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Überlebende gegen den niederländischen Staat - 2<br />
Urteil in Den Haag - Niederlande tragen Schuld an Morden in Srebrenica<br />
Ein Gericht in Den Haag hat ein spektakuläres Urteil im Zusammenhang mit dem Massaker von Srebrenica<br />
gefällt. Demnach sind die Niederlande für den Tod dreier muslimischer Männer während der Gräueltat<br />
1995 verantwortlich - und müssen Entschädigung zahlen.<br />
Den Haag - Es ist ein überraschendes und ungewöhnliches Urteil: Die Niederlande sind wegen des Versagens ihrer<br />
Uno-Truppen in Bosnien für Morde an drei bosnischen Muslimen während der Srebrenica- Massaker haftbar. Diese<br />
Entscheidung haben die Richter des Berufungsgerichts in Den Haag am Dienstag getroffen. Sie gaben damit den<br />
Familien von drei Massaker-Opfern Recht. Sie hatten seit Jahren vergeblich vor Gericht Entschädigungen durch<br />
den niederländischen Staat verlangt.<br />
Die 1995 in Srebrenica stationierte Blauhelm-Einheit Dutchbat hatte die drei Muslime trotz dringlicher Bitten um<br />
Schutz zum Verlassen des niederländischen Militärlagers gezwungen. Sie wurden später wie Tausende andere von<br />
den Truppen des bosnisch-serbischen Befehlshabers Ratko Mladic ermordet. Der heute 69-Jährige muss sich<br />
derzeit vor dem Kriegsverbrechertribunal für Ex- Jugoslawien wegen Völkermords verantworten - darunter für die<br />
Massaker in Srebrenica, denen bis zu 8000 Menschen zum Opfer fielen.<br />
Die Kommandeure der Blauhelmtruppe müssen nach Ansicht der Berufungsrichter gewusst haben, welch tödlicher<br />
Gefahr sie die drei Muslime aussetzten. "Dutchbat war Zeuge mehrerer Vorfälle, bei denen bosnische Serben<br />
außerhalb des Lagers Flüchtlinge misshandelten oder töteten", befand das Berufungsgericht. Die niederländische<br />
Uno-Truppe hatte sich damals angesichts der militärischen Übermacht der Mladic-Armee kampflos zurückgezogen.<br />
Geklagt hatten Hasan Nuhanovic, der damals als Dolmetscher für Dutchbat arbeitete, sowie die Familie des<br />
Elektrikers Rizo Mustafic, der ebenfalls für die Niederländer arbeitete. Mustafic sowie der damals 19-jährige<br />
Bruder und der Vater von Nuhanovic hatten das Dutchbat-Lager verlassen müssen. 2007 fand man die Leiche des<br />
Vaters in einem Massengrab, im vorigen Jahr die sterblichen Überreste des Bruders sowie die von Mustafic.<br />
Nuhanovic begrüßte die Gerichtsentscheidung, mit der er angesichts der bis dahin vergeblichen Versuche, die<br />
Niederlande zu einem Eingeständnis ihrer Verantwortung zu bewegen, wohl kaum noch gerechnet hatte: "Das<br />
Urteil ist eine Überraschung und ein Schritt in eine gute Richtung", sagte er unter Hinweis auf anhaltende<br />
Bemühungen, Täter von damals zur Rechenschaft zu ziehen.<br />
Die Höhe der Entschädigung, die die Niederlande nun zahlen müssen, ist noch unklar. "Es werden aber nicht<br />
Millionen sein", sagte Liesbeth Zegveld, Anwältin der Opfer. Es sei nicht um Geld gegangen.<br />
Lob vom Bürgermeister von Srebrenica<br />
Eine Beispielwirkung durch das Berufungsurteil erhoffen sich auch die mehr als 6000 "Mütter von Srebrenica", die<br />
durch die Massaker Angehörige verloren und Verfahren gegen die Niederlande und die Vereinten Nationen<br />
anstreben. Die Entscheidung des Berufungsgerichtes stimme hoffnungsvoll, erklärte Axel Hagedorn, der Anwalt<br />
der Srebrenica-Mütter. "Es besteht eine deutliche Ähnlichkeit mit unserer Sache."<br />
Der amtierende Bürgermeister von Srebrenica, Camil Durakovic, erklärte, es sei ein "Präzedenzfall" geschaffen.<br />
"Es zeigt sich, dass die niederländische Justiz unabhängig ist und dass Politik keine Rolle gespielt hat."<br />
Das Berufungsgericht wies mit dem Urteil die Argumentation der niederländischen Regierung zurück, wonach sie<br />
nicht belangt werden könne, weil die Soldaten unter Uno-Kommando gestanden hätten. Die niederländischen<br />
Truppen seien darüber hinaus auch im Auftrag ihrer Regierung im Einsatz gewesen, weshalb Den Haag auch für ihr<br />
Verhalten gegenüber verantwortlich zu machen sei.<br />
Die Richter betonten aber zugleich, das Urteil gelte nur für diesen konkreten Fall und nicht für die Situation der<br />
tausenden anderen Muslime in der damals von den Uno zum Schutzgebiet für die bosnisch-muslimische<br />
Bevölkerung erklärten Srebrenica-Region.<br />
Opfern und ihren Angehörigen steht üblicherweise kein aussichtsreicher Weg für Klagen offen. Denn bei der Uno<br />
gibt es kein Gericht, bei dem eine solche Klage eingereicht werden könnte.<br />
Spiegel Online, 05. Juli 2011