27.12.2018 Aufrufe

Hinz&Kunzt 310 Dezember 2018

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Das Hamburger<br />

Straßenmagazin<br />

Seit 1993<br />

N O <strong>310</strong><br />

Dez .18<br />

2,20 Euro<br />

Davon 1,10 Euro<br />

für unsere Verkäufer<br />

Schöne<br />

Bescherung!<br />

Was Hinz&Künztler ihren Hunden<br />

zu Weihnachten schenken.


Eine bessere Welt?<br />

Wie, steht im Greenpeace Magazin.<br />

6 Ausgaben<br />

Greenpeace Magazin<br />

ab 33,50 Euro<br />

& den Jahreskalender 2019<br />

„So schöne Schafe“<br />

legen wir obendrauf!<br />

Jetzt bestellen und kostenlos<br />

liefern lassen:<br />

040/38 66 66 306 oder<br />

greenpeace-magazin.de/<br />

weihnachtsabo


WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

Inhalt<br />

TITELBILD: MAURICIO BUSTAMANTE; FOTO OBEN: DMITRIJ LELTSCHUK<br />

Es ist ja unser Alltag, dass Freud und Leid bei uns<br />

nah beieinander liegen. Aber diesmal ist es besonders<br />

krass. Ende Oktober starb unsere Verkäuferin<br />

Joanna auf der Straße. An Unterkühlung (Seite 22).<br />

Und kaum ein paar Tage später folgten Macij und<br />

Mitte November Biggi. Woran genau die beiden gestorben<br />

sind, ist ungeklärt. Fakt ist: Alle drei waren<br />

seit Jahren obdachlos und bekamen ganz offensichtlich<br />

nicht die Hilfe, die sie gebraucht hätten. Alarmierend<br />

auch, dass im Winternotprogramm zwar<br />

noch Betten frei sind, aber so viele Obdachlose<br />

trotzdem draußen bleiben. Weil die Unterkünfte zu<br />

Inhalt<br />

Joanna vor dem<br />

Winternotprogramm<br />

Unsere polnische<br />

Verkäuferin Joanna lebte<br />

jahrelang auf der Straße.<br />

Ohne Hoffnung auf eine<br />

Therapie, geschweige<br />

denn auf eine Unterkunft<br />

(Seite 22). Am 28. Oktober<br />

ist sie gestorben.<br />

Wintereinbruch und erste Kältetote<br />

Stadtgespräch<br />

04 Gut&Schön<br />

06 Wau! Was Hinz&Künztler ihren<br />

Hunden zu Weihnachten schenken<br />

12 Letzter Ausweg Kirchenasyl<br />

14 Zahlen des Monats: Dumpinglöhne<br />

im Hotelgewerbe<br />

16 Winternotprogramm: Obdachlose<br />

berichten über ihre Erfahrungen<br />

22 Joanna: auf der Parkbank erfroren<br />

34 Neues Magazin: Liebeserklärung<br />

an das Grundgesetz<br />

Bangladesch:<br />

Fotograf GMB<br />

Akash half auch<br />

Fatema Begum<br />

und ihren Söhnen<br />

(S. 24).<br />

groß sind, weil die Menschen morgens wieder rausmüssen<br />

(Stand: 21. November). Wir fordern deshalb<br />

(zum wievielten Mal eigentlich?), dass die Stadt<br />

Sofortmaßnamen einleitet (Seite 21).<br />

Mal was Schönes: Unser Jubiläumsfest (Seite 38)<br />

war toll. Danke an das Festkomittee: unsere Kolleginnen<br />

Sybille Arendt, Gabi Koch, Friederike Steiffert<br />

und alle Ehrenamtlichen. Und Ihnen wünschen<br />

wir schöne Weihnachten und ein frohes neues Jahr!<br />

Beste Stimmung: Gustav Peter Wöhler sorgte<br />

beim Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Fest für die Musik (S. 38).<br />

Fotoreportage<br />

24 Was für ein Glück! Fotograf GMB<br />

Akash spendet armen Menschen, die<br />

er fotografiert hat, Miniunternehmen<br />

Freunde<br />

38 Super Party! 800 Gäste feierten<br />

25 Jahre Hinz&<strong>Kunzt</strong> in der Markthalle<br />

44 Hoch die Tassen! Peter Hagemann<br />

hilft mit Kaffeespenden<br />

<strong>Kunzt</strong>&Kult<br />

48 Neu in der Strassen<strong>Kunzt</strong>Edition:<br />

die Künstlerin Coco Bergholm<br />

50 Abschied von Comicheld Dodo Dronte<br />

52 Tipps für den <strong>Dezember</strong><br />

56 Comic mit Dodo Dronte<br />

58 Momentaufnahme<br />

Ihre Birgit Müller Chefredakteurin<br />

(Schreiben Sie uns doch an info@hinzundkunzt.de)<br />

Rubriken<br />

05, 21 Kolumnen<br />

32, 33 Meldungen<br />

46 Leserbriefe<br />

57 Rätsel, Impressum<br />

Wir unterstützen Hinz&<strong>Kunzt</strong>. Aus alter Freundschaft und mit neuer Energie. Hanse Werk


Weihnachten<br />

Kinderbilder für<br />

Hinz&Künztler<br />

„Toll ist das“, sagt Uwe. Vor ihm liegen<br />

lauter bunte Kinderbilder, gemalt von<br />

Schülerinnen und Schülern einer Klasse<br />

der Grundschule Brackel (südlich<br />

von Seevetal). Manche haben zum kleinen<br />

Kunstwerk auch noch etwas dazugeschrieben:<br />

„Ich hoffe, dass du ein<br />

Dach über deinem Kopf hast“, ist da<br />

zu lesen. Oder: „Ich wünsche dir frohe<br />

Weihnachten und viel warmen Tee!“<br />

„Die haben sich viel Mühe gegeben“,<br />

sagt der 75-Jährige anerkennend. Und<br />

er findet: „Ist doch schön, dass die Kinder<br />

ein richtiges Weihnachtsfest haben,<br />

mit Geschenke auspacken und Weihnachtsbaum<br />

und so.“ Uwe selbst ist im<br />

Heim aufgewachsen und war lange<br />

Zeit wohnungslos. „Ein richtiges Weihnachtsfest<br />

habe ich als Kind nie gehabt“,<br />

erzählt er. „Das kenne ich erst,<br />

seit ich bei Hinz&<strong>Kunzt</strong> bin.“ Zum<br />

Glück lebt er heute in seinen eigenen<br />

vier Wänden. Und da kann er sich<br />

auch einen warmen Tee kochen. ABI<br />


FOTOS: MAURICIO BUSTAMANTE (S.4), ROBERT RIEGER (OBEN), STEFAN TRAPPE/ISLAMIC RELIEF DEUTSCHLAND (UNTEN LINKS);<br />

ILLUSTRATION: GRAFIKDEERNS; KOLUMNE: BUNDESREGIERUNG/STEFFENKUGLER<br />

WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

Speisen für Waisen<br />

Die Idee ist einfach: Muslime und<br />

Nichtmuslime laden Familie, Freunde<br />

und Bekannte zum Essen ein und<br />

sammeln dabei Spenden für Kinder<br />

in Not. Zum siebten Mal ruft der<br />

gemeinnützige Verein Islamic Relief<br />

Deutschland zum „Speisen für Waisen“<br />

auf. In den vergangenen Jahren<br />

kamen so mehr als 100.000 Menschen<br />

unterschiedlicher Herkunft<br />

und Religion zusammen. Dieses<br />

Jahr geht die Hilfe an Waisenkinder<br />

im Sudan. UJO<br />

•<br />

Infos: www.speisen-fuer-waisen.de<br />

Gut&Schön<br />

5<br />

20 Jahre für faire Kleidung<br />

Unter welchen Bedingungen Arbeiterinnen<br />

in Südostasien Kleidung<br />

herstellen, die wir gerne preiswert<br />

kaufen, hat früher nur wenige interessiert.<br />

Heute gilt ein T-Shirt für<br />

fünf Euro immer mehr Menschen<br />

als verdächtig: Könnte es sein, dass<br />

andere teuer bezahlt haben für unser<br />

Schnäppchen? Dass Konzerne<br />

ihre Zulieferer aus Bangladesch oder<br />

Pakistan mehr und besser kontrollieren<br />

müssen als je zuvor, ist maßgeblich<br />

der Öffentlichkeitsarbeit der<br />

„Kampagne für<br />

saubere Kleidung“<br />

zu<br />

verdanken.<br />

Deren Hamburger<br />

Regionalgruppe<br />

feierte<br />

nun 20. Geburts-<br />

tag – Glückwunsch!<br />

UJO<br />

•<br />

Grußwort zu Weihnachten<br />

„ Jeder Mensch<br />

ist ein Geschenk“<br />

Preis für Kampnagel-Projekt<br />

VON FRANK-WALTER STEINMEIER<br />

Neue Blickwinkel aus dem Kulturlabor<br />

Über Einwanderer wird viel gesprochen – sie selbst<br />

kommen nur selten zu Wort. „Migrantpolitan“ ändert<br />

das: Das Kampnagel-Projekt bietet geflüchteten<br />

Künstlern einen Einstieg<br />

in Hamburgs Kreativszene.<br />

Entstanden ist hier<br />

zum Beispiel die Filmreihe<br />

„Hello Deutschland“:<br />

seit 2017 Bundespräsident.<br />

Frank-Walter Steinmeier ist<br />

Sie begleitet Einwanderer<br />

bei dem Versuch, in<br />

der neuen Heimat anzukommen.<br />

Nun wurde<br />

„Migrantpolitan“ mit<br />

dem Preis „The Power<br />

of the Arts“ geehrt.<br />

Grund: Das Projekt<br />

engagiere sich „für eine<br />

offene Gesellschaft und<br />

ein ,neues Wir‘“. UJO<br />

•<br />

Liebe Leserinnen und Leser,<br />

in einer Wohnung zu leben […]<br />

ist für die meisten von uns eine<br />

selbstverständliche, unabdingbare<br />

Voraussetzung des Lebens.<br />

[…] Ein Leben ohne diese<br />

Zuflucht ist ein Leben unter völlig<br />

anderen Vorzeichen: ein täglicher<br />

Kampf um die Existenz,<br />

um Essen, einen Schlafplatz,<br />

um etwas Wärme und Medikamente.<br />

[…]<br />

Jeder Mensch muss eine<br />

bezahlbare Wohnung finden<br />

können. Obdachlose brauchen<br />

aber noch mehr. Sie brauchen<br />

Überlebenshilfe, sie brauchen<br />

tatkräftige Unterstützung und<br />

Ermutigung. Straßenzeitungen<br />

sind ein wichtiger Teil solcher<br />

Unterstützung. Menschen, die<br />

in Armut geraten sind, finden eine<br />

Aufgabe, eine Arbeit, können<br />

selbst aktiv werden, werden vom<br />

Bettler zum Verkäufer. […]<br />

Und noch etwas gelingt den<br />

Straßenzeitungen: […] Menschen<br />

in Not wahrzunehmen,<br />

genauer hinzusehen, ihnen unseren<br />

„Blick“ zu schenken und<br />

Wege aus der Not aufzuzeigen,<br />

wie es die Straßenzeitungen tun,<br />

das ist auch die Botschaft der<br />

Weihnachtsgeschichte. Jeder<br />

Mensch […] ist ein Geschenk.<br />

Jeder Mensch, ob arm oder<br />

reich, hat unseren Blick und,<br />

wenn er sie braucht, auch unsere<br />

Hilfe verdient. •<br />

Die ungekürzte Fassung im Internet:<br />

www.huklink.de/steinmeier


Ein Riesenoschi<br />

f r Jack und Lilly<br />

Wer weiß, was an Weihnachten ist?<br />

Vasile weiß noch nicht mal, ob er<br />

dann immer noch draußen schläft<br />

(siehe H&K Nr. 309) oder vielleicht<br />

doch einen Raum für sich und seine zwei<br />

Hunde gefunden hat. Zur Not will er im Zelt<br />

übernachten, sagt der 39-Jährige auf<br />

Englisch. Wenn die Polizei das erlaubt.<br />

Aber Mischlingsrüde Jack und Cockerdame<br />

Lilly brauchen doch ein Dach über dem Kopf.<br />

Auf jeden Fall spart Vasile schon für ihre<br />

Geschenke. Die beiden sollen jeweils einen<br />

Ball bekommen. „Je nachdem, wie viel Geld<br />

ich habe, bekommen sie auch eine neue<br />

Leine“, sagt er. Und ein schönes<br />

Weihnachtsessen soll es auch geben.<br />

„Die beiden lieben Knochen“,<br />

sagt Vasile und zeichnet einen<br />

richtigen Oschi in die Luft.<br />

•<br />

Vasile verkauft das Straßenmagazin vor<br />

der Europa Passage.


WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

Frohe Weihnachten!<br />

Wau<br />

Es ist Weihnachten<br />

Was schenkst du deinem Hund?<br />

Das wollten wir von Hinz&Künztlern wissen.<br />

TEXTE: ANNETTE WOYWODE, BIRGIT MÜLLER (S. 6)<br />

FOTOS: DMITRIJ LELTSCHUK, MAURICIO BUSTAMANTE (S. 6)<br />

ILLUSTRATIONEN: GRAFIKDEERNS<br />

Eine Delikatesse f r den kleinen King<br />

„King Louis bekommt zu Weihnachten Pferdefleisch. Ein Fohlensteak“, sagt Kai.<br />

Entweder gekocht oder vorgebraten. „Ich weiß, dass ich damit bei manchen<br />

Leuten auf Unverständnis stoße. Pferde sind schließlich Haustiere, werden<br />

geritten und alles. Aber das liebt er!“ Im vergangenen Jahr konnte Kai sich<br />

dieses Weihnachtsgeschenk für seinen kleinen Nackthund-Rüden nicht leisten.<br />

Aber dieses Jahr muss es unbedingt wieder sein.<br />

King Louis (7) lebt seit 2011 bei Kai. Seit drei Jahren machen die beiden<br />

zusammen Platte (siehe H&K Nr. 309). Mit kurzen Unterbrechungen.<br />

Ende Februar dieses Jahres konnten die beiden für sechs Wochen im kleinen<br />

Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Winternotprogramm unterkommen – in einem Zimmer zusammen<br />

mit einem anderen Hinz&Künztler. „Da waren<br />

draußen minus 15 Grad!“, erzählt der 43-Jährige.<br />

Dieses Jahr konnten sie dort von Anfang<br />

an einziehen. „Für fünf Monate!“, sagt Kai<br />

ungläubig. „King Louis hat sich damit schon<br />

angefreundet“, erzählt er und lacht. Und er<br />

selbst? „Mich erschreckt das richtig.<br />

Das kostet doch auch eine Menge Geld! Ich<br />

denke immer, dafür, dass ich etwas kriege,<br />

muss ich doch auch was tun. Ich habe ein richtig<br />

schlechtes Gewissen!“ Außerdem sei es<br />

„anfangs nicht leicht, sich auf vier Wände einzustellen,<br />

wenn man eine längere Zeit obdachlos<br />

ist. Du bist plötzlich absolut abgeschottet.“<br />

Aber klar. Kai ist froh, zusammen mit seinem<br />

Hund unter gekommen zu sein. „Da ist man aus<br />

dem Nasskalten raus. King hasst Nässe!“<br />

•<br />

Kai verkauft Hinz&<strong>Kunzt</strong> in der Spitalerstraße.<br />

7


Ein HSV Halstuch f r Laila<br />

Was Laila (14) sich wohl zu Weihnachten wünscht?<br />

Hinz&Künztler Flummy schaut seine Hündin an. „Bälle hast du,<br />

du hast das größte Bett ...“, überlegt er laut. „Ein HSV-Halstuch!“,<br />

fällt ihm dann ein. „Dabei ist Laila nicht nur HSV-, sondern auch<br />

St.-Pauli-Fan, so wie ich“, sagt er und lacht. Denn „dieses<br />

Gerede von Scheiß-HSVer und Scheiß-St.-Pauli-Zecke ist<br />

kindisch“, findet der 35-Jährige. „Ich trage immer eine weiße<br />

Fahne, ich bin neutral.“ Und wenn beide Vereine gegeneinander<br />

spielen, drückt er beiden die Daumen. Das Schöne daran<br />

ist: „Egal, wer gewinnt, ich kann mich immer freuen.“<br />

14 Jahre lang hat Flummy auf der Straße gelebt. Seit drei<br />

Jahren wohnt er in einer kleinen Wohnung („Danke an Tatjana und Daniel!<br />

Das sind Kunden von mir und inzwischen Freunde. Und die haben mir geholfen!“).<br />

„Die ist oft immer noch ein Fremdkörper für mich“, gesteht er. „Das Leben auf der Straße<br />

kriegst du auf die Schnelle nicht raus.“ Obwohl: „Wenn die Leute wüssten, wie ich mich<br />

seitdem verändert habe!“ Früher habe er regelmäßig Wodka und Küstennebel gesoffen,<br />

um „die Sinne zu benebeln“. Heute trinke er ab und an ein Bierchen, mehr Alkohol<br />

brauche er nicht mehr. Stattdessen kümmere er sich lieber um eine alte Dame, der er<br />

beim Einkaufen hilft und für die er auch mal etwas repariert.<br />

Und was wünscht er sich zu Weihnachten? „Dass es Laila immer gut geht!“, sagt Flummy<br />

prompt. „Das war mir immer wichtiger als ein Geschenk für mich.“<br />

•<br />

Flummy verkauft das Magazin meistens in Billstedt.<br />

8


Etwas Sch nes f r Benny<br />

Eigentlich ist für Benny jede Woche Weihnachten.<br />

Zumindest, wenn es ums Essen geht.<br />

Der Schäferhund-Welpe bekommt nämlich jede<br />

Woche eine Schweinshaxe. „Die braucht er, damit<br />

er starke Knochen bekommt“, übersetzt Asen das,<br />

was seine Partnerin Ewa erzählt. Die Polin kann<br />

nämlich kaum Deutsch. Aber ihr gehört der Hund,<br />

und deswegen ist sie auch die Chefin in Sachen<br />

Weihnachtsgeschenke. „Irgendwas Schönes<br />

kriegt er auf jeden Fall“, sagt die 52-Jährige.<br />

„Ich weiß aber noch nicht was.“<br />

Ewa und Asen (33) machen zusammen Platte.<br />

Ab und zu schlüpfen sie auch bei einer gemeinsamen<br />

Freundin unter, aber das soll kein Dauerzustand<br />

werden. In die Notunterkunft Pik As<br />

wollen sie nicht, denn dort könnten sie Benny<br />

nicht bei sich behalten. „Wir haben einen<br />

Karavan“, sagt Asen, „da würden wir drin wohnen,<br />

aber wir brauchen einen Stellplatz.“ Bis der gefunden<br />

ist, machen die beiden weiter wie bisher. •<br />

Ewa und Asen verkaufen Hinz&<strong>Kunzt</strong> an<br />

unterschiedlichen Plätzen in der City.<br />

Frohe Weihnachten!


Etwas Gutes zu fressen f r Cookie<br />

Der kleine Cookie hat Angst vor allem Möglichen. In Rumänien musste der zehnjährige<br />

Mischlingsrüde auf der Straße leben. „Ich weiß nicht, was er da Schlimmes erlebt hat“,<br />

sagt Harald. Die Geräusche der Stadt, vorbeihastende Menschen –<br />

alles stresst den kleinen Hund. Aber Harald ist ja in der Nähe. Der<br />

Hinz&Künztler hat Cookie vor elf Monaten von der Tierschutzorgani-<br />

sation „Helping<br />

Paws“ übernommen. Seither weicht der Hund Ha-<br />

rald nicht mehr von der Seite – und der geht ohne Cookie so gut<br />

wie nicht<br />

mehr aus dem Haus. „Er frisst dann nicht“, erzählt<br />

unser Stadtführer. Bevor Cookie in Haralds Leben trat, hatte<br />

er die Hündin Sina. Als die nach 13 Jahren starb, „habe ich drei Tage<br />

nur geweint. Dann haben wir zwei uns kennengelernt“, sagt der<br />

53-Jährige und krault Cookie liebevoll hinterm Ohr. „Genau fünf<br />

Tage habe ich es ohne Hund ausgehalten.“ Dank Haralds guter Pflege<br />

ist Cookie inzwischen richtig aufgetaut. Sobald er sich sicher fühlt,<br />

fängt er an zu spielen. Und zu Weihnachten? Da bekommt er<br />

nichts Besonderes, nur etwas Gutes zu fressen.<br />

Harald geht auf keinen Fall weg, damit Cookie<br />

es sich richtig schmecken lassen kann.<br />

•<br />

Harald ist Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Stadtführer<br />

10


SEEBÄREN<br />

HABEN<br />

MONTAGS<br />

HUNGER<br />

.DE<br />

shmh.de<br />

Leicht zu merken ! Das Webportal der SHMH:<br />

1200 Jahre Geschichte aus neun Museen online<br />

– mit Themendossiers, Hamburgensien und<br />

Bilderstrecken. Dazu das gesamte Ausstellungsund<br />

Veranstaltungsprogramm der Historischen<br />

Museen Hamburg auf einen Blick.<br />

Besuchen Sie uns jetzt – jederzeit und kostenlos,<br />

von zu hause und unterwegs.<br />

Stiftung Historische Museen Hamburg<br />

Folgen Sie uns:


Einstehen<br />

für die<br />

Rechte<br />

anderer<br />

Kirchenasyl<br />

soll in keinem<br />

Fall geltendes<br />

Recht unterlaufen,<br />

stellt<br />

Dietlind<br />

Jochims klar.<br />

Wenn Geflüchteten die Abschiebung<br />

droht, dann bleibt manchmal nur ein<br />

Ausweg: das Kirchenasyl. Es verschafft<br />

ihnen Zeit und die Chance auf eine<br />

erneute Überprüfung ihres Falles –<br />

oft mit Erfolg. Was Kirchenasyl für<br />

Gemeinden und Geflüchtete bedeutet,<br />

erklärt Dietlind Jochims, Flüchtlingsbeauftragte<br />

der Nordkirche.<br />

TEXT: MISHA LEUSCHEN<br />

FOTO: DMITRIJ LELTSCHUK<br />

Als Pastorin Dietlind Jochims<br />

vor viereinhalb Jahren ihr Amt<br />

übernahm, ahnte sie noch<br />

nicht, was für eine Achterbahnfahrt ihr<br />

bevorstehen würde, „und das war auch<br />

ganz gut so,“ sagt die 55-Jährige. Die<br />

Stimmung gegen Geflüchtete und Menschen,<br />

die von woanders herkommen<br />

und denen man das auch ansieht, werde<br />

zunehmend ablehnender, findet sie.<br />

Das Thema kennt sie aus ganz persönlicher<br />

Anschauung: Ihre Familie hat<br />

einen jungen Flüchtling aus Afghanistan<br />

adoptiert, „ich erlebe es also nicht<br />

nur im Beruf, sondern auch zu Hause“.<br />

Er betone oft, dass er jetzt Deutscher<br />

sei und könne nicht verstehen, warum<br />

als deutsch oft nach wie vor nur gelte,<br />

wer helle Haut habe und blond sei. Vor<br />

allem Fälle von Gewalt durch jugendliche<br />

Flüchtlinge haben direkte Auswirkungen:<br />

„Das spürt er am nächsten<br />

Tag, zum Beispiel in der U-Bahn.“<br />

Doch es gibt auch die andere Seite:<br />

In vielen Kirchengemeinden engagieren<br />

sich Christen seit Längerem für<br />

Geflüchtete, leisten ganz praktische<br />

Hilfe, damit diese besser im deutschen<br />

Alltag ankommen. Beim gemeinsamen<br />

Kochen, bei Festen und im vielfachen<br />

Austausch entstehen Bindungen,<br />

manchmal Freundschaften: „Und dann<br />

stellen die ehrenamtlichen Helfer fest,<br />

dass ihren neuen Nachbarn, ihren neu-<br />

en Freunden etwas geschehen soll, was<br />

sie für nicht hinnehmbar halten,“ erzählt<br />

Dietlind Jochims. „Sie sollen abgeschoben<br />

werden“ – meist, weil sie in<br />

einem anderen europäischen Land eingereist<br />

sind, das damit für ihren Asylantrag<br />

zuständig ist.<br />

Einige Kirchengemeinden entscheiden<br />

sich, Geflüchteten in dieser Situation<br />

Kirchenasyl zu gewähren. Doch<br />

das kommt nur dann infrage, wenn eine<br />

drohende Abschiebung Lebensgefahr<br />

bedeutet, und wenn die Gemeinde eine<br />

echte Chance auf eine Lösung sieht, die<br />

eine Abschiebung vermeidet.<br />

Kirchenasyl bedeutet, Zeit zu gewinnen<br />

für die Ausschöpfung aller<br />

Dr. Wilhelm Mecklenburg &<br />

Ralf Wassermann<br />

Rechtsanwälte in Bürogemeinschaft<br />

Wir wünschen den Lesern von Hinz&<strong>Kunzt</strong><br />

ein frohes Weihnachtsfest!<br />

Hätschenkamp 7 · 25421 Pinneberg<br />

www.wmecklenburg.de · www.rechtsanwalt-wassermann.de<br />

Telefon: 04101 / 78 03 25 oder 78 03 27


WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

Stadtgespräch<br />

Hamburg hat<br />

aktuell 38 Fälle<br />

von Kirchenasyl.<br />

Rechtsmittel und für eine sorgfältige<br />

Überprüfung, ob es Gründe geben<br />

kann, die gegen eine Abschiebung sprechen.<br />

In Hamburg sind es aktuell 22<br />

Fälle in evangelischen Kirchen, 16 in<br />

katholischen Gemeinden.<br />

Die Kirchengemeinden bieten Geflüchteten<br />

dann Unterkunft und Essen,<br />

Zuspruch und Mitmenschlichkeit, so<br />

gut es die Mitglieder der Gemeinde als<br />

Ehrenamtliche leisten können. Manchmal<br />

teilen sich mehrere Gemeinden ein<br />

Kirchenasyl, wenn zum Beispiel Räume<br />

nur für eine begrenzte Zeit zur Verfügung<br />

stehen. Kirchenasyl wird ausschließlich<br />

durch Spenden finanziert.<br />

Es ist auch eine finanzielle Belastung<br />

für die Gemeinde, denn in der Regel<br />

bekommen Geflüchtete keine weiteren<br />

Sozialleistungen mehr und sind auch<br />

nicht mehr krankenversichert, wenn sie<br />

im Kirchenasyl leben. Und sie dürfen<br />

das Gelände der Gemeinde nicht verlassen,<br />

denn nur hier akzeptiert der<br />

Staat das Kirchenasyl – allerdings dürfen<br />

Kinder weiter die Schule besuchen.<br />

„Das ist eine große Belastung für beide<br />

Seiten“, weiß Dietlind Jochims.<br />

Unterstützung erhalten Gemeinden<br />

in Hamburg von den Flüchtlingsbeauftragten<br />

der Kirchenkreise, von<br />

zahlreichen Beratungsstellen und über<br />

die Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in<br />

der Kirche.<br />

Beim Kirchenasyl gehe es nicht darum,<br />

geltende Gesetze zu unterlaufen,<br />

sondern um eine erneute Überprüfung,<br />

stellt Dietlind Jochims klar. „Oft sind<br />

entscheidende Umstände bei der Entscheidung<br />

der Abschiebung nicht berücksichtigt<br />

worden. Wir können dafür<br />

sorgen, dass noch mal genauer hingeguckt<br />

wird – das führt oft zum Erfolg.“<br />

Um eine erneute Überprüfung zu<br />

ermöglichen, sammeln die Kirchengemeinden<br />

in sogenannten Dossiers in<br />

mühevoller Kleinarbeit Fakten, die einen<br />

Härtefall begründen. „Das ist richtig<br />

anspruchsvoll“, weiß Dietlind<br />

Jochims, „manche Dossiers umfassen<br />

bis zu 30 Seiten. Fachärztliche Dokumente<br />

müssen Gerichtskriterien entsprechen,<br />

Dolmetscher müssen zur<br />

Verfügung stehen – und das alles innerhalb<br />

von vier Wochen.“<br />

Erschwert wird das Kirchenasyl nun<br />

durch eine Regeländerung, die am 1.<br />

August <strong>2018</strong> in Kraft getreten ist. „Eigentlich<br />

gibt es eine sechsmonatige Frist<br />

für die Rückführung in das europäische<br />

Erstaufnahmeland“, erklärt Dietlind<br />

Jochims – eine Zeit, in der die Betroffenen<br />

quasi in der Luft hängen, weil sie<br />

nicht wissen, ob und wo sie bleiben dürfen.<br />

Diese Frist kann auf bis zu 18 Monate<br />

verlängert werden, wenn Menschen<br />

für die Behörden nicht greifbar sind.<br />

Auf Drängen der Bundesinnenminister<br />

soll diese Fristverlängerung nun<br />

auch beim Kirchenasyl Anwendung<br />

finden. „Menschen im Kirchenasyl<br />

sind aber nicht untergetaucht, auf sie<br />

trifft diese Voraussetzung gar nicht zu“,<br />

findet die Flüchtlingsbeauftragte. Für<br />

Kirchengemeinden bedeutet die Regeländerung<br />

eine zusätzliche Herausforderung,<br />

weil sie in Zukunft damit rechnen<br />

müssen, Menschen bis zu<br />

anderthalb Jahre zu beherbergen.<br />

Für die Betroffenen verlängert sich<br />

die Zeit der quälenden Ungewissheit.<br />

Noch ist nicht entschieden, ob dieses<br />

Vorgehen juristisch haltbar ist. „Kirchenasyl<br />

ist ein Einstehen für die Rechte<br />

anderer, das nicht Halt macht, sobald<br />

ein ,Vorfahrt achten‘-Schild<br />

auftaucht“, sagt Dietlind Jochims. „Das<br />

finde ich gut und mutig.“ •<br />

Kontakt: redaktion@hinzundkunzt.de<br />

Kirchenasyle haben eine<br />

lange Geschichte:<br />

Schon in vorchristlicher Zeit waren religiöse<br />

Stätten Schutz- und Zufluchtsorte<br />

– und das in unterschiedlichen Religionen<br />

und Kulturen. Zum ersten Kirchenasyl<br />

in Deutschland kam es 1983 in der<br />

Heilig-Kreuz-Gemeinde in Berlin-Kreuzberg.<br />

Drei palästinensische Familien aus<br />

dem Libanon baten um Unterstützung,<br />

sie sollten in das vom Bürgerkrieg zerrüttete<br />

Land abgeschoben werden.<br />

Im Februar 1984 gab es in Hamburg<br />

gleich zwei Fälle von Kirchenasyl: Eine<br />

Familie hatte Zuflucht gefunden in<br />

der Friedenskirche Altona bei Pastor<br />

Christian Arndt, eine weitere in der<br />

Kirchengemeinde Schulau-Wedel.<br />

SCHNELL<br />

SCHALTEN<br />

Anzeigen: 040/28 40 94-0<br />

anzeigen@hinzundkunzt.de<br />

abasto<br />

ökologische Energietechnik<br />

Für mehr soziale Wärme<br />

und eine klimaschonende<br />

Strom- und Wärmeversorgung.<br />

www.abasto.de


WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

Zahlen des Monats<br />

Dumpinglöhne im Hotel<br />

Roomboy erstreitet<br />

korrekten Lohn<br />

20.000 Euro<br />

Lohnnachzahlung hat ein Roomboy vor dem Arbeitsgericht erstritten. Der Mann hatte<br />

für eine Firma gearbeitet, die in Nordrhein-Westfalen im Auftrag eines Hotels dessen Zimmer<br />

reinigte. Sein Arbeitgeber nötigte ihn, Stundenzettel im Voraus blanko zu unterschreiben, so der<br />

Roomboy vor Gericht. Auf den Zetteln notierte die Firma dann regelmäßig deutlich weniger<br />

Stunden, als er tatsächlich arbeitete. So wurden dem Kläger innerhalb von acht Monaten rund<br />

10.000 Euro Lohn vorenthalten. Außerdem hatte die Firma dem Roomboy eine Kündigung<br />

geschickt, die das Gericht für nicht rechtmäßig erklärte – und ihm deshalb nochmals<br />

gut 10.000 Euro für entgangenen Lohn zusprach.<br />

Dumpinglöhne sind im Hotelreinigungsgewerbe keine Seltenheit, so die Hamburger Servicestelle<br />

Arbeitnehmerfreizügigkeit. „Manchmal erhalten Betroffene nicht mal einen schriftlichen Vertrag.<br />

Dann arbeiten sie beispielsweise ein halbes Jahr und bekommen die letzten beiden Monate einfach<br />

nicht bezahlt“, berichtet Beraterin Aldona Kucharczuk. In anderen Fällen schicken Firmen eine<br />

Kündigung raus, sobald ein Mitarbeiter erkrankt, oder verweigern die Lohnfortzahlung – ebenfalls<br />

klare Rechtsbrüche. Insgesamt suchten vergangenes Jahr 77 Menschen aus der Reinigungsbranche<br />

bei der Servicestelle Hilfe – meist arbeiteten sie für einen Hoteldienstleister. Die Zahl derer,<br />

die mit Dumpinglöhnen abgespeist werden, dürfte deutlich höher liegen, da die Betroffenen sich<br />

aus Unkenntnis ihrer Rechte oder mangels Job-Alternativen nur selten wehren.<br />

In dem in Düsseldorf verhandelten Fall hatte die Reinigungsfirma im Arbeitsvertrag zwar<br />

den Branchen-Mindestlohn für Gebäudereiniger zugesagt (ab Januar liegt der bei 10,56 Euro<br />

brutto die Stunde, Red.). Tatsächlich hatte die Firma aber nur Akkordlohn bezahlt: 30 Minuten<br />

Arbeitszeit berechnete sie pro gereinigtem Zimmer, 45 Minuten pro gereinigter Suite. Wie lange<br />

die Mitarbeiter tatsächlich brauchten, um die ihnen aufgetragenen Arbeiten zu erledigen, blieb<br />

unberücksichtigt. Wegezeiten auf den Fluren, das Beschaffen von Arbeitsmaterial und das<br />

Wiederauffüllen des Reinigungswagens: All diese Tätigkeiten wurden ebenfalls nicht bezahlt.<br />

Hinz&<strong>Kunzt</strong> hat in mehreren Reporten nachgewiesen, dass Hotelreinigungsfirmen ihre Mitarbeiter<br />

häufig ausbeuten – auch zum Vorteil der Hotelbetreiber, die auf diese Weise Kosten sparen.<br />

Hoteliers, denen die korrekte Bezahlung der Reinigungskräfte am Herzen liegt, stellen diese selbst<br />

an, statt ein Subunternehmen zu beauftragen. Das aber ist bis heute die Ausnahme. •<br />

TEXT: ULRICH JONAS<br />

ILLUSTRATION: ESTHER CZAYA<br />

Das Urteil (AZ: 7 Sa 278/17) im Internet: www.huklink/dumpinglohnurteil<br />

Die drei Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Hotelreporte zum Nachlesen: www.hinzundkunzt.de/downloads<br />

15


Thomas, Mehrbettzimmer<br />

in der Friesenstraße<br />

Thomas ist niemand, der sich laut beschwert.<br />

Als er bei der Vergabe der Containerplätze im<br />

Winternotprogramm leer ausgeht, lässt der<br />

Hinz&Künztler sich seine Enttäuschung kaum<br />

anmerken. Dann geht er halt wieder in die<br />

Großunterkunft in der Friesenstraße, wie schon<br />

im letzten Winter. Im Sechsbettzimmer sei es<br />

manchmal ganz schön unruhig gewesen, aber<br />

was soll’s. Und Thomas hat Glück: Dieses Mal<br />

ergattert er ein Dreierzimmer für den Winter.<br />

„Ich schlafe in einem Einzelbett, nicht in einem<br />

Doppelstockbett, da haue ich mir nicht die Rübe<br />

an“, freut er sich. Und dazu auch einen abschließbaren<br />

Schrank, in dem er seine Sachen<br />

lagern kann. Dass er wie die rund 300 anderen<br />

Obdachlosen die Unterkunft täglich<br />

um 9.30 Uhr verlassen muss, stört ihn<br />

eigentlich nur sonntags: „Da hat nichts offen,<br />

das ist dann richtig scheiße!“


Schutz vor Kälte im<br />

Winternotprogramm<br />

Die einen werden jeden Morgen vor die Tür gesetzt, die anderen haben einen<br />

Schlüssel und können kommen und gehen, wie sie möchten. Wir haben fünf Obdachlose<br />

im Winternotprogramm besucht und sie gefragt, wie es ihnen dort ergeht.<br />

TEXT: BENJAMIN LAUFER, JONAS FÜLLNER, SIMONE DECKNER<br />

FOTOS: MAURICIO BUSTAMANTE, LENA MAJA WÖHLER (S. 20)


Stadtgespräch<br />

HINZ&KUNZT N°<strong>310</strong>/DEZEMBER <strong>2018</strong><br />

Anfang April<br />

geht es für die<br />

meisten zurück auf<br />

die Straße.<br />

I<br />

m Winter werden bundesweit spezielle Notunterkünfte<br />

für Obdachlose geöffnet. Nicht aus purem Idealismus<br />

helfen die Kommunen. Sie sind gesetzlich zur Hilfe<br />

verpflichtet, weil Gesundheit und Leben der Obdachlosen<br />

bei Nässe und kalten Temperaturen ernsthaft bedroht<br />

sind. Hamburg startet sein Winternotprogramm immer am<br />

1. November. Mit rund 760 Plätzen<br />

steht die Hansestadt im bundesweiten<br />

Vergleich gut da. Trotzdem reicht das<br />

Angebot eigentlich nicht aus: Nach<br />

neuesten Zählungen leben rund 2000<br />

Menschen in Hamburg auf der Straße.<br />

Wie kann es sein, dass Mitte November<br />

trotzdem rund 250 Betten<br />

noch nicht belegt waren? Die Gründe:<br />

Obdachlose mit Hunden erhalten keinen<br />

Zutritt. Auch Obdachlose, denen die Stadt „Selbsthilfemöglichkeiten“<br />

unterstellt, müssen draußen bleiben. Es trifft<br />

meist Osteuropäer, die an eine Wärmestube in Hohenfelde<br />

verwiesen werden, wo sie nur auf dem Fußboden schlafen<br />

können. Mitte November teilten 55 Obdachlose dieses<br />

Schicksal. Aber die wesentlich größere Gruppe der Obdachlosen<br />

scheut schlichtweg die Unterkünfte. Erst wenn es richtig<br />

nass und kalt wird, räumen einige von ihnen ihre Platten.<br />

Sie fürchten, beklaut zu werden und wollen sich nicht mit<br />

eventuell Kranken ein Zimmer teilen. Ausschlafen ist nicht<br />

möglich, weil tagsüber die Unterkünfte geschlossen werden.<br />

Hinz&<strong>Kunzt</strong> und andere Einrichtungen aus der Wohnungslosenhilfe<br />

haben das in den vergangenen Jahren wiederholt<br />

kritisiert. Allerdings vergeblich.<br />

Ruhe vor dem harten Leben auf<br />

der Straße könne man nur in den<br />

Wohncontainern der Kirche finden, sagen<br />

die Obdachlosen. Doch von diesen<br />

begehrten Plätzen gibt es nur 109. Sie<br />

wurden bereits Ende Oktober von der<br />

Diakonie verlost. Wer Glück hatte, der<br />

lebt jetzt alleine – höchstens zu zweit –<br />

in einem kleinen, beheizten Container.<br />

Wir haben mit Obdachlosen gesprochen, die jetzt in Wohncontainern<br />

leben, und anderen, die Pech hatten und deswegen<br />

in den großen Unterkünften Zuflucht suchten. Was sie vereint:<br />

Anfang April geht es für die meisten leider wieder zurück auf<br />

die Straße. Dann endet das Winternotprogramm. •<br />

Kontakt: redaktion@hinzundkunzt.de<br />

Valentin, Mehrbettzimmer in der Kollaustraße<br />

Während in der Friesenstraße die meisten Für 50 Cent bietet dort in der Nähe das<br />

Schlafplätze Mitte November belegt waren, Herz As einen Mittagstisch an. Außerdem<br />

ist in der zweiten Unterkunft in Lokstedt ist der 20-Jährige auf der Suche nach Arbeit<br />

– Hauptsache, bezahlt. In seinem letz-<br />

noch reichlich Platz: Nur jedes vierte Bett ist<br />

belegt. Deswegen muss sich Valentin sein ten Job wurde ihm der Lohn vorenthalten,<br />

Viererzimmer nur mit einem anderen Mann und er landete er auf der Straße. Deswegen<br />

teilen. Aber jeden Morgen werden die Obdachlosen<br />

wieder vor die Tür gesetzt. Valenprogramm.<br />

„Es ist sauber“, sagt Valentin auf<br />

suchte der Rumäne Schutz im Winternottin<br />

wirkt mit der Plastiktüte in der Hand etwas<br />

verloren. Sein Ziel? Der Hauptbahnhof. komme sogar etwas Essen. Das ist<br />

Englisch. „Und ich kann duschen und be-<br />

wichtig.“<br />

Rund 650 Schlafplätze stellt die Stadt<br />

an den zwei Stand orten in der Friesenstraße<br />

(siehe S. 16) mit 400 Plätzen und<br />

in der Kollaustraße mit 249 Plätzen in<br />

Mehrbettzimmern bereit. Frauen und<br />

Paare haben jeweils einen separaten<br />

Bereich. Um die abgelegene Unterkunft<br />

Kollaustraße zu erreichen, fährt abends<br />

und morgens von der Innenstadt aus ein<br />

Shuttlebus die Obdachlosen.


Stelian, Container bei einer Kirchengemeinde<br />

Wo es keine Betten gibt, da kann man nur auf einer Isomatte schlafen. Hinz&Künztler Stelian musste diese<br />

Erfahrung im vergangenen Winter machen. Er war einer der insgesamt 377 Obdachlosen, die keinen<br />

Zugang zu den Schlafstätten der Stadt erhielten und in die Wärmestube in der Hinrichsenstraße verwiesen<br />

wurden. Warum, das hat Stelian bis heute nicht wirklich verstanden. Ein Jahr später hat sich für den 59-Jährigen<br />

das Blatt gewendet. Er darf den Winter in einem Wohncontainer auf dem Gelände einer Kirchengemeinde in<br />

Rahlstedt verbringen. Diese Unterkünfte sind begehrt, weil die Obdachlosen den Container jederzeit nutzen können<br />

– auch tagsüber. Eine Art richtiges Zuhause. „Container, sehr gut“, sagt Stelian, der so gut wie kein Deutsch<br />

spricht. Das war vor einem Jahr sein Verhängnis. Denn da waren Sprachkenntnisse noch Vergabekriterium für<br />

die Containerplätze. Nach öffentlicher Kritik änderte die Diakonie ihr System und setzte in diesem Jahr auf ein<br />

Losverfahren. Es gab mehr als 50 Nieten – aber eben auch Gewinner wie Stelian. Dem ist bewusst, dass es auch<br />

in Zukunft nicht leichter für ihn wird, wenn er nicht endlich Deutsch lernt. Deswegen besucht er aktuell die<br />

Sprachkurse bei der Diakonie und Hinz&<strong>Kunzt</strong>. „Deutsch schwer. Muss üben“, sagt Stelian und lacht verlegen.<br />

Insgesamt gibt es im Winternotprogramm 109 Plätze in Wohncontainern. Dusche und Klo liegen<br />

gleich nebenan, und man hat sie fast für sich alleine. Am wichtigsten ist allerdings: Die Obdachlosen<br />

erhalten einen Schlüssel. Sie können kommen und gehen, wann sie wollen. Finanziert werden die<br />

Container von der Stadt. Die meisten stehen bei Kirchengemeinden. 25 Container sind für Frauen<br />

reserviert; sie werden von der Caritas und der Tagesaufenthaltsstätte Kemenate vergeben.<br />

Manche Wohncontainer können über den Sommer stehenbleiben und werden dann von Spenden<br />

bezahlt. Im Winter zählen sie wieder zum Winternotprogramm.<br />

19


Delia, Frauen-Container auf dem HAW-Campus<br />

Delia wohnt in Grönland. „Alle Container hier haben Ländernamen“, sagt die 49-Jährige.<br />

Im realen Grönland leben 56.171 Menschen, im Container Grönland auf dem Campus der HAW<br />

lebt nur Delia. Ein Glück, sagt sie: „Ich habe hier alles, was ich brauche: Tisch, Bett, Schrank – und<br />

die Heizung funktioniert.“ Die Tür auch. Delia kann sie schließen und öffnen, wann immer sie will.<br />

In den ersten zwei Wochen hat sie ihren Container kaum verlassen. „Mein Raum, meine<br />

Privatsphäre, super!“ Früher hatte sie große Angst, nachts auf Platte entdeckt zu werden.<br />

„Ich habe mich immer versteckt: an der Alster oder auf Spielplätzen, in den kleinen Häuschen.“<br />

Heute lebt sie weitaus wohnlicher: Kissen liegen auf dem schmalen Bett, Audrey Hepburn blickt<br />

von einem Bild, am Spind baumelt ein bunter Traumfänger. Apropos: „Eine eigene Wohnung<br />

ist mein Traum“, sagt sie. Bis dahin bleibt Delia in Grönland.<br />

Zehn Containerplätze für Frauen und Transgender bietet die Caritas<br />

an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW). Die Frauen dürfen<br />

ganzjährig bleiben, die Sozialbehörde übernimmt während des Winternotprogramms<br />

die Kosten. Weitere 13 Containerplätze für Frauen in Kirchengemeinden hat der<br />

Tagestreff Kemenate Anfang November verteilt. Sie waren sofort weg.<br />

20


WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

Stadtgespräch<br />

Hilfe für Obdachlose<br />

Bereits drei<br />

Kältetote?<br />

Helmut, Zimmer für Herrchen und Hund im Pik As<br />

Eigentlich hatte Helmut auch auf einen Platz im Wohncontainer gehofft – für sich und<br />

seinen Hund Pino. Den darf er nämlich in die Großunterkünfte des Winternotprogramms<br />

nicht mitnehmen. Doch bei der Vergabelotterie zog er eine Niete. Ins Pik As,<br />

wo es einige Zimmer für Obdachlose mit Hund gibt, wollte er nicht: Zu viele Menschen<br />

auf engem Raum, die betrunken und aggressiv sind, befürchtete Helmut. Und Pino<br />

nachts im Tierheim abgeben, während er in der Friesenstraße übernachtet, das bringt<br />

er nicht übers Herz. Doch wenige Tage später entdeckte die Polizei sein Zelt auf einer<br />

brachliegenden Obstplantage in Finkenwerder und schickte ihn weg. Nun sind Helmut<br />

und Pino doch ins Pik As gegangen. Immerhin: Sie haben dort ein Einzelzimmer, wie<br />

alle Obdachlosen mit Hund. Sonst schlafen hier bis zu zwölf Menschen in den<br />

Mehrbettzimmern. Aber richtig freuen mag sich der Hinz&Künztler trotzdem nicht:<br />

Die hygienischen Zustände in der Einrichtung mit 330 Plätzen seien „eine<br />

Katastrophe“, sagt er. Und jeden Morgen um 9 Uhr muss er das Pik As verlassen.<br />

Für Obdachlose mit Hund gibt es im Pik As 17 Plätze, die alle belegt sind.<br />

Zwei Kirchengemeinden erlauben zudem, dass die Hunde von Obdachlosen<br />

in oder bei den Wohncontainern übernachten. Noch kein Obdachloser hat in<br />

diesem Jahr seinen Hund über Nacht im Tierheim abgegeben.<br />

Ende Oktober starb die<br />

Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Verkäuferin<br />

Joanna (43) auf einer Parkbank<br />

(Seite 22). Sie war erfroren.<br />

Wenige Tage später fand<br />

man den 47-jährigen Macij<br />

in einer Baracke in Harburg<br />

tot auf. Doch damit nicht genug:<br />

Am 17. November<br />

wachte die Obdachlose Biggi<br />

(64) nach einer Nacht auf<br />

dem Vorplatz des Michels<br />

nicht mehr auf. Gut möglich,<br />

dass sie ebenfalls aufgrund<br />

der Kälte starben.<br />

Drei Tote in so kurzer<br />

Zeit – und bevor der Winter<br />

richtig begonnen hat. So<br />

darf es nicht weitergehen!<br />

Hinz&<strong>Kunzt</strong>, die Diakonie<br />

und die Caritas fordern deswegen<br />

Sofortmaßnahmen:<br />

„Das Winternotprogramm<br />

muss ganztägig geöffnet werden,<br />

und zwar für alle Menschen,<br />

die Schutz suchen“,<br />

sagt Stephan Nagel, Referent<br />

für Wohnungslosenhilfe der<br />

Diakonie.<br />

Bislang meiden viele Obdachlose<br />

die Unterkünfte<br />

trotz kalter Temperaturen.<br />

Ein häufig genannter Grund:<br />

Sie müssen die Einrichtungen<br />

morgens wieder verlassen<br />

und finden keine Ruhe.<br />

Zweite Nothilfemaßnahme:<br />

ein Kältebus – wie es ihn<br />

etwa in Berlin gibt – könnte<br />

Obdachlose aufsuchen und<br />

sie bei Bedarf in Unterkünfte<br />

fahren. „Das würde Leben<br />

retten!“, sagt Hinz&<strong>Kunzt</strong>-<br />

Sozialarbeiter Stephan Karrenbauer.<br />

Denn: Viele Obdachlose<br />

leben seit Jahren<br />

auf der Straße. Ihr Zustand<br />

verschlechtere sich zusehends.<br />

Andrea Hniopek,<br />

Wohnungslosenexpertin der<br />

Caritas Hamburg: „Viele<br />

Obdachlose verelenden, ohne<br />

dass sich an ihrer Situation<br />

etwas ändert.“ HUK<br />

•<br />

21


Immer wieder<br />

landeten Joanna<br />

und Robert auf<br />

der Straße. Dieses<br />

Foto entstand am<br />

1. April 2017.<br />

An diesem Tag<br />

schloss das Winternotpro<br />

gramm.<br />

Joanna erfror auf<br />

einer Parkbank<br />

Am 28. Oktober verstarb die Obdachlose Joanna auf der Straße.<br />

Todesursache: Unterkühlung. Die Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Verkäuferin hatte die Nacht auf ihrer<br />

Platte am Tibarg Center verbracht und wachte morgens nicht mehr auf.<br />

TEXT: JONAS FÜLLNER<br />

FOTOS: DMITRIJ LELTSCHUK (OBEN), HINZ&KUNZT (RECHTS)<br />

Joanna wurde nur 43 Jahre alt.<br />

Am Morgen des 28. Oktobers<br />

entdeckte eine Passantin die<br />

Hinz&Künztlerin völlig unterkühlt<br />

auf einer Parkbank vor dem Tibarg<br />

Center. Joanna war nicht mehr ansprechbar.<br />

Geistesgegen wärtig versuchte<br />

die Passantin sie zu reanimieren und<br />

rief einen Rettungswagen. Vergebens.<br />

Joannas Partner Robert verkauft<br />

ebenfalls Hinz&<strong>Kunzt</strong>. Ein paar Tage<br />

später steht der 60-Jährige im Vertriebsraum<br />

für die Verkäufer und klammert<br />

sich an eine Tasse Kaffee. Er wirkt müde<br />

und fahrig. Der Tod seiner Freundin<br />

lässt ihn nicht mehr los. Kein Wunder:<br />

Er lag neben Joanna, als sie starb. „Wir<br />

hatten getrunken“, sagt Robert. Erst als<br />

die Passantin seine Freundin entdeckte,<br />

wachte er auf. Bei dem Gedanken daran<br />

schießen ihm Tränen in die Augen.<br />

Ebenfalls traurig, vor allem aber<br />

aufgebracht ist Bettina Wilckens. Die<br />

53-Jährige kennt das obdachlose Paar<br />

seit mehr als vier Jahren. „Joanna war<br />

alkoholkrank. Sie brauchte einen Therapieplatz“,<br />

so Wilckens. Der aber wurde<br />

verwehrt, weil die gebürtige Polin<br />

nicht krankenversichert war. Stattdessen<br />

kam es immer wieder zu Not arzt -<br />

einsätzen am Tibarg. „Was das gekostet<br />

haben muss. Für das Geld hätte man locker<br />

eine Therapie zahlen können. Das<br />

macht mich immer noch wütend.“<br />

22<br />

Natürlich sei nicht alles rosig gewesen<br />

mit Joanna, sagt Bettina Wilckens. Zu<br />

gut kennt sie die Wutausbrüche der Obdachlosen,<br />

wenn sie getrunken hatte.<br />

Dann stritt Joanna lautstark mit ihrem<br />

Freund Robert. In solch einer Situation<br />

lernte Bettina Wilckens beide einst kennen.<br />

Sie wollte schlichten und lud das<br />

Paar zum Kaffee ein. Tatsächlich beruhigte<br />

es sich allmählich.<br />

Es blieb nicht bei einem Kaffee im<br />

Hause Wilckens. Die Niendorferin und<br />

ihr Mann waren zuversichtlich, dass<br />

man Joanna helfen könne. Zwei Jahre<br />

später, im Sommer 2016, zog das polnische<br />

Pärchen sogar bei ihnen ein. Einzige<br />

Bedingung: kein harter Alkohol.


Stadtgespräch<br />

Wir feiern Geburtstag!<br />

Es war die Zeit, in der sich die beiden Frauen besser<br />

kennenlernten. „Joanna hatte richtig was drauf“, erinnert<br />

sich Wilckens. Die gelernte Keramikerin sei<br />

handwerklich geschickt gewesen und habe es geliebt,<br />

zu kochen und zu putzen. „Ein Job als Haushaltshilfe,<br />

das wäre was gewesen. Das hat ihr echt Spaß<br />

gemacht.“<br />

Einige Wochen ging es gut. „Abends haben wir<br />

im Garten mit meinem Mann und Freunden auch<br />

mal ein Bier getrunken“, erinnert sich Wilckens. Die<br />

Gäste mochten Joanna. „Sie war eine echte Rampensau“,<br />

sagt Wilckens. Aber Joannas Probleme waren<br />

vielfältig. Sie hatte einen Tumor. Ihre Schmerzen<br />

und Sorgen ertränkte sie im Alkohol. Und über viele<br />

Jahre schlief sie in Hamburg auf der Straße. Ruhe<br />

fand sie dort nie. Deswegen hätte wohl nur eine Therapie<br />

geholfen. „Eben nicht der x-te Entzug. Das<br />

hatte sie alles schon hinter sich“, sagt Wilckens. Aber<br />

ohne Arbeit und somit ohne Krankenversicherung<br />

fehlte ihr der Zugang zum Gesundheitssystem. Und<br />

zudem wichtige Papiere. Joanna, die wohl eher zufällig<br />

vor etwa acht Jahren in Hamburg landete und<br />

dort hängen blieb, hätte laut Wilckens dafür noch<br />

einmal ihre Heimat besuchen müssen. „Ich hätte sie<br />

begleitet, aber Joanna wollte auf keinen Fall noch<br />

einmal zurück.“<br />

Und nach ein paar Wochen tauchten dann doch<br />

Schnapsflaschen im Haus auf, und Bettina Wilckens<br />

beendete das Experiment. Unterstützt hat sie beide<br />

aber weiterhin. Immer mal wieder waren sie zu Gast<br />

bei ihr. Auch jetzt noch kümmert sie sich um Robert.<br />

Sie hat Arbeitsschuhe besorgt: „Die sind regenfest<br />

und stabil.“ Robert, der immer noch auf der Straße<br />

schläft, wird sie gut gebrauchen können. •<br />

Ein tolles Geschenk, das Sie<br />

unseren Verkäufern machen können:<br />

Zwei kaufen,<br />

eins verschenken!<br />

25 Jahre Arbeit für<br />

gesellschaftlichen Zusammenhalt<br />

Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Wandkalender 2019<br />

Heimat, Helden,<br />

Hamburg<br />

Kontakt: jonas.fuellner@hinzundkunzt.de<br />

Zwölf Hinz&Künztler waren auch in diesem Jahr mit unserer Fotografin<br />

Lena Maja Wöhler auf Fotosafari in Hamburg. Die besten Motive haben<br />

wir jetzt in einem Wandkalender im DIN-A4-Format verewigt.<br />

Joanna kam mit 36 Jahren zu Hinz&<strong>Kunzt</strong>. Das Foto<br />

stammt von ihrem ersten Verkäuferausweis.<br />

Ab sofort beim<br />

Hinz&Künztler Ihres Vertrauens!*<br />

* 4,80 Euro (davon 2,40 Euro für unsere Verkäufer)<br />

23


Was für<br />

ein Glück …<br />

GMB Akash wurde mit Fotos von Menschen berühmt, die am unteren<br />

Ende der sozialen Leiter stehen. Um seinen einstigen Protagonisten etwas<br />

zurückzugeben, fi nanziert er ihnen Mini-Unternehmen.<br />

TEXTE: ANNETTE WOYWODE,<br />

SIMONE DECKNER, GMB AKASH<br />

FOTOS: GMB AKASH<br />

Santa und ihr Vater Hossin<br />

sind glücklich: Seitdem<br />

Fotograf GMB Akash den<br />

beiden einen Gemüsestand<br />

geschenkt hat, ist ihre<br />

größte Not gelindert.


Santa hielt nichts zu Hause –<br />

ihre Drogensucht war zu stark,<br />

ihre Einsamkeit zu groß.<br />

Um die damals Zehnjährige<br />

am Weglaufen zu hindern,<br />

kettete ihr Vater sie regelmäßig<br />

an. Fotograf GMB Akash<br />

entdeckte das Mädchen im<br />

Juli vergangenen Jahres in<br />

einem Slum bei Dhaka und<br />

konnte der Familie helfen.


WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

Fotoreportage<br />

… nachdem vorher<br />

alles hoffnungslos war.<br />

Ich fühlte mich jedes Mal, als müsste<br />

ich sterben“, beschreibt Kamal<br />

Hossin seine Seelenqualen, wenn<br />

er die Eisenkette am Fuß seiner zehn<br />

Jahre alten Tochter Santa befestigte.<br />

Doch der Bangladeschi wusste sich einfach<br />

nicht anders zu helfen. Denn die<br />

Kleine war drogenabhängig.<br />

Santas Mutter war gestorben, als<br />

das Kind sieben Jahre alt war. Während<br />

der Vater weit reisen musste, um Arbeit<br />

als Schuster zu finden, blieb seine Tochter<br />

allein zurück. Sie zur Schule zu schicken,<br />

war auch nicht drin, denn Hossin<br />

verdiente kaum Geld. So fing das Mädchen<br />

an, sich herumzutreiben in dem<br />

Slum nahe der Hauptstadt Dhaka, in<br />

dem sie lebten. Sie schloss sich Straßenkindern<br />

an, die wie sie den gesamten<br />

Tag nichts mit sich anzufangen wussten,<br />

die vernachlässigt waren und Drogen<br />

konsumierten. Auch Santa wurde<br />

suchtkrank. Immer öfter kehrte das<br />

Mädchen nicht mehr nach Hause zurück<br />

– wenn man bei dem 2,5 mal 2,5<br />

Quadratmeter kleinen Kabuff, in dem<br />

sie und ihr Vater lebten, überhaupt von<br />

einem Zuhause sprechen kann.<br />

„Einmal war Santa zehn Nächte<br />

am Stück verschwunden“, erinnert sich<br />

Hossin, der vor Sorge um sein Kind<br />

beinahe selbst krank wurde. „Überall<br />

habe ich sie gesucht und irgendwann<br />

zusammen mit anderen abhängigen<br />

Mädchen und Prostituierten gefunden.<br />

Sie hat Klebstoff geschnüffelt. Solchen,<br />

wie ich verwendet habe, um Schuhe zu<br />

reparieren“, erzählt der 40-Jährige.<br />

„Wenn ich Santa nicht angekettet hatte,<br />

verschwand sie wieder.“ Santas Zustand<br />

verschlechterte sich zusehends, aber<br />

Geld für einen Arzt oder ein gutes<br />

Krankenhaus, damit seine Tochter einen<br />

Entzug machen konnte, hatte Hossin<br />

nicht. Ein furchtbarer Teufelskreis.<br />

Wäre GMB Akash nicht gewesen – wer<br />

weiß, Santa würde heute vielleicht nicht<br />

mehr leben. Doch der Fotograf war zur<br />

rechten Zeit zur Stelle.<br />

Seit 20 Jahren fotografiert Akash<br />

Straßenkinder, Prostituierte, Drogenkranke,<br />

Waisen, Opfer von Umweltkatastrophen,<br />

von miesen Arbeitsbedingungen<br />

und bitterer Armut in seinem<br />

Heimatland Bangladesch, aber auch in<br />

anderen Regionen Asiens. Immer verbringt<br />

der 42-Jährige mit ihnen Zeit, sie<br />

lassen ihn an ihrem Leben teilhaben<br />

und vertrauen ihm. So entstehen Bilder<br />

von extremer Ausdrucksstärke und Intimität,<br />

kraftvoll und berührend.<br />

„Wenn ich Santa<br />

nicht angekettet<br />

hatte, verschwand<br />

sie wieder.“<br />

HOSSIN<br />

GMB Akash ist mit diesen Bildern berühmt<br />

geworden. Sie sind in mehr als<br />

100 Magazinen und Zeitungen auf der<br />

ganzen Welt erschienen – ob National<br />

Geographic, Geo oder Time Magazine.<br />

Doch mitzuerleben, dass sich die Situation<br />

der Menschen nicht verbessert,<br />

während er selbst Geld mit ihren Fotos<br />

verdient, deprimierte ihn immer mehr.<br />

So fasste er einen Entschluss: „Ich<br />

wollte den Menschen etwas zurückgeben“,<br />

sagt Akash. Doch dafür musste er<br />

diejenigen wiederfinden, die er zum<br />

Teil vor Jahren abgelichtet hatte. Sein<br />

Plan: Gemeinsam mit seinen einstigen<br />

Fotomodellen überlegen, welche Art<br />

von Kleinstunternehmen ihr Leben<br />

verbessern könnte. Dann ihnen das<br />

Startkapital schenken – sei es in Form<br />

27<br />

einer Milchkuh oder einer Nähmaschine.<br />

Und schließlich die Menschen für<br />

ein paar Monate begleiten, bis sie sich<br />

selbst am Markt behaupten können.<br />

Eine Mammutaufgabe: „Ich bin an<br />

viele Orte gereist, mit den alten Fotos in<br />

der Hand, und es hat Tage gedauert,<br />

manchmal Jahre, um die Menschen<br />

wiederzufinden“, so Akash. Aber seine<br />

Hartnäckigkeit zahlte sich aus: 65 Familien<br />

spürte er auf. 65 Mal finanzierte<br />

Akash das, was die Menschen brauchten,<br />

um die schlimmste Armut zu überwinden<br />

und sogar ihre Kinder zur<br />

Schule schicken zu können.<br />

Aus diesen kleinen Erfolgsgeschichten<br />

entstand ein Buch. Der Titel:<br />

„Survivors“ – Überlebende – oder auch<br />

Überlebenskünstler. Die Einnahmen<br />

aus dem Buch fließen in weitere<br />

Mini-Unternehmen.<br />

Auch Santa und ihr Vater Hossin<br />

profitieren davon. GMB Akash war in<br />

dem Slum bei Dhaka auf der Suche<br />

nach Fotomotiven, da entdeckte er Santa,<br />

wie sie angekettet auf dem Boden<br />

hockte. Der Fotograf überlegte nicht<br />

lange: Er suchte ihren Vater und ging<br />

noch am selben Tag mit dem Mädchen<br />

zum Arzt. Dann besprach er mit Hossin<br />

weitere Hilfsmaßnahmen. Die Lösung:<br />

ein auf eine Rikscha montierter Gemüsestand.<br />

Keine weiten Wege mehr zur<br />

Arbeit, ein gesichertes Einkommen<br />

und: Zeit für Santa, die den Vater beim<br />

Verkauf begleiten kann, da sie bei diesem<br />

Job nicht mit den gefährlichen<br />

Klebstoffen in Berührung kommt.<br />

Heute nimmt Santa keine Drogen<br />

mehr, sie ist aber noch auf Medikamente<br />

angewiesen. „Sie braucht noch Zeit“,<br />

sagt Akash – und klingt doch zuversichtlich:<br />

„Wenn es weiter so gut läuft,<br />

kann sie auch zur Schule gehen.“ •<br />

Kontakt: annette.woywode@hinzundkunzt.de


Fotoreportage<br />

Unabhängig mit dem eigenen Gemüseladen<br />

„Ich wollte nie aufgeben“, sagt Fatema Begum, Mutter von Zwillingssöhnen, „aber<br />

ich konnte diese Last nicht mehr tragen.“ Vor sechs Jahren erkrankte ihr Mann<br />

schwer, seither muss Fatema die Familie ganz allein durchbringen. Dafür nahm<br />

sie alle möglichen Jobs an: Sie hat als Dienstmädchen gearbeitet, Gemüse auf<br />

der Straße verkauft, sogar als Straßenbauarbeiterin hat sie geschuftet – dennoch<br />

reichte das Geld irgendwann nicht mehr, um das Schulgeld für ihre beiden<br />

Söhne zu bezahlen. „Dabei lieben sie die Schule, sie lieben es zu lernen“, sagt<br />

Fatema. Es brach ihr das Herz, dass sie ihre Kinder statt zur Schule zur Arbeit<br />

schicken musste. Gemeinsam mit ihrer Mutter schleppten sie schwere Säcke mit<br />

Gemüse und boten dieses auf dem Straßenmarkt an, damit am Ende wenigstens<br />

eine warme Mahlzeit am Tag für alle heraussprang. „Jeden Monat habe ich die<br />

Lehrer angebettelt, ob sie uns nicht alte Bücher und gebrauchte Schulkleidung<br />

überlassen können, weil ich mir beides nicht leisten konnte“, erinnert sich Fatema.<br />

Als Akash die Frau kennenlernte, war sie kurz davor, ihre Söhne ganz von der<br />

Schule zu nehmen, so hoffnungslos war sie. Der Fotograf aber ließ einen eigenen<br />

Gemüseladen für Fatema bauen, sie einarbeiten, und er stellte Kapital zur Verfügung.<br />

Nach nur 14 Tagen zeigte sich: Der kleine Laden war ein großer Erfolg. Die<br />

Zwillinge konnten wieder zur Schule gehen. „Menschen wie Fatema brauchen oft<br />

nur eine Chance, um unabhängig zu werden“, freut sich Akash. •<br />

ALTER<br />

SACK!<br />

JEDER VERDIENT<br />

EINE ZWEITE CHANCE!<br />

„Kleine Gesten<br />

können Licht in<br />

dunkle Orte dieser<br />

Erde bringen.“<br />

GMB AKASH<br />

Tierische Unterstützung für Rudros Familie<br />

„Meine Mutter fragte mich ständig, was wohl morgen passieren wird“, sagt Rudro.<br />

Auch sein Vater machte sich unentwegt Sorgen, ob sie am nächsten Tag etwas<br />

zu essen haben werden. Sohn und Eltern vertauschten die Rollen: Rudro wurde<br />

derjenige, der alle ermutigte und ihnen sagte, dass alles gut werden würde. „Früher<br />

war mein Vater sehr stark“, erinnert sich der Neuntklässler. „Er nahm mich immer<br />

mit auf lange Strecken rund ums Dorf. Wenn ich nicht mehr konnte, sagte er<br />

zu mir: ‚Rudro, das Leben ist eine anstrengende Reise. Es kann schwierig werden,<br />

seinen Weg zu gehen, aber du darfst niemals aufgeben.‘“ Als Rudro in der<br />

5. Klasse war, erlitt sein Vater einen Herzinfarkt; konnte danach zunächst weder<br />

sprechen noch laufen. Aber Rudro gab nicht auf, so wie er es vom Vater gelernt<br />

hatte. „Ich ging zu meinen Prüfungen, obwohl ich tagelang nichts zu essen hatte“,<br />

sagt er. Bis heute ist er Klassenbester. Nur einmal wollte er alles hinschmeißen.<br />

Als die Eltern seine geliebte Schwester Audity („meine beste Freundin“) aus<br />

Geldnot zu einer anderen Familie in die Stadt fortschickten. „An diesem Tag wollte<br />

ich sofort arbeiten gehen, damit wir genug Geld haben, Audity zurückzuholen.“<br />

Akash zahlte das Schulgeld für Rudro. Mithilfe von Freunden kauften sie der Familie<br />

eine Kuh, die täglich frische Milch liefert, dazu ein Kalb. Auch einen Stall für<br />

die Tiere bauten sie. „Die Familie wusste sofort, dass die Tiere ihr Leben ändern<br />

würden“, sagt Akash. Rudros Schwester Audity lebt heute wieder zu Hause.<br />

•<br />

29<br />

Stilbruch, die riesen<br />

Second-Hand Welt in<br />

Hamburg zum Stöbern<br />

oder Spenden.<br />

Altona<br />

Ruhrstraße 51<br />

Wandsbek<br />

Helbingstraße 63<br />

Harburg<br />

Lüneburger Str. 39<br />

stilbruch.de


Eine Rikscha voller Schuhe für die Unzertrennlichen<br />

47 Jahre sind Samsuddin Miha und seine Frau Rekha Begum verheiratet. „Ihr<br />

Gesicht ist das Erste, was ich jeden Morgen sehe. Dann beten wir gemeinsam“,<br />

sagt der 77-Jährige. 47 Jahre. Und kein Tag ohne einander. Sechs Kinder haben<br />

sie großgezogen. An vielen Tagen hatte die Familie kaum etwas zu essen. „Aber<br />

meine Frau hat sich nie beschwert. Sie hat lieber selber gehungert, als die Kinder<br />

darben zu lassen“, sagt ihr Mann. Sie wussten immer, sie haben ja noch sich. Bis<br />

der älteste Sohn entschied, den Vater zu sich zu holen, während seine Frau bei<br />

der Tochter wohnen sollte. Anders würde es nicht mehr gehen, waren die Kinder<br />

überzeugt. Das erste Mal nach 47 Jahren lebten Samsuddin und Rekha getrennt<br />

voneinander – sie hielten es kaum aus. „Jeden Morgen fehlte mir ihr lächelndes<br />

Gesicht“, sagt Samsuddin. Rekha konnte nur mühevoll die Tränen zurückhalten,<br />

wenn sie miteinander telefonierten. Weil sie sich so nacheinander sehnten, beschlossen<br />

sie eines Tages, auszureißen. Eltern, die aus der Obhut ihrer Kinder<br />

fliehen, um gemeinsam neu anzufangen. Samsuddin verkaufte Kinderspielzeug<br />

und besorgte Medizin für Rekha, die sie gegen den Krebs braucht. Ihre Kinder<br />

haben den Kontakt zu den Eltern abgebrochen. Nicht so Akash: Er kaufte<br />

Samsuddin eine Rikscha, mit der er heute als mobiler Schuhverkäufer unterwegs<br />

ist. „Wir sind sehr glücklich“, sagt Samsuddin. Er freut sich über die neue Arbeit –<br />

aber vor allem freut er sich darüber, dass er wieder mit seiner Rekha vereint ist.<br />

•<br />

„Wir sind<br />

zusammen<br />

weggelaufen, mit<br />

leeren Händen.“<br />

SAMSUDDIN MIHA<br />

30


E X TR ACA R D<br />

H<br />

I N Z & K U N Z T<br />

Hurra!<br />

HINZ&KUNZT<br />

UND<br />

EXTRACARD<br />

WERDEN 25!<br />

EIN GANZES JAHR LANG<br />

BUCHEN UND SPAREN<br />

WWW.EXTRACARD.DE<br />

Weitersagen:<br />

Da gibt’s Filme und Comics!<br />

GMB Akash<br />

wurde 1977 in Dhaka, Bangladesch, geboren. Seine<br />

Bilder vom täglichen Überlebenskampf der Armen<br />

wurden bisher mit mehr als 100 internationalen Fotopreisen<br />

ausgezeichnet. Für eine Reportage über Missstände<br />

in einer Koranschule<br />

bekam er in seiner<br />

Heimat Todesdrohungen.<br />

2007 nahm ihn deshalb<br />

die Hamburger Stiftung<br />

für politisch Verfolgte auf.<br />

Damals arbeitete Akash<br />

auch für Hinz&<strong>Kunzt</strong>.<br />

Sein Fotobuch „Survivors“<br />

(65 Euro inkl. Versand)<br />

erschien 2012.<br />

Bestellungen per Mail an<br />

akashphoto@gmail.com<br />

31<br />

Auch Bücher, Zeitschriften, Games und Musik können Kinder.<br />

und Jugendliche in den Bücherhallen ausleihen und streamen.<br />

Sogar kostenlos.<br />

Denn die Stadt Hamburg finanziert allen Mädchen und Jungen,<br />

deren Eltern Sozialleistungen beziehen, eine Kundenkarte*.<br />

Infos unter www.buecherhallen.de/but<br />

*Dieses Angebot gilt zusätzlich zu allen anderen Leistungen des Bildungs- und Teilhabepakets.<br />

www.buecherhallen.de<br />

Medienkompetenz an 35 Orten<br />

MedienMélange


Stadtgespräch<br />

HINZ&KUNZT N°<strong>310</strong>/DEZEMBER <strong>2018</strong><br />

Meldungen<br />

Politik & Soziales<br />

Das „Sonnenschein Café“ für Obdachlose<br />

ist wieder geöffnet: In der Sternstraße 67<br />

finden sie samstags zwischen 14 und 17 Uhr<br />

Wärme und Ruhe. Ehrenamtliche<br />

Helfer sorgen für Kaffee und Kuchen.<br />

Petition<br />

HVV fast für lau?<br />

Mit dem HVV durch Hamburg fahren<br />

soll nur noch 1 Euro pro Tag kosten:<br />

Das fordert die Initiative „HVV<br />

umsonst“ in einer Petition an die Bürgerschaft,<br />

die bereits mehr als 7000<br />

Menschen unterschrieben haben.<br />

Auch in der SPD gibt es Fürsprecher:<br />

Zum Landesparteitag im Oktober<br />

hatte der Kreis Altona beantragt, wie<br />

in Wien ein Jahresticket für 365 Euro<br />

einzuführen. Entschieden wird auf<br />

einem Parteitag im Frühjahr. BELA<br />

•<br />

Zur Petition: www.huklink.de/hvv1euro<br />

Ordnungsamt verteilt Strafzettel<br />

Dortmund bestraft Obdachlosigkeit<br />

In ungewohnter Härte geht in Dortmund das Ordnungsamt gegen Obdachlose<br />

vor. Wen die Mitarbeiter mehrfach auf der Straße antreffen, dem droht ein Verwarngeld<br />

über 20 Euro. Grundlage ist eine Verordnung, die das Lagern und<br />

Campieren im öffentlichen Raum untersagt. Wie jetzt erst bekannt wurde, erhielten<br />

in diesem Jahr bereits 265 Obdachlose einen Strafzettel, teilt Ordnungsamtssprecher<br />

Maximilian Löchter Hinz&<strong>Kunzt</strong> mit. Die Stadt mache aber „keine Jagd<br />

auf Obdachlose“, betont Löchter, der einräumt, dass alle Unterkunftsplätze belegt<br />

seien. Deswegen werde die Stadt das Angebot jetzt erweitern. Fest steht: Auf nicht<br />

gezahlte Verwarngelder folgt ein Bußgeld. Wird dieses ebenfalls nicht beglichen,<br />

droht Obdachlosen in Dortmund gar eine Haftstrafe. JOF<br />

•<br />

Anschlag auf Obdachlose in Berlin<br />

Anklage gegen Brandstifter<br />

Gegen einen 48-Jährigen, der im Juli<br />

zwei Obdachlose in Berlin mit Benzin<br />

übergossen und angezündet haben<br />

soll, hat die Berliner Staatsanwaltschaft<br />

Anklage wegen versuchten Totschlags<br />

und gefährlicher Körperverletzung<br />

erhoben. Er soll aus Wut über<br />

einen vorherigen Streit gehandelt<br />

haben. Einer der Obdachlosen war<br />

nach der Attacke in ein künstliches<br />

Koma versetzt worden. Er ist im November<br />

verstorben. Das zweite Opfer<br />

erlitt leichte Verbrennungen. BELA<br />

•<br />

FOTO: JULIA SCHWENDNER<br />

Trauerredner*innen schaffen Verbindungen zwischen<br />

Lebenden und Toten, nehmen viel wahr und auf.<br />

Am Ende fließen mehr als Worte ...<br />

Heizkostenhals?<br />

Unser Rat zählt.<br />

Beim Strohhause 20<br />

mieterverein-hamburg.de<br />

im Deutschen Mieterbund<br />

879 79-0<br />

Jetzt<br />

Mitglied<br />

werden<br />

20097 Hamburg<br />

Die nächste Ausbildung Trauerrede<br />

bei Annette Rosenfeld beginnt im April 2019.<br />

Weitere Informationen finden Sie unter:<br />

www.vom-kommen-und-gehen.de/ausbildung<br />

In Kooperation mit trostwerk und memento mori.


Stadtgespräch<br />

WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

Debatte<br />

Was kommt nach Hartz IV?<br />

Führende Politiker von SPD und<br />

Grünen debattieren über das Ende<br />

von Hartz IV. SPD-Chefin Andrea<br />

Nahles sprach sich für ein „Bürgergeld“<br />

und eine Reform der Sanktionspraxis<br />

aus. Grünen-Vorsitzender<br />

Robert Habeck will Sanktionen ganz<br />

abschaffen und ein „neues Garantiesystem“<br />

einführen. Dem erteilte<br />

Hamburgs Sozialsenatorin Melanie<br />

Leonhard (SPD) eine Absage:<br />

Nur Sanktionen für unter 25-Jährige<br />

sollten abgeschafft werden. BELA<br />

Wer fordert was? www.huklink.de/hartziv<br />

•<br />

Mietsteigerungen<br />

Muss jeder Dritte wegziehen?<br />

Entwickeln die Mieten in Hamburg<br />

sich weiter wie bisher, müsste sich<br />

bald jeder dritte Mieter aus finanziellen<br />

Gründen „aus der Stadt verabschieden“,<br />

befürchtet Mieterbund-<br />

Vorsitzender Siegmund Chychla.<br />

Auch eine Studie des Sozialverbands<br />

legt das nahe: Schon jetzt hätten<br />

mehr als eine Million Haushalte in<br />

Großstädten nach Abzug der Miete<br />

ein Einkommen, das unter dem<br />

Regelsatz von Hartz IV liegt. BELA<br />

•<br />

Stadt kauft Wohnhaus auf St. Pauli<br />

Stadt schützt Mieter vor Investor<br />

Die Stadt erschwert Investoren die Spekulation mit Wohnraum. Auf St. Pauli<br />

übte der Landesbetrieb Immobilienmanagement und Grundvermögen Anfang<br />

November erstmals sein Vorkaufsrecht für einen Altbau in der Hein-Hoyer-<br />

Straße aus. Vorausgegangen waren erfolglose Verhandlungen zwischen Bezirk<br />

und dem potenziellen Käufer, sagt Finanzbehördensprecher Claas Ricker gegenüber<br />

Hinz&<strong>Kunzt</strong>. Der Investor hatte wohl den Verkauf einzelner Wohnungen<br />

angestrebt. Die Finanzbehörde bestätigt, dass sich der neue Eigentümer nicht an<br />

die Soziale Erhaltensverordnung habe halten wollen. Die gilt seit sechs Jahren auf<br />

St. Pauli. Umbauten und Modernisierungen an Wohnungen, die den Wohnwert<br />

steigern und zu Mieterhöhungen führen können, sind seitdem zum Schutz der<br />

Altmieter genehmigungspflichtig.<br />

Deswegen nutzte die Stadt eine weitere Möglichkeit, die die Soziale Erhaltungs<br />

verordnung bietet: das Vorkaufsrecht. Erworben wurde das Haus zu dem<br />

Preis, zu dem es der Investor kaufen wollte, so die Finanzbehörde. Doch statt an<br />

einen Investor, bei dem es sich nach Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Informationen um den schwedischen<br />

Immobilienkonzern Akelius handelt, zahlen die Bewohner in der Hein-<br />

Hoyer-Straße ihre Miete künftig an die Saga, die die Häuser verwalten wird.<br />

Bei einem einmaligen Hauskauf soll es allerdings nicht bleiben: Neun weitere<br />

Objekte würden geprüft oder es würden bereits Verhandlungen geführt, teilt die<br />

Stadtentwicklungsbehörde mit. Sie liegen in einem der elf Gebiete mit rund<br />

190.000 Einwohnern, für die bereits eine Soziale Erhaltensverordnung erlassen<br />

wurde. Darüber hinaus wurde bereits für weitere fünf Häuser das Vorkaufsrecht<br />

genutzt. Der Kauf sei allerdings noch nicht rechtskräftig. Der neu eingeschlagene,<br />

rigorose Kurs gegen Investoren stößt derweil auf breite Zustimmung – sogar bei<br />

Hauseigentümern. „Die Botschaft ‚Verhaltet Euch anständig, sonst greifen wir<br />

ein‘ ist richtig. Wer nicht hören will, muss<br />

fühlen!“, sagt Andreas Breitner, Direktor<br />

vom Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen.<br />

JOF<br />

•<br />

Mehr Infos und Nachrichten unter:<br />

www.hinzundkunzt.de<br />

Freude schenken ...<br />

... mit Produkten aus fairem Handel<br />

• Kaffee, Tee, Schokolade ...<br />

• Geschenke, Körbe, Musikinstrumente, Bücher, Lederwaren,<br />

Spielzeug - aus Afrika, Asien und Lateinamerika ...<br />

Fairhandelszentrum Groß- und Einzelhandel<br />

Fachbuchhandlung • Stresemannstr. 374 • 22761 Hamburg<br />

Tel.: 040 / 890 61 33 • Fax: 040 / 899 74 52<br />

www.sued-nord-kontor.de<br />

Öffnungszeiten: Dienstag - Freitag 10.00 - 19.00 Uhr<br />

Samstag 10.00 - 14.00 Uhr


Liebeserklärung an<br />

die schönste Verfassung<br />

der Welt<br />

Zum 70. Geburtstag des Grundgesetzes im Mai 2019 geben Oliver Wurm<br />

und Andreas Volleritsch die deutsche Verfassung als Magazin heraus.<br />

TEXT: BIRGIT MÜLLER<br />

FOTO: MAURICIO BUSTAMANTE (OBEN); GRUNDGESETZ-TITEL: ANDREAS VOLLERITSCH<br />

34


Stadtgespräch<br />

Medienberater Oliver Wurm (links) und<br />

Art-Direktor Andreas Volleritsch haben das<br />

Grundgesetz als Magazin herausgegeben.<br />

„Gut lesbar, damit es Spaß macht.“<br />

„Alle sollen<br />

das Grundgesetz<br />

lesen,<br />

alle, alle, alle.“<br />

OLIVER WURM<br />

Irgendwie ist Oliver Wurm ein Missionar.<br />

Nicht im religiösen Sinn. Sondern<br />

in Bezug auf das Grundgesetz für die<br />

Bundesrepublik Deutschland. Wurm<br />

will nämlich, „dass alle diese vielleicht<br />

schönste Verfassung der Welt lesen“.<br />

Damit es keine Missverständnisse<br />

gibt, legt er noch mal nach: „Alle, alle,<br />

alle. Und zwar egal welchen Glaubens<br />

sie sind, egal welcher politischen Couleur.“<br />

Er ist „so froh, dass wir diese Verfassung<br />

haben. Wir müssen sie verteidigen<br />

und dafür müssen wir auf die<br />

Straße gehen.“<br />

Dass Oliver Wurm das Grundgesetz<br />

unter die Leute bringen will, macht<br />

deutlich, wie besorgt er ist. Seit 2015,<br />

seit die Willkommenskultur für die<br />

Flüchtlinge abebbte und ein neuer<br />

Rechtsruck im Land spürbar wurde,<br />

seit Pegida, wieder auflebendem Rassismus,<br />

Hetze und Hass ist er so politisch<br />

geworden „wie noch nie in meinem Leben“,<br />

sagt der 48-jährige Katholik, der<br />

noch nie einer Partei angehörte. „Weil<br />

Politik so nah an mich herankommt.“<br />

Er verfolgt Talkshows anders, liest<br />

Zeitungen anders – „und ich gehe auch<br />

35<br />

wieder auf die Straße – gegen Rechts“.<br />

Überall, wo er nur könne, versuche er<br />

gegenzusteuern: „Auf meinem Facebook-Kanal,<br />

auf meinen anderen<br />

Social-Media-Kanälen – und in privaten<br />

Diskussionen“, sagt er. „Ich habe<br />

gemerkt, dass man da was bewegen<br />

kann.“ Aber irgendetwas fehlte ihm<br />

noch.<br />

Initialzündung für seine Idee, das<br />

Grundgesetz als Magazin herauszugeben,<br />

war eine Talkshow. Am 17. Oktober<br />

2017 – Oliver Wurm weiß das<br />

Datum auswendig – saß der Wissenschaftler<br />

Ranga Yogeshwar bei Markus<br />

Lanz in der Runde. Vermutlich ging es<br />

wieder mal um alles: um Geflüchtete,<br />

um Pressefreiheit, um den Rechtsruck<br />

in der Welt, um die Gefährdung der<br />

Demokratie. Und irgendwann sagte<br />

Ranga Yogeshwar, der ja Pakistaner ist<br />

und einen luxemburgischen Pass hat, so<br />

etwas wie: Deutschland habe eine wundervolle<br />

Verfassung. Lest sie doch mal!<br />

Oliver Wurm wusste plötzlich, was<br />

zu tun ist. Am nächsten Tag habe er zu<br />

seinem Kollegen Andreas Volleritsch<br />

gesagt: „Wir müssen das Grundgesetz<br />

gut lesbar als Magazin herausgeben.“<br />

Andreas, der schon mit ihm zusammen<br />

das Neue Testament als Magazin gemacht<br />

hat, war sofort dabei.<br />

Natürlich hatte Volleritsch in grauer<br />

Vorzeit das Grundgesetz schon mal<br />

gelesen. Aber jetzt, beim Wiederlesen,<br />

war er überrascht, „wie einfach, wie<br />

verständlich und wie intelligent das


Stadtgespräch<br />

HINZ&KUNZT N°<strong>310</strong>/DEZEMBER <strong>2018</strong><br />

Asylrecht, die Religionsfreiheit oder die<br />

Gleichstellung von Mann und Frau geregelt<br />

wurden“, sagt der 46-Jährige.<br />

Auch für den Art-Direktor ist das<br />

Grundgesetz kein normales Produkt.<br />

„Für mich schwingt im Hinterkopf mit:<br />

Was hinterlasse ich meinen Kindern?<br />

Mit welchen Werten erziehe ich sie?<br />

Wie sollten wir aufeinander zugehen<br />

und uns verstehen? Und wenn man<br />

Streit hat, wie verträgt man sich wieder?<br />

Das alles steht im Ansatz im<br />

Grundgesetz.“<br />

Natürlich sind nicht alle Kapitel<br />

topspannend, räumt Oliver Wurm ein.<br />

Aber man müsse ja auch nicht alles lesen,<br />

was da über den Bund, die Länder<br />

und das Postwesen geschrieben wurde.<br />

Wichtig sei doch nur, mal anzuerkennen,<br />

wie gut und vorausschauend alles<br />

geregelt sei.<br />

„Richtig berührt“ habe ihn wiederum,<br />

was die Väter und Mütter („Immerhin<br />

waren vier Frauen aus drei Parteien<br />

dabei“) 1948 unter dem Eindruck<br />

des Zweiten Weltkrieges geschrieben<br />

haben, „weil es vielleicht nur ein paar<br />

Der Artikel 1 des<br />

Grundgesetzes<br />

steht in der Mitte<br />

des Titelblatts.<br />

Das Grundgesetz<br />

muss geschützt<br />

werden, deshalb<br />

die roten Linien<br />

drumhe rum.<br />

Allerdings hängt<br />

es am seidenen<br />

Faden. Unten die<br />

ersten Noten der<br />

Nationalhymne.<br />

„Mit welchen<br />

Werten erziehe<br />

ich meine<br />

Kinder? “<br />

ANDREAS VOLLERITSCH<br />

36<br />

Jahre dauern würde, bis es wieder Krieg<br />

geben würde in Deutschland“.<br />

Mehrere Artikel sind dem Verteidigungsfall<br />

gewidmet: Dass ein Angriff<br />

droht, muss demnach der Bundestag<br />

mit Zustimmung des Bundesrates feststellen<br />

– mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit<br />

der abgegebenen Stimmen und auf<br />

Antrag der Bundesregierung. Artikel<br />

115a haben Oliver Wurm und Andreas<br />

Volleritsch ganz groß gedruckt, „weil in<br />

70 Jahren kein Krieg mehr von uns ausging.<br />

Wenn einem das klar wird, ist das<br />

ein richtiger Gänsehautmoment.“<br />

Gänsehautmomente erlebten die<br />

beiden oft. Zum Beispiel, „dass im<br />

Grundgesetz drinsteht: Die Todesstrafe<br />

ist abgeschafft. Wenn man sich vorstellt,<br />

dass das bis heute weltweit nicht selbstverständlich<br />

ist. Und dass die Hessen<br />

die Todesstrafe erst in diesem Jahr in<br />

ihrer Landesverfassung abgewählt<br />

haben“, sagt Wurm.<br />

Und dann diese Schönheit der<br />

Sprache wie etwa in Artikel 1: „Die<br />

Würde des Menschen ist unantastbar!“<br />

Darüber kann sich der Medienberater<br />

nicht genug freuen. „Sätze sind das, die<br />

kennt heute jeder und die kannst du dir<br />

aufs T-Shirt drucken. Aber lass dir das<br />

mal einfallen.“<br />

Vom Layout her ist das Grundgesetz<br />

eine echte Überraschung. Zumindest<br />

für die, die nicht schon das Neue<br />

Testament als Magazin kennen. Mit<br />

Passagen in Riesengroß, die man vielleicht<br />

noch nie bewusst gelesen hat.<br />

Das Titelblatt ist wieder grafisch<br />

gestaltet. In der Mitte ein rotumrandeter<br />

Kasten: „Die Würde des Menschen<br />

ist unantastbar.“, steht darin. „In der<br />

Mitte, weil das Grundgesetz in die Mitte<br />

der Gesellschaft gehört“, sagt Oliver<br />

Wurm. „Geschützt wird es durch die<br />

rote Umrandung. Die zwei Linien, die<br />

vom Kasten wegführen, zeigen, dass die<br />

Verfassung am seidenen Faden hängt.“<br />

Lange haben die beiden Magazinmacher<br />

überlegt, wie sie das Grundgesetz<br />

bebildern wollen. Wieder hat<br />

Oliver Wurm die Lösung beim Fernsehschauen<br />

gefunden: Beim Bürgerfest<br />

des Bundespräsidenten in Berlin wurde<br />

der deutsche Astronaut Alexander<br />

Gerst aus dem All zugeschaltet. „Da<br />

habe ich gedacht, wie toll wäre es, wenn<br />

der für uns fotografieren würde.“<br />

Sehr unwahrscheinlich, dass Alexander<br />

Gerst davon weiß, aber die Europäische<br />

Weltraumorganisation (ESA)<br />

hat sofort ihr Okay gegeben und den<br />

Magazinmachern erlaubt, die Bilder zu<br />

verwenden. „Wir sind dann Astro-Alex<br />

vier Monate lang auf allen Kanälen<br />

gefolgt“, sagt Oliver Wurm.<br />

Zum Einstieg ins Grundgesetz gibt<br />

es eine Satellitenaufnahme von Europa<br />

mit all seinen Außengrenzen bei Tag,<br />

dann eine von Bonn, der alten Haupt-


WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

Stadtgespräch<br />

Freilichtmuseum am Kiekeberg.<br />

www.kiekeberg-museum.de<br />

„Kein Magazin<br />

darf weggeschmissen<br />

werden. “<br />

OLIVER WURM<br />

stadt, von Berlin, der neuen, von Hamburg<br />

und von der Künzelsau, wo Astro-<br />

Alex aufgewachsen ist.<br />

Was den Verkauf anbelangt, hat<br />

Oliver Wurm gigantische Pläne: „Am<br />

liebsten will ich nicht 100.000 verkaufen,<br />

sondern 500.000 – und noch ganz<br />

viele verschenken.“<br />

Zu kaufen gibt es das Magazin deshalb<br />

an 800 Verkaufsstellen an Bahnhöfen<br />

und Flughäfen. „Bei kleinen Kiosken<br />

landet so etwas viel zu schnell in der<br />

Bananenkiste“, sagt Wurm. „Eine Frühremission<br />

würde ich beim Grundgesetz<br />

nicht ertragen. Kein Magazin darf<br />

weggeschmissen werden.“ Das kostet<br />

natürlich Geld: Damit das Magazin<br />

überhaupt in Druck gehen konnte, haben<br />

Wurm und Volleritsch 70 Sponsoren<br />

gesucht, aus allen Sparten der<br />

Gesellschaft. DAX-Unternehmen, Mittelständler,<br />

Start-ups – und auch<br />

Hinz&<strong>Kunzt</strong> erscheint mit seinem<br />

Logo. Natürlich nicht als Geldgeber.<br />

„Aber ihr seid eben auch ein Teil der<br />

Das Grundgesetz als Magazin:<br />

Das Grundgesetz als Magazin, herausgegeben<br />

von Oliver Wurm und Andreas<br />

Volleritsch, gibt es vor allem an Bahnhofs<br />

kiosken. Preis: 10 Euro. Außer dem<br />

Grundgesetz beinhaltet das Magazin die<br />

Menschenrechte, die ebenfalls 70 Jahre<br />

werden, und Informationen über das demokratische<br />

System: alle Bundespräsidenten<br />

und Kanzler, wie die Wahlen<br />

funktionieren und die Nationalhymne.<br />

www.dasgrundgesetz.de<br />

Gesellschaft“, sagt Oliver Wurm, der<br />

seit Jahren im Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Beirat engagiert<br />

ist.<br />

Kurz bevor das Grundgesetz in<br />

Druck ging, gab es dann noch eine<br />

Überraschung, mehr noch: eine Punktlandung.<br />

Alexander Gerst machte nämlich<br />

noch ein wichtiges Foto. Eine<br />

Nachtaufnahme von Europa, und dazu<br />

schrieb er: „From space it’s pretty clear<br />

that Europe belongs together.“ („Vom<br />

All aus ist es ganz klar, dass Europa zusammengehört.“)<br />

„Da wussten wir: Wow, das<br />

ist jetzt das Schlussbild.“ Wieder so ein<br />

Gänsehautmoment.<br />

Und für den Grundgesetz-Missionar<br />

Oliver Wurm steht jetzt schon fest,<br />

dass er zu Astro-Alex Kontakt aufnehmen<br />

wird, sobald der nach seiner<br />

Landung am 10. <strong>Dezember</strong> wieder<br />

ansprechbar ist. Mal sehen, wie der<br />

Astronaut das alles von der Erde aus<br />

betrachtet.<br />

•<br />

Kontakt: birgit.mueller@hinzundkunzt.de<br />

Weihnachtsmärkte<br />

der Kunsthandwerker<br />

über 140 Kunsthandwerker<br />

Tradidition und Moderne<br />

handgearbeitete Unikate<br />

viele Vorführungen<br />

vor den Toren Hamburgs,<br />

A7 Abfahrt HH-Marmstorf<br />

Innere Kraft - für dich & andere<br />

Qigong<br />

Taijiquan Meditation<br />

Barmbek, Bahrenfeld, Eimsbüttel<br />

040-205129<br />

www.tai-chi-lebenskunst.de<br />

FOTO: KIRILL KUDRYAVTSEV / AFP<br />

Mit Satellitenaufnahmen<br />

von<br />

Alexander<br />

Gerst wird<br />

das Magazin<br />

bebildert. Auch<br />

Hamburg ist<br />

zu sehen.<br />

37


Super Party!<br />

Es war ein rauschendes Fest: Auf den Tag genau<br />

25 Jahre nach Gründung von Hinz&<strong>Kunzt</strong> feierte das<br />

Straßenmagazin mit rund 800 Verkäufern, alten und neuen<br />

Kollegen, Wegbegleitern, Kooperationspartnern und<br />

Freunden – und mit Gustav Peter Wöhler und seiner Band.<br />

TEXT: BIRGIT MÜLLER<br />

FOTOS: MAURICIO BUSTAMANTE, DMITRIJ LELTSCHUK<br />

800 Gäste kamen in die Markthalle, um den Hinz&<strong>Kunzt</strong>-<br />

Geburtstag zu feiern: volle Hütte! Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Geschäftsführer<br />

Jens Ade, Chefredakteurin Birgit Müller und<br />

Hinz&Künztler Jörg Petersen führten durch den Abend. Herausgeber<br />

Dirk Ahrens wünschte dem Projekt, dass es in<br />

Zukunft ein „Innovationslabor für soziale Projekte“ werden<br />

möge. Gründer Stephan Reimers signierte sein Buch<br />

„Hamburger Mutmacher“, in dem er auch über die Gründungszeit<br />

des Straßenmagazins geschrieben hat.<br />

Einmal wurde es auf der Bühne richtig eng: Als Köche<br />

und Hinz&Künztler das Kochbuch „Willkommen in der<br />

<strong>Kunzt</strong>Küche!“ vorstellten. 25 Köche hatten bei dem Restaurant<br />

auf Zeit mitgemacht und jeden Tag ein Drei-Gänge-Menü<br />

gekocht, unterstützt von zwölf Hinz&Künztlern,<br />

38


Freunde<br />

So wichtig für Hamburg.<br />

Mit 25 Jahren noch wild und<br />

ausgelassen wie ein Teenager<br />

und weise wie eine alte Dame.<br />

Herzlichen Glückwunsch.<br />

LARS MEIER<br />

Schauspieler und<br />

Sänger Gustav Peter<br />

Wöhler rockte mit<br />

seiner Band die<br />

Markthalle – aber wie!<br />

Oben: Geschäftsführer Jens Ade,<br />

Chefredakteurin Birgit Müller und<br />

Hinz&Künztler Jörg (von rechts)<br />

moderierten, He rausgeber Dirk<br />

Ahrens (unten) hielt eine Laudatio.<br />

die für diesen Zeitraum fest angestellt waren. Daraus ist ein<br />

fulminantes Kochbuch entstanden, mit allen Rezepten zu<br />

den Menüs und vielen Fotos, die die Stimmung in der<br />

<strong>Kunzt</strong>Küche widerspiegeln.<br />

Ein weiterer Höhepunkt des Abends war Gustav Peter<br />

Wöhler. Als der Schauspieler und Musiker gemeinsam mit<br />

seiner Band auf der Bühne stand, wurde im Publikum sogar<br />

getanzt. Ein rundum tolles Geburtstagsfest. Wir sagen Danke<br />

– an alle, die uns unterstützt oder einfach durch ihr Kommen<br />

zum Gelingen beigetragen haben. •<br />

Kontakt: birgit.mueller@hinzundkunzt.de<br />

Auf ein weiteres Vierteljahrhundert<br />

und viele weitere spannende und schöne<br />

Geschichten! Vor allem aber ein riesiges<br />

Dankeschön an Sie und Ihr Team für den<br />

hervorragenden Journalismus.<br />

ANNA KATHARINA KAYSER<br />

39


In Feierlaune: einige<br />

unserer Verkäufer und<br />

Mitarbeiter (links).<br />

Unten: Hinz&Künztler<br />

Peter stößt mit<br />

Ex-Geschäftsführerin<br />

Doris Tito an.<br />

Heute vor einem<br />

Vierteljahrhundert<br />

erschien die erste<br />

Ausgabe von Hinz&<strong>Kunzt</strong>.<br />

Wir gratulieren herzlich<br />

zum Jubiläum und sagen<br />

Danke für euren Einsatz.<br />

Auf die nächsten 25 Jahre.<br />

ANDREAS DRESSEL<br />

Soziologe und Journalist<br />

Burkhard Plemper (links) mit<br />

Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Sozialarbeiter<br />

Stephan Karrenbauer.<br />

Unsere Ehrenamtlichen<br />

(von links): Ariane Köthe,<br />

Conja Reuter, Marina Krog,<br />

Hiltrud Lawniczak,<br />

Ute und Jürgen Schwarz.<br />

Ich möchte mich für die Einladung zur<br />

Geburtstagsfeier bedanken. Dieses Erlebnis hat mich<br />

zutiefst berührt: die herzlichen Begrüßungen von<br />

Verkäufern und Kunden; die Begegnungen zwischen<br />

Mitarbeitern, Ehrenamtlichen und Verkäufern<br />

auf Augenhöhe. Es war wirklich ein rauschendes Fest.<br />

Die Jubiläumsausgabe fiel mir zu Hause erst um<br />

halb drei im Bett aus der Hand …<br />

MICHAEL ROSE<br />

40


WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

Freunde<br />

Mit dem Begriff „Stolz“ gehe ich normalerweise äußerst<br />

homöopathisch um. Stolz auf die eigene Nationalität?<br />

Finde ich absurd. Stolz auf die eigenen Begabungen?<br />

Erschließt sich mir auch nicht. Aber irgendwie bin ich<br />

heute stolz auf euch! 25 Jahre Hinz&<strong>Kunzt</strong> bedeuten<br />

25 Jahre tägliche Arbeit für die Menschlichkeit.<br />

Dafür habt ihr meinen tief empfundenen Respekt.<br />

Herzlichen Glückwunsch,<br />

es ist wunderbar,<br />

dass es euch gibt.<br />

Danke für diese 25 Jahre!<br />

NORDKIRCHE<br />

SASCHA LEIRICH<br />

Strahlende Gäste:<br />

rechts Stadtteilkünstler<br />

Erich Heeder. Freuen<br />

sich aufs Hinz&<strong>Kunzt</strong>-<br />

Haus: Die Innenarchitektinnen<br />

Maren Holz<br />

und Katrin Sander,<br />

der Architekt Axel<br />

Hauschild und Jens<br />

Ade mit Ehefrau<br />

Angelika (von links).<br />

Jürgen und Nina<br />

(unten), früher in<br />

Vertrieb und Redaktion<br />

tätig, fanden ihre<br />

Liebe bei uns.<br />

Das auflagenstärkste<br />

Straßenmagazin Deutschlands<br />

bietet eine unbüro kratische<br />

Beschäftigung für Menschen,<br />

die auf dem Arbeitsmarkt kaum<br />

Chancen haben, und fördert<br />

das soziale Klima in unserer<br />

Stadt. Der Verkauf des<br />

Magazins trägt dazu bei,<br />

dass B erührungsängste und<br />

Vorurteile in der Bevölkerung<br />

abgebaut werden.<br />

FDP-FRAKTION IN DER<br />

HAMBURGISCHEN BÜRGERSCHAFT<br />

Gründer<br />

Stephan<br />

Reimers<br />

(links) und<br />

unser erster<br />

Chefredakteur<br />

Ivo Banek.<br />

Alte und neue Freunde: Ex-Herausgeberin<br />

und Landespastorin Annegrethe Stoltenberg,<br />

Birgit Müller und Matthias Gfrörer, Koch<br />

der Gutsküche Wulksfelde.<br />

41


Freunde<br />

HINZ&KUNZT N°<strong>310</strong>/DEZEMBER <strong>2018</strong><br />

Sie machten die<br />

<strong>Kunzt</strong>-Küche<br />

möglich:<br />

Sybille Arendt<br />

(Öffentlichkeitsarbeit,<br />

rechts)<br />

bedankte sich bei<br />

Restaurantchef<br />

Lutz Bornhöft<br />

(Mitte), den Köchen<br />

(links) und<br />

Hinz&Künztlern,<br />

die als Küchenhilfen<br />

dabei waren.<br />

25 Jahre Hinz&<strong>Kunzt</strong> – 25 Jahre Selbst bewusstsein,<br />

25 Jahre guter und harter Journalismus,<br />

25 Jahre Lobby für Menschen ohne Lobby.<br />

Gratulation, danke und weiter so! Hamburg<br />

braucht euch. Und mehr Solidarität.<br />

LINKSFRAKTION HAMBURG<br />

Ein dickes Dankeschön an alle, die zum Gelingen<br />

unserer Jubiläumsfeier beigetragen haben:<br />

• Gustav Peter Wöhler, Olaf Casimir<br />

(Kontrabass), Mirko Michalzik (Gitarre),<br />

Kai Fischer (Flügel, Keyboards),<br />

Christoph Drescher (Management)<br />

• Die Markthalle • Pit Kannapin<br />

• Lars Ginsberg (Agentur für Genuss)<br />

• Allesklar! Veranstaltungsservice<br />

• Carlsen Verlag<br />

• Dr. Stephan Reimers<br />

• Bäckerei Junge<br />

• unsere Ehrenamtlichen<br />

• Tide – Hamburgs Communitysender<br />

• Stephan Boden<br />

• C. Bechstein Centrum Hamburg<br />

• Musik Markt Hamburg<br />

Danke an alle, die uns<br />

Tombolagewinne gespendet haben:<br />

• Wolfgang Sangmeister<br />

• Wein Boutique<br />

• Stattreisen Hamburg<br />

• U.S. Fun Bowling<br />

• Arbeitsgemeinschaft des<br />

Kunsthandwerks e. V.<br />

• Kleinhuis Hotels & Restaurants<br />

• Bäderland • Gruner + Jahr<br />

• Ernst Deutsch Theater<br />

• FoodBoom<br />

• Arbeitsgemeinschaft<br />

Geesthachter Eisenbahn e. V.<br />

• Hot Rod City Tour Hamburg<br />

• Inkultur<br />

• Jumphouse Trampolinpark<br />

• Kolle Rebbe • Lemonaid<br />

• Freilichtmuseum am Kiekeberg<br />

• Rickmer Rickmers<br />

• Wildpark Schwarze Berge<br />

• Chocoversum • Die Halle Parkour<br />

• Altonaer Theater • Gedok<br />

• Panoptikum • Team Escape<br />

• World in Travel<br />

• Miniatur Wunderland<br />

• Vero Moda • Savoy<br />

• Museum der Arbeit<br />

• Restaurant Schwerelos<br />

• Ensemble Resonanz<br />

• Anna Anderson • Abaton<br />

• Goldwerk • Wilhelm Schmidt<br />

• Michaela Paula Alt • Flané<br />

42


25 Jahre Hinz&<strong>Kunzt</strong> – 25 Tage unser Restaurant auf Zeit:<br />

Ein kulinarisches Dankeschön an die Hamburger<br />

Mit 25 Drei-Gänge-Menüs von Sterneköchen, jungen Wilden<br />

und anderen Küchengöern<br />

Unser Kochbuch* kostet 25 Euro plus Versandkosten.<br />

Vom erwarteten Erlös haben wir jedem Hinz&Künztler<br />

zum Jubiläum 25 Monatsmagazine geschenkt. Sie können<br />

es online bestellen unter www.hinzundkunzt.de/shop<br />

oder im Buchladen (ISBN 978-3-00-060526-0).<br />

*Das Kochbuch ist für 45 Euro auch als Bundle zusammen<br />

mit der Schürze „<strong>Kunzt</strong>Küche“ erhältlich (siehe Seite 59).


Freunde<br />

HINZ&KUNZT N°<strong>310</strong>/DEZEMBER <strong>2018</strong><br />

Engagement als<br />

Glaubensfrage: Peter<br />

Hagemann und seine<br />

Frau Sandra sind seit<br />

Langem Mitglieder im<br />

Freundeskreis.<br />

Hoch die Tassen!<br />

Für viele Hinz&Künztler ist Peter Hagemann der Weihnachtsmann – auch wenn er<br />

nicht so aussieht. Der Logistiker sammelt bei seinen Kollegen von Tchibo den Bonus-Kaffee<br />

für Mitarbeiter ein – und bringt ihn als Weihnachtsspende an unseren Kaffeetresen.<br />

TEXT: MISHA LEUSCHEN<br />

FOTO: MIGUEL FERRAZ<br />

162 Pfund Kaffee – das ist mehr Gewicht,<br />

als Peter Hagemann selbst auf die<br />

Waage bringt: So viel kam im vergangenen<br />

Jahr bei der Sammelaktion zusammen<br />

– eine hoch willkommene Spende,<br />

denn der Kaffeetresen ist das Herzstück<br />

unseres Verkaufsraums. Hier können<br />

sich die Verkäufer mit einem kostenlosen<br />

Becher Kaffee aufwärmen, bevor es wieder<br />

rausgeht auf die Straße.<br />

Peter Hagemann, Freundeskreismitglied<br />

fast von Anfang an, ist kein<br />

Mann großer Worte. Doch wenn es darum<br />

geht, anderen zu helfen, wirbt er<br />

gern dafür. 2013 bat er seine Kollegen<br />

44<br />

zum ersten Mal um eine Kaffeespende,<br />

da kamen 27 Pfund zusammen. Im Folgejahr<br />

hatte sich die Menge schon mehr<br />

als verdoppelt, 2017 brachte das neue<br />

Rekordergebnis. Bei manchen Kollegen<br />

beschwere sich zwar die Verwandtschaft,<br />

dass es zu Weihnachten nun weniger<br />

Kaffeegeschenke gebe, erzählt Hagemann<br />

lächelnd. Aber das schmälert ihre<br />

Bereitschaft zum Spenden nicht.<br />

Warum er sich für andere engagiert?<br />

„Ich bin überzeugter Christ“,<br />

sagt er schlicht. „Ich bin im Elternhaus<br />

so geprägt worden, auch an andere zu<br />

denken.“ Diese Haltung teilt er mit seiner<br />

Frau Sandra, die auch beruflich im<br />

sozialen Bereich tätig ist. Obdachlose<br />

Menschen begegnen den beiden jeden<br />

Tag auf dem Weg zur Arbeit. „Die Vorstellung,<br />

bei diesem Wetter draußen<br />

schlafen zu müssen – gruselig“, findet<br />

er. Seine Frau pflichtet ihm bei: „Mich<br />

berühren vor allem die Frauen, die ungeschützt<br />

auf der Straße leben.“<br />

Bei einigen Obdachlosen habe er<br />

Berührungsängste, gibt er offen zu, zum<br />

Beispiel wenn sie offensichtlich alkoholisiert<br />

oder aggressiv sind. „Bei den<br />

Hinz&Künztlern ist das anders, da hat<br />

man keine Hemmschwelle. Das sind


WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

tolle, offene Menschen, die es einem<br />

leicht machen, in Kontakt zu kommen.“<br />

Soziale Verantwortung übernimmt<br />

das Ehepaar, Eltern zweier Kinder, in<br />

ganz unterschiedlichen Bereichen. Vor<br />

zwei Jahren reiste Peter Hagemann mit<br />

seinem Kirchenkreis ins südliche Afrika,<br />

um sich Hilfsprojekte für Waisenkinder<br />

anzuschauen. „Das war eine sehr<br />

herausfordernde Erfahrung“, bilanziert<br />

der 52-Jährige. Das geht auch Sandra<br />

Hagemann so, die ihren Mann auf einer<br />

späteren Reise begleitete. Viele der<br />

Waisenkinder leben bei ihren Großmüttern,<br />

die mit wenig zurechtkommen<br />

müssen und sich große Sorgen um die<br />

Zukunft der Kinder machen, erzählt<br />

sie. „Da stellt man sich selbst infrage.<br />

Afrika verändert.“<br />

Freunde<br />

Hagemanns wollten etwas tun und riefen<br />

zusammen mit engagierten Unterstützern<br />

und Unterstützerinnen ein<br />

Projekt ins Leben (www.patenprojektswasiland.de),<br />

eine Kooperation des<br />

Kirchenkreises Winsen/Luhe mit einer<br />

Hilfsorganisation vor Ort. „Wir unterstützen<br />

Kinder in drei Dörfern in Swasiland,<br />

Malawi und Simbabwe“, erzählt<br />

Peter Hagemann.<br />

Die eigene „Komfortzone“ zu verlassen,<br />

das ist es, was Peter und Sandra<br />

Hagemann antreibt, sagen sie. Zu Hause<br />

und im südlichen Afrika. „Bei<br />

Hinz&<strong>Kunzt</strong> können wir etwas vor der<br />

eigenen Haustür tun, aber die anderen<br />

wollen wir nicht vergessen.“ •<br />

Kontakt: redaktion@hinzundkunzt.de<br />

JA,<br />

ICH WERDE MITGLIED<br />

IM HINZ&KUNZT-<br />

FREUNDESKREIS.<br />

Damit unterstütze ich die<br />

Arbeit von Hinz&<strong>Kunzt</strong>.<br />

Meine Jahresspende beträgt:<br />

60 Euro (Mindestbeitrag für<br />

Schüler/Studenten/Senioren)<br />

100 Euro<br />

Euro<br />

Datum, Unterschrift<br />

Ich möchte eine Bestätigung<br />

für meine Jahresspende erhalten.<br />

(Sie wird im Februar des Folgejahres zugeschickt.)<br />

Meine Adresse:<br />

Name, Vorname<br />

Dankeschön<br />

Straße, Nr.<br />

PLZ, Ort<br />

Telefon<br />

Wir danken allen, die im November an<br />

uns gespendet haben, sowie allen Mitgliedern<br />

im Freundeskreis von Hinz&<strong>Kunzt</strong> für<br />

die Unterstützung unserer Arbeit!<br />

DANKESCHÖN EBENFALLS AN:<br />

• IPHH • wk it consultants<br />

• Produktionsbüro Romey von Malottky GmbH<br />

• Hamburger Tafel • Axel Ruepp Rätselservice<br />

• Hamburger Kunsthalle<br />

• bildarchiv-hamburg.de • Röder-Stiftung<br />

• das Team Polo Power: Lutz Peters<br />

und Tanja für ihre Spende von der<br />

Balkan Rallye <strong>2018</strong><br />

• das Bucerius Kunst Forum,<br />

besonders Laura Rohloff, sowie den<br />

Bucerius Kunst Shop mit Hilda Tilmann<br />

• das Team der Rathauspassage<br />

und die Leser, die Bücher beigesteuert<br />

haben für den gelungenen<br />

Kunstbuchflohmarkt am 28.10.<strong>2018</strong><br />

• Annette und Frank Kotter sowie ihren<br />

Gästen anlässlich der Silberhochzeit<br />

• die Schülerinnen und Schüler der<br />

Klassenstufe 12 der Brechtschule für ihre<br />

Spende, die sie beim Vielfalttag durch<br />

Kuchenverkauf in der Hamburger Innenstadt<br />

für Hinz&<strong>Kunzt</strong> verdient haben<br />

• die Studenten der Fakultät Design, Medien<br />

und Information der HAW, insbesondere<br />

Dana Elmi Sarabi und der Fachschaft,<br />

für die Spende vom Campustag<br />

• die Gäste der Trauerfeier für<br />

Wolfgang Döbler<br />

• alle, die uns zum 25. Geburtstag mit einer<br />

Spende überrascht haben, unter anderem:<br />

• Firma Christian Bahne Sanitär und Heizung<br />

• Erdkorn für eine 2-prozentige Geburtstagsspende<br />

vom Umsatz am 6.11.<strong>2018</strong><br />

• Polly, eine Spenderin aus dem<br />

Freundeskreis, die uns mit 25.000 Euro<br />

zum 25. Geburtstag gratuliert hat<br />

NEUE FREUNDE:<br />

• Sabine Balser • Dirk Behrens<br />

• Kerstin Boll • Manuela Buske<br />

• Beate Christians • Klaus Geßner-Panther<br />

• Ilse Haubenreisser • Thomas Hensel<br />

• Heidi Ingwersen • Daniel Koch<br />

• Katrin Meinken • Daniel Parthey<br />

• Doris Rasch • Daniela Reischl<br />

• Henning Rohde • Bernd Schnitter<br />

• Ursula Seligmann • Inga Tautorat<br />

• Inge und Erich Wehde • Carina Wolf<br />

E-Mail<br />

Einzugsermächtigung:<br />

Ich erteile eine Ermächtigung zum<br />

Bankeinzug meiner Jahresspende.<br />

Ich zahle: halbjährlich jährlich<br />

IBAN<br />

BIC<br />

Bankinstitut<br />

Ich bin damit einverstanden, dass mein Name in<br />

der Rubrik „Dankeschön“ in einer Ausgabe des<br />

Hamburger Straßenmagazins veröffentlicht wird:<br />

Ja<br />

Nein<br />

Wir garantieren einen absolut vertraulichen<br />

Umgang mit den von Ihnen gemachten Angaben.<br />

Die übermittelten Daten werden nur zu internen<br />

Zwecken im Rahmen der Spendenverwaltung<br />

genutzt. Die Mitgliedschaft im Freundeskreis ist<br />

jederzeit kündbar. Wenn Sie keine Informationen<br />

mehr von uns bekommen möchten, können Sie<br />

jederzeit bei uns der Verwendung Ihrer personenbezogenen<br />

Daten widersprechen.<br />

Unsere Datenschutzerklärung können Sie<br />

einsehen unter www.huklink.de/datenschutz<br />

Bitte Coupon ausschneiden und senden an:<br />

Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Freundeskreis<br />

Altstädter Twiete 1-5, 20095 Hamburg<br />

Wir unterstützen Hinz&<strong>Kunzt</strong>. Aus alter Freundschaft und mit neuer Energie. Hanse Werk<br />

45<br />

HK <strong>310</strong>


Buh&Beifall<br />

HINZ&KUNZT N°<strong>310</strong>/DEZEMBER <strong>2018</strong><br />

Was unsere Leser meinen<br />

„Mit 82 jung genug, um Missstände nicht hinzunehmen.“<br />

Haus steht seit Jahren leer<br />

H&K 309, „Happy Birthday“/ Leerstand<br />

Gerade habe ich Ihre Jubiläumsausgabe<br />

in der Hand und freue mich aufs<br />

Lesen. Da denke ich wieder an das<br />

Waldschloss in Bergedorf, eine ehemalige<br />

Behausung von Roma und Sinti.<br />

Dieses Haus steht seit Jahren leer,<br />

die unteren Fenster sind mit Holz<br />

vernagelt, um das Haus ist ein Zaun.<br />

Falls die Nachbarn vielleicht keine Obdachlosen<br />

in der Nachbarschaft haben<br />

wollen, wäre ich gerne bereit, Gespräche<br />

zu führen oder auch sonst zu<br />

helfen. Ich bin zwar 82 Jahre alt, aber<br />

jung genug, um Missstände nicht einfach<br />

hinzunehmen, wie ich es bislang<br />

leider getan habe. Wenn dieses Haus<br />

von Obdachlosen wieder bewohnbar<br />

gemacht werden könnte, hätten dort<br />

viele von ihnen Platz.<br />

INGRID FRASER<br />

Eine schöne Aktion<br />

H&K 309, Postkarten-Edition<br />

Als gelerntem Schriftsetzer kamen<br />

mir viele Erinnerungen an die damals<br />

erlernte Schwarze Kunst des Setzens<br />

mit Bleilettern. Amüsiert war ich von<br />

der Schilderung, wie die Lettern in<br />

den „Winkelkasten“ gesetzt werden.<br />

Nicht böse sein, wenn ich korrigiere:<br />

Dieses Arbeitsgerät nennt man<br />

Winkelhaken. Nichtsdestotrotz ist es<br />

eine schöne Aktion.<br />

UWE QUAST<br />

Gut nachzuvollziehen<br />

H&K 308, „Genesungsbegleiter“<br />

Ich habe mit Interesse den Artikel über<br />

die Genesungsbegleitung gelesen. Als<br />

jemand mit einer Depression in seiner<br />

Historie, kann ich gut nachvollziehen,<br />

warum jemand diese Aufgabe angenommen<br />

hat.<br />

HANNES HOLST<br />

Wegen der Themen im Heft<br />

H&K allgemein<br />

Seit einiger Zeit verkauft ein sehr netter<br />

Herr beim Famila-Markt in Schneverdingen<br />

Hinz&<strong>Kunzt</strong>. Am Anfang wusste<br />

ich nicht, wie ich dem Herrn<br />

gegenüber reagieren sollte. Nach einiger<br />

Zeit aber stellte ich fest, dass dieser<br />

Herr stets freundlich war und bis heute<br />

immer noch ist. Sollte er einmal nicht<br />

da sein, wird gleich gerätselt, wo er<br />

denn wohl abgeblieben ist, ja, man vermisst<br />

ihn dann schon. Sobald ein neues<br />

Magazin erscheint, wird das gekauft.<br />

Erstens um den Verkäufer zu unterstützen.<br />

Und zweitens wegen der Themen<br />

in Ihrem Heft. MATTHIAS-MARCUS SCHNEIDER<br />

Leserbriefe geben die Meinung des Verfassers<br />

wieder, nicht die der Redaktion. Wir behalten<br />

uns vor, Leserbriefe zu kürzen.<br />

ANKER<br />

DES LEBENS<br />

Wünschen Sie<br />

ein persönliches<br />

Gespräch?<br />

Kontaktieren Sie<br />

unseren Geschäftsführer<br />

Dr. Jens Ade.<br />

Tel.: 040/32 10 84 03<br />

oder Mail: jens.ade@<br />

hinzundkunzt.de<br />

Wir trauern um<br />

Mathias Kipper<br />

21. September 1981 – 23. Oktober <strong>2018</strong><br />

Mathias ist viel zu jung verstorben. Er wurde leblos in der Bahn gefunden.<br />

Die Verkäufer und das Team von Hinz&<strong>Kunzt</strong><br />

Wir trauern um<br />

Joanna Wojnicz<br />

30. August 1975 – 28. Oktober <strong>2018</strong><br />

Joanna hatte ihren Verkaufsplatz vor REWE und Aldi in Lokstedt.<br />

Sie war schwer krank, schlief draußen und ist dort an Unterkühlung gestorben.<br />

Die Verkäufer und das Team von Hinz&<strong>Kunzt</strong><br />

Hinz&<strong>Kunzt</strong> bietet obdachlosen Menschen Halt. Eine Art Anker<br />

für diejenigen, deren Leben aus dem Ruder gelaufen ist. Möchten<br />

Sie uns dabei unterstützen und gleichzeitig den Menschen, die<br />

bei Hinz&<strong>Kunzt</strong> Heimat und Arbeit gefunden haben, helfen?<br />

Dann hinterlassen Sie etwas Bleibendes – berücksichtigen<br />

Sie uns in Ihrem Testament! Als Testamentsspender wird Ihr<br />

Name auf Wunsch auf unseren Gedenk-Anker in der Hafencity<br />

graviert. Ein maritimes Symbol für den Halt, den Sie den sozial<br />

Benachteiligten mit Ihrer Spende geben.<br />

trostwerk - andere bestattungen<br />

Osterstraße 149, HH - Eimsbüttel ° 040/43 27 44 11


<strong>Kunzt</strong>&Kult<br />

Ausgefl ogen: Das Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Maskottchen Dodo Dronte verabschiedet sich (S. 50 und S. 56).<br />

Kein Bullerbü: Astrid Lindgrens bewegende Biografi e kommt ins Kino (S. 52).<br />

Wahlverwandtschaften: Für Hinz&Künztler Holger sind seine Kunden seine Familie (S. 58).<br />

„Die Show ist vorbei“ heißt dieses Werk<br />

von Coco Bergholm, der neuen Künstlerin unserer<br />

Strassen<strong>Kunzt</strong>Edition (S. 48). Der Text stammt von<br />

Vasily Rosanov, einem umstrittenen russischen Dichter.<br />

BILD: COCO BERGHOLM


<strong>Kunzt</strong>&Kult<br />

HINZ&KUNZT N°<strong>310</strong>/DEZEMBER <strong>2018</strong><br />

Versteckspiele<br />

in der Stadt<br />

Wie gehen wir um mit einer Welt, in der uns so vieles nicht passt?<br />

Widerstand leisten – oder abtauchen? Die Malerin Coco Bergholm spielt in ihrer Kunst<br />

beide Ideen durch. Ihr Gemälde eines Falters, das nun in die Straßen<strong>Kunzt</strong>Edition<br />

aufgenommen wird, lenkt den Blick auf die Stadt als Lebensraum.<br />

TEXT: ANNABEL TRAUTWEIN<br />

BILDER: COCO BERGHOLM<br />

Die Stadt ist voller Kunst. Bunte<br />

Schriftzüge auf Mauerwerk,<br />

Smileys auf Stromkästen,<br />

haushohe Wandbilder. Und immer wieder<br />

OZ. „Das ist der Zauberer von OZ,<br />

der wohnt in Hamburg und malt alles<br />

an“, sagte Coco Bergholms kleiner Bruder<br />

einmal. Der Gedanke gefällt ihr.<br />

Nirgends kann man so gut Verstecken<br />

spielen wie in einer verzauberten Stadt.<br />

Coco Bergholm lässt gerne etwas verschwinden<br />

– etwa Menschen, die eins<br />

zu werden scheinen mit einer bemalten<br />

Wand, einem besprühten Zug. In ihren<br />

Porträts werden knallbunte Kleider zur<br />

Camouflage, erst auf den zweiten Blick<br />

lösen sich die Menschen aus dem Hintergrund.<br />

Und wer ein Auge für Straßenkunst<br />

hat, findet in Coco Bergholms<br />

Werken oft sogar noch eine dritte Ebene:<br />

Viele ihrer Bilder zitieren Werke bekannter<br />

Street Artists wie Saeio, Pablo<br />

Tomek oder Knarf. „Die Schnittstellen<br />

zwischen Graffiti und Malerei finde ich<br />

spannend“, sagt sie. Wo Form und Farbe<br />

ins Spiel kommen, verwandelt sich<br />

das Stadtbild.<br />

Hier sind auch die Falter heimisch,<br />

denen die Malerin eine Reihe gewidmet<br />

hat: Nachtschwärmer, die sich einer<br />

menschengemachten Umwelt anpassen<br />

und zur Tarnung Graffiti auf den Flügeln<br />

tragen. „Der Gedanke, unsichtbar<br />

zu werden, fasziniert mich“, sagt die<br />

Malerin. In einer gefährlichen Umgebung<br />

abtauchen zu können, sei auch<br />

ein Schutz – nicht zuletzt für Menschen,<br />

die auf der Straße leben und<br />

hinter keiner Wohnungstür verschwinden<br />

können. Sie sagt: „Wenn ich draußen<br />

schlafen müsste, würde ich auch<br />

versuchen, unsichtbar zu sein.“<br />

Aufgewachsen ist die 36-Jährige in<br />

einer Gegend ohne Urbanität und<br />

Einfach nur schön anzusehen?<br />

Oder ist da auch eine Botschaft versteckt?<br />

Und wenn, welche wäre es?<br />

Coco Bergholm versteht es, uns zu verwirren.


WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

<strong>Kunzt</strong>&Kult<br />

Graffiti: in einem kleinen Dorf in Mitteldeutschland,<br />

umgeben von Wald.<br />

Nach der Schule zog sie nach Hamburg,<br />

studierte an der HfBK und versuchte<br />

sich in Straßenkunst. „Mit einer<br />

Sprühdose war ich aber nie unterwegs“,<br />

sagt Coco Bergholm. „Ich habe Cutouts<br />

gemacht und plakatiert.“ Die gemalten<br />

oder kopierten Papierausschnitte<br />

zeigten damals keine politischen<br />

Motive. Sie auf Hauswände zu kleben<br />

war allerdings ein politischer Akt, wie<br />

Coco Bergholm erklärt: „Man ermächtigt<br />

sich, indem man sich den öffentlichen<br />

Raum aneignet.“ Erst später fing<br />

sie an, mit ihrer Kunst auch direkt politische<br />

Themen aufzugreifen.<br />

Auch in Coco Bergholms bisher bekanntestem<br />

Gemälde taucht das Thema<br />

Tarnung wieder auf – diesmal als<br />

Mittel eines politischen Widerstands.<br />

Das Motiv lässt nach G20 in Hamburg<br />

niemanden mehr kalt: schwarze Kapuzenjacken,<br />

schwarze Sonnenbrillen, die<br />

ganze Straße voll, nicht mal das Pflaster<br />

ist noch zu sehen. Schulter an Schulter<br />

steht er da, der Schwarze Block. Gewalt<br />

liegt in der Luft. Gleich passiert etwas.<br />

Nur was? Und wo führt das dann hin?<br />

„Die Frage bleibt offen“, erklärt<br />

Coco Bergholm. Selbst die Menschen<br />

auf ihrem Gemälde scheinen es noch<br />

nicht zu wissen. Die vereinzelten Gesichter,<br />

die sie mit fast fotografischer<br />

Genauigkeit aus der Menge herausgearbeitet<br />

hat, wirken bei näherem Hinsehen<br />

abwartend. Die Methode des<br />

Schwarzen Blocks hat funktioniert: In<br />

Getarnte<br />

Individuen oder<br />

dumpfe Masse?<br />

Dieses Bild<br />

vom Schwarzen<br />

Block dürfte<br />

polarisieren.<br />

der Gruppe sind die Einzelnen geschützt<br />

und gemeinsam stark. Doch<br />

über das Ziel müssen sich alle noch Gedanken<br />

machen – auch die Betrachter<br />

des Bildes. „Es ist leicht zu sagen: Das<br />

will ich nicht“, erklärt Coco Bergholm.<br />

Gerade in einer Welt, an der es so viel<br />

zu verbessern gibt. „Aber eine eigene<br />

Utopie zu entwickeln, das ist schwer.“<br />

Inzwischen arbeitet Coco Bergholm<br />

an ihrer nächsten Idee: kein Gemälde<br />

wird es werden, sondern ein Episodenfilm,<br />

bei dem andere Künstler,<br />

Musiker und Sportler mitmachen sollen.<br />

Alle sind aufgefordert, spielerisch<br />

mit dem umzugehen, was sie im Stadtraum<br />

vorfinden. Daraus sollen kleine<br />

Filme entstehen. Erste Ideen sind schon<br />

da: Ein Schlagzeuger will mit Fundstücken<br />

Musik machen, eine bildende<br />

Künstlerin plant eine Installation, die<br />

auf den Feinstaub in der Luft reagieren<br />

soll. „Ich bin schon ganz gespannt“,<br />

sagt Coco Bergholm und freut sich auf<br />

nächstes Jahr. Dann wird ihr Episodenfilm<br />

erstmals zu sehen sein. •<br />

Kontakt: annabel.trautwein@hinzundkunzt.de<br />

Coco Bergholm in der Gruppenausstellung<br />

„katzen gehen immer noch“:<br />

7.12.–19.1.19, Galerie Affenfaust,<br />

Paul-Roosen-Str. 43, Mi+Do, 15–19<br />

Uhr, Sa, 14–18 Uhr, Eintritt frei<br />

Getarnt und<br />

sichtbar zugleich:<br />

Für unsere Straßen<strong>Kunzt</strong>Edition hat<br />

Coco Bergholm ein Bild aus ihrer Motten-<br />

Reihe beigesteuert: Das Gemälde zeigt<br />

einen Nachtfalter mit OZ-Smiley. Weitere<br />

Motive sind auf ihrer Webseite www.cocobergholm.net<br />

zu sehen. „In einer Stadt, die<br />

so voll ist von Kunst, ist Graffiti doch die beste<br />

Tarnung“, sagt Coco Bergholm. In unserer Edition sind<br />

auch weiterhin die Werke von ecb, DAIM, Daniel Man,<br />

Victor Ash und Zevs erhältlich. Alles limitierte Auflagen:<br />

je 99 Stück zum Preis von je 99 Euro. Der Erlös geht<br />

zur einen Hälfte an die Künstler, zur anderen Hälfte an<br />

Hinz&<strong>Kunzt</strong>. Bestellungen: www.hinzundkunzt.de/shop<br />

49


Na klar sind die Abenteuer<br />

des Dodo Dronte ausgedacht.<br />

Doch inspiriert wurden sie<br />

von den Erlebnissen mancher<br />

Hinz&Künztler. Mit ihnen<br />

stand das Filmteam in<br />

engem Kontakt.<br />

<strong>Kunzt</strong>&Kult<br />

Ein Pechvogel<br />

sagt Tschüss<br />

Krächz! War das aufregend. Für Dodo Dronte kam es auf<br />

den letzten Seiten der Hinz&<strong>Kunzt</strong> immer richtig dicke.<br />

Ein Comic-Abenteuer nach dem nächsten erdachten die<br />

Puppen spieler des Filmsyndikats Gula Mons für den plüschigen<br />

Anti helden. Dodo hat sie alle mit Fassung ertragen. Muss ja!<br />

TEXT: ANNABEL TRAUTWEIN<br />

FOTOS: MAURICIO BUSTAMANTE<br />

W<br />

er zwar Flügel hat, aber<br />

nicht fliegen kann, hat nicht<br />

viel zu melden. Erst recht<br />

nicht als Letzter seiner Art. Dodo Dronte<br />

macht sich da keine Illusionen und<br />

nimmt das Leben, wie es kommt. Auch<br />

ein Pechvogel erlebt schließlich mal eine<br />

Sternstunde: Auf der Cap San Diego<br />

wurde er vom Käpt’n getauft, bei<br />

den Filmfestspielen in Cannes watschelte<br />

er mit den Möwen Eggers und Lenni<br />

über den roten Teppich. Und es gab sogar<br />

eine Romanze: Dodo Dronte eroberte<br />

das Herz einer alleinerziehenden<br />

Flamingodame.<br />

Der Alltag eines Straßenvogels ist<br />

weniger glamourös – auch wenn er<br />

Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Verkäufer ist: Kaum hat<br />

Dodo ein warmes Plätzchen gefunden,<br />

wird er weggeschickt. Feuer machen ist<br />

verboten, das gibt nur Ärger mit dem<br />

Ordnungsamt. Heizlüfter anwerfen?<br />

Keine schlechte Idee. Dodo findet sogar<br />

eine Stromquelle – aber die Kette von<br />

Verlängerungskabeln, die er über die<br />

Straße spannt, geht dann auch wieder<br />

nicht klar. Selbst die Kunden, denen er<br />

die Hinz&<strong>Kunzt</strong> verkauft, sind nicht<br />

immer ganz einfach.<br />

Wäre der Vogel nicht so duldsam,<br />

würde er spätestens im Jobcenter verzweifeln.<br />

Da sitzt Herr Brechreiz, nach<br />

eigenem Dafürhalten strenger Förderer,<br />

faktisch Endgegner des flauschigen Vogels.<br />

„Er geht immer erst mal davon<br />

aus, dass der Dodo faul ist und Hilfe gar<br />

nicht verdient hat“, erklärt Hannes Jeske<br />

von Gula Mons, der den Behörden-<br />

50


WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

<strong>Kunzt</strong>&Kult<br />

mann im Comic verkörpert. „Aber eigentlich<br />

mag er ihn schon.“ Hätte<br />

Brechreiz nicht solche Vorurteile und<br />

Dodo nicht ständig so ein Pech, könne<br />

es gut laufen zwischen ihnen, meint Jeske.<br />

Doch leider sitzt der Sachbearbeiter<br />

am längeren Hebel.<br />

Viele Ideen für Dodos Abenteuer<br />

sind aus dem echten Leben gegriffen,<br />

sagt Regisseur Sven Knüppel: „Oft haben<br />

uns die Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Verkäufer<br />

Geschichten erzählt.“ Ein Plüschvogel,<br />

der jede Piesackerei mit naivem Optimismus<br />

und Songs auf seinem absurden<br />

Zupfinstrument pariert, ist im Vergleich<br />

zum echten Überlebenskampf<br />

auf der Straße natürlich ein Witz. Soll<br />

es auch. „Wir spinnen ganz viel rum“,<br />

sagt der Filmemacher.<br />

Das Gula Mons Filmsyndikat ist ein<br />

eingespieltes Team: Acht Leute machen<br />

mit, vier davon sind ehemalige Schüler<br />

aus Sven Knüppels Kursen an der<br />

„Akademie Deutsche Pop“ in Barmbek-Süd.<br />

Für Hinz&<strong>Kunzt</strong> produzierten<br />

die Filmer alle Videos und Comics<br />

ehrenamtlich. Mindestens fünf Leute<br />

kamen am Dodo-Set zusammen: Kameramann,<br />

Regisseur, mehrere Puppenspieler<br />

und ein Springer.<br />

„Meistens liegen wir im Dreck“,<br />

sagt Sven Knüppel. Normal für Puppenspieler<br />

– der eigene Körper darf ja<br />

nicht im Bild sein, wie Hannes Jeske erklärt.<br />

Mit ausgestrecktem Arm, liegend<br />

auf einem Rollwagen, könne man die<br />

drei bis vier Stunden Filmdreh gut aushalten.<br />

„Anstrengend ist das hier“, sagt<br />

Einen Puppenfilm<br />

zu drehen,<br />

verlangt<br />

körper lichen<br />

Einsatz.<br />

Kameramann<br />

und Darsteller<br />

von Herrn<br />

Brechreiz,<br />

Hannes Jeske<br />

(links), und<br />

Regisseur<br />

Sven Knüppel<br />

haben Spaß.<br />

Knüppel und winkelt den Arm an.<br />

„Das hältst du nur zwei, drei Minuten<br />

aus.“ Beim Fotoshooting für die Comics<br />

mussten sich die Gula-Mons-Spieler<br />

eher gedanklich verrenken: nicht einfach,<br />

eine Geschichte in nur fünf oder<br />

sechs Bildern zu erzählen.<br />

Die Filmarbeiten mit Dodo Dronte<br />

waren auch ein Publikumsmagnet für<br />

Hinz&Künztler Marcel, der lange vor<br />

dem REWE-Markt neben der Akademie<br />

Deutsche Pop verkauft hat und den<br />

Kontakt zwischen Filmern und<br />

Hinz&<strong>Kunzt</strong> herstellte. „Wenn die gefilmt<br />

haben, sind viele stehen geblieben<br />

und haben zugeguckt“, erzählt er. Besonders<br />

bei Kindern kam der flauschige<br />

Dodo gut an. „So kamen dann auch<br />

Kunden, die das Heft vorher noch nicht<br />

gekauft hatten.“<br />

Künftig werden Dodos Fans anderswo<br />

nach ihm Ausschau halten müssen:<br />

Nach mehr als einem Jahr Einsatz für<br />

Hinz&<strong>Kunzt</strong> verabschiedet sich der Vogel<br />

und tritt dem Gula-Mons-Ensemble<br />

bei. Gut möglich, dass er bald wieder<br />

mit den Kultmöwen Eggers und Lenni<br />

auf Achse ist. Vielleicht aber auch mit<br />

seiner neuen Liebe? Dodos Zukunft hat<br />

viele Optionen: Er könnte abgeschoben<br />

werden, er könnte Herrn Brechreiz<br />

durch Flucht in fragwürdige Arbeitsverhältnisse<br />

vorerst entkommen. Oder er<br />

findet doch noch sein Happy End. Neugierig<br />

geworden? Dann lesen Sie auf<br />

Seite 56 Dodos letztes Abenteuer. •<br />

Kontakt: annabel.trautwein@hinzundkunzt.de<br />

<br />

LIL PUMP<br />

<br />

NILS LANDGREN:<br />

CHRISTMAS WITH MY FRIENDS<br />

<br />

JUDITH HOLOFERNES<br />

<br />

WLADIMIR KAMINER<br />

<br />

4U: A SYMPHONIC<br />

CELEBRATION OF PRINCE<br />

<br />

GIORA FEIDMAN TRIO<br />

<br />

ALL THE LUCK IN THE WORLD<br />

<br />

CYPRESS HILL<br />

<br />

ODEVILLE<br />

<br />

TORFROCK<br />

<br />

ALIN COEN &<br />

STÜBAPHILHARMONIE<br />

<br />

SUMMER CEM<br />

<br />

STAATLICHES RUSSISCHES<br />

BALLETT MOSKAU <br />

<br />

QUEEN MACHINE<br />

<br />

ELLA MAI<br />

<br />

JAN BÖHMERMANN<br />

<br />

RUDIMENTAL<br />

<br />

ALEX VARGAS<br />

<br />

MASTODON<br />

<br />

THE NEIGHBOURHOOD<br />

<br />

ECKART VON HIRSCHHAUSEN<br />

<br />

VIKTORIA TOLSTOY &<br />

JACOB KARLZON<br />

<br />

MAX MUTZKE & MONOPUNK<br />

<br />

SHAKIN' STEVENS<br />

<br />

PRIME CIRCLE<br />

<br />

HAYLEY KIYOKO<br />

<br />

GOOD CHARLOTTE<br />

<br />

GHOST<br />

<br />

ERSTE ALLGEMEINE<br />

VERUNSICHERUNG<br />

<br />

RIVAL SONS<br />

<br />

MAX GIESINGER<br />

51<br />

TICKETS: KJ.DE


Kult<br />

Tipps für den<br />

Monat <strong>Dezember</strong>:<br />

subjektiv und<br />

einladend<br />

Ausstellung<br />

Tiefer Einblick in Konzeptkunst<br />

Wo 1010 seine Werke hinterlässt, tun<br />

sich Abgründe auf: Mit scherenschnittartigen<br />

Kompositionen schafft der<br />

Street-Art-Künstler die Illusion von<br />

Löchern und Schluchten, die den Blick<br />

sprichwörtlich einfangen. Seine Bilder<br />

sind inzwischen weltweit an Hauswänden<br />

und Mauern zu finden. In<br />

Paris malte und sprühte er sogar eines<br />

seiner von Farben umgebenen schwarzen<br />

Löcher auf einen 4500 Quadratmeter<br />

großen Autobahnabschnitt.<br />

Auch in Hamburg sind die Bilder von<br />

1010 zu sehen, zum Beispiel in der<br />

52<br />

Mit dem Kopf durch die Wand: Die Kunstwerke des Hamburger<br />

Street-Art-Künstlers 1010 geben neuen Raum für Gedanken frei.<br />

Bleicherstraße in Altona. Einen umfassenden<br />

Eindruck von der Arbeit des<br />

Konzeptkünstlers gibt nun die Affenfaust<br />

Galerie mit einer Werkschau. •<br />

Affenfaust Galerie, Paul-Roosen-Str. 43,<br />

ab Fr, 7.12., Mi+Do, 15–19 Uhr, Sa, 14–18<br />

Uhr, Eintritt frei, www.affenfaustgalerie.de


WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

<strong>Kunzt</strong>&Kult<br />

Musik<br />

Überraschungen in der Oper<br />

Jeden Tag ein kleines Kulturgut: Die<br />

Staatsoper schenkt Hamburg zum<br />

Advent 20-minütige Darbietungen<br />

im Foyer. Künstler präsentieren<br />

Geschichten, Gedichte oder Lieder –<br />

der „Adventskalender“ birgt viele<br />

Überraschungen. Spendenerlöse<br />

kommen Hinz&<strong>Kunzt</strong> zugute. •<br />

Staatsoper, Große Theaterstraße 25,<br />

Mo–Sa, 17 Uhr, So, 12 Uhr, Eintritt frei,<br />

www.staatsoper-hamburg.de<br />

FOTOS: MAURICIO BUSTAMANTE (1010), ANDREAS GUZMAN, STUKE/SIEBER<br />

Konzert<br />

Kochen mit Musik<br />

Ausstellung<br />

Junge Japaner zeigen Haltung<br />

Die Reaktorkatastrophe in Fukushima hat Japan verändert und neue Formen von<br />

Protest und Subkultur hervorgebracht. Das zeigt sich auch in den Fotografien von<br />

Katja Stuke und Oliver Sieber: Seit 2006 porträtieren die beiden junge Menschen<br />

in Japan und dokumentieren, wie<br />

sich die Jugend des Landes politisiert.<br />

In ihren fotografischen Streifzügen<br />

zeigen sie, wie sich auch der<br />

urbane Raum verändert. Katja Stuke<br />

und Oliver Sieber nähern sich<br />

der japanischen Gesellschaft systematisch<br />

an, ohne dabei verstehen<br />

oder darstellen zu wollen, wie Japan<br />

tickt. Stattdessen suchen die beiden<br />

nach Schnittstellen zu Themen, die<br />

ihnen auch im deutschen Alltag<br />

begegnen. •<br />

Museum für Kunst und Gewerbe,<br />

Steintorplatz, ab Do, 6.12., Di–So,<br />

10–18 Uhr, Do, 10–21 Uhr, Eintritt<br />

12/8 Euro, bis 17 Jahre frei,<br />

www.mkg-hamburg.de<br />

Jake Shane ist weit herumgekommen. Seine<br />

Songs handeln von Fernweh und Sehnsucht.<br />

Jede Party endet in der Küche? Diese fängt schon dort an: Beim Küchenkonzert<br />

im Kölibri wird zu Livemusik geschnippelt, gebrutzelt und gespeist. Diesmal stellt<br />

der amerikanische Folksänger Jake Shane sein neues Album „Water To Land“ vor.<br />

Nachschlag gibt es von Bilal: Der Sänger und Gitarrist spielt Songs, die sich<br />

zwischen Jazz, Funk und der Musik der Kapverden bewegen. •<br />

Kölibri, Hein-Köllisch-Platz 12, So, 9.12., 18.30 Uhr, Eintritt frei, Spenden willkommen,<br />

www.gwa-stpauli.de<br />

Die Ausstellung „Japanese Lesson“ zeigt neue<br />

Protestformen in den Subkulturen des Landes.<br />

Markt<br />

Kunstvolle Kleinode<br />

Schönes zum Stöbern und Schenken<br />

bieten Hamburger Kunsthandwerker<br />

beim Weihnachtsmarkt in Winterhude<br />

an – vom Kettenanhänger bis<br />

zum Kleinmöbel. Für Kinder gibt es<br />

Maskentheater und eine Bastelecke.<br />

Auch Hinz&<strong>Kunzt</strong> ist mit einem<br />

Stand vertreten. •<br />

Goldbekhaus, Moorfuhrtweg,<br />

Sa+So, 8.+9.12., 11–18 Uhr,<br />

Eintritt frei, www.goldbekhaus.de<br />

Debatte<br />

Menschenrechte unter Druck<br />

„Frei und gleich an Würde und<br />

Rechten“ sollen wir sein – sagt die<br />

Erklärung der Menschenrechte, die<br />

am 10. <strong>Dezember</strong> vor 70 Jahren verfasst<br />

wurde. Was sichert diese Rechte<br />

heute noch, wie können wir sie schützen?<br />

Das erörtern Aktivisten, Reporter<br />

und Juristen am Jahrestag. •<br />

Mahnmal St. Nikolai, Willy-Brandt-Str. 60,<br />

Mo, 10.12., 18 Uhr, Eintritt frei,<br />

www.mahnmal-st-nikolai.de<br />

Festival<br />

Leinwand frei für junge Filmer<br />

Auch Fatih Akin hat hier mal angefangen:<br />

Das Festival „abgedreht“ gibt<br />

Schülern, Studierenden und jungen<br />

Amateurfilmern die Chance, sich und<br />

ihre Kurzfilme vor großem Publikum<br />

zu präsentieren. •<br />

Metropolis Kino, Kleine Theaterstr. 10,<br />

13.+14.12., ab 10.30 Uhr, Eintritt 5/3 Euro<br />

pro Film, www.abgedreht-hamburg.de<br />

53


„Conscious Rap“ heißt das Genre, dem sich die amerikanische<br />

Konzert<br />

Hip-Hopperin Akua Naru verschrieben hat.<br />

Poetischer Rap mit klarer Botschaft<br />

Da steckt Soul drin: Akua Naru kombiniert<br />

klar akzentuierten Rap mit<br />

Chorgesang im Stil afroamerikanischer<br />

Kirchenmusik. In ihren Texten bringt<br />

die Musikerin rüber, was ihr politisch<br />

wichtig ist: Sie thematisiert Diskriminierung<br />

und ungleiche Chancen, setzt sich<br />

für die Rechte von Frauen ein und ermutigt<br />

zu Widerstand. Akua Naru weiß,<br />

worüber sie rappt: Ihre Eltern hatten<br />

sehr wenig Geld, ihre Herkunftsstadt<br />

war von Kriminalität geprägt. Zudem<br />

beschäftigt sie sich wissenschaftlich mit<br />

den Ausdrucksformen schwarzer Frauen<br />

in der Reimkunst. All das macht die<br />

Rapperin zu einer wichtigen Stimme<br />

in einer Szene, die Frauen oft nicht hinreichend<br />

zu Wort kommen lässt. Akua<br />

Naru hat sich einen Namen gemacht<br />

mit klaren Ansagen und wurde zugleich<br />

54<br />

für ihre feinfühlige Poesie gefeiert. Sie<br />

spricht ihre Vergangenheit offen an und<br />

erzählt davon, wie sie sich in schweren<br />

Zeiten behauptete. Das gefällt Hip-<br />

Hop-Fans auf der ganzen Welt: Akua<br />

Naru trat mit ihrer Band schon auf<br />

fünf Kontinenten auf. •<br />

Knust, Neuer Kamp 30, So, 16.12.,<br />

20 Uhr, Eintritt 22,70 Euro (VVK),<br />

www.knusthamburg.de


FOTOS: OHA!MUSIC; CHRIS SCHWAGGA; PRIVAT<br />

<strong>Kunzt</strong>&Kult<br />

Bühne<br />

Ruandische Künstler blicken nach vorn<br />

Bei Ruanda denken hierzulande die meisten vor allem an den Völkermord im<br />

Jahr 1994. Doch das ostafrikanische Land hat auch eine Zukunft. Dieser widmet<br />

sich die Performance „Planet Kigali“. Das Stück bringt Tanz, Musik, Kunst<br />

und Mode zusammen und<br />

greift in jeder Disziplin ruandische<br />

Traditionen auf: Auf<br />

der Bühne treffen indigener<br />

und zeitgenössischer Tanz<br />

zusammen, im Bühnenbild<br />

finden sich landestypische<br />

Muster, der ruandische<br />

Modestar Cedric Mizero hat<br />

die Kostüme entworfen. Die<br />

Musik zum Stück mixt der<br />

Hamburger Andi Otto aus<br />

Geräuschen der Hauptstadt<br />

Kigali und elek tronischen<br />

Klängen. •<br />

Kampnagel, Jarrestraße 20,<br />

Mi–So, 12.–16.12., jeweils<br />

20 Uhr, Eintritt 12–18 Euro,<br />

www.kampnagel.de<br />

Tradition und Zukunftsvisionen<br />

greifen bei der Tanzperformance<br />

„Planet Kigali“ ineinander.<br />

Kinder<br />

Probier’s mal mit Gemütlichkeit<br />

Großes Abenteuer und kleine Lebensweisheiten<br />

machen das Dschungelbuch<br />

seit Generationen zur Lieblingsgeschichte.<br />

Der Klassiker von<br />

Rudyard Kipling weckt nicht nur<br />

romantische Vorstellungen vom wilden<br />

Dschungel, sondern streift auch<br />

große Fragen: Was unterscheidet den<br />

Menschen vom Tier? Kann Prägung<br />

die Herkunft überwinden? Das St.<br />

Pauli Theater bringt die Erzählung<br />

um Mogli, seine Wolfsfamilie, den<br />

gemütlichen Bären Balu und den<br />

machthungrigen Tiger Shir Khan<br />

für Kinder auf die Bühne. •<br />

St. Pauli Theater, Spielbudenplatz 29–30,<br />

1.–22.12., Eintritt 10,90–25,90 Euro,<br />

www.st-pauli-theater.de<br />

Wir verlosen vier Karten für die Veranstaltung<br />

am Mittwoch, 19.12., um 17 Uhr<br />

unter allen, die bis zum 15.12. eine Mail<br />

mit dem Stichwort „Dschungelbuch“ an<br />

info@hinzundkunzt.de schicken.<br />

55<br />

Konzert<br />

Verborgene Erinnerungen<br />

Wenn der Geist die Kraft verliert,<br />

werden Gefühle umso wichtiger. Das<br />

Ensemble Resonanz und die Körber<br />

Stiftung laden deshalb zu einem<br />

Konzert ein, das besonders Menschen<br />

mit Demenz und ihre Angehörigen<br />

anspricht. Die vertrauten<br />

Stücke von Georg Friedrich Händel,<br />

Franz Liszt und Igor Strawinsky<br />

wecken bei vielen Demenzkranken<br />

tief verborgene Erinnerungen und<br />

können so für einen Moment lang<br />

Halt und Zuversicht geben. Das<br />

Konzert dauert etwa eine Stunde. •<br />

Haus im Park, Gräpelweg 8, Mo,<br />

17.12., 15.30 Uhr, Eintritt 5/4,25 Euro,<br />

www.koerber-stiftung.de<br />

Über Tipps für Januar freut sich<br />

Annabel Trautwein. Bitte bis 7.12.<br />

schicken: redaktion@hinzundkunzt.de<br />

Kinofilm des Monats<br />

Alles anders<br />

als in Bullerbü<br />

Piratenschiffe, starke Mädchen,<br />

Abenteuer – Pippi<br />

Langstrumpf ist Balsam für<br />

Kinderseelen. Erst jetzt,<br />

lange erwachsen, erfahre<br />

ich, dass im Leben der großartigen<br />

Erfinderin von Pippi,<br />

Michel oder Ronja alles anders<br />

war als in Bullerbü.<br />

„Astrid“ heißt die verfilmte<br />

Biografie von Astrid<br />

Lindgren (ab 6.12. im Kino).<br />

Und die lässt erst einmal<br />

schlucken. Als junge Frau<br />

verliebt sie sich in ihren verheirateten<br />

Chef und wird<br />

schwanger. Um einem Skandal<br />

zu entgehen, überlässt sie<br />

ihr Kind schweren Herzens<br />

einer Pflegemutter, bis diese<br />

krank wird. Plötzlich muss<br />

Lindgren ihren Sohn großziehen,<br />

der nie eine Bindung<br />

zu ihr aufbauen konnte. Mit<br />

der Kraft ihrer Fantasie und<br />

ihren Geschichten schafft sie<br />

es, sein Herz zu erobern.<br />

Bevor am Ende alles gut<br />

wird, werden der jungen<br />

Frau noch mächtig Steine in<br />

den Weg gelegt. Unterstützung<br />

erhält sie gerade von<br />

den Menschen, von denen sie<br />

es am wenigsten erwartet.<br />

Bitter und schwermütig,<br />

heiter und hoffnungsvoll – bei<br />

Astrid liegen diese Emotionen<br />

nah beieinander. Und so<br />

ist das Biopic nicht nur ein<br />

tolles und zu Herzen gehendes<br />

Porträt einer großen<br />

Künstlerin, sondern auch eines<br />

Jahrhunderts, in dem sich<br />

die Rolle der Frau maßgeblich<br />

verändert hat. Auch das<br />

ist starken Frauen wie Astrid<br />

Lindgren zu verdanken. •<br />

André Schmidt<br />

geht seit<br />

Jahren für uns<br />

ins Kino.<br />

Er arbeitet in der<br />

PR-Branche.


<strong>Kunzt</strong>&Comic<br />

HINZ&KUNZT N°<strong>310</strong>/DEZEMBER <strong>2018</strong><br />

56


WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

Rätsel<br />

ILLUSTRATION (BLEISTIFT IM IMPRESSUM): BERND MÖLCK-TASSEL<br />

Kränkung<br />

Staat von<br />

Brasilien<br />

Figur<br />

aus der<br />

„Zauberflöte“<br />

Teil von<br />

Großbritannien<br />

Schiffsbesatzung<br />

Vogelkleid<br />

gewissermaßen,<br />

sozusagen<br />

3. und<br />

4. Fall<br />

von: wir<br />

Vermittler,<br />

Vertreter<br />

8<br />

3<br />

1<br />

6<br />

7<br />

4<br />

1<br />

lateinisch:<br />

Wasser<br />

2<br />

6<br />

3<br />

5<br />

Stadt und<br />

Provinz<br />

in Spanien<br />

umgangssprachlich:<br />

Prügel<br />

3<br />

7<br />

1<br />

2<br />

9<br />

1<br />

Richtungsanzeiger<br />

Dresseur,<br />

Trainer<br />

veraltet:<br />

Cousine<br />

4<br />

3<br />

7<br />

9<br />

4<br />

7<br />

Auftraggeber<br />

eines<br />

Anwalts<br />

4<br />

5<br />

6<br />

5<br />

3<br />

5<br />

1<br />

Maria mit<br />

Leichnam<br />

Jesu<br />

deutscher<br />

Schauspieler<br />

(Heiner)<br />

Randgebirge<br />

des Pamir<br />

zu reichliches<br />

Warenangebot<br />

Ausgestoßener<br />

Prophet<br />

im Alten<br />

Testament<br />

Vorgebirge<br />

nord.<br />

Totenreich<br />

Fahrstuhl,<br />

Aufzug<br />

9<br />

7<br />

2<br />

5<br />

dt. Sendeanstalt<br />

(Abk.)<br />

Kamel der<br />

Anden<br />

Anruf<br />

eines<br />

Schiffes<br />

Riesenhirsch,<br />

Elch<br />

verfallenes<br />

Weltraum<br />

Gebäude<br />

französische<br />

Verneinung<br />

persönliches<br />

Fürwort<br />

(3. Fall)<br />

Epos von<br />

Homer<br />

Vorsteher<br />

eines<br />

Mönchsklosters<br />

altperuanischer<br />

Adliger<br />

internat.<br />

Raumstation<br />

(Abk.)<br />

Frauenname<br />

umgangssprachlich:<br />

Geschwätz<br />

Wappenforscher<br />

Kirchengalerie<br />

heilkräftiges<br />

Harz<br />

Epoche,<br />

Zeitalter<br />

englischer<br />

Gasthof<br />

Lösungen an: Hinz&<strong>Kunzt</strong>, Altstädter Twiete 1–5, 20095 Hamburg,<br />

per Fax an 040 32 10 83 50 oder per E-Mail an info@hinzundkunzt.de.<br />

Einsendeschluss: 27. <strong>Dezember</strong> <strong>2018</strong>. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.<br />

Wer die korrekte Lösung für eines der beiden Rätsel einsendet,<br />

kann zwei Karten für die Hamburger Kunsthalle oder einmal zwei Eintrittskarten<br />

für das Stück „Adel verpfl ichtet“ im Ernst Deutsch Theater<br />

(einzulösen bis zum 11.1.2019) gewinnen.<br />

6<br />

8<br />

3<br />

7<br />

10<br />

7<br />

8<br />

9<br />

2<br />

4<br />

10<br />

5<br />

AR1115-0618_10<br />

Füllen Sie das Gitter so<br />

aus, dass die Zahlen von<br />

1 bis 9 nur je einmal in<br />

jeder Reihe, in jeder<br />

Spalte und in jedem<br />

Neun-Kästchen-Block<br />

vorkommen.<br />

Als Lösung schicken<br />

Sie uns bitte die farbig<br />

gerahmte, unterste<br />

Zahlenreihe.<br />

Impressum<br />

Redaktion und Verlag<br />

Hinz&<strong>Kunzt</strong><br />

gemeinnützige Verlags- und Vertriebs GmbH<br />

Altstädter Twiete 1–5, 20095 Hamburg<br />

Tel. 040 32 10 83 11, Fax 040 32 10 83 50<br />

Anzeigenleitung Tel. 040 32 10 84 01<br />

E-Mail info@hinzundkunzt.de, www.hinzundkunzt.de<br />

Herausgeber<br />

Landespastor Dirk Ahrens, Diakonisches Werk Hamburg<br />

Externer Beirat<br />

Prof. Dr. Harald Ansen (Armutsexperte HAW-Hamburg),<br />

Mathias Bach (Kaufmann), Dr. Marius Hoßbach (Rechtsanwalt),<br />

Olaf Köhnke (Ringdrei Media Network),<br />

Thomas Magold (BMW-Niederlassungsleiter i.R.),<br />

Beate Behn (Lawaetz-Service GmbH), Karin Schmalriede (Lawaetz-Stiftung),<br />

Dr. Bernd-Georg Spies (Russell Reynolds),<br />

Alexander Unverzagt (Medienanwalt), Oliver Wurm (Medienberater)<br />

Geschäftsführung Dr. Jens Ade<br />

Redaktion Birgit Müller (bim; Chefredakteurin, v.i.S.d.P.),<br />

Annette Woywode (abi; Stellv., CvD), Simone Deckner (sim),<br />

Jonas Füllner (jof), Ulrich Jonas (ujo), Frank Keil (fk),<br />

Benjamin Laufer (bela), Misha Leuschen (leu),<br />

Annabel Trautwein (atw)<br />

Korrektorat Uta Sternsdorff und Kerstin Weber<br />

Redaktionsassistenz Sonja Conrad, Cedric Horbach<br />

Online-Redaktion Simone Deckner, Jonas Füllner, Benjamin Laufer<br />

Artdirektion grafikdeerns.de<br />

Öffentlichkeitsarbeit Sybille Arendt, Friederike Steiffert<br />

Anzeigenleitung Sybille Arendt<br />

Anzeigenvertretung Caroline Lange,<br />

Wahring & Company, Tel. 040 284 09 418, c.lange@wahring.de<br />

Es gilt die Anzeigenpreisliste Nr. 23 vom 1. Januar <strong>2018</strong><br />

Vertrieb Christian Hagen (Leitung), Marcus Chomse,<br />

Sigi Pachan, Jürgen Jobsen, Meike Lehmann, Sergej Machov,<br />

Frank Nawatzki, Elena Pacuraru, Reiner Rümke, Cristina Stanculescu,<br />

Marcel Stein, Cornelia Tanase, Silvia Zahn<br />

Rechnungswesen/Systemadministration Frank Belchhaus<br />

Spendenmarketing Gabriele Koch<br />

Spendenverwaltung/Rechnungswesen Susanne Wehde<br />

Sozialarbeit Stephan Karrenbauer (Leitung), Isabel Kohler<br />

Das Stadtrundgang-Team Stephan Karrenbauer (Leitung),<br />

Chris Schlapp, Harald Buchinger<br />

Das BrotRetter-Team Stephan Karrenbauer (Leitung),<br />

Stefan Calin, Ionel Lupu, Bianca Raducan<br />

Das Team von Spende Dein Pfand am Airport Hamburg<br />

Stephan Karrenbauer (Leitung), Uwe Tröger, Jonas Gengnagel,<br />

Klaus Peterstorfer, Herbert Kosecki<br />

Litho PX2@ Medien GmbH & Co. KG<br />

Produktion Produktionsbüro Romey von Malottky GmbH<br />

Druck A. Beig Druckerei und Verlag,<br />

Damm 9–15, 25421 Pinneberg<br />

Umschlag-Druck Neef+Stumme premium printing GmbH & Co. KG<br />

Verarbeitung Delle und Söhne, Buchbinderei<br />

und Papierverarbeitungsgesellschaft mbH<br />

Spendenkonto Hinz&<strong>Kunzt</strong><br />

IBAN: DE56 2005 0550 1280 1678 73<br />

BIC: HASPDEHHXXX<br />

Die Hinz&<strong>Kunzt</strong> gGmbH mit Sitz in Hamburg ist durch den aktuellen<br />

Freistellungsbescheid bzw. nach der Anlage zum Körperschaftssteuerbescheid<br />

des Finanzamts Hamburg-Nord, Steuernummer 17/414/00797, vom<br />

21.2.<strong>2018</strong>, für den letzten Veranlagungszeitraum 2016 nach § 5 Abs.1 Nr. 9<br />

des Körperschaftssteuergesetzes von der Körperschaftssteuer und nach<br />

§ 3 Nr. 6 des Gewerbesteuergesetzes von der Gewerbesteuer befreit.<br />

Geldspenden sind steuerlich nach §10 EStG abzugsfähig. Hinz&<strong>Kunzt</strong> ist als<br />

gemeinnützige Verlags- und Vertriebs GmbH im Handelsregister beim<br />

Amtsgericht Hamburg HRB 59669 eingetragen.<br />

Wir bestätigen, dass wir Spenden nur für die Arbeit von Hinz&<strong>Kunzt</strong> einsetzen.<br />

Adressen werden nur intern verwendet und nicht an Dritte weitergegeben.<br />

Beachten Sie unsere Datenschutzerklärung, abrufbar auf www.hinzundkunzt.de.<br />

Hinz&<strong>Kunzt</strong> ist ein unabhängiges soziales Projekt, das obdachlosen<br />

und ehemals obdachlosen Menschen Hilfe zur Selbsthilfe bietet.<br />

Das Magazin wird von Journalisten geschrieben, Wohnungslose und<br />

ehemals Wohnungslose verkaufen es auf der Straße. Sozialarbeiter<br />

unterstützen die Verkäufer.<br />

Das Projekt versteht sich als Lobby für Arme.<br />

Gesellschafter<br />

Durchschnittliche monatliche<br />

Druckauflage 4. Quartal <strong>2018</strong>:<br />

83.000 Exemplare<br />

57


Momentaufnahme<br />

„Meine Kunden sind für<br />

mich wie eine Familie“<br />

Holger (56) verkauft Hinz&<strong>Kunzt</strong> an der U-Bahn-Station<br />

Hagenbecks Tierpark.<br />

TEXT: JONAS FÜLLNER<br />

FOTO: MAURICIO BUSTAMANTE<br />

Er war obdachlos und alkoholkrank.<br />

„Zum Glück lange her“, sagt Holger.<br />

Bis der Hinz&Künztler wieder auf den<br />

Füßen landete, musste er einen weiten<br />

Weg zurücklegen. Eine wichtige Stütze<br />

war sein Bruder. Vor vier Jahren hatten<br />

sie wieder Kontakt aufgenommen. „Wir<br />

haben uns regelmäßig getroffen. Mit<br />

ihm konnte ich über alles reden“, erzählt<br />

Holger, und Tränen schießen ihm<br />

in die Augen. Sein Bruder verstarb<br />

überraschend im Spätsommer. Holger<br />

zog es den Boden unter den Füßen weg.<br />

In seiner Verzweiflung griff er wieder<br />

zur Flasche. Ein schlimmer Rückfall.<br />

Aber nach ein paar Tagen gab er<br />

sich einen Ruck und kümmerte sich um<br />

einen Entzug. Aktuell ist er in Therapie.<br />

Mal wieder. „Ich bin so ein Stehaufmännchen“,<br />

sagt der 56-Jährige mit<br />

Blick auf sein Leben.<br />

Rostocker Querkopf:<br />

In der DDR saß<br />

Holger im Knast, bis<br />

die Bundesrepublik<br />

ihn 1986 freikaufte.<br />

Der gelernte Zimmermann stammt aus<br />

Rostock. Als Querkopf eckte er an.<br />

Sein Verhalten brachte ihn in der DDR<br />

hinter Gitter. Der Westen habe ihn<br />

schließlich 1986 freigekauft, erzählt der<br />

Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Verkäufer. Holger war<br />

zwar frei, aber zu seiner Familie durfte<br />

er keinen Kontakt mehr aufnehmen.<br />

Er ging nach Süddeutschland und<br />

lernte seine „große Liebe“ kennen. Sie<br />

heirateten, bekamen zwei Kinder: „Das<br />

war eine schöne Zeit“, erinnert er sich.<br />

Die Probleme der Vergangenheit waren<br />

vergessen. Auch beruflich lief alles glatt.<br />

„Damals habe ich zwei Autos vor der<br />

Tür gehabt“, sagt Holger stolz.<br />

2001 ging seine Beziehung in die<br />

Brüche, seine Welt brach zusammen.<br />

„Ich habe früher zu sehr geklammert“,<br />

sagt er rückblickend. Holger griff zur<br />

Flasche. Weil auch das nicht half, nahm<br />

er Reißaus. Er landete in Hamburg,<br />

schlief bei einem Kumpel. „Aber der<br />

hat noch mehr getrunken als ich.“<br />

Der Absturz war rasant. Bald schon<br />

schlief Holger auf der Straße. Zu seinen<br />

Kindern hatte er längst keinen Kontakt<br />

mehr. Aber er berappelte sich. Machte<br />

einen Entzug und arbeitete anschließend<br />

sogar als Busfahrer. Der nächste<br />

Absturz kam 2008. Erneut ging eine Beziehung<br />

in die Brüche. Wieder verlor<br />

Holger den Halt, zudem auch Arbeit<br />

und Wohnung. Aber nicht seinen Mut.<br />

Tatsächlich schaffte er es aus eigener<br />

Kraft noch einmal weg von der<br />

Straße. Dabei half ihm der Verkauf von<br />

Hinz&<strong>Kunzt</strong>. Holger sagt, er habe dadurch<br />

eine neue „Familie“ gefunden:<br />

seine Kunden. „Die machen sich schon<br />

Sorgen, wenn ich mal einen Tag nicht<br />

da bin.“ Kein Wunder. Vor drei Jahren<br />

erlitt Holger einen Schlaganfall. Seitdem<br />

ist er wohl auch demütiger. Noch<br />

mal in Vollzeit zu arbeiten, das traut er<br />

sich nicht mehr zu. Deswegen kümmert<br />

er sich jetzt um seine Frühverrentung.<br />

Mutiger war er in einem anderen<br />

Punkt: Trotz allem, was passiert ist, hat<br />

er Kontakt zu seinen Kindern aufgenommen<br />

– ganz, ganz vorsichtig. Vor allem<br />

aber ist er dankbar. Dafür, dass seine<br />

Kunden so sehr zu ihm halten.<br />

„Nach der Arbeit gehe ich mit gutem<br />

Gefühl nach Hause“, sagt Holger, das<br />

Stehaufmännchen. •<br />

Holger und alle anderen Hinz&Künztler<br />

erkennt man am Verkaufsausweis.<br />

Niemand kennt<br />

Hamburgs Straßen besser.<br />

Verkäuferausweis<br />

4578<br />

A. Beig<br />

Druckerei und Verlag<br />

GmbH & Co. KG<br />

Damm 9-19, 25421 Pinneberg<br />

Tel. 0 41 01/5 35-0<br />

Wir sorgen für den nötigen Druck!<br />

In unserer modernen und leistungsstarken Druckerei in Pinneberg<br />

produzieren wir neben unseren eigenen Publikationen auch zahlreiche<br />

Fremdaufträge. Wir stellen jährlich so ca. 90 Mio. Zeitungen her<br />

und verarbeiten über 350 Mio. Beilagen.<br />

www.a-beig.de


KUNZT-<br />

KOLLEKTION<br />

BESTELLEN SIE DIESE UND WEITERE PRODUKTE BEI: Hinz&<strong>Kunzt</strong> gGmbH,<br />

www.hinzundkunzt.de/shop, shop@hinzundkunzt.de, Altstädter Twiete 1–5, 20095 Hamburg,<br />

Tel. 32 10 83 11. Preise zzgl. Versandkostenpauschale 4 Euro, Ausland auf Anfrage.<br />

1.<br />

1. Schürze „<strong>Kunzt</strong>Küche“<br />

100% GOTS zertifi zierte Bio-Baumwolle.<br />

Farbe: norddeutschgrau,<br />

Schürzenbreite ca. 80 cm, Länge ca. 86 cm,<br />

von Kaya & Kato GmbH, Firma für<br />

fair produzierte Arbeitskleidung aus Köln.<br />

Preis: 25 Euro<br />

Auch als Bundle zusammen mit dem<br />

Kochbuch „Willkommen in der <strong>Kunzt</strong>Küche!“<br />

erhältlich (siehe Seite 43).<br />

Preis: 45 Euro<br />

2. Tasse „Fischkopp“<br />

Sonderedition für Hinz&<strong>Kunzt</strong> von der<br />

Hamburger Firma AHOI MARIE.<br />

Qualitätsporzellan von Kahla aus Thüringen.<br />

Design: Jan-Hendrik Holst,<br />

keramischer Siebdruck.<br />

Maße: D: 9 cm, H: 9 cm,<br />

mikrowellen- und spülmaschinentauglich.<br />

Preis: 13,90 Euro<br />

4.<br />

5.<br />

2.<br />

3. Frühstücksbrettchen<br />

Exklusiv für Hinz&<strong>Kunzt</strong><br />

aus der Serie „Schöne Aussichten“,<br />

Pension für Produkte Hamburg.<br />

Design: Wolfgang Vogler,<br />

Material: Esche geölt (aus heimischen Wäldern),<br />

lasergraviert. Jedes Brett ist ein Unikat,<br />

in Deutschland gefertigt.<br />

Preis: 15,90 Euro<br />

4. Mütze „Kopf hoch!“<br />

Farbe: anthrazit<br />

hergestellt in Norddeutschland,<br />

100 % Merinowolle.<br />

Preis: 19,90 Euro<br />

5. Jubiläumsbonbons von Lutschebuller<br />

Lutschbonbons in den Geschmacksrichtungen<br />

Vanille-Zimt und Kaffee-Vanille.<br />

Hergestellt in Hamburg nach dänischem Rezept.<br />

Vegan, aber nicht zuckerfrei.<br />

Preis pro Glas: 3,95 Euro<br />

6.<br />

7.<br />

3.<br />

6. Haftnotizen<br />

Haftnotizpapier mit Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Logo fürs<br />

Büro, Zuhause und alle Lebenslagen, in denen<br />

Gedanken schnell festgehalten werden müssen.<br />

5 Blocks à 50 Blatt, 7 x 7 cm.<br />

Preis: 6,50 Euro<br />

7. „Ein mittelschönes Leben“<br />

Eine Geschichte für Kinder<br />

über Obdachlosigkeit von Kirsten Boie,<br />

illustriert von Jutta Bauer.<br />

Preis: 4,80 Euro


Wir möchten, dass Sie es warm haben.<br />

Als Spezialist für umweltfreundliche und hocheffiziente Wärmelösungen<br />

sorgt HanseWerk Natur seit Jahrzehnten für warme Wohnzimmer und<br />

Werkshallen im Norden. Und weil wir wissen, dass menschliche Wärme<br />

genauso wichtig ist wie eine warme Heizung, unterstützen wir seit vielen<br />

Jahren das Hamburger Straßenmagazin Hinz&<strong>Kunzt</strong>.<br />

Energielösungen für den Norden

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!