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DIE INTERNATIONALE JUSTIZ UND DAS EHEMALIGE JUGOSLAWIEN<br />

1. Die Zersplitterung des Vielvölkerstaats Jugoslawien - Kleine Chronik einer Blutspur<br />

Slobodan Milosevic, der ab 1986 in der Teilrepublik Serbien die Macht ___________________ , ließ alle<br />

Rücksichten auf das sorgfältig austarierte Gefüge des Vielvölkerstaats fahren und _____________ mit serbischen<br />

Großkundgebungen überall in Jugoslawien nationale Animositäten ______ . Bei den ersten freien Wahlen 1990<br />

______________ _____ in allen Republiken national orientierte – exkommunistische oder bürgerliche – Parteien<br />

______ . Nach Volksabstimmungen ___________________ Slowenien und Kroatien dann ihre Unabhängigkeit.<br />

Ende Juni 1991 _____________ die „Jugoslawische Volksarmee“ die slowenischen Grenzübergänge. Es kam zu<br />

einem fünftägigen Krieg, der mit dem Rückzug der Armee und der De-facto-Anerkennung von Sloweniens<br />

Unabhängigkeit _____________ . Kurz darauf ___________________ in Kroatien die Spannungen zwischen<br />

Mehrheitsvolk und serbischer Minderheit in einem offenen Krieg, der 10000 Tote _____________ . Die heiße<br />

Phase dieses zweiten Krieges ging im Januar 1992 mit dem Einfrieren der Frontlinien und der Stationierung von<br />

UN-Blauhelmen zu Ende.<br />

Die Jugoslawische Volksarmee ______________ _____ nach ihrem Rückzug aus Kroatien in Bosnien-<br />

Herzegowina _______ . Auf US- und EG-Empfehlung strebte nun auch Bosnien-Herzegowina die Unabhängigkeit<br />

an. Die bosnischen Serben lehnten das ab, ______________ aus Parlament und Regierung aus und<br />

___________________ die abtrünnige „Republik Srpska“. In einem dreieinhalbjährigen Krieg ______________<br />

auf dem Gebiet Bosnien-Herzegowinas 200 000 Menschen _____ , mehr als die Hälfte der Bosnier mussten aus<br />

ihren Wohnungen ______________ oder ______________ ______________ . Die erste heiße Phase dieses dritten<br />

Krieges in Jugoslawien ______________ im Herbst 1992 mit einer stabilen Frontlinie. Die Serben hielten 70<br />

Prozent des Territoriums. Eine zweite heiße Phase ______________ , als Ende 1992 die kroatische Minderheit<br />

ebenfalls eine abtrünnige Republik ______________ . Deren ethnisch geteilte Hauptstadt war Mostar und<br />

______________ 1993 in Kämpfen zwischen Kroaten und Muslimen weitgehend ______________ .<br />

Drei internationale Pläne zur Befriedung ___________________ . 1994 übernahmen die Amerikaner die Initiative,<br />

______________ Muslime und Kroaten _____ und halfen ihnen, die Frontlinien so zu ___________________ ,<br />

dass beide Volksgruppen zusammen 51 Prozent, die Serben hingegen nur noch 49 Prozent hielten. Die serbische<br />

Seite, international isoliert und vom Embargo geschwächt, ___________________ im Juli 1994 mehrere Tausend<br />

muslimische Männer aus der Stadt Srebrenica. Schließlich besiegelten die Präsidenten Bosnien-Herzegowinas,<br />

Serbiens und Kroatiens das Ergebnis dieser dritten „heißen Phase“ im November 1995 mit dem Friedensabkommen<br />

von Dayton.<br />

Quelle: N. Mappes-Niediek, DIE ZEIT 12/2003<br />

begann / besetzte / endete / endete / erklärten / ermordete / eskalierten / fliehen / forderte / gründete /<br />

gründeten / heizte ... an / kamen ... um / ließ sich ... nieder / scheiterten / söhnten ... aus / setzten sich ... durch<br />

/ übernahm / verändern / wurden ... vertrieben / wurde ... zerstört / zogen ... aus<br />

2. Langer Weg zum friedlichen Miteinander in Bosnien-Herzegowina HÖRVERSTEHEN<br />

Es waren die schwersten Kriegsverbrechen seit dem Zweiten Weltkrieg, die in den 1990er Jahren in<br />

Bosnien-Herzegowina begangen wurden. Und noch immer finden Gerichtsverhandlungen statt, um die<br />

Verbrechen aufzuklären.<br />

Mord und Vergewaltigung<br />

a. Denn die Aufarbeitung der Kriegsverbrechen hat hier besonders früh angesetzt.<br />

b. Seitdem bemühen sich Menschenrechtsaktivisten und Juristen, diese Verbrechen aufzuarbeiten, um einen<br />

dauerhaften und stabilen Frieden im Land zu ermöglichen.<br />

c. An Gerichtsverhandlungen war zu diesem Zeitpunkt noch nicht zu denken.<br />

d. In Bosnien-Herzegowina kam es in den 1990er Jahren zu den schwersten Kriegsverbrechen seit dem Zweiten<br />

Weltkrieg.<br />

e. Auch Vertreibungen und Massenvergewaltigungen gehörten zur Kriegsstrategie der Serben.<br />

f. Aber es sollte ein Zeichen gesetzt werden, dass die Internationale Gemeinschaft die Massaker und<br />

Massenvergewaltigungen nicht dulden werde.<br />

g. Die Chancen dafür stehen besser als in vielen anderen Konfliktgebieten.<br />

h. Schon 1993, also noch während des Bosnien-Krieges, wurde in Den Haag das Internationale<br />

Kriegsverbrechertribunal (International Criminal Tribunal for the former Yugoslavia) eingesetzt.<br />

i. Inzwischen sind bereits viele Verfahren geführt worden.<br />

j. Allein beim Massaker in Srebrenica wurden 8000 Bosnier ermordet.


1 2 3 4 5 6 7 8 9 10<br />

Ein Stück Gerechtigkeit<br />

a. Aber wenn sie sich mit den Frauen von Srebrenica unterhalte, merke sie, wie unglücklich diese darüber seien,<br />

dass ihr Leiden niemanden kümmere.<br />

b. "Für sie ist Gerechtigkeit wichtig, damit sie überhaupt weitermachen können und zu einer Versöhnung bereit<br />

sind", meint Rehn.<br />

c. Wie wichtig diese juristische Aufarbeitung ist, betont die frühere UN-Sonderbeauftragte für Bosnien-<br />

Herzegowina, Märta Elisabeth Rehn.<br />

d. Sie werde manchmal gefragt, warum es so wichtig sei, dass diese Leute wie Karazdic oder Mladic nach Den<br />

Haag gebracht werden.<br />

1 2 3 4<br />

Quelle: | www.dw-world.de | © Deutsche Welle, 2.07.2007<br />

3. Der Internationale Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien<br />

- Aufgaben und Zuständigkeit<br />

Gemäss der Resolution 827 ist das Ziel des Strafgerichtshofes, Personen, die für die schwersten Verletzungen des<br />

humanitären Völkerrechts auf dem Territorium des ehemaligen Jugoslawiens verantwortlich sind, strafrechtlich zu<br />

verfolgen.<br />

Die Ziele des Strafgerichtshofes sind vielfältig. Es geht darum, Personen, die mutmasslich für die schwersten<br />

Verletzungen des humanitären Völkerrechts verantwortlich sind, zur Rechenschaft zu ziehen, den Opfern<br />

Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, neuen Vergehen vorzubeugen, die rechtliche Wahrheit zu finden und zu<br />

proklamieren, um Revisionismus zu verhindern, einen Beitrag zur Wiederherstellung des Friedens zu leisten und<br />

die Aussöhnung im ehemaligen Jugoslawien zu fördern.<br />

Gemäss dem Statut stellen sich die Zuständigkeiten des Strafgerichtshofs wie folgt dar:<br />

• Zeitliche Zuständigkeit : Seit 1991 begangene Straftaten.<br />

• Räumliche Zuständigkeit: Auf dem Territorium des ehemaligen Jugoslawiens begangene Straftaten.<br />

• Sachliche Zuständigkeit: Das Tribunal ist befugt, vier Kategorien von Straftaten zu verfolgen: schwere<br />

Verletzungen der Genfer Konventionen von 1949, Verstöße gegen die Gesetze oder Gebräuche des Krieges,<br />

Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit.<br />

• Persönliche Zuständigkeit: Die Gerichtsbarkeit des Tribunals umfasst ausschließlich natürliche Personen.<br />

Zu beachten ist, dass dem ICTY keine ausschließliche Zuständigkeit zur Verfolgung und Bestrafung der schweren<br />

Verletzungen des humanitären Völkerrechts in Ex-Jugoslawien zukommt. Vielmehr handelt es sich um eine mit<br />

einzelstaatlichen Gerichten konkurrierende Zuständigkeit. Der ICTY hat Vorrang vor Gerichten einzelner Staaten<br />

und kann daher in jedem Stadium eines Verfahrens, einzelstaatliche Gerichte dazu ersuchen, ihre Zuständigkeit an<br />

ihn abzutreten, wenn dies im Interesse von Strafverfolgung und Gerechtigkeit wichtig ist.<br />

Artikel 7 des Statuts sieht vor, das die Urheber der in Jugoslawien durchgeführten Verbrechen für diese individuell<br />

verantwortlich sind. Ausserdem ist festgelegt, dass die amtliche Stellung eines Beschuldigten ihn nicht der<br />

strafrechtlichen Verantwortlichkeit enthebt. Schließlich sieht der Artikel die Verantwortlichkeit des Vorgesetzen<br />

auch dann vor, wenn dieser nicht aktiv an einem Rechtsverstoß beteiligt war, sofern er keine Maßnahmen ergriffen<br />

hatte, um dem Verstoß vorzubeugen und die Urheber zu bestrafen.<br />

Die Vollstreckung der Strafe findet in einem derjenigen Staaten statt, die sich bereit erklärt haben, die vom<br />

Strafgerichtshof Verurteilten aufzunehmen. Das Gefängnis in Den Haag nur für die Untersuchungshaft vorgesehen.<br />

Quelle: http://www.trial-ch.org/de<br />

Fragen / Aufgaben:<br />

- Was bedeutet der Begriff "konkurrierende Zuständigkeit" ?<br />

- Wie wird die "Verantwortlichkeit" im Artikel 7 des Statuts definiert ?<br />

- Übersetzen Sie die Wörter in Kursivschrift aus dem Statut ins Französische (Siehe nächste Seite).


- Statut (Auszug)<br />

Artikel 2 - Schwere Verletzungen der Genfer Abkommen von 1949<br />

Der Gerichtshof ist befugt, Personen strafrechtlich zu verfolgen, die schwere Verletzungen der Genfer Abkommen<br />

vom 12. August 1949 begehen oder anordnen, nämlich die folgenden Handlungen gegen die nach den<br />

Bestimmungen des jeweiligen Genfer Abkommens geschützten Personen oder Güter:<br />

a) Vorsätzliche Tötung;<br />

b) Folterung oder unmenschliche Behandlung einschließlich biologischer Versuche;<br />

c) vorsätzliche Verursachung großer Leiden oder schwere Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit oder<br />

der Gesundheit;<br />

d) Zerstörung und Aneignung von Eigentum, die durch militärische Erfordernisse nicht gerechtfertigt sind und in<br />

großem Ausmaß rechtswidrig und willkürlich vorgenommen werden;<br />

e) Nötigung eines Kriegsgefangenen oder einer Zivilperson zum Dienst in den Streitkräften einer feindlichen<br />

Macht;<br />

f) vorsätzlicher Entzug des Rechts eines Kriegsgefangenen oder einer Zivilperson auf ein faires und<br />

ordnungsgemäßes Gerichtsverfahren;<br />

g) rechtswidrige Verschleppung oder Verschickung oder rechtswidrige Gefangenhaltung einer Zivilperson;<br />

h) Geiselnahme von Zivilpersonen.<br />

Artikel 3 - Verstöße gegen die Gesetze oder Gebräuche des Krieges<br />

Der Gerichtshof ist befugt, Personen strafrechtlich zu verfolgen, die gegen die Gesetze oder Gebräuche des Krieges<br />

verstoßen. Hierzu gehören, ohne Anspruch auf Vollständigkeit, die folgenden Verstöße:<br />

a) Der Einsatz von Giftwaffen oder anderen Waffen, die so ausgelegt sind, dass sie unnötige Leiden verursachen;<br />

b) die willkürliche Zerstörung von Städten und Dörfern oder durch militärische Erfordernisse nicht gerechtfertigte<br />

Verwüstung;<br />

c) der Angriff auf unverteidigte Städte, Dörfer, Wohnstätten oder Gebäude oder deren<br />

Beschießung/Bombardierung, mit welchen Mitteln auch immer;<br />

d) die Inbesitznahme, Zerstörung oder vorsätzliche Beschädigung von Einrichtungen, die der Religion, der<br />

Wohltätigkeit und der Erziehung, den Künsten und den Wissenschaften gewidmet sind, von geschichtlichen<br />

Denkmälern und von Werken der Kunst und der Wissenschaft;<br />

e) die Plünderung öffentlichen oder privaten Eigentums.<br />

Artikel 4 - Völkermord<br />

1. Der Gerichtshof ist befugt, Personen strafrechtlich zu verfolgen, die Völkermord im Sinne des Absatzes 2 oder<br />

eine der anderen in Absatz 3 aufgeführten Handlungen begehen.<br />

2. Völkermord ist jede der folgenden Handlungen, die in der Absicht begangen wird, eine nationale, ethnische,<br />

rassische oder religiöse Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören:<br />

a) Tötung von Mitgliedern der Gruppe;<br />

b) Verursachung von schwerem körperlichem oder seelischem Schaden an Mitgliedern der Gruppe;<br />

c) vorsätzliche Auferlegung von Lebensbedingungen für die Gruppe, die geeignet sind, ihre körperliche Zerstörung<br />

ganz oder teilweise herbeizuführen;<br />

d) Verhängung von Maßnahmen, die auf die Geburtenverhinderung innerhalb der Gruppe gerichtet sind;<br />

e) gewaltsame Überführung von Kindern der Gruppe in eine andere Gruppe.<br />

3. Die folgenden Handlungen sind zu bestrafen:<br />

a) Völkermord;<br />

b) Verschwörung zur Begehung von Völkermord;<br />

c) unmittelbare und öffentliche Anreizung zur Begehung von Völkermord;<br />

d) Versuch, Völkermord zu begehen;<br />

e) Teilnahme am Völkermord.<br />

Artikel 5 - Verbrechen gegen die Menschlichkeit<br />

Der Gerichtshof ist befugt, Personen strafrechtlich zu verfolgen, die für folgende Verbrechen verantwortlich sind,<br />

wenn diese in einem, ob internationalen oder internen, bewaffneten Konflikt begangen werden und gegen die<br />

Zivilbevölkerung gerichtet sind:<br />

a) Mord;<br />

b) Ausrottung;<br />

c) Versklavung;<br />

d) Deportierung;<br />

e) Freiheitsentziehung;<br />

f) Folter;<br />

g) Vergewaltigung;<br />

h) Verfolgung aus politischen, rassischen und religiösen Gründen;<br />

i) andere unmenschliche Handlungen.


4. Der Film STURM (von Hans-Christian Schmid, 2009)<br />

a. Entnehmen Sie dem Flyer (>Text und Bilder) und dem DW-Audio möglichst viele Informationen über:<br />

STUDENT A.<br />

STUDENT B.<br />

Regisseur / Genre, Stil und Rezeption des Films / Darsteller Inhalt des Films: Geschichte / Figuren / Orte<br />

Sturm in Den Haag (z.T. Transkript des Audios)<br />

Politik, Justiz und menschliche Tragödien - verdichtet in dem packenden Politthriller "Sturm". Hans-Christian<br />

Schmid ist es gelungen aus einem vermeintlich sperrigen Stoff ein spannendes Drama zu machen.<br />

Das zu erwartende Urteil des Prozesses scheint klar: Der ehemalige Befehlshaber der jugoslawischen Armee Goran<br />

Duric wird vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag angeklagt die Deportation bosnisch-muslimischer<br />

Zivilisten veranlasst zu haben. Auf seinen Befehl hin sollen Menschen in einen Bus in Kasmaj (Republika Srpska)<br />

getrieben worden sein. Und einen Zeuge dafür, Alen Hajdarevic, gibt es auch. Doch dessen Aussage erweist sich<br />

als haltlos. Denn dort, wo Alen den Bus gesehen haben will, kann er nicht hingefahren sein, weil die Straße viel zu<br />

eng ist.<br />

Schwierige Anklage<br />

Die Anklägerin Hannah Maynard, gespielt von Kerry Fox, steht vor einem Debakel. Ihre Anklage droht<br />

zusammenzubrechen, wenn sie nicht schnell eine neue Strategie entwickelt. Aber es kommt noch schlimmer: Alen<br />

begeht Selbstmord, und am Gerichtshof fragt man sich, ob Hannah nicht mit Schuld an seinem Tod ist, ob sie nicht<br />

zu viel Druck auf den Zeugen augeübt hat. Doch so einfach gibt die Anklägerin nicht auf. Hannah fliegt zur Alens<br />

Beerdigung nach Sarajewo, wo sie seine Schwester Mira kennen lernt. Mira, gespielt von Anamaria Marinca, hat<br />

die Kriegsgräuel selbst erlebt, wird aber bedroht und will nicht aussagen.<br />

Sensibler Zeitchronist<br />

Der Regisseur, Autor und Produzent Hans-Christian Schmid ist einer der profiliertesten deutschen Filmemacher.<br />

Mit Werken wie "23" oder "Crazy" hat er viele Besucher in die Kinos gelockt. Und die Kritiker hatte er bisher auch<br />

auf seiner Seite. Das war auch Anfang diesen Jahres so, als er auf der Berlinale "Sturm" vorstellte, der jetzt in die<br />

Kinos kommt und der mit dem Amnesty International Filmpreis ausgezeichnet wurde.<br />

Der 44jährige Schmid kann auf eine bemerkenswerte Karriere zurückblicken, die sich grob in zwei Perioden<br />

unterteilen lässt: Nach seinem Studium an der Hochschule für Fernsehen und Film in München dreht er zunächst<br />

Filme übers Erwachsenwerden und erlebt 1995 seinen Durchbruch mit "Nach fünf im Urwald", ein Karrieresprung<br />

übrigens auch für die junge Franka Potente. Das Werk über ein Kleinstadtmädchen, das in München Popstar<br />

werden will, wird von Kritik und Publikum gleichermaßen gefeiert.<br />

Verzicht auf Effekte<br />

In den Jahren darauf dreht er mit "23" und "Crazy" zwei weitere Filme, die von der Identitätsfindung junger<br />

Menschen handeln. Unter seiner Leitung liefern Schauspieler wie Axel Milberg, August Diehl, Robert Stadlober<br />

oder Sandra Hüller Glanzleistungen ab. Auffällig auch, dass Hans-Christian Schmid seine Geschichten meist linear<br />

und ohne Effekte erzählt: "Ich bin da sehr zurückhaltend und mag es nicht, wenn Effekte in den Vordergrund<br />

treten. Für mich wirkt das schnell manieriert, wenn ich dahinter nicht wirklich den Zweck erkenne."<br />

Dauergast bei der Berlinale<br />

2001 beginnt Schmids zweite Schaffensphase: Er verlässt München, geht nach Berlin, gründet seine eigene<br />

Produktionsfirma und dreht mit "Lichter" seinen ersten gesellschaftskritischen Film. Das Werk spielt an der<br />

deutsch-polnischen Grenze und beschreibt den Überlebenskampf verschiedener Menschen. Dieser Film schafft<br />

ebenso den Sprung in den Berlinale-Wettbewerb wie "Requiem" 2006, die wahre Geschichte einer Studentin, die,<br />

zerrissen zwischen Familie, Glaube und Krankheit, Opfer eines Exorzismus wird.<br />

Schwieriges leicht erzählen...<br />

Mit seinem neuen Werk "Sturm" beweist Schmid einmal mehr, dass er komplizierte Sachverhalte verständlich zu<br />

einer spannenden Geschichte formen kann und seine Darsteller brillant in Szene setzt. Es täuscht, wenn mag glaubt,<br />

dass sich die Themen des Films, nämlich Justiz, Völkerrecht und Vergangenheitsaufarbeitung, nicht für einen<br />

Kinostoff eignen würden. Hans-Christian Schmid: "Wir haben versucht, die Inhalte auf die Protagonisten zu<br />

übertragen. Wenn es gelingt, die Figuren sehr genau zu zeichnen, dann schafft man es auch, emotional zu erzählen.<br />

Und dann kann man den komplizierten Hintergrund ein bisschen in die Geschichte reinschmuggeln."<br />

Glänzendes Schauspielerduo<br />

"Sturm" ist von der ersten bis zur letzten Minute ein spannendes Drama, das zeigt, wie politische Interessen und<br />

Wahrheitsfindung miteinander kollidieren können. Und wie sogar ein Kriegsverbrecherprozess von<br />

Hinterzimmerintrigen beeinflusst wird. Im Zentrum des Films steht der Versuch der Anklägerin Hannah, Mira (das<br />

Opfer) trotz der Drohungen nach Den Haag zu bringen, damit diese vor Gericht aussagt. Dabei bieten Kerry Fox<br />

und Anamaria Marinca ein überzeugendes Schauspielerduo. So ist "Sturm" nicht nur ein packender Politthriller,<br />

sondern auch ein großer Schauspielerfilm.<br />

Bernd Sobolla, Deutsche Welle,<br />

11.09.2009


- b. Ergänzen Sie den Lückentext zum Inhalt des Films mit den Wörtern aus der untenstehenden Liste.<br />

Überlegen Sie dann, wie sich die Handlung weiterentwickeln könnte. Schreiben Sie die nächsten drei Sätze<br />

der Inhaltszusammenfassung.<br />

Die _______________________ lasten schwer. Vor drei Jahren wurde Goran Duric in Spanien<br />

_______________________ . Seitdem läuft am Internationalen _______________________ für das ehemalige<br />

Jugoslawien in Den Haag ein _______________________ gegen ihn. Duric wird _______________________ , als<br />

Offizier für Deportationen bosnisch-muslimischer Zivilisten im Bosnien-Herzegowina-Konflikt<br />

_______________________ zu sein. Nun aber, kurz vor den abschließenden _______________________ ,<br />

verstrickt sich der _______________________ Alen Hajdarevic in Falschaussagen und wird<br />

_______________________ . Bei einem Ortstermin in der Republik Srpska in Bosnien und Herzegowina wird<br />

seine _______________________ offenbar – und als sich Alen danach das Leben nimmt, stehen die<br />

_______________________ des Strafgerichtshofs Keith Haywood und Hannah Maynard wieder vor dem Nichts.<br />

Auf der Suche nach neuen _______________________ trifft Hannah auf Mira Arendt, die in Deutschland lebende<br />

Schwester von Alen. Mira will zunächst nichts mit den Verhandlungen zu tun haben. Aber Hannah ahnt, dass Alen<br />

stellvertretend für ihre _______________________ ausgesagt hat. Schließlich erzählt Mira der Anklägerin von<br />

Deportationen und _______________________ , für die Duric verantwortlich ist. Weil sie Hannah<br />

_______________________ , reist sie mit ihrem Sohn nach Den Haag. Kurz vor der entscheidenden Verhandlung<br />

jedoch gefährdet eine Vereinbarung zwischen Gericht und _______________________ die<br />

_______________________ von Duric. Die _______________________ für die Vergewaltigungen soll nicht zur<br />

Sprache kommen …<br />

Liste : angeklagt / Ankläger / Augenzeuge / Beobachtungen / festgenommen / Lüge /<br />

Massenvergewaltigungen / Strafgerichtshof / unglaubwürdig / verantwortlich / Verantwortung / Verfahren /<br />

Verhandlungen / Verteidigung / vertraut / Verurteilung / Vorwürfe / Zeugen<br />

- c. Ergänzen Sie mit Hilfe der vorangehenden Aufgaben, der Filmsequenz und des Bildes des<br />

Gerichtsraums die folgenden Notizen zu den Figuren und Orten des Films:<br />

- Hannah Maynard :<br />

- Mira Arendt :<br />

- Alen Hajdarevic<br />

- Lars Andersen :<br />

- Keith Haywood :<br />

- Mladen Banovic :<br />

- Goran Duric :<br />

- Patrick Färber :<br />

- Deborah Armstrong :<br />

- Banja Luka :<br />

- Kasmaj :<br />

- Vilina Kosa :


5. Die Klagen um das Massaker von Srebrenica<br />

- Aufgaben (Gruppenarbeit)<br />

1. Jede Gruppe bearbeitet einen der vier Texte, fasst dessen Inhalt zusammen und nimmt Stellung zum Urteil des<br />

jeweiligen Gerichts. Die Mitglieder der Gruppe müssen sich also auf einen gemeinsamen Standpunkt, einen<br />

Kompromiss einigen.<br />

2. Die wichtigsten Fakten sowie die Stellungnahme der Gruppe werden vor der Klasse mündlich vorgetragen und<br />

erläutert. Die Studenten der anderen Gruppen müssen die Fakten in der folgenden Tabelle aufschreiben (und dabei<br />

Fragen stellen, wenn sie etwas nicht verstehen!).<br />

3. Jede Gruppe schreibt dann einen kleinen Artikel über einen der Fälle, die sie nicht selber schon bearbeitet hat.<br />

Datum des<br />

Urteils<br />

Anklage Kläger Angeklagter Gericht Urteil (+ Begründung)<br />

26.02.2007<br />

10.07.2008<br />

10.09.2008<br />

05.07.2011


Bosnien-Herzegowina gegen Serbien<br />

UN-Gericht: Keine Entschädigung für Bosnien-Herzegowina<br />

Der Internationale Gerichtshof spricht Serbien von direkter Verantwortung für den Völkermord in Ex-<br />

Jugoslawien frei. Es hätte aber eingreifen müssen. Anspruch auf Entschädigung habe Bosnien-Herzegowina<br />

dennoch nicht.<br />

Als erster Staat überhaupt hatte Bosnien-Herzegowina vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) in Den Haag<br />

wegen Völkermordes geklagt. Das ist 14 Jahre her. Am Montag (26.2.07) wurde jetzt das Urteil gesprochen.<br />

Serbien hat sich nach Auffassung des IGH zwar nicht direkt des Völkermords im Bosnien-Krieg schuldig gemacht.<br />

Die serbische Regierung habe es seinerzeit aber nicht verhindert, dass solche Verbrechen an bosnischen Muslimen<br />

verübt wurden, wie Gerichtspräsidentin Rosalyn Higgins am Montag bei der Urteilsverkündung in Den Haag<br />

erläuterte. Nach der Völkermordkonvention von 1948 hätte Belgrad dies versuchen und die Verantwortlichen<br />

bestrafen müssen.<br />

IGH: Srebrenica war Völkermord<br />

Dem Urteil zufolge begingen bosnische Serben 1995 in Srebrenica eindeutig Völkermord, als sie bis zu 8000<br />

männliche Muslime ermordeten. Die damalige Belgrader Regierung hätte ihren Einfluss geltend machen müssen,<br />

solche Massaker während des Bosnien-Krieges von 1992 bis 1995 zu verhindern, betonte Higgins. Mit einem<br />

entschlossenen Einschreiten hätte sie das verheerende Ausmaß zumindest begrenzen können.<br />

"Die Verbrechen in Srebrenica ... wurden mit der eindeutigen Absicht ausgeführt, die Bevölkerungsgruppe der<br />

Muslime in Bosnien-Herzegowina insgesamt zu zerstören", erklärte Higgins. Deshalb liege hier der Tatbestand des<br />

Völkermords vor. Bei der Urteilsfindung habe sich der Weltgerichtshof stark auf die Erkenntnisse des UN-<br />

Kriegsverbrechertribunals für das ehemalige Jugoslawien verlassen, fügte sie hinzu. Von diesem Tribunal wurden<br />

bereits zwei Serben individuell wegen Völkermords verurteilt.<br />

Die Schuldigen von Srebrenica sind immer noch frei<br />

Nach Definition der Vereinten Nationen liegt Völkermord dann vor, wenn Verbrechen mit dem Ziel begangen<br />

werden, eine gesamte Bevölkerungsgruppe auszulöschen. Serbien hat stets argumentiert, diese Absicht habe auf<br />

staatlicher Ebene nicht bestanden und könne auch nicht nachgewiesen werden. Dieser Auffassung schloss sich das<br />

Gericht nur zum Teil an.<br />

So wurde klar darauf verwiesen, dass die Regierung unter dem damaligen jugoslawischen Präsidenten Slobodan<br />

Milosevic die bosnisch-serbischen Einheiten bei ihren "ethnischen Säuberungen" finanziell, logistisch und<br />

ideologisch unterstützt habe. Ferner sei klar, dass die Regierung keinerlei Initiativen zur Verhinderung von<br />

Massakern wie in Srebrenica ergriffen habe. Und entgegen internationalen Verpflichtungen seien die Schuldigen<br />

bis heute nicht ihrer gerechten Strafe zugeführt worden. Dies treffe insbesondere auf den damaligen bosnischserbischen<br />

General Radko Mladic zu.<br />

Urteilsfindung nach 14 Jahren<br />

Die Forderung Bosniens nach Entschädigung wies Higgins allerdings ebenfalls zurück. "Ein finanzieller Ausgleich<br />

ist keine angemessene Form der Kompensation für den Bruch der Verpflichtung, Völkermord zu verhindern",<br />

erklärte die Gerichtspräsidentin. Bosnien-Herzegowina hat bereits vor 14 Jahren Klage gegen Serbien wegen<br />

Völkermords erhoben. Erst vor einem Jahr begann der IGH schließlich, sich konkret mit dem Fall zu befassen.<br />

Zu Beginn der Sitzung am Montag hatte Higgins den Antrag Belgrads zurückgewiesen, den IGH für nicht<br />

zuständig zu erklären, weil Serbien während des Bosnien-Kriegs kein UN-Mitglied war. Serbien sei stets an die<br />

UN-Konvention gegen Völkermord aus dem Jahr 1948 gebunden gewesen. Die Tatsache, dass seine Mitgliedschaft<br />

zu Beginn der Kämpfe suspendiert worden sei, ändere nichts an dieser Verpflichtung. 1999 allerdings hatte der<br />

IGH eine Klage Serbiens gegen die damaligen Luftangriffe der NATO mit der Begründung der suspendierten UN-<br />

Mitgliedschaft Belgrads nicht angenommen.<br />

| www.dw-world.de | © Deutsche Welle, 26.2.2007


Überlebende gegen die UNO<br />

Völkermord-Klage gegen UN abgewiesen<br />

Das Massaker an Muslimen im bosnischen Srebrenica vor 13 Jahren bleibt für die Vereinten Nationen<br />

vorerst ohne gerichtliche Folgen. Ein niederländisches Gericht wies eine entsprechende Klage Überlebender<br />

ab.<br />

Die Vereinten Nationen können wegen des Völkermordes in der bosnisch-muslimischen Enklave Srebrenica im<br />

Juli 1995 nicht gerichtlich belangt werden. Das urteilte ein Gericht in Den Haag am Donnerstag (10.07.2008). Zehn<br />

bosnische Frauen und die Stiftung "Mütter von Srebrenica" hatten den niederländischen Staat und die Vereinten<br />

Nationen auf Schadenersatz verklagt. Ihrer Auffassung nach hatten niederländische UN-Blauhelme die<br />

muslimische Bevölkerung nicht ausreichend gegen serbische Truppen geschützt.<br />

In dem Zivilverfahren bestätigte das Bezirksgericht von Den Haag damit die Immunität der Vereinten Nationen,<br />

auch in Fällen von Völkermord. Von dieser Immunität, die in der Charta der Vereinten Nationen festgeschrieben<br />

wurde, gebe es keine Ausnahme, erklärte das Gericht.<br />

UN darf "nicht unkontrollierbar sein"<br />

Die Anwälte der "Mütter von Srebrenica" kündigten Berufung gegen die Entscheidung an. Sie betonten, dass nach<br />

der UN- Menschenrechtskonvention jeder Bürger Zugang zu einem unabhängigen Gericht haben müsse. Es sei<br />

"unakzeptabel, dass die UN als einzige Organisation in der Welt unkontrollierbar sein soll". Notfalls wollen sie sich<br />

an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg wenden. "Wir können nicht hinnehmen, dass<br />

die UNO auch bei Völkermord Immunität besitzt", sagte Anwalt Alix Hagedorn. Ein Urteil dazu sei auch für die<br />

"Glaubwürdigkeit der Vereinten Nationen" wichtig.<br />

Nach Ansicht der Richter in Den Haag genießen die UN aufgrund internationaler Verträge Immunität. Die<br />

Unantastbarkeit internationaler Organisationen garantiere deren Unabhängigkeit. Dadurch sei ausgeschlossen, dass<br />

nationale Richter beispielsweise UN-Personal in Friedenseinsätzen verurteilten, um deren Arbeit zu erschweren.<br />

Die Entscheidung betrifft nicht die Klage gegen den niederländischen Staat. Darüber soll im September weiter<br />

verhandelt werden.<br />

Internationale Gerichte: Srebrenica war ein Völkermord<br />

Die Enklave Srebrenica stand während des Bosnienkrieges unter dem Schutz einer niederländischen Einheit der<br />

Vereinten Nationen. Serbische Truppen unter General Ratko Mladic überrannten den Ort am 11. Juli 1995,<br />

anschließend deportierten und ermordeten sie 8000 Männer und Jungen. Die niederländischen Soldaten griffen bei<br />

der Deportation nicht ein und brachten nur diejenigen Bosnier in Sicherheit, die für die UN-Einheit arbeiteten. Das<br />

Massaker von Srebrenica gilt als das schwerste in Europa seit Ende des Zweiten Weltkriegs. Sowohl der<br />

Internationale Gerichtshof wie auch das UN-Kriegsverbrechertribunal stuften es als Völkermord ein. Die UNO<br />

räumte ihr Versagen beim Schutz der Muslime ein, ohne allerdings personelle Konsequenzen zu ziehen.<br />

10.07.2008, | www.dw-world.de | © Deutsche Welle.<br />

OPFER VON SREBRENICA - Überlebende scheitern mit Klage gegen Uno<br />

Tausende starben beim Völkermord von Srebenica in der Uno-Schutzzone - doch die Vereinten Nationen<br />

sind immun. Ein Gericht in Den Haag hat die die Klage von Angehörigen der Opfer gegen die Uno<br />

zurückgewiesen.<br />

Den Haag - Die Vereinten Nationen genießen nach internationaler Rechtspraxis "umfassenden" Schutz vor<br />

gerichtlicher Verfolgung - somit sind die Überlebenden des Massakers von Srebrenica mit ihrer Klage gegen die<br />

Uno gescheitert. Das Bezirksgericht von Den Haag wies die Klage am heutigen Donnerstag als unzulässig zurück.<br />

Staatliche Gerichte könnten sich nicht mit Prozessen gegen die Uno befassen, heißt es in der Begründung.<br />

Das Massaker von Srebrenica gilt als das schwerste in Europa seit Ende des Zweiten Weltkriegs. Die Kläger hatten<br />

die Uno gemeinsam mit den Niederlanden für das Massaker an rund 8000 Muslimen während des Bosnienkriegs<br />

von 1992 bis 1995 mitverantwortlich gemacht. Sowohl der Internationale Gerichtshof wie auch das Uno-<br />

Kriegsverbrechertribunal stuften es als Völkermord ein. Auch die Uno räumte ihr Versagen beim Schutz der<br />

Muslime ein, allerdings ohne personelle Konsequenzen zu ziehen.<br />

Von der Immunität, die in der Charta der Vereinten Nationen festgeschrieben wurde, gebe es keine Ausnahme,<br />

erklärte das Gericht. Geklagt hatte neben zehn Witwen auch die Organisation "Mütter von Srebrenica", die rund<br />

6000 Überlebende des serbischen Sturms auf Srebrenica vertritt. Sie fordern neben einer Schuldanerkennung auch<br />

Schadensersatz.<br />

Klägeranwalt Alix Hagedorn kündigte an, die Klage bis vor den Straßburger Gerichtshof für Menschenrechte zu<br />

bringen: "Wir können nicht hinnehmen, dass die Uno auch bei Völkermord Immunität besitzt", sagte er. Ein Urteil<br />

dazu sei auch für die "Glaubwürdigkeit der Vereinten Nationen" wichtig.<br />

SPIEGEL ONLINE, 10. Juli 2008


Überlebende gegen den niederländischen Staat - 1<br />

Massaker von Srebrenica - Klage gegen Niederlande abgewiesen<br />

Die niederländische Regierung muss sich für das Versagen ihrer Blauhelm-Soldaten während des Massakers<br />

an 8000 bosnischen Muslimen vor 13 Jahren in Srebrenica nicht verantworten. Das Den Haager<br />

Landgericht wies einen Antrag der Hinterbliebenen ab.<br />

Mehr als 13 Jahre liegt das Grauen zurück, doch für Hasan Nuhanovic war die Erinnerung heute allgegenwärtig.<br />

Händeringend hatte er in der Nacht zum 13. Juli 1995 Offiziere der UN-Schutztruppe in Srebrenica angefleht, seine<br />

Eltern und seinen Bruder nicht in den Tod zu schicken. Doch die Holländer verwiesen auf Instruktionen, die ihnen<br />

keine Wahl lassen würden. Nuhanovic, der für die UN als Dolmetscher arbeitete, durfte in der Blauhelm-Basis<br />

bleiben. Seine Familie zwangen die Niederländer, den Schutz der Basis zu verlassen.<br />

Nuhanovic schilderte in dem Verfahren in Den Haag, wie er damals die Weisung zum Verlassen des Stützpunkts<br />

für seine Familie übersetzen musste. Seine Mutter und sein Vater hätten geweint. Aber sein damals 20-jähriger<br />

Bruder habe gesagt: "Hasan, bettele sie nicht weiter um unser Leben an." So ging die Familie raus nach Srebrenica<br />

- dorthin, wo wütende bosnisch-serbische Mordbanden längst dabei waren, das schwerste Kriegsverbrechen seit<br />

dem Zweiten Weltkrieg in Europa zu verüben.<br />

Etwa 8000 bosnische Muslime kamen damals um. Viele hätten gerettet werden können, wenn das niederländische<br />

UN-Bataillon, kurz Dutchbat genannt, sich für die Schutzlosen eingesetzt hätte, statt wegzuschauen. So jedenfalls<br />

stellten es Nuhanovic sowie die Hinterbliebenen des von den Serben ermordeten Elektrikers Rizo Mustafic dar. Die<br />

beiden Familien hatten beim Landgericht Den Haag den Antrag gestellt, die niederländische Regierung für das<br />

mutmaßliche Versagen ihrer Soldaten auf Schadenersatz verklagen zu können.<br />

Das Gericht lehnte ab. "Der Staat kann nicht für Aktionen von Dutchbat zur Verantwortung gezogen werden",<br />

sagte der Vorsitzende Richter Hans Hofhuis. Hätte er dem Antrag stattgegeben, wäre vermutlich eine Flut von<br />

Prozessen auf die Niederlande zukommen und womöglich wären auch die Vereinten Nationen erneut mit Klagen<br />

von Angehörigen der Opfer des Srebrenica-Massakers überzogen worden. Ein Präzedenzfall wäre geschaffen<br />

worden mit kaum überschaubaren Folgen für künftige Friedenseinsätze der Vereinten Nationen. Welcher Staat<br />

würde noch Soldaten für UN-Kriseneinsätze abstellen, wenn er später dafür zu Kasse gebeten werden kann, dass es<br />

den Militärs nicht gelingt, ihre Schutzbefohlenen tatsächlich zu beschützen?<br />

Das Aufatmen der Politik in Den Haag kam nicht überraschend. Immerhin hatte das Desaster von Srebrenica im<br />

Jahr 2002 zum sensationellen Rücktritt der gesamten Regierung des damaligen Ministerpräsidenten Wim Kok<br />

geführt. Sie reagierte damit auf die Vorlage eines Berichtes des Niederländischen Instituts für<br />

Kriegsdokumentation, der nahelegte, dass die politisch Verantwortlichen für den Einsatz des Dutchbat versagt<br />

hatten.<br />

Dessen Aufgabe - so argumentierten später die Militärs - sei von Anfang an eine "mission impossible", eine<br />

unerfüllbare Mission, gewesen. Viel zu wenig Soldaten, die zudem viel zu schwach bewaffnet waren, hätten einer<br />

enormen Übermacht blutrünstiger bosnisch-serbischer Milizen unter dem Kommando des berüchtigten Ratko<br />

Mladic gegenübergestanden. Und dringende Bitten an die Führung der Friedenstruppen UNPROFOR und die<br />

NATO um Luftunterstützung zum Schutz der Enklave Srebrenica seien ignoriert worden.<br />

Für die Hinterbliebenen der Opfer bietet das freilich keinerlei Trost. Sie können nicht vergessen, dass sich der<br />

Kommandeur der Niederländer, Thomas Karremans, noch am 12. Juli 1995 beim Zuprosten mit Ratko Mladic<br />

fotografieren ließ, dessen Auslieferung an das UN-Kriegsverbrechertribunal durch Serbien inzwischen erwartet<br />

wird. Auch die Bilder von feiernden holländischen Soldaten nach dem Abzug aus Srebrenica haben sie noch vor<br />

Augen.<br />

Noch ist die Forderung nach Schadenersatz nicht vollständig vom Tisch. Liesbeth Zegveld, die Anwältin der<br />

Kläger, kündigte Berufung an. Doch wie es aussieht, wird auch künftig der Schwarze Peter in Sachen Srebrenica<br />

hin und her geschoben. Darauf deutet die Begründung des jetzigen Urteils hin.<br />

Den Haag könne nicht belangt werden, weil die Soldaten bekanntlich den UN und nicht ihrer eigenen Regierung<br />

unterstanden, erklärte das Landgericht. Doch an die UN sollen sich die Opferangehörigen auch nicht wenden<br />

dürfen, wie dasselbe Gericht erst im Juli entschied: Die Weltorganisation genieße kraft ihrer eigenen Charta<br />

Immunität.<br />

Von Thomas Burmeister, Zeit Online, 10.09.2008


Überlebende gegen den niederländischen Staat - 2<br />

Urteil in Den Haag - Niederlande tragen Schuld an Morden in Srebrenica<br />

Ein Gericht in Den Haag hat ein spektakuläres Urteil im Zusammenhang mit dem Massaker von Srebrenica<br />

gefällt. Demnach sind die Niederlande für den Tod dreier muslimischer Männer während der Gräueltat<br />

1995 verantwortlich - und müssen Entschädigung zahlen.<br />

Den Haag - Es ist ein überraschendes und ungewöhnliches Urteil: Die Niederlande sind wegen des Versagens ihrer<br />

Uno-Truppen in Bosnien für Morde an drei bosnischen Muslimen während der Srebrenica- Massaker haftbar. Diese<br />

Entscheidung haben die Richter des Berufungsgerichts in Den Haag am Dienstag getroffen. Sie gaben damit den<br />

Familien von drei Massaker-Opfern Recht. Sie hatten seit Jahren vergeblich vor Gericht Entschädigungen durch<br />

den niederländischen Staat verlangt.<br />

Die 1995 in Srebrenica stationierte Blauhelm-Einheit Dutchbat hatte die drei Muslime trotz dringlicher Bitten um<br />

Schutz zum Verlassen des niederländischen Militärlagers gezwungen. Sie wurden später wie Tausende andere von<br />

den Truppen des bosnisch-serbischen Befehlshabers Ratko Mladic ermordet. Der heute 69-Jährige muss sich<br />

derzeit vor dem Kriegsverbrechertribunal für Ex- Jugoslawien wegen Völkermords verantworten - darunter für die<br />

Massaker in Srebrenica, denen bis zu 8000 Menschen zum Opfer fielen.<br />

Die Kommandeure der Blauhelmtruppe müssen nach Ansicht der Berufungsrichter gewusst haben, welch tödlicher<br />

Gefahr sie die drei Muslime aussetzten. "Dutchbat war Zeuge mehrerer Vorfälle, bei denen bosnische Serben<br />

außerhalb des Lagers Flüchtlinge misshandelten oder töteten", befand das Berufungsgericht. Die niederländische<br />

Uno-Truppe hatte sich damals angesichts der militärischen Übermacht der Mladic-Armee kampflos zurückgezogen.<br />

Geklagt hatten Hasan Nuhanovic, der damals als Dolmetscher für Dutchbat arbeitete, sowie die Familie des<br />

Elektrikers Rizo Mustafic, der ebenfalls für die Niederländer arbeitete. Mustafic sowie der damals 19-jährige<br />

Bruder und der Vater von Nuhanovic hatten das Dutchbat-Lager verlassen müssen. 2007 fand man die Leiche des<br />

Vaters in einem Massengrab, im vorigen Jahr die sterblichen Überreste des Bruders sowie die von Mustafic.<br />

Nuhanovic begrüßte die Gerichtsentscheidung, mit der er angesichts der bis dahin vergeblichen Versuche, die<br />

Niederlande zu einem Eingeständnis ihrer Verantwortung zu bewegen, wohl kaum noch gerechnet hatte: "Das<br />

Urteil ist eine Überraschung und ein Schritt in eine gute Richtung", sagte er unter Hinweis auf anhaltende<br />

Bemühungen, Täter von damals zur Rechenschaft zu ziehen.<br />

Die Höhe der Entschädigung, die die Niederlande nun zahlen müssen, ist noch unklar. "Es werden aber nicht<br />

Millionen sein", sagte Liesbeth Zegveld, Anwältin der Opfer. Es sei nicht um Geld gegangen.<br />

Lob vom Bürgermeister von Srebrenica<br />

Eine Beispielwirkung durch das Berufungsurteil erhoffen sich auch die mehr als 6000 "Mütter von Srebrenica", die<br />

durch die Massaker Angehörige verloren und Verfahren gegen die Niederlande und die Vereinten Nationen<br />

anstreben. Die Entscheidung des Berufungsgerichtes stimme hoffnungsvoll, erklärte Axel Hagedorn, der Anwalt<br />

der Srebrenica-Mütter. "Es besteht eine deutliche Ähnlichkeit mit unserer Sache."<br />

Der amtierende Bürgermeister von Srebrenica, Camil Durakovic, erklärte, es sei ein "Präzedenzfall" geschaffen.<br />

"Es zeigt sich, dass die niederländische Justiz unabhängig ist und dass Politik keine Rolle gespielt hat."<br />

Das Berufungsgericht wies mit dem Urteil die Argumentation der niederländischen Regierung zurück, wonach sie<br />

nicht belangt werden könne, weil die Soldaten unter Uno-Kommando gestanden hätten. Die niederländischen<br />

Truppen seien darüber hinaus auch im Auftrag ihrer Regierung im Einsatz gewesen, weshalb Den Haag auch für ihr<br />

Verhalten gegenüber verantwortlich zu machen sei.<br />

Die Richter betonten aber zugleich, das Urteil gelte nur für diesen konkreten Fall und nicht für die Situation der<br />

tausenden anderen Muslime in der damals von den Uno zum Schutzgebiet für die bosnisch-muslimische<br />

Bevölkerung erklärten Srebrenica-Region.<br />

Opfern und ihren Angehörigen steht üblicherweise kein aussichtsreicher Weg für Klagen offen. Denn bei der Uno<br />

gibt es kein Gericht, bei dem eine solche Klage eingereicht werden könnte.<br />

Spiegel Online, 05. Juli 2011

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