell, der Antriebsstrang und die Aufbauten unterschieden. Das Fahrgestell nimmt<br />
die bei der Fahrt auftretenden Kräfte auf und besteht aus Stahl. Der Antrieb erfolgt<br />
größtenteils durch Dieselmotoren. 328 Die Tankaufbauten sind grundsätzlich in mehrere<br />
Kammern unterteilt, die von außen nicht erkennbar sind. Zum Einen können dadurch<br />
verschiedene Sorten gleichzeitig transportiert werden und zum Anderen wird bei Teil-<br />
ladungen ein gefährliches Schwappen der Ladung bei der Kurvenfahrt und beim Brem-<br />
sen minimiert. 329 Ein Straßentankfahrzeug ist in Abbildung 43 dargestellt.<br />
326<br />
Vgl. Schieck, A. (2008): Internationale Logistik. S. 257-258.<br />
327<br />
Vgl. Gleißner, H. & Femerling, J. (2008): Logistik, Grundlagen – Übungen – Fallbeispiele. S.<br />
45.<br />
328<br />
Vgl. Schieck, A. (2008): Internationale Logistik. S. 266.<br />
329 Vgl. BP. (2008): Erdöl bewegt die Welt. S. 49.
3 Logistischer Prozess Erdöl 81<br />
Abbildung 43: Straßentankfahrzeug 330<br />
Im Straßengüterverkehr in Deutschland sind gesetzliche Eckwerte im Bezug auf Maße<br />
und Gewichte einzuhalten. Die LKW dürfen maximal 2,55 m breit, 4 m hoch und 16,50<br />
m lang sein. Das höchstzulässige Gesamtgewicht beträgt grundsätzlich 40 t, wodurch<br />
eine Lademenge von rund 25 t transportiert werden kann. Weltweit werden die Vorga-<br />
ben jedoch diskutiert, da mit größeren Ladekapazitäten das ansteigende Verkehrs-<br />
wachstum bewältigt werden könnte.<br />
Straßenfahrzeuge mit Tanks gibt es in verschiedenen Erscheinungsformen. Ein übli-<br />
ches Straßentankfahrzeug verfügt über eine integrierte Ladefläche, auf der ein Tank<br />
angebracht ist (siehe Abbildung 43). An diese Straßentankfahrzeuge kann in der Regel<br />
noch zusätzlich ein Anhänger mit Tankaufbau angebracht werden. Zudem gibt es<br />
Straßentankfahrzeuge die aus einem Sattelauflieger und einem separaten Kraftfahr-<br />
zeug, das über einen eigenen Antrieb und eine eigene Lenkvorrichtung verfügt, beste-<br />
hen (Abbildung 44). 331<br />
Abbildung 44: Kraftfahrzeug mit Sattelauflieger 332<br />
Während die meisten Straßentankfahrzeuge über eigene Pumpen und Schläuche für<br />
den Umschlag verfügen, gibt es reine Transportfahrzeuge die außer dem Tank keine<br />
weitere Ausrüstung haben. 333 Die Beladung in den Raffinerien bzw. Großtanklagern<br />
erfolgt grundsätzlich durch die Öffnung auf den Tanks. Die Straßentankfahrzeuge fah-<br />
ren dabei Füllstation an, in denen sie über ein Pumpsystem automatisch von oben be-<br />
330<br />
http://www.mupsped.at/galerie/gefahrgut/Tankwagen%20richtig%20gekennzeichnet.jpg, vom<br />
17.03.2010.<br />
331<br />
Vgl. Schieck, A. (2008): Internationale Logistik. S. 267.<br />
332 Schieck, A. (2008): Internationale Logistik. S. 268.<br />
333 Schieck, A. (2008): Internationale Logistik. S. 269.
3 Logistischer Prozess Erdöl 82<br />
laden werden. Über eine in die Füllstation integrierte Waage wird das Straßentankfahr-<br />
zeug mit der exakten Menge beladen.<br />
Bei der Entladung werden in der Regel die seitlichen Auslaufhähne des Tanks mit<br />
Schläuchen verbunden. Beim Entladen in unterirdische Tanks ist die Wirkung der<br />
Schwerkraft ausreichend. Erfolgt hingegen der Umschlag in oberirdische Tanks, müs-<br />
sen die Mineralölprodukte mit einer Pumpe entladen werden. 334<br />
3.6.1.3 Gefahrgut und Gefahrstoff<br />
Der gesamte logistische Prozess auf der Erdölversorgungskette erfordert beim Trans-<br />
port, der Lagerung und dem Umschlag besondere sicherheitstechnische Anforderun-<br />
gen. Dabei ist die eindeutige Unterscheidung der Begriffe Gefahrgut und Gefahrstoff<br />
wichtig.<br />
Im Zusammenhang mit dem Transport erfolgt die Bezeichnung Gefahrgut. Als Gefahr-<br />
gut werden Stoffe bezeichnet, von denen aufgrund ihrer Eigenschaften Gefahren für<br />
Mensch und Umwelt beim Transport ausgehen können. Demgegenüber wird der Beg-<br />
riff Gefahrstoff für die Lagerung verwendet. Gefahrstoffe sind gefährliche Stoffe die z.B.<br />
explosionsgefährlich, brandfördernd, hochentzündlich, usw. sind. Die Einteilung der<br />
Stoffe erfolgt im Gefahrgut- und Gefahrstoffrecht jedoch nicht nach den gleichen Krite-<br />
rien. So können Produkte beispielsweise als Gefahrstoff, aber nicht als Gefahrgut be-<br />
zeichnet werden. 335<br />
Die Regelungen für die Beförderung von Gefahrgütern basieren auf nationalen und<br />
internationalen Vorschriften, die nach Verkehrsträgern differenziert sind (siehe Tabelle<br />
5). Das Hauptziel der Gefahrgutvorschriften besteht in der Minimierung der Risiken<br />
beim Transport gefährlicher Güter. 336 Die Grundanforderungen, die in den internationa-<br />
len Vorschriften vorgegeben sind, werden in der Regel durch die nationalen Bestim-<br />
mungen präzisiert. Für die verschiedenen Rechtsgrundlagen sind zahlreiche Gremien<br />
zuständig. 337<br />
Die Vorgaben, die durch die Gefahrgutvorschriften zum Tragen kommen, beziehen<br />
sich insbesondere auf die Transportmittel (Prüfung und Zulassung), die Kennzeichnung<br />
der Transportmittel, die Ladungssicherung und die Zusammenladung. Um die relevan-<br />
ten Beförderungsvorschriften zu ermitteln, werden die Güter nach ihren Gefährlich-<br />
keitsmerkmalen in neun Gefahrgutklassen unterteilt. 338<br />
Rohöl und Mineralölprodukte sind vor allem aufgrund ihrer Entzündbarkeit für den<br />
Transport auf der Straße, der Schiene, den Binnenwasserstraßen und der See als Ge-<br />
334 Vgl. BP. (2008): Erdöl bewegt die Welt. S. 49.<br />
335 Vgl. Müller, T. (2008): Handbuch Logistik. S. 548.<br />
336 Vgl. Müller, T. (2008): Handbuch Logistik. S. 549.<br />
337 Vgl. MWV. (1999): Mineralöl-Logistik. S. 17.<br />
338 Vgl. Müller, T. (2008): Handbuch Logistik. S. 551.
3 Logistischer Prozess Erdöl 83<br />
fahrgüter einzustufen. 339 Der weitaus größte Anteil der Mineralölprodukte befindet sich<br />
in Klasse 3 „entzündbare flüssige Stoffe“. Ein weiterer Teil gehört zu Klasse 2 „Gase“<br />
sowie in Klasse 9 „verschiedene gefährliche Stoffe und Gegenstände“. 340<br />
Tabelle 5: Nationale und internationale Gefahrgutvorschriften 341<br />
Verkehrsträger<br />
Binnenschiff GGVBinSch Gefahrgutverordnung<br />
Deutsche Vorschriften Internationale Vorschriften<br />
ADNR<br />
Binnenschifffahrt<br />
Reglement pour le transport de<br />
matiers dangereuses sur le Rhin<br />
Schiene GGVE<br />
Straße GGVS<br />
See GGVSee<br />
Gefahrgutverordnung<br />
Eisenbahn<br />
Gefahrgutverordnung<br />
Straße<br />
Gefahrgutverordnung<br />
Seeverkehr<br />
RID<br />
ADR<br />
IMDG-Code<br />
Reglement concernant le transport<br />
international ferroviare des<br />
marchandises dangereuses<br />
Accord européen relatif au transport<br />
international des marchandises<br />
Dangereuses par Route<br />
International Maritime Dangerous<br />
Goods Code<br />
Jedem Gut, das in eine der Klassen eingestuft wurde, wird eine vierstellige UN-Nr.<br />
(United-Nations-Number) zugeordnet. Hinter der UN-Nr. steht ein Gefahrgut oder eine<br />
Gruppe von Gefahrgütern mit dem identischen Gefährdungspotential. 342 Zudem wird<br />
jedes Gut mit einer mindestens zweistelligen Kemler-Zahl gekennzeichnet, die die vom<br />
Transportgut ausgehende Gefahr aufzeigt. Die erste Ziffer gibt dabei immer die Haupt-<br />
gefahr an (z.B. 2 = Gas, 3 = entzündbarer flüssiger Stoff, 9 = spontan heftig reagieren-<br />
der Stoff). Gleichlautende Doppelziffern weisen auf eine verstärkte Hauptgefahr hin.<br />
Die folgende Ziffer steht für Nebengefahren, die nach dem gleichen Schema wie bei<br />
der Hauptgefahr aufgebaut ist. 343<br />
In Tabelle 6 sind die wichtigsten zur Verladung kommenden Mineralölprodukte mit Zu-<br />
ordnung zur Gefahrenklasse, Stoffbezeichnung, Kemler-Zahl und UN-Nr. aufgeführt.<br />
Tabelle 6: Ausgewählte Mineralölprodukte mit Kennnummern 344<br />
Gefahrenklasse<br />
Stoffbezeichnung Kemler-Zahl UN-Nr.<br />
2 Propen 23 1077<br />
3 Benzin 33 1203<br />
3 Rohöl 33 1267<br />
3 Dieselkraftstoff 30 1202<br />
3 Heizöl (leicht) 30 1202<br />
3 Kerosin 30 1223<br />
3 Methanol 336 1230<br />
9 Bitumen 99 3257<br />
339<br />
Vgl. MWV. (1999): Mineralöl-Logistik. S. 17.<br />
340<br />
Vgl. MWV. (1999): Mineralöl-Logistik. S. 19.<br />
341<br />
Müller, T. (2008): Handbuch Logistik. S. 552.<br />
342<br />
Vgl. Müller, T. (2008): Handbuch Logistik. S. 552.<br />
343<br />
Vgl. MWV. (1999): Mineralöl-Logistik. S. 19.<br />
344<br />
In Anlehnung an MWV. (1999): Mineralöl-Logistik. S. 20-21.
3 Logistischer Prozess Erdöl 84<br />
Für den Transport müssen die Tanks mit Gefahrzetteln und Warntafeln gekennzeichnet<br />
werden. Die Gefahrzettel sind auf einer Spitze stehende Quadrate, die je nach Gefahr-<br />
gutklasse unterschiedlich gefärbt sind. Auf ihnen befindet sich ein Gefahrensymbol und<br />
der Zahlencode der Gefahrgutklasse. Beispielsweise handelt es sich in Abbildung 45<br />
um einen entzündbaren flüssigen Stoff der Gefahrenklasse drei. 345<br />
Abbildung 45: Gefahrzettel 346<br />
Die orangefarbene rechteckige Warntafel weist auf eine Gefahrgutbeförderung hin. Auf<br />
ihr befinden sich zwei übereinander stehende Nummern. Die obere Kemler-Zahl zeigt<br />
die vom Transportgut ausgehende Gefahr an. Die untere UN-Nr. steht für das Gut das<br />
transportiert wird. Diese Angaben sind vor allem bei Unfällen wichtig. In Abbildung 46<br />
handelt es sich z.B. um Benzin (1203) das leicht entzündlich (33) ist. 347<br />
Die Gefahrzettel werden zusammen mit den Warntafeln zur Kennzeichnung an den<br />
jeweiligen Transportmitteln angebracht. Sie müssen gut sichtbar an dem Transportmit-<br />
tel befestigt werden, um im Falle einer Gefahrensituation richtig handeln zu können.<br />
Die Kennzeichnung ist vor Beförderungsbeginn anzubringen und muss während dem<br />
gesamten Transport gewährleistet sein. 348<br />
Abbildung 46: Warntafel 349<br />
345 Vgl. http://www.bmvit.gv.at/verkehr/gesamtverkehr/gefahrgut/index.html, vom 18.03.2010.<br />
346 http://www.lagerlogistik-help.de/index.php?page=articles&op=readArticle&title=Gefahrgut,<br />
vom 18.03.2010.<br />
347 Vgl. http://www.bmvit.gv.at/verkehr/gesamtverkehr/gefahrgut/index.html, vom 18.03.2010.<br />
348 Vgl. Müller, T. (2008): Handbuch Logistik. S. 554.<br />
349 MWV. (1999): Mineralöl-Logistik. S. 22.
3 Logistischer Prozess Erdöl 85<br />
Während die Gefahrgüter im deutschen Recht einheitlich klassifiziert werden, existiert<br />
eine solche Regelung für Gefahrstoffe nicht. Es bestehen zahlreiche Vorschriften, von<br />
denen vor allem das Chemikaliengesetz und die Gefahrstoffverordnung zu nennen<br />
sind. Die darin enthaltenen Regelungen sind jedoch äußerst komplex, da für beinahe<br />
jedes Gefährlichkeitsmerkmal eine eigene Lagerungsvorschrift besteht. Generell hat<br />
das Gefahrstoffrecht das Ziel, mögliche Gefährdungen beim direkten Umgang mit ge-<br />
fährlichen Stoffen zu vermeiden. 350<br />
3.6.1.4 Vor- und Nachteile des Straßengüterverkehrs<br />
Der Transport im Straßengüterverkehr weist eine Reihe von Vorteilen auf. Aufgrund<br />
des engmaschigen Straßennetzes in Europa, ist eine extrem hohe Netzbildungsmög-<br />
lichkeit vorhanden. 351 Dadurch sind flächendeckende Transporte in nahezu jeden Ort<br />
möglich. Die Beförderung über kurze und mittlere Distanzen erfordert geringe Trans-<br />
portzeiten, bei einem relativ kleinen Transportrisiko. Zudem ist der Transport ausge-<br />
sprochen flexibel im Bezug auf Transporttermine und Veränderungen bei den zu beför-<br />
dernden Gütern. 352<br />
Der Straßengüterverkehr besitzt jedoch auch einige Nachteile. Durch den hohen Ener-<br />
gieverbrauch der LKW, ist der Transport auf der Straße äußerst belastend für die Um-<br />
welt. Es besteht keine Massenleistungsfähigkeit, da nur geringe Mengen transportiert<br />
werden können. Zudem ist die Beförderung auf der Straße von den Witterungsverhält-<br />
nissen abhängig. 353<br />
3.6.2 Eisenbahnkesselwagen<br />
Eisenbahnkesselwagen werden in der Regel nur für lange und direkte Transporte von<br />
Mineralölprodukten eingesetzt. Entweder werden Großtanklager oder große Industrie-<br />
kunden direkt von der Raffinerie mit Eisenbahnkesselwagen beliefert. 354 Von Schiengü-<br />
terverkehr ist dann die Rede, wenn spurgebundene Transportmittel auf Schienenbah-<br />
nen zum Einsatz kommen und dabei Güter transportieren. 355 Insgesamt umfasst das<br />
deutsche Schienennetz rund 34.000 km und wird von der Deutschen Bahn betrie-<br />
ben. 356 In Deutschland gibt es derzeit ca. 40.000 Eisenbahnkesselwagen, von denen<br />
rund 10.000 für den Transport von Mineralölprodukten genutzt werden. 357<br />
350 Vgl. Müller, T. (2008): Handbuch Logistik. S. 549.<br />
351 Vgl. Schieck, A. (2008): Internationale Logistik. S. 255.<br />
352 Vgl. Schulte, C. (2005): Logistik – Wege zur Optimierung der Supply Chain. S. 171.<br />
353<br />
Vgl. Schieck, A. (2008): Internationale Logistik. S. 255.<br />
354<br />
Vgl. http://www.energiewirtschaft.net/HTML/SCM.html, vom 22.03.2010.<br />
355<br />
Vgl. Schieck, A. (2008): Internationale Logistik. S. 279.<br />
356<br />
Vgl. Siegmann, J. (2008): Handbuch Logistik. S. 751.<br />
357<br />
Vgl. http://www.storck-verlag.de/gtt/2008/09_werner-jochems.pdf, vom 22.03.2010.
3 Logistischer Prozess Erdöl 86<br />
3.6.2.1 Geschichtlicher Rückblick<br />
Die ersten Spurbahnen wurden bereits in der Antike für Wagenverkehre genutzt. Im<br />
Mittelalter wurden in Bergwerken bereits Holzschienen für den Transport eingesetzt.<br />
Mit der Erfindung der doppel-T-förmigen Stahlschienen im Jahr 1820 wurde der<br />
Grundstein für die Ausbreitung des Schienengüterverkehrs gelegt. Die erste Bahnlinie<br />
wurde im Jahr 1825 in Großbritannien gebaut und führte von Darlington nach Stockton.<br />
In Deutschland wurde die erste Strecke 1835 zwischen Nürnberg und Fürth errichtet.<br />
Die Lokomotiven für die Güterwagen stammten zunächst aus England. Im Jahr 1814<br />
wurde dort die erste Dampflokomotive konstruiert. Elektrisch angetriebene Lokomoti-<br />
ven wurden schon 1879 von Siemens in Deutschland gebaut, allerdings konnten diese<br />
die Dampflokomotiven nicht ablösen. Ab dem Jahr 1960 wurden dann verstärkt<br />
Elektro- und Dieselantriebe für die Lokomotiven genutzt. 358<br />
3.6.2.2 Transport mit Eisenbahnkesselwagen<br />
Für den Transport im Schienengüterverkehr sind Triebfahrzeuge, Güterwagen und ein<br />
Schienennetz erforderlich. Die Triebfahrzeuge sind überwiegend moderne Eisenbahn-<br />
lokomotiven, die von Diesel- oder Elektromotoren angetrieben werden. 359 Das Schie-<br />
nennetz besteht aus Gleisanlagen, einem Zugsteuerungssystem und gegebenenfalls<br />
der Energieversorgung, wenn es sich um eine elektrifizierte Strecke handelt. Die Gleise<br />
unterscheiden sich dabei durch technische Größen wie z.B. die Spurweiten und die<br />
Belastbarkeit. Zur Verbindung der Fahrspuren dienen Weichen und Kreuzungen. 360<br />
Der Transport der Mineralölprodukte erfolgt in Eisenbahnkesselwagen. Die Eisen-<br />
bahnwagen mit Tanks sind bestimmt für die Beförderung von flüssigen und gasförmi-<br />
gen Gütern. Die Tanks werden aus Stahl gefertigt und haben je nach Ausführung ein<br />
Ladevolumen von 34 bis 120 m 3 . Die Nutzlänge der Kesselwagen variiert je nach Aus-<br />
führung zwischen 12 und 22 m. 361 Die meisten Wagen verfügen über zwei Drehgestelle<br />
(siehe Abbildung 47), teilweise jedoch auch über zwei Achsen.<br />
Abbildung 47: Eisenbahnkesselwagen 362<br />
358 Vgl. Schieck, A. (2008): Internationale Logistik. S. 281.<br />
359 Vgl. Schieck, A. (2008): Internationale Logistik. S. 293.<br />
360 Vgl. Schieck, A. (2008): Internationale Logistik. S. 289.<br />
361 Vgl. Berndt, T. (2001): Eisenbahngüterverkehr. S. 141-142.<br />
362 Schieck, A. (2008): Internationale Logistik. S. 294.
3 Logistischer Prozess Erdöl 87<br />
Ein Drehgestell ist ein bewegliches Laufwerk, das die Schienenfahrzeuge im Gleis<br />
führt. Die Drehgestelle besitzen dabei zwei bis drei Radsätze. Die bewegliche Lage-<br />
rung des Drehgestells sorgt während der Fahrt für eine verbesserte Laufruhe, insbe-<br />
sondere in Kurven. 363<br />
Aus den Triebfahrzeugen und Eisenbahnkesselwagen werden Züge gebildet. Mit Hilfe<br />
einer Kupplungstechnik werden dabei die Kesselwagen mit dem Triebfahrzeug ver-<br />
bunden. Die zulässige Gesamtzuglänge ist in Deutschland derzeit jedoch auf 700 m<br />
begrenzt. 364 Bei Zügen wird zwischen Einzelwagenverkehr und Ganzzugverkehr unter-<br />
schieden. Von Einzelwagenverkehr wird gesprochen, wenn die Transportobjekte einen<br />
einzelnen bzw. mehrere Güterwagen auslasten, nicht aber den gesamten Zug. Dies ist<br />
allerdings bei Massengütern (z.B. Mineralölprodukten) nicht profitabel. Beim Ganzzug-<br />
verkehr hingegen ist der gesamte Zug mit demselben Transportobjekt ausgelastet und<br />
transportiert dieses ohne Unterbrechung vom Versender zum Empfänger. 365<br />
Die Eisenbahnkesselwagen führen in der Regel keine eigenen Umschlagsmittel (z.B.<br />
Pumpen und Schläuche) mit. Diese werden an den Be- und Entladestationen zur Ver-<br />
fügung gestellt. Die Befüllung der Eisenbahnkesselwagen erfolgt zumeist durch die<br />
Öffnung von oben, mit Schläuchen oder durch Beladeterminals (Abbildung 48). Bei den<br />
Beladeterminals kommen spezielle Pumpsysteme zum Einsatz.<br />
Abbildung 48: Beladung von Eisenbahnkesselwagen 366<br />
Die Eisenbahnkesselwagen werden meistens nach unten entleert. Dort befinden sich<br />
Auslaufhähne die mit Schläuchen verbunden werden. Dabei wird das Ladegut aus dem<br />
363<br />
Vgl. http://www.wissen.de/wde/generator/wissen/ressorts/technik/mobilitaet/index,page=<br />
1086612.html, vom 23.03.2010.<br />
364<br />
Vgl. Siegmann, J. (2008): Handbuch Logistik. S. 754.<br />
365 Vgl. Siegmann, J. (2008): Handbuch Logistik. S. 744-745.<br />
366 http://www.mfx-systems.de/doku_1/1816/01%20Additivation/Sales%20Literature/1739-0001-<br />
0049.pdf, vom 22.03.2010.
3 Logistischer Prozess Erdöl 88<br />
Kesselwagen gepumpt oder die Schwerkraft genutzt (Abbildung 49). Es ist jedoch auch<br />
ein Absaugen des Transportgutes durch die obere Tanköffnung möglich. 367<br />
Abbildung 49: Entladung von Eisenbahnkesselwagen 368<br />
Die Raffinerien, Großtanklager und Endkunden müssen jedoch über einen Gleisan-<br />
schluss verfügen, der die Verbindung an das öffentliche Schienennetz herstellt. 369 Der<br />
geringe spezifische Energieverbrauch des Schienengüterverkehrs kommt dann vor<br />
allem bei Punkt-zu-Punkt-Verkehren über weite Entfernungen zum tragen, wodurch<br />
wettbewerbsfähige Transportkosten erreicht werden. 370<br />
3.6.2.3 Vor- und Nachteile des Schienengüterverkehrs<br />
Der Schienengütertransport besitzt einige Vorteile. Es können hohe Ladegewichte<br />
transportiert werden, wodurch eine beträchtliche Massenleistungsfähigkeit gegeben ist.<br />
Bei direkten und langen Beförderungen ist der Schienengütertransport relativ schnell.<br />
Es handelt sich um ein ausgesprochen sicheres Transportmittel, das deshalb beson-<br />
ders für Gefahrguttransporte geeignet ist. Zudem ist eine hohe Termintreue gegeben,<br />
da Fahrpläne vorliegen und eine Unabhängigkeit vom Verkehrsaufkommen sowie Wit-<br />
terungsverhältnissen besteht. Außerdem ist es im Hinblick auf die Emissionen eine<br />
verhältnismäßig umweltfreundliche Transportmethode.<br />
Den Vorteilen stehen jedoch auch etliche Nachteile gegenüber. Der Schienengüterver-<br />
kehr verfügt über eine geringe Netzdichte, da die Transporte durch die Bindung an das<br />
Schienennetz räumlich eingeschränkt sind. Direkte Haus-zu-Haus-Transporte sind so-<br />
mit nur in begrenztem Umfang möglich, wodurch sich der Zeitbedarf und die Kosten<br />
367 Vgl. http://www.ekkehardt-lauffen.de/wagen/kesselwagen/index.html, vom 22.03.2010.<br />
368 http://www.mfx-systems.de/doku_1/1816/01%20Additivation/Sales%20Literature/1739-0001-<br />
0049.pdf, vom 22.03.2010.<br />
369 Vgl. Siegmann, J. (2008): Handbuch Logistik. S. 748.<br />
370 Vgl. Schieck, A. (2008): Internationale Logistik. S. 283.
3 Logistischer Prozess Erdöl 89<br />
durch zusätzliche Umschlags- und Umladevorgänge erhöhen. 371 Zudem ist der Schie-<br />
nengütertransport an Fahrpläne gebunden, womit die zeitliche Flexibilität einge-<br />
schränkt ist. Die Beförderungsgeschwindigkeit wird vor allem durch aufwändige Ran-<br />
giermanöver verringert. 372<br />
3.6.3 Pipeline<br />
Nur vereinzelt verfügen Endverbraucher oder Großtanklager über eine direkte Pipeli-<br />
neverbindung zu einer Raffinerie. Pipelines werden nur dann für die Verteilung von<br />
Mineralölprodukten eingesetzt, wenn kontinuierlich große Abnahmemengen vorliegen.<br />
Dies trifft beispielsweise auf die weiterverarbeitende Chemieindustrie oder Großab-<br />
nehmer wie Flughäfen zu. 373<br />
Die Bestandteile einer Pipeline und der Transportvorgang wurden bereits ausführlich in<br />
Kapitel 3.2.1 beschrieben. Allerdings muss beim Transport verschiedener Mineralöl-<br />
produkte darauf geachtet werden, dass eine Trennung zwischen den verschiedenen<br />
Komponenten erfolgt, um eine Vermischung dieser zu verhindern und somit die gefor-<br />
derte Produktqualität zu gewährleisten.<br />
Die erforderliche Trennung erfolgt mit Trennbällen, die zwischen die einzelnen Partien<br />
gesetzt werden und die nur einen geringfügig kleineren Durchmesser als die Pipeline<br />
besitzen. Die Trennbälle bleiben während dem gesamten Transport in der Pipeline und<br />
werden erst am Beförderungsziel wieder entnommen. Zudem müssen die Mineralöl-<br />
produkte mit einem höheren Druck wie Rohöl durch die Pipeline befördert werden, da<br />
sie leichter sind. 374<br />
In der folgenden Tabelle 7 sind die bedeutendsten deutschen Mineralölpipelines aufge-<br />
führt. Deren Verlauf in Abbildung 36 in Kapitel 3.3.1 ersichtlich ist.<br />
Tabelle 7: Mineralölpipelines in Deutschland 375<br />
Abk.<br />
Völlständige Bezeichnung<br />
(teilweise Leistungsbetreiber)<br />
Anfangs-/ Endpunkt<br />
Inbetriebnahme<br />
Kapazität<br />
in Mio. t<br />
pro Jahr<br />
Länge in<br />
km in<br />
Deutschland<br />
- Shell Heide - Brunsbüttel 1953 5,5 31<br />
MIPRO Mitteldeutsche Produktenleitung<br />
Österreichische<br />
Spergau - Hartmannsdorf 1997 3 107<br />
OMV Mineralölverwaltung Burghausen - Feldkirchen<br />
Rotterdam (NL) -<br />
1967 1,7 87<br />
RMR Rhein-Main-Rohrleitungen Ludwigshafen/Raunheim 1967 12,5 523<br />
RRB Rohstoffpipeline Rostock-Böhlen Rostock - Böhlen 1997 2,5 437<br />
371<br />
Vgl. Gleißner, H. & Femerling, J. (2008): Logistik, Grundlagen – Übungen – Fallbeispiele. S.<br />
48.<br />
372<br />
Vgl. Schulte, C. (2005): Logistik – Wege zur Optimierung der Supply Chain. S. 173.<br />
373<br />
Vgl. MWV. (2006): Mineralölversorgung mit Pipelines. S. 9.<br />
374<br />
Vgl. Gleißner, H. & Femerling, J. (2008): Logistik, Grundlagen – Übungen – Fallbeispiele. S.<br />
65.
3 Logistischer Prozess Erdöl 90<br />
3.6.4 Tankmotorschiff<br />
Tankmotorschiffe kommen in der Regel beim Transport beträchtlicher Mineralölpro-<br />
duktmengen zu den Großtanklagern und Großkunden zum Einsatz. Die Empfänger der<br />
Mineralölprodukte müssen jedoch über eine Anbindung zum Wasserstraßennetz und<br />
einen Werkshafen mit entsprechenden Entlademöglichkeiten verfügen. 376 Da das Tank-<br />
motorschiff, das deutsche Wasserstraßennetz und die Vor- und Nachteile des Binnen-<br />
schifftransportes bereits in Kapitel 3.3.2 beschrieben wurden, wird nun nicht weiter auf<br />
dieses Transportmittel eingegangen.<br />
375 In Anlehnung an MWV. (2006): Mineralölversorgung mit Pipelines. Anhang.<br />
376 Vgl. http://www.energiewirtschaft.net/HTML/SCM.html, vom 25.03.2010.
4 Logistischer Prozess Erdgas 91<br />
4 Logistischer Prozess Erdgas<br />
Da Erdgas bisher überwiegend mit Pipelines transportiert wird, sind die Entfernungen<br />
zwischen dem Förderort und der Verbraucherregion relativ limitiert. Aus diesem Grund<br />
gibt es für Erdgas bisher keinen Weltmarkt wie bei Erdöl, sondern ausschließlich regio-<br />
nal begrenzte Märkte. Innerhalb dieser Märkte haben sich die Produzenten und<br />
Verbraucher durch langfristige Lieferverträge abgesichert, um die hohen Investitions-<br />
kosten für die Infrastruktur abzusichern. Global werden der asiatische, europäische,<br />
nordamerikanische und südamerikanische Erdgasmarkt unterschieden. 377<br />
Einen Überblick über die weltweiten Transportströme von Erdgas verschafft Abbildung<br />
50. Darin sind die Transportströme des Jahres 2008 in Mrd. m 3 dargestellt. Die Trans-<br />
porte innerhalb der Regionen sind in der Abbildung jedoch nicht berücksichtigt.<br />
Abbildung 50: Erdgastransportströme 2008 378<br />
Im Jahr 2008 wurden rund 30 % der weltweiten Erdgasförderung grenzüberschreitend<br />
gehandelt, wovon auf Liquefied Natural Gas (LNG) ca. ein Viertel entfiel. Die wichtigs-<br />
ten Exportländer waren Russland, Kanada, Norwegen, Algerien, und die Niederlan-<br />
377 Vgl. BGR. (2009): Energierohstoffe 2009 – Reserven, Ressourcen, Verfügbarkeit. S. 85.<br />
378 BGR. (2009): Energierohstoffe 2009 – Reserven, Ressourcen, Verfügbarkeit. S. 87.
4 Logistischer Prozess Erdgas 92<br />
de. 379 Die führenden Importländer von Erdgas waren die USA, Japan, Deutschland,<br />
Italien und Frankreich.<br />
Insgesamt wurden im Jahr 2008 weltweit ca. 3.066 Mrd. m 3 Erdgas gefördert. Die zehn<br />
größten Förderländer sind in Abbildung 51 dargestellt.<br />
Russland war im Jahr 2008 der bedeutendste Erdgasförderer<br />
Russland<br />
USA<br />
Kanada<br />
Iran<br />
Norwegen<br />
Algerien<br />
Saudi Arabien<br />
Katar<br />
China<br />
Großbritannien<br />
99 (3,2 %)<br />
86 (2,8 %)<br />
78 (2,5 %)<br />
77 (2,5 %)<br />
76 (2,5 %)<br />
70 (2,3 %)<br />
116 (3,8 %)<br />
175 (5,7 %)<br />
602<br />
(19,6 %)<br />
582 (19,3 %)<br />
0 100 200 300 400 500 600 700<br />
Milliarden Kubikmeter<br />
Abbildung 51: Rangliste der größten Erdgasförderer 2008 380<br />
Russland lag im Jahr 2008, mit einem Anteil von 19,6 % an der weltweiten Erdgasför-<br />
derung, an der Spitze der Förderländer. Auf den weiteren Plätzen folgen die USA mit<br />
19,3 %, Kanada mit 5,7 %, der Iran mit 3,8 % und Norwegen mit 3,2 %. Insgesamt wur-<br />
den in den zehn größten Förderländern rund 64 % des Erdgases gefördert. Die vorde-<br />
ren Plätze der USA und Kanada erscheinen zunächst ungewöhnlich, da die Erdgasre-<br />
serven dieser Länder relativ gering sind. Allerdings zählen sie zu den Hauptverbrau-<br />
chern von Erdgas und fördern deshalb die ihnen maximal zur Verfügung stehenden<br />
Mengen. 381<br />
Erdgasversorgungskette<br />
Die Erdgasversorgungskette wird in der vorliegenden Ausarbeitung in vier Stufen ge-<br />
gliedert. Zunächst findet die Erdgasförderung statt, die die Exploration, Bohrung und<br />
Förderung beinhaltet. Im Anschluss erfolgt der Transport vom Förderort in die<br />
379 Vgl. BGR. (2009): Energierohstoffe 2009 – Reserven, Ressourcen, Verfügbarkeit. S. 87.<br />
380 Vgl. BP. (2009): Statistical Review of World Energy. S. 24.<br />
381 Vgl. BP. (2009): Statistical Review of World Energy. S. 24.
4 Logistischer Prozess Erdgas 93<br />
Verbraucherregion mit Pipelines oder als Liquefied Natural Gas (LNG) in speziellen<br />
Tankschiffen. Hat das Erdgas die Verbraucherregion erreicht, erfolgt entweder eine<br />
Gasspeicherung, um Schwankungen des Bedarfs auszugleichen, oder es wird direkt<br />
zum Endverbraucher transportiert. Der Transport zum Endverbraucher erfolgt dabei<br />
mit Pipelines innerhalb des deutschen Transportnetzes zu privaten Haushalten, Indust-<br />
riekunden oder Kraftwerken 382 . Die Erdgasversorgungskette ist in Abbildung 52 veran-<br />
schaulicht.<br />
Abbildung 52: Erdgasversorgungskette 383<br />
Die einzelnen Stufen auf der Erdgasversorgungskette werden in den nachfolgenden<br />
Unterkapiteln eingehend dargestellt.<br />
4.1 Erdgasförderung<br />
Die Förderung von Erdgas gliedert sich ebenso wie die Gewinnung von Erdöl in drei<br />
Phasen. Im Folgenden wird auf die Exploration, Bohrung und Förderung näher einge-<br />
gangen.<br />
4.1.1 Exploration<br />
Die Erdgasexploration ist identisch mit der Suche nach Erdölvorkommen. Es werden<br />
jeweils geophysikalische Untersuchungsmethoden eingesetzt, mit deren Hilfe sich ein<br />
aussagekräftiges Bild über den Aufbau des Untergrunds ergibt. 384 Da die Exploration<br />
bereits in Kapitel 3.1.1 ausführlich beschrieben wurde, wird nun nicht weiter darauf<br />
eingegangen.<br />
4.1.2 Bohrung<br />
Die Tiefenbohrung nach Erdgas erfolgt mit denselben Verfahren wie bei Erdöl. Da die<br />
wichtigsten Bohrverfahren bereits in Kapitel 3.1.2 erläutert wurden, wird nun auf eine<br />
genauere Darlegung verzichtet. Im Gegensatz zum Erdöl, müssen bei der Bohrung<br />
382 Vgl. Kugeler, K. & Kugeler, O. & Dienhart, M. (2002): Energiehandbuch. S. 682.<br />
383 In Anlehnung an Kugeler, K. & Kugeler, O. & Dienhart, M. (2002): Energiehandbuch. S. 682.<br />
384 Vgl. WEG. (2008): Erdgas – Erdöl: Entstehung, Suche, Förderung. S. 14.
4 Logistischer Prozess Erdgas 94<br />
nach Erdgas mehrere Sicherheitsschieber, so genannte Preventer, in das Bohrloch<br />
integriert werden, um einen unkontrollierten Gasaustritt zu verhindern. 385<br />
4.1.3 Förderung<br />
Zur Förderung des Erdgases wird in das Bohrloch ein Steigrohr eingebaut, das bis zum<br />
tiefsten Punkt des Vorkommens reicht. Damit das Gas in das Rohr eintreten kann, wird<br />
das untere Teilstück mit kleinen Sprengsätzen geöffnet. Da das Erdgas unter natürli-<br />
chem Druck steht, strömt es aus eigener Kraft aus dem Vorkommen. Dies wird als<br />
Primärförderung bezeichnet. Aufgrund des gasförmigen Aggregatzustandes und den<br />
guten Strömungseigenschaften können so ca. 75 % des Gases aus dem Vorkommen<br />
gewonnen werden.<br />
Mit fortschreitender Förderung nimmt der Druck im Vorkommen jedoch ab, wodurch<br />
sich die Produktionsraten vermindern. In der Regel sind dann zusätzliche Bohrungen<br />
notwendig. In extrem tiefen Erdgasvorkommen, in denen äußerst geringe Produktions-<br />
raten erzielt werden, lässt sich durch das so genannte Frac-Verfahren eine verbesserte<br />
Förderung erzielen. Dabei werden mit speziellen Verfahren künstliche Fließwege ge-<br />
schaffen, womit die Erdgasabgabe erhöht wird. Das Frac-Verfahren zählt zu den se-<br />
kundären Förderungsmethoden. 386 Generell liegt der Nutzungsfaktor eines Erdgasvor-<br />
kommens bei durchschnittlich 85 %. 387<br />
Aufbereitung<br />
Über Sammelleitungen gelangt das geförderte Erdgas in zentral gelegene Gasaufbe-<br />
reitungsanlagen. Dort werden Verunreinigungen in Form von Wasserdampf, Schwefel-<br />
wasserstoff und anderen Schwefelverbindungen, Stickstoff, Kohlendioxid sowie aus<br />
dem Gestein mitgerissenem Sand und Wasser abgetrennt.<br />
Zunächst durchläuft das Erdgas eine Trocknungsanlage, in der der Wasserdampf ab-<br />
geschieden wird. Dabei wird in der Regel das flüssige Trocknungsmittel Glykol einge-<br />
setzt, mit dem das Gas in Kontakt gebracht wird und dabei den Wasserdampf an sich<br />
bindet. 388 Die Trocknung verhindert eine Kondensation des Wasserdampfs in der Pipe-<br />
line, wodurch einer Korrosion in der Leitung entgegengewirkt wird. 389 Die weiteren Be-<br />
gleitstoffe im Erdgas werden mit verschiedenen chemischen und physikalischen Ver-<br />
fahren aus dem Erdgas entfernt. 390<br />
Das Ziel der Rohgasaufbereitung besteht darin, eine definierte und gleichbleibende<br />
Qualität des Rohgases zu gewährleisten. 391 Nach der Trocknung und Reinigung ist das<br />
385 Vgl. OMV. (2009): Erdgas - Energie aus der Natur. S. 13.<br />
386 Vgl. WEG. (2008): Erdgas – Erdöl: Entstehung, Suche, Förderung. S. 19-20.<br />
387 Vgl. Perner, J. (2002): Die langfristige Erdgasversorgung Europas. S. 12.<br />
388 Vgl. http://micro.eon-ruhrgas.com/erdgas/stat05.htm, vom 27.03.2010.<br />
389 Vgl. Kosinowski, M. (2002): Energiehandbuch. S. 83.<br />
390 Vgl. OMV. (2009): Erdgas - Energie aus der Natur. S. 14.<br />
391 Vgl. Kosinowski, M. (2002): Energiehandbuch. S. 84.
4 Logistischer Prozess Erdgas 95<br />
Erdgas verbrauchsgerecht aufbereitet und kann in das Gasleitungsnetz eingespeist<br />
werden. 392<br />
4.2 Transport vom Förderort in die Verbraucherregion<br />
Da der Förderort und die Verbraucherregion für Erdgas nicht immer identisch ist, muss<br />
das Gas zum Teil über große Entfernungen transportiert werden. Der Transport des<br />
Erdgases erfolgt dabei entweder gasförmig über Pipelines oder im verflüssigten Zu-<br />
stand als LNG in speziellen Tankschiffen. 393 Wie bereits erwähnt, überwog der globale<br />
Pipelinetransport im Jahr 2008 mit einem Anteil von rund 75 % gegenüber dem Trans-<br />
port mit LNG-Tankschiffen. 394 Die beiden Transportmittel werden im Folgenden detail-<br />
liert beschrieben.<br />
4.2.1 Pipeline<br />
Der Transport von Erdgas in Pipelines ist ähnlich dem des Öls, unterscheidet sich je-<br />
doch in einigen Punkten. Deshalb werden im folgenden Kapitel ausschließlich die Be-<br />
sonderheiten des Erdgastransportes mit Pipelines aufgezeigt. Generell wurde die Pipe-<br />
line bereits ausführlich in Kapitel 3.2.1 behandelt.<br />
4.2.1.1 Pipelinetransport<br />
Nachdem das Erdgas für den Transport aufbereitet wurde, wird es in das Fernleitungs-<br />
netz eingespeist und über groß dimensionierte Hochdruckleitungen vom Förderort in<br />
die Verbraucherregion transportiert. 395 Dabei muss das Erdgas zunächst auf den ent-<br />
sprechenden Fernleitungsdruck justiert werden, der in der Regel ca. 80 bar beträgt. 396<br />
Während der Beförderung über weite Entfernungen reduziert sich der Druck in der Pi-<br />
peline durch die Reibung der Gasmoleküle im Gasstrom und an den Wänden der Rohr-<br />
leitungen um etwa 0,1 bar pro km. 397 Um den Weitertransport in einer optimalen Trans-<br />
portgeschwindigkeit zu gewährleisten, muss der verminderte Druck wieder aufgebaut<br />
werden. Dies geschieht durch Verdichterstationen, die im Fernleitungsnetz in einem<br />
Abstand von 100 bis 200 km installiert sind. 398<br />
Die Verdichterstationen verdichten das Erdgas dabei mit Hilfe von Kompressoren. Dar-<br />
in besteht auch der Hauptunterschied zu den Ölpipelines, in denen Pumpen anstelle<br />
392 Vgl. http://micro.eon-ruhrgas.com/erdgas/stat05.htm, vom 27.03.2010.<br />
393 Vgl. BGR. (2009): Energierohstoffe 2009 – Reserven, Ressourcen, Verfügbarkeit. S. 83.<br />
394 Vgl. BGR. (2009): Energierohstoffe 2009 – Reserven, Ressourcen, Verfügbarkeit. S. 87.<br />
395 Vgl. Perner, J. (2002): Die langfristige Erdgasversorgung Europas. S. 12.<br />
396 Vgl. http://micro.eon-ruhrgas.com/erdgas/stat06.htm, vom 28.03.2010.<br />
397 Vgl. Cerbe, G. (2008): Grundlagen der Gastechnik. S. 177.<br />
398 Vgl. Cerbe, G. (2008): Grundlagen der Gastechnik. S. 243.
4 Logistischer Prozess Erdgas 96<br />
von Kompressoren für den Druck in der Leitung sorgen. 399 In der Verdichterstation wird<br />
das Erdgas zunächst gereinigt. Dazu strömt es durch Filter, in denen Staub und kleine<br />
mechanische Verunreinigungen herausgefiltert werden.<br />
Im Anschluss fließt das Erdgas zu der Verdichtereinheit. In dieser wird am häufigsten<br />
der so genannte Turboverdichter eingesetzt, der ähnlich wie die Turbine eines Flug-<br />
zeuges arbeitet. Dabei schleudern Schaufeln das Gas mit hoher Geschwindigkeit in die<br />
Strömungsrichtung, wodurch sich das Erdgas verdichtet und unter erhöhtem Druck<br />
weiter fließt. Durch die Verdichtung erhöht sich die Temperatur des Gases. Überschrei-<br />
tet die Temperatur 50 °C, muss das Gas mit speziellen Anlagen gekühlt werden.<br />
Die Fernleitungen bestehen aus Stahlrohren, die zu einem Rohrstrang zusammenge-<br />
schweißt werden. Die einzelnen Rohrstücke besitzen einen Durchmesser von bis zu<br />
160 cm, haben Wandstärken von rund 16 mm und sind in der Regel 18 m lang. Bei der<br />
Herstellung erhalten die Rohre bereits eine spezielle Außenbeschichtung aus Kunst-<br />
stoff, um einer möglichen Korrosion vorzubeugen. Die innere Beschaffenheit der Erd-<br />
gasleitungen dient weniger dem Korrosionsschutz, sondern vielmehr einer möglichst<br />
geringen Rohrrauhigkeit, damit eine optimale Transportgeschwindigkeit gewährleistet<br />
werden kann. 400<br />
Das Erdgas erreicht beim Transport eine Durchflussgeschwindigkeit von rund 30<br />
km/h. 401 Somit dauert beispielsweise der Transport eines Gasmoleküls von den sibiri-<br />
schen Förderstätten nach Deutschland mehr als eine Woche. 402 In der Regel verlaufen<br />
die Erdgasleitungen unterirdisch. Eine Ausnahme bilden z.B. die Pipelines in Sibirien,<br />
die aufgrund des Dauerfrostbodens oberirdisch geführt werden müssen. 403<br />
Ebenso wie bei den Ölpipelines durchfahren Molche die Rohrleitungen in regelmäßigen<br />
Abständen. Die Molche reinigen dabei die Pipeline und überprüfen sie auf mögliche<br />
Beschädigungen. Durch die Molchuntersuchungen können somit kleinste Leckagen<br />
exakt lokalisiert werden. 404 Die Verluste durch Leckagen werden deshalb auf nur 1 %<br />
des Erdgastransportvolumens geschätzt. 405 Zudem werden Pipelineabschnitte alle zwei<br />
Monate begangen, wenn sie näher als 20 km an Gebäuden vorbeiführen. Dabei wird<br />
teilweise ein oberirdisches Absaugverfahren eingesetzt, mit dem nach Undichtigkeiten<br />
gesucht wird. 406<br />
399<br />
Vgl. Gleißner, H. & Femerling, J. (2008): Logistik, Grundlagen – Übungen – Fallbeispiele. S.<br />
64.<br />
400<br />
Vgl. http://micro.eon-ruhrgas.com/erdgas/stat06.htm, vom 28.03.2010.<br />
401<br />
Vgl. OMV. (2009): Erdgas - Energie aus der Natur. S. 16.<br />
402<br />
Vgl. Schiffer, H. (2008): Energiemarkt Deutschland. S. 173.<br />
403<br />
Vgl. OMV. (2009): Erdgas - Energie aus der Natur. S. 16.<br />
404<br />
Vgl. OMV. (2009): Erdgas - Energie aus der Natur. S. 31.<br />
405<br />
Vgl. BGR. (2009): Energierohstoffe 2009 – Reserven, Ressourcen, Verfügbarkeit. S. 83.<br />
406 Vgl. Cerbe, G. (2008): Grundlagen der Gastechnik. S. 193.
4 Logistischer Prozess Erdgas 97<br />
4.2.1.2 Bedeutende Erdgaspipelines<br />
Im Folgenden werden einige ausgewählte Erdgaspipelines vorgestellt. Die Erdgasex-<br />
porte aus Russland für Westeuropa fließen über ein von der russischen, ukrainischen,<br />
slowakischen und tschechischen Gaswirtschaft errichtetes Leitungssystem nach<br />
Deutschland. An der Grenze zu Deutschland beginnt die Mittel-Europäische-<br />
Gasleitung (MEGAL).<br />
Die MEGAL besteht aus einem nördlichen Teil, der an der deutsch-tschechischen<br />
Grenze bei Waidhaus (östlich von Nürnberg) beginnt und einem südlichen Teil der an<br />
der deutsch-österreichischen Grenze bei Wildenranna (östlich von Passau) startet. In<br />
Rothenstadt trifft die MEGAL-Nord mit der MEGAL-Süd zusammen und transportiert<br />
von dort das Erdgas weiter nach Frankreich. 407 Insgesamt ist die MEGAL 1.070 km<br />
lang und wurde im Jahr 1980 in Betrieb genommen. 408 In Abbildung 53 ist das gesamte<br />
europäische Ferngasnetz dargestellt, das rund 25.000 km lang ist.<br />
Erdgasfeld<br />
LNG- Anlandeterminal<br />
Haupt-Erdgasleitung<br />
Abbildung 53: Europäisches Ferngasnetz 409<br />
407 Vgl. Schiffer, H. (2008): Energiemarkt Deutschland. S. 174.<br />
408 Vgl. Perner, J. (2002): Die langfristige Erdgasversorgung Europas. S. 44.<br />
409 In Anlehnung an Schieck, A. (2008): Internationale Logistik. S. 340.
4 Logistischer Prozess Erdgas 98<br />
Das für Deutschland bestimmte Erdgas aus Großbritannien wird zunächst in Zeebrüg-<br />
ge (Belgien) angelandet und gelangt von dort an die deutsche Grenze bei Aachen. 410<br />
Dort beginnt die Trans-Europa-Naturgas-Pipeline (TENP) die bis zur deutsch-<br />
schweizerischen Grenze bei Schwörstadt verläuft. Die Inbetriebnahme der 830 km lan-<br />
gen Pipeline erfolgte im Jahr 1974. 411<br />
Die Erdgaspipeline Europipe verbindet die norwegischen Erdgasvorkommen bei Eko-<br />
fisk in der Nordsee mit dem deutschen Festland bei Dornum in Ostfriesland. 412 Sie wur-<br />
de im Jahr 1995 fertiggestellt und ist 620 km lang. Die Mitteldeutsche Anbindungs-<br />
leitung (MIDAL) verläuft von der Nordseeküste nach Süddeutschland. Sie umfasst<br />
insgesamt 702 km und wurde im Jahr 1993 in Betreib genommen. 413<br />
Die folgenden Pipelines befinden sich derzeit im Bau oder in Planung und sollen die<br />
europäische Erdgasversorgung in den kommenden Jahren sicherstellen. 414 Die Nord-<br />
Stream-Pipeline wird das europäische Erdgasnetz direkt mit den russischen Erdgas-<br />
vorkommen in Sibirien verbinden. Sie führt von Wyborg nordwestlich von St. Peters-<br />
burg durch die Ostsee direkt nach Greifswald, ohne dabei Transitländer zu durchque-<br />
ren (Abbildung 54). 415<br />
Abbildung 54: Nord-Stream-Pipeline 416<br />
Die Pipeline, die eine Gesamtlänge von 1.220 km besitzt, soll im Jahr 2011 zunächst<br />
mit einer jährlichen Kapazität von etwa 27,5 Mrd. m 3 in Betrieb gehen. Nach der Fertig-<br />
stellung wird die Transportkapazität rund 55 Mrd. m 3 pro Jahr betragen. Bereits im Jahr<br />
410<br />
Vgl. Schiffer, H. (2008): Energiemarkt Deutschland. S. 185.<br />
411<br />
Vgl. Perner, J. (2002): Die langfristige Erdgasversorgung Europas. S. 44.<br />
412<br />
Vgl. Schiffer, H. (2008): Energiemarkt Deutschland. S. 184.<br />
413<br />
Vgl. Perner, J. (2002): Die langfristige Erdgasversorgung Europas. S. 44.<br />
414<br />
Vgl. BDEW. (2009): Warum ist Erdgas sicher? S. 8.<br />
415<br />
Vgl. http://www.nord-stream.com/de/the-pipeline/pipeline-route.html, vom 28.03.2010.<br />
416 http://i.telegraph.co.uk/telegraph/multimedia/archive/00866/money-graphics-<br />
2008_866706a.gif, vom 28.03.2010.
4 Logistischer Prozess Erdgas 99<br />
2005 begannen die Bauarbeiten für den ersten Landabschnitt. Die Gesamtinvestitionen<br />
für das Projekt belaufen sich auf 7,4 Mrd. Euro. 417<br />
Das Nabucco-Pipeline-Projekt soll die EU aus der russischen Gasabhängigkeit be-<br />
freien, indem es die Erdgasvorkommen im kaspischen Raum mit Europa verbindet. Der<br />
Baubeginn der Pipeline, der bereits mehrere Male verschoben wurde, ist für 2011 ge-<br />
plant. Die Inbetriebnahme ist für das Jahr 2013 vorgesehen. 418 Die Nabucco-Pipeline<br />
soll in Erzurum (Türkei) an die Südkaukasus-Pipeline anschließen (Abbildung 55). 419<br />
Abbildung 55: Nabucco-Pipeline 420<br />
Von der Türkei soll sie über Bulgarien, Rumänien und Ungarn nach Österreich (Baum-<br />
garten) führen und eine Länge von rund 3.300 km aufweisen. 421 Nach der ersten Bau-<br />
phase soll die Pipeline jährlich 10 bis 15 Mrd. m 3 Erdgas transportieren. Ist der Bau<br />
abgeschlossen, ist eine jährliche Transportkapazität von 31 Mrd. m 3 geplant. Das ge-<br />
samte Investitionsvolumen beträgt nach heutigem Stand ca. 7,9 Mrd. Euro. 422<br />
Die South-Stream-Pipeline ist ein geplantes russisches italienisches Gemeinschafts-<br />
projekt. Die Pipeline soll die russische Hafenstadt Noworossijsk mit der bulgarischen<br />
Stadt Warna verbinden und dabei über den Grund des Schwarzen Meeres verlegt wer-<br />
den. Von Bulgarien aus soll South-Stream dann auf jeweils einem Strang nach Italien<br />
und Österreich weiterführen (Abbildung 56). 423<br />
417 Vgl. http://www.nord-stream.com/de/the-pipeline/pipeline-route.html, vom 28.03.2010.<br />
418<br />
Vgl. FVMI. (2009): Mineralölbericht 2008. S. 20.<br />
419<br />
Vgl. http://www.agenda21-treffpunkt.de/lexikon/Erdgas.htm, vom 28.03.2010.<br />
420<br />
http://www.wieninternational.at/de/node/14313, vom 28.03.2010.<br />
421<br />
Vgl. http://www.nabucco-pipeline.com/project/project-description-pipeline-route/projectdescription.html,<br />
vom 28.03.2010.<br />
422<br />
Vgl. FVMI. (2009): Mineralölbericht 2008. S. 20.<br />
423 Vgl. BDEW. (2009): Warum ist Erdgas sicher? S. 8.
4 Logistischer Prozess Erdgas 100<br />
Abbildung 56: South-Stream-Pipeline 424<br />
Ersten Planungen zufolge soll die Pipeline eine Durchleitungskapazität von ca. 30 Mrd.<br />
m 3 besitzen. Die Investitionskosten werden auf 19 bis 24 Mrd. Euro geschätzt. Einen<br />
konkreten Zeitplan für die Fertigstellung der Pipeline gibt es derzeit nicht. 425<br />
4.2.2 Schiff<br />
Erdgas kann durch ein technisches Verfahren zu so genanntem LNG verflüssigt wer-<br />
den. Der Transport von LNG bietet den Vorteil einer enormen Flexibilität, da keine Bin-<br />
dung an ein starres Pipelinesystem besteht. Die Tankschiffe können zwischen beliebi-<br />
gen Belade- und Anlandeterminals verkehren, allerdings sind sie an die Weltmeere<br />
gebunden. Grundsätzlich ist die Beförderung von LNG günstiger als der Pipelinetrans-<br />
port, wenn eine Entfernung von über 3.000 km zurückgelegt wird.<br />
Das erste verflüssigte Erdgas wurde im Jahr 1964 von Algerien nach Großbritannien<br />
transportiert. Der Transport in Form von LNG hat seitdem zunehmend an Bedeutung<br />
gewonnen. In den kommenden fünf Jahren wird mit einer Verdopplung des Handels mit<br />
LNG gerechnet. 426 In den folgenden Unterkapiteln werden die LNG-Transportkette,<br />
LNG-Tankschiffe und bedeutende Verlade- und Anlandeterminals näher erläutert.<br />
4.2.2.1 LNG-Transportkette<br />
Die LNG-Transportkette umfasst mehrere Stufen. Zunächst wird das aufbereitete Erd-<br />
gas vom Vorkommen mit Pipelines an die Küste transportiert. Im Hafen angelangt, wird<br />
das Erdgas in speziellen Anlagen verflüssigt. Grundsätzlich stehen zur Verflüssigung<br />
mehrere Verfahren zur Verfügung, allerdings wird das Gas bei allen auf -161,5 °C her-<br />
untergekühlt. Bei dieser Temperatur hat der Hauptbestandteil Methan seinen Siede-<br />
punkt erreicht und wechselt vom gasförmigen in den flüssigen Aggregatzustand. Es<br />
entsteht dabei eine klare Flüssigkeit, die farb-, geschmacks- und geruchsneutral ist. Im<br />
424<br />
http://www.novinite.com/view_news.php?id=103733, vom 28.03.2010.<br />
425<br />
Vgl. BDEW. (2009): Warum ist Erdgas sicher? S. 8.<br />
426<br />
Vgl. BGR. (2009): Energierohstoffe 2009 – Reserven, Ressourcen, Verfügbarkeit. S. 84.
4 Logistischer Prozess Erdgas 101<br />
verflüssigten Zustand verliert das Erdgas einen Großteil seines Volumens und nimmt<br />
nur noch rund 1/600 des normalen Raumbedarfs ein.<br />
Ein weit verbreitetes Verflüssigungsverfahren ist das Kaskadenverfahren, bei dem die<br />
Temperatur des Erdgases in zahlreichen Stufen reduziert wird. Dieses Verfahren ist<br />
zwar leistungsfähig, aber äußerst komplex. Bei anderen Verfahren kommen weitaus<br />
weniger Kühlstufen zum Einsatz, wodurch sich die Anzahl der Anlagekomponenten<br />
reduziert und die Anlagen somit flexibler einsetzbar sind. 427 Die Energiemenge die zur<br />
Herstellung des verflüssigten Erdgases eingesetzt werden muss, beträgt durchschnitt-<br />
lich 15 % der gesamten umzuwandelnden Gasmenge.<br />
Nachdem das Erdgas verflüssigt ist, wird es in isolierten Lagertanks zwischengelagert.<br />
Diese befinden sich in der Nähe des Verladeterminals. Die Speicherbehälter besitzen<br />
in der Regel eine Kapazität zwischen 35.000 m 3 und 200.000 m 3 und erhalten die nied-<br />
rige Temperatur der Flüssigkeit. 428 An speziellen Verladeterminals erfolgt der Umschlag<br />
auf die LNG-Tankschiffe (die Tankschiffe werden detailliert in Kapitel 4.2.2.2 beschrie-<br />
ben) mit Pumpen. Ist der Umschlag beendet begibt sich das Tankschiff auf den Weg<br />
zum Zielhafen. 429 Die gesamte LNG-Transportkette ist in Abbildung 57 veranschaulicht.<br />
Abbildung 57: LNG-Transportkette 430<br />
Hat das LNG-Tankschiff das Anlandeterminal erreicht, wird das flüssige Erdgas mit<br />
bordeigenen Pumpen aus den Schiffstanks entnommen und in Lagertanks zwischen-<br />
gespeichert. Dann erfolgt die Wiederverdampfung des flüssigen Gases. Bei der Ver-<br />
dampfung kommen entweder Verdampfer, die Seewasser direkt als Wärmeträger nut-<br />
zen, oder Wasserbäder, die mit Erdgas beheizt werden, zum Einsatz. Das LNG wird<br />
dabei in Röhren durch das Seewasser bzw. die beheizten Wasserbäder geleitet, wobei<br />
427 Vgl. Perner, J. (2002): Die langfristige Erdgasversorgung Europas. S. 22-23.<br />
428 Vgl. Cerbe, G. (2008): Grundlagen der Gastechnik. S. 14.<br />
429 Vgl. Perner, J. (2002): Die langfristige Erdgasversorgung Europas. S. 24.<br />
430 In Anlehnung an OMV. (2009): Erdgas - Energie aus der Natur. S. 18-19.
4 Logistischer Prozess Erdgas 102<br />
ein Wärmeaustausch stattfindet. 431 Abschließend wird das Erdgas in das Gasnetz der<br />
Verbraucherregion eingespeist. 432<br />
4.2.2.2 LNG-Tankschiffe<br />
Der Transport erfolgt in speziellen Tankschiffen. Diese verfügen über ein Kühlsystem,<br />
damit sich das LNG bei der teilweise wochenlangen Fahrt nicht erwärmt und dadurch<br />
an Volumen gewinnt. Deshalb sind die LNG-Tankschiffe deutlich teurer als normale<br />
Tankschiffe. 433 Bei den Ladetanks der doppelwandig gebauten LNG-Tankschiffe kom-<br />
men Kugeltanks und Membrantanks zum Einsatz (siehe Abbildung 58).<br />
Abbildung 58: LNG-Tankschiff mit Kugel- bzw. Membrantanks 434<br />
Das Kugeltanksystem besteht aus großen kugelförmigen Behältern mit Durchmessern<br />
von mehr als 40 m. Bei den Kugeltanks handelt es sich um eine selbsttragende Kon-<br />
struktion, das heißt die Behälter tragen das Gewicht der Ladung und ihr Eigengewicht<br />
ohne seitliche Abstützung. Gebaut werden die temperaturfesten Kugeltanks aus Alu-<br />
minium oder Edelstahl. Die Materialdicke der Tanks beträgt 40 bis 70 mm. Beim Ab-<br />
kühlen auf die Ladungstemperatur können die Tanks ohne Beeinträchtigung des<br />
Schiffskörpers schrumpfen. 435 Der große Nachteil der Kugeltanks besteht jedoch darin,<br />
dass durch die Tankgeometrie der Schiffskörper nicht optimal genutzt wird. 436 Ein LNG-<br />
Tankschiff mit Kugeltanks ist in Abbildung 59 dargestellt.<br />
Membrantanks sind Tanks, deren Wände über die gesamte Fläche der Innenhülle des<br />
Schiffskörpers befestigt sind. Dadurch ist eine optimale Ausnutzung des Schiffsvolu-<br />
mens gegeben. Die Doppelhülle des Schiffes bildet die tragende Tankstruktur. Das<br />
Tankgewicht und das Ladungsgewicht werden dabei über die Tankwand auf den<br />
Schiffskörper übertragen. 437 Die innere Tankwand ist in der Regel eine rund 0,7 mm<br />
dicke Metallmembran, hinter der sich eine Isolierschicht befindet. Eine äußere gasdich-<br />
te Membran aus Metall schließt den Aufbau der Tankwand ab. Die Membranschichten<br />
weisen eine sehr geringe Ausdehnung auf, wodurch die temperaturbedingten Span-<br />
nungen zwischen dem Gas und der Außenhülle ausgeglichen werden. 438<br />
431 Vgl. Cerbe, G. (2008): Grundlagen der Gastechnik. S. 15-16.<br />
432 Vgl. Perner, J. (2002): Die langfristige Erdgasversorgung Europas. S. 24.<br />
433 Vgl. Seeliger, A. (2004): Die europäische Erdgasversorgung im Wandel. S. 14.<br />
434 Schieck, A. (2008): Internationale Logistik. S. 202.<br />
435 Vgl. Cerbe, G. (2008): Grundlagen der Gastechnik. S. 15.<br />
436 Vgl. http://micro.eon-ruhrgas.com/lng/, vom 30.03.2010.<br />
437 Vgl. Cerbe, G. (2008): Grundlagen der Gastechnik. S. 15.<br />
438 Vgl. http://micro.eon-ruhrgas.com/lng/, vom 30.03.2010.
4 Logistischer Prozess Erdgas 103<br />
Abbildung 59: LNG-Tankschiff 439<br />
Während des Transportes des komprimierten und verflüssigten Erdgases verdampfen<br />
etwa 0,2 % LNG des Tankvolumens pro Tag, was in der Fachsprache „boil off“ genannt<br />
wird. Das verdampfte LNG wird dann als Treibstoff für die Antriebsmaschinen des<br />
Schiffes genutzt. Eine Rückverflüssigung während der Beförderung auf See ist derzeit<br />
technisch noch nicht möglich. 440<br />
Die Größenzuwächse der LNG-Tankschiffe sind ebenso wie bei den anderen Schiffs-<br />
typen enorm. Während die ersten LNG-Tanker im Jahr 1964 ein Ladevolumen von<br />
rund 20.000 m 3 aufwiesen, beträgt die heutige Standardgröße 135.000 m 3 . Zukünftig<br />
wird ein Anstieg der Tankergrößen auf bis zu 200.000 m 3 erwartet. 441 Ein durchschnittli-<br />
ches LNG-Tankschiff mit einem Ladevolumen von 135.000 m 3 ist rund 300 m lang, et-<br />
wa 50 m breit, hat einen Tiefgang von ca. 12 m und erreicht Geschwindigkeiten von bis<br />
zu 20 Seemeilen (ca. 37 km/h). 442<br />
Die Gasmenge die ein durchschnittliches LNG-Tankschiff mit einem Ladevolumen von<br />
135.000 m 3 transportiert, deckt ungefähr den Jahresverbrauch von 55.000 Haushalten<br />
in Deutschland. 443 Die Belade- und Entladezeit eines LNG-Tankschiffes beträgt zwi-<br />
schen ein und zwei Tagen. Generell gelten bei der LNG-Schifffahrt strenge Sicher-<br />
heitsstandards, weshalb bis jetzt noch keine schwerwiegenden Unfälle vorgekommen<br />
sind. 444 Reines LNG ist auch nicht entzündbar und kann keine Explosion verursachen.<br />
Allerdings wird es äußerst entzündbar und explosiv, wenn die Flüssigkeit verdampft<br />
und die Konzentration des Gases mehr als 5 % beträgt. 445<br />
439<br />
Vgl. OMV. (2009): Erdgas - Energie aus der Natur. S. 19.<br />
440<br />
Vgl. Perner, J. (2002): Die langfristige Erdgasversorgung Europas. S. 24.<br />
441<br />
Vgl. Cerbe, G. (2008): Grundlagen der Gastechnik. S. 14.<br />
442<br />
Vgl. Perner, J. (2002): Die langfristige Erdgasversorgung Europas. S. 24.<br />
443<br />
Vgl. http://micro.eon-ruhrgas.com/lng/, vom 30.03.2010.<br />
444<br />
Vgl. Cerbe, G. (2008): Grundlagen der Gastechnik. S. 15.<br />
445<br />
Vgl. http://www.erneuerbareenergiequellen.com/erdgas_flussigerdgas.html, vom 30.03.2010.
4 Logistischer Prozess Erdgas 104<br />
4.2.2.3 Bedeutende Verlade- und Anlandeterminals<br />
Im Jahr 2008 exportieren weltweit 16 Länder 227 Mrd. m 3 LNG. Der größte Exporteur<br />
war Katar mit 40 Mrd. m 3 , was einem globalen Anteil von 18 % entspricht. Es folgen<br />
Malaysia mit 29 Mrd. m 3 (13 %), Indonesien mit 27 Mrd. m 3 (12 %), Algerien mit 22 Mrd.<br />
m 3 (10 %), Nigeria und Australien mit jeweils 20 Mrd. m 3 (9 %), sowie Trinidad und To-<br />
bago mit 17 Mrd. m 3 (8 %). Nur geringe Mengen exportierten beispielsweise Guinea,<br />
die USA und Libyen. 446<br />
Zu den bedeutendsten LNG-Verladeterminals zählen das Qatargas- und Rasgas-LNG-<br />
Plant in Katar, das Satu-, Dua- und Tiga-Plant in Malaysia, sowie das Arun-, Bontang-<br />
und Tangguh-Plant in Indonesien. Weitere wichtige Verladeterminals sind das Algeria-<br />
LNG-Plant (Algerien), das North West Shelf LNG-Plant (Australien) und das Atlantic<br />
LNG-Plant (Trinidad und Tobago). 447<br />
Insgesamt 18 Länder importierten im Jahr 2008 LNG. Japan dominierte hier mit einem<br />
Anteil von über 40 % (92 Mrd. m 3 ). Weitere wichtige LNG-Importeure waren Südkorea<br />
(37 Mrd. m 3 ), Spanien (29 Mrd. m 3 ), Frankreich (13 Mrd. m 3 ), Taiwan (12 Mrd. m 3 ),<br />
Indien (11 Mrd. m 3 ) und die USA (10 Mrd. m 3 ). Aus regionaler Sicht ist der asiatische<br />
LNG-Markt mit einem globalen Anteil von ca. 69 % vorherrschend. Es folgen Europa<br />
mit 24 %, Nordamerika mit 6 % und Südamerika mit 1 %. 448<br />
In Europa existieren derzeit 17 LNG-Anlandeterminals. Davon befinden sich sechs in<br />
Spanien, zwei in Frankreich, Großbritannien, Italien und der Türkei, sowie je eines in<br />
Belgien, Griechenland, und Portugal (siehe Abbildung 60). Zahlreiche weitere LNG-<br />
Anlandeterminals befinden sich derzeit im Bau oder in fortgeschrittener Planung. Unter<br />
anderem sind solche in Deutschland, Irland, Kroatien, den Niederlanden und Zypern<br />
geplant. 449<br />
In Deutschland ist bereits seit längerem der Bau eines Anlandeterminals in Wilhelms-<br />
haven im Gespräch. Die E.ON Ruhrgas AG, der größte deutsche Gasversorger und<br />
potentielle Betreiber, wird den Bau in nächster Zukunft nicht realisieren. Die Voraus-<br />
setzungen für einen zukünftigen Bau eines solchen Terminals sind allerdings geschaf-<br />
fen. 450 Deutschland besitzt allerdings eine Anbindung an das Anlandeterminal in<br />
Zeebrügge. 451<br />
446<br />
Vgl. BP. (2009): Statistical Review of World Energy. S. 30.<br />
447<br />
Vgl. http://www.globallnginfo.com/World%20LNG%20Plants%20&%20Terminals.pdf, vom<br />
30.03.2010.<br />
448<br />
Vgl. BP. (2009): Statistical Review of World Energy. S. 30.<br />
449<br />
Vgl. http://www.kslaw.com/library/pdf/LNG_in_Europe.pdf, vom 30.03.2010.<br />
450 Vgl. http://www.wilhelmshaven.de/nachrichten/archiv/9763.htm, vom 30.03.2010.<br />
451 Vgl. Schiffer, H. (2008): Energiemarkt Deutschland. S. 188.
4 Logistischer Prozess Erdgas 105<br />
Abbildung 60: LNG-Anlandeterminals in Europa 452<br />
Durch den LNG-Transport werden besonders Lieferländer interessant, die bisher gar<br />
nicht oder nur mit besonders hohem Aufwand an die Verbraucherregion per Pipeline<br />
angeschlossen werden konnten. Durch das Vorhandensein mehrerer Bezugsquellen<br />
wird somit eine Diversifizierung der Lieferländer ermöglicht. Deshalb kann LNG eine<br />
wichtige Rolle bei der Verringerung der Abhängigkeit von einzelnen Erdgaslieferanten<br />
spielen. 453<br />
4.3 Gasspeicherung<br />
Nachdem das Erdgas die Verbraucherregion erreicht hat, wird es entweder zwischen-<br />
gespeichert oder direkt per Pipeline zum Endverbraucher transportiert. Im Folgenden<br />
wird die Notwendigkeit von Erdgasspeichern aufgezeigt und die verschiedenen Erd-<br />
gasspeichertypen werden erläutert.<br />
452 In Anlehnung an EWI (2006): Die Entwicklung der Energiemärkte bis zum Jahr 2030. S. 48.<br />
453 Vgl. BGR. (2009): Energierohstoffe 2009 – Reserven, Ressourcen, Verfügbarkeit. S. 84.
4 Logistischer Prozess Erdgas 106<br />
4.3.1 Notwendigkeit von Erdgasspeichern<br />
Erdgas wird zu verschiedenen Zeiten in unterschiedlichen Mengen benötigt und weist<br />
deshalb hohe Verbrauchsschwankungen auf. 454 Der Verbrauch in Deutschland kann im<br />
Winter etwa das Vierfache des Gasabsatzes im Sommer betragen. Zudem sind<br />
Schwankungen des Verbrauchs über die Woche (Wochentage, Wochenende) und über<br />
den Tag (Tag, Nacht) auszugleichen. 455<br />
Da die Förderregionen in der Regel weit von den Verbraucherregionen entfernt sind,<br />
können die Schwankungen nicht in vollem Umfang durch erhöhte Lieferungen ausge-<br />
glichen werden. 456 Deshalb kommen Erdgasspeicher zum Einsatz. Ihnen wird bei nied-<br />
rigem Verbrauch, wenn das Gasaufkommen größer ist als der Absatz, Erdgas zuge-<br />
führt. Übersteigt der Bedarf die Erdgasanlieferungen erfolgt eine Ausspeicherung und<br />
das Gas wird an das Erdgasnetz abgegeben. 457<br />
Wie in Abbildung 61 ersichtlich ist, erfolgt die Befüllung der Speicher mit Erdgas über-<br />
wiegend in den verbrauchsschwachen Sommermonaten. In der verbrauchsstarken<br />
Winterzeit wird es dann an die Endverbraucher abgegeben.<br />
Abbildung 61: Speicherung zum Ausgleich von Förderung und Absatz 458<br />
Die Gasspeicher dienen somit in erster Linie dem Ausgleich von Verbrauchsschwan-<br />
kungen. 459 Ein weiterer Grund für die Speicherung von Erdgas ist die Sicherstellung der<br />
Versorgung im Falle von Betriebsstörungen oder zeitweiligen Lieferunterbrechungen.<br />
454 Vgl. Kugeler, K. & Kugeler, O. & Dienhart, M. (2002): Energiehandbuch. S. 650.<br />
455 Vgl. Perner, J. (2002): Die langfristige Erdgasversorgung Europas. S. 25.<br />
456 Vgl. Kugeler, K. & Kugeler, O. & Dienhart, M. (2002): Energiehandbuch. S. 651.<br />
457 Vgl. WEG. (2008): Erdgas – Erdöl: Entstehung, Suche, Förderung. S. 26.<br />
458 WEG. (2008): Erdgas – Erdöl: Entstehung, Suche, Förderung. S. 25.<br />
459 Vgl. Perner, J. (2002): Die langfristige Erdgasversorgung Europas. S. 25.
4 Logistischer Prozess Erdgas 107<br />
Die Speicherung gewinnt insbesondere für mögliche Krisenzeiten immer mehr an Be-<br />
deutung. Ein Beispiel dafür ist der Gasstreit zwischen Russland und der Ukraine und<br />
der damit verbunden Unterbrechung der Gaslieferungen. 460<br />
Allerdings besteht in Deutschland keine Verpflichtung für die Mindestbevorratung von<br />
Erdgas, wie beispielsweise bei Erdöl. Von den diversen Erdgasverbänden wird jedoch<br />
seit geraumer Zeit eine solche gesetzlich vorgeschriebene Pflichtbevorratung gefor-<br />
dert. 461 Die Erdgasbevorratung in den deutschen Speichern wird eigenständig von den<br />
diversen Gasgesellschaften (z.B. E.ON, RWE, Wintershall) vorgenommen. 462<br />
4.3.2 Erdgasspeichertypen<br />
Für die Speicherung des Erdgases stehen verschiedene Erdgasspeichertypen zur Ver-<br />
fügung. Für die Einlagerung großer Erdgasmengen eigenen sich vor allem unterirdi-<br />
sche Speicher. Die wichtigsten Speichertypen bei der unterirdischen Lagerung sind die<br />
Poren- und Kavernenspeicher. 463<br />
Bei Porenspeicher handelt es sich zumeist um ausgeförderte Erdöl- und Erdgasfelder,<br />
diese liegen bis zu 3.000 m unter der Erde (siehe Abbildung 62). Mit Druck wird das<br />
Erdgas dort hineingepresst und lagert genauso wie zuvor in der Natur im Porenraum<br />
des porösen Gesteins. 464 Je nach Größe und Tiefe können die Porenspeicher zwischen<br />
100 Mio. m 3 und mehreren Mrd. m 3 Gas fassen. 465<br />
Bei Kavernenspeicher werden die Hohlräume für die Erdgasspeicherung hingegen<br />
künstlich geschaffen (siehe Abbildung 62). Gebaut werden solche Speicher in Salzstö-<br />
cken, die über ausgezeichnete Speichereigenschaften verfügen. Mit einer Tiefenboh-<br />
rung in den Salzstock lässt sich das Salz mit Wasser aus dem Untergrund herausspü-<br />
len. 466 Der dabei entstandene Hohlraum liegt zwischen 100 und 1.800 m unter der Erd-<br />
oberfläche und besitzt ein Speichervolumen von etwa 30 bis 100 Mio. m 3 . Die Hohl-<br />
räume können Durchmesser von bis zu 80 m und Höhen zwischen 50 und 500 m errei-<br />
chen. 467<br />
Porenspeicher verfügen in der Regel über eine größere Speicherkapazität als Kaver-<br />
nenspeicher. Demgegenüber weisen die Kavernenspeicher eine höhere Ein- und Aus-<br />
speicherleistung aus. Deshalb werden die Porenspeicher überwiegend zum Ausgleich<br />
460<br />
Vgl. Sedlacek, R. (2009): Untertage-Gasspeicherung in Deutschland. S. 413.<br />
461<br />
Vgl. AFM+E (2008): Gasbevorratung in Deutschland. S. 7-8.<br />
462<br />
Vgl. http://www.bundestag.de/dokumente/analysen/2009/gasreservehaltung.pdf, vom<br />
31.03.2010.<br />
463<br />
Vgl. Sedlacek, R. (2009): Untertage-Gasspeicherung in Deutschland. S. 413.<br />
464 Vgl. E.ON. (2009): Erdgas speichern – Zukunft sichern. S. 9.<br />
465 Vgl. WEG. (2008): Erdgas – Erdöl: Entstehung, Suche, Förderung. S. 26.<br />
466 Vgl. E.ON. (2009): Erdgas speichern – Zukunft sichern. S. 9.<br />
467 Vgl. WEG. (2008): Erdgas – Erdöl: Entstehung, Suche, Förderung. S. 26.
4 Logistischer Prozess Erdgas 108<br />
von saisonalen Bedarfsschwankungen genutzt. Kavernenspeicher kommen zum Ein-<br />
satz, wenn erhebliche Verbrauchsspitzen abzugleichen sind. 468<br />
Abbildung 62: Poren- bzw. Kavernenspeicher 469<br />
In Deutschland waren zu Beginn des Jahres 2009 47 Untertageerdgasspeicher mit<br />
einer Gesamtkapazität von rund 20 Mrd. m 3 in Betrieb (Abbildung 63). 470 Die Speicher-<br />
kapazität entspricht somit in etwa einem Viertel des deutschen Jahresverbrauchs und<br />
reicht beispielsweise aus, um den gesamten Erdgasbedarf Deutschlands an 40 Winter-<br />
tagen zu decken. 471 Damit verfügt Deutschland über das größte Erdgasspeichervolu-<br />
men in der EU und ist nach den USA (111 Mrd. m 3 ), Russland (94 Mrd. m 3 ) und der<br />
Ukraine (32 Mrd. m 3 ) die weltweit viertgrößte Speichernation. 472<br />
Die Untertagespeicherkapazität verteilt sich dabei auf 23 Porenspeicher und 24 Kaver-<br />
nenspeicher. Davon sind etwa zwei Drittel des gespeicherten Gases in Porenspeicher<br />
und ein Drittel in Kavernenspeichern vorhanden. 473 Die Standorte der zahlreichen Po-<br />
ren- und Kavernenspeicher sind in Abbildung 63 veranschaulicht. Ergänzend zu den<br />
Gasspeichern ist ebenfalls die geographische Lage der Untertagespeicheranlagen für<br />
Rohöl, Mineralölprodukte und Flüssiggas dargestellt.<br />
468<br />
Vgl. Perner, J. (2002): Die langfristige Erdgasversorgung Europas. S. 25.<br />
469<br />
Kugeler, K. & Kugeler, O. & Dienhart, M. (2002): Energiehandbuch. S. 652.<br />
470<br />
Sedlacek, R. (2009): Untertage-Gasspeicherung in Deutschland. S. 415.<br />
471<br />
Vgl. http://www.bundestag.de/dokumente/analysen/2009/gasreservehaltung.pdf, vom<br />
31.03.2010.<br />
472<br />
Vgl. Sedlacek, R. (2009): Untertage-Gasspeicherung in Deutschland. S. 422.<br />
473 Vgl. Sedlacek, R. (2009): Untertage-Gasspeicherung in Deutschland. S. 415.
4 Logistischer Prozess Erdgas 109<br />
Abbildung 63: Lage der deutschen Gasspeicher 474<br />
Ein weiterer unterirdischer Speichertyp, der jedoch nur selten Anwendung findet, ist der<br />
Röhrenspeicher. Röhrenspeicher sind in Bodenschichten parallel verlegte und unter-<br />
einander verbundene Rohre. Sie kommen größtenteils dort zum Einsatz, wo die Ein-<br />
speicherung in Poren- und Kavernenspeicher nicht möglich ist. 475<br />
Oberirdische Speicher dienen grundsätzlich dem Ausgleich von wochen- und tages-<br />
bezogenen Verbrauchsschwankungen. Es gibt sie in zahlreichen Ausführungen wie<br />
z.B. Kugel-, Membran- oder Glockengasbehälter. Diese Speichertypen können jedoch<br />
474 Sedlacek, R. (2009): Untertage-Gasspeicherung in Deutschland. S. 412.
4 Logistischer Prozess Erdgas 110<br />
nur vergleichsweise geringe Erdgasmengen aufnehmen. Allerdings werden diese<br />
Speichertypen auch nur begrenzt eingesetzt. 476<br />
Neben der Nutzung unterirdischer und oberirdischer Gasspeicher, kann auch das Gas-<br />
netz als Speicher zum Ausgleich kurzfristiger Verbrauchsschwankungen eingesetzt<br />
werden. Da Erdgas kompressibel ist, kann durch eine Veränderung des Gasdrucks den<br />
Pipelines Gas zugeführt oder entnommen werden. Allerdings können dadurch nur ge-<br />
ringe Mengen zwischengespeichert werden und somit ausschließlich tägliche<br />
Verbrauchsschwankungen ausgeglichen werden. 477<br />
4.4 Transport zum Endverbraucher<br />
Im folgenden Unterkapitel wird ausschließlich der Transport zum Endverbraucher mit<br />
Pipelines betrachtet, auf alle weiteren Transportmöglichkeiten wird nicht eingegangen.<br />
Das Erdgas gelangt über Mittel- und Niederdruckleitungen zu den Endverbrauchern.<br />
Die Übergabe des Gases von den Ferntransporten in die regionalen Verteilernetze<br />
erfolgt an Übergabestationen. In ihnen werden die Gasbeschaffenheit und der Gasvo-<br />
lumenstrom gemessen, sowie der Gasdruck auf das erforderliche Niveau reduziert.<br />
Zunächst wird das Erdgas in den Übergabestationen von Verunreinigungen befreit, in<br />
dem es gefiltert wird. Entspricht die Gasbeschaffenheit (z.B. der Brennwert) nicht den<br />
vorgegebenen Anforderungen, werden Erdgase aus verschiedenen Quellen zu einer<br />
einheitlichen Qualität gemischt. Dies erfolgt in vollautomatischen Mischanlagen, in de-<br />
nen das Erdgas an die benötigte Beschaffenheit angepasst wird. 478<br />
Damit der Druck an den Übergabestationen zum Verteilernetz nicht zu hoch ist, wird er<br />
durch Erdgasentspannungsanlagen auf ein niedrigeres Niveau heruntergeregelt. In der<br />
Entspannungsanlage wird der Erdgasdruck mit Hilfe einer Turbine gedrosselt. Die da-<br />
bei freigesetzte Energie erzeugt in einem Generator Strom, der in der Regel in das<br />
Stromnetz eingespeist wird. 479<br />
Zur Bestimmung der Erdgasdurchflussmenge werden spezielle Gaszähler eingesetzt.<br />
Bei der Gasmessung wird neben dem Druck und der Temperatur auch die Kompressi-<br />
bilität des Erdgases für die genaue Erfassung des Volumens berücksichtigt. 480 Zumeist<br />
kommen dabei Turbinenradgaszähler zum Einsatz. 481<br />
Vor dem Verlassen der Übergabestation wird dem geruchlosen Erdgas ein intensiv<br />
riechender Warnstoff beigemischt. In der Fachsprache wird diese Maßnahme Odorie-<br />
rung genannt. Die Odorierung ist in erster Linie eine Sicherheitsmaßnahme, um auf<br />
475 Vgl. http://micro.eon-ruhrgas.com/erdgas/stat08.htm, vom 31.03.2010.<br />
476 Vgl. Zahoransky, R. (2009): Energietechnik. S. 359.<br />
477 Vgl. Perner, J. (2002): Die langfristige Erdgasversorgung Europas. S. 26.<br />
478 Vgl. Perner, J. (2002): Die langfristige Erdgasversorgung Europas. S. 27.<br />
479 Vgl. http://micro.eon-ruhrgas.com/erdgas/stat06.htm, vom 07.04.2010.<br />
480 Vgl. http://micro.eon-ruhrgas.com/erdgas/stat07.htm, vom 07.04.2010.
4 Logistischer Prozess Erdgas 111<br />
ausströmendes Erdgas aufmerksam zu machen. 482 Als Odoriermittel werden in der<br />
Regel Schwefelverbindungen eingesetzt, die über eine ausgesprochen hohe Geruchs-<br />
intensität verfügen. 483<br />
Bei der Übergabe des Erdgases innerhalb der regionalen Leitungsnetze, z.B. bei der<br />
Einleitung in das örtliche Leitungsnetz, wo ein noch geringerer Druck erforderlich ist,<br />
erfolgt eine Druckreduzierung in Druckreglerstationen. Sie verfahren nach demselben<br />
Prinzip wie die Übergabestationen. Zunächst wird das Erdgas gefiltert, bevor es auf<br />
den benötigten Gasdruck reduziert und die Gasdurchflussmenge gemessen wird.<br />
Das deutsche Erdgasnetz ist insgesamt rund 375.000 km lang. Im Vergleich zum Erdöl<br />
ist das Erdgasnetz sehr fein verästelt, was auf die Art der Endverteilung zurückzufüh-<br />
ren ist. Es besteht zu ca. 27% aus Hochdruckleitungen, zu rund 38% aus Mitteldruck-<br />
leitungen und zu ca. 35% aus Niederdruckleitungen. 484 Die wichtigsten deutschen<br />
Hoch- und Mitteldruckleitungen sind in Abbildung 64 veranschaulicht.<br />
Abbildung 64: Hoch- und Mitteldruckleitungen im deutschen Erdgasnetz 485<br />
481<br />
Vgl. Cerbe, G. (2008): Grundlagen der Gastechnik. S. 234.<br />
482<br />
Vgl. Cerbe, G. (2008): Grundlagen der Gastechnik. S. 238.<br />
483<br />
Vgl. Cerbe, G. (2008): Grundlagen der Gastechnik. S. 239.<br />
484<br />
Vgl. http://www.eon-ruhrgas.com/cps/rde/xchg/SID-7F150E5F-2636F772/ercorporate/hs.xsl/678.htm,<br />
vom 07.04.2010.<br />
485<br />
E.ON. (2008): Erdgaswirtschaft im Überblick. S. 11.
4 Logistischer Prozess Erdgas 112<br />
Die Transportgeschwindigkeiten im regionalen und örtlichen Leistungsnetz sind we-<br />
sentlich geringer als im Fernleitungsnetz. Bei einer Mitteldruckleitung beträgt der Druck<br />
etwa 100 mbar bis 1 bar. Die Niederdruckleitungen haben hingegen nur noch einen<br />
Druck von weniger als 100 mbar. Deshalb besitzen die Rohrleitungen, die dabei zum<br />
Einsatz kommen, weitaus geringere Durchmesser und bestehen teilweise aus Kunst-<br />
stoff. 486 Industriekunden und Kraftwerke werden meist an das Hochdrucknetz ange-<br />
schlossen, Gewerbebetriebe und private Haushalte hingegen an das Mittel- und Nie-<br />
derdrucknetz. 487<br />
Die Transportentgelte für Erdgas sind in der Regel nach Verbrauchergruppen gestaf-<br />
felt. Private Haushalte mit Anbindung an das Niederdrucknetz haben spezifisch höhere<br />
Preise in Kauf zu nehmen als Industriekunden mit Zugang zum Hochdrucknetz, weil in<br />
ihrer absoluten Höhe relativ identische Versorgungs- und Anschlusskosten auf einem<br />
deutlich geringeren Gasverbrauch umgelegt werden. 488<br />
486 Vgl. http://micro.eon-ruhrgas.com/erdgas/stat06.htm, vom 07.04.2010.<br />
487 Vgl. http://www.eon-ruhrgas.com/cps/rde/xchg/SID-46433CA2-47B75B56/ercorporate/hs.xsl/678.htm,<br />
vom 07.04.2010.<br />
488 Vgl. BMWi. (2009): Energie in Deutschland. S. 33.
5 Zusammenfassung und Ausblick 113<br />
5 Zusammenfassung und Ausblick<br />
Der weltweite Primärenergieverbrauch der Menschheit hat sich in seiner Entwicklung<br />
kontinuierlich gesteigert. Im Jahr 2008 befand sich dieser mit ca. 11.300 Mio. t RÖE<br />
auf einem neuen Höchststand. Die Hauptkonsumenten im Jahr 2008 waren die USA<br />
mit 20,4 % und China mit 17,7 % am gesamten Energieverbrauch. Deutschland ran-<br />
gierte mit einem weltweiten Anteil von 2,8 % auf dem siebten Platz. Die fossilen Ener-<br />
gieträger trugen bei der Deckung des globalen Energiebedarfs mit 89 % die Hauptlast<br />
der Energieversorgung. Davon entfielen 36 % auf Erdöl, 29 % auf Kohle und 24 % auf<br />
Erdgas. 489<br />
Die Vorkommen an fossilen Energieträgern sind jedoch weltweit äußerst ungleich ver-<br />
teilt. So stehen zahlreichen Ländern mit überaus limitierten Energievorkommen, weni-<br />
ge Länder mit erheblichen Vorkommen an Energieträgern gegenüber. Beispielsweise<br />
entfallen die größten Erdöl- und Erdgasreserven der Welt auf den Nahen Osten, insbe-<br />
sondere auf Saudi Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate, Kuwait, den Iran und<br />
Irak. 490<br />
Da die fossilen Energieträger aufgrund der ungleichen regionalen Verteilung in der<br />
Regel über weite Entfernungen aus der Förderregion zum Endverbraucher transportiert<br />
werden, besitzt der logistische Prozess eine besondere Relevanz. Dabei stellt vor al-<br />
lem die Handhabung der erheblichen Mengen- und Volumenströme eine große Her-<br />
ausforderung dar, vor allem bei den Transport- und Lagertechniken. 491<br />
Der logistische Prozess von Erdöl umfasst zahlreiche Schritte. Zunächst findet die Erd-<br />
ölförderung statt. Diese beinhaltet die Suche, Bohrung und Förderung. Anschließend<br />
wird das aufbereitete Rohöl vom Förderort in die Verbraucherregion transportiert. Der<br />
Transport erfolgt dabei entweder mit Pipelines oder großen Tankschiffen. Ist das Rohöl<br />
in der Verbraucherregion angelangt, wird es mit Pipelines oder Tankmotorschiffen in<br />
die Raffinerie befördert und zu Mineralölprodukten weiterverarbeitet. Die verkaufs-<br />
kaufsfähigen Mineralölprodukte werden dann mit Eisenbahnkesselwagen, Pipelines,<br />
Straßentankwagen oder Tankmotorschiffen in Großtanklager oder direkt zum End-<br />
verbraucher transportiert.<br />
Der logistische Prozess von Erdgas beinhaltet ebenfalls mehrere Schritte. Zuerst wird<br />
das Erdgas im Rahmen der Exploration, Bohrung und Förderung gewonnen. Im An-<br />
schluss erfolgt der Transport vom Förderort in die Verbraucherregion mit Pipelines<br />
oder als LNG in speziellen Tankschiffen. In der Verbraucherregion angekommen, wird<br />
das Erdgas entweder zwischengespeichert oder direkt mit Pipelines an den End-<br />
verbraucher weitergeleitet.<br />
489 Vgl. BP. (2009): Statistical Review of World Energy. S. 40-41.<br />
490 Vgl. BP. (2009): Statistical Review of World Energy. S. 6-22.
5 Zusammenfassung und Ausblick 114<br />
Bei den fossilen Energieträgern werden in den kommenden Jahrzehnten keine Eng-<br />
pässe erwartet. Die Reichweiten von Erdöl (42 Jahre), Erdgas (61 Jahre), Steinkohle<br />
(130 Jahre) und Braunkohle (336 Jahre) sind zwar begrenzt, die Energieträger werden<br />
jedoch in naher Zukunft weiterhin zur Verfügung stehen. Allerdings werden die Versor-<br />
gungsrisiken enorm zunehmen, da die Lieferabhängigkeiten von politisch und ökono-<br />
misch instabilen Förderländern wachsen.<br />
Der weltweite Primärenergieverbrauch wird bis zum Jahr 2030 um etwa 40 % anstei-<br />
gen. Allein zwei Drittel dieses Zuwachses werden auf Entwicklungs- und Schwellen-<br />
länder entfallen, was vor allem auf das Wachstum der Weltbevölkerung von 6 auf 8<br />
Mrd. Menschen zurückzuführen sein wird. Die Entwicklungs- und Schwellenländer,<br />
deren Anteil an der Weltbevölkerung bis dahin mehr als 80 % beträgt, werden dann<br />
rund 50 % der globalen Primärenergie verbrauchen. 492<br />
Im Jahr 2030 werden die fossilen Energieträger rund 82 % des Primärenergie-<br />
verbrauchs der Welt decken. Im Gegensatz zu heute reduziert sich der Anteil um 7 %.<br />
Erdöl wird dann mit ca. 35 %, wie bisher, die Hauptlast der Energieversorgung tragen.<br />
Der Kohleanteil wird sich von 29 auf 22 % verringern. Demgegenüber steigt Erdgas<br />
zum zweitwichtigsten Energieträger auf und erhöht seinen Anteil von 24 auf 25 %. Der<br />
Beitrag der Kernenergie erhöht sich von derzeit 6 auf 9 %. Der Anteil der erneuerbaren<br />
Energien steigt ebenfalls von 5 auf 9 %. 493<br />
Der deutsche Primärenergieverbrauch sinkt bis zum Jahr 2030 um mehr als 15 %. Dies<br />
ist insbesondere auf die steigende Energieproduktivität in Deutschland zurückzuführen.<br />
Die Deckung des deutschen Energiebedarfs verändert sich in diesem Zeitraum ebenso<br />
deutlich. Erdöl ist auch im Jahr 2030 mit 38 % (bisher 35 %) der wichtigste Energieträ-<br />
ger. Der Anteil von Erdgas steigt von heute 22 auf 32 %. Der Beitrag von Kohle verrin-<br />
gert sich von 24 auf 18,5 %. Während die Kernenergie im Jahr 2030 nicht mehr im<br />
Energiemix enthalten ist, steigt der Anteil der erneuerbaren Energien von 7 auf 11,5<br />
%. 494<br />
Während sich beim Erdöltransport in den nächsten Jahren nur geringfügige Verände-<br />
rungen ergeben werden, wird bei Erdgas mit einem beträchtlichen Wandel gerechnet.<br />
Für das Jahr 2030 prognostiziert die IEA einen LNG-Anteil am Erdgashandel von über<br />
50 %. Besonders große Importzuwächse werden dabei von den USA, China und Indien<br />
erwartet. Allerdings ist eine vollständige Deckung des Erdgasbedarfs in der EU mit<br />
LNG bis zum Jahr 2030 aus Kapazitätsgründen undenkbar. Generell ist damit zu rech-<br />
nen, dass für Europa die Versorgung mit Pipelinegas aus Russland bestimmend bleibt.<br />
Auf längere Sicht wird LNG jedoch einen wichtigen Beitrag zu der Diversifizierung der<br />
Erdgasversorgung in Europa leisten. 495<br />
491 Vgl. Sauer, E. (2003): Energietransport, -speicherung, -verteilung. S. 7.<br />
492 Vgl. BMWI. (2005): Die Entwicklung der Energiemärkte bis zum Jahr 2030. S. 5.<br />
493 Vgl. BMWI. (2005): Die Entwicklung der Energiemärkte bis zum Jahr 2030. S. 16.<br />
494 Vgl. BMWI. (2005): Die Entwicklung der Energiemärkte bis zum Jahr 2030. S. 36-37.<br />
495 Vgl. BGR. (2009): Energierohstoffe 2009 – Reserven, Ressourcen, Verfügbarkeit. S. 85-86.
5 Zusammenfassung und Ausblick 115<br />
Aufgrund des steigenden Verbrauchs an Erdgas und des gleichbleibenden Erdöl-<br />
verbrauchs weltweit in den kommenden Jahren, wird der logistische Prozess dieser<br />
beiden Energieträger in naher Zukunft noch mehr an Bedeutung gewinnen und einen<br />
wichtigen Beitrag für die künftige Energieversorgung erbringen.
Anhang A: Regionale Gruppierungen 116<br />
Anhang A: Regionale Gruppierungen 496<br />
Afrika:<br />
Ägypten, Algerien, Angola, Äthiopien, Benin, Botsuana, Burkina Faso, Burundi,<br />
Dschibuti, Elfenbeinküste, Eritrea, Gabun, Gambia, Ghana, Guinea, Kamerun, Kap<br />
Verde, Kenia, Komoren, Kongo, Lesotho, Liberia, Libyen, Madagaskar, Malawi, Mali,<br />
Marokko, Mauretanien, Mauritius, Mosambik, Namibia, Niger, Nigeria, Ruanda,<br />
Sambia, Senegal, Seychellen, Sierra Leone, Simbabwe, Somalia, Südafrika, Sudan,<br />
Swasiland, Tansania, Togo, Tschad, Tunesien, Uganda, Zentralafrikanische Republik<br />
Asiatisch-pazifischer Raum:<br />
Afghanistan, Australien, Bangladesch, Brunei, Indien, Kambodscha, China, Hongkong,<br />
Indonesien, Japan, Laos, Malaysia, Mongolei, Myanmar, Nepal, Neuseeland, Nordko-<br />
rea, Ozeanien, Pakistan, Papua-Neuguinea, Philippinen, Singapur, Sri Lanka, Südko-<br />
rea, Taiwan, Thailand, Vietnam<br />
Europa und Eurasien:<br />
Albanien, Armenien, Aserbaidschan, Belgien, Bosnien-Herzegowina, Bulgarien, Dä-<br />
nemark, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Georgien, Griechenland, Großbri-<br />
tannien, Irland, Island, Italien, Kasachstan, Kirgisien, Kroatien, Lettland, Litauen, Lu-<br />
xemburg, Mazedonien, Malta, Moldawien, Niederlande, Norwegen, Österreich, Polen,<br />
Portugal, Rumänien, Russland Schweden, Serbien-Montenegro, Slowakei, Slowenien,<br />
Spanien, Schweiz, Tadschikistan, Tschechische Republik, Türkei, Turkmenistan, Uk-<br />
raine, Ungarn, Usbekistan, Weißrussland, Zypern<br />
Mittel- und Südamerika:<br />
Bolivien, Brasilien, Costa Rica, Ecuador, Französisch-Guayana, Guatemala, Guyana,<br />
Kolumbien, Nicaragua, Panama, Peru, Surinam, Venezuela, alle Länder der Karibik<br />
Naher Osten:<br />
Bahrain, Iran, Irak, Israel, Jemen, Jordanien, Katar, Kuwait, Libanon, Oman, Saudi-<br />
Arabien, Syrien, Vereinigte Arabische Emirate<br />
Nordamerika:<br />
Kanada, Mexiko, USA<br />
496 Vgl. BP. (2009): Statistical Review of World Energy. S. 44.
Anhang B: Umrechnungsfaktoren 117<br />
Anhang B: Umrechnungsfaktoren<br />
Erdöl 497<br />
7 Barrel = 1 t Rohöl<br />
1 Gallone (US) = 158,987 l<br />
Einheit l kg t SKE GJ<br />
1 Barrel 159 137 0,196 5,743<br />
1 t RÖE - - 1,429 41,868<br />
1 t SKE - - 1 29,308<br />
498, 499<br />
Erdgas<br />
Vorsatz Abk. Faktor<br />
Kubikmeter m 3<br />
-<br />
Millionen Kubikmeter Mio. m 3<br />
1 Mio. m 3<br />
= 10 6 m 3<br />
Milliarden Kubikmeter Mrd. m 3<br />
1 Mrd. m 3<br />
= 10 9 m 3<br />
Billionen Kubikmeter Bill. m 3<br />
1 Bill. m 3<br />
= 10 12 m 3<br />
Milliarden<br />
m 3 Millionen Millionen<br />
Erdgas t RÖE t LNG<br />
1 Milliarde m 3 Erdgas 1 0,90 0,73<br />
1 Million t RÖE 1,11 1 0,805<br />
1 Millon t LNG 1,38 1,23 1<br />
Kohle 500<br />
Vorsatz Abk. Faktor<br />
Tonne t 1 t = 10 3 kg<br />
Kilotonne kt 1 kt = 10 3<br />
t<br />
Megatonne Mt 1 Mt = 10 6<br />
t<br />
Gigatonne Gt 1 Gt = 10 9<br />
t<br />
Teratonne Tt 1 Tt = 10 12 t<br />
497<br />
In Anlehnung an Konstantin, P. (2009): Praxisbuch Energiewirtschaft. S. 5.<br />
498<br />
In Anlehnung an BGR. (2009): Energierohstoffe 2009 – Reserven, Ressourcen, Verfügbarkeit.<br />
S. 281.<br />
499<br />
In Anlehnung an BP. (2009): Statistical Review of World Energy. S. 44.<br />
500<br />
In Anlehnung an BGR. (2009): Energierohstoffe 2009 – Reserven, Ressourcen, Verfügbar-<br />
keit. S. 281.
Anhang C: Raffineriestandorte 118<br />
Anhang C: Raffineriestandorte 501<br />
Raffinerie/Gesellschaft Ort Postleitzahl Rohöldestillationskapazität<br />
in Mio. t<br />
MiRO Mineraloelraffinerie Oberrhein GmbH & Co. KG Karlsruhe 76187 14,9<br />
Wilhelmshavener Raffineriegesellschaft mbH Wilhelmshaven 26388 13,5<br />
Ruhr Oel GmbH Gelsenkirchen 45876 12,7<br />
TOTAL Raffinerie Mitteldeutschland GmbH Spergau 06237 12<br />
PCK Raffinerie GmbH Schwedt Schwedt 16303 10,8<br />
Bayernoil Raffineriegesellschaft mbH Ingolstadt 85008 10,3<br />
Rheinland Raffinerie Werk Godorf Köln 50972 9,3<br />
501 Vgl. http://www.mwv.de/cms/front_content.php?idcat=24, vom 09.03.2010.<br />
Rheinland Raffinerie Werk Wesseling Wesseling 50389 7<br />
Elbe Mineralölwerke Raffineriezentrum Hamburg-Harburg Hamburg 21107 5,2<br />
Petroplus Raffinerie Ingolstadt GmbH Ingolstadt 85003 5<br />
Holborn Europa Raffinerie GmbH Hamburg 21079 4,7<br />
Erdöl-Raffinerie Emsland Lingen 49808 4,5<br />
Erdölwerk Holstein Heide 25734 4,5<br />
OMV Deutschland GmbH Burghausen 84480 3,5
Anhang D: Mitglieder der Internationalen Energieagentur 119<br />
Anhang D: Mitglieder der Internationalen<br />
Energieagentur 502<br />
Australien, Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Griechenland,<br />
Großbritannien, Irland, Italien, Japan, Kanada, Luxemburg, Neuseeland, Niederlande,<br />
Norwegen, Österreich, Polen, Portugal, Schweden, Schweiz, Slowakei, Slowenien,<br />
Spanien, Südkorea, Tschechische Republik, Türkei, Ungarn, USA<br />
502 Vgl. http://www.iea.org/about/membercountries.asp, vom 10.03.2010.
Literaturverzeichnis 120<br />
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Ehrenwörtliche Erklärung 130<br />
Ehrenwörtliche Erklärung<br />
Hiermit erkläre ich, dass ich die vorliegende <strong>Bachelorarbeit</strong> selbständig angefertigt ha-<br />
be. Es wurden nur die in der Arbeit ausdrücklich benannten Quellen und Hilfsmittel<br />
benutzt. Wörtlich oder sinngemäß übernommenes Gedankengut habe ich als solches<br />
kenntlich gemacht.<br />
Aalen, den 30. April 2010<br />
Ort, Datum Unterschrift