The J. Paul Getty Museum Journal Volume 5 1977
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16. Aphrodite. Thron Ludovisi<br />
schéma bildet langgestreckt zylindrische Kôpfe mit<br />
hoher Stirn, hoch gewôlbtem Oberkopf und langem<br />
schweren, gelegentlich auch spitzen Untergesicht. Beide<br />
Grundformen erscheinen etwa gleich hàufig, beide sind<br />
auBerordentlich langlebig.<br />
Ob dièse strukturellen Eigenarten nun aber zur<br />
Définition eines lokalen metapontiner Stils ausreichen,<br />
ist schwer zu entscheiden. Trotz gewisser Eigenwilligkeit<br />
und Originalitàt scheint mir auch dièse Werkstatt<br />
cher eklektisch zu arbeiten.<br />
Offenbar gab es in der groBgriechischen Skulptur 2<br />
divergierende strukturelle Tendenzen:<br />
- In der einen überwiegen die plastischen Werte des<br />
<strong>Volume</strong>ns sowie malerische Werte der flieBenden<br />
Formen. Aïs Gegenkraft wirkt-oft nur schwach - das<br />
innere Gerüst. Solche Werke scheinen oft extrem<br />
schwer und üppig, gelegentlich geradezu lasziv oder<br />
auch leidenschaftlich bewegt. Beispiele finden sich in<br />
Werken aus Locri, Medma, im Akrolith Cirô, im<br />
Vatikan-Akrolith.<br />
- Die andere Tendenz pràsentiert flâchige Grundformen,<br />
eine pràzise, fast selbstàndige Formulierung der<br />
Linearitàt, d.h. eine Herrschaft der graphischen Werte,<br />
die man ais geradezu italisch bezeichnen kônnte. Eine<br />
straffe Oberflâche und ein meist knapper Kontur<br />
verleihen solchen Werken ihre Trockenheit. Aïs<br />
Beispiele seien der Ludovisische Thron, der Jünglingskopf<br />
Hannover, der Akrolith Metapont genannt.<br />
Dièse beiden Tendenzen erreichen nur selten Ausgleich<br />
und Balance; die meisten groBgriechischen<br />
Werke sind gerade durch Unausgewogenheit der<br />
Kràfte, Unsicherheiten der Formen gekennzeichnet.<br />
Auch an unserem metapontiner Kopf ist eine gewisse<br />
Antinomie der Kràfte zwischen oberem und unteren<br />
Teil des Gesichts nicht zu übersehen. Besser ausbalanciert<br />
scheint da der Kopf aus Hannover.<br />
Das Gleichgewicht der Krâfte besaB môglicherweise<br />
fur westgriechische Kunstler gar nicht einmal den<br />
hohen Wert, den es in der Kunst des Mutterlandes<br />
bedeutete.<br />
Die Beobachtung einer relativen Selbstàndigkeit<br />
metapontiner Skulptur von tarentiner Werken des<br />
V.Jhs. scheint von gewisser historischer Bedeutsamkeit.<br />
Nach den lapygerkriegen von 471 drângte Tarent heftig<br />
nach Westen 20 , gründete 433/2 auf dem Terrain des<br />
alten Siris seine Pflanzstadt Herakleia. In dieser Zeit<br />
muB Metapont mehr oder weniger abhàngig von<br />
20. Hdî.VII 20,3; Diod.XI 52,lf.; vgl.E. Ciaceri, Storia délia Magna<br />
Grecia, II 1927, S.287ff.<br />
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