Hinz&Kunzt 310 Dezember 2018
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Das Hamburger<br />
Straßenmagazin<br />
Seit 1993<br />
N O <strong>310</strong><br />
Dez .18<br />
2,20 Euro<br />
Davon 1,10 Euro<br />
für unsere Verkäufer<br />
Schöne<br />
Bescherung!<br />
Was Hinz&Künztler ihren Hunden<br />
zu Weihnachten schenken.
Eine bessere Welt?<br />
Wie, steht im Greenpeace Magazin.<br />
6 Ausgaben<br />
Greenpeace Magazin<br />
ab 33,50 Euro<br />
& den Jahreskalender 2019<br />
„So schöne Schafe“<br />
legen wir obendrauf!<br />
Jetzt bestellen und kostenlos<br />
liefern lassen:<br />
040/38 66 66 306 oder<br />
greenpeace-magazin.de/<br />
weihnachtsabo
WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />
Inhalt<br />
TITELBILD: MAURICIO BUSTAMANTE; FOTO OBEN: DMITRIJ LELTSCHUK<br />
Es ist ja unser Alltag, dass Freud und Leid bei uns<br />
nah beieinander liegen. Aber diesmal ist es besonders<br />
krass. Ende Oktober starb unsere Verkäuferin<br />
Joanna auf der Straße. An Unterkühlung (Seite 22).<br />
Und kaum ein paar Tage später folgten Macij und<br />
Mitte November Biggi. Woran genau die beiden gestorben<br />
sind, ist ungeklärt. Fakt ist: Alle drei waren<br />
seit Jahren obdachlos und bekamen ganz offensichtlich<br />
nicht die Hilfe, die sie gebraucht hätten. Alarmierend<br />
auch, dass im Winternotprogramm zwar<br />
noch Betten frei sind, aber so viele Obdachlose<br />
trotzdem draußen bleiben. Weil die Unterkünfte zu<br />
Inhalt<br />
Joanna vor dem<br />
Winternotprogramm<br />
Unsere polnische<br />
Verkäuferin Joanna lebte<br />
jahrelang auf der Straße.<br />
Ohne Hoffnung auf eine<br />
Therapie, geschweige<br />
denn auf eine Unterkunft<br />
(Seite 22). Am 28. Oktober<br />
ist sie gestorben.<br />
Wintereinbruch und erste Kältetote<br />
Stadtgespräch<br />
04 Gut&Schön<br />
06 Wau! Was Hinz&Künztler ihren<br />
Hunden zu Weihnachten schenken<br />
12 Letzter Ausweg Kirchenasyl<br />
14 Zahlen des Monats: Dumpinglöhne<br />
im Hotelgewerbe<br />
16 Winternotprogramm: Obdachlose<br />
berichten über ihre Erfahrungen<br />
22 Joanna: auf der Parkbank erfroren<br />
34 Neues Magazin: Liebeserklärung<br />
an das Grundgesetz<br />
Bangladesch:<br />
Fotograf GMB<br />
Akash half auch<br />
Fatema Begum<br />
und ihren Söhnen<br />
(S. 24).<br />
groß sind, weil die Menschen morgens wieder rausmüssen<br />
(Stand: 21. November). Wir fordern deshalb<br />
(zum wievielten Mal eigentlich?), dass die Stadt<br />
Sofortmaßnamen einleitet (Seite 21).<br />
Mal was Schönes: Unser Jubiläumsfest (Seite 38)<br />
war toll. Danke an das Festkomittee: unsere Kolleginnen<br />
Sybille Arendt, Gabi Koch, Friederike Steiffert<br />
und alle Ehrenamtlichen. Und Ihnen wünschen<br />
wir schöne Weihnachten und ein frohes neues Jahr!<br />
Beste Stimmung: Gustav Peter Wöhler sorgte<br />
beim Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Fest für die Musik (S. 38).<br />
Fotoreportage<br />
24 Was für ein Glück! Fotograf GMB<br />
Akash spendet armen Menschen, die<br />
er fotografiert hat, Miniunternehmen<br />
Freunde<br />
38 Super Party! 800 Gäste feierten<br />
25 Jahre Hinz&<strong>Kunzt</strong> in der Markthalle<br />
44 Hoch die Tassen! Peter Hagemann<br />
hilft mit Kaffeespenden<br />
<strong>Kunzt</strong>&Kult<br />
48 Neu in der Strassen<strong>Kunzt</strong>Edition:<br />
die Künstlerin Coco Bergholm<br />
50 Abschied von Comicheld Dodo Dronte<br />
52 Tipps für den <strong>Dezember</strong><br />
56 Comic mit Dodo Dronte<br />
58 Momentaufnahme<br />
Ihre Birgit Müller Chefredakteurin<br />
(Schreiben Sie uns doch an info@hinzundkunzt.de)<br />
Rubriken<br />
05, 21 Kolumnen<br />
32, 33 Meldungen<br />
46 Leserbriefe<br />
57 Rätsel, Impressum<br />
Wir unterstützen Hinz&<strong>Kunzt</strong>. Aus alter Freundschaft und mit neuer Energie. Hanse Werk
Weihnachten<br />
Kinderbilder für<br />
Hinz&Künztler<br />
„Toll ist das“, sagt Uwe. Vor ihm liegen<br />
lauter bunte Kinderbilder, gemalt von<br />
Schülerinnen und Schülern einer Klasse<br />
der Grundschule Brackel (südlich<br />
von Seevetal). Manche haben zum kleinen<br />
Kunstwerk auch noch etwas dazugeschrieben:<br />
„Ich hoffe, dass du ein<br />
Dach über deinem Kopf hast“, ist da<br />
zu lesen. Oder: „Ich wünsche dir frohe<br />
Weihnachten und viel warmen Tee!“<br />
„Die haben sich viel Mühe gegeben“,<br />
sagt der 75-Jährige anerkennend. Und<br />
er findet: „Ist doch schön, dass die Kinder<br />
ein richtiges Weihnachtsfest haben,<br />
mit Geschenke auspacken und Weihnachtsbaum<br />
und so.“ Uwe selbst ist im<br />
Heim aufgewachsen und war lange<br />
Zeit wohnungslos. „Ein richtiges Weihnachtsfest<br />
habe ich als Kind nie gehabt“,<br />
erzählt er. „Das kenne ich erst,<br />
seit ich bei Hinz&<strong>Kunzt</strong> bin.“ Zum<br />
Glück lebt er heute in seinen eigenen<br />
vier Wänden. Und da kann er sich<br />
auch einen warmen Tee kochen. ABI<br />
•
FOTOS: MAURICIO BUSTAMANTE (S.4), ROBERT RIEGER (OBEN), STEFAN TRAPPE/ISLAMIC RELIEF DEUTSCHLAND (UNTEN LINKS);<br />
ILLUSTRATION: GRAFIKDEERNS; KOLUMNE: BUNDESREGIERUNG/STEFFENKUGLER<br />
WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />
Speisen für Waisen<br />
Die Idee ist einfach: Muslime und<br />
Nichtmuslime laden Familie, Freunde<br />
und Bekannte zum Essen ein und<br />
sammeln dabei Spenden für Kinder<br />
in Not. Zum siebten Mal ruft der<br />
gemeinnützige Verein Islamic Relief<br />
Deutschland zum „Speisen für Waisen“<br />
auf. In den vergangenen Jahren<br />
kamen so mehr als 100.000 Menschen<br />
unterschiedlicher Herkunft<br />
und Religion zusammen. Dieses<br />
Jahr geht die Hilfe an Waisenkinder<br />
im Sudan. UJO<br />
•<br />
Infos: www.speisen-fuer-waisen.de<br />
Gut&Schön<br />
5<br />
20 Jahre für faire Kleidung<br />
Unter welchen Bedingungen Arbeiterinnen<br />
in Südostasien Kleidung<br />
herstellen, die wir gerne preiswert<br />
kaufen, hat früher nur wenige interessiert.<br />
Heute gilt ein T-Shirt für<br />
fünf Euro immer mehr Menschen<br />
als verdächtig: Könnte es sein, dass<br />
andere teuer bezahlt haben für unser<br />
Schnäppchen? Dass Konzerne<br />
ihre Zulieferer aus Bangladesch oder<br />
Pakistan mehr und besser kontrollieren<br />
müssen als je zuvor, ist maßgeblich<br />
der Öffentlichkeitsarbeit der<br />
„Kampagne für<br />
saubere Kleidung“<br />
zu<br />
verdanken.<br />
Deren Hamburger<br />
Regionalgruppe<br />
feierte<br />
nun 20. Geburts-<br />
tag – Glückwunsch!<br />
UJO<br />
•<br />
Grußwort zu Weihnachten<br />
„ Jeder Mensch<br />
ist ein Geschenk“<br />
Preis für Kampnagel-Projekt<br />
VON FRANK-WALTER STEINMEIER<br />
Neue Blickwinkel aus dem Kulturlabor<br />
Über Einwanderer wird viel gesprochen – sie selbst<br />
kommen nur selten zu Wort. „Migrantpolitan“ ändert<br />
das: Das Kampnagel-Projekt bietet geflüchteten<br />
Künstlern einen Einstieg<br />
in Hamburgs Kreativszene.<br />
Entstanden ist hier<br />
zum Beispiel die Filmreihe<br />
„Hello Deutschland“:<br />
seit 2017 Bundespräsident.<br />
Frank-Walter Steinmeier ist<br />
Sie begleitet Einwanderer<br />
bei dem Versuch, in<br />
der neuen Heimat anzukommen.<br />
Nun wurde<br />
„Migrantpolitan“ mit<br />
dem Preis „The Power<br />
of the Arts“ geehrt.<br />
Grund: Das Projekt<br />
engagiere sich „für eine<br />
offene Gesellschaft und<br />
ein ,neues Wir‘“. UJO<br />
•<br />
Liebe Leserinnen und Leser,<br />
in einer Wohnung zu leben […]<br />
ist für die meisten von uns eine<br />
selbstverständliche, unabdingbare<br />
Voraussetzung des Lebens.<br />
[…] Ein Leben ohne diese<br />
Zuflucht ist ein Leben unter völlig<br />
anderen Vorzeichen: ein täglicher<br />
Kampf um die Existenz,<br />
um Essen, einen Schlafplatz,<br />
um etwas Wärme und Medikamente.<br />
[…]<br />
Jeder Mensch muss eine<br />
bezahlbare Wohnung finden<br />
können. Obdachlose brauchen<br />
aber noch mehr. Sie brauchen<br />
Überlebenshilfe, sie brauchen<br />
tatkräftige Unterstützung und<br />
Ermutigung. Straßenzeitungen<br />
sind ein wichtiger Teil solcher<br />
Unterstützung. Menschen, die<br />
in Armut geraten sind, finden eine<br />
Aufgabe, eine Arbeit, können<br />
selbst aktiv werden, werden vom<br />
Bettler zum Verkäufer. […]<br />
Und noch etwas gelingt den<br />
Straßenzeitungen: […] Menschen<br />
in Not wahrzunehmen,<br />
genauer hinzusehen, ihnen unseren<br />
„Blick“ zu schenken und<br />
Wege aus der Not aufzuzeigen,<br />
wie es die Straßenzeitungen tun,<br />
das ist auch die Botschaft der<br />
Weihnachtsgeschichte. Jeder<br />
Mensch […] ist ein Geschenk.<br />
Jeder Mensch, ob arm oder<br />
reich, hat unseren Blick und,<br />
wenn er sie braucht, auch unsere<br />
Hilfe verdient. •<br />
Die ungekürzte Fassung im Internet:<br />
www.huklink.de/steinmeier
Ein Riesenoschi<br />
f r Jack und Lilly<br />
Wer weiß, was an Weihnachten ist?<br />
Vasile weiß noch nicht mal, ob er<br />
dann immer noch draußen schläft<br />
(siehe H&K Nr. 309) oder vielleicht<br />
doch einen Raum für sich und seine zwei<br />
Hunde gefunden hat. Zur Not will er im Zelt<br />
übernachten, sagt der 39-Jährige auf<br />
Englisch. Wenn die Polizei das erlaubt.<br />
Aber Mischlingsrüde Jack und Cockerdame<br />
Lilly brauchen doch ein Dach über dem Kopf.<br />
Auf jeden Fall spart Vasile schon für ihre<br />
Geschenke. Die beiden sollen jeweils einen<br />
Ball bekommen. „Je nachdem, wie viel Geld<br />
ich habe, bekommen sie auch eine neue<br />
Leine“, sagt er. Und ein schönes<br />
Weihnachtsessen soll es auch geben.<br />
„Die beiden lieben Knochen“,<br />
sagt Vasile und zeichnet einen<br />
richtigen Oschi in die Luft.<br />
•<br />
Vasile verkauft das Straßenmagazin vor<br />
der Europa Passage.
WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />
Frohe Weihnachten!<br />
Wau<br />
Es ist Weihnachten<br />
Was schenkst du deinem Hund?<br />
Das wollten wir von Hinz&Künztlern wissen.<br />
TEXTE: ANNETTE WOYWODE, BIRGIT MÜLLER (S. 6)<br />
FOTOS: DMITRIJ LELTSCHUK, MAURICIO BUSTAMANTE (S. 6)<br />
ILLUSTRATIONEN: GRAFIKDEERNS<br />
Eine Delikatesse f r den kleinen King<br />
„King Louis bekommt zu Weihnachten Pferdefleisch. Ein Fohlensteak“, sagt Kai.<br />
Entweder gekocht oder vorgebraten. „Ich weiß, dass ich damit bei manchen<br />
Leuten auf Unverständnis stoße. Pferde sind schließlich Haustiere, werden<br />
geritten und alles. Aber das liebt er!“ Im vergangenen Jahr konnte Kai sich<br />
dieses Weihnachtsgeschenk für seinen kleinen Nackthund-Rüden nicht leisten.<br />
Aber dieses Jahr muss es unbedingt wieder sein.<br />
King Louis (7) lebt seit 2011 bei Kai. Seit drei Jahren machen die beiden<br />
zusammen Platte (siehe H&K Nr. 309). Mit kurzen Unterbrechungen.<br />
Ende Februar dieses Jahres konnten die beiden für sechs Wochen im kleinen<br />
Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Winternotprogramm unterkommen – in einem Zimmer zusammen<br />
mit einem anderen Hinz&Künztler. „Da waren<br />
draußen minus 15 Grad!“, erzählt der 43-Jährige.<br />
Dieses Jahr konnten sie dort von Anfang<br />
an einziehen. „Für fünf Monate!“, sagt Kai<br />
ungläubig. „King Louis hat sich damit schon<br />
angefreundet“, erzählt er und lacht. Und er<br />
selbst? „Mich erschreckt das richtig.<br />
Das kostet doch auch eine Menge Geld! Ich<br />
denke immer, dafür, dass ich etwas kriege,<br />
muss ich doch auch was tun. Ich habe ein richtig<br />
schlechtes Gewissen!“ Außerdem sei es<br />
„anfangs nicht leicht, sich auf vier Wände einzustellen,<br />
wenn man eine längere Zeit obdachlos<br />
ist. Du bist plötzlich absolut abgeschottet.“<br />
Aber klar. Kai ist froh, zusammen mit seinem<br />
Hund unter gekommen zu sein. „Da ist man aus<br />
dem Nasskalten raus. King hasst Nässe!“<br />
•<br />
Kai verkauft Hinz&<strong>Kunzt</strong> in der Spitalerstraße.<br />
7
Ein HSV Halstuch f r Laila<br />
Was Laila (14) sich wohl zu Weihnachten wünscht?<br />
Hinz&Künztler Flummy schaut seine Hündin an. „Bälle hast du,<br />
du hast das größte Bett ...“, überlegt er laut. „Ein HSV-Halstuch!“,<br />
fällt ihm dann ein. „Dabei ist Laila nicht nur HSV-, sondern auch<br />
St.-Pauli-Fan, so wie ich“, sagt er und lacht. Denn „dieses<br />
Gerede von Scheiß-HSVer und Scheiß-St.-Pauli-Zecke ist<br />
kindisch“, findet der 35-Jährige. „Ich trage immer eine weiße<br />
Fahne, ich bin neutral.“ Und wenn beide Vereine gegeneinander<br />
spielen, drückt er beiden die Daumen. Das Schöne daran<br />
ist: „Egal, wer gewinnt, ich kann mich immer freuen.“<br />
14 Jahre lang hat Flummy auf der Straße gelebt. Seit drei<br />
Jahren wohnt er in einer kleinen Wohnung („Danke an Tatjana und Daniel!<br />
Das sind Kunden von mir und inzwischen Freunde. Und die haben mir geholfen!“).<br />
„Die ist oft immer noch ein Fremdkörper für mich“, gesteht er. „Das Leben auf der Straße<br />
kriegst du auf die Schnelle nicht raus.“ Obwohl: „Wenn die Leute wüssten, wie ich mich<br />
seitdem verändert habe!“ Früher habe er regelmäßig Wodka und Küstennebel gesoffen,<br />
um „die Sinne zu benebeln“. Heute trinke er ab und an ein Bierchen, mehr Alkohol<br />
brauche er nicht mehr. Stattdessen kümmere er sich lieber um eine alte Dame, der er<br />
beim Einkaufen hilft und für die er auch mal etwas repariert.<br />
Und was wünscht er sich zu Weihnachten? „Dass es Laila immer gut geht!“, sagt Flummy<br />
prompt. „Das war mir immer wichtiger als ein Geschenk für mich.“<br />
•<br />
Flummy verkauft das Magazin meistens in Billstedt.<br />
8
Etwas Sch nes f r Benny<br />
Eigentlich ist für Benny jede Woche Weihnachten.<br />
Zumindest, wenn es ums Essen geht.<br />
Der Schäferhund-Welpe bekommt nämlich jede<br />
Woche eine Schweinshaxe. „Die braucht er, damit<br />
er starke Knochen bekommt“, übersetzt Asen das,<br />
was seine Partnerin Ewa erzählt. Die Polin kann<br />
nämlich kaum Deutsch. Aber ihr gehört der Hund,<br />
und deswegen ist sie auch die Chefin in Sachen<br />
Weihnachtsgeschenke. „Irgendwas Schönes<br />
kriegt er auf jeden Fall“, sagt die 52-Jährige.<br />
„Ich weiß aber noch nicht was.“<br />
Ewa und Asen (33) machen zusammen Platte.<br />
Ab und zu schlüpfen sie auch bei einer gemeinsamen<br />
Freundin unter, aber das soll kein Dauerzustand<br />
werden. In die Notunterkunft Pik As<br />
wollen sie nicht, denn dort könnten sie Benny<br />
nicht bei sich behalten. „Wir haben einen<br />
Karavan“, sagt Asen, „da würden wir drin wohnen,<br />
aber wir brauchen einen Stellplatz.“ Bis der gefunden<br />
ist, machen die beiden weiter wie bisher. •<br />
Ewa und Asen verkaufen Hinz&<strong>Kunzt</strong> an<br />
unterschiedlichen Plätzen in der City.<br />
Frohe Weihnachten!
Etwas Gutes zu fressen f r Cookie<br />
Der kleine Cookie hat Angst vor allem Möglichen. In Rumänien musste der zehnjährige<br />
Mischlingsrüde auf der Straße leben. „Ich weiß nicht, was er da Schlimmes erlebt hat“,<br />
sagt Harald. Die Geräusche der Stadt, vorbeihastende Menschen –<br />
alles stresst den kleinen Hund. Aber Harald ist ja in der Nähe. Der<br />
Hinz&Künztler hat Cookie vor elf Monaten von der Tierschutzorgani-<br />
sation „Helping<br />
Paws“ übernommen. Seither weicht der Hund Ha-<br />
rald nicht mehr von der Seite – und der geht ohne Cookie so gut<br />
wie nicht<br />
mehr aus dem Haus. „Er frisst dann nicht“, erzählt<br />
unser Stadtführer. Bevor Cookie in Haralds Leben trat, hatte<br />
er die Hündin Sina. Als die nach 13 Jahren starb, „habe ich drei Tage<br />
nur geweint. Dann haben wir zwei uns kennengelernt“, sagt der<br />
53-Jährige und krault Cookie liebevoll hinterm Ohr. „Genau fünf<br />
Tage habe ich es ohne Hund ausgehalten.“ Dank Haralds guter Pflege<br />
ist Cookie inzwischen richtig aufgetaut. Sobald er sich sicher fühlt,<br />
fängt er an zu spielen. Und zu Weihnachten? Da bekommt er<br />
nichts Besonderes, nur etwas Gutes zu fressen.<br />
Harald geht auf keinen Fall weg, damit Cookie<br />
es sich richtig schmecken lassen kann.<br />
•<br />
Harald ist Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Stadtführer<br />
10
SEEBÄREN<br />
HABEN<br />
MONTAGS<br />
HUNGER<br />
.DE<br />
shmh.de<br />
Leicht zu merken ! Das Webportal der SHMH:<br />
1200 Jahre Geschichte aus neun Museen online<br />
– mit Themendossiers, Hamburgensien und<br />
Bilderstrecken. Dazu das gesamte Ausstellungsund<br />
Veranstaltungsprogramm der Historischen<br />
Museen Hamburg auf einen Blick.<br />
Besuchen Sie uns jetzt – jederzeit und kostenlos,<br />
von zu hause und unterwegs.<br />
Stiftung Historische Museen Hamburg<br />
Folgen Sie uns:
Einstehen<br />
für die<br />
Rechte<br />
anderer<br />
Kirchenasyl<br />
soll in keinem<br />
Fall geltendes<br />
Recht unterlaufen,<br />
stellt<br />
Dietlind<br />
Jochims klar.<br />
Wenn Geflüchteten die Abschiebung<br />
droht, dann bleibt manchmal nur ein<br />
Ausweg: das Kirchenasyl. Es verschafft<br />
ihnen Zeit und die Chance auf eine<br />
erneute Überprüfung ihres Falles –<br />
oft mit Erfolg. Was Kirchenasyl für<br />
Gemeinden und Geflüchtete bedeutet,<br />
erklärt Dietlind Jochims, Flüchtlingsbeauftragte<br />
der Nordkirche.<br />
TEXT: MISHA LEUSCHEN<br />
FOTO: DMITRIJ LELTSCHUK<br />
Als Pastorin Dietlind Jochims<br />
vor viereinhalb Jahren ihr Amt<br />
übernahm, ahnte sie noch<br />
nicht, was für eine Achterbahnfahrt ihr<br />
bevorstehen würde, „und das war auch<br />
ganz gut so,“ sagt die 55-Jährige. Die<br />
Stimmung gegen Geflüchtete und Menschen,<br />
die von woanders herkommen<br />
und denen man das auch ansieht, werde<br />
zunehmend ablehnender, findet sie.<br />
Das Thema kennt sie aus ganz persönlicher<br />
Anschauung: Ihre Familie hat<br />
einen jungen Flüchtling aus Afghanistan<br />
adoptiert, „ich erlebe es also nicht<br />
nur im Beruf, sondern auch zu Hause“.<br />
Er betone oft, dass er jetzt Deutscher<br />
sei und könne nicht verstehen, warum<br />
als deutsch oft nach wie vor nur gelte,<br />
wer helle Haut habe und blond sei. Vor<br />
allem Fälle von Gewalt durch jugendliche<br />
Flüchtlinge haben direkte Auswirkungen:<br />
„Das spürt er am nächsten<br />
Tag, zum Beispiel in der U-Bahn.“<br />
Doch es gibt auch die andere Seite:<br />
In vielen Kirchengemeinden engagieren<br />
sich Christen seit Längerem für<br />
Geflüchtete, leisten ganz praktische<br />
Hilfe, damit diese besser im deutschen<br />
Alltag ankommen. Beim gemeinsamen<br />
Kochen, bei Festen und im vielfachen<br />
Austausch entstehen Bindungen,<br />
manchmal Freundschaften: „Und dann<br />
stellen die ehrenamtlichen Helfer fest,<br />
dass ihren neuen Nachbarn, ihren neu-<br />
en Freunden etwas geschehen soll, was<br />
sie für nicht hinnehmbar halten,“ erzählt<br />
Dietlind Jochims. „Sie sollen abgeschoben<br />
werden“ – meist, weil sie in<br />
einem anderen europäischen Land eingereist<br />
sind, das damit für ihren Asylantrag<br />
zuständig ist.<br />
Einige Kirchengemeinden entscheiden<br />
sich, Geflüchteten in dieser Situation<br />
Kirchenasyl zu gewähren. Doch<br />
das kommt nur dann infrage, wenn eine<br />
drohende Abschiebung Lebensgefahr<br />
bedeutet, und wenn die Gemeinde eine<br />
echte Chance auf eine Lösung sieht, die<br />
eine Abschiebung vermeidet.<br />
Kirchenasyl bedeutet, Zeit zu gewinnen<br />
für die Ausschöpfung aller<br />
Dr. Wilhelm Mecklenburg &<br />
Ralf Wassermann<br />
Rechtsanwälte in Bürogemeinschaft<br />
Wir wünschen den Lesern von Hinz&<strong>Kunzt</strong><br />
ein frohes Weihnachtsfest!<br />
Hätschenkamp 7 · 25421 Pinneberg<br />
www.wmecklenburg.de · www.rechtsanwalt-wassermann.de<br />
Telefon: 04101 / 78 03 25 oder 78 03 27
WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />
Stadtgespräch<br />
Hamburg hat<br />
aktuell 38 Fälle<br />
von Kirchenasyl.<br />
Rechtsmittel und für eine sorgfältige<br />
Überprüfung, ob es Gründe geben<br />
kann, die gegen eine Abschiebung sprechen.<br />
In Hamburg sind es aktuell 22<br />
Fälle in evangelischen Kirchen, 16 in<br />
katholischen Gemeinden.<br />
Die Kirchengemeinden bieten Geflüchteten<br />
dann Unterkunft und Essen,<br />
Zuspruch und Mitmenschlichkeit, so<br />
gut es die Mitglieder der Gemeinde als<br />
Ehrenamtliche leisten können. Manchmal<br />
teilen sich mehrere Gemeinden ein<br />
Kirchenasyl, wenn zum Beispiel Räume<br />
nur für eine begrenzte Zeit zur Verfügung<br />
stehen. Kirchenasyl wird ausschließlich<br />
durch Spenden finanziert.<br />
Es ist auch eine finanzielle Belastung<br />
für die Gemeinde, denn in der Regel<br />
bekommen Geflüchtete keine weiteren<br />
Sozialleistungen mehr und sind auch<br />
nicht mehr krankenversichert, wenn sie<br />
im Kirchenasyl leben. Und sie dürfen<br />
das Gelände der Gemeinde nicht verlassen,<br />
denn nur hier akzeptiert der<br />
Staat das Kirchenasyl – allerdings dürfen<br />
Kinder weiter die Schule besuchen.<br />
„Das ist eine große Belastung für beide<br />
Seiten“, weiß Dietlind Jochims.<br />
Unterstützung erhalten Gemeinden<br />
in Hamburg von den Flüchtlingsbeauftragten<br />
der Kirchenkreise, von<br />
zahlreichen Beratungsstellen und über<br />
die Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in<br />
der Kirche.<br />
Beim Kirchenasyl gehe es nicht darum,<br />
geltende Gesetze zu unterlaufen,<br />
sondern um eine erneute Überprüfung,<br />
stellt Dietlind Jochims klar. „Oft sind<br />
entscheidende Umstände bei der Entscheidung<br />
der Abschiebung nicht berücksichtigt<br />
worden. Wir können dafür<br />
sorgen, dass noch mal genauer hingeguckt<br />
wird – das führt oft zum Erfolg.“<br />
Um eine erneute Überprüfung zu<br />
ermöglichen, sammeln die Kirchengemeinden<br />
in sogenannten Dossiers in<br />
mühevoller Kleinarbeit Fakten, die einen<br />
Härtefall begründen. „Das ist richtig<br />
anspruchsvoll“, weiß Dietlind<br />
Jochims, „manche Dossiers umfassen<br />
bis zu 30 Seiten. Fachärztliche Dokumente<br />
müssen Gerichtskriterien entsprechen,<br />
Dolmetscher müssen zur<br />
Verfügung stehen – und das alles innerhalb<br />
von vier Wochen.“<br />
Erschwert wird das Kirchenasyl nun<br />
durch eine Regeländerung, die am 1.<br />
August <strong>2018</strong> in Kraft getreten ist. „Eigentlich<br />
gibt es eine sechsmonatige Frist<br />
für die Rückführung in das europäische<br />
Erstaufnahmeland“, erklärt Dietlind<br />
Jochims – eine Zeit, in der die Betroffenen<br />
quasi in der Luft hängen, weil sie<br />
nicht wissen, ob und wo sie bleiben dürfen.<br />
Diese Frist kann auf bis zu 18 Monate<br />
verlängert werden, wenn Menschen<br />
für die Behörden nicht greifbar sind.<br />
Auf Drängen der Bundesinnenminister<br />
soll diese Fristverlängerung nun<br />
auch beim Kirchenasyl Anwendung<br />
finden. „Menschen im Kirchenasyl<br />
sind aber nicht untergetaucht, auf sie<br />
trifft diese Voraussetzung gar nicht zu“,<br />
findet die Flüchtlingsbeauftragte. Für<br />
Kirchengemeinden bedeutet die Regeländerung<br />
eine zusätzliche Herausforderung,<br />
weil sie in Zukunft damit rechnen<br />
müssen, Menschen bis zu<br />
anderthalb Jahre zu beherbergen.<br />
Für die Betroffenen verlängert sich<br />
die Zeit der quälenden Ungewissheit.<br />
Noch ist nicht entschieden, ob dieses<br />
Vorgehen juristisch haltbar ist. „Kirchenasyl<br />
ist ein Einstehen für die Rechte<br />
anderer, das nicht Halt macht, sobald<br />
ein ,Vorfahrt achten‘-Schild<br />
auftaucht“, sagt Dietlind Jochims. „Das<br />
finde ich gut und mutig.“ •<br />
Kontakt: redaktion@hinzundkunzt.de<br />
Kirchenasyle haben eine<br />
lange Geschichte:<br />
Schon in vorchristlicher Zeit waren religiöse<br />
Stätten Schutz- und Zufluchtsorte<br />
– und das in unterschiedlichen Religionen<br />
und Kulturen. Zum ersten Kirchenasyl<br />
in Deutschland kam es 1983 in der<br />
Heilig-Kreuz-Gemeinde in Berlin-Kreuzberg.<br />
Drei palästinensische Familien aus<br />
dem Libanon baten um Unterstützung,<br />
sie sollten in das vom Bürgerkrieg zerrüttete<br />
Land abgeschoben werden.<br />
Im Februar 1984 gab es in Hamburg<br />
gleich zwei Fälle von Kirchenasyl: Eine<br />
Familie hatte Zuflucht gefunden in<br />
der Friedenskirche Altona bei Pastor<br />
Christian Arndt, eine weitere in der<br />
Kirchengemeinde Schulau-Wedel.<br />
SCHNELL<br />
SCHALTEN<br />
Anzeigen: 040/28 40 94-0<br />
anzeigen@hinzundkunzt.de<br />
abasto<br />
ökologische Energietechnik<br />
Für mehr soziale Wärme<br />
und eine klimaschonende<br />
Strom- und Wärmeversorgung.<br />
www.abasto.de
WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />
Zahlen des Monats<br />
Dumpinglöhne im Hotel<br />
Roomboy erstreitet<br />
korrekten Lohn<br />
20.000 Euro<br />
Lohnnachzahlung hat ein Roomboy vor dem Arbeitsgericht erstritten. Der Mann hatte<br />
für eine Firma gearbeitet, die in Nordrhein-Westfalen im Auftrag eines Hotels dessen Zimmer<br />
reinigte. Sein Arbeitgeber nötigte ihn, Stundenzettel im Voraus blanko zu unterschreiben, so der<br />
Roomboy vor Gericht. Auf den Zetteln notierte die Firma dann regelmäßig deutlich weniger<br />
Stunden, als er tatsächlich arbeitete. So wurden dem Kläger innerhalb von acht Monaten rund<br />
10.000 Euro Lohn vorenthalten. Außerdem hatte die Firma dem Roomboy eine Kündigung<br />
geschickt, die das Gericht für nicht rechtmäßig erklärte – und ihm deshalb nochmals<br />
gut 10.000 Euro für entgangenen Lohn zusprach.<br />
Dumpinglöhne sind im Hotelreinigungsgewerbe keine Seltenheit, so die Hamburger Servicestelle<br />
Arbeitnehmerfreizügigkeit. „Manchmal erhalten Betroffene nicht mal einen schriftlichen Vertrag.<br />
Dann arbeiten sie beispielsweise ein halbes Jahr und bekommen die letzten beiden Monate einfach<br />
nicht bezahlt“, berichtet Beraterin Aldona Kucharczuk. In anderen Fällen schicken Firmen eine<br />
Kündigung raus, sobald ein Mitarbeiter erkrankt, oder verweigern die Lohnfortzahlung – ebenfalls<br />
klare Rechtsbrüche. Insgesamt suchten vergangenes Jahr 77 Menschen aus der Reinigungsbranche<br />
bei der Servicestelle Hilfe – meist arbeiteten sie für einen Hoteldienstleister. Die Zahl derer,<br />
die mit Dumpinglöhnen abgespeist werden, dürfte deutlich höher liegen, da die Betroffenen sich<br />
aus Unkenntnis ihrer Rechte oder mangels Job-Alternativen nur selten wehren.<br />
In dem in Düsseldorf verhandelten Fall hatte die Reinigungsfirma im Arbeitsvertrag zwar<br />
den Branchen-Mindestlohn für Gebäudereiniger zugesagt (ab Januar liegt der bei 10,56 Euro<br />
brutto die Stunde, Red.). Tatsächlich hatte die Firma aber nur Akkordlohn bezahlt: 30 Minuten<br />
Arbeitszeit berechnete sie pro gereinigtem Zimmer, 45 Minuten pro gereinigter Suite. Wie lange<br />
die Mitarbeiter tatsächlich brauchten, um die ihnen aufgetragenen Arbeiten zu erledigen, blieb<br />
unberücksichtigt. Wegezeiten auf den Fluren, das Beschaffen von Arbeitsmaterial und das<br />
Wiederauffüllen des Reinigungswagens: All diese Tätigkeiten wurden ebenfalls nicht bezahlt.<br />
Hinz&<strong>Kunzt</strong> hat in mehreren Reporten nachgewiesen, dass Hotelreinigungsfirmen ihre Mitarbeiter<br />
häufig ausbeuten – auch zum Vorteil der Hotelbetreiber, die auf diese Weise Kosten sparen.<br />
Hoteliers, denen die korrekte Bezahlung der Reinigungskräfte am Herzen liegt, stellen diese selbst<br />
an, statt ein Subunternehmen zu beauftragen. Das aber ist bis heute die Ausnahme. •<br />
TEXT: ULRICH JONAS<br />
ILLUSTRATION: ESTHER CZAYA<br />
Das Urteil (AZ: 7 Sa 278/17) im Internet: www.huklink/dumpinglohnurteil<br />
Die drei Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Hotelreporte zum Nachlesen: www.hinzundkunzt.de/downloads<br />
15
Thomas, Mehrbettzimmer<br />
in der Friesenstraße<br />
Thomas ist niemand, der sich laut beschwert.<br />
Als er bei der Vergabe der Containerplätze im<br />
Winternotprogramm leer ausgeht, lässt der<br />
Hinz&Künztler sich seine Enttäuschung kaum<br />
anmerken. Dann geht er halt wieder in die<br />
Großunterkunft in der Friesenstraße, wie schon<br />
im letzten Winter. Im Sechsbettzimmer sei es<br />
manchmal ganz schön unruhig gewesen, aber<br />
was soll’s. Und Thomas hat Glück: Dieses Mal<br />
ergattert er ein Dreierzimmer für den Winter.<br />
„Ich schlafe in einem Einzelbett, nicht in einem<br />
Doppelstockbett, da haue ich mir nicht die Rübe<br />
an“, freut er sich. Und dazu auch einen abschließbaren<br />
Schrank, in dem er seine Sachen<br />
lagern kann. Dass er wie die rund 300 anderen<br />
Obdachlosen die Unterkunft täglich<br />
um 9.30 Uhr verlassen muss, stört ihn<br />
eigentlich nur sonntags: „Da hat nichts offen,<br />
das ist dann richtig scheiße!“
Schutz vor Kälte im<br />
Winternotprogramm<br />
Die einen werden jeden Morgen vor die Tür gesetzt, die anderen haben einen<br />
Schlüssel und können kommen und gehen, wie sie möchten. Wir haben fünf Obdachlose<br />
im Winternotprogramm besucht und sie gefragt, wie es ihnen dort ergeht.<br />
TEXT: BENJAMIN LAUFER, JONAS FÜLLNER, SIMONE DECKNER<br />
FOTOS: MAURICIO BUSTAMANTE, LENA MAJA WÖHLER (S. 20)
Stadtgespräch<br />
HINZ&KUNZT N°<strong>310</strong>/DEZEMBER <strong>2018</strong><br />
Anfang April<br />
geht es für die<br />
meisten zurück auf<br />
die Straße.<br />
I<br />
m Winter werden bundesweit spezielle Notunterkünfte<br />
für Obdachlose geöffnet. Nicht aus purem Idealismus<br />
helfen die Kommunen. Sie sind gesetzlich zur Hilfe<br />
verpflichtet, weil Gesundheit und Leben der Obdachlosen<br />
bei Nässe und kalten Temperaturen ernsthaft bedroht<br />
sind. Hamburg startet sein Winternotprogramm immer am<br />
1. November. Mit rund 760 Plätzen<br />
steht die Hansestadt im bundesweiten<br />
Vergleich gut da. Trotzdem reicht das<br />
Angebot eigentlich nicht aus: Nach<br />
neuesten Zählungen leben rund 2000<br />
Menschen in Hamburg auf der Straße.<br />
Wie kann es sein, dass Mitte November<br />
trotzdem rund 250 Betten<br />
noch nicht belegt waren? Die Gründe:<br />
Obdachlose mit Hunden erhalten keinen<br />
Zutritt. Auch Obdachlose, denen die Stadt „Selbsthilfemöglichkeiten“<br />
unterstellt, müssen draußen bleiben. Es trifft<br />
meist Osteuropäer, die an eine Wärmestube in Hohenfelde<br />
verwiesen werden, wo sie nur auf dem Fußboden schlafen<br />
können. Mitte November teilten 55 Obdachlose dieses<br />
Schicksal. Aber die wesentlich größere Gruppe der Obdachlosen<br />
scheut schlichtweg die Unterkünfte. Erst wenn es richtig<br />
nass und kalt wird, räumen einige von ihnen ihre Platten.<br />
Sie fürchten, beklaut zu werden und wollen sich nicht mit<br />
eventuell Kranken ein Zimmer teilen. Ausschlafen ist nicht<br />
möglich, weil tagsüber die Unterkünfte geschlossen werden.<br />
Hinz&<strong>Kunzt</strong> und andere Einrichtungen aus der Wohnungslosenhilfe<br />
haben das in den vergangenen Jahren wiederholt<br />
kritisiert. Allerdings vergeblich.<br />
Ruhe vor dem harten Leben auf<br />
der Straße könne man nur in den<br />
Wohncontainern der Kirche finden, sagen<br />
die Obdachlosen. Doch von diesen<br />
begehrten Plätzen gibt es nur 109. Sie<br />
wurden bereits Ende Oktober von der<br />
Diakonie verlost. Wer Glück hatte, der<br />
lebt jetzt alleine – höchstens zu zweit –<br />
in einem kleinen, beheizten Container.<br />
Wir haben mit Obdachlosen gesprochen, die jetzt in Wohncontainern<br />
leben, und anderen, die Pech hatten und deswegen<br />
in den großen Unterkünften Zuflucht suchten. Was sie vereint:<br />
Anfang April geht es für die meisten leider wieder zurück auf<br />
die Straße. Dann endet das Winternotprogramm. •<br />
Kontakt: redaktion@hinzundkunzt.de<br />
Valentin, Mehrbettzimmer in der Kollaustraße<br />
Während in der Friesenstraße die meisten Für 50 Cent bietet dort in der Nähe das<br />
Schlafplätze Mitte November belegt waren, Herz As einen Mittagstisch an. Außerdem<br />
ist in der zweiten Unterkunft in Lokstedt ist der 20-Jährige auf der Suche nach Arbeit<br />
– Hauptsache, bezahlt. In seinem letz-<br />
noch reichlich Platz: Nur jedes vierte Bett ist<br />
belegt. Deswegen muss sich Valentin sein ten Job wurde ihm der Lohn vorenthalten,<br />
Viererzimmer nur mit einem anderen Mann und er landete er auf der Straße. Deswegen<br />
teilen. Aber jeden Morgen werden die Obdachlosen<br />
wieder vor die Tür gesetzt. Valenprogramm.<br />
„Es ist sauber“, sagt Valentin auf<br />
suchte der Rumäne Schutz im Winternottin<br />
wirkt mit der Plastiktüte in der Hand etwas<br />
verloren. Sein Ziel? Der Hauptbahnhof. komme sogar etwas Essen. Das ist<br />
Englisch. „Und ich kann duschen und be-<br />
wichtig.“<br />
Rund 650 Schlafplätze stellt die Stadt<br />
an den zwei Stand orten in der Friesenstraße<br />
(siehe S. 16) mit 400 Plätzen und<br />
in der Kollaustraße mit 249 Plätzen in<br />
Mehrbettzimmern bereit. Frauen und<br />
Paare haben jeweils einen separaten<br />
Bereich. Um die abgelegene Unterkunft<br />
Kollaustraße zu erreichen, fährt abends<br />
und morgens von der Innenstadt aus ein<br />
Shuttlebus die Obdachlosen.
Stelian, Container bei einer Kirchengemeinde<br />
Wo es keine Betten gibt, da kann man nur auf einer Isomatte schlafen. Hinz&Künztler Stelian musste diese<br />
Erfahrung im vergangenen Winter machen. Er war einer der insgesamt 377 Obdachlosen, die keinen<br />
Zugang zu den Schlafstätten der Stadt erhielten und in die Wärmestube in der Hinrichsenstraße verwiesen<br />
wurden. Warum, das hat Stelian bis heute nicht wirklich verstanden. Ein Jahr später hat sich für den 59-Jährigen<br />
das Blatt gewendet. Er darf den Winter in einem Wohncontainer auf dem Gelände einer Kirchengemeinde in<br />
Rahlstedt verbringen. Diese Unterkünfte sind begehrt, weil die Obdachlosen den Container jederzeit nutzen können<br />
– auch tagsüber. Eine Art richtiges Zuhause. „Container, sehr gut“, sagt Stelian, der so gut wie kein Deutsch<br />
spricht. Das war vor einem Jahr sein Verhängnis. Denn da waren Sprachkenntnisse noch Vergabekriterium für<br />
die Containerplätze. Nach öffentlicher Kritik änderte die Diakonie ihr System und setzte in diesem Jahr auf ein<br />
Losverfahren. Es gab mehr als 50 Nieten – aber eben auch Gewinner wie Stelian. Dem ist bewusst, dass es auch<br />
in Zukunft nicht leichter für ihn wird, wenn er nicht endlich Deutsch lernt. Deswegen besucht er aktuell die<br />
Sprachkurse bei der Diakonie und Hinz&<strong>Kunzt</strong>. „Deutsch schwer. Muss üben“, sagt Stelian und lacht verlegen.<br />
Insgesamt gibt es im Winternotprogramm 109 Plätze in Wohncontainern. Dusche und Klo liegen<br />
gleich nebenan, und man hat sie fast für sich alleine. Am wichtigsten ist allerdings: Die Obdachlosen<br />
erhalten einen Schlüssel. Sie können kommen und gehen, wann sie wollen. Finanziert werden die<br />
Container von der Stadt. Die meisten stehen bei Kirchengemeinden. 25 Container sind für Frauen<br />
reserviert; sie werden von der Caritas und der Tagesaufenthaltsstätte Kemenate vergeben.<br />
Manche Wohncontainer können über den Sommer stehenbleiben und werden dann von Spenden<br />
bezahlt. Im Winter zählen sie wieder zum Winternotprogramm.<br />
19
Delia, Frauen-Container auf dem HAW-Campus<br />
Delia wohnt in Grönland. „Alle Container hier haben Ländernamen“, sagt die 49-Jährige.<br />
Im realen Grönland leben 56.171 Menschen, im Container Grönland auf dem Campus der HAW<br />
lebt nur Delia. Ein Glück, sagt sie: „Ich habe hier alles, was ich brauche: Tisch, Bett, Schrank – und<br />
die Heizung funktioniert.“ Die Tür auch. Delia kann sie schließen und öffnen, wann immer sie will.<br />
In den ersten zwei Wochen hat sie ihren Container kaum verlassen. „Mein Raum, meine<br />
Privatsphäre, super!“ Früher hatte sie große Angst, nachts auf Platte entdeckt zu werden.<br />
„Ich habe mich immer versteckt: an der Alster oder auf Spielplätzen, in den kleinen Häuschen.“<br />
Heute lebt sie weitaus wohnlicher: Kissen liegen auf dem schmalen Bett, Audrey Hepburn blickt<br />
von einem Bild, am Spind baumelt ein bunter Traumfänger. Apropos: „Eine eigene Wohnung<br />
ist mein Traum“, sagt sie. Bis dahin bleibt Delia in Grönland.<br />
Zehn Containerplätze für Frauen und Transgender bietet die Caritas<br />
an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW). Die Frauen dürfen<br />
ganzjährig bleiben, die Sozialbehörde übernimmt während des Winternotprogramms<br />
die Kosten. Weitere 13 Containerplätze für Frauen in Kirchengemeinden hat der<br />
Tagestreff Kemenate Anfang November verteilt. Sie waren sofort weg.<br />
20
WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />
Stadtgespräch<br />
Hilfe für Obdachlose<br />
Bereits drei<br />
Kältetote?<br />
Helmut, Zimmer für Herrchen und Hund im Pik As<br />
Eigentlich hatte Helmut auch auf einen Platz im Wohncontainer gehofft – für sich und<br />
seinen Hund Pino. Den darf er nämlich in die Großunterkünfte des Winternotprogramms<br />
nicht mitnehmen. Doch bei der Vergabelotterie zog er eine Niete. Ins Pik As,<br />
wo es einige Zimmer für Obdachlose mit Hund gibt, wollte er nicht: Zu viele Menschen<br />
auf engem Raum, die betrunken und aggressiv sind, befürchtete Helmut. Und Pino<br />
nachts im Tierheim abgeben, während er in der Friesenstraße übernachtet, das bringt<br />
er nicht übers Herz. Doch wenige Tage später entdeckte die Polizei sein Zelt auf einer<br />
brachliegenden Obstplantage in Finkenwerder und schickte ihn weg. Nun sind Helmut<br />
und Pino doch ins Pik As gegangen. Immerhin: Sie haben dort ein Einzelzimmer, wie<br />
alle Obdachlosen mit Hund. Sonst schlafen hier bis zu zwölf Menschen in den<br />
Mehrbettzimmern. Aber richtig freuen mag sich der Hinz&Künztler trotzdem nicht:<br />
Die hygienischen Zustände in der Einrichtung mit 330 Plätzen seien „eine<br />
Katastrophe“, sagt er. Und jeden Morgen um 9 Uhr muss er das Pik As verlassen.<br />
Für Obdachlose mit Hund gibt es im Pik As 17 Plätze, die alle belegt sind.<br />
Zwei Kirchengemeinden erlauben zudem, dass die Hunde von Obdachlosen<br />
in oder bei den Wohncontainern übernachten. Noch kein Obdachloser hat in<br />
diesem Jahr seinen Hund über Nacht im Tierheim abgegeben.<br />
Ende Oktober starb die<br />
Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Verkäuferin<br />
Joanna (43) auf einer Parkbank<br />
(Seite 22). Sie war erfroren.<br />
Wenige Tage später fand<br />
man den 47-jährigen Macij<br />
in einer Baracke in Harburg<br />
tot auf. Doch damit nicht genug:<br />
Am 17. November<br />
wachte die Obdachlose Biggi<br />
(64) nach einer Nacht auf<br />
dem Vorplatz des Michels<br />
nicht mehr auf. Gut möglich,<br />
dass sie ebenfalls aufgrund<br />
der Kälte starben.<br />
Drei Tote in so kurzer<br />
Zeit – und bevor der Winter<br />
richtig begonnen hat. So<br />
darf es nicht weitergehen!<br />
Hinz&<strong>Kunzt</strong>, die Diakonie<br />
und die Caritas fordern deswegen<br />
Sofortmaßnahmen:<br />
„Das Winternotprogramm<br />
muss ganztägig geöffnet werden,<br />
und zwar für alle Menschen,<br />
die Schutz suchen“,<br />
sagt Stephan Nagel, Referent<br />
für Wohnungslosenhilfe der<br />
Diakonie.<br />
Bislang meiden viele Obdachlose<br />
die Unterkünfte<br />
trotz kalter Temperaturen.<br />
Ein häufig genannter Grund:<br />
Sie müssen die Einrichtungen<br />
morgens wieder verlassen<br />
und finden keine Ruhe.<br />
Zweite Nothilfemaßnahme:<br />
ein Kältebus – wie es ihn<br />
etwa in Berlin gibt – könnte<br />
Obdachlose aufsuchen und<br />
sie bei Bedarf in Unterkünfte<br />
fahren. „Das würde Leben<br />
retten!“, sagt Hinz&<strong>Kunzt</strong>-<br />
Sozialarbeiter Stephan Karrenbauer.<br />
Denn: Viele Obdachlose<br />
leben seit Jahren<br />
auf der Straße. Ihr Zustand<br />
verschlechtere sich zusehends.<br />
Andrea Hniopek,<br />
Wohnungslosenexpertin der<br />
Caritas Hamburg: „Viele<br />
Obdachlose verelenden, ohne<br />
dass sich an ihrer Situation<br />
etwas ändert.“ HUK<br />
•<br />
21
Immer wieder<br />
landeten Joanna<br />
und Robert auf<br />
der Straße. Dieses<br />
Foto entstand am<br />
1. April 2017.<br />
An diesem Tag<br />
schloss das Winternotpro<br />
gramm.<br />
Joanna erfror auf<br />
einer Parkbank<br />
Am 28. Oktober verstarb die Obdachlose Joanna auf der Straße.<br />
Todesursache: Unterkühlung. Die Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Verkäuferin hatte die Nacht auf ihrer<br />
Platte am Tibarg Center verbracht und wachte morgens nicht mehr auf.<br />
TEXT: JONAS FÜLLNER<br />
FOTOS: DMITRIJ LELTSCHUK (OBEN), HINZ&KUNZT (RECHTS)<br />
Joanna wurde nur 43 Jahre alt.<br />
Am Morgen des 28. Oktobers<br />
entdeckte eine Passantin die<br />
Hinz&Künztlerin völlig unterkühlt<br />
auf einer Parkbank vor dem Tibarg<br />
Center. Joanna war nicht mehr ansprechbar.<br />
Geistesgegen wärtig versuchte<br />
die Passantin sie zu reanimieren und<br />
rief einen Rettungswagen. Vergebens.<br />
Joannas Partner Robert verkauft<br />
ebenfalls Hinz&<strong>Kunzt</strong>. Ein paar Tage<br />
später steht der 60-Jährige im Vertriebsraum<br />
für die Verkäufer und klammert<br />
sich an eine Tasse Kaffee. Er wirkt müde<br />
und fahrig. Der Tod seiner Freundin<br />
lässt ihn nicht mehr los. Kein Wunder:<br />
Er lag neben Joanna, als sie starb. „Wir<br />
hatten getrunken“, sagt Robert. Erst als<br />
die Passantin seine Freundin entdeckte,<br />
wachte er auf. Bei dem Gedanken daran<br />
schießen ihm Tränen in die Augen.<br />
Ebenfalls traurig, vor allem aber<br />
aufgebracht ist Bettina Wilckens. Die<br />
53-Jährige kennt das obdachlose Paar<br />
seit mehr als vier Jahren. „Joanna war<br />
alkoholkrank. Sie brauchte einen Therapieplatz“,<br />
so Wilckens. Der aber wurde<br />
verwehrt, weil die gebürtige Polin<br />
nicht krankenversichert war. Stattdessen<br />
kam es immer wieder zu Not arzt -<br />
einsätzen am Tibarg. „Was das gekostet<br />
haben muss. Für das Geld hätte man locker<br />
eine Therapie zahlen können. Das<br />
macht mich immer noch wütend.“<br />
22<br />
Natürlich sei nicht alles rosig gewesen<br />
mit Joanna, sagt Bettina Wilckens. Zu<br />
gut kennt sie die Wutausbrüche der Obdachlosen,<br />
wenn sie getrunken hatte.<br />
Dann stritt Joanna lautstark mit ihrem<br />
Freund Robert. In solch einer Situation<br />
lernte Bettina Wilckens beide einst kennen.<br />
Sie wollte schlichten und lud das<br />
Paar zum Kaffee ein. Tatsächlich beruhigte<br />
es sich allmählich.<br />
Es blieb nicht bei einem Kaffee im<br />
Hause Wilckens. Die Niendorferin und<br />
ihr Mann waren zuversichtlich, dass<br />
man Joanna helfen könne. Zwei Jahre<br />
später, im Sommer 2016, zog das polnische<br />
Pärchen sogar bei ihnen ein. Einzige<br />
Bedingung: kein harter Alkohol.
Stadtgespräch<br />
Wir feiern Geburtstag!<br />
Es war die Zeit, in der sich die beiden Frauen besser<br />
kennenlernten. „Joanna hatte richtig was drauf“, erinnert<br />
sich Wilckens. Die gelernte Keramikerin sei<br />
handwerklich geschickt gewesen und habe es geliebt,<br />
zu kochen und zu putzen. „Ein Job als Haushaltshilfe,<br />
das wäre was gewesen. Das hat ihr echt Spaß<br />
gemacht.“<br />
Einige Wochen ging es gut. „Abends haben wir<br />
im Garten mit meinem Mann und Freunden auch<br />
mal ein Bier getrunken“, erinnert sich Wilckens. Die<br />
Gäste mochten Joanna. „Sie war eine echte Rampensau“,<br />
sagt Wilckens. Aber Joannas Probleme waren<br />
vielfältig. Sie hatte einen Tumor. Ihre Schmerzen<br />
und Sorgen ertränkte sie im Alkohol. Und über viele<br />
Jahre schlief sie in Hamburg auf der Straße. Ruhe<br />
fand sie dort nie. Deswegen hätte wohl nur eine Therapie<br />
geholfen. „Eben nicht der x-te Entzug. Das<br />
hatte sie alles schon hinter sich“, sagt Wilckens. Aber<br />
ohne Arbeit und somit ohne Krankenversicherung<br />
fehlte ihr der Zugang zum Gesundheitssystem. Und<br />
zudem wichtige Papiere. Joanna, die wohl eher zufällig<br />
vor etwa acht Jahren in Hamburg landete und<br />
dort hängen blieb, hätte laut Wilckens dafür noch<br />
einmal ihre Heimat besuchen müssen. „Ich hätte sie<br />
begleitet, aber Joanna wollte auf keinen Fall noch<br />
einmal zurück.“<br />
Und nach ein paar Wochen tauchten dann doch<br />
Schnapsflaschen im Haus auf, und Bettina Wilckens<br />
beendete das Experiment. Unterstützt hat sie beide<br />
aber weiterhin. Immer mal wieder waren sie zu Gast<br />
bei ihr. Auch jetzt noch kümmert sie sich um Robert.<br />
Sie hat Arbeitsschuhe besorgt: „Die sind regenfest<br />
und stabil.“ Robert, der immer noch auf der Straße<br />
schläft, wird sie gut gebrauchen können. •<br />
Ein tolles Geschenk, das Sie<br />
unseren Verkäufern machen können:<br />
Zwei kaufen,<br />
eins verschenken!<br />
25 Jahre Arbeit für<br />
gesellschaftlichen Zusammenhalt<br />
Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Wandkalender 2019<br />
Heimat, Helden,<br />
Hamburg<br />
Kontakt: jonas.fuellner@hinzundkunzt.de<br />
Zwölf Hinz&Künztler waren auch in diesem Jahr mit unserer Fotografin<br />
Lena Maja Wöhler auf Fotosafari in Hamburg. Die besten Motive haben<br />
wir jetzt in einem Wandkalender im DIN-A4-Format verewigt.<br />
Joanna kam mit 36 Jahren zu Hinz&<strong>Kunzt</strong>. Das Foto<br />
stammt von ihrem ersten Verkäuferausweis.<br />
Ab sofort beim<br />
Hinz&Künztler Ihres Vertrauens!*<br />
* 4,80 Euro (davon 2,40 Euro für unsere Verkäufer)<br />
23
Was für<br />
ein Glück …<br />
GMB Akash wurde mit Fotos von Menschen berühmt, die am unteren<br />
Ende der sozialen Leiter stehen. Um seinen einstigen Protagonisten etwas<br />
zurückzugeben, fi nanziert er ihnen Mini-Unternehmen.<br />
TEXTE: ANNETTE WOYWODE,<br />
SIMONE DECKNER, GMB AKASH<br />
FOTOS: GMB AKASH<br />
Santa und ihr Vater Hossin<br />
sind glücklich: Seitdem<br />
Fotograf GMB Akash den<br />
beiden einen Gemüsestand<br />
geschenkt hat, ist ihre<br />
größte Not gelindert.
Santa hielt nichts zu Hause –<br />
ihre Drogensucht war zu stark,<br />
ihre Einsamkeit zu groß.<br />
Um die damals Zehnjährige<br />
am Weglaufen zu hindern,<br />
kettete ihr Vater sie regelmäßig<br />
an. Fotograf GMB Akash<br />
entdeckte das Mädchen im<br />
Juli vergangenen Jahres in<br />
einem Slum bei Dhaka und<br />
konnte der Familie helfen.
WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />
Fotoreportage<br />
… nachdem vorher<br />
alles hoffnungslos war.<br />
Ich fühlte mich jedes Mal, als müsste<br />
ich sterben“, beschreibt Kamal<br />
Hossin seine Seelenqualen, wenn<br />
er die Eisenkette am Fuß seiner zehn<br />
Jahre alten Tochter Santa befestigte.<br />
Doch der Bangladeschi wusste sich einfach<br />
nicht anders zu helfen. Denn die<br />
Kleine war drogenabhängig.<br />
Santas Mutter war gestorben, als<br />
das Kind sieben Jahre alt war. Während<br />
der Vater weit reisen musste, um Arbeit<br />
als Schuster zu finden, blieb seine Tochter<br />
allein zurück. Sie zur Schule zu schicken,<br />
war auch nicht drin, denn Hossin<br />
verdiente kaum Geld. So fing das Mädchen<br />
an, sich herumzutreiben in dem<br />
Slum nahe der Hauptstadt Dhaka, in<br />
dem sie lebten. Sie schloss sich Straßenkindern<br />
an, die wie sie den gesamten<br />
Tag nichts mit sich anzufangen wussten,<br />
die vernachlässigt waren und Drogen<br />
konsumierten. Auch Santa wurde<br />
suchtkrank. Immer öfter kehrte das<br />
Mädchen nicht mehr nach Hause zurück<br />
– wenn man bei dem 2,5 mal 2,5<br />
Quadratmeter kleinen Kabuff, in dem<br />
sie und ihr Vater lebten, überhaupt von<br />
einem Zuhause sprechen kann.<br />
„Einmal war Santa zehn Nächte<br />
am Stück verschwunden“, erinnert sich<br />
Hossin, der vor Sorge um sein Kind<br />
beinahe selbst krank wurde. „Überall<br />
habe ich sie gesucht und irgendwann<br />
zusammen mit anderen abhängigen<br />
Mädchen und Prostituierten gefunden.<br />
Sie hat Klebstoff geschnüffelt. Solchen,<br />
wie ich verwendet habe, um Schuhe zu<br />
reparieren“, erzählt der 40-Jährige.<br />
„Wenn ich Santa nicht angekettet hatte,<br />
verschwand sie wieder.“ Santas Zustand<br />
verschlechterte sich zusehends, aber<br />
Geld für einen Arzt oder ein gutes<br />
Krankenhaus, damit seine Tochter einen<br />
Entzug machen konnte, hatte Hossin<br />
nicht. Ein furchtbarer Teufelskreis.<br />
Wäre GMB Akash nicht gewesen – wer<br />
weiß, Santa würde heute vielleicht nicht<br />
mehr leben. Doch der Fotograf war zur<br />
rechten Zeit zur Stelle.<br />
Seit 20 Jahren fotografiert Akash<br />
Straßenkinder, Prostituierte, Drogenkranke,<br />
Waisen, Opfer von Umweltkatastrophen,<br />
von miesen Arbeitsbedingungen<br />
und bitterer Armut in seinem<br />
Heimatland Bangladesch, aber auch in<br />
anderen Regionen Asiens. Immer verbringt<br />
der 42-Jährige mit ihnen Zeit, sie<br />
lassen ihn an ihrem Leben teilhaben<br />
und vertrauen ihm. So entstehen Bilder<br />
von extremer Ausdrucksstärke und Intimität,<br />
kraftvoll und berührend.<br />
„Wenn ich Santa<br />
nicht angekettet<br />
hatte, verschwand<br />
sie wieder.“<br />
HOSSIN<br />
GMB Akash ist mit diesen Bildern berühmt<br />
geworden. Sie sind in mehr als<br />
100 Magazinen und Zeitungen auf der<br />
ganzen Welt erschienen – ob National<br />
Geographic, Geo oder Time Magazine.<br />
Doch mitzuerleben, dass sich die Situation<br />
der Menschen nicht verbessert,<br />
während er selbst Geld mit ihren Fotos<br />
verdient, deprimierte ihn immer mehr.<br />
So fasste er einen Entschluss: „Ich<br />
wollte den Menschen etwas zurückgeben“,<br />
sagt Akash. Doch dafür musste er<br />
diejenigen wiederfinden, die er zum<br />
Teil vor Jahren abgelichtet hatte. Sein<br />
Plan: Gemeinsam mit seinen einstigen<br />
Fotomodellen überlegen, welche Art<br />
von Kleinstunternehmen ihr Leben<br />
verbessern könnte. Dann ihnen das<br />
Startkapital schenken – sei es in Form<br />
27<br />
einer Milchkuh oder einer Nähmaschine.<br />
Und schließlich die Menschen für<br />
ein paar Monate begleiten, bis sie sich<br />
selbst am Markt behaupten können.<br />
Eine Mammutaufgabe: „Ich bin an<br />
viele Orte gereist, mit den alten Fotos in<br />
der Hand, und es hat Tage gedauert,<br />
manchmal Jahre, um die Menschen<br />
wiederzufinden“, so Akash. Aber seine<br />
Hartnäckigkeit zahlte sich aus: 65 Familien<br />
spürte er auf. 65 Mal finanzierte<br />
Akash das, was die Menschen brauchten,<br />
um die schlimmste Armut zu überwinden<br />
und sogar ihre Kinder zur<br />
Schule schicken zu können.<br />
Aus diesen kleinen Erfolgsgeschichten<br />
entstand ein Buch. Der Titel:<br />
„Survivors“ – Überlebende – oder auch<br />
Überlebenskünstler. Die Einnahmen<br />
aus dem Buch fließen in weitere<br />
Mini-Unternehmen.<br />
Auch Santa und ihr Vater Hossin<br />
profitieren davon. GMB Akash war in<br />
dem Slum bei Dhaka auf der Suche<br />
nach Fotomotiven, da entdeckte er Santa,<br />
wie sie angekettet auf dem Boden<br />
hockte. Der Fotograf überlegte nicht<br />
lange: Er suchte ihren Vater und ging<br />
noch am selben Tag mit dem Mädchen<br />
zum Arzt. Dann besprach er mit Hossin<br />
weitere Hilfsmaßnahmen. Die Lösung:<br />
ein auf eine Rikscha montierter Gemüsestand.<br />
Keine weiten Wege mehr zur<br />
Arbeit, ein gesichertes Einkommen<br />
und: Zeit für Santa, die den Vater beim<br />
Verkauf begleiten kann, da sie bei diesem<br />
Job nicht mit den gefährlichen<br />
Klebstoffen in Berührung kommt.<br />
Heute nimmt Santa keine Drogen<br />
mehr, sie ist aber noch auf Medikamente<br />
angewiesen. „Sie braucht noch Zeit“,<br />
sagt Akash – und klingt doch zuversichtlich:<br />
„Wenn es weiter so gut läuft,<br />
kann sie auch zur Schule gehen.“ •<br />
Kontakt: annette.woywode@hinzundkunzt.de
Fotoreportage<br />
Unabhängig mit dem eigenen Gemüseladen<br />
„Ich wollte nie aufgeben“, sagt Fatema Begum, Mutter von Zwillingssöhnen, „aber<br />
ich konnte diese Last nicht mehr tragen.“ Vor sechs Jahren erkrankte ihr Mann<br />
schwer, seither muss Fatema die Familie ganz allein durchbringen. Dafür nahm<br />
sie alle möglichen Jobs an: Sie hat als Dienstmädchen gearbeitet, Gemüse auf<br />
der Straße verkauft, sogar als Straßenbauarbeiterin hat sie geschuftet – dennoch<br />
reichte das Geld irgendwann nicht mehr, um das Schulgeld für ihre beiden<br />
Söhne zu bezahlen. „Dabei lieben sie die Schule, sie lieben es zu lernen“, sagt<br />
Fatema. Es brach ihr das Herz, dass sie ihre Kinder statt zur Schule zur Arbeit<br />
schicken musste. Gemeinsam mit ihrer Mutter schleppten sie schwere Säcke mit<br />
Gemüse und boten dieses auf dem Straßenmarkt an, damit am Ende wenigstens<br />
eine warme Mahlzeit am Tag für alle heraussprang. „Jeden Monat habe ich die<br />
Lehrer angebettelt, ob sie uns nicht alte Bücher und gebrauchte Schulkleidung<br />
überlassen können, weil ich mir beides nicht leisten konnte“, erinnert sich Fatema.<br />
Als Akash die Frau kennenlernte, war sie kurz davor, ihre Söhne ganz von der<br />
Schule zu nehmen, so hoffnungslos war sie. Der Fotograf aber ließ einen eigenen<br />
Gemüseladen für Fatema bauen, sie einarbeiten, und er stellte Kapital zur Verfügung.<br />
Nach nur 14 Tagen zeigte sich: Der kleine Laden war ein großer Erfolg. Die<br />
Zwillinge konnten wieder zur Schule gehen. „Menschen wie Fatema brauchen oft<br />
nur eine Chance, um unabhängig zu werden“, freut sich Akash. •<br />
ALTER<br />
SACK!<br />
JEDER VERDIENT<br />
EINE ZWEITE CHANCE!<br />
„Kleine Gesten<br />
können Licht in<br />
dunkle Orte dieser<br />
Erde bringen.“<br />
GMB AKASH<br />
Tierische Unterstützung für Rudros Familie<br />
„Meine Mutter fragte mich ständig, was wohl morgen passieren wird“, sagt Rudro.<br />
Auch sein Vater machte sich unentwegt Sorgen, ob sie am nächsten Tag etwas<br />
zu essen haben werden. Sohn und Eltern vertauschten die Rollen: Rudro wurde<br />
derjenige, der alle ermutigte und ihnen sagte, dass alles gut werden würde. „Früher<br />
war mein Vater sehr stark“, erinnert sich der Neuntklässler. „Er nahm mich immer<br />
mit auf lange Strecken rund ums Dorf. Wenn ich nicht mehr konnte, sagte er<br />
zu mir: ‚Rudro, das Leben ist eine anstrengende Reise. Es kann schwierig werden,<br />
seinen Weg zu gehen, aber du darfst niemals aufgeben.‘“ Als Rudro in der<br />
5. Klasse war, erlitt sein Vater einen Herzinfarkt; konnte danach zunächst weder<br />
sprechen noch laufen. Aber Rudro gab nicht auf, so wie er es vom Vater gelernt<br />
hatte. „Ich ging zu meinen Prüfungen, obwohl ich tagelang nichts zu essen hatte“,<br />
sagt er. Bis heute ist er Klassenbester. Nur einmal wollte er alles hinschmeißen.<br />
Als die Eltern seine geliebte Schwester Audity („meine beste Freundin“) aus<br />
Geldnot zu einer anderen Familie in die Stadt fortschickten. „An diesem Tag wollte<br />
ich sofort arbeiten gehen, damit wir genug Geld haben, Audity zurückzuholen.“<br />
Akash zahlte das Schulgeld für Rudro. Mithilfe von Freunden kauften sie der Familie<br />
eine Kuh, die täglich frische Milch liefert, dazu ein Kalb. Auch einen Stall für<br />
die Tiere bauten sie. „Die Familie wusste sofort, dass die Tiere ihr Leben ändern<br />
würden“, sagt Akash. Rudros Schwester Audity lebt heute wieder zu Hause.<br />
•<br />
29<br />
Stilbruch, die riesen<br />
Second-Hand Welt in<br />
Hamburg zum Stöbern<br />
oder Spenden.<br />
Altona<br />
Ruhrstraße 51<br />
Wandsbek<br />
Helbingstraße 63<br />
Harburg<br />
Lüneburger Str. 39<br />
stilbruch.de
Eine Rikscha voller Schuhe für die Unzertrennlichen<br />
47 Jahre sind Samsuddin Miha und seine Frau Rekha Begum verheiratet. „Ihr<br />
Gesicht ist das Erste, was ich jeden Morgen sehe. Dann beten wir gemeinsam“,<br />
sagt der 77-Jährige. 47 Jahre. Und kein Tag ohne einander. Sechs Kinder haben<br />
sie großgezogen. An vielen Tagen hatte die Familie kaum etwas zu essen. „Aber<br />
meine Frau hat sich nie beschwert. Sie hat lieber selber gehungert, als die Kinder<br />
darben zu lassen“, sagt ihr Mann. Sie wussten immer, sie haben ja noch sich. Bis<br />
der älteste Sohn entschied, den Vater zu sich zu holen, während seine Frau bei<br />
der Tochter wohnen sollte. Anders würde es nicht mehr gehen, waren die Kinder<br />
überzeugt. Das erste Mal nach 47 Jahren lebten Samsuddin und Rekha getrennt<br />
voneinander – sie hielten es kaum aus. „Jeden Morgen fehlte mir ihr lächelndes<br />
Gesicht“, sagt Samsuddin. Rekha konnte nur mühevoll die Tränen zurückhalten,<br />
wenn sie miteinander telefonierten. Weil sie sich so nacheinander sehnten, beschlossen<br />
sie eines Tages, auszureißen. Eltern, die aus der Obhut ihrer Kinder<br />
fliehen, um gemeinsam neu anzufangen. Samsuddin verkaufte Kinderspielzeug<br />
und besorgte Medizin für Rekha, die sie gegen den Krebs braucht. Ihre Kinder<br />
haben den Kontakt zu den Eltern abgebrochen. Nicht so Akash: Er kaufte<br />
Samsuddin eine Rikscha, mit der er heute als mobiler Schuhverkäufer unterwegs<br />
ist. „Wir sind sehr glücklich“, sagt Samsuddin. Er freut sich über die neue Arbeit –<br />
aber vor allem freut er sich darüber, dass er wieder mit seiner Rekha vereint ist.<br />
•<br />
„Wir sind<br />
zusammen<br />
weggelaufen, mit<br />
leeren Händen.“<br />
SAMSUDDIN MIHA<br />
30
E X TR ACA R D<br />
H<br />
I N Z & K U N Z T<br />
Hurra!<br />
HINZ&KUNZT<br />
UND<br />
EXTRACARD<br />
WERDEN 25!<br />
EIN GANZES JAHR LANG<br />
BUCHEN UND SPAREN<br />
WWW.EXTRACARD.DE<br />
Weitersagen:<br />
Da gibt’s Filme und Comics!<br />
GMB Akash<br />
wurde 1977 in Dhaka, Bangladesch, geboren. Seine<br />
Bilder vom täglichen Überlebenskampf der Armen<br />
wurden bisher mit mehr als 100 internationalen Fotopreisen<br />
ausgezeichnet. Für eine Reportage über Missstände<br />
in einer Koranschule<br />
bekam er in seiner<br />
Heimat Todesdrohungen.<br />
2007 nahm ihn deshalb<br />
die Hamburger Stiftung<br />
für politisch Verfolgte auf.<br />
Damals arbeitete Akash<br />
auch für Hinz&<strong>Kunzt</strong>.<br />
Sein Fotobuch „Survivors“<br />
(65 Euro inkl. Versand)<br />
erschien 2012.<br />
Bestellungen per Mail an<br />
akashphoto@gmail.com<br />
31<br />
Auch Bücher, Zeitschriften, Games und Musik können Kinder.<br />
und Jugendliche in den Bücherhallen ausleihen und streamen.<br />
Sogar kostenlos.<br />
Denn die Stadt Hamburg finanziert allen Mädchen und Jungen,<br />
deren Eltern Sozialleistungen beziehen, eine Kundenkarte*.<br />
Infos unter www.buecherhallen.de/but<br />
*Dieses Angebot gilt zusätzlich zu allen anderen Leistungen des Bildungs- und Teilhabepakets.<br />
www.buecherhallen.de<br />
Medienkompetenz an 35 Orten<br />
MedienMélange
Stadtgespräch<br />
HINZ&KUNZT N°<strong>310</strong>/DEZEMBER <strong>2018</strong><br />
Meldungen<br />
Politik & Soziales<br />
Das „Sonnenschein Café“ für Obdachlose<br />
ist wieder geöffnet: In der Sternstraße 67<br />
finden sie samstags zwischen 14 und 17 Uhr<br />
Wärme und Ruhe. Ehrenamtliche<br />
Helfer sorgen für Kaffee und Kuchen.<br />
Petition<br />
HVV fast für lau?<br />
Mit dem HVV durch Hamburg fahren<br />
soll nur noch 1 Euro pro Tag kosten:<br />
Das fordert die Initiative „HVV<br />
umsonst“ in einer Petition an die Bürgerschaft,<br />
die bereits mehr als 7000<br />
Menschen unterschrieben haben.<br />
Auch in der SPD gibt es Fürsprecher:<br />
Zum Landesparteitag im Oktober<br />
hatte der Kreis Altona beantragt, wie<br />
in Wien ein Jahresticket für 365 Euro<br />
einzuführen. Entschieden wird auf<br />
einem Parteitag im Frühjahr. BELA<br />
•<br />
Zur Petition: www.huklink.de/hvv1euro<br />
Ordnungsamt verteilt Strafzettel<br />
Dortmund bestraft Obdachlosigkeit<br />
In ungewohnter Härte geht in Dortmund das Ordnungsamt gegen Obdachlose<br />
vor. Wen die Mitarbeiter mehrfach auf der Straße antreffen, dem droht ein Verwarngeld<br />
über 20 Euro. Grundlage ist eine Verordnung, die das Lagern und<br />
Campieren im öffentlichen Raum untersagt. Wie jetzt erst bekannt wurde, erhielten<br />
in diesem Jahr bereits 265 Obdachlose einen Strafzettel, teilt Ordnungsamtssprecher<br />
Maximilian Löchter Hinz&<strong>Kunzt</strong> mit. Die Stadt mache aber „keine Jagd<br />
auf Obdachlose“, betont Löchter, der einräumt, dass alle Unterkunftsplätze belegt<br />
seien. Deswegen werde die Stadt das Angebot jetzt erweitern. Fest steht: Auf nicht<br />
gezahlte Verwarngelder folgt ein Bußgeld. Wird dieses ebenfalls nicht beglichen,<br />
droht Obdachlosen in Dortmund gar eine Haftstrafe. JOF<br />
•<br />
Anschlag auf Obdachlose in Berlin<br />
Anklage gegen Brandstifter<br />
Gegen einen 48-Jährigen, der im Juli<br />
zwei Obdachlose in Berlin mit Benzin<br />
übergossen und angezündet haben<br />
soll, hat die Berliner Staatsanwaltschaft<br />
Anklage wegen versuchten Totschlags<br />
und gefährlicher Körperverletzung<br />
erhoben. Er soll aus Wut über<br />
einen vorherigen Streit gehandelt<br />
haben. Einer der Obdachlosen war<br />
nach der Attacke in ein künstliches<br />
Koma versetzt worden. Er ist im November<br />
verstorben. Das zweite Opfer<br />
erlitt leichte Verbrennungen. BELA<br />
•<br />
FOTO: JULIA SCHWENDNER<br />
Trauerredner*innen schaffen Verbindungen zwischen<br />
Lebenden und Toten, nehmen viel wahr und auf.<br />
Am Ende fließen mehr als Worte ...<br />
Heizkostenhals?<br />
Unser Rat zählt.<br />
Beim Strohhause 20<br />
mieterverein-hamburg.de<br />
im Deutschen Mieterbund<br />
879 79-0<br />
Jetzt<br />
Mitglied<br />
werden<br />
20097 Hamburg<br />
Die nächste Ausbildung Trauerrede<br />
bei Annette Rosenfeld beginnt im April 2019.<br />
Weitere Informationen finden Sie unter:<br />
www.vom-kommen-und-gehen.de/ausbildung<br />
In Kooperation mit trostwerk und memento mori.
Stadtgespräch<br />
WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />
Debatte<br />
Was kommt nach Hartz IV?<br />
Führende Politiker von SPD und<br />
Grünen debattieren über das Ende<br />
von Hartz IV. SPD-Chefin Andrea<br />
Nahles sprach sich für ein „Bürgergeld“<br />
und eine Reform der Sanktionspraxis<br />
aus. Grünen-Vorsitzender<br />
Robert Habeck will Sanktionen ganz<br />
abschaffen und ein „neues Garantiesystem“<br />
einführen. Dem erteilte<br />
Hamburgs Sozialsenatorin Melanie<br />
Leonhard (SPD) eine Absage:<br />
Nur Sanktionen für unter 25-Jährige<br />
sollten abgeschafft werden. BELA<br />
Wer fordert was? www.huklink.de/hartziv<br />
•<br />
Mietsteigerungen<br />
Muss jeder Dritte wegziehen?<br />
Entwickeln die Mieten in Hamburg<br />
sich weiter wie bisher, müsste sich<br />
bald jeder dritte Mieter aus finanziellen<br />
Gründen „aus der Stadt verabschieden“,<br />
befürchtet Mieterbund-<br />
Vorsitzender Siegmund Chychla.<br />
Auch eine Studie des Sozialverbands<br />
legt das nahe: Schon jetzt hätten<br />
mehr als eine Million Haushalte in<br />
Großstädten nach Abzug der Miete<br />
ein Einkommen, das unter dem<br />
Regelsatz von Hartz IV liegt. BELA<br />
•<br />
Stadt kauft Wohnhaus auf St. Pauli<br />
Stadt schützt Mieter vor Investor<br />
Die Stadt erschwert Investoren die Spekulation mit Wohnraum. Auf St. Pauli<br />
übte der Landesbetrieb Immobilienmanagement und Grundvermögen Anfang<br />
November erstmals sein Vorkaufsrecht für einen Altbau in der Hein-Hoyer-<br />
Straße aus. Vorausgegangen waren erfolglose Verhandlungen zwischen Bezirk<br />
und dem potenziellen Käufer, sagt Finanzbehördensprecher Claas Ricker gegenüber<br />
Hinz&<strong>Kunzt</strong>. Der Investor hatte wohl den Verkauf einzelner Wohnungen<br />
angestrebt. Die Finanzbehörde bestätigt, dass sich der neue Eigentümer nicht an<br />
die Soziale Erhaltensverordnung habe halten wollen. Die gilt seit sechs Jahren auf<br />
St. Pauli. Umbauten und Modernisierungen an Wohnungen, die den Wohnwert<br />
steigern und zu Mieterhöhungen führen können, sind seitdem zum Schutz der<br />
Altmieter genehmigungspflichtig.<br />
Deswegen nutzte die Stadt eine weitere Möglichkeit, die die Soziale Erhaltungs<br />
verordnung bietet: das Vorkaufsrecht. Erworben wurde das Haus zu dem<br />
Preis, zu dem es der Investor kaufen wollte, so die Finanzbehörde. Doch statt an<br />
einen Investor, bei dem es sich nach Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Informationen um den schwedischen<br />
Immobilienkonzern Akelius handelt, zahlen die Bewohner in der Hein-<br />
Hoyer-Straße ihre Miete künftig an die Saga, die die Häuser verwalten wird.<br />
Bei einem einmaligen Hauskauf soll es allerdings nicht bleiben: Neun weitere<br />
Objekte würden geprüft oder es würden bereits Verhandlungen geführt, teilt die<br />
Stadtentwicklungsbehörde mit. Sie liegen in einem der elf Gebiete mit rund<br />
190.000 Einwohnern, für die bereits eine Soziale Erhaltensverordnung erlassen<br />
wurde. Darüber hinaus wurde bereits für weitere fünf Häuser das Vorkaufsrecht<br />
genutzt. Der Kauf sei allerdings noch nicht rechtskräftig. Der neu eingeschlagene,<br />
rigorose Kurs gegen Investoren stößt derweil auf breite Zustimmung – sogar bei<br />
Hauseigentümern. „Die Botschaft ‚Verhaltet Euch anständig, sonst greifen wir<br />
ein‘ ist richtig. Wer nicht hören will, muss<br />
fühlen!“, sagt Andreas Breitner, Direktor<br />
vom Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen.<br />
JOF<br />
•<br />
Mehr Infos und Nachrichten unter:<br />
www.hinzundkunzt.de<br />
Freude schenken ...<br />
... mit Produkten aus fairem Handel<br />
• Kaffee, Tee, Schokolade ...<br />
• Geschenke, Körbe, Musikinstrumente, Bücher, Lederwaren,<br />
Spielzeug - aus Afrika, Asien und Lateinamerika ...<br />
Fairhandelszentrum Groß- und Einzelhandel<br />
Fachbuchhandlung • Stresemannstr. 374 • 22761 Hamburg<br />
Tel.: 040 / 890 61 33 • Fax: 040 / 899 74 52<br />
www.sued-nord-kontor.de<br />
Öffnungszeiten: Dienstag - Freitag 10.00 - 19.00 Uhr<br />
Samstag 10.00 - 14.00 Uhr
Liebeserklärung an<br />
die schönste Verfassung<br />
der Welt<br />
Zum 70. Geburtstag des Grundgesetzes im Mai 2019 geben Oliver Wurm<br />
und Andreas Volleritsch die deutsche Verfassung als Magazin heraus.<br />
TEXT: BIRGIT MÜLLER<br />
FOTO: MAURICIO BUSTAMANTE (OBEN); GRUNDGESETZ-TITEL: ANDREAS VOLLERITSCH<br />
34
Stadtgespräch<br />
Medienberater Oliver Wurm (links) und<br />
Art-Direktor Andreas Volleritsch haben das<br />
Grundgesetz als Magazin herausgegeben.<br />
„Gut lesbar, damit es Spaß macht.“<br />
„Alle sollen<br />
das Grundgesetz<br />
lesen,<br />
alle, alle, alle.“<br />
OLIVER WURM<br />
Irgendwie ist Oliver Wurm ein Missionar.<br />
Nicht im religiösen Sinn. Sondern<br />
in Bezug auf das Grundgesetz für die<br />
Bundesrepublik Deutschland. Wurm<br />
will nämlich, „dass alle diese vielleicht<br />
schönste Verfassung der Welt lesen“.<br />
Damit es keine Missverständnisse<br />
gibt, legt er noch mal nach: „Alle, alle,<br />
alle. Und zwar egal welchen Glaubens<br />
sie sind, egal welcher politischen Couleur.“<br />
Er ist „so froh, dass wir diese Verfassung<br />
haben. Wir müssen sie verteidigen<br />
und dafür müssen wir auf die<br />
Straße gehen.“<br />
Dass Oliver Wurm das Grundgesetz<br />
unter die Leute bringen will, macht<br />
deutlich, wie besorgt er ist. Seit 2015,<br />
seit die Willkommenskultur für die<br />
Flüchtlinge abebbte und ein neuer<br />
Rechtsruck im Land spürbar wurde,<br />
seit Pegida, wieder auflebendem Rassismus,<br />
Hetze und Hass ist er so politisch<br />
geworden „wie noch nie in meinem Leben“,<br />
sagt der 48-jährige Katholik, der<br />
noch nie einer Partei angehörte. „Weil<br />
Politik so nah an mich herankommt.“<br />
Er verfolgt Talkshows anders, liest<br />
Zeitungen anders – „und ich gehe auch<br />
35<br />
wieder auf die Straße – gegen Rechts“.<br />
Überall, wo er nur könne, versuche er<br />
gegenzusteuern: „Auf meinem Facebook-Kanal,<br />
auf meinen anderen<br />
Social-Media-Kanälen – und in privaten<br />
Diskussionen“, sagt er. „Ich habe<br />
gemerkt, dass man da was bewegen<br />
kann.“ Aber irgendetwas fehlte ihm<br />
noch.<br />
Initialzündung für seine Idee, das<br />
Grundgesetz als Magazin herauszugeben,<br />
war eine Talkshow. Am 17. Oktober<br />
2017 – Oliver Wurm weiß das<br />
Datum auswendig – saß der Wissenschaftler<br />
Ranga Yogeshwar bei Markus<br />
Lanz in der Runde. Vermutlich ging es<br />
wieder mal um alles: um Geflüchtete,<br />
um Pressefreiheit, um den Rechtsruck<br />
in der Welt, um die Gefährdung der<br />
Demokratie. Und irgendwann sagte<br />
Ranga Yogeshwar, der ja Pakistaner ist<br />
und einen luxemburgischen Pass hat, so<br />
etwas wie: Deutschland habe eine wundervolle<br />
Verfassung. Lest sie doch mal!<br />
Oliver Wurm wusste plötzlich, was<br />
zu tun ist. Am nächsten Tag habe er zu<br />
seinem Kollegen Andreas Volleritsch<br />
gesagt: „Wir müssen das Grundgesetz<br />
gut lesbar als Magazin herausgeben.“<br />
Andreas, der schon mit ihm zusammen<br />
das Neue Testament als Magazin gemacht<br />
hat, war sofort dabei.<br />
Natürlich hatte Volleritsch in grauer<br />
Vorzeit das Grundgesetz schon mal<br />
gelesen. Aber jetzt, beim Wiederlesen,<br />
war er überrascht, „wie einfach, wie<br />
verständlich und wie intelligent das
Stadtgespräch<br />
HINZ&KUNZT N°<strong>310</strong>/DEZEMBER <strong>2018</strong><br />
Asylrecht, die Religionsfreiheit oder die<br />
Gleichstellung von Mann und Frau geregelt<br />
wurden“, sagt der 46-Jährige.<br />
Auch für den Art-Direktor ist das<br />
Grundgesetz kein normales Produkt.<br />
„Für mich schwingt im Hinterkopf mit:<br />
Was hinterlasse ich meinen Kindern?<br />
Mit welchen Werten erziehe ich sie?<br />
Wie sollten wir aufeinander zugehen<br />
und uns verstehen? Und wenn man<br />
Streit hat, wie verträgt man sich wieder?<br />
Das alles steht im Ansatz im<br />
Grundgesetz.“<br />
Natürlich sind nicht alle Kapitel<br />
topspannend, räumt Oliver Wurm ein.<br />
Aber man müsse ja auch nicht alles lesen,<br />
was da über den Bund, die Länder<br />
und das Postwesen geschrieben wurde.<br />
Wichtig sei doch nur, mal anzuerkennen,<br />
wie gut und vorausschauend alles<br />
geregelt sei.<br />
„Richtig berührt“ habe ihn wiederum,<br />
was die Väter und Mütter („Immerhin<br />
waren vier Frauen aus drei Parteien<br />
dabei“) 1948 unter dem Eindruck<br />
des Zweiten Weltkrieges geschrieben<br />
haben, „weil es vielleicht nur ein paar<br />
Der Artikel 1 des<br />
Grundgesetzes<br />
steht in der Mitte<br />
des Titelblatts.<br />
Das Grundgesetz<br />
muss geschützt<br />
werden, deshalb<br />
die roten Linien<br />
drumhe rum.<br />
Allerdings hängt<br />
es am seidenen<br />
Faden. Unten die<br />
ersten Noten der<br />
Nationalhymne.<br />
„Mit welchen<br />
Werten erziehe<br />
ich meine<br />
Kinder? “<br />
ANDREAS VOLLERITSCH<br />
36<br />
Jahre dauern würde, bis es wieder Krieg<br />
geben würde in Deutschland“.<br />
Mehrere Artikel sind dem Verteidigungsfall<br />
gewidmet: Dass ein Angriff<br />
droht, muss demnach der Bundestag<br />
mit Zustimmung des Bundesrates feststellen<br />
– mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit<br />
der abgegebenen Stimmen und auf<br />
Antrag der Bundesregierung. Artikel<br />
115a haben Oliver Wurm und Andreas<br />
Volleritsch ganz groß gedruckt, „weil in<br />
70 Jahren kein Krieg mehr von uns ausging.<br />
Wenn einem das klar wird, ist das<br />
ein richtiger Gänsehautmoment.“<br />
Gänsehautmomente erlebten die<br />
beiden oft. Zum Beispiel, „dass im<br />
Grundgesetz drinsteht: Die Todesstrafe<br />
ist abgeschafft. Wenn man sich vorstellt,<br />
dass das bis heute weltweit nicht selbstverständlich<br />
ist. Und dass die Hessen<br />
die Todesstrafe erst in diesem Jahr in<br />
ihrer Landesverfassung abgewählt<br />
haben“, sagt Wurm.<br />
Und dann diese Schönheit der<br />
Sprache wie etwa in Artikel 1: „Die<br />
Würde des Menschen ist unantastbar!“<br />
Darüber kann sich der Medienberater<br />
nicht genug freuen. „Sätze sind das, die<br />
kennt heute jeder und die kannst du dir<br />
aufs T-Shirt drucken. Aber lass dir das<br />
mal einfallen.“<br />
Vom Layout her ist das Grundgesetz<br />
eine echte Überraschung. Zumindest<br />
für die, die nicht schon das Neue<br />
Testament als Magazin kennen. Mit<br />
Passagen in Riesengroß, die man vielleicht<br />
noch nie bewusst gelesen hat.<br />
Das Titelblatt ist wieder grafisch<br />
gestaltet. In der Mitte ein rotumrandeter<br />
Kasten: „Die Würde des Menschen<br />
ist unantastbar.“, steht darin. „In der<br />
Mitte, weil das Grundgesetz in die Mitte<br />
der Gesellschaft gehört“, sagt Oliver<br />
Wurm. „Geschützt wird es durch die<br />
rote Umrandung. Die zwei Linien, die<br />
vom Kasten wegführen, zeigen, dass die<br />
Verfassung am seidenen Faden hängt.“<br />
Lange haben die beiden Magazinmacher<br />
überlegt, wie sie das Grundgesetz<br />
bebildern wollen. Wieder hat<br />
Oliver Wurm die Lösung beim Fernsehschauen<br />
gefunden: Beim Bürgerfest<br />
des Bundespräsidenten in Berlin wurde<br />
der deutsche Astronaut Alexander<br />
Gerst aus dem All zugeschaltet. „Da<br />
habe ich gedacht, wie toll wäre es, wenn<br />
der für uns fotografieren würde.“<br />
Sehr unwahrscheinlich, dass Alexander<br />
Gerst davon weiß, aber die Europäische<br />
Weltraumorganisation (ESA)<br />
hat sofort ihr Okay gegeben und den<br />
Magazinmachern erlaubt, die Bilder zu<br />
verwenden. „Wir sind dann Astro-Alex<br />
vier Monate lang auf allen Kanälen<br />
gefolgt“, sagt Oliver Wurm.<br />
Zum Einstieg ins Grundgesetz gibt<br />
es eine Satellitenaufnahme von Europa<br />
mit all seinen Außengrenzen bei Tag,<br />
dann eine von Bonn, der alten Haupt-
WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />
Stadtgespräch<br />
Freilichtmuseum am Kiekeberg.<br />
www.kiekeberg-museum.de<br />
„Kein Magazin<br />
darf weggeschmissen<br />
werden. “<br />
OLIVER WURM<br />
stadt, von Berlin, der neuen, von Hamburg<br />
und von der Künzelsau, wo Astro-<br />
Alex aufgewachsen ist.<br />
Was den Verkauf anbelangt, hat<br />
Oliver Wurm gigantische Pläne: „Am<br />
liebsten will ich nicht 100.000 verkaufen,<br />
sondern 500.000 – und noch ganz<br />
viele verschenken.“<br />
Zu kaufen gibt es das Magazin deshalb<br />
an 800 Verkaufsstellen an Bahnhöfen<br />
und Flughäfen. „Bei kleinen Kiosken<br />
landet so etwas viel zu schnell in der<br />
Bananenkiste“, sagt Wurm. „Eine Frühremission<br />
würde ich beim Grundgesetz<br />
nicht ertragen. Kein Magazin darf<br />
weggeschmissen werden.“ Das kostet<br />
natürlich Geld: Damit das Magazin<br />
überhaupt in Druck gehen konnte, haben<br />
Wurm und Volleritsch 70 Sponsoren<br />
gesucht, aus allen Sparten der<br />
Gesellschaft. DAX-Unternehmen, Mittelständler,<br />
Start-ups – und auch<br />
Hinz&<strong>Kunzt</strong> erscheint mit seinem<br />
Logo. Natürlich nicht als Geldgeber.<br />
„Aber ihr seid eben auch ein Teil der<br />
Das Grundgesetz als Magazin:<br />
Das Grundgesetz als Magazin, herausgegeben<br />
von Oliver Wurm und Andreas<br />
Volleritsch, gibt es vor allem an Bahnhofs<br />
kiosken. Preis: 10 Euro. Außer dem<br />
Grundgesetz beinhaltet das Magazin die<br />
Menschenrechte, die ebenfalls 70 Jahre<br />
werden, und Informationen über das demokratische<br />
System: alle Bundespräsidenten<br />
und Kanzler, wie die Wahlen<br />
funktionieren und die Nationalhymne.<br />
www.dasgrundgesetz.de<br />
Gesellschaft“, sagt Oliver Wurm, der<br />
seit Jahren im Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Beirat engagiert<br />
ist.<br />
Kurz bevor das Grundgesetz in<br />
Druck ging, gab es dann noch eine<br />
Überraschung, mehr noch: eine Punktlandung.<br />
Alexander Gerst machte nämlich<br />
noch ein wichtiges Foto. Eine<br />
Nachtaufnahme von Europa, und dazu<br />
schrieb er: „From space it’s pretty clear<br />
that Europe belongs together.“ („Vom<br />
All aus ist es ganz klar, dass Europa zusammengehört.“)<br />
„Da wussten wir: Wow, das<br />
ist jetzt das Schlussbild.“ Wieder so ein<br />
Gänsehautmoment.<br />
Und für den Grundgesetz-Missionar<br />
Oliver Wurm steht jetzt schon fest,<br />
dass er zu Astro-Alex Kontakt aufnehmen<br />
wird, sobald der nach seiner<br />
Landung am 10. <strong>Dezember</strong> wieder<br />
ansprechbar ist. Mal sehen, wie der<br />
Astronaut das alles von der Erde aus<br />
betrachtet.<br />
•<br />
Kontakt: birgit.mueller@hinzundkunzt.de<br />
Weihnachtsmärkte<br />
der Kunsthandwerker<br />
über 140 Kunsthandwerker<br />
Tradidition und Moderne<br />
handgearbeitete Unikate<br />
viele Vorführungen<br />
vor den Toren Hamburgs,<br />
A7 Abfahrt HH-Marmstorf<br />
Innere Kraft - für dich & andere<br />
Qigong<br />
Taijiquan Meditation<br />
Barmbek, Bahrenfeld, Eimsbüttel<br />
040-205129<br />
www.tai-chi-lebenskunst.de<br />
FOTO: KIRILL KUDRYAVTSEV / AFP<br />
Mit Satellitenaufnahmen<br />
von<br />
Alexander<br />
Gerst wird<br />
das Magazin<br />
bebildert. Auch<br />
Hamburg ist<br />
zu sehen.<br />
37
Super Party!<br />
Es war ein rauschendes Fest: Auf den Tag genau<br />
25 Jahre nach Gründung von Hinz&<strong>Kunzt</strong> feierte das<br />
Straßenmagazin mit rund 800 Verkäufern, alten und neuen<br />
Kollegen, Wegbegleitern, Kooperationspartnern und<br />
Freunden – und mit Gustav Peter Wöhler und seiner Band.<br />
TEXT: BIRGIT MÜLLER<br />
FOTOS: MAURICIO BUSTAMANTE, DMITRIJ LELTSCHUK<br />
800 Gäste kamen in die Markthalle, um den Hinz&<strong>Kunzt</strong>-<br />
Geburtstag zu feiern: volle Hütte! Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Geschäftsführer<br />
Jens Ade, Chefredakteurin Birgit Müller und<br />
Hinz&Künztler Jörg Petersen führten durch den Abend. Herausgeber<br />
Dirk Ahrens wünschte dem Projekt, dass es in<br />
Zukunft ein „Innovationslabor für soziale Projekte“ werden<br />
möge. Gründer Stephan Reimers signierte sein Buch<br />
„Hamburger Mutmacher“, in dem er auch über die Gründungszeit<br />
des Straßenmagazins geschrieben hat.<br />
Einmal wurde es auf der Bühne richtig eng: Als Köche<br />
und Hinz&Künztler das Kochbuch „Willkommen in der<br />
<strong>Kunzt</strong>Küche!“ vorstellten. 25 Köche hatten bei dem Restaurant<br />
auf Zeit mitgemacht und jeden Tag ein Drei-Gänge-Menü<br />
gekocht, unterstützt von zwölf Hinz&Künztlern,<br />
38
Freunde<br />
So wichtig für Hamburg.<br />
Mit 25 Jahren noch wild und<br />
ausgelassen wie ein Teenager<br />
und weise wie eine alte Dame.<br />
Herzlichen Glückwunsch.<br />
LARS MEIER<br />
Schauspieler und<br />
Sänger Gustav Peter<br />
Wöhler rockte mit<br />
seiner Band die<br />
Markthalle – aber wie!<br />
Oben: Geschäftsführer Jens Ade,<br />
Chefredakteurin Birgit Müller und<br />
Hinz&Künztler Jörg (von rechts)<br />
moderierten, He rausgeber Dirk<br />
Ahrens (unten) hielt eine Laudatio.<br />
die für diesen Zeitraum fest angestellt waren. Daraus ist ein<br />
fulminantes Kochbuch entstanden, mit allen Rezepten zu<br />
den Menüs und vielen Fotos, die die Stimmung in der<br />
<strong>Kunzt</strong>Küche widerspiegeln.<br />
Ein weiterer Höhepunkt des Abends war Gustav Peter<br />
Wöhler. Als der Schauspieler und Musiker gemeinsam mit<br />
seiner Band auf der Bühne stand, wurde im Publikum sogar<br />
getanzt. Ein rundum tolles Geburtstagsfest. Wir sagen Danke<br />
– an alle, die uns unterstützt oder einfach durch ihr Kommen<br />
zum Gelingen beigetragen haben. •<br />
Kontakt: birgit.mueller@hinzundkunzt.de<br />
Auf ein weiteres Vierteljahrhundert<br />
und viele weitere spannende und schöne<br />
Geschichten! Vor allem aber ein riesiges<br />
Dankeschön an Sie und Ihr Team für den<br />
hervorragenden Journalismus.<br />
ANNA KATHARINA KAYSER<br />
39
In Feierlaune: einige<br />
unserer Verkäufer und<br />
Mitarbeiter (links).<br />
Unten: Hinz&Künztler<br />
Peter stößt mit<br />
Ex-Geschäftsführerin<br />
Doris Tito an.<br />
Heute vor einem<br />
Vierteljahrhundert<br />
erschien die erste<br />
Ausgabe von Hinz&<strong>Kunzt</strong>.<br />
Wir gratulieren herzlich<br />
zum Jubiläum und sagen<br />
Danke für euren Einsatz.<br />
Auf die nächsten 25 Jahre.<br />
ANDREAS DRESSEL<br />
Soziologe und Journalist<br />
Burkhard Plemper (links) mit<br />
Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Sozialarbeiter<br />
Stephan Karrenbauer.<br />
Unsere Ehrenamtlichen<br />
(von links): Ariane Köthe,<br />
Conja Reuter, Marina Krog,<br />
Hiltrud Lawniczak,<br />
Ute und Jürgen Schwarz.<br />
Ich möchte mich für die Einladung zur<br />
Geburtstagsfeier bedanken. Dieses Erlebnis hat mich<br />
zutiefst berührt: die herzlichen Begrüßungen von<br />
Verkäufern und Kunden; die Begegnungen zwischen<br />
Mitarbeitern, Ehrenamtlichen und Verkäufern<br />
auf Augenhöhe. Es war wirklich ein rauschendes Fest.<br />
Die Jubiläumsausgabe fiel mir zu Hause erst um<br />
halb drei im Bett aus der Hand …<br />
MICHAEL ROSE<br />
40
WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />
Freunde<br />
Mit dem Begriff „Stolz“ gehe ich normalerweise äußerst<br />
homöopathisch um. Stolz auf die eigene Nationalität?<br />
Finde ich absurd. Stolz auf die eigenen Begabungen?<br />
Erschließt sich mir auch nicht. Aber irgendwie bin ich<br />
heute stolz auf euch! 25 Jahre Hinz&<strong>Kunzt</strong> bedeuten<br />
25 Jahre tägliche Arbeit für die Menschlichkeit.<br />
Dafür habt ihr meinen tief empfundenen Respekt.<br />
Herzlichen Glückwunsch,<br />
es ist wunderbar,<br />
dass es euch gibt.<br />
Danke für diese 25 Jahre!<br />
NORDKIRCHE<br />
SASCHA LEIRICH<br />
Strahlende Gäste:<br />
rechts Stadtteilkünstler<br />
Erich Heeder. Freuen<br />
sich aufs Hinz&<strong>Kunzt</strong>-<br />
Haus: Die Innenarchitektinnen<br />
Maren Holz<br />
und Katrin Sander,<br />
der Architekt Axel<br />
Hauschild und Jens<br />
Ade mit Ehefrau<br />
Angelika (von links).<br />
Jürgen und Nina<br />
(unten), früher in<br />
Vertrieb und Redaktion<br />
tätig, fanden ihre<br />
Liebe bei uns.<br />
Das auflagenstärkste<br />
Straßenmagazin Deutschlands<br />
bietet eine unbüro kratische<br />
Beschäftigung für Menschen,<br />
die auf dem Arbeitsmarkt kaum<br />
Chancen haben, und fördert<br />
das soziale Klima in unserer<br />
Stadt. Der Verkauf des<br />
Magazins trägt dazu bei,<br />
dass B erührungsängste und<br />
Vorurteile in der Bevölkerung<br />
abgebaut werden.<br />
FDP-FRAKTION IN DER<br />
HAMBURGISCHEN BÜRGERSCHAFT<br />
Gründer<br />
Stephan<br />
Reimers<br />
(links) und<br />
unser erster<br />
Chefredakteur<br />
Ivo Banek.<br />
Alte und neue Freunde: Ex-Herausgeberin<br />
und Landespastorin Annegrethe Stoltenberg,<br />
Birgit Müller und Matthias Gfrörer, Koch<br />
der Gutsküche Wulksfelde.<br />
41
Freunde<br />
HINZ&KUNZT N°<strong>310</strong>/DEZEMBER <strong>2018</strong><br />
Sie machten die<br />
<strong>Kunzt</strong>-Küche<br />
möglich:<br />
Sybille Arendt<br />
(Öffentlichkeitsarbeit,<br />
rechts)<br />
bedankte sich bei<br />
Restaurantchef<br />
Lutz Bornhöft<br />
(Mitte), den Köchen<br />
(links) und<br />
Hinz&Künztlern,<br />
die als Küchenhilfen<br />
dabei waren.<br />
25 Jahre Hinz&<strong>Kunzt</strong> – 25 Jahre Selbst bewusstsein,<br />
25 Jahre guter und harter Journalismus,<br />
25 Jahre Lobby für Menschen ohne Lobby.<br />
Gratulation, danke und weiter so! Hamburg<br />
braucht euch. Und mehr Solidarität.<br />
LINKSFRAKTION HAMBURG<br />
Ein dickes Dankeschön an alle, die zum Gelingen<br />
unserer Jubiläumsfeier beigetragen haben:<br />
• Gustav Peter Wöhler, Olaf Casimir<br />
(Kontrabass), Mirko Michalzik (Gitarre),<br />
Kai Fischer (Flügel, Keyboards),<br />
Christoph Drescher (Management)<br />
• Die Markthalle • Pit Kannapin<br />
• Lars Ginsberg (Agentur für Genuss)<br />
• Allesklar! Veranstaltungsservice<br />
• Carlsen Verlag<br />
• Dr. Stephan Reimers<br />
• Bäckerei Junge<br />
• unsere Ehrenamtlichen<br />
• Tide – Hamburgs Communitysender<br />
• Stephan Boden<br />
• C. Bechstein Centrum Hamburg<br />
• Musik Markt Hamburg<br />
Danke an alle, die uns<br />
Tombolagewinne gespendet haben:<br />
• Wolfgang Sangmeister<br />
• Wein Boutique<br />
• Stattreisen Hamburg<br />
• U.S. Fun Bowling<br />
• Arbeitsgemeinschaft des<br />
Kunsthandwerks e. V.<br />
• Kleinhuis Hotels & Restaurants<br />
• Bäderland • Gruner + Jahr<br />
• Ernst Deutsch Theater<br />
• FoodBoom<br />
• Arbeitsgemeinschaft<br />
Geesthachter Eisenbahn e. V.<br />
• Hot Rod City Tour Hamburg<br />
• Inkultur<br />
• Jumphouse Trampolinpark<br />
• Kolle Rebbe • Lemonaid<br />
• Freilichtmuseum am Kiekeberg<br />
• Rickmer Rickmers<br />
• Wildpark Schwarze Berge<br />
• Chocoversum • Die Halle Parkour<br />
• Altonaer Theater • Gedok<br />
• Panoptikum • Team Escape<br />
• World in Travel<br />
• Miniatur Wunderland<br />
• Vero Moda • Savoy<br />
• Museum der Arbeit<br />
• Restaurant Schwerelos<br />
• Ensemble Resonanz<br />
• Anna Anderson • Abaton<br />
• Goldwerk • Wilhelm Schmidt<br />
• Michaela Paula Alt • Flané<br />
42
25 Jahre Hinz&<strong>Kunzt</strong> – 25 Tage unser Restaurant auf Zeit:<br />
Ein kulinarisches Dankeschön an die Hamburger<br />
Mit 25 Drei-Gänge-Menüs von Sterneköchen, jungen Wilden<br />
und anderen Küchengöern<br />
Unser Kochbuch* kostet 25 Euro plus Versandkosten.<br />
Vom erwarteten Erlös haben wir jedem Hinz&Künztler<br />
zum Jubiläum 25 Monatsmagazine geschenkt. Sie können<br />
es online bestellen unter www.hinzundkunzt.de/shop<br />
oder im Buchladen (ISBN 978-3-00-060526-0).<br />
*Das Kochbuch ist für 45 Euro auch als Bundle zusammen<br />
mit der Schürze „<strong>Kunzt</strong>Küche“ erhältlich (siehe Seite 59).
Freunde<br />
HINZ&KUNZT N°<strong>310</strong>/DEZEMBER <strong>2018</strong><br />
Engagement als<br />
Glaubensfrage: Peter<br />
Hagemann und seine<br />
Frau Sandra sind seit<br />
Langem Mitglieder im<br />
Freundeskreis.<br />
Hoch die Tassen!<br />
Für viele Hinz&Künztler ist Peter Hagemann der Weihnachtsmann – auch wenn er<br />
nicht so aussieht. Der Logistiker sammelt bei seinen Kollegen von Tchibo den Bonus-Kaffee<br />
für Mitarbeiter ein – und bringt ihn als Weihnachtsspende an unseren Kaffeetresen.<br />
TEXT: MISHA LEUSCHEN<br />
FOTO: MIGUEL FERRAZ<br />
162 Pfund Kaffee – das ist mehr Gewicht,<br />
als Peter Hagemann selbst auf die<br />
Waage bringt: So viel kam im vergangenen<br />
Jahr bei der Sammelaktion zusammen<br />
– eine hoch willkommene Spende,<br />
denn der Kaffeetresen ist das Herzstück<br />
unseres Verkaufsraums. Hier können<br />
sich die Verkäufer mit einem kostenlosen<br />
Becher Kaffee aufwärmen, bevor es wieder<br />
rausgeht auf die Straße.<br />
Peter Hagemann, Freundeskreismitglied<br />
fast von Anfang an, ist kein<br />
Mann großer Worte. Doch wenn es darum<br />
geht, anderen zu helfen, wirbt er<br />
gern dafür. 2013 bat er seine Kollegen<br />
44<br />
zum ersten Mal um eine Kaffeespende,<br />
da kamen 27 Pfund zusammen. Im Folgejahr<br />
hatte sich die Menge schon mehr<br />
als verdoppelt, 2017 brachte das neue<br />
Rekordergebnis. Bei manchen Kollegen<br />
beschwere sich zwar die Verwandtschaft,<br />
dass es zu Weihnachten nun weniger<br />
Kaffeegeschenke gebe, erzählt Hagemann<br />
lächelnd. Aber das schmälert ihre<br />
Bereitschaft zum Spenden nicht.<br />
Warum er sich für andere engagiert?<br />
„Ich bin überzeugter Christ“,<br />
sagt er schlicht. „Ich bin im Elternhaus<br />
so geprägt worden, auch an andere zu<br />
denken.“ Diese Haltung teilt er mit seiner<br />
Frau Sandra, die auch beruflich im<br />
sozialen Bereich tätig ist. Obdachlose<br />
Menschen begegnen den beiden jeden<br />
Tag auf dem Weg zur Arbeit. „Die Vorstellung,<br />
bei diesem Wetter draußen<br />
schlafen zu müssen – gruselig“, findet<br />
er. Seine Frau pflichtet ihm bei: „Mich<br />
berühren vor allem die Frauen, die ungeschützt<br />
auf der Straße leben.“<br />
Bei einigen Obdachlosen habe er<br />
Berührungsängste, gibt er offen zu, zum<br />
Beispiel wenn sie offensichtlich alkoholisiert<br />
oder aggressiv sind. „Bei den<br />
Hinz&Künztlern ist das anders, da hat<br />
man keine Hemmschwelle. Das sind
WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />
tolle, offene Menschen, die es einem<br />
leicht machen, in Kontakt zu kommen.“<br />
Soziale Verantwortung übernimmt<br />
das Ehepaar, Eltern zweier Kinder, in<br />
ganz unterschiedlichen Bereichen. Vor<br />
zwei Jahren reiste Peter Hagemann mit<br />
seinem Kirchenkreis ins südliche Afrika,<br />
um sich Hilfsprojekte für Waisenkinder<br />
anzuschauen. „Das war eine sehr<br />
herausfordernde Erfahrung“, bilanziert<br />
der 52-Jährige. Das geht auch Sandra<br />
Hagemann so, die ihren Mann auf einer<br />
späteren Reise begleitete. Viele der<br />
Waisenkinder leben bei ihren Großmüttern,<br />
die mit wenig zurechtkommen<br />
müssen und sich große Sorgen um die<br />
Zukunft der Kinder machen, erzählt<br />
sie. „Da stellt man sich selbst infrage.<br />
Afrika verändert.“<br />
Freunde<br />
Hagemanns wollten etwas tun und riefen<br />
zusammen mit engagierten Unterstützern<br />
und Unterstützerinnen ein<br />
Projekt ins Leben (www.patenprojektswasiland.de),<br />
eine Kooperation des<br />
Kirchenkreises Winsen/Luhe mit einer<br />
Hilfsorganisation vor Ort. „Wir unterstützen<br />
Kinder in drei Dörfern in Swasiland,<br />
Malawi und Simbabwe“, erzählt<br />
Peter Hagemann.<br />
Die eigene „Komfortzone“ zu verlassen,<br />
das ist es, was Peter und Sandra<br />
Hagemann antreibt, sagen sie. Zu Hause<br />
und im südlichen Afrika. „Bei<br />
Hinz&<strong>Kunzt</strong> können wir etwas vor der<br />
eigenen Haustür tun, aber die anderen<br />
wollen wir nicht vergessen.“ •<br />
Kontakt: redaktion@hinzundkunzt.de<br />
JA,<br />
ICH WERDE MITGLIED<br />
IM HINZ&KUNZT-<br />
FREUNDESKREIS.<br />
Damit unterstütze ich die<br />
Arbeit von Hinz&<strong>Kunzt</strong>.<br />
Meine Jahresspende beträgt:<br />
60 Euro (Mindestbeitrag für<br />
Schüler/Studenten/Senioren)<br />
100 Euro<br />
Euro<br />
Datum, Unterschrift<br />
Ich möchte eine Bestätigung<br />
für meine Jahresspende erhalten.<br />
(Sie wird im Februar des Folgejahres zugeschickt.)<br />
Meine Adresse:<br />
Name, Vorname<br />
Dankeschön<br />
Straße, Nr.<br />
PLZ, Ort<br />
Telefon<br />
Wir danken allen, die im November an<br />
uns gespendet haben, sowie allen Mitgliedern<br />
im Freundeskreis von Hinz&<strong>Kunzt</strong> für<br />
die Unterstützung unserer Arbeit!<br />
DANKESCHÖN EBENFALLS AN:<br />
• IPHH • wk it consultants<br />
• Produktionsbüro Romey von Malottky GmbH<br />
• Hamburger Tafel • Axel Ruepp Rätselservice<br />
• Hamburger Kunsthalle<br />
• bildarchiv-hamburg.de • Röder-Stiftung<br />
• das Team Polo Power: Lutz Peters<br />
und Tanja für ihre Spende von der<br />
Balkan Rallye <strong>2018</strong><br />
• das Bucerius Kunst Forum,<br />
besonders Laura Rohloff, sowie den<br />
Bucerius Kunst Shop mit Hilda Tilmann<br />
• das Team der Rathauspassage<br />
und die Leser, die Bücher beigesteuert<br />
haben für den gelungenen<br />
Kunstbuchflohmarkt am 28.10.<strong>2018</strong><br />
• Annette und Frank Kotter sowie ihren<br />
Gästen anlässlich der Silberhochzeit<br />
• die Schülerinnen und Schüler der<br />
Klassenstufe 12 der Brechtschule für ihre<br />
Spende, die sie beim Vielfalttag durch<br />
Kuchenverkauf in der Hamburger Innenstadt<br />
für Hinz&<strong>Kunzt</strong> verdient haben<br />
• die Studenten der Fakultät Design, Medien<br />
und Information der HAW, insbesondere<br />
Dana Elmi Sarabi und der Fachschaft,<br />
für die Spende vom Campustag<br />
• die Gäste der Trauerfeier für<br />
Wolfgang Döbler<br />
• alle, die uns zum 25. Geburtstag mit einer<br />
Spende überrascht haben, unter anderem:<br />
• Firma Christian Bahne Sanitär und Heizung<br />
• Erdkorn für eine 2-prozentige Geburtstagsspende<br />
vom Umsatz am 6.11.<strong>2018</strong><br />
• Polly, eine Spenderin aus dem<br />
Freundeskreis, die uns mit 25.000 Euro<br />
zum 25. Geburtstag gratuliert hat<br />
NEUE FREUNDE:<br />
• Sabine Balser • Dirk Behrens<br />
• Kerstin Boll • Manuela Buske<br />
• Beate Christians • Klaus Geßner-Panther<br />
• Ilse Haubenreisser • Thomas Hensel<br />
• Heidi Ingwersen • Daniel Koch<br />
• Katrin Meinken • Daniel Parthey<br />
• Doris Rasch • Daniela Reischl<br />
• Henning Rohde • Bernd Schnitter<br />
• Ursula Seligmann • Inga Tautorat<br />
• Inge und Erich Wehde • Carina Wolf<br />
E-Mail<br />
Einzugsermächtigung:<br />
Ich erteile eine Ermächtigung zum<br />
Bankeinzug meiner Jahresspende.<br />
Ich zahle: halbjährlich jährlich<br />
IBAN<br />
BIC<br />
Bankinstitut<br />
Ich bin damit einverstanden, dass mein Name in<br />
der Rubrik „Dankeschön“ in einer Ausgabe des<br />
Hamburger Straßenmagazins veröffentlicht wird:<br />
Ja<br />
Nein<br />
Wir garantieren einen absolut vertraulichen<br />
Umgang mit den von Ihnen gemachten Angaben.<br />
Die übermittelten Daten werden nur zu internen<br />
Zwecken im Rahmen der Spendenverwaltung<br />
genutzt. Die Mitgliedschaft im Freundeskreis ist<br />
jederzeit kündbar. Wenn Sie keine Informationen<br />
mehr von uns bekommen möchten, können Sie<br />
jederzeit bei uns der Verwendung Ihrer personenbezogenen<br />
Daten widersprechen.<br />
Unsere Datenschutzerklärung können Sie<br />
einsehen unter www.huklink.de/datenschutz<br />
Bitte Coupon ausschneiden und senden an:<br />
Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Freundeskreis<br />
Altstädter Twiete 1-5, 20095 Hamburg<br />
Wir unterstützen Hinz&<strong>Kunzt</strong>. Aus alter Freundschaft und mit neuer Energie. Hanse Werk<br />
45<br />
HK <strong>310</strong>
Buh&Beifall<br />
HINZ&KUNZT N°<strong>310</strong>/DEZEMBER <strong>2018</strong><br />
Was unsere Leser meinen<br />
„Mit 82 jung genug, um Missstände nicht hinzunehmen.“<br />
Haus steht seit Jahren leer<br />
H&K 309, „Happy Birthday“/ Leerstand<br />
Gerade habe ich Ihre Jubiläumsausgabe<br />
in der Hand und freue mich aufs<br />
Lesen. Da denke ich wieder an das<br />
Waldschloss in Bergedorf, eine ehemalige<br />
Behausung von Roma und Sinti.<br />
Dieses Haus steht seit Jahren leer,<br />
die unteren Fenster sind mit Holz<br />
vernagelt, um das Haus ist ein Zaun.<br />
Falls die Nachbarn vielleicht keine Obdachlosen<br />
in der Nachbarschaft haben<br />
wollen, wäre ich gerne bereit, Gespräche<br />
zu führen oder auch sonst zu<br />
helfen. Ich bin zwar 82 Jahre alt, aber<br />
jung genug, um Missstände nicht einfach<br />
hinzunehmen, wie ich es bislang<br />
leider getan habe. Wenn dieses Haus<br />
von Obdachlosen wieder bewohnbar<br />
gemacht werden könnte, hätten dort<br />
viele von ihnen Platz.<br />
INGRID FRASER<br />
Eine schöne Aktion<br />
H&K 309, Postkarten-Edition<br />
Als gelerntem Schriftsetzer kamen<br />
mir viele Erinnerungen an die damals<br />
erlernte Schwarze Kunst des Setzens<br />
mit Bleilettern. Amüsiert war ich von<br />
der Schilderung, wie die Lettern in<br />
den „Winkelkasten“ gesetzt werden.<br />
Nicht böse sein, wenn ich korrigiere:<br />
Dieses Arbeitsgerät nennt man<br />
Winkelhaken. Nichtsdestotrotz ist es<br />
eine schöne Aktion.<br />
UWE QUAST<br />
Gut nachzuvollziehen<br />
H&K 308, „Genesungsbegleiter“<br />
Ich habe mit Interesse den Artikel über<br />
die Genesungsbegleitung gelesen. Als<br />
jemand mit einer Depression in seiner<br />
Historie, kann ich gut nachvollziehen,<br />
warum jemand diese Aufgabe angenommen<br />
hat.<br />
HANNES HOLST<br />
Wegen der Themen im Heft<br />
H&K allgemein<br />
Seit einiger Zeit verkauft ein sehr netter<br />
Herr beim Famila-Markt in Schneverdingen<br />
Hinz&<strong>Kunzt</strong>. Am Anfang wusste<br />
ich nicht, wie ich dem Herrn<br />
gegenüber reagieren sollte. Nach einiger<br />
Zeit aber stellte ich fest, dass dieser<br />
Herr stets freundlich war und bis heute<br />
immer noch ist. Sollte er einmal nicht<br />
da sein, wird gleich gerätselt, wo er<br />
denn wohl abgeblieben ist, ja, man vermisst<br />
ihn dann schon. Sobald ein neues<br />
Magazin erscheint, wird das gekauft.<br />
Erstens um den Verkäufer zu unterstützen.<br />
Und zweitens wegen der Themen<br />
in Ihrem Heft. MATTHIAS-MARCUS SCHNEIDER<br />
Leserbriefe geben die Meinung des Verfassers<br />
wieder, nicht die der Redaktion. Wir behalten<br />
uns vor, Leserbriefe zu kürzen.<br />
ANKER<br />
DES LEBENS<br />
Wünschen Sie<br />
ein persönliches<br />
Gespräch?<br />
Kontaktieren Sie<br />
unseren Geschäftsführer<br />
Dr. Jens Ade.<br />
Tel.: 040/32 10 84 03<br />
oder Mail: jens.ade@<br />
hinzundkunzt.de<br />
Wir trauern um<br />
Mathias Kipper<br />
21. September 1981 – 23. Oktober <strong>2018</strong><br />
Mathias ist viel zu jung verstorben. Er wurde leblos in der Bahn gefunden.<br />
Die Verkäufer und das Team von Hinz&<strong>Kunzt</strong><br />
Wir trauern um<br />
Joanna Wojnicz<br />
30. August 1975 – 28. Oktober <strong>2018</strong><br />
Joanna hatte ihren Verkaufsplatz vor REWE und Aldi in Lokstedt.<br />
Sie war schwer krank, schlief draußen und ist dort an Unterkühlung gestorben.<br />
Die Verkäufer und das Team von Hinz&<strong>Kunzt</strong><br />
Hinz&<strong>Kunzt</strong> bietet obdachlosen Menschen Halt. Eine Art Anker<br />
für diejenigen, deren Leben aus dem Ruder gelaufen ist. Möchten<br />
Sie uns dabei unterstützen und gleichzeitig den Menschen, die<br />
bei Hinz&<strong>Kunzt</strong> Heimat und Arbeit gefunden haben, helfen?<br />
Dann hinterlassen Sie etwas Bleibendes – berücksichtigen<br />
Sie uns in Ihrem Testament! Als Testamentsspender wird Ihr<br />
Name auf Wunsch auf unseren Gedenk-Anker in der Hafencity<br />
graviert. Ein maritimes Symbol für den Halt, den Sie den sozial<br />
Benachteiligten mit Ihrer Spende geben.<br />
trostwerk - andere bestattungen<br />
Osterstraße 149, HH - Eimsbüttel ° 040/43 27 44 11
<strong>Kunzt</strong>&Kult<br />
Ausgefl ogen: Das Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Maskottchen Dodo Dronte verabschiedet sich (S. 50 und S. 56).<br />
Kein Bullerbü: Astrid Lindgrens bewegende Biografi e kommt ins Kino (S. 52).<br />
Wahlverwandtschaften: Für Hinz&Künztler Holger sind seine Kunden seine Familie (S. 58).<br />
„Die Show ist vorbei“ heißt dieses Werk<br />
von Coco Bergholm, der neuen Künstlerin unserer<br />
Strassen<strong>Kunzt</strong>Edition (S. 48). Der Text stammt von<br />
Vasily Rosanov, einem umstrittenen russischen Dichter.<br />
BILD: COCO BERGHOLM
<strong>Kunzt</strong>&Kult<br />
HINZ&KUNZT N°<strong>310</strong>/DEZEMBER <strong>2018</strong><br />
Versteckspiele<br />
in der Stadt<br />
Wie gehen wir um mit einer Welt, in der uns so vieles nicht passt?<br />
Widerstand leisten – oder abtauchen? Die Malerin Coco Bergholm spielt in ihrer Kunst<br />
beide Ideen durch. Ihr Gemälde eines Falters, das nun in die Straßen<strong>Kunzt</strong>Edition<br />
aufgenommen wird, lenkt den Blick auf die Stadt als Lebensraum.<br />
TEXT: ANNABEL TRAUTWEIN<br />
BILDER: COCO BERGHOLM<br />
Die Stadt ist voller Kunst. Bunte<br />
Schriftzüge auf Mauerwerk,<br />
Smileys auf Stromkästen,<br />
haushohe Wandbilder. Und immer wieder<br />
OZ. „Das ist der Zauberer von OZ,<br />
der wohnt in Hamburg und malt alles<br />
an“, sagte Coco Bergholms kleiner Bruder<br />
einmal. Der Gedanke gefällt ihr.<br />
Nirgends kann man so gut Verstecken<br />
spielen wie in einer verzauberten Stadt.<br />
Coco Bergholm lässt gerne etwas verschwinden<br />
– etwa Menschen, die eins<br />
zu werden scheinen mit einer bemalten<br />
Wand, einem besprühten Zug. In ihren<br />
Porträts werden knallbunte Kleider zur<br />
Camouflage, erst auf den zweiten Blick<br />
lösen sich die Menschen aus dem Hintergrund.<br />
Und wer ein Auge für Straßenkunst<br />
hat, findet in Coco Bergholms<br />
Werken oft sogar noch eine dritte Ebene:<br />
Viele ihrer Bilder zitieren Werke bekannter<br />
Street Artists wie Saeio, Pablo<br />
Tomek oder Knarf. „Die Schnittstellen<br />
zwischen Graffiti und Malerei finde ich<br />
spannend“, sagt sie. Wo Form und Farbe<br />
ins Spiel kommen, verwandelt sich<br />
das Stadtbild.<br />
Hier sind auch die Falter heimisch,<br />
denen die Malerin eine Reihe gewidmet<br />
hat: Nachtschwärmer, die sich einer<br />
menschengemachten Umwelt anpassen<br />
und zur Tarnung Graffiti auf den Flügeln<br />
tragen. „Der Gedanke, unsichtbar<br />
zu werden, fasziniert mich“, sagt die<br />
Malerin. In einer gefährlichen Umgebung<br />
abtauchen zu können, sei auch<br />
ein Schutz – nicht zuletzt für Menschen,<br />
die auf der Straße leben und<br />
hinter keiner Wohnungstür verschwinden<br />
können. Sie sagt: „Wenn ich draußen<br />
schlafen müsste, würde ich auch<br />
versuchen, unsichtbar zu sein.“<br />
Aufgewachsen ist die 36-Jährige in<br />
einer Gegend ohne Urbanität und<br />
Einfach nur schön anzusehen?<br />
Oder ist da auch eine Botschaft versteckt?<br />
Und wenn, welche wäre es?<br />
Coco Bergholm versteht es, uns zu verwirren.
WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />
<strong>Kunzt</strong>&Kult<br />
Graffiti: in einem kleinen Dorf in Mitteldeutschland,<br />
umgeben von Wald.<br />
Nach der Schule zog sie nach Hamburg,<br />
studierte an der HfBK und versuchte<br />
sich in Straßenkunst. „Mit einer<br />
Sprühdose war ich aber nie unterwegs“,<br />
sagt Coco Bergholm. „Ich habe Cutouts<br />
gemacht und plakatiert.“ Die gemalten<br />
oder kopierten Papierausschnitte<br />
zeigten damals keine politischen<br />
Motive. Sie auf Hauswände zu kleben<br />
war allerdings ein politischer Akt, wie<br />
Coco Bergholm erklärt: „Man ermächtigt<br />
sich, indem man sich den öffentlichen<br />
Raum aneignet.“ Erst später fing<br />
sie an, mit ihrer Kunst auch direkt politische<br />
Themen aufzugreifen.<br />
Auch in Coco Bergholms bisher bekanntestem<br />
Gemälde taucht das Thema<br />
Tarnung wieder auf – diesmal als<br />
Mittel eines politischen Widerstands.<br />
Das Motiv lässt nach G20 in Hamburg<br />
niemanden mehr kalt: schwarze Kapuzenjacken,<br />
schwarze Sonnenbrillen, die<br />
ganze Straße voll, nicht mal das Pflaster<br />
ist noch zu sehen. Schulter an Schulter<br />
steht er da, der Schwarze Block. Gewalt<br />
liegt in der Luft. Gleich passiert etwas.<br />
Nur was? Und wo führt das dann hin?<br />
„Die Frage bleibt offen“, erklärt<br />
Coco Bergholm. Selbst die Menschen<br />
auf ihrem Gemälde scheinen es noch<br />
nicht zu wissen. Die vereinzelten Gesichter,<br />
die sie mit fast fotografischer<br />
Genauigkeit aus der Menge herausgearbeitet<br />
hat, wirken bei näherem Hinsehen<br />
abwartend. Die Methode des<br />
Schwarzen Blocks hat funktioniert: In<br />
Getarnte<br />
Individuen oder<br />
dumpfe Masse?<br />
Dieses Bild<br />
vom Schwarzen<br />
Block dürfte<br />
polarisieren.<br />
der Gruppe sind die Einzelnen geschützt<br />
und gemeinsam stark. Doch<br />
über das Ziel müssen sich alle noch Gedanken<br />
machen – auch die Betrachter<br />
des Bildes. „Es ist leicht zu sagen: Das<br />
will ich nicht“, erklärt Coco Bergholm.<br />
Gerade in einer Welt, an der es so viel<br />
zu verbessern gibt. „Aber eine eigene<br />
Utopie zu entwickeln, das ist schwer.“<br />
Inzwischen arbeitet Coco Bergholm<br />
an ihrer nächsten Idee: kein Gemälde<br />
wird es werden, sondern ein Episodenfilm,<br />
bei dem andere Künstler,<br />
Musiker und Sportler mitmachen sollen.<br />
Alle sind aufgefordert, spielerisch<br />
mit dem umzugehen, was sie im Stadtraum<br />
vorfinden. Daraus sollen kleine<br />
Filme entstehen. Erste Ideen sind schon<br />
da: Ein Schlagzeuger will mit Fundstücken<br />
Musik machen, eine bildende<br />
Künstlerin plant eine Installation, die<br />
auf den Feinstaub in der Luft reagieren<br />
soll. „Ich bin schon ganz gespannt“,<br />
sagt Coco Bergholm und freut sich auf<br />
nächstes Jahr. Dann wird ihr Episodenfilm<br />
erstmals zu sehen sein. •<br />
Kontakt: annabel.trautwein@hinzundkunzt.de<br />
Coco Bergholm in der Gruppenausstellung<br />
„katzen gehen immer noch“:<br />
7.12.–19.1.19, Galerie Affenfaust,<br />
Paul-Roosen-Str. 43, Mi+Do, 15–19<br />
Uhr, Sa, 14–18 Uhr, Eintritt frei<br />
Getarnt und<br />
sichtbar zugleich:<br />
Für unsere Straßen<strong>Kunzt</strong>Edition hat<br />
Coco Bergholm ein Bild aus ihrer Motten-<br />
Reihe beigesteuert: Das Gemälde zeigt<br />
einen Nachtfalter mit OZ-Smiley. Weitere<br />
Motive sind auf ihrer Webseite www.cocobergholm.net<br />
zu sehen. „In einer Stadt, die<br />
so voll ist von Kunst, ist Graffiti doch die beste<br />
Tarnung“, sagt Coco Bergholm. In unserer Edition sind<br />
auch weiterhin die Werke von ecb, DAIM, Daniel Man,<br />
Victor Ash und Zevs erhältlich. Alles limitierte Auflagen:<br />
je 99 Stück zum Preis von je 99 Euro. Der Erlös geht<br />
zur einen Hälfte an die Künstler, zur anderen Hälfte an<br />
Hinz&<strong>Kunzt</strong>. Bestellungen: www.hinzundkunzt.de/shop<br />
49
Na klar sind die Abenteuer<br />
des Dodo Dronte ausgedacht.<br />
Doch inspiriert wurden sie<br />
von den Erlebnissen mancher<br />
Hinz&Künztler. Mit ihnen<br />
stand das Filmteam in<br />
engem Kontakt.<br />
<strong>Kunzt</strong>&Kult<br />
Ein Pechvogel<br />
sagt Tschüss<br />
Krächz! War das aufregend. Für Dodo Dronte kam es auf<br />
den letzten Seiten der Hinz&<strong>Kunzt</strong> immer richtig dicke.<br />
Ein Comic-Abenteuer nach dem nächsten erdachten die<br />
Puppen spieler des Filmsyndikats Gula Mons für den plüschigen<br />
Anti helden. Dodo hat sie alle mit Fassung ertragen. Muss ja!<br />
TEXT: ANNABEL TRAUTWEIN<br />
FOTOS: MAURICIO BUSTAMANTE<br />
W<br />
er zwar Flügel hat, aber<br />
nicht fliegen kann, hat nicht<br />
viel zu melden. Erst recht<br />
nicht als Letzter seiner Art. Dodo Dronte<br />
macht sich da keine Illusionen und<br />
nimmt das Leben, wie es kommt. Auch<br />
ein Pechvogel erlebt schließlich mal eine<br />
Sternstunde: Auf der Cap San Diego<br />
wurde er vom Käpt’n getauft, bei<br />
den Filmfestspielen in Cannes watschelte<br />
er mit den Möwen Eggers und Lenni<br />
über den roten Teppich. Und es gab sogar<br />
eine Romanze: Dodo Dronte eroberte<br />
das Herz einer alleinerziehenden<br />
Flamingodame.<br />
Der Alltag eines Straßenvogels ist<br />
weniger glamourös – auch wenn er<br />
Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Verkäufer ist: Kaum hat<br />
Dodo ein warmes Plätzchen gefunden,<br />
wird er weggeschickt. Feuer machen ist<br />
verboten, das gibt nur Ärger mit dem<br />
Ordnungsamt. Heizlüfter anwerfen?<br />
Keine schlechte Idee. Dodo findet sogar<br />
eine Stromquelle – aber die Kette von<br />
Verlängerungskabeln, die er über die<br />
Straße spannt, geht dann auch wieder<br />
nicht klar. Selbst die Kunden, denen er<br />
die Hinz&<strong>Kunzt</strong> verkauft, sind nicht<br />
immer ganz einfach.<br />
Wäre der Vogel nicht so duldsam,<br />
würde er spätestens im Jobcenter verzweifeln.<br />
Da sitzt Herr Brechreiz, nach<br />
eigenem Dafürhalten strenger Förderer,<br />
faktisch Endgegner des flauschigen Vogels.<br />
„Er geht immer erst mal davon<br />
aus, dass der Dodo faul ist und Hilfe gar<br />
nicht verdient hat“, erklärt Hannes Jeske<br />
von Gula Mons, der den Behörden-<br />
50
WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />
<strong>Kunzt</strong>&Kult<br />
mann im Comic verkörpert. „Aber eigentlich<br />
mag er ihn schon.“ Hätte<br />
Brechreiz nicht solche Vorurteile und<br />
Dodo nicht ständig so ein Pech, könne<br />
es gut laufen zwischen ihnen, meint Jeske.<br />
Doch leider sitzt der Sachbearbeiter<br />
am längeren Hebel.<br />
Viele Ideen für Dodos Abenteuer<br />
sind aus dem echten Leben gegriffen,<br />
sagt Regisseur Sven Knüppel: „Oft haben<br />
uns die Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Verkäufer<br />
Geschichten erzählt.“ Ein Plüschvogel,<br />
der jede Piesackerei mit naivem Optimismus<br />
und Songs auf seinem absurden<br />
Zupfinstrument pariert, ist im Vergleich<br />
zum echten Überlebenskampf<br />
auf der Straße natürlich ein Witz. Soll<br />
es auch. „Wir spinnen ganz viel rum“,<br />
sagt der Filmemacher.<br />
Das Gula Mons Filmsyndikat ist ein<br />
eingespieltes Team: Acht Leute machen<br />
mit, vier davon sind ehemalige Schüler<br />
aus Sven Knüppels Kursen an der<br />
„Akademie Deutsche Pop“ in Barmbek-Süd.<br />
Für Hinz&<strong>Kunzt</strong> produzierten<br />
die Filmer alle Videos und Comics<br />
ehrenamtlich. Mindestens fünf Leute<br />
kamen am Dodo-Set zusammen: Kameramann,<br />
Regisseur, mehrere Puppenspieler<br />
und ein Springer.<br />
„Meistens liegen wir im Dreck“,<br />
sagt Sven Knüppel. Normal für Puppenspieler<br />
– der eigene Körper darf ja<br />
nicht im Bild sein, wie Hannes Jeske erklärt.<br />
Mit ausgestrecktem Arm, liegend<br />
auf einem Rollwagen, könne man die<br />
drei bis vier Stunden Filmdreh gut aushalten.<br />
„Anstrengend ist das hier“, sagt<br />
Einen Puppenfilm<br />
zu drehen,<br />
verlangt<br />
körper lichen<br />
Einsatz.<br />
Kameramann<br />
und Darsteller<br />
von Herrn<br />
Brechreiz,<br />
Hannes Jeske<br />
(links), und<br />
Regisseur<br />
Sven Knüppel<br />
haben Spaß.<br />
Knüppel und winkelt den Arm an.<br />
„Das hältst du nur zwei, drei Minuten<br />
aus.“ Beim Fotoshooting für die Comics<br />
mussten sich die Gula-Mons-Spieler<br />
eher gedanklich verrenken: nicht einfach,<br />
eine Geschichte in nur fünf oder<br />
sechs Bildern zu erzählen.<br />
Die Filmarbeiten mit Dodo Dronte<br />
waren auch ein Publikumsmagnet für<br />
Hinz&Künztler Marcel, der lange vor<br />
dem REWE-Markt neben der Akademie<br />
Deutsche Pop verkauft hat und den<br />
Kontakt zwischen Filmern und<br />
Hinz&<strong>Kunzt</strong> herstellte. „Wenn die gefilmt<br />
haben, sind viele stehen geblieben<br />
und haben zugeguckt“, erzählt er. Besonders<br />
bei Kindern kam der flauschige<br />
Dodo gut an. „So kamen dann auch<br />
Kunden, die das Heft vorher noch nicht<br />
gekauft hatten.“<br />
Künftig werden Dodos Fans anderswo<br />
nach ihm Ausschau halten müssen:<br />
Nach mehr als einem Jahr Einsatz für<br />
Hinz&<strong>Kunzt</strong> verabschiedet sich der Vogel<br />
und tritt dem Gula-Mons-Ensemble<br />
bei. Gut möglich, dass er bald wieder<br />
mit den Kultmöwen Eggers und Lenni<br />
auf Achse ist. Vielleicht aber auch mit<br />
seiner neuen Liebe? Dodos Zukunft hat<br />
viele Optionen: Er könnte abgeschoben<br />
werden, er könnte Herrn Brechreiz<br />
durch Flucht in fragwürdige Arbeitsverhältnisse<br />
vorerst entkommen. Oder er<br />
findet doch noch sein Happy End. Neugierig<br />
geworden? Dann lesen Sie auf<br />
Seite 56 Dodos letztes Abenteuer. •<br />
Kontakt: annabel.trautwein@hinzundkunzt.de<br />
<br />
LIL PUMP<br />
<br />
NILS LANDGREN:<br />
CHRISTMAS WITH MY FRIENDS<br />
<br />
JUDITH HOLOFERNES<br />
<br />
WLADIMIR KAMINER<br />
<br />
4U: A SYMPHONIC<br />
CELEBRATION OF PRINCE<br />
<br />
GIORA FEIDMAN TRIO<br />
<br />
ALL THE LUCK IN THE WORLD<br />
<br />
CYPRESS HILL<br />
<br />
ODEVILLE<br />
<br />
TORFROCK<br />
<br />
ALIN COEN &<br />
STÜBAPHILHARMONIE<br />
<br />
SUMMER CEM<br />
<br />
STAATLICHES RUSSISCHES<br />
BALLETT MOSKAU <br />
<br />
QUEEN MACHINE<br />
<br />
ELLA MAI<br />
<br />
JAN BÖHMERMANN<br />
<br />
RUDIMENTAL<br />
<br />
ALEX VARGAS<br />
<br />
MASTODON<br />
<br />
THE NEIGHBOURHOOD<br />
<br />
ECKART VON HIRSCHHAUSEN<br />
<br />
VIKTORIA TOLSTOY &<br />
JACOB KARLZON<br />
<br />
MAX MUTZKE & MONOPUNK<br />
<br />
SHAKIN' STEVENS<br />
<br />
PRIME CIRCLE<br />
<br />
HAYLEY KIYOKO<br />
<br />
GOOD CHARLOTTE<br />
<br />
GHOST<br />
<br />
ERSTE ALLGEMEINE<br />
VERUNSICHERUNG<br />
<br />
RIVAL SONS<br />
<br />
MAX GIESINGER<br />
51<br />
TICKETS: KJ.DE
Kult<br />
Tipps für den<br />
Monat <strong>Dezember</strong>:<br />
subjektiv und<br />
einladend<br />
Ausstellung<br />
Tiefer Einblick in Konzeptkunst<br />
Wo 1010 seine Werke hinterlässt, tun<br />
sich Abgründe auf: Mit scherenschnittartigen<br />
Kompositionen schafft der<br />
Street-Art-Künstler die Illusion von<br />
Löchern und Schluchten, die den Blick<br />
sprichwörtlich einfangen. Seine Bilder<br />
sind inzwischen weltweit an Hauswänden<br />
und Mauern zu finden. In<br />
Paris malte und sprühte er sogar eines<br />
seiner von Farben umgebenen schwarzen<br />
Löcher auf einen 4500 Quadratmeter<br />
großen Autobahnabschnitt.<br />
Auch in Hamburg sind die Bilder von<br />
1010 zu sehen, zum Beispiel in der<br />
52<br />
Mit dem Kopf durch die Wand: Die Kunstwerke des Hamburger<br />
Street-Art-Künstlers 1010 geben neuen Raum für Gedanken frei.<br />
Bleicherstraße in Altona. Einen umfassenden<br />
Eindruck von der Arbeit des<br />
Konzeptkünstlers gibt nun die Affenfaust<br />
Galerie mit einer Werkschau. •<br />
Affenfaust Galerie, Paul-Roosen-Str. 43,<br />
ab Fr, 7.12., Mi+Do, 15–19 Uhr, Sa, 14–18<br />
Uhr, Eintritt frei, www.affenfaustgalerie.de
WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />
<strong>Kunzt</strong>&Kult<br />
Musik<br />
Überraschungen in der Oper<br />
Jeden Tag ein kleines Kulturgut: Die<br />
Staatsoper schenkt Hamburg zum<br />
Advent 20-minütige Darbietungen<br />
im Foyer. Künstler präsentieren<br />
Geschichten, Gedichte oder Lieder –<br />
der „Adventskalender“ birgt viele<br />
Überraschungen. Spendenerlöse<br />
kommen Hinz&<strong>Kunzt</strong> zugute. •<br />
Staatsoper, Große Theaterstraße 25,<br />
Mo–Sa, 17 Uhr, So, 12 Uhr, Eintritt frei,<br />
www.staatsoper-hamburg.de<br />
FOTOS: MAURICIO BUSTAMANTE (1010), ANDREAS GUZMAN, STUKE/SIEBER<br />
Konzert<br />
Kochen mit Musik<br />
Ausstellung<br />
Junge Japaner zeigen Haltung<br />
Die Reaktorkatastrophe in Fukushima hat Japan verändert und neue Formen von<br />
Protest und Subkultur hervorgebracht. Das zeigt sich auch in den Fotografien von<br />
Katja Stuke und Oliver Sieber: Seit 2006 porträtieren die beiden junge Menschen<br />
in Japan und dokumentieren, wie<br />
sich die Jugend des Landes politisiert.<br />
In ihren fotografischen Streifzügen<br />
zeigen sie, wie sich auch der<br />
urbane Raum verändert. Katja Stuke<br />
und Oliver Sieber nähern sich<br />
der japanischen Gesellschaft systematisch<br />
an, ohne dabei verstehen<br />
oder darstellen zu wollen, wie Japan<br />
tickt. Stattdessen suchen die beiden<br />
nach Schnittstellen zu Themen, die<br />
ihnen auch im deutschen Alltag<br />
begegnen. •<br />
Museum für Kunst und Gewerbe,<br />
Steintorplatz, ab Do, 6.12., Di–So,<br />
10–18 Uhr, Do, 10–21 Uhr, Eintritt<br />
12/8 Euro, bis 17 Jahre frei,<br />
www.mkg-hamburg.de<br />
Jake Shane ist weit herumgekommen. Seine<br />
Songs handeln von Fernweh und Sehnsucht.<br />
Jede Party endet in der Küche? Diese fängt schon dort an: Beim Küchenkonzert<br />
im Kölibri wird zu Livemusik geschnippelt, gebrutzelt und gespeist. Diesmal stellt<br />
der amerikanische Folksänger Jake Shane sein neues Album „Water To Land“ vor.<br />
Nachschlag gibt es von Bilal: Der Sänger und Gitarrist spielt Songs, die sich<br />
zwischen Jazz, Funk und der Musik der Kapverden bewegen. •<br />
Kölibri, Hein-Köllisch-Platz 12, So, 9.12., 18.30 Uhr, Eintritt frei, Spenden willkommen,<br />
www.gwa-stpauli.de<br />
Die Ausstellung „Japanese Lesson“ zeigt neue<br />
Protestformen in den Subkulturen des Landes.<br />
Markt<br />
Kunstvolle Kleinode<br />
Schönes zum Stöbern und Schenken<br />
bieten Hamburger Kunsthandwerker<br />
beim Weihnachtsmarkt in Winterhude<br />
an – vom Kettenanhänger bis<br />
zum Kleinmöbel. Für Kinder gibt es<br />
Maskentheater und eine Bastelecke.<br />
Auch Hinz&<strong>Kunzt</strong> ist mit einem<br />
Stand vertreten. •<br />
Goldbekhaus, Moorfuhrtweg,<br />
Sa+So, 8.+9.12., 11–18 Uhr,<br />
Eintritt frei, www.goldbekhaus.de<br />
Debatte<br />
Menschenrechte unter Druck<br />
„Frei und gleich an Würde und<br />
Rechten“ sollen wir sein – sagt die<br />
Erklärung der Menschenrechte, die<br />
am 10. <strong>Dezember</strong> vor 70 Jahren verfasst<br />
wurde. Was sichert diese Rechte<br />
heute noch, wie können wir sie schützen?<br />
Das erörtern Aktivisten, Reporter<br />
und Juristen am Jahrestag. •<br />
Mahnmal St. Nikolai, Willy-Brandt-Str. 60,<br />
Mo, 10.12., 18 Uhr, Eintritt frei,<br />
www.mahnmal-st-nikolai.de<br />
Festival<br />
Leinwand frei für junge Filmer<br />
Auch Fatih Akin hat hier mal angefangen:<br />
Das Festival „abgedreht“ gibt<br />
Schülern, Studierenden und jungen<br />
Amateurfilmern die Chance, sich und<br />
ihre Kurzfilme vor großem Publikum<br />
zu präsentieren. •<br />
Metropolis Kino, Kleine Theaterstr. 10,<br />
13.+14.12., ab 10.30 Uhr, Eintritt 5/3 Euro<br />
pro Film, www.abgedreht-hamburg.de<br />
53
„Conscious Rap“ heißt das Genre, dem sich die amerikanische<br />
Konzert<br />
Hip-Hopperin Akua Naru verschrieben hat.<br />
Poetischer Rap mit klarer Botschaft<br />
Da steckt Soul drin: Akua Naru kombiniert<br />
klar akzentuierten Rap mit<br />
Chorgesang im Stil afroamerikanischer<br />
Kirchenmusik. In ihren Texten bringt<br />
die Musikerin rüber, was ihr politisch<br />
wichtig ist: Sie thematisiert Diskriminierung<br />
und ungleiche Chancen, setzt sich<br />
für die Rechte von Frauen ein und ermutigt<br />
zu Widerstand. Akua Naru weiß,<br />
worüber sie rappt: Ihre Eltern hatten<br />
sehr wenig Geld, ihre Herkunftsstadt<br />
war von Kriminalität geprägt. Zudem<br />
beschäftigt sie sich wissenschaftlich mit<br />
den Ausdrucksformen schwarzer Frauen<br />
in der Reimkunst. All das macht die<br />
Rapperin zu einer wichtigen Stimme<br />
in einer Szene, die Frauen oft nicht hinreichend<br />
zu Wort kommen lässt. Akua<br />
Naru hat sich einen Namen gemacht<br />
mit klaren Ansagen und wurde zugleich<br />
54<br />
für ihre feinfühlige Poesie gefeiert. Sie<br />
spricht ihre Vergangenheit offen an und<br />
erzählt davon, wie sie sich in schweren<br />
Zeiten behauptete. Das gefällt Hip-<br />
Hop-Fans auf der ganzen Welt: Akua<br />
Naru trat mit ihrer Band schon auf<br />
fünf Kontinenten auf. •<br />
Knust, Neuer Kamp 30, So, 16.12.,<br />
20 Uhr, Eintritt 22,70 Euro (VVK),<br />
www.knusthamburg.de
FOTOS: OHA!MUSIC; CHRIS SCHWAGGA; PRIVAT<br />
<strong>Kunzt</strong>&Kult<br />
Bühne<br />
Ruandische Künstler blicken nach vorn<br />
Bei Ruanda denken hierzulande die meisten vor allem an den Völkermord im<br />
Jahr 1994. Doch das ostafrikanische Land hat auch eine Zukunft. Dieser widmet<br />
sich die Performance „Planet Kigali“. Das Stück bringt Tanz, Musik, Kunst<br />
und Mode zusammen und<br />
greift in jeder Disziplin ruandische<br />
Traditionen auf: Auf<br />
der Bühne treffen indigener<br />
und zeitgenössischer Tanz<br />
zusammen, im Bühnenbild<br />
finden sich landestypische<br />
Muster, der ruandische<br />
Modestar Cedric Mizero hat<br />
die Kostüme entworfen. Die<br />
Musik zum Stück mixt der<br />
Hamburger Andi Otto aus<br />
Geräuschen der Hauptstadt<br />
Kigali und elek tronischen<br />
Klängen. •<br />
Kampnagel, Jarrestraße 20,<br />
Mi–So, 12.–16.12., jeweils<br />
20 Uhr, Eintritt 12–18 Euro,<br />
www.kampnagel.de<br />
Tradition und Zukunftsvisionen<br />
greifen bei der Tanzperformance<br />
„Planet Kigali“ ineinander.<br />
Kinder<br />
Probier’s mal mit Gemütlichkeit<br />
Großes Abenteuer und kleine Lebensweisheiten<br />
machen das Dschungelbuch<br />
seit Generationen zur Lieblingsgeschichte.<br />
Der Klassiker von<br />
Rudyard Kipling weckt nicht nur<br />
romantische Vorstellungen vom wilden<br />
Dschungel, sondern streift auch<br />
große Fragen: Was unterscheidet den<br />
Menschen vom Tier? Kann Prägung<br />
die Herkunft überwinden? Das St.<br />
Pauli Theater bringt die Erzählung<br />
um Mogli, seine Wolfsfamilie, den<br />
gemütlichen Bären Balu und den<br />
machthungrigen Tiger Shir Khan<br />
für Kinder auf die Bühne. •<br />
St. Pauli Theater, Spielbudenplatz 29–30,<br />
1.–22.12., Eintritt 10,90–25,90 Euro,<br />
www.st-pauli-theater.de<br />
Wir verlosen vier Karten für die Veranstaltung<br />
am Mittwoch, 19.12., um 17 Uhr<br />
unter allen, die bis zum 15.12. eine Mail<br />
mit dem Stichwort „Dschungelbuch“ an<br />
info@hinzundkunzt.de schicken.<br />
55<br />
Konzert<br />
Verborgene Erinnerungen<br />
Wenn der Geist die Kraft verliert,<br />
werden Gefühle umso wichtiger. Das<br />
Ensemble Resonanz und die Körber<br />
Stiftung laden deshalb zu einem<br />
Konzert ein, das besonders Menschen<br />
mit Demenz und ihre Angehörigen<br />
anspricht. Die vertrauten<br />
Stücke von Georg Friedrich Händel,<br />
Franz Liszt und Igor Strawinsky<br />
wecken bei vielen Demenzkranken<br />
tief verborgene Erinnerungen und<br />
können so für einen Moment lang<br />
Halt und Zuversicht geben. Das<br />
Konzert dauert etwa eine Stunde. •<br />
Haus im Park, Gräpelweg 8, Mo,<br />
17.12., 15.30 Uhr, Eintritt 5/4,25 Euro,<br />
www.koerber-stiftung.de<br />
Über Tipps für Januar freut sich<br />
Annabel Trautwein. Bitte bis 7.12.<br />
schicken: redaktion@hinzundkunzt.de<br />
Kinofilm des Monats<br />
Alles anders<br />
als in Bullerbü<br />
Piratenschiffe, starke Mädchen,<br />
Abenteuer – Pippi<br />
Langstrumpf ist Balsam für<br />
Kinderseelen. Erst jetzt,<br />
lange erwachsen, erfahre<br />
ich, dass im Leben der großartigen<br />
Erfinderin von Pippi,<br />
Michel oder Ronja alles anders<br />
war als in Bullerbü.<br />
„Astrid“ heißt die verfilmte<br />
Biografie von Astrid<br />
Lindgren (ab 6.12. im Kino).<br />
Und die lässt erst einmal<br />
schlucken. Als junge Frau<br />
verliebt sie sich in ihren verheirateten<br />
Chef und wird<br />
schwanger. Um einem Skandal<br />
zu entgehen, überlässt sie<br />
ihr Kind schweren Herzens<br />
einer Pflegemutter, bis diese<br />
krank wird. Plötzlich muss<br />
Lindgren ihren Sohn großziehen,<br />
der nie eine Bindung<br />
zu ihr aufbauen konnte. Mit<br />
der Kraft ihrer Fantasie und<br />
ihren Geschichten schafft sie<br />
es, sein Herz zu erobern.<br />
Bevor am Ende alles gut<br />
wird, werden der jungen<br />
Frau noch mächtig Steine in<br />
den Weg gelegt. Unterstützung<br />
erhält sie gerade von<br />
den Menschen, von denen sie<br />
es am wenigsten erwartet.<br />
Bitter und schwermütig,<br />
heiter und hoffnungsvoll – bei<br />
Astrid liegen diese Emotionen<br />
nah beieinander. Und so<br />
ist das Biopic nicht nur ein<br />
tolles und zu Herzen gehendes<br />
Porträt einer großen<br />
Künstlerin, sondern auch eines<br />
Jahrhunderts, in dem sich<br />
die Rolle der Frau maßgeblich<br />
verändert hat. Auch das<br />
ist starken Frauen wie Astrid<br />
Lindgren zu verdanken. •<br />
André Schmidt<br />
geht seit<br />
Jahren für uns<br />
ins Kino.<br />
Er arbeitet in der<br />
PR-Branche.
<strong>Kunzt</strong>&Comic<br />
HINZ&KUNZT N°<strong>310</strong>/DEZEMBER <strong>2018</strong><br />
56
WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />
Rätsel<br />
ILLUSTRATION (BLEISTIFT IM IMPRESSUM): BERND MÖLCK-TASSEL<br />
Kränkung<br />
Staat von<br />
Brasilien<br />
Figur<br />
aus der<br />
„Zauberflöte“<br />
Teil von<br />
Großbritannien<br />
Schiffsbesatzung<br />
Vogelkleid<br />
gewissermaßen,<br />
sozusagen<br />
3. und<br />
4. Fall<br />
von: wir<br />
Vermittler,<br />
Vertreter<br />
8<br />
3<br />
1<br />
6<br />
7<br />
4<br />
1<br />
lateinisch:<br />
Wasser<br />
2<br />
6<br />
3<br />
5<br />
Stadt und<br />
Provinz<br />
in Spanien<br />
umgangssprachlich:<br />
Prügel<br />
3<br />
7<br />
1<br />
2<br />
9<br />
1<br />
Richtungsanzeiger<br />
Dresseur,<br />
Trainer<br />
veraltet:<br />
Cousine<br />
4<br />
3<br />
7<br />
9<br />
4<br />
7<br />
Auftraggeber<br />
eines<br />
Anwalts<br />
4<br />
5<br />
6<br />
5<br />
3<br />
5<br />
1<br />
Maria mit<br />
Leichnam<br />
Jesu<br />
deutscher<br />
Schauspieler<br />
(Heiner)<br />
Randgebirge<br />
des Pamir<br />
zu reichliches<br />
Warenangebot<br />
Ausgestoßener<br />
Prophet<br />
im Alten<br />
Testament<br />
Vorgebirge<br />
nord.<br />
Totenreich<br />
Fahrstuhl,<br />
Aufzug<br />
9<br />
7<br />
2<br />
5<br />
dt. Sendeanstalt<br />
(Abk.)<br />
Kamel der<br />
Anden<br />
Anruf<br />
eines<br />
Schiffes<br />
Riesenhirsch,<br />
Elch<br />
verfallenes<br />
Weltraum<br />
Gebäude<br />
französische<br />
Verneinung<br />
persönliches<br />
Fürwort<br />
(3. Fall)<br />
Epos von<br />
Homer<br />
Vorsteher<br />
eines<br />
Mönchsklosters<br />
altperuanischer<br />
Adliger<br />
internat.<br />
Raumstation<br />
(Abk.)<br />
Frauenname<br />
umgangssprachlich:<br />
Geschwätz<br />
Wappenforscher<br />
Kirchengalerie<br />
heilkräftiges<br />
Harz<br />
Epoche,<br />
Zeitalter<br />
englischer<br />
Gasthof<br />
Lösungen an: Hinz&<strong>Kunzt</strong>, Altstädter Twiete 1–5, 20095 Hamburg,<br />
per Fax an 040 32 10 83 50 oder per E-Mail an info@hinzundkunzt.de.<br />
Einsendeschluss: 27. <strong>Dezember</strong> <strong>2018</strong>. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.<br />
Wer die korrekte Lösung für eines der beiden Rätsel einsendet,<br />
kann zwei Karten für die Hamburger Kunsthalle oder einmal zwei Eintrittskarten<br />
für das Stück „Adel verpfl ichtet“ im Ernst Deutsch Theater<br />
(einzulösen bis zum 11.1.2019) gewinnen.<br />
6<br />
8<br />
3<br />
7<br />
10<br />
7<br />
8<br />
9<br />
2<br />
4<br />
10<br />
5<br />
AR1115-0618_10<br />
Füllen Sie das Gitter so<br />
aus, dass die Zahlen von<br />
1 bis 9 nur je einmal in<br />
jeder Reihe, in jeder<br />
Spalte und in jedem<br />
Neun-Kästchen-Block<br />
vorkommen.<br />
Als Lösung schicken<br />
Sie uns bitte die farbig<br />
gerahmte, unterste<br />
Zahlenreihe.<br />
Impressum<br />
Redaktion und Verlag<br />
Hinz&<strong>Kunzt</strong><br />
gemeinnützige Verlags- und Vertriebs GmbH<br />
Altstädter Twiete 1–5, 20095 Hamburg<br />
Tel. 040 32 10 83 11, Fax 040 32 10 83 50<br />
Anzeigenleitung Tel. 040 32 10 84 01<br />
E-Mail info@hinzundkunzt.de, www.hinzundkunzt.de<br />
Herausgeber<br />
Landespastor Dirk Ahrens, Diakonisches Werk Hamburg<br />
Externer Beirat<br />
Prof. Dr. Harald Ansen (Armutsexperte HAW-Hamburg),<br />
Mathias Bach (Kaufmann), Dr. Marius Hoßbach (Rechtsanwalt),<br />
Olaf Köhnke (Ringdrei Media Network),<br />
Thomas Magold (BMW-Niederlassungsleiter i.R.),<br />
Beate Behn (Lawaetz-Service GmbH), Karin Schmalriede (Lawaetz-Stiftung),<br />
Dr. Bernd-Georg Spies (Russell Reynolds),<br />
Alexander Unverzagt (Medienanwalt), Oliver Wurm (Medienberater)<br />
Geschäftsführung Dr. Jens Ade<br />
Redaktion Birgit Müller (bim; Chefredakteurin, v.i.S.d.P.),<br />
Annette Woywode (abi; Stellv., CvD), Simone Deckner (sim),<br />
Jonas Füllner (jof), Ulrich Jonas (ujo), Frank Keil (fk),<br />
Benjamin Laufer (bela), Misha Leuschen (leu),<br />
Annabel Trautwein (atw)<br />
Korrektorat Uta Sternsdorff und Kerstin Weber<br />
Redaktionsassistenz Sonja Conrad, Cedric Horbach<br />
Online-Redaktion Simone Deckner, Jonas Füllner, Benjamin Laufer<br />
Artdirektion grafikdeerns.de<br />
Öffentlichkeitsarbeit Sybille Arendt, Friederike Steiffert<br />
Anzeigenleitung Sybille Arendt<br />
Anzeigenvertretung Caroline Lange,<br />
Wahring & Company, Tel. 040 284 09 418, c.lange@wahring.de<br />
Es gilt die Anzeigenpreisliste Nr. 23 vom 1. Januar <strong>2018</strong><br />
Vertrieb Christian Hagen (Leitung), Marcus Chomse,<br />
Sigi Pachan, Jürgen Jobsen, Meike Lehmann, Sergej Machov,<br />
Frank Nawatzki, Elena Pacuraru, Reiner Rümke, Cristina Stanculescu,<br />
Marcel Stein, Cornelia Tanase, Silvia Zahn<br />
Rechnungswesen/Systemadministration Frank Belchhaus<br />
Spendenmarketing Gabriele Koch<br />
Spendenverwaltung/Rechnungswesen Susanne Wehde<br />
Sozialarbeit Stephan Karrenbauer (Leitung), Isabel Kohler<br />
Das Stadtrundgang-Team Stephan Karrenbauer (Leitung),<br />
Chris Schlapp, Harald Buchinger<br />
Das BrotRetter-Team Stephan Karrenbauer (Leitung),<br />
Stefan Calin, Ionel Lupu, Bianca Raducan<br />
Das Team von Spende Dein Pfand am Airport Hamburg<br />
Stephan Karrenbauer (Leitung), Uwe Tröger, Jonas Gengnagel,<br />
Klaus Peterstorfer, Herbert Kosecki<br />
Litho PX2@ Medien GmbH & Co. KG<br />
Produktion Produktionsbüro Romey von Malottky GmbH<br />
Druck A. Beig Druckerei und Verlag,<br />
Damm 9–15, 25421 Pinneberg<br />
Umschlag-Druck Neef+Stumme premium printing GmbH & Co. KG<br />
Verarbeitung Delle und Söhne, Buchbinderei<br />
und Papierverarbeitungsgesellschaft mbH<br />
Spendenkonto Hinz&<strong>Kunzt</strong><br />
IBAN: DE56 2005 0550 1280 1678 73<br />
BIC: HASPDEHHXXX<br />
Die Hinz&<strong>Kunzt</strong> gGmbH mit Sitz in Hamburg ist durch den aktuellen<br />
Freistellungsbescheid bzw. nach der Anlage zum Körperschaftssteuerbescheid<br />
des Finanzamts Hamburg-Nord, Steuernummer 17/414/00797, vom<br />
21.2.<strong>2018</strong>, für den letzten Veranlagungszeitraum 2016 nach § 5 Abs.1 Nr. 9<br />
des Körperschaftssteuergesetzes von der Körperschaftssteuer und nach<br />
§ 3 Nr. 6 des Gewerbesteuergesetzes von der Gewerbesteuer befreit.<br />
Geldspenden sind steuerlich nach §10 EStG abzugsfähig. Hinz&<strong>Kunzt</strong> ist als<br />
gemeinnützige Verlags- und Vertriebs GmbH im Handelsregister beim<br />
Amtsgericht Hamburg HRB 59669 eingetragen.<br />
Wir bestätigen, dass wir Spenden nur für die Arbeit von Hinz&<strong>Kunzt</strong> einsetzen.<br />
Adressen werden nur intern verwendet und nicht an Dritte weitergegeben.<br />
Beachten Sie unsere Datenschutzerklärung, abrufbar auf www.hinzundkunzt.de.<br />
Hinz&<strong>Kunzt</strong> ist ein unabhängiges soziales Projekt, das obdachlosen<br />
und ehemals obdachlosen Menschen Hilfe zur Selbsthilfe bietet.<br />
Das Magazin wird von Journalisten geschrieben, Wohnungslose und<br />
ehemals Wohnungslose verkaufen es auf der Straße. Sozialarbeiter<br />
unterstützen die Verkäufer.<br />
Das Projekt versteht sich als Lobby für Arme.<br />
Gesellschafter<br />
Durchschnittliche monatliche<br />
Druckauflage 4. Quartal <strong>2018</strong>:<br />
83.000 Exemplare<br />
57
Momentaufnahme<br />
„Meine Kunden sind für<br />
mich wie eine Familie“<br />
Holger (56) verkauft Hinz&<strong>Kunzt</strong> an der U-Bahn-Station<br />
Hagenbecks Tierpark.<br />
TEXT: JONAS FÜLLNER<br />
FOTO: MAURICIO BUSTAMANTE<br />
Er war obdachlos und alkoholkrank.<br />
„Zum Glück lange her“, sagt Holger.<br />
Bis der Hinz&Künztler wieder auf den<br />
Füßen landete, musste er einen weiten<br />
Weg zurücklegen. Eine wichtige Stütze<br />
war sein Bruder. Vor vier Jahren hatten<br />
sie wieder Kontakt aufgenommen. „Wir<br />
haben uns regelmäßig getroffen. Mit<br />
ihm konnte ich über alles reden“, erzählt<br />
Holger, und Tränen schießen ihm<br />
in die Augen. Sein Bruder verstarb<br />
überraschend im Spätsommer. Holger<br />
zog es den Boden unter den Füßen weg.<br />
In seiner Verzweiflung griff er wieder<br />
zur Flasche. Ein schlimmer Rückfall.<br />
Aber nach ein paar Tagen gab er<br />
sich einen Ruck und kümmerte sich um<br />
einen Entzug. Aktuell ist er in Therapie.<br />
Mal wieder. „Ich bin so ein Stehaufmännchen“,<br />
sagt der 56-Jährige mit<br />
Blick auf sein Leben.<br />
Rostocker Querkopf:<br />
In der DDR saß<br />
Holger im Knast, bis<br />
die Bundesrepublik<br />
ihn 1986 freikaufte.<br />
Der gelernte Zimmermann stammt aus<br />
Rostock. Als Querkopf eckte er an.<br />
Sein Verhalten brachte ihn in der DDR<br />
hinter Gitter. Der Westen habe ihn<br />
schließlich 1986 freigekauft, erzählt der<br />
Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Verkäufer. Holger war<br />
zwar frei, aber zu seiner Familie durfte<br />
er keinen Kontakt mehr aufnehmen.<br />
Er ging nach Süddeutschland und<br />
lernte seine „große Liebe“ kennen. Sie<br />
heirateten, bekamen zwei Kinder: „Das<br />
war eine schöne Zeit“, erinnert er sich.<br />
Die Probleme der Vergangenheit waren<br />
vergessen. Auch beruflich lief alles glatt.<br />
„Damals habe ich zwei Autos vor der<br />
Tür gehabt“, sagt Holger stolz.<br />
2001 ging seine Beziehung in die<br />
Brüche, seine Welt brach zusammen.<br />
„Ich habe früher zu sehr geklammert“,<br />
sagt er rückblickend. Holger griff zur<br />
Flasche. Weil auch das nicht half, nahm<br />
er Reißaus. Er landete in Hamburg,<br />
schlief bei einem Kumpel. „Aber der<br />
hat noch mehr getrunken als ich.“<br />
Der Absturz war rasant. Bald schon<br />
schlief Holger auf der Straße. Zu seinen<br />
Kindern hatte er längst keinen Kontakt<br />
mehr. Aber er berappelte sich. Machte<br />
einen Entzug und arbeitete anschließend<br />
sogar als Busfahrer. Der nächste<br />
Absturz kam 2008. Erneut ging eine Beziehung<br />
in die Brüche. Wieder verlor<br />
Holger den Halt, zudem auch Arbeit<br />
und Wohnung. Aber nicht seinen Mut.<br />
Tatsächlich schaffte er es aus eigener<br />
Kraft noch einmal weg von der<br />
Straße. Dabei half ihm der Verkauf von<br />
Hinz&<strong>Kunzt</strong>. Holger sagt, er habe dadurch<br />
eine neue „Familie“ gefunden:<br />
seine Kunden. „Die machen sich schon<br />
Sorgen, wenn ich mal einen Tag nicht<br />
da bin.“ Kein Wunder. Vor drei Jahren<br />
erlitt Holger einen Schlaganfall. Seitdem<br />
ist er wohl auch demütiger. Noch<br />
mal in Vollzeit zu arbeiten, das traut er<br />
sich nicht mehr zu. Deswegen kümmert<br />
er sich jetzt um seine Frühverrentung.<br />
Mutiger war er in einem anderen<br />
Punkt: Trotz allem, was passiert ist, hat<br />
er Kontakt zu seinen Kindern aufgenommen<br />
– ganz, ganz vorsichtig. Vor allem<br />
aber ist er dankbar. Dafür, dass seine<br />
Kunden so sehr zu ihm halten.<br />
„Nach der Arbeit gehe ich mit gutem<br />
Gefühl nach Hause“, sagt Holger, das<br />
Stehaufmännchen. •<br />
Holger und alle anderen Hinz&Künztler<br />
erkennt man am Verkaufsausweis.<br />
Niemand kennt<br />
Hamburgs Straßen besser.<br />
Verkäuferausweis<br />
4578<br />
A. Beig<br />
Druckerei und Verlag<br />
GmbH & Co. KG<br />
Damm 9-19, 25421 Pinneberg<br />
Tel. 0 41 01/5 35-0<br />
Wir sorgen für den nötigen Druck!<br />
In unserer modernen und leistungsstarken Druckerei in Pinneberg<br />
produzieren wir neben unseren eigenen Publikationen auch zahlreiche<br />
Fremdaufträge. Wir stellen jährlich so ca. 90 Mio. Zeitungen her<br />
und verarbeiten über 350 Mio. Beilagen.<br />
www.a-beig.de
KUNZT-<br />
KOLLEKTION<br />
BESTELLEN SIE DIESE UND WEITERE PRODUKTE BEI: Hinz&<strong>Kunzt</strong> gGmbH,<br />
www.hinzundkunzt.de/shop, shop@hinzundkunzt.de, Altstädter Twiete 1–5, 20095 Hamburg,<br />
Tel. 32 10 83 11. Preise zzgl. Versandkostenpauschale 4 Euro, Ausland auf Anfrage.<br />
1.<br />
1. Schürze „<strong>Kunzt</strong>Küche“<br />
100% GOTS zertifi zierte Bio-Baumwolle.<br />
Farbe: norddeutschgrau,<br />
Schürzenbreite ca. 80 cm, Länge ca. 86 cm,<br />
von Kaya & Kato GmbH, Firma für<br />
fair produzierte Arbeitskleidung aus Köln.<br />
Preis: 25 Euro<br />
Auch als Bundle zusammen mit dem<br />
Kochbuch „Willkommen in der <strong>Kunzt</strong>Küche!“<br />
erhältlich (siehe Seite 43).<br />
Preis: 45 Euro<br />
2. Tasse „Fischkopp“<br />
Sonderedition für Hinz&<strong>Kunzt</strong> von der<br />
Hamburger Firma AHOI MARIE.<br />
Qualitätsporzellan von Kahla aus Thüringen.<br />
Design: Jan-Hendrik Holst,<br />
keramischer Siebdruck.<br />
Maße: D: 9 cm, H: 9 cm,<br />
mikrowellen- und spülmaschinentauglich.<br />
Preis: 13,90 Euro<br />
4.<br />
5.<br />
2.<br />
3. Frühstücksbrettchen<br />
Exklusiv für Hinz&<strong>Kunzt</strong><br />
aus der Serie „Schöne Aussichten“,<br />
Pension für Produkte Hamburg.<br />
Design: Wolfgang Vogler,<br />
Material: Esche geölt (aus heimischen Wäldern),<br />
lasergraviert. Jedes Brett ist ein Unikat,<br />
in Deutschland gefertigt.<br />
Preis: 15,90 Euro<br />
4. Mütze „Kopf hoch!“<br />
Farbe: anthrazit<br />
hergestellt in Norddeutschland,<br />
100 % Merinowolle.<br />
Preis: 19,90 Euro<br />
5. Jubiläumsbonbons von Lutschebuller<br />
Lutschbonbons in den Geschmacksrichtungen<br />
Vanille-Zimt und Kaffee-Vanille.<br />
Hergestellt in Hamburg nach dänischem Rezept.<br />
Vegan, aber nicht zuckerfrei.<br />
Preis pro Glas: 3,95 Euro<br />
6.<br />
7.<br />
3.<br />
6. Haftnotizen<br />
Haftnotizpapier mit Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Logo fürs<br />
Büro, Zuhause und alle Lebenslagen, in denen<br />
Gedanken schnell festgehalten werden müssen.<br />
5 Blocks à 50 Blatt, 7 x 7 cm.<br />
Preis: 6,50 Euro<br />
7. „Ein mittelschönes Leben“<br />
Eine Geschichte für Kinder<br />
über Obdachlosigkeit von Kirsten Boie,<br />
illustriert von Jutta Bauer.<br />
Preis: 4,80 Euro
Wir möchten, dass Sie es warm haben.<br />
Als Spezialist für umweltfreundliche und hocheffiziente Wärmelösungen<br />
sorgt HanseWerk Natur seit Jahrzehnten für warme Wohnzimmer und<br />
Werkshallen im Norden. Und weil wir wissen, dass menschliche Wärme<br />
genauso wichtig ist wie eine warme Heizung, unterstützen wir seit vielen<br />
Jahren das Hamburger Straßenmagazin Hinz&<strong>Kunzt</strong>.<br />
Energielösungen für den Norden