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SPIEGEL_2015_42

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Wo Neutrinos entstehen ...<br />

beim Beschuss von Zielen<br />

mit Protonen durch Teilchenbeschleuniger<br />

und beim<br />

Zerfall von Elementen in<br />

Kernreaktoren<br />

bei Emissionen sogenannter Geoneutrinos<br />

aus dem Erdinnern<br />

als Nebenprodukt der Wasserstofffusion<br />

in der Sonne<br />

Große Teile der Energie einer<br />

Supernova werden in Form<br />

von Neutrinos abgestrahlt.<br />

4<br />

Neutrinodetektor Super-Kamiokande in Japan<br />

...und wo man ihnen auf die Spur kommt*<br />

1 3<br />

5<br />

2<br />

1. Double Chooz,<br />

Chooz, Frankreich,<br />

Neutrinos aus Kernkraftwerken<br />

2. Super-Kamiokande,<br />

Kamioka, Japan,<br />

Neutrinos z. B. aus Teilchenbeschleunigern<br />

3. Borexino,<br />

Gran Sasso, Italien,<br />

u. a. für Geoneutrinos<br />

4. SNO+ (im Bau),<br />

Sudbury, Kanada,<br />

z. B. für solare Neutrinos<br />

5. IceCube,<br />

Südpol,<br />

Neutrinos u. a. aus Supernoven<br />

*Auswahl von Experimenten<br />

delerregend hohen Energie von 2600 TeV<br />

ins Netz gegangen. Das ist rund 200-mal<br />

so viel wie die Wucht, mit der die Teilchen<br />

im Beschleuniger am Cern ineinanderkrachen.<br />

Jetzt rätseln die Physiker, welcher<br />

kosmische Prozess ein solches Supergeschoss<br />

hervorgebracht haben mag.<br />

Auch am anderen Ende der Energieskala<br />

warten Herausforderungen. Besonders<br />

über den sogenannten Neutrinohintergrund<br />

grübeln die Forscher. Denn es gilt<br />

als gesichert, dass das Universum unmittelbar<br />

nach seiner Entstehung voll von<br />

Neutrinos war. Im Prinzip müssten diese<br />

Relikte des Urknalls noch heute das Weltall<br />

durchschwirren. Allerdings sind sie im<br />

Laufe der Jahrmilliarden so weit abgekühlt,<br />

dass sie kaum mehr aufzuspüren<br />

sein dürften. So gering ist die Energie dieses<br />

Neutrinohintergrunds, dass selbst sehr<br />

optimistische Forscher wenig Hoffnung haben,<br />

ihn in absehbarer Zukunft sichtbar<br />

machen zu können.<br />

Doch Physiker sind findig. Und so haben<br />

sie einen Weg entdeckt, wenn schon nicht<br />

die Teilchen selbst, so doch wenigstens<br />

deren Wirkung nachzuweisen. Der europäische<br />

Planck-Satellit hat mit großer<br />

Präzision die Mikrowellen-Hintergrundstrahlung<br />

vermessen, die den gesamten<br />

Weltraum erfüllt. Und in diesem Nachhall<br />

des Urknalls haben die allgegenwärtigen<br />

Geisterteilchen Spuren hinterlassen.<br />

Es ist allerdings nicht leicht, diese zu<br />

deuten. Die Planck-Forscher mussten dazu<br />

ihre Messdaten in Modelle zur Beschreibung<br />

des Urknalls einspeisen, allerlei Annahmen<br />

machen, und dann mussten sie<br />

rechnen. Am Ende stand ein handfester<br />

Wert für das, was die Nobelpreisträger Kajita<br />

und McDonald einst nachgewiesen haben:<br />

die Neutrinomasse. Das Gewicht eines<br />

Neutrinos, so das Fazit der Planck-<br />

Analyse, ist kleiner als ein Viermillionstel<br />

der Elektronenmasse.<br />

So winzig dieser Wert, so groß ist seine<br />

Bedeutung. Denn eine Neutrinomasse, so<br />

klein auch immer sie sein mag, ist in den<br />

Formeln der Physik nicht vorgesehen. In<br />

jahrzehntelanger Tüftelarbeit haben die<br />

Forscher einen Satz von Gleichungen zusammengestellt,<br />

der sämtliche Phänomene<br />

der Teilchenwelt präzise beschreibt. Alles,<br />

was Elementarteilchen-Physiker beobachten,<br />

ist in diesem „Standardmodell“ enthalten.<br />

Auch das kürzlich entdeckte Higgsteilchen<br />

macht keine Ausnahme. Nur eines<br />

ist diesem Modell zufolge verboten: dass<br />

Neutrinos eine Masse tragen.<br />

Die Physiker indes verdrießt dieser Regelverstoß<br />

wenig. Im Gegenteil: Nichts<br />

wünschen sie sich mehr als Experimente,<br />

die bekannte Naturgesetze verletzen.<br />

Denn dann können sich die Forscher<br />

daran machen, diese durch neue zu ersetzen.<br />

Johann Grolle<br />

Mail: johann_grolle@spiegel.de<br />

DER <strong>SPIEGEL</strong> <strong>42</strong> / <strong>2015</strong><br />

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