Die Millionen der Doleiros Brasilien Die tiefe Krise des einstigen Wirtschaftswunderlands offenbart ein kaputtes politisches System, gefangen in Größenwahn, Korruption und Misswirtschaft. Demonstration gegen Präsidentin Rousseff in São Paulo: Der Niedergang ist selbst verschuldet 86 DER <strong>SPIEGEL</strong> <strong>42</strong> / <strong>2015</strong> Als Erstes holte sich die Bank den neuen Fiat von Gilmar Pereira, weil er die Raten nicht mehr bezahlen konnte. Dann drohte sie, sein Häuschen zu konfiszieren, weil er mit der Abzahlung im Rückstand ist. Sieben Monate ist es her, dass der Schweißer seinen Job auf einer Baustelle des halbstaatlichen Ölkonzerns Petrobras verloren hat. Sieben Monate, in denen zerstört wurde, was Pereira sich jahrelang aufgebaut hatte. Seit dem frühen Morgen harrt er zusammen mit über hundert Exkollegen vor dem Büro der Ölarbeitergewerkschaft von Itaboraí aus, einer Industriestadt, 60 Kilometer östlich von Rio de Janeiro. Die Männer wollen sich in eine Liste von Arbeitsuchenden eintragen. „Die Politiker haben unser Geld geklaut!“, schimpft Gilmar Pereira, ein stämmiger Mann mit zerfurchtem Gesicht. Acht Jahre lang hat Pereira für Comperj gearbeitet, das Milliardenprojekt von Petrobras in Itaboraí. Der Ölkonzern wollte hier einen Industriekomplex mit zwei Raffinerien, einem Hafen und einer Fabrik errichten. Ursprünglich waren dafür rund 13 Milliarden Dollar veranschlagt, Comperj galt als eines der größten Investitionsvorhaben in der Geschichte Brasiliens. Heute arbeiten hier von 25000 noch 4000 Leute, nur eine Raffinerie ist im Bau. In der noch vor Kurzem blühenden Stadt herrscht Tristesse: Die meisten Hotels stehen leer, die Shoppingmall ist verwaist, die Kriminalität gestiegen. Und die Männer, die für die Finanzierung des Milliardenprojekts verantwortlich waren, sitzen zum Großteil im Gefängnis. Denn sie haben Hunderte Millionen Dollar aus dem Petrobras-Etat abgezweigt. Schuld am Niedergang Itaboraís sind Korruption und Misswirtschaft, geldgierige Politiker und eine fehlgesteuerte Wirtschaftspolitik. So ist das Schicksal von Comperj auch ein Symbol für Aufstieg und Fall der Wirtschaftsmacht Brasilien. Als Präsident Lula die Baustelle vor neun Jahren einweihte, boomte Brasilien, der charismatische Arbeiterführer wurde weltweit als Vorbild gefeiert. Die Armut ging zurück, Experten sagten einen Aufschwung voraus, der 20 oder 30 Jahre anhalten würde. Petrobras spielte eine Schlüsselrolle in Lulas Großmachtträumen: Der Konzern hatte riesige Ölvorkommen vor der Küste entdeckt, Lula wollte das Land durch den Bau von Raffinerien unab - hängig von Benzinimporten machen. Das verschlafene Itaboraí wurde zum Schaufenster für Brasiliens industrielle Revolution. Und für den Schweißer Gilmar Pereira wurde ein Traum wahr: Er verdiente knapp 2000 Euro im Monat, nahm einen Kredit für ein Auto auf und kaufte sich einen neuen Plasmafernseher. Wie er stiegen im ganzen Land über 20 Millionen Menschen in die Mittelschicht auf. Es schien, als ob das ewige Land der Zukunft endlich seinen Weg gefunden hätte. Lulas Nachfolgerin Dilma Rousseff, die vor fast fünf Jahren mit seiner Hilfe an die Macht kam, nährte diese Illusion. Sie senkte die Zinsen und kurbelte damit den Konsum an. Dabei deutete sich bereits an, dass die goldenen Jahre zu Ende gingen: Der Rohstoffboom verebbte, und der Ölpreis verfiel. Doch die Regierung hat all diese Warnzeichen ignoriert. Jetzt schrumpft die Wirtschaft, die Währung Real verfällt, Hunderttausende haben ihren Job verloren. Der Haushaltsentwurf für 2016 weist ein Defizit von sieben Mil - liarden Euro auf, den Etat des vergangenen Jahres kritisiert das Bundesrechnungs - gericht als geschönt. Die Ratingagentur Standard and Poor’s stufte brasilianische Anleihen auf Ramschniveau herab. Die Präsidentin macht die Weltwirtschaft verantwortlich, doch der Niedergang ist vor allem selbst verschuldet. Denn Lula und Rousseff haben die Verquickung von Staat und Wirtschaft betrieben wie keine Regierung zuvor. Die Folge sind Ineffizienz und Korruption, die den Staatsapparat lähmen und Petrobras, den wichtigsten Konzern des Landes, in eine Krise geführt haben. Schuld daran ist auch das Regierungssystem, eine unglückliche Mischung aus US-Präsidialsystem und europäischem Par- FOTO: PAULO WHITAKER / REUTERS
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