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Haywire 11 Spring 2018

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HAYWIRE Issue <strong>11</strong> <strong>Spring</strong> <strong>2018</strong><br />

Photos by Ailie<br />

Gieseler, <strong>11</strong>a<br />

überhaupt nicht so. Sie wirkten seltsam verletzend.<br />

Dies war umso überraschender, als ich gegenüber<br />

meinen Fachkollegen und selbst vorgesetzten Professoren<br />

berüchtigt selbstsicher war und mich nicht<br />

beirren ließ. Die Angriffe meiner Mutter aber, einer<br />

dilettantischen Laiin, mit keinerlei Einblick in mein<br />

Fachgebiet, trafen mein Innerstes und verunsicherten<br />

mich für Wochen.<br />

Und so verwendete ich erstaunlich<br />

viel Zeit darauf, ihr zu antworten, sie Punkt für<br />

Punkt zu wiederlegen. Meinen sorgfältig formulierten<br />

Argumenten hatte sie nie etwas substantielles<br />

entgegenzusetzen. Das hielt sie natürlich<br />

nicht davon ab, an ihren lächerlichen Thesen ohne<br />

Abstriche festzuhalten. Statt klein beizugeben reizte<br />

sie mich weiter, indem sie vom Thema abwich,<br />

unbestreitbare Tatsachen leugnete, oder mich gar<br />

persönlich angriff. Wenn ich sie daraufhin ansprach,<br />

tat sie unschuldig, beteuerte, dass sie doch<br />

von Wissenschaft nichts verstehe, sie doch nur verstehen<br />

wolle, was mich interessiere und warum ich<br />

immer so überempfindlich sei. Häufig war ich mir<br />

jedoch fast sicher hinter dieser naiv-unschuldigen<br />

Fassade so etwas wie boshafte Freude über meine<br />

Irritation zu spüren.<br />

Daher fasste ich immer aufs neue den Vorsatz,<br />

diesmal nichts zu sagen, diesmal in der Sicherheit<br />

meiner überlegenen Sachkenntnis über ihre<br />

dilettantischen Angriffe lächelnd hinwegzusehen.<br />

Doch es gelang einfach nicht. Ein ums andere<br />

Mal ließ ich mich in ihre kindischen Scharmützel<br />

hineinziehen.<br />

Ihr neuester Spleen traf mich nun ganz besonders:<br />

Numerologie und Zahlensymbolik. Ganz<br />

offensichtlich zielte dies ganz persönlich auf mich<br />

ab. Sie wollte mich auf meinem eigenen Terrain,<br />

der Mathematik, schlagen. Aber das würde ich<br />

nicht zulassen. Es wurde Zeit, ihr ein für allemal zu<br />

zeigen, dass sie gegen mich nicht ankam. Diesmal<br />

würde ich sie mit ihren eigenen Waffen schlagen.<br />

Also nehme ich mir Zeit, ihren esoterischen<br />

Zahlenkram endgültig zu widerlegen. Meiner Mutter<br />

erkläre ich, mein Interesse sei erwacht und ich<br />

würde das gern in Ruhe genauer ansehen. Glücklich<br />

macht sie mir ihren Schreibtisch zurecht, brüht<br />

mir einen Tee auf. Sichtlich freut sie sich darüber,<br />

wie ich mich voller Eifer in ihre ´Fachbücher´ vertiefe.<br />

Schnell habe ich die wesentlichen Verfahren<br />

und Arbeitsschritte von Grabovoi und Peckel<br />

herausgearbeitet. Obwohl es mir ungewöhnlich<br />

schwer fällt, mich zu konzentrieren und meine Finger<br />

einschlafen, rechne und probiere ich hartnäckig.<br />

Trotzdem dauert es mehr als eine Stunde, bis alle<br />

Vorbereitungen getroffen sind, ich die für meinen<br />

Zweck passenden Verfahren und meine Strategie<br />

zurecht gelegt habe.<br />

Meine Mutter hat geduldig gewartet. Sie ist<br />

offensichtlich völlig euphorisiert davon, dass ich<br />

ihren Kram nun endlich respektiere. So stimmt sie<br />

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