The J. Paul Getty Museum Journal Volume 5 1977
The J. Paul Getty Museum Journal Volume 5 1977
The J. Paul Getty Museum Journal Volume 5 1977
Create successful ePaper yourself
Turn your PDF publications into a flip-book with our unique Google optimized e-Paper software.
Knick des linken Trànenkarunkels. - Die linke<br />
Mundhàlfte scheint krâftiger geschwungen.-Offenbar<br />
ist der Kopf demnach auf eine 3/4 Ansicht von links<br />
konzipiert; (Fig. 1) darauf verweist ebenfalls der<br />
unsymmetrische Verlauf der feingeritzten Venusringe,<br />
die rings urn die linke Halsseite, jedoch nur bis zu 2/3<br />
der rechten Seite durchlaufen.<br />
Der Kontur der Nackenlinie fâllt nicht senkrecht,<br />
sondern láuft leicht konkav zum Rücken aus. Der Kopf<br />
war wohl nicht steil aufgerichtet, sondern etwas nach<br />
vorn geneigt. Auch der schrâge Profilwinkel der<br />
Augàpfel lâflt sich am ehesten mit einer Neigung des<br />
Kopfes und einer Hauptansicht von unten erkláren, in<br />
âhnlicher Weise wie bei der alten Hera von Olympia<br />
u.a. Gôtterbildern 3 .<br />
Aus all dem ergibt sich dann eine leichte Wendung des<br />
Kopfes zu seiner rechten - gehobenen - Schulter und eine<br />
geringe Neigung nach vorn abwârts. In dieser Ansicht<br />
verlieren sich auch jene Verzerrungen und gewissen<br />
Harten, die ihn in der reinen Frontansicht (Fig. 2) etwas<br />
verunstalten.<br />
Solche Neigung hâtte allerdings eine Schrágung der<br />
Auflageflàche zur Folge. Und mit dieser eigentümlich<br />
labilen Aufstellung befindet sich unser metapontiner<br />
Kopf in guter Gesellschaft der meisten groBgriechischen<br />
Akrolithe, die denn auch infolgedessen háufig<br />
falsch, d.h. nach hinten gekippt montiert wurden 4 .<br />
Schon Langlotz waren diese charakteristisch schiefe<br />
Unterseite westgriechischer Akrolithe sowie deren<br />
fehlende Verdübelung unverstándlich 5 . Die eckigen<br />
Dübellocher an Ober- und Unterseite des metapontiner<br />
Kopfes scheinen demnach - sofern sie ursprünglich,<br />
nicht spàter zugefügt sind - sogar eine Ausnahme zu<br />
sein.<br />
Stilistisch verrat unser Kopf - bei aller Eigenwilligkeit<br />
- seine unteritalische Herkunft, bestátigt und modifiziert<br />
bereits bekannte Eigenarten westgriechischer<br />
Skulptur. - Die Kenntnis seiner Provenienz - Metapont<br />
- stellt ihn in die Tradition der durch die Forschungen<br />
der letzten 10 Jahre besser bekannten Kunst dieser<br />
acháischen Kolonie 6 . Anhand der zahllosen Figuren der<br />
Kleinplastik und der bereicherten Anzahl groflplastischer<br />
Werke beginnen sich fórmale Tendenzen abzuzeichnen,<br />
die auf eine lokale Schule zumindest der<br />
Koroplastik hindeuten. Inwieweit die westlichen Kolonien<br />
in der Steinskulptur ihren jeweils eigenen Stil<br />
entwickelten, ist trotz vieler Neufunde immer noch<br />
fraglich. Allgemein zwang die Kostbarkeit des Marmors<br />
meistens zur Dekoration in Ton, so dafl die<br />
Steinbildhauer entweder 'Wanderkünstler' sein muBten<br />
2. âhnlich Apollon von Ciro: von Matt/Zanotti-Bianco, Groflgriechenland,<br />
Zurich 1961, Tf. 160-162. Apollon v. Sosianus-Tempel,<br />
Rom: Langlotz, Die Kunst der Westgriechen, München 1963, Tf. 117<br />
3. G. Richter, Korai, London 1968, Figs. 118-121<br />
2. Grossgriechischer Akrolith. J. <strong>Paul</strong> <strong>Getty</strong> <strong>Museum</strong><br />
4. Falsch aufgestellt: Akrolith Ludovisi (Langlotz, Westgriechen,<br />
Tf. 63) Akrolith Cirb (Langlotz, Westgriechen, Tf. 19, richtig bei v.<br />
Matt, Groflgriechenland, Tf. 160)<br />
Akrolith Vatikan (Langlotz, Westgriechen, Tf. 86, 87)<br />
Akrolith Metapont. (richtig bei Schefold, Meisterwerke, Tf. VII 293)<br />
Richtig: Kopf Hannover<br />
Metopen Selinunt<br />
Athena-Kopf Tarent (Langlotz, Westgriechen, Tf. 99)<br />
5. Langlotz, Die Kunst der Westgriechen, 71, 76 u.a.<br />
6. Den verstarkten Grabungsaktivitaten urn Metapont, besonders<br />
dank der Initiative des zustandigen Soprintendente Prof. D.<br />
Adamesteanu, verdanken wir eine Fülle neuer Kenntnisse uber<br />
Topographie, Stadtanlage, Aufteilung des Hinterlandes, der Kulte<br />
und Tempelbauten sowie der kunsthandwerklichen Hinterlassenschaft.<br />
So fuhrte u.a. die Aufdeckung eines Topferviertels zum Fund<br />
einer Werkstatt des Kreusa-Malers.<br />
vgl. D. Adamesteanu, La Basilicata antica, De Mauro Editore, 1974<br />
D. Adamesteanu, Metaponto, Napoli 1973<br />
Atti Convegno Studi sulla Magna Grecia, Taranto 1973<br />
23