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Medical Tribune 10/2019

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INTERNATIONALER<br />

FRAUENTAG<br />

SPEZIALAUSGABE<br />

51. Jahrgang j Nr. <strong>10</strong> j 6. März <strong>2019</strong> Medizin Medien Austria j www.medonline.at j /medonline.at<br />

Neue Zentren für<br />

Kinder-Reha in<br />

den Startlöchern<br />

FOTOS: FATCAMERA/GETTYIMAGES; LUISMMOLINA/GETTYIMAGES; DAVID MARCHAL/GETTYIMAGES<br />

■ AUS DEM INHALT<br />

Schritt ins Leben<br />

Das Wiener Büro für Frauengesundheit<br />

hat eine Grundsatzerklärung<br />

erarbeitet, um die<br />

Chancen auf Spontangeburt<br />

zu erhöhen und den Trend zur<br />

Sectio zu bremsen. ▶ SEITE 5<br />

Geballte Frauenpower<br />

Zum Internationalen Frauentag<br />

am 8. März holen wir Medizinerinnen<br />

vor den Vorhang,<br />

die im Jahr 2018 Aufsehen erregt<br />

haben. ▶ SEITE 13<br />

Ärztin mit Grenzen<br />

Kolumnistin Dr. Ulrike Stelzl<br />

will ihre eigenen Bedürfnisse<br />

künftig ernster nehmen. Das<br />

ist allerdings leichter gesagt<br />

als getan. ▶ SEITE 23<br />

„Frauen bleiben picken“<br />

„Männer werden Institutsvorstände,<br />

Männer habilitieren,<br />

Frauen bleiben picken.“<br />

Univ.-Prof. Dr. Andrea Siebenhofer-Kroitzsch<br />

nimmt im Gespräch<br />

mit <strong>Medical</strong> <strong>Tribune</strong><br />

kein Blatt vor den Mund. Dass<br />

die Medizin immer weiblicher<br />

werde, spiegle sich in diversen<br />

Führungsgremien nicht wider:<br />

„Das Verhältnis in Führungspositionen<br />

ist noch immer 1:<strong>10</strong>!“<br />

Sie selbst ist eine Ausnahme:<br />

Siebenhofer-Kroitzsch leitet<br />

das Institut für Allgemeinmedizin<br />

und evidenzbasierte<br />

Versorgungsforschung an der<br />

Med Uni Graz. ▶ SEITE 2<br />

Ärzte brauchen Anwälte<br />

Vertrauen ist gut, Kontrolle besser.<br />

Was angeblich schon Lenin<br />

gesagt hat und manch eifersüchtiger<br />

Ehepartner zu streng<br />

nimmt, sollte Ärzten ins Stammbuch<br />

geschrieben werden. Dann<br />

nämlich, wenn sie sich gemeinschaftlich<br />

organisieren, sprich<br />

Kooperationen mit Kollegen eingehen.<br />

<strong>Medical</strong> <strong>Tribune</strong> zeigt,<br />

welche Formen der Zusammenarbeit<br />

es überhaupt gibt und worauf<br />

man dabei achten muss.<br />

Eines haben alle gemeinsam:<br />

Eine vertragliche Grundlage ist<br />

unerlässlich. ▶ SEITE 19<br />

Die Pädiaterin Prim. Dr. Anna<br />

Maria Cavini hat zwei Jahre in<br />

Deutschland in einer Klinik für<br />

Kinder- und Jugendrehabilitation<br />

gearbeitet. Nach ihrer Rückkehr<br />

nach Österreich stellte sie dringenden<br />

Handlungsbedarf fest:<br />

Es sei eine Schande, dass man<br />

Kin der auf Reha ins Ausland<br />

schicken müsse – was in vielen<br />

Familien auch gar nicht möglich<br />

sei. Inzwischen sind jedoch<br />

einige Kinder-Reha- Zentren auf<br />

Schiene, u.a. jenes in Rohrbach in<br />

Oberösterreich. Es soll im August<br />

starten, ein weiteres in Bad Erlach<br />

in Niederösterreich folgt<br />

im Oktober. ▶ SEITE 16<br />

Die Reproduktionsmedizin<br />

kann helfen, nicht zaubern.<br />

Später Wunsch<br />

nach Mutterschaft<br />

Viele Paare überschätzen die Möglichkeiten<br />

der Reproduktionsmedizin<br />

und erhoffen sich eine<br />

uneingeschränkte Fruchtbarkeit<br />

bis zur Menopause. Doch tatsächlich<br />

stehen die Chancen auf<br />

Schwangerschaft trotz künstlicher<br />

Befruchtung mit 42 Jahren bei gerade<br />

einmal 50 Prozent. ▶ SEITE 7<br />

Österr. Post AG WZ 02Z032751 W, Medizin Medien GmbH, Grünbergstr. 15, 1120 Wien, Retouren an Postfach <strong>10</strong>0, 1350 Wien


2 POLITIK<br />

<strong>Medical</strong> <strong>Tribune</strong> | Nr. <strong>10</strong> | 6. März <strong>2019</strong><br />

„Ich stehe zehn Männern gegenüber“<br />

PRIMÄRVERSORGUNG Versorgungsforscherin Prof. Dr. Siebenhofer-Kroitzsch erklärt, wo man in Sachen Haus arztmangel<br />

den Hebel ansetzen müsste, wie es um die Gleichberechtigung steht und was die Deutschen besser machen.<br />

ANITA GROSS<br />

Erinnerungen<br />

verblassen ...<br />

Hilfe bleibt haften!<br />

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... das transdermale Pfl aster<br />

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Fachkurzinformationen auf Seite 14<br />

Was versteht man unter evidenzbasierter<br />

Versorgungsforschung?<br />

Siebenhofer: Oft habe ich gehört:<br />

„Ach, Versorgungsforschung, das<br />

ist doch nur die Auswertung von<br />

Daten.“ Das ist sie nicht! Sie ist ein<br />

fachübergreifendes Forschungsgebiet,<br />

das sich vor allem mit der<br />

Kranken- und Gesundheitsversorgung<br />

beschäftigt und versucht,<br />

diese zu optimieren. Zeigen zum<br />

Beispiel Daten oder Befragungsergebnisse,<br />

dass eine Über-, Unter-<br />

oder Fehlversorgung existiert,<br />

dann ist es wichtig, ein optimiertes<br />

Versorgungskonzept zu entwickeln.<br />

Wichtig ist: Versorgungsforschung<br />

betrifft nichts Seltenes, also keine<br />

„orphan diseases“, sondern Häufiges.<br />

Ein klassisches Beispiel aus<br />

Frankfurt: Wir haben in Studien<br />

gelesen, dass Patienten mit oraler<br />

Antiko agulation zum Teil über-,<br />

unter-, aber auch fehlversorgt sind,<br />

und uns überlegt: Wie könnte man<br />

das im hausärztlichen Setting optimieren?<br />

Wir haben uns eine Vergleichsstudie<br />

überlegt, mit der Fragestellung,<br />

ob Case Management<br />

die Versorgung verbessern kann.<br />

Wie ist der Status quo der Primärversorgung<br />

in Österreich im<br />

Vergleich zu Deutschland?<br />

Siebenhofer: Österreich und<br />

Deutschland haben die gleichen<br />

Probleme: Landflucht, Abzug aus<br />

den wohlhabenden Ballungszentren,<br />

Hausarztmangel, bedingt<br />

durch unattraktive Arbeitsbedingungen,<br />

fehlendes Job-Sharing,<br />

schlechte Finanzierung, unkoordinierte<br />

Ausbildung usw. In Österreich<br />

– und das möchte ich betonen<br />

– gibt es vieles, was jetzt getan<br />

wird, von Politik, Ministerien, Ärztekammer,<br />

Kassen, Universitäten.<br />

Aber ist es für mich immer noch<br />

ein „Stückerlwerk“. Es braucht endlich<br />

einmal das große gemeinsame<br />

Vorhaben mit einem einzigen Ziel:<br />

die Primärversorgung zu stärken.<br />

Man muss sich abstimmen, nicht<br />

nur Geld verteilen, sondern auch<br />

an der Qualität etwas ändern. Mögliche<br />

Maßnahmen sind ja bekannt.<br />

Es gibt von unserem Institut zwei<br />

Gelbe Box (RE2)<br />

4,6 | 9,5 | 13,3 mg/24 h<br />

Rivastigmin<br />

9,5 mg/24h<br />

Pflasterabbildung in Originalgröße<br />

Berichte, „Berufsmotivation Befragung<br />

von Studierenden“ und „Prävention<br />

gegen Hausärztemangel“.<br />

Drittens gibt es von der Österreichischen<br />

Gesellschaft für Allgemeinmedizin<br />

den Masterplan. Man weiß<br />

also längst, was relevante und wirksame<br />

Maßnahmen wären, um dem<br />

Hausärztemangel entgegenzuwirken.<br />

Der nächste Schritt wäre endlich<br />

eine koordinierte Absprache<br />

zwischen den Playern, damit alle<br />

das gemeinsame Ziel verfolgen.<br />

Und in Deutschland?<br />

Siebenhofer: Erstens – und das<br />

finde ich ziemlich prickelnd – gibt<br />

es Gesetzesvorlagen wie den „Masterplan<br />

Medizinstudium 2020“<br />

mit einer Neuorientierung an den<br />

Universitäten, wo im Gesetz steht:<br />

Allgemeinmedizin ist ein neuer<br />

Schwerpunkt im Studium und wir<br />

brauchen vermehrten Praxisbezug<br />

und allgemeinmedizinische Forschung.<br />

Das Zweite ist, dass es nach<br />

dem Sozialgesetzbuch deutschlandweit<br />

Kompetenzzentren zur<br />

Weiterbildung in Allgemeinmedizin<br />

geben muss, mit überregionalen<br />

Angeboten, Begleitseminaren,<br />

Mentoring-Programmen,<br />

Train-the-Trainer-Fortbildungen<br />

etc., damit angehende Fachärzte für<br />

Allgemeinmedizin, die übrigens<br />

für zwei Jahre bei einem Hausarzt<br />

arbeiten müssen, strukturiert ihre<br />

Weiterbildung absolvieren können.<br />

Alle arbeiten an der Umsetzung der<br />

gesetzlichen Vorgaben gegen den<br />

Hausarztmangel, die Kassenärztliche<br />

Bundesvereinigung, die Krankenhäuser,<br />

der Spitzenverband der<br />

Krankenkasse usw. Dafür wird richtig<br />

Geld investiert. Das ist eine gezielte<br />

Maßnahme – kein Tröpfchen.<br />

Deutschland ist da also weiter?<br />

Siebenhofer: Na ja, irgendwie<br />

schon, denn alle ziehen an einem<br />

Strang und es gibt mehr Förderungen.<br />

So gibt es auch in der Forschung<br />

viel mehr Geld. Der Unterschied<br />

ist: Wir in Österreich<br />

Siebenhofer-Kroitzsch:<br />

Österreich „kleckert“,<br />

Deutschland klotzt.<br />

kleckern und in Deutschland hauen<br />

sie richtige Klötze rein: Gesetzesvorlagen<br />

auf universitärer Ebene<br />

plus Weiterbildung. Wir haben in<br />

Österreich keine strukturierte Weiterbildung,<br />

es gibt keinen Facharzt<br />

für Allgemeinmedizin und nur ein<br />

halbes Jahr in der Lehrpraxis. Aber<br />

was wir ihnen voraushaben, ist das<br />

Primärversorgungsgesetz – das hat<br />

Deutschland noch nicht.<br />

Wie entstand der Primärversorgungskongress<br />

bzw. die OEFOP-<br />

Jahrestagung (siehe Kasten)?<br />

Siebenhofer: Das Institut für Allgemeinmedizin<br />

und evidenzbasierte<br />

Versorgungsforschung der Universität<br />

Graz gibt es seit 2015. Damals<br />

haben wir gesagt, wir wollen eine<br />

Plattform, ein Symposium, wo sich<br />

alle Player aus allen Richtungen auf<br />

neutralem Boden treffen können.<br />

Das Institut ist fachlich unabhängig<br />

und hat die Schirmherrschaft<br />

über den Kongress, den wir heuer<br />

zum vierten Mal machen. Für dieses<br />

Jahr haben wir uns die Frage gestellt:<br />

Machen wir das Richtige und<br />

wie machen wir das Richtige richtig?<br />

Dafür benötigt es strukturierte<br />

Handlungsanweisungen, Qualitätsvorgaben,<br />

Informationen, wie man<br />

zusammenarbeiten kann, usw. Und<br />

natürlich muss man Evaluationen<br />

anschließen. Der gesamte Themen-<br />

FOTO: MARTIN WIESNER<br />

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<strong>Medical</strong> <strong>Tribune</strong> | Nr. <strong>10</strong> | 6. März <strong>2019</strong> POLITIK 3<br />

FOTO: PRIVAT<br />

komplex dreht sich um die Qualität<br />

und richtet sich an alle Player,<br />

denn unabhängig davon, ob man in<br />

Einzelpraxen oder in Primärversorgungseinheiten<br />

arbeitet, sollte die<br />

Qualität höchstrangig gewährt werden.<br />

Aber das Wichtigste ist: Der<br />

Kongress ist sehr informativ, es gibt<br />

eine tolle Aufbruchsstimmung, einen<br />

positiven Drive, von Jung bis<br />

Alt sind sämtliche Berufsgruppen<br />

vertreten, ebenso wie Akteure der<br />

Kammern, Kassen und Politik. Und<br />

alle diskutieren auf hohem Niveau.<br />

Die Medizin wird immer weiblicher,<br />

was ändert sich für die Zukunft<br />

der Frauen?<br />

Siebenhofer: Ja, die Medizin wird<br />

weiblicher, im Studium und bei<br />

den Klinikärztinnen. Das Problem<br />

tut sich dann auf, wenn die Familie<br />

größer wird und die Frauen in<br />

Teilzeit gehen. Das machen Frauen<br />

viel häufiger als Männer und daher<br />

denke ich, dass diese gläserne Decke<br />

nach wie vor existiert. Jetzt haben<br />

wir <strong>10</strong>0 Jahre Frauenwahlrecht<br />

und das Verhältnis in Führungspositionen<br />

ist noch immer 1:<strong>10</strong>! Also,<br />

ich stehe zehn Männern gegenüber,<br />

auch in der Professorenkurie. In<br />

der mittleren Ebene gibt es 30 Prozent<br />

Frauen, aber im Studium sind<br />

weit über 50 Prozent weiblich – da<br />

stimmt ja was nicht! Die Frauen gehen<br />

eher in Teilzeit und die Männer<br />

bleiben in Vollzeit, sie klettern<br />

weiter die Karriereleiter nach oben.<br />

Männer werden Institutsvorstände,<br />

Männer habilitieren, Frauen bleiben<br />

picken. Wir müssen die neuen<br />

Familien und ihre Bedürfnisse besser<br />

berücksichtigen, mit Job-Sharing,<br />

Familienfreundlichkeit und<br />

der Möglichkeit, dass Vater und<br />

Mutter zu gleichen Teilen für die<br />

Versorgung ihrer Kinder aufkommen<br />

können. Solange Frauen und<br />

Männer nicht die gleichen Bedingungen<br />

und Voraussetzungen haben<br />

– intrafamiliär, extrafamiliär<br />

und vom Arbeitgeber her –, werden<br />

wir dieses Problem haben. In<br />

den skandinavischen Ländern ist<br />

es gang und gäbe, dass Frauen wenige<br />

Wochen nach der Geburt wieder<br />

zur Arbeit gehen, die Partner<br />

arbeiten gleichberechtigt und unterstützen<br />

sich ebenbürtig. Ganz<br />

„Wir haben <strong>10</strong>0 Jahre Frauenwahlrecht<br />

und das Verhältnis in Führungspositionen<br />

ist noch immer 1:<strong>10</strong>.“<br />

Univ.-Prof. Dr. Andrea Siebenhofer-Kroitzsch<br />

wichtig ist auch ein multiprofessionelles<br />

Team im Sinne der Primärversorgung.<br />

Viele Arbeiten, die bislang<br />

vom Arzt ausgeführt wurden,<br />

können delegiert werden.<br />

Zum Beispiel?<br />

Siebenhofer: Blutdruckmessen,<br />

Diabetesversorgung, Diabetesschulung,<br />

Wundmanagement, Gesundheitskompetenzfragen,<br />

Aufbau von<br />

Gesundheitsförderung und Prävention.<br />

In der Primärversorgung sind<br />

von der Definition her viele Player<br />

an Bord. In Österreich haben wir im<br />

OECD-Vergleich die höchste Ärztedichte,<br />

aber eine minimale Pflegedichte.<br />

■<br />

Zur Person<br />

Univ.-Prof. Dr. Andrea Siebenhofer-<br />

Kroitzsch leitet das Institut für Allgemeinmedizin<br />

und evidenzbasierte<br />

Versorgungsforschung (IAMEV),<br />

Med Uni Graz, und ist Professorin<br />

für chronische Krankheit und Versorgungsforschung<br />

und stv. Direktorin<br />

des Instituts für Allgemeinmedizin<br />

an der Goethe-Universität, Frankfurt,<br />

Deutschland.<br />

PV-Kongress<br />

Der 4. Österreichische Primärversorgungskongress<br />

mit der OEFOP-<br />

Jahrestagung (Österr. Forum für<br />

Primärversorgung) findet von 4.–6.<br />

April in Graz statt. Schirmherrschaft<br />

hat das IAMEV, Med Uni Graz. Inhaltlicher<br />

Leiter ist Priv.-Doz. Dr. Stefan<br />

Korsatko, Mitarbeiter des Instituts, 1.<br />

Bundessprecher und Gründungsmitglied<br />

des OEFOP. Weitere Infos:<br />

allgemeinmedizin.medunigraz.at<br />

■ ECHT JETZT?<br />

1.997 Stunden – damit rechnet der<br />

KAV in Wien pro „voller“ Arztstelle<br />

und Jahr. Die Netto-Jahresarbeitszeit<br />

bei einer 40-Stunden- Woche<br />

beträgt für „normale“ Arbeitnehmer<br />

1.650 Stunden.<br />

Nun wissen wir nicht, wie andere<br />

Spitäler rechnen, doch die<br />

volle Stelle bedeutet wohl überall<br />

48 Stunden. In internationalen<br />

Vergleichen wird ein Vollzeitäquivalent<br />

(VZÄ) aber mit 40<br />

Wochenstunden festgelegt. Das<br />

heißt, ein hiesiger Spitalsarzt,<br />

soll er international verglichen<br />

werden, müßte mit 1,2 VZÄ angesetzt<br />

werden. Da nationale<br />

Spi talsstatistiken knapp 23.000<br />

VZÄ-Ärzte („volle Stellen“) angeben,<br />

würden diese international<br />

27.500 VZÄ entsprechen.<br />

Nun arbeiten aber, in Köpfen,<br />

nur 24.800 Spitalsärzte – womit<br />

klar wird, dass die durchschnittliche<br />

Wochenarbeitszeit 44 Stunden<br />

beträgt. 44 deswegen, weil<br />

ein Teil Teilzeit arbeitet.<br />

Nun will die Ärztekammer<br />

aber unbedingt einen Ärztemangel,<br />

und da stören OECD-Statistiken,<br />

die bei uns 5,2 Ärzte<br />

(Köpfe) pro 1.000 Einwohnern<br />

(der Durchschnitt liegt bei 3,4)<br />

ausweisen.<br />

Dr. Ernest Pichlbauer<br />

Unabhängiger Gesundheitsökonom, Wien<br />

Das Verwirrspiel mit dem<br />

„Vollzeitäquivalent“<br />

Um diese Statistik als falsch<br />

darzustellen, wurden zunächst<br />

alle 7.600 Turnusärzte ausgeschieden,<br />

weil diese ja keine Approbation<br />

besäßen. Doch, trotz<br />

dieses unsauberen Tricks, hätten<br />

wir mit 4,4 Ärzten noch immer<br />

viel mehr als die anderen.<br />

Da kommen Honorar-Professor<br />

L. Chini und das VZÄ ins<br />

Spiel. Er definiert ein VZÄ nicht<br />

über Arbeitszeit, sondern den<br />

durchschnittlichen Brutto-Lohn<br />

eines Wiener Spitalsarztes. Wer<br />

durchschnittlich so viel verdient,<br />

ist ein österreichweites VZÄ. Damit<br />

arbeiten in den Spitälern nur<br />

etwa 15.500 VZÄ, von denen er behauptet,<br />

sie seien international<br />

vergleichbar. Man bedenke, nach<br />

internationalen Definitionen arbeiten<br />

dort 27.500 VZÄ-Ärzte, die<br />

nach ein paar „Rechnungen“ auf<br />

15.500 geschrumpft sind.<br />

Dann werden im niedergelassenen<br />

Bereich auch noch ein paar<br />

Tausend Ärzte weggerechnet, sodass<br />

am Ende von den 45.596 Köpfen<br />

in der Ärzteliste 14.190 über<br />

die „Umrechnung“ in VZÄ verschwinden<br />

und das Ziel erreicht<br />

ist: Die Ärztedichte liegt mit 3,6<br />

pro 1.000 Einwohner nur knapp<br />

über den OECD-Durchschnitt.<br />

■ FRAGE DER WOCHE (Leserumfrage auf medonline.at)*<br />

Im Zuge der Strafrechtsreform soll die ärztliche Schweigepflicht aufgeweicht<br />

werden – wie stehen Sie dazu?<br />

Die ärztliche Schweigepflicht ist unantastbar und<br />

elementar für das Vertrauensverhältnis zwischen<br />

Arzt und Patient.<br />

Ich berufe mich auch dazu auf meine Schweigepflicht<br />

und sage nichts. ;-)<br />

Die Regierung hat recht: Datenschutz darf nicht<br />

zum Täterschutz werden. Im Extremfall kann man<br />

Leben retten!<br />

26+12+62<br />

23 %<br />

12 %<br />

26 %<br />

* Ab sofort läuft die neue Umfrage: Glauben Sie, dass Interessenkonflikte die<br />

Verschreibungspraxis im Ordinationsalltag beeinflussen?<br />

62 %<br />

77 %


4 POLITIK<br />

<strong>Medical</strong> <strong>Tribune</strong> | Nr. <strong>10</strong> | 6. März <strong>2019</strong><br />

„Die Ärztekammern müssen aufwachen“<br />

BEREITSCHAFTSDIENST ■ In sechs Bundesländern sind Bereitschaftsdienste derzeit nicht verpflichtend. Die jeweiligen<br />

Kurien der niedergelassenen Ärzte müssen nun schleunigst entsprechende Verordnungen erlassen.<br />

Im Burgenland, in der Steiermark,<br />

Tirol, Niederösterreich, Salzburg<br />

und Vorarlberg sind Ärzte derzeit<br />

nicht dazu verpflichtet, Bereitschaftsdienste<br />

am Wochenende zu<br />

machen. In diesen Bundesländern<br />

fehlt die entsprechende rechtliche<br />

Grundlage, nämlich eine Verordnung<br />

durch die Kurie der niedergelassenen<br />

Ärzte in der jeweiligen<br />

Landes-Ärztekammer. Das ist die<br />

Folge eines Verwaltungsgerichtshof-Urteils,<br />

nachdem ein steirischer<br />

Kassenarzt gegen die von<br />

Krankenkasse und Ärztekammer<br />

eingeteilten Dienste geklagt hatte<br />

(„<strong>Medical</strong> <strong>Tribune</strong>“ berichtete).<br />

Sicherheit für die Patienten<br />

Die jeweiligen Ärztekammern<br />

müssen nun entsprechende Verordnungen<br />

erlassen, wie der Präsident<br />

der Österreichischen Ärztekammer,<br />

Univ.-Prof. Dr. Thomas<br />

Szekeres, erläutert. Er geht davon<br />

aus, dass dies rasch geschieht.<br />

Die Ärztekammern hätten auch<br />

ein großes Interesse daran, die<br />

Sicherheit für die Patienten so<br />

rasch wie möglich zu garantieren.<br />

Szekeres stellte allerdings<br />

klar, dass die Bundes-Ärztekammer<br />

den Landeskammern nicht<br />

vorgesetzt sei und er daher nichts<br />

anordnen könne.<br />

Organisiert wird die Bereitschaft<br />

durch die jeweilige Landesärztekammer.<br />

Die Einteilung der<br />

Dienste muss die Kammer mit der<br />

jeweiligen Landeskasse verhandeln<br />

und ist Teil des Kassenvertrages.<br />

(In Wien gibt es mit dem<br />

Ärztefunkdienst ein anderes System.<br />

Hier arbeiten die Ärzte auf<br />

freiwilliger Basis. Ein freiwilliges<br />

Modell gibt es auch in Oberösterreich.<br />

In Kärnten geht man davon<br />

aus, dass es keine Verordnung<br />

mehr brauche, weil erst mit Februar<br />

eine Neuregelung zwischen<br />

Krankenkasse und Ärztekammer<br />

in Kraft getreten sei.) Von einem<br />

Bereitschaft am<br />

Wochenende:<br />

rechtliche<br />

Grundlagen<br />

fehlen<br />

Versäumnis der Landeskammern<br />

wollte Szekeres nicht sprechen: Es<br />

sei ihnen wohl nicht bewusst gewesen,<br />

dass man diese Verordnungen<br />

brauche.<br />

Der Gesundheitssprecher der<br />

NEOS, Gerald Loacker, sieht das<br />

anders: „Es ist unfassbar, dass<br />

es Kohorten von Selbstverwaltern<br />

in Kammern und Kassen<br />

nicht geschafft haben, den ärztlichen<br />

Bereitschaftsdienst im Gesamtvertrag<br />

zu regeln“, wettert<br />

der Parlamentsabgeordnete: „Die<br />

Ärztekammern müssen endlich<br />

aufwachen und rasch klare vertragliche<br />

Rahmen schaffen.“<br />

Ärztekammer nicht dabei<br />

In Niederösterreich prüfen derzeit<br />

Landesregierung und Gebietskrankenkassse,<br />

welche Lösung sich<br />

am besten eigne, „um die Bevölkerung<br />

auch in Zukunft wohnortnah<br />

und niederschwellig medizinisch<br />

versorgen zu können“, wie<br />

Gesundheitslandesrätin Ulrike<br />

Königsberger-Ludwig mitteilt. Die<br />

Ärztekammer ist bei diesen Gesprächen<br />

nicht mit dabei. APA/RED<br />

Ohne Impfung kein Geld<br />

und kein Kindergarten<br />

IMPFEN ■ Die Ärztekammer für Wien möchte Kindergeld<br />

und Kindergartenbesuch ans Impfen koppeln.<br />

Die Österreicher gehen<br />

häufig zum Hausarzt<br />

EUROSTAT ■ EU-weit suchen die Österreicher am<br />

zweithäufigsten den Hausarzt auf.<br />

Die Wiener Ärztekammer fordert<br />

österreichweit eine an die Auszahlung<br />

des Kinderbetreuungsgeldes<br />

bzw. der Familienbeihilfe<br />

gekoppelte Impfpflicht für Minderjährige<br />

bis zum vollendeten<br />

14. Lebensjahr. Bei nicht erfolgten<br />

Impfungen – inklusive Auffrischungen<br />

– solle letztlich auch<br />

der Zugang zu öffentlichen Kindergärten<br />

verwehrt werden, hieß<br />

es in dem vom Vorstand mehrheitlich<br />

beschlossenen Antrag.<br />

„Es geht uns nicht um Strafen,<br />

sondern in erster Linie um den<br />

Schutz der besonders Schwachen“,<br />

erklärt Impfexperte Dr.<br />

Rudolf Schmitzberger, Vorstandsmitglied<br />

der Ärztekammer für<br />

Wien.<br />

Vorgeschlagen wird ein stufenweises<br />

Vorgehen: Zunächst gehe<br />

es um Motivation und Belohnung,<br />

erst als letzte Konsequenz soll der<br />

Besuch des Kindergartens nicht<br />

gestattet werden bzw. das Kindergeld<br />

gekürzt werden. Das funktioniere<br />

etwa beim Mutter-Kind-Pass<br />

bereits gut, so Schmitzberger. Der<br />

Beschluss wird nun an die Österreichische<br />

Ärztekammer weitergeleitet.<br />

APA<br />

Mindestens zehn Mal im Jahr<br />

gehen 12,3 Prozent der Österreicher<br />

zum praktischen Mediziner.<br />

Der EU-Durchschnitt liegt<br />

laut Eurostat-Daten hier bei nur<br />

6,4 Prozent. Einsam an der Spitze<br />

rangieren die Dänen mit 28,6 Prozent.<br />

Schlusslicht ist Griechenland,<br />

wo nur 1,7 Prozent mindestens<br />

zehn Mal zu ihrem Hausarzt<br />

gehen. Insgesamt suchen die Österreicher<br />

EU-weit am zweithäufigsten<br />

den Hausarzt auf.<br />

Zwischen sechs und neun<br />

Mal jährlich machen 8,6 Prozent<br />

der Österreicher eine Visite<br />

beim Arzt. In dieser Gruppe liegen<br />

ebenfalls die Dänen mit 20,2<br />

Prozent deutlich an der Spitze.<br />

Der EU-Durchschnitt beträgt 7,9<br />

Prozent, auch hier sind die Griechen<br />

mit nur 2,1 Prozent Letzter.<br />

Überhaupt nie zum praktischen<br />

Arzt gehen 23,5 Prozent<br />

der EU-Bürger. Bei den Österreichern<br />

liegt der Prozentsatz mit<br />

16,5 deutlich darunter. Richtige<br />

Arztmuffel sind die Griechen,<br />

mit 60,5 Prozent. Hier liegt<br />

Deutschland voran, wo nur <strong>10</strong>,7<br />

Prozent niemals den Hausarzt<br />

aufsuchen. <br />

APA<br />

FOTO: CMANNPHOTO/GETTYIMAGES


<strong>Medical</strong> <strong>Tribune</strong> | Nr. <strong>10</strong> | 6. März <strong>2019</strong><br />

SCHWERPUNKT<br />

▶ GYNÄKOLOGIE<br />

5<br />

Wien will mehr Spontangeburten<br />

GEBURTSHILFE Die Kaiserschnittraten steigen weltweit. Die Gesellschaft der Ärzte veranstaltete einen Themenabend<br />

zur Geburt, bei dem die „Wiener Grundsatzerklärung zur Erhöhung der Chance auf Spontangeburt“ präsentiert wurde.<br />

FOTO: EANS/GETTYIMAGES<br />

PETER BERNTHALER<br />

Dass die Grundsatzerklärung „Die<br />

Chance auf Spontangeburt erhöhen“,<br />

die unter der Ägide des Büros<br />

für Frauengesundheit und<br />

Gesundheitsziele der Stadt Wien<br />

unter der wissenschaftlichen Leitung<br />

von Univ.-Prof. Dr. Beate<br />

Wimmer-Puchinger erarbeitet<br />

wurde, gerade von hier kommt,<br />

ist kein Zufall.<br />

Was die Kaiserschnittrate betrifft,<br />

liegt die Bundeshauptstadt<br />

derzeit im oberen Drittel des Bundesländervergleichs<br />

und hat in den<br />

vergangenen Jahren auch eine ansehnliche<br />

Steigerung zu verzeichnen:<br />

Von knapp 24 % im Jahr 2004<br />

stieg die Sectio-Rate auf über 30 %<br />

im Jahr 2018.<br />

Doch es gibt gute Gründe, die<br />

Anzahl der Kaiserschnitte zu reduzieren,<br />

wie Univ.-Prof. DDr.<br />

MMag. Barbara Maier, Leiterin<br />

der gynäkologisch-geburtshilflichen<br />

Abteilung im Wilhelminenspital<br />

in Wien, erläutert: Einerseits<br />

erbringen überhöhte Sectio-Raten<br />

kein verbessertes geburtshilfliches<br />

Outcome, wenn diese – so<br />

die Weltgesundheitsorganisation<br />

WHO – über 15 % in einem Land<br />

liegen.<br />

Andererseits kommen schwerwiegende<br />

Ereignisse in der Geburtshilfe<br />

in Zusammenhang mit<br />

dem postsectionalen Zustand der<br />

Frauen wie schwere Atonie, Lungen-<br />

oder Fruchtwasserembolie,<br />

Uterusruptur oder Placenta inoder<br />

percreta sowie Placenta praevia<br />

häufiger vor.<br />

Darüber hinaus würden abnehmende<br />

geburtshilfliche Skills<br />

– Stichwort: „Aussterben der Spezies<br />

Geburtshelferinnen“ – zu einer<br />

schlechteren geburtshilflichen<br />

Performance führen. Last but not<br />

least sollen auch „Nachhaltigkeitsprobleme“<br />

für Mütter und Kinder<br />

vermieden werden.<br />

Sectio-Raten als regionales<br />

Phänomen<br />

Ein österreichweiter Überblick<br />

betreffend die Sectioraten macht<br />

deutlich, wie unterschiedlich die<br />

Entwicklung im Vergleichszeitraum<br />

von 1999 bis 20<strong>10</strong> verlaufen<br />

ist: Die höchsten Sectio -Raten<br />

verzeichnete 20<strong>10</strong> das Burgenland<br />

mit 33,4 % (1999: 20,1 %), gefolgt<br />

von Steiermark (32,5 %/17,5 %),<br />

Tirol (31,8 %/16,7 %) und Kärnten<br />

(30,7 %/15,3 %) mit beachtenswerten<br />

Steigerungsraten. Wien<br />

(29,6 %/18,9 %) und Niederösterreich<br />

(29,4 %/17 %) folgen im Österreichvergleich.<br />

Nur jede zehnte Entscheidung<br />

für eine Sectio, so die Ergebnisse<br />

einer Studie von Prof. Dr. Petra Kolip<br />

von der Universität Bielefeld,<br />

sei jedoch auf eine harte medizinische<br />

Indikation gestützt, 90 %<br />

werden durch relative Indikationen<br />

begründet.<br />

Welche Gründe können für<br />

die starke regionale Variation an<br />

Sectio-Raten (in Österreich) angeführt<br />

werden? Dabei werden<br />

einerseits unterschiedliche Einstellungen<br />

der Eltern, der niedergelassenen<br />

Frauenärzte oder auch<br />

der Kontakt zu den Geburtshelferinnen<br />

ins Treffen geführt. Die<br />

Frauen selber sind es nicht, denn<br />

die Rate für einen „Wunschkaiserschnitt“<br />

liegt bei weniger als 1,5 %<br />

der Gebärenden.<br />

Wann ist eine Sectio<br />

caesarea notwendig?<br />

Nach Lehrmeinung sind es die folgenden<br />

Indikationen:


6 GYNÄKOLOGIE<br />

<strong>Medical</strong> <strong>Tribune</strong> | Nr. <strong>10</strong> | 6. März <strong>2019</strong><br />

Im Vergleich zum Kaiserschnitt wird<br />

durch die Spontangeburt die positive<br />

Bindungsentwicklung zwischen<br />

Mutter und Kind eher gefördert.<br />

Fortsetzung von Seite 5<br />

▶ Plazentaprobleme, Placenta<br />

praevia<br />

▶ (mehrfache) frühere Sectiones<br />

bzw. Zustand nach größeren<br />

Operationen an der Gebärmutter<br />

▶ Querlage des Kindes<br />

▶ Schädel-Becken-Missverhältnis<br />

▶ Eklampsie<br />

▶ Drillingsschwangerschaften.<br />

▶ Weitere, auch nicht unmittelbar<br />

mit der Geburt zusammenhängende<br />

medizinische Probleme<br />

der Schwangeren oder des Kindes:<br />

▶ BMI ≥ 36<br />

▶ Präeklampsie<br />

▶ Small for gestational age<br />

▶ Infektionsvorbeugung (HIV<br />

etc.) oder<br />

▶ extreme Frühgeburtlichkeit.<br />

Pro und kontra<br />

Kaiserschnitt<br />

Der Kaiserschnitt ist als Operation<br />

mit unmittelbaren Risiken für die<br />

Mutter verbunden: Nachblutungen,<br />

thromboembolische Komplikationen,<br />

Wundheilungsstörung,<br />

Infektionen oder Verletzungen von<br />

Nachbarorganen sowie postoperative<br />

Schmerzen. Dazu kommen die<br />

Trennung vom Kind, gestörte Laktation<br />

mit Stillproblemen, längerer<br />

Spitalsaufenthalt, ein etwaiges<br />

traumatisches Erleben der operativen<br />

Entbindung mit Verlust des<br />

Geburtserlebnisses.<br />

Negative Auswirkungen können<br />

auch das Neugeborene betreffen<br />

und reichen von Narcotic<br />

Hangover, Respiratory Distress<br />

Syndrome bis hin zu fehlendem<br />

Kontakt mit dem mütterlichen<br />

Mikrobiom. Anpassungsstörungen<br />

und Stillprobleme können folgen.<br />

Univ.-Prof. DDr.<br />

Barbara Maier<br />

Wilhelminenspital,<br />

Wien<br />

Als Risiken der Spontangeburt<br />

fallen eine sekundäre Sectio, vaginal-operative<br />

Geburtsbeendigung<br />

durch Vakuum- oder Zangengeburt<br />

sowie Geburtsverletzungen<br />

ins Gewicht. Risiken für das Kind<br />

bestehen in Asphyxie, Kephalhämatom,<br />

Schulterdystokie.<br />

In der „Grundsatzerklärung“<br />

ist auch festgehalten, dass Spontangeburten<br />

(im Unterschied<br />

zum Kaiserschnitt) keine negativen<br />

Auswirkungen auf Folgeschwangerschaften<br />

haben. Bonding<br />

von Mutter und Kind sei bei<br />

einer Spontangeburt ganz anders<br />

möglich.<br />

Wiener Grundsatzerklärung<br />

zur Spontangeburt<br />

Die Stadt Wien möchte den Trend zum Kaiserschnitt<br />

stoppen und die Kaiserschnittrate bis zum Jahr 2025<br />

auf 25 Prozent senken. Das ist auch Teil des Ziel 1 der<br />

Wiener Gesundheitsziele „Von Anfang an gesundheitliche<br />

Chancengerechtigkeit für Kinder und Jugendliche<br />

erhöhen“. In der Grundsatzerklärung sind<br />

Geburt als natürlicher<br />

Prozess<br />

Ausgehend von den medizinisch-statistischen<br />

Hard Facts<br />

hat die Arbeitsgruppe der „Grundsatzerklärung“<br />

in Anlehnung an<br />

das Canadian Joint Statement der<br />

ACOG (American Congress of Obstetricians<br />

and Gynecologists) formuliert,<br />

dass „die Geburt ein natürlicher<br />

Prozess (ist), der von<br />

GeburtshelferInnen und Hebammen<br />

auch so verstanden und vermittelt<br />

werden sollte“ – dies natürlich<br />

vor dem Hintergrund<br />

medizinischer und/oder sozialer<br />

Risiken sowie kultureller Einstellungen<br />

und individueller Merkmale.<br />

Resümierend stellt Maier fest:<br />

„Die Wiener Grundsatzerklärung<br />

zur Erhöhung der Chance auf<br />

Spontangeburt gibt auch wesentliche<br />

Schritte an, wie die Senkung<br />

von Kaiserschnittraten ohne Inkauf<br />

nahme von zusätzlichen Risiken<br />

erfolgen kann.“ Diese Maßnahmen<br />

beinhalten:<br />

▶ Interventionen nur mit medizinischer<br />

Indikation<br />

▶ 1:1-Hebammenbetreuung<br />

▶ Zentrierung von geburtshilflichen<br />

Expertisen, zum Beispiel<br />

im Management von Steißgeburten,<br />

im Management von<br />

Zwillingsgeburten<br />

▶ Commitment zur physiologischen<br />

Geburt und Empowerment<br />

von Frauen schon in der<br />

Schwangerschaftsbetreuung<br />

durch niedergelassene Ärztinnen<br />

und Ärzte<br />

▶ Konzisere Entscheidungsfindung<br />

für einen Kaiserschnitt<br />

über Hilfsmittel wie Mikro blutanalysen<br />

▶ Befolgung der SOP (VBAC – Vaginal<br />

Birth after Caesarean)<br />

▶ Kommunikation der „Philosophie“<br />

und Kompetenz der geburtshilflichen<br />

Abteilung<br />

▶ Kontinuierliches Qualitätsmanagement<br />

von unmittelbaren<br />

Outcome-Daten, aber auch von<br />

Langzeitfolgen.<br />

■<br />

MedMonday der Gesellschaft der Ärzte:<br />

„Weichen stellen für einen guten Start –<br />

Schwangerschaft und Geburt“;<br />

Wien, Dezember 2018<br />

Wiener GrundsatzerklärunG<br />

zur spontanGeburt<br />

Die Chance auf<br />

Spontangeburt erhöhen<br />

Maßnahmen empfohlen zur Unterstützung und Beratung von schwangeren<br />

Frauen sowie für das Gesundheitspersonal und das Gesundheitssystem im<br />

größeren Rahmen.<br />

Sie können das Dokument als PDF hier herunterladen:<br />

https://gesundheitsziele.wien.gv.at/site/wiener-grundsatzerklaerungzur-spontangeburt/<br />

FOTOS: WILHELMINENSPITAL; RAPIDEYE/GETTYIMAGES


<strong>Medical</strong> <strong>Tribune</strong> | Nr. <strong>10</strong> | 6. März <strong>2019</strong> GYNÄKOLOGIE 7<br />

Späte Mutterschaft ist risikoreich<br />

REPRODUKTIONSMEDIZIN Mit 30, 40 oder fast 50 Jahren – wenn’s ums Kinderkriegen geht, scheint kein Alter „zu alt“.<br />

Das zumindest glauben viele Frauen, denn der wissenschaftliche Fortschritt macht es (theoretisch) möglich.<br />

Wie spät können Frauen eigentlich<br />

noch Kinder gebären? Egbert<br />

te Velde, emeritierter Professor für<br />

Reproduktionsmedizin an der Universität<br />

Utrecht, wollte es ganz genau<br />

wissen und analysierte mit seinem<br />

Team die Registerdaten von<br />

rund 60.000 europäischen Frauen<br />

der letzten 300 Jahre. Lange Zeit<br />

schien mit 40, 41 Jahren Schluss<br />

zu sein, fand er heraus. Nur noch<br />

jede Zehnte bekam mit 45 Jahren<br />

ihr letztes Kind.* Und heute? Dank<br />

In-vitro-Fertilisation und prominenten<br />

Vorbildern wie Cherie<br />

Blair (letztes Kind mit 45) oder der<br />

Schauspielerin Halle Berry (Mutter<br />

mit 46 Jahren) glauben viele<br />

Frauen an die uneingeschränkte<br />

Fruchtbarkeit bis zur Menopause,<br />

schreiben Dr. Rebecca Moffat von<br />

der Frauenklinik des Universitätsspitals<br />

Basel und ihre Kollegen.<br />

FOTO: MONKEYBUSINESSIMAGES/GETTYIMAGES<br />

Die Reproduktionsmedizin<br />

wird überschätzt<br />

Allerdings merkte schon der eingangs<br />

erwähnte Professor an, dass<br />

das ungeachtet aller wissenschaftlicher<br />

Fortschritte wohl eine Illusion<br />

bleibt. Im Alter von 42 Jahren<br />

liegen die Chancen trotz künstlicher<br />

Befruchtung bei gerade einmal<br />

50 Prozent.<br />

Nur ist das kaum bekannt. Über<br />

die Komplikationen einer Schwangerschaft<br />

im hohen Alter wissen<br />

Frauen zwischen 18 und 45 Jahren<br />

wenig. Sie unterschätzen die Risiken<br />

und überschätzen die Erfolge<br />

der modernen Reproduktionstechnik.<br />

„Je später der Kinderwunsch<br />

beginnt, desto eher wird er nicht in<br />

Erfüllung gehen – auch nicht mithilfe<br />

assistierter reproduktionsmedizinischer<br />

Technologien“, schreiben<br />

die Autoren.<br />

Sinkende Fertilität ist<br />

nur eines der Probleme<br />

Dabei ist die sinkende Fertilität<br />

nur eines von mehreren Problemen.<br />

Je älter die Damen werden,<br />

desto häufiger leiden sie unter Komorbiditäten<br />

wie Adipositas, Diabetes<br />

mellitus oder arterieller Hypertonie.<br />

Haben Schwangere etwas mehr<br />

auf den Rippen, schlägt sich das<br />

meist auch im Gewicht des Ungeborenen<br />

wieder – und das wiederum<br />

begünstigt Geburtskomplikationen.<br />

Weil Insulinsensitivität<br />

und Betazellfunktion ebenfalls mit<br />

dem Alter abnehmen, wird ein Gestationsdiabetes<br />

wahrscheinlicher.<br />

Bluthochdruck wiederum steigert<br />

das Risiko für Präeklampsie,<br />

vorzeitige Plazentalösung und eine<br />

intrauterine Wachstumsverzögerung.<br />

Künstliche Befruchtung<br />

braucht Geduld<br />

Auch in Bezug auf die Wahrscheinlichkeit<br />

chromosomaler Anomalien<br />

sieht die Sache düster aus,<br />

schreiben Moffat und Kollegen. In<br />

Anbetracht der Tatsache, dass bereits<br />

bei einer 42-Jährigen 80 Prozent<br />

aller Eizellen aneuploid sind,<br />

mag das kaum verwundern. Als<br />

wichtigste Ursache für altersbedingte<br />

Infertilität und steigende<br />

Abortrate gilt die unbalancierte<br />

Verteilung der Chromosomen.<br />

Wer die Antwort auf diese Probleme<br />

in reproduktionsmedizinischen<br />

Technologien sieht, wird auf<br />

lange Sicht wohl eher enttäuscht,<br />

so die Autoren. Dadurch werde die<br />

fertile Lebensspanne nur um wenige<br />

Jahre verlängert.<br />

Eizellen vor dem 35.<br />

Lebensjahr einfrieren<br />

Sogar unter optimalen Bedingungen<br />

(normaler BMI und Ovarialreserve,<br />

Nichtraucherstatus, kerngesund)<br />

beziffert sich beispielsweise<br />

die Lebendgeburtsrate nach künstlicher<br />

Befruchtung auf gerade einmal<br />

20 bis 25 Prozent. Zu dieser<br />

enttäuschenden Bilanz trägt bei,<br />

dass In-vitro-Fertilisationen häufig<br />

mit Mehrlingsschwangerschaften,<br />

Plazentationsstörungen und<br />

einem veränderten neonatalen Gewicht<br />

einhergehen.<br />

Ein bisschen erfolgsversprechender<br />

scheint das Einfrieren eigener<br />

Eizellen zu sein. Zumindest<br />

lässt sich die Familienplanung laut<br />

den Forschern damit etwas aufschieben.<br />

Die Entnahme von mindestens<br />

acht bis zehn reifen Oozyten sollte<br />

jedoch vor dem 35. Lebensjahr geschehen.<br />

Mit jüngeren Zellen reduziert<br />

sich das Risiko für Aborte<br />

und fetale Aneuploidien.<br />

Mit Sicherheit zunehmen werden<br />

die Möglichkeiten der Präimplantationsdiagnostik,<br />

um<br />

künftig Embryos mit der besten<br />

Überlebens chance zu erkennen.<br />

Noch fehlt es jedoch an randomisierten<br />

Studien zur Wirksamkeit<br />

und den Langzeitfolgen für<br />

die Kinder. Bis es so weit ist, sollten<br />

sich Ärzte engagiert in die<br />

Diskussion um späte Familienplanung<br />

und Ethik der Reproduktionsmedizin<br />

einbringen und<br />

besonders ihre Patientinnen umfassend<br />

aufklären. MIC/MF<br />

* Eijkemans MJ et al., Hum Reprod. 2014;<br />

29(6): 1304–12<br />

Moffat R et al., Swiss Med Forum 2018;<br />

18: 875–80


8 GYNÄKOLOGIE<br />

<strong>Medical</strong> <strong>Tribune</strong> | Nr. <strong>10</strong> | 6. März <strong>2019</strong><br />

■ KURZ & BÜNDIG<br />

Hormone besser<br />

als Pflaster geben<br />

Das Risiko für Thromboembolien<br />

unter Hormonersatztherapie<br />

scheint von der Darreichungsform<br />

der Östrogene und<br />

Gestagene abzuhängen: Während<br />

bei oraler Einnahme das Erkrankungsrisiko<br />

um 58 % steigt,<br />

erleiden Anwenderinnen transdermaler<br />

Präparate nicht häufiger<br />

Thrombosen oder Embolien<br />

als Nichtanwenderinnen.<br />

Zu diesem Schluss kommen die<br />

Forscher nach Auswertung der<br />

Daten von 80.396 peri- und postmenopausalen<br />

Patientinnen, die<br />

während eines Zeitfensters von<br />

20 Jahren erstmals eine Venenthrombose<br />

oder Embolie erlitten<br />

hatten. 7,2 % dieser Frauen<br />

und 5,5 % der insgesamt 391.494<br />

Kontrollen hatten in den 90 Tagen<br />

vor dem Indexdatum Hormonpräparate<br />

angewendet –<br />

in der überwiegenden Zahl der<br />

Fälle in Tablettenform. JL<br />

Vinogradova Y et al., BMJ <strong>2019</strong>; 364:<br />

k48<strong>10</strong><br />

Serumkreatinin<br />

fällt bis SSW 16<br />

Während der Schwangerschaft<br />

lässt die glomuläre Hyperfiltration<br />

die Serumkreatinin-Werte<br />

sinken. Dadurch könnten renale<br />

Funktionseinschränkungen<br />

bei Blutanalysen übersehen<br />

werden. Anhand der Daten von<br />

über 240.000 nierengesunden<br />

Schwangeren definierten Harel<br />

et al. für die einzelnen Schwangerschaftswochen<br />

(SSW) sowie<br />

für die präkonzeptionelle und<br />

postpartale Phase spezifische<br />

Serumkreatinin-Normwerte.<br />

Das Se rumkreatinin fiel von<br />

60 µmol/l auf 47 µmol/l in Woche<br />

16. Ab Woche 32 begann das<br />

Serumkreatinin wieder kontinuierlich<br />

zu steigen. Die Konzentration<br />

erreichte sechs bis<br />

acht Wochen nach der Geburt<br />

den Maximalwert (64 µmol/l)<br />

und pendelte sich bis Woche 18<br />

postpartum wieder ein. JL<br />

Harel Z et al., JAMA <strong>2019</strong>; 321: 205–7<br />

Einfache Ovarialzysten sind harmlos<br />

KREBSRISIKO Obwohl von einfachen Eierstöckzysten in der Regel kein erhöhtes<br />

Risiko ausgeht, werden Patientinnen regelmäßig zur Kontrolle geladen.<br />

Ovarielle Gewebsschwellungen<br />

sind meist „einfache“ flüssigkeitsgefüllte<br />

Zysten, von denen in der<br />

Regel keine Gefahr für eine maligne<br />

Erkrankung ausgeht. Trotzdem<br />

werden den Frauen bisher regelmäßige<br />

Kontrollen empfohlen.<br />

Zu groß erscheint den Experten<br />

das Risiko, die Transformation in<br />

ein Karzinom in einem noch gut<br />

behandelbaren Stadium zu verpassen.<br />

Diese letzte Unsicherheit in den<br />

Risikovorhersagemodellen besteht<br />

vor allem, da Studien mit unselektierten<br />

Populationen bislang fehlten;<br />

bisherige Untersuchungen<br />

zum Ovarialkrebsrisiko fanden<br />

überwiegend mit Teilnehmerinnen<br />

von Ovarialkrebs-Screeningprogrammen<br />

statt.<br />

Diese Lücke füllt nun eine<br />

Fall-Kontroll-Studie. Sie bestätigte<br />

zum einen, dass das Ultraschall-Erscheinungsbild<br />

einer ovariellen<br />

Raumforderung stark mit<br />

dem Risiko für ein Ovarialkarzinom<br />

assoziiert ist. Risikobehaftet<br />

sind demnach die „komplexen“<br />

Zysten mit abgrenzbaren Arealen<br />

von flüssiger und fester Konsistenz<br />

sowie die Zysten mit komplett soliden<br />

Massen.<br />

Zum anderen zeigte sich nun<br />

auch erstmals in einer unselektierten<br />

Kohorte, dass von einfachen<br />

Eierstockzys ten keine Gefahr ausgeht,<br />

weshalb diese Frauen auch<br />

nicht regelmäßig nachbeobachtet<br />

werden müssen.<br />

Komplexe oder solide<br />

Zysten kontrollieren<br />

Einbezogen in die Studie waren<br />

72.093 Frauen einer US-amerikanischen<br />

lokalen Krankenversicherung,<br />

die sich aus den unterschiedlichsten<br />

Gründen einer vaginalen<br />

Erstmal keine Panik bei<br />

Postmenopausenblutung<br />

Ultraschalluntersuchung unterzogen<br />

hatten. Aus dem Abgleich<br />

mit einem populationsbasierten<br />

Krebsregister ergab sich ein vergleichbares<br />

3-Jahres-Risiko für einen<br />

Ovarialkrebs der 23,8 Prozent<br />

prämenopausalen und der 13,4<br />

Prozent postmenopausalen Frauen<br />

mit dem Befund einer einfachen<br />

Zyste im Vergleich zu Frauen ohne<br />

diese Zyste.<br />

Bei komplexen oder soliden<br />

Zysten dagegen war das Karzinomrisiko<br />

deutlich erhöht.<br />

BK<br />

JAMA Intern Med. <strong>2019</strong>; 179 (1): 71–7<br />

doi: <strong>10</strong>.<strong>10</strong>01/jamainternmed.2018.5113<br />

METAANALYSE Postmenopausenblutung gilt als Warnsignal für Endometriumkarzinome.<br />

Nun wurde untersucht, wie hoch ist die Trefferquote dieses Frühsymptoms wirklich ist.<br />

Wird ein Endometriumkarzinom<br />

rechtzeitig diagnostiziert und<br />

behandelt, ist die Prognose gut.<br />

Früh erkennungs- und Präventionsstrategien<br />

sollten daher gezielt<br />

jenen Frauen zukommen, die das<br />

höchste Erkrankungsrisiko aufweisen,<br />

schreiben Dr. Megan A.<br />

Clarke vom National Cancer Institute<br />

in Rockville/Maryland und<br />

ihre Kollegen. Um diesen Personenkreis<br />

genauer einzugrenzen,<br />

werteten die Wissenschaftler 129<br />

Beobachtungsstudien der vergangenen<br />

vier Jahrzehnte aus. Die Daten<br />

von mehr als 40.000 Frauen<br />

gingen in ihre Metaanalyse ein.<br />

Unabhängig vom Tumorstadium<br />

manifestieren sich etwa 90<br />

Prozent der Endometriumkarzinome<br />

in Form einer Postmenopausenblutung.<br />

Der positive Vorhersagewert der<br />

Blutung ist dagegen gering: Nur<br />

neun Prozent der Frauen, die sich<br />

mit einer Postmenopausenblutung<br />

beim Arzt vorstellen, leiden tatsächlich<br />

an einem Tumor.<br />

Weitere Ursachen: Polypen<br />

und hormonelle Störungen<br />

Interessanterweise beobachteten<br />

die US-Wissenschaftler bezüglich<br />

des Karzinomrisikos deutliche<br />

geografische Unterschiede. Während<br />

in Nordamerika bei fünf Prozent<br />

der Frauen mit Postmenopausenblutung<br />

ein Tumor gefunden<br />

wurde, war dies in Westeuropa bei<br />

13 Prozent der Betroffenen der Fall.<br />

Die Sensitivität der Postmenopausenblutung<br />

bezüglich der<br />

Karzinomdetektion ist hoch, ihre<br />

Spezifität dagegen gering, schlussfolgern<br />

die Wissenschaftler. Unter<br />

anderem können auch Polypen<br />

und hormonelle Störungen<br />

zu postmenopausalen Blutungen<br />

führen.<br />

Angesichts dieser Erkenntnisse<br />

fordern die Autoren, bei allen<br />

Frauen mit einer postmenopausalen<br />

Blutung ein Endometriumkarzinom<br />

auszuschließen. JL<br />

Clarke MA et al., JAMA Intern Med. 2018;<br />

178(9): 12<strong>10</strong>–22<br />

doi: <strong>10</strong>.<strong>10</strong>01/jamainternmed.2018.2820<br />

FOTO: MEDICALARTINC/GETTYIMAGES


Eine Dosis.<br />

Eine Sorge weniger.<br />

Weil jeder<br />

Moment zählt.<br />

Nachgewiesene Biosimilarität<br />

mit dem Referenzprodukt 1-3<br />

Unterstützt die Durchführung des geplanten<br />

Chemotherapie-Behandlungsregimes durch<br />

Reduktion der Schwere und Dauer der<br />

Neutropenie 4<br />

Eine Dosis pro Zyklus verbessert die<br />

Therapietreue der Patienten 5,6<br />

Ab<br />

1. März <strong>2019</strong>!<br />

Pegfilgrastim<br />

wirtschaftlich<br />

verordnen<br />

Belegte Biosimilarität zum Referenzprodukt 7,8<br />

Zwei Phase-I-Studien mit insgesamt 404 Probanden zeigten in Bezug auf Sicherheit und<br />

Immunogenität signifikant die Übereinstimmung mit dem Referenzprodukt. 7,8<br />

Gleiches pharmakokinetisches Studienprofil (PK) 7<br />

Gleiches pharmakodynamisches Studienprofil (PD) 7<br />

Serumkonzentration Pegfilgrastim (ng/ml)<br />

400<br />

350<br />

300<br />

250<br />

200<br />

150<br />

<strong>10</strong>0<br />

50<br />

0<br />

Pelgraz® 6 mg<br />

Neulasta® 6 mg<br />

(n=172)<br />

Absolute Neutrophilenzahl (x 1.000/µl)<br />

30<br />

25<br />

20<br />

15<br />

<strong>10</strong><br />

5<br />

0<br />

Pelgraz® 6 mg<br />

Neulasta® 6 mg<br />

(n=172)<br />

0 20 40 60 80 <strong>10</strong>0 120 140 160 180 200 220 240 260 280 300 320 340<br />

Zeit (Stunden)<br />

0 50 <strong>10</strong>0 150 200 250 300 350 400 450 500 550 600 650 700<br />

Zeit (Stunden)<br />

Fachkurzinformationen auf Seite 14<br />

1 Singh I et al. Cancer Chemother Pharmacol 2018; 82(2): 329–337;<br />

2 Desai K et al. Clin Pharmacol Drug Dev 2016; 5(5): 354–63;<br />

3 Desai K et al. Exp Hematol Oncol 2018; 7: 22, https://doi.org/<strong>10</strong>.1186/s40164-018-0114-9 (accessed 11.09.2018);<br />

4 Kourlaba G et al. Supportive Care Cancer 2015; 23(7): 2045–2051;<br />

5 Holmes FA et al. Ann Oncol 2002; 13(6): 903–909;<br />

6 Barni S et al. Med Oncol 2014; 31: 797.<br />

7 Singh I et al. Cancer Chemother Pharmacol 2018; 82(2): 329–337;<br />

8 Desai K et al. Clinical Clin Pharmacol Drug Dev 2016; 5(5): 354–363.<br />

The Pelgraz® trademark is used under licence from Apotex Inc.<br />

www.accord-healthcare.at<br />

Oncology &<br />

Haematology<br />

Adverse events should be reported. Reporting forms and<br />

information can be found at www.mhra.gov.uk/yellowcard<br />

Adverse events should also be reported to<br />

Accord-UK LTD on 01271 385257<br />

AT/PELGRAZ/013/01/19


<strong>10</strong> MEDIZIN<br />

<strong>Medical</strong> <strong>Tribune</strong> | Nr. <strong>10</strong> | 6. März <strong>2019</strong><br />

Mikrobiom und Krebs<br />

SERIE ■ Die Zusammensetzung der Mikrobiota des Darms hat nicht nur Auswirkungen auf das Krebsrisiko, sondern auch<br />

auf den Erfolg von Immuntherapien. Im Fokus der Forschung stehen vor allem bestimmte Bakterien-Cluster und Biofilme.<br />

MIKROBIOM<br />

DR. RÜDIGER HÖFLECHNER<br />

Folge 12<br />

Welche Rolle spielen die Mikroorganismen<br />

des Darms in der Pathogenese<br />

kolorektaler Karzinome<br />

(CRC)? Auf der einen Seite hat das<br />

Mikrobiom eine protektive Funktion<br />

und schützt das Kolon durch<br />

die Produktion von kurzkettigen<br />

Fettsäuren und anderen antiinflammatorischen<br />

Metaboliten, die<br />

Regulation des Zellwachstums in<br />

den Krypten und die Aufrechterhaltung<br />

der Integrität der intestinalen<br />

Barriere. Zum anderen<br />

können Mikrobiota die Krebsentstehung<br />

aber auch fördern. In welcher<br />

Form sie zur Karzinogenese<br />

beitragen, ist allerdings in weiten<br />

Teilen noch ungeklärt.<br />

Drei Erklärungsversuche<br />

Diskutiert werden drei Modelle 1 :<br />

Eine Möglichkeit ist, dass einzelne<br />

genotoxisch wirkende Bakterien<br />

wie E. coli, B. fragilis oder<br />

F. nucleatum zu DNA-Schäden im<br />

Darmepithel führen. Das zweite<br />

Modell geht davon aus, dass das<br />

Mikrobiom in seiner Gesamtheit<br />

die Krebsentstehung fördert oder<br />

bremst. Der dritte hypothetische<br />

Mechanismus ist eine Kombination<br />

der ersten beiden Modelle:<br />

Einzelne selbst nicht toxische Mikroben<br />

verändern durch ihr übermäßiges<br />

Wachstum die Zusammensetzung<br />

des Mikrobioms<br />

und beeinflussen damit auch<br />

das Krebsrisiko. Auf diese Weise<br />

könnte etwa eine durch westliche<br />

Ernährung oder Alkoholismus getriggerte<br />

Dysbiose die Entstehung<br />

von Dickdarmkrebs begünstigen.<br />

In den bisherigen Studien zeigt<br />

sich ein sehr heterogenes Bild: Es<br />

konnte kein einziger Keim identifiziert<br />

werden, der in allen Untersuchungen<br />

bei Krebspatienten<br />

häufiger oder seltener war.<br />

Typische Cluster<br />

Aufschlussreicher sind Untersuchungen<br />

von Bakterien-Clustern:<br />

In einer sehr aufwendigen Studie<br />

führten irische Forscher bei<br />

99 CRC-Patienten, <strong>10</strong>3 gesunden<br />

Kontrollpersonen und 33 Menschen<br />

mit Polypen jeweils fünf<br />

Mukosabiopsien durch und untersuchten<br />

zusätzlich die Mikrobiota<br />

in der Mundhöhle und im<br />

Stuhl. 2 Dabei konnten sechs Cluster<br />

von Mukosa-Mikrobiota identifiziert<br />

werden, die bei CRC-Patienten<br />

und Gesunden unterschiedlich<br />

stark vertreten waren. Interessant<br />

war, dass die Zusammensetzung<br />

des Mikrobioms auch zwischen<br />

rechts- und linksseitigen Kolonkarzinomen<br />

divergierte. Tumorpatienten<br />

hatten in gesunden<br />

Kolonabschnitten dieselben Mikrobiom-Veränderungen<br />

wie im<br />

Tumorareal. Sollte sich bestätigen,<br />

dass bestimmte Mikrobiota tatsächlich<br />

die Karzinomentstehung<br />

fördern, könnte das Mikro biom zu<br />

einem Ziel für die Prävention und<br />

das Management von Kolonkarzinomen<br />

werden.<br />

Biofilme<br />

Dass Bakterien, die sich mit einer<br />

schleimigen Matrix aus Bio-Polymeren<br />

vor dem Immunsystem und<br />

Fazit für die Praxis<br />

▶ Das Mikrobiom von Patienten mit kolorektalen Karzinomen (CRC)<br />

unterscheidet sich signifikant von dem gesunder Kontrollpersonen.<br />

▶ Bei rechtsseitigen CRC findet man in einem hohen Prozentsatz<br />

Biofilme, die im Mausmodell kanzerogen sind.<br />

▶ Variationen des Mikrobioms können Unterschiede im Therapieerfolg<br />

mit Immun-Checkpoint-Inhibitoren erklären.<br />

▶ Die Immuntherapie ist einer der spannendsten neuen Therapieansätze<br />

gegen verschiedene Arten von Tumoren.<br />

▶ In den bisherigen Studien konnte kein einziger Keim identifiziert werden,<br />

der in allen Untersuchungen bei Krebspatienten häufiger oder seltener<br />

war.<br />

vor Antibiotika schützen, ein hohes<br />

pathogenes Potenzial haben,<br />

weiß man unter anderem von dentalen<br />

Plaques, chronischen Wunden,<br />

chronisch-entzündlichen<br />

Darmerkrankungen und der familiären<br />

adenomatösen Polyposis<br />

(FAP).<br />

Im Kolon können Biofilme in<br />

die normalerweise sterile Schleimschicht<br />

eindringen, mit dem Epithel<br />

interagieren und dadurch eine<br />

Reihe von inflammatorischen und<br />

immunologischen Prozessen auslösen.<br />

Während bei Gesunden Biofilme<br />

im Kolon selten und in allen<br />

Abschnitten etwa gleich häufig zu<br />

finden sind (~ 12 %), steigt der Prozentsatz<br />

nachgewiesener Biofilme<br />

bei rechtsseitigen Kolonkarzinomen<br />

auf 89 %. 3 Im Gegensatz dazu<br />

sind CRC im Colon transversum,<br />

descendens und Sigmoid meist<br />

Biofilm-negativ.<br />

Auch die Zusammensetzung<br />

der bakteriellen Gemeinschaft<br />

dürfte von pathogenetischer Bedeutung<br />

sein: Anders als in Biofilmen<br />

von FAP-Patienten, die<br />

meist von Proteobakterien dominiert<br />

werden, geben bei CRC-assoziierten<br />

Biofilmen häufig Fusobakterien<br />

den Ton an. Als Hinweis auf<br />

eine kausale Rolle des Mikroorganismen-haltigen<br />

Schleimfilms bei<br />

der Karzinomentstehung werten<br />

Forscher, dass bei keimfrei und pathogenfrei<br />

aufgewachsenen Mäusen<br />

mit Biofilmen von CRC-Patienten<br />

Kolonkarzinome induziert<br />

werden können.<br />

Immuntherapie<br />

Die Immuntherapie ist einer der<br />

spannendsten neuen Therapieansätze<br />

gegen verschiedene Arten<br />

von Tumoren. Erfolgreich eingesetzt<br />

werden Immun-Checkpoint-Inhibitoren<br />

u.a. bei Melanomen,<br />

nicht-kleinzelligen<br />

Lungenkarzinomen, Nierenzellkarzinomen,<br />

und Plattenepithelkarzinomen.<br />

Allerdings reagieren<br />

nicht alle Patienten gleich gut auf<br />

die Behandlung mit Antikörpern<br />

gegen CTLA-4, PD-1 oder PD-L1.<br />

Bisher war man der Meinung,<br />

dass für das unterschiedliche Therapieansprechen<br />

v.a. genetische<br />

Unterschiede zwischen den Patienten<br />

verantwortlich seien. Neuere<br />

Untersuchungen deuten jedoch<br />

darauf hin, dass auch die<br />

Zusammensetzung der Darmflora<br />

eine entscheidende Rolle spielen<br />

dürfte. 4 Das sei ermutigend, meint<br />

der amerikanische Molekularbiologe<br />

Scott Bultman: „Es ist schließlich<br />

leichter, das Mikrobiom zu verändern<br />

als das Genom.“ 5<br />

Im Herbst 2018 startete die<br />

erste Phase-I-Studie, in der Patienten<br />

mit fortgeschrittenen soliden<br />

Tumoren zusätzlich zu ihrer Immuntherapie<br />

ein lebendes Biotherapeutikum<br />

(MRx0518) verabreicht<br />

wird. 6 Diskutiert wird auch, inwieweit<br />

die Wirksamkeit von Chemotherapien<br />

und das Ausmaß der<br />

Nebenwirkungen von Tumortherapien<br />

ebenfalls durch die Zusammensetzung<br />

des Mikrobioms beeinflusst<br />

werden.<br />

■<br />

1<br />

Sears C et al., Cell Host & Microbe 2014;<br />

15: 3117–328<br />

2<br />

Flemer B et al., Gut 2018; 67: 1454–63<br />

3<br />

Drewes J et al., NPJ Biofilms Microbiomes<br />

2017; 3: 34<br />

4<br />

Pitt J et al., Immunity 2016; 44: 1255–69<br />

5<br />

Leslie M, Science 2015; 350: 614–5<br />

6<br />

ClinicalTrials.gov: NCT03637803<br />

7<br />

Drewes J et al., Br J Cancer 2016;<br />

115: 273–80<br />

FOTO: GECKO753/GETTYIMAGES


<strong>Medical</strong> <strong>Tribune</strong> | Nr. <strong>10</strong> | 6. März <strong>2019</strong> MEDIZIN 11<br />

Die Rolle der Mikrobiota bei der Vorbeugung, Einleitung, Progression und Therapie von CRC<br />

Schutzfunktion des Mikrobioms beim<br />

kolorektalen Karzinom (CRC)<br />

1. Mikrobielle Metaboliten:<br />

SCFA, Taurine usw.<br />

2. Regulation der<br />

Proliferation der<br />

Epithelzellen in<br />

den Krypten:<br />

NLRP6, AIM2<br />

Mikrobielle Auslösung und Progression des CRC<br />

1. Genotoxische<br />

Bakterien:<br />

Ec (pks), ETBF,<br />

E. faecalis<br />

2. Proinflammatorische<br />

Bakterien: Ec (pks),<br />

ETBF, F. nucleatum,<br />

E. faecalis<br />

3. Dysbiose getriggert<br />

durch westliche<br />

Ernährung,<br />

Alkohol, Umwelt<br />

4. Biofilme<br />

Mikrobiom und<br />

Krebstherapie<br />

1. Effektivität der<br />

Chemotherapie<br />

2. Effektivität der<br />

Immuntherapie<br />

3. Barrieren-Integritätserhaltung:<br />

Stimulation von Darmschleim,<br />

AMPs, IGA-Produktion<br />

via PRRs und Inflammasome<br />

Aktion über verschiedene<br />

Signalwege wie<br />

NFκB, IL-6, Wnt, STAT3<br />

Phosphorylierung, Th17,<br />

Polyamine usw.<br />

Bakterien<br />

PRR<br />

Links: Bakterien haben mehrere Schutzfunktionen gegen CRC, einschließlich Produktion von entzündungshemmenden Metaboliten und der Regulierung<br />

der Epithelzellproliferation in den Krypten. Sie spielen eine wichtige Rolle bei der Aufrechterhaltung und Reparatur der Dickdarmepithelbarriere,<br />

indem sie kontrollierte angeborene Immunreaktionen durch sogenannte PRRs auf Wirtszellen auslösen. Eine Unterbrechung der PRR-Signalgebung<br />

führt zu Verletzungen der Epithelbarriere und zu übermäßiger Entzündung, die die Tumorgenese fördern kann.<br />

Mitte: Weitere Wege, auf denen Bakterien die CRC-Tumorgenese initiieren oder fördern können, sind neben direkter Gentoxizität proinflammatorische<br />

Wirkungen, die entweder durch spezifische Mikroben, eine dysbiotische Mikrobiota als Ganzes und/oder Kolonbiofilme ausgelöst werden.<br />

Rechts: Immunreaktionen auf die kommensalen Bakterien sind wahrscheinlich essenziell für die Wirksamkeit von Chemo- und Immuntherapien.<br />

ABBILDUNG MODIFIZIERT NACH: DREWES J ET AL., BR J CANCER 2016;115:273–80 7 ; ALEK KAWKA<br />

Kolon-Epithelzellen sind mit der Schleimschicht (dunkelgelb) zum Darmlumen gerichtet.<br />

SCFA: kurzkettige Fettsäuren,<br />

AMPs: antimikrobielle Peptide (Antibiotika-Wirkung),<br />

PRR (Pattern recognition receptor): Rezeptoren, die mögliche schädigende Agens-Muster erkennen und eine Immunantwort starten.<br />

Musikalische Hilfe für junge Mütter<br />

INITIATIVE<br />

„YoungMum“ hat ein neues Zuhause im St. Josef-Krankenhaus in Wien. Bald wird zur Benefiz-Gala geladen.<br />

Seit 2003 haben schwangere Teenager<br />

in Wien eine Anlaufstelle: Das<br />

„YoungMum“-Team, bestehend<br />

aus Hebammen, Gynäkologen, einer<br />

Psychologin sowie einem Sozial-<br />

und Rechtsberater, hilft unentgeltlich<br />

und unbürokratisch.<br />

Die Jugendlichen werden von der<br />

Schwangerschaft bis zum ersten<br />

Geburtstag des Babys medizinisch<br />

betreut und erhalten soziale und<br />

rechtliche Unterstützung sowie<br />

2.000 Mütter<br />

wurden von<br />

„YoungMum“<br />

bereits betreut.<br />

Eva-Maria Scholz,<br />

hier mit Tochter<br />

Laura, war eine<br />

von ihnen.<br />

praktische Tipps für das Leben<br />

mit Baby. Mit Jahreswechsel ist die<br />

Einrichtung mit der Gynäkologie<br />

vom Göttlicher-Heiland-Krankenhaus<br />

ins St. Josef-Krankenhaus in<br />

Hietzing übersiedelt.<br />

Im April findet im Metropol<br />

die jährliche Benefiz-Gala „Musical<br />

Mamis“ statt: Die Musical-,<br />

Pop- und Comedy-Show macht<br />

gute Laune und kommt der Einrichtung<br />

zugute. „Mamis“ wie Monika<br />

Ballwein, Caroline Vasicek<br />

und Marika Lichter sorgen für<br />

Stimmung, aber auch „Papis“ wie<br />

Die Gebrüder Moped, Gernot und<br />

Reinwald Kranner sowie Alexander<br />

Eder („The Voice of Germany“)<br />

und viele andere Künstler. RED<br />

Musical Mamis <strong>2019</strong><br />

Mittwoch, <strong>10</strong>. April <strong>2019</strong>, 20 Uhr<br />

Wiener Metropol (Hernalser<br />

Hauptstraße 55, 1170 Wien)<br />

Ticket-Hotline: 01/407 77 407<br />

Eintritt: 30 Euro<br />

Spendenkonto<br />

St. Josef Krankenhaus GmbH/<br />

YoungMum, Raiffeisenlandesbank<br />

Oberösterreich, BIC: RZOOAT2L,<br />

IBAN: AT75 3400 0002 0262 9590


12 MEDIZIN<br />

<strong>Medical</strong> <strong>Tribune</strong> | Nr. <strong>10</strong> | 6. März <strong>2019</strong><br />

Schlaganfallrisiko trifft Frauen härter<br />

GENDERMEDIZIN Trotz moderner Medizin erleiden sie häufiger einen Schlaganfall als Männer. Doch woher kommt<br />

dieser Unterschied, wo doch für 90 Prozent des Schlaganfallrisikos modifizierbare Faktoren verantwortlich wären?<br />

DR. DOROTHEA RANFT<br />

Auf den ersten Blick scheinen die<br />

Schlaganfall-Risikofaktoren bei<br />

Männern und Frauen vergleichbar<br />

zu sein. Eine große Fallkontrollstudie<br />

identifizierte als weltweit wichtigste<br />

Auslöser bei Frauen Hypertonie,<br />

abdominelle Adipositas und<br />

Hyperlipidämie. Nikotin abusus<br />

und kardiale Erkrankungen spielen<br />

ebenfalls eine wichtige Rolle,<br />

berichten Dr. Eric Kaplo vitch vom<br />

Department of Medicine der Universität<br />

Toronto und Prof. Dr. Sonia<br />

S. Anand. 1<br />

Erste Klippe ist die<br />

Schwangerschaft<br />

Darüber hinaus gibt es speziell<br />

weibliche Gefahrenquellen. Den<br />

ers ten bedeutsamen Risikofaktor<br />

stellt für junge Frauen meist<br />

die Schwangerschaft dar: Etwa 30<br />

von <strong>10</strong>0.000 Graviden erleiden einen<br />

Hirninsult. Die Mehrzahl wird<br />

durch hypertensive Erkrankungen<br />

wie Präeklampsie und Eklampsie<br />

ausgelöst, schreibt das Team um<br />

Dr. Mollie McDermott von der<br />

Neurologie der Universität von Michigan<br />

in Ann Arbor. 2<br />

80 % höheres Langzeitrisiko<br />

nach (Prä-)Eklampsie<br />

Die Präeklampsie ist weitaus<br />

gefährlicher als ein einfacher<br />

Schwangerschaftshochdruck. Als<br />

sys temische Endotheliopathie befällt<br />

sie multiple Organsysteme,<br />

darunter Niere, Leber, Herz und<br />

Gehirn. So sorgt sie für einen<br />

40-fachen Anstieg des Risikos für<br />

einen ischämischen Schlaganfall.<br />

Wichtigste Maßnahme zur Prävention:<br />

die frühzeitige Diagnose.<br />

Dazu gehören engmaschige Blutdruckkontrollen,<br />

ergänzt durch gezielte<br />

Fragen nach Symptomen einer<br />

Präeklampsie bzw. Eklampsie<br />

– vor allem in der zweiten Hälfte<br />

der Schwangerschaft.<br />

Unterschätzt werden oft die<br />

Langzeitfolgen hypertensiver<br />

Schwangerschaftserkrankungen:<br />

Zwar normalisiert sich der Blutdruck<br />

nach der Entbindung häufig,<br />

doch betroffene Frauen tragen<br />

in ihrem späteren Leben ein um 80<br />

Prozent erhöhtes Apoplexrisiko.<br />

Da bis zum nächsten Gefäß-<br />

Screening Jahrzehnte vergehen<br />

können, raten US-Kardiologen,<br />

Frauen sechs bis zwölf Monate<br />

nach Geburt ihres Kindes nach<br />

dem Risikofaktor (Prä-)Eklampsie<br />

zu fragen und die Antwort zu<br />

notieren.<br />

Gefahr für oral verhütende<br />

Raucherinnen<br />

Außerhalb der Schwangerschaft<br />

wirken sich Hormone bei jungen<br />

Frauen auf die Hirndurchblutung<br />

aus – allerdings sehr unterschiedlich.<br />

Endogene Östrogen- und Testosteronspiegel<br />

beeinflussen die<br />

Insultgefahr offenbar nicht, so<br />

die Forschergruppe um Dr. Stacie<br />

L. Demel von der Neurologie<br />

und Ophthalmologie der Michigan<br />

State University in East Lansing. 3<br />

Hypertonie, abdominelle<br />

Adipositas,<br />

Hyperlipidämie,<br />

Nikotin abusus und<br />

Herzkrankheiten<br />

werden Frauen<br />

zum Verhängnis.<br />

Bei dem überwiegend in den<br />

Nebennieren gebildeten Hormon<br />

DHEAS (Dehydroepiandrosteronsulfat)<br />

dagegen korrelieren<br />

niedrige Spiegel sowohl mit dem<br />

Auftreten von Schlaganfällen als<br />

auch mit dem Schweregrad.<br />

Die exogene Zufuhr von Östrogenen<br />

durch orale Kontrazeptiva<br />

zeigte eine dosisabhängige Beziehung<br />

zu Hirninfarkten und kardiovaskulären<br />

Ereignissen. Allerdings<br />

ist das absolute Insultrisiko gering<br />

(niedriger als in der Schwangerschaft).<br />

Nicht unterschätzen darf man<br />

andere Gefahrenquellen: So haben<br />

oral verhütende Raucherinnen ein<br />

vierfach höheres Schlaganfallrisiko<br />

als Frauen, die nur die Pille einnehmen.<br />

Reine Gestagenkon trazeptiva<br />

dagegen gehen nicht mit einer höheren<br />

Insultgefahr einher.<br />

Wichtige Auswirkungen zeigt<br />

zudem die postmenopausale Hormonersatztherapie:<br />

Die Women’s<br />

Health Initiative kommt zu dem<br />

Schluss, dass eine Kombinationstherapie<br />

mit Östrogen und Progesteron<br />

das Schlaganfallrisiko<br />

um 31 % steigert. Mit Östrogen allein<br />

wurde ein Anstieg um 37 %<br />

errechnet.<br />

Unterdiagnostiziert und<br />

untertherapiert<br />

Klassische Faktoren wie Diabetes,<br />

Migräne und metabolisches Syndrom<br />

scheinen beim weiblichen<br />

Geschlecht stärker zu wirken. Für<br />

besonders bedeutsam halten Dr.<br />

Tracey E. Madsen von der Alpert<br />

<strong>Medical</strong> School der Brown University<br />

in Providence und Kollegen<br />

die anhaltende Unterdiagnostik<br />

und -therapie. 4<br />

So erhalten Patientinnen mit<br />

Vorhofflimmern seltener ein orales<br />

Antikoagulans, auch Statine werden<br />

Frauen oft vorenthalten. Dabei<br />

scheint der Erfolg nur eine Frage<br />

der Therapie, denn für 90 Prozent<br />

des Schlaganfallrisikos zeichnen<br />

modifizierbare Faktoren verantwortlich.<br />

Schlechtere Funktion und<br />

Langzeitprognose<br />

In der Therapie des zerebralen Insults<br />

hat die Damenwelt ebenso<br />

schlechtere Karten: Vom funktionellen<br />

Ergebnis bis zur Langzeitprognose<br />

– alles fällt ungünstiger<br />

aus, schreiben Seana Gall von<br />

der University of Tasmania in Hobart<br />

und ihre Kollegen. 5 Allerdings<br />

liegen diese Differenzen nicht nur<br />

am Geschlecht.<br />

Die Patientinnen sind oft älter,<br />

haben eine stärker eingeschränkte<br />

Gesundheit und leben mindestens<br />

doppelt so häufig wie Männer allein<br />

– Risikofaktoren, die sich<br />

kaum beeinflussen lassen, aber<br />

die therapeutischen Möglichkeiten<br />

einschränken.<br />

■<br />

1<br />

Kaplovitch E, Anand SS, Stroke 2018;<br />

doi: <strong>10</strong>.1161/STROKEAHA.117.020354<br />

2<br />

McDermott M et al., a.a.O.;<br />

doi: <strong>10</strong>.1161/STROKEAHA.117.018416<br />

3<br />

Demel SL et al., a.a.O.;<br />

doi: <strong>10</strong>.1161/STROKEAHA.117.018415<br />

4<br />

Madsen TE et al., a.a.O.;<br />

doi: <strong>10</strong>.1161/STROKEAHA.117.018418<br />

5<br />

Gall S et al., a.a.O.;<br />

doi: 0.1161/STROKEAHA.117.018417


<strong>Medical</strong> <strong>Tribune</strong> | Nr. <strong>10</strong> | 6. März <strong>2019</strong> MEDIZIN 13<br />

Ein Rückblick auf Frauenpower 2018<br />

PERSONALIA Es ist in der <strong>Medical</strong> <strong>Tribune</strong> ja schon Tradition: Zum Internationalen Frauentag holen wir besondere<br />

Kolleginnen vor den Vorhang, die im Vorjahr an den Medizinischen Universitäten von sich reden machten.<br />

FOTOS: MEDUNI WIEN/F. MATERN (5); MED UNI GRAZ (3); LACKNER; H. SCHLOSSER; MUI; UNI INNSBRUCK; PRIVAT; AK WIEN/CH. FISCHER; KERSTIN MOSNY; MUI/D. BULLOCK<br />

1 2 3 4 5 6<br />

7<br />

8<br />

9 <strong>10</strong> 11 12 13<br />

14 15 16<br />

Ao. Univ.-Prof. Dr. Anahit<br />

Anvari-Pirsch (1), Wiener Universitätsklinik<br />

für Innere Medizin<br />

II, erhielt mit ihrem Team den<br />

Ars-Docendi-Staatspreis für exzellente<br />

Lehre für das Projekt „Echokardiographie/Anatomie<br />

– Blended<br />

Learning“.<br />

DI Dr. Michaela Fritz (2), Vizerektorin<br />

für Forschung und Innovation<br />

der MedUni Wien, wurde im<br />

Mai bei der Generalversammlung<br />

des Europäischen Forums Alpbach<br />

in dessen Vorstand gewählt.<br />

Nicole Heinzl (3), Wiener Universitätsklinik<br />

für Frauenheilkunde, gewann<br />

beim „Falling Walls Lab“ bei<br />

der Langen Nacht der Forschung<br />

mit „Breaking the Wall of Therapy<br />

Resistance in Cancer“.<br />

Assoz. Prof. Mag. Dr. Ellen Heitzer<br />

(4) vom Diagnostik- und Forschungsinstitut<br />

für Humangenetik<br />

der Med Uni Graz leitet das<br />

neue „Christian-Doppler-Labor Liquid<br />

Biopsies“. Liquid Biopsy wird<br />

in der Onkologie zur Verlaufskontrolle<br />

angewandt. Zudem wird sie<br />

als Ansatz für die Krebsfrüherkennung<br />

gehandelt.<br />

Univ.-Prof. Dr. Margarethe Hochleitner<br />

(5) wurde mit Oktober als<br />

Professorin für Medizin und Diversität<br />

der Med-Uni Innsbruck berufen.<br />

Sie wurde 2014 bereits die<br />

erste Professorin für Gendermedizin<br />

in Innsbruck.<br />

Ao. Univ.-Prof. Dr. Daniela Karall<br />

(6), stellvertretende Direktorin der<br />

Innsbrucker Universitätsklinik für<br />

Pädiatrie I, ist seit dem Vorjahr Präsidentin<br />

der Österreichischen Gesellschaft<br />

für Kinder- und Jugendheilkunde.<br />

Univ.-Prof. Mag. Dr. Dagmar<br />

Kratky (7), Mikrobiologin am<br />

Gottfried-Schatz-Forschungszentrum<br />

der Med Uni Graz, leitet den<br />

neuen Spezialforschungsbereich<br />

(SFB) „Lipidhydrolyse“, der vom<br />

Wissenschaftsfonds (FWF) gefördert<br />

wird.<br />

Ao. Univ.-Prof. Mag. Dr. Judith<br />

Lechner (8) von der Med-Uni<br />

Innsbruck wurde im Oktober der<br />

Lore- Antoine-Preis in der Kategorie<br />

„Wissenschaftliche Top-<br />

Publikation“ verliehen. Ihr Paper<br />

behandelt die Ursachen für geschlechtsspezifische<br />

Unterschiede<br />

bei Nierenerkrankungen. Mit dem<br />

Preis werden Frauen in der Medizin<br />

mit hohem Engagement für die<br />

Gendermedizin ausgezeichnet.<br />

doi: <strong>10</strong>.1681/ASN.2015080886<br />

Dr. Katarzyna Niespodziana (9)<br />

vom Institut für Pathophysiologie<br />

und Allergieforschung der Med-<br />

Uni Wien wurde von der Österreichischen<br />

Gesellschaft für Allergologie<br />

und Immunologie (ÖGAI) für<br />

eine Studie zur Identifizierung von<br />

Rhinoviren als Auslöser von Asthma<br />

mit dem Clemens-von-Pirquet-<br />

Preis ausgezeichnet.<br />

doi: <strong>10</strong>.<strong>10</strong>38/s41467-018-04591-0<br />

Dr. Anna Posod (<strong>10</strong>), Neonatologisches<br />

Labor der Innsbrucker<br />

Universitätsklinik für Pädiatrie II,<br />

promovierte in Innsbruck „sub auspiciis“.<br />

Sie erforscht Hirnschädigungen<br />

bei Früh- und Termingeborenen<br />

sowie kardiovaskuläres<br />

Outcome und kardiovaskuläre Risikofaktoren<br />

bei ehemaligen Frühgeborenen.<br />

Cosima Prahm (11), Christian-<br />

Doppler-Labor für Wiederherstellung<br />

von Extremitätenfunktionen,<br />

Wiener Universitätsklinik für Chirurgie,<br />

wurde mit dem „Wissenschaftspreis<br />

Inklusion durch Naturwissenschaften<br />

und Technik“<br />

(WINTEC) ausgezeichnet. Weiters<br />

war sie mit „Breaking the Wall of<br />

Frustrating Prosthesis Control“<br />

bei der „Falling Walls Lab Austria<br />

Plenary Session“ bei den Alpbacher<br />

Technologiegesprächen erfolgreich.<br />

PD DDr. Susanne Scheipl (12)<br />

promovierte unter den Auspizien<br />

des Bundespräsidenten Van der<br />

Bellen im Fach „Medizinische Wissenschaft“<br />

an der Med Uni Graz.<br />

Im Jahr 2006 hatte sie das Studium<br />

der Humanmedizin ebenfalls mit<br />

Auszeichnung abgeschlossen – damals<br />

sub auspiciis von Dr. Heinz<br />

Fischer.<br />

Univ.-Prof. Dr. Ursula Schmidt-<br />

Erfurth (13), Leiterin der Universitätsklinik<br />

für Augenheilkunde<br />

und Optometrie der MedUni<br />

Wien, wurde von der internationalen<br />

Macula Society in Los Angeles<br />

mit der „J. Donald M. Gass<br />

Medal“ für außerordentliche Leistungen<br />

auf dem Gebiet der Ophthalmologie<br />

ausgezeichnet.<br />

Dr. Ana Weidenauer (14) von der<br />

Universitätsklinik für Psychiatrie<br />

und Psychotherapie der MedUni<br />

Wien wurde mit dem Theodor-Körner-Förderpreis<br />

in der Kategorie<br />

„Medizin, Naturwissenschaften<br />

und Technik“ ausgezeichnet.<br />

Assoz. Prof. PD Mag. Dr. Doris<br />

Wilflingseder (15) initiierte in<br />

Innsbruck das „MUI AnimalFree<br />

Research Cluster“, das sie nun auch<br />

leitet. Ziel des Clusters ist es, tierversuchsfreie<br />

Modelle (Organoide,<br />

Stammzellen, 3D-Kulturen) und Ersatzreagenzien<br />

weiterzuentwickeln<br />

und somit einer tierversuchsfreien<br />

Forschung den Weg zu ebnen.<br />

Dr. Elisabeth Zanon (16) wurde<br />

für die Funktionspersiode 2018–<br />

2023 zur Vorsitzenden des Universitätsrats<br />

der Medizinischen Universität<br />

Innsbruck gewählt. RED


14 MEDIZIN<br />

<strong>Medical</strong> <strong>Tribune</strong> | Nr. <strong>10</strong> | 6. März <strong>2019</strong><br />

Brennende Parästhesien im Fuß<br />

ORTHOPÄDIE ■ Schmerzen und Hypästhesien im Fuß können auf ein Tarsaltunnelsyndrom deuten. Beschwerden beim<br />

Drücken oder Klopfen auf den N. tibialis erhärten den Verdacht. Therapeutisch hilft es oft schon, den Tunnel zu „fluten“.<br />

Das Tarsaltunnelsyndrom entsteht<br />

durch eine Kompression des<br />

N. tibialis bzw. seiner Endäste.<br />

Zu den Ursachen zählen Verletzungen<br />

wie Sprunggelenksdistorsionen<br />

und Kalkaneus- oder<br />

Innenknöchelfrakturen. Auch venöse<br />

Probleme und Tendovaginitiden<br />

können für einen Engpass<br />

im Tarsaltunnel sorgen, ebenso<br />

eine Hypertrophie des M. abductor<br />

hallucis longus. Als weitere Auslöser<br />

kommen u.a. Ganglien und<br />

Tumoren, Diabetes und Gicht infrage.<br />

Die idio pathische Form ist<br />

eher selten, so Prof. Dr. Alexander<br />

Schuh vom Muskuloskelettalen<br />

Zentrum des Klinikums Neumarkt<br />

und seine Kollegen.<br />

Das klinische Bild des Tarsaltunnelsyndroms<br />

ist vielfältig. Im<br />

Vordergrund stehen die Schmerzen.<br />

Betroffene klagen über teils<br />

Tarsale Anatomie<br />

Der N. tibialis tritt in Höhe des Innenknöchels an die Oberfläche und erreicht<br />

mit A. und V. tibialis den Tarsaltunnel. Dieser verläuft hinter dem Malleolus<br />

medialis und ist ventral durch den Innenknöchel, dorsal durch das<br />

Retinaculum flexorum und lateral durch den Processus posterior tali und<br />

den Processus posterior calcanei begrenzt. Der N. tibialis tritt von proximal<br />

in den Kanal ein und teilt sich in die Äste des N. plantaris medialis, des<br />

N. plantaris lateralis sowie in den Ramus calcanearis medialis auf. Die Nn.<br />

plantares media lis und lateralis versorgen sensibel den plantaren Vorderfuß<br />

bis zu den Zehen und motorisch die Fußsohle sowie die Zehenbeuger.<br />

brennende Parästhesien im Bereich<br />

des Vorfußes, die in die mediale<br />

Ferse ausstrahlen können. Außerdem<br />

kann es im Versorgungsgebiet<br />

des N. tibialis zu einer Hypästhesie<br />

kommen, auch isolierte Hypästhesien<br />

im Innervationsareal der<br />

Nn. plantares medialis bzw. lateralis<br />

sind möglich. Bei der klinischen<br />

Untersuchung lässt sich oft ein lokaler<br />

Druckschmerz über dem N.<br />

tibialis neben dem Innenknöchel<br />

auslösen. Auch ein positives Hoffmann-Tinel-Zeichen<br />

weist auf das<br />

Kompressionssyndrom hin: Beim<br />

Beklopfen des Nervs kommt es zu<br />

einem elektrisierenden Gefühl als<br />

Zeichen der Druckschädigung.<br />

Die Beschwerden verstärken<br />

sich bei forcierter Eversion oder<br />

Dorsalflexion des Fußes. Seltener<br />

finden sich Atrophien bzw. Paresen<br />

der Zehenspreizer und der kurzen<br />

Zehenbeuger. Längeres Gehen<br />

oder Stehen kann die Beschwerden<br />

verstärken. Im fortgeschrittenen<br />

Stadium muss man auch mit trophischen<br />

Störungen, etwa verminderter<br />

Schweißsekretion, rechnen.<br />

Differenzialdiagnostisch gilt<br />

es, ein Kompartmentsyndrom der<br />

tiefen Beugerloge sowie eine Polyneuropathie<br />

auszuschließen. Auch<br />

Arthrose und Fersensporn können<br />

einen Engpass im Tarsaltunnel<br />

imitieren, ebenso Entzündungen<br />

der Faszien und Bänder sowie<br />

Durchblutungsstörungen.<br />

Zur Bildgebung werden Sonographie<br />

und MRT eingesetzt. Mit<br />

beiden Verfahren lassen sich morphologische<br />

Veränderungen des<br />

Nervs und der umgebenden Gewebe<br />

detektieren. Eine isolierte<br />

Läsion des N. tibialis im Tarsaltunnel<br />

ist anhand der Nervenleitgeschwindigkeit<br />

nachzuweisen.<br />

Am empfindlichsten, aber technisch<br />

aufwendig, ist die Messung<br />

der sensiblen Leitgeschwindigkeit<br />

der Nn. plantares medialis und lateralis.<br />

Allerdings führt auch dieses<br />

Verfahren nicht immer zur richtigen<br />

Diagnose, betont Schuh. Deshalb<br />

kann in unklaren Situationen<br />

bei ausgeprägtem Verdacht und hohem<br />

Leidensdruck eine operative<br />

Exploration sinnvoll sein.<br />

Eine Innenknöchelfraktur<br />

kann den N. tibialis beengen.<br />

Die Therapie erfolgt primär<br />

konservativ: Gut geeignet ist die<br />

Infiltrationsbehandlung mit einem<br />

Glukokortikoid. Eine Ruhigstellung<br />

der distalen unteren Extremität<br />

führt dagegen nur selten<br />

zum Erfolg. Versagt die konservative<br />

Therapie, kann eine OP hilfreich<br />

sein. Dies gilt v.a., wenn die<br />

Indikation gesichert ist und der<br />

Patient starke Schmerzen hat. Bei<br />

mäßigen Beschwerden verdient<br />

die konservative Therapie eine<br />

zweite Chance.<br />

RFT<br />

Schuh A et al., DNP 2018; 19: 30–31<br />

Pelgraz▼ 6 mg Injektionslösung in einer Fertigspritze. Dieses Arzneimittel unterliegt einer zusätzlichen Überwachung. Dies ermöglicht eine schnelle Identifizierung neuer Erkenntnisse über dessen Sicherheit. Angehörige von Gesundheitsberufen sind aufgefordert, jeden Verdachtsfall<br />

einer Nebenwirkung zu melden. Meldung des Verdachts auf Nebenwirkungen: Die Meldung des Verdachts auf Nebenwirkungen nach der Zulassung ist von großer Wichtigkeit. Sie ermöglicht eine kontinuierliche Überwachung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses des Arzneimittels.<br />

Angehörige von Gesundheitsberufen sind aufgefordert, jeden Verdachtsfall einer Nebenwirkung über das nationale Meldesystem anzuzeigen: Österreich: Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen, Traisengasse 5, 1200 Wien, Österreich. Fax: + 43 (0) 50 555 36207. Website:<br />

http://www.basg.gv.at/. Bezeichnung des Arzneimittels: Pelgraz 6 mg Injektionslösung in einer Fertigspritze. Qualitative und quantitative Zusammensetzung: Jede Fertigspritze enthält 6 mg Pegfilgrastim* in 0,6 ml Injektionslösung. Basierend auf dem Proteinanteil, beträgt<br />

die Konzentration <strong>10</strong> mg/ml**. *Pegfilgrastim wird mittels rekombinanter DNA-Technologie aus Escherichia coli und nachfolgender Konjugation mit Polyethylenglykol (PEG) hergestellt. ** Die Konzentration beträgt 20 mg/ml, wenn der PEG-Anteil eingerechnet wird. Die Stärke dieses<br />

Arzneimittels sollte nicht mit der Stärke anderer pegylierter oder nicht-pegylierter Proteine der gleichen therapeutischen Klasse verglichen werden. Sonstige(r) Bestandteil(e) mit bekannter Wirkung: Jede Fertigspritze enthält 30 mg Sorbitol (E 420). Anwendungsgebiete: Zur<br />

Verkürzung der Dauer von Neutropenien sowie zur Verminderung der Häufigkeit neutropenischen Fiebers bei er wachsenen Patienten, die wegen einer malignen Erkrankung mit zy totoxischer Chemotherapie behandelt werden (mit Ausnahme von chronisch-myeloischer Leukämie und<br />

Myelodysplastischem Syndrom). Gegenanzeigen: Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der sonstigen Bestandteile. Liste der sonstigen Bestandteile: Natriumacetat*; Sorbitol (E 420); Polysorbat 20; Wasser für Injektionszwecke. *Natriumacetat wird durch Titration<br />

von Essigsäure 99 % mit Natriumhydroxid gebildet. Inhaber der Zulassung: Accord Healthcare Limited, Sage House, 319 Pinner Road, North Harrow, Middlesex, HA1 4HF, Vereinigtes Königreich. Rezeptpflicht/Apothekenpflicht: rezept- und apothekenpflichtig, wiederholte Abgabe<br />

verboten. Pharmakotherapeutische Gruppe: Immunstimulanzien, koloniestimulierende Faktoren; ATC-Code: L03AA13. Pelgraz ist ein biologisch/biotechnologisch hergestelltes Arzneimittel, das im Wesentlichen einem bereits zugelassenen Arzneimittel gleicht. Kontakt in Österreich:<br />

Accord Healthcare GmbH, General-Arnold-Str. 6, 5020 Salzburg, Österreich. Datum der Erteilung der Zulassung: 21. September 2018. Stand der Information: Ausführliche Informationen zu diesem Arzneimittel sind auf den Internetseiten der Europäischen Arzneimittelagentur http://<br />

www.ema.europa.eu verfügbar. Weitere Angaben zu Darreichungsform, Dosierung und Art der Anwendung, besonderen Warnhinweisen und Vorsichtsmaßnahmen für die Anwendung, Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln und sonstigen Wechselwirkungen,<br />

Fertilität, Schwangerschaft und Stillzeit, Auswirkungen auf die Verkehrstüchtigkeit und zur Fähigkeit zum Bedienen von Maschinen, Nebenwirkungen, Überdosierung, pharmakologische Eigenschaften, pharmazeutische Angaben, Inkompatibilitäten, Dauer der<br />

Haltbarkeit, besonderen Vorsichtsmaßnahmen für die Aufbewahrung, Art und Inhalt des Behältnisses, Besonderen Vorsichtsmaßnahmen für die Aufbewahrung und besonderen Vorsichtsmaßnahmen für die Beseitigung und sonstigen Hinweisen zur Handhabung<br />

sind der veröffentlichten Fachinformation zu entnehmen.<br />

Rivastigmin ratiopharm 4,6 mg/24 Stunden transdermales Pflaster, Rivastigmin ratiopharm 9,5 mg/24 Stunden transdermales Pflaster. Qualitative und Quantitative Zusammensetzung: Rivastigmin ratiopharm 4,6 mg/24 Stunden transdermales Pflaster: Jedes transdermale<br />

Pflaster setzt 4,6 mg Rivastigmin pro 24 Stunden frei. Jedes transdermale Pflaster mit 5 cm 2 Größe enthält 9 mg Rivastigmin. Rivastigmin ratiopharm 9,5 mg/24 Stunden transdermales Pflaster: Jedes transdermale Pflaster setzt 9,5 mg Rivastigmin pro 24 Stunden frei.<br />

Jedes transdermale Pflaster mit <strong>10</strong> cm 2 Größe enthält 18 mg Rivastigmin. Anwendungsgebiete: Zur symptomatischen Behandlung der leichten bis mittelschweren Alzheimer-Demenz. Gegenanzeigen: Dieses Arzneimittel darf nicht angewendet werden bei Patienten mit bekannter<br />

Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff, andere Carbamat-Derivate oder einen der genannten sonstigen Bestandteile. Vorgeschichte mit Reaktionen an der Anwendungsstelle als Hinweis auf eine allergische Kontaktdermatitis mit Rivastigmin-Pflastern (siehe Abschnitt 4.4 der<br />

Fachinformation). Pharmakotherapeutische Gruppe: Psychoanaleptika, Antidementiva, Cholinesterasehemmer, ATC-Code: N06DA03. Liste der sonstigen Bestandteile: Film: Polyesterfilm, Fluoropolymer-beschichteter Polyesterfilm. Wirkstoffmatrix: Acrylklebstoff, Acrylatcopolymer<br />

Poly(butylmethacrylat-co-methylmethacrylat). Klebematrix: Silikonklebstoff. Drucktinte: schwarze Drucktinte. Art und Inhalt des Behältnisses: Material der Primärpackmittel: Die Rivastigmin ratiopharm transdermalen Pflaster sind einzeln in kindergesicherten, hitzeversiegelten Beuteln<br />

verpackt. Die Beutel bestehen aus einem mehrfach laminierten Verbundwerkstoff aus Papier/Polyethylenterephthalat (PET)/Aluminium/Polyacrylnitril (PAN). Ein Beutel enthält ein transdermales Pflaster. Material der Sekundärpackmittel: Die Beutel sind in einem Karton verpackt. Erhältlich<br />

in Packungen mit 7, <strong>10</strong>, 30, 60 und 90 Beuteln und in Bündelpackungen mit 60 (2 × 30) und 90 (3 × 30) Beuteln. Es werden möglicherweise nicht alle Packungsgrößen in den Verkehr gebracht. Inhaber der Zulassung: TEVA B.V., Swensweg 5, 2031 GA Haarlem, Niederlande, Tel.Nr.:<br />

+43/1/97007-0, Fax-Nr.: +43/1/97007-66, e-mail: info@ratiopharm.at. Verschreibungspflicht/Apothekenpflicht: Rezept- und apothekenpflichtig. Stand der Information: 03.2018.<br />

Rivastigmin ratiopharm 13,3 mg/24 Stunden transdermales Pflaster. Qualitative und Quantitative Zusammensetzung:Jedes transdermale Pflaster setzt 13,3 mg Rivastigmin pro 24 Stunden frei. Jedes transdermale Pflaster mit 15 cm 2 Größe enthält 27 mg Rivastigmin. Anwendungsgebiete:<br />

Zur symptomatischen Behandlung der leichten bis mittelschweren Alzheimer-Demenz. Gegenanzeigen: Dieses Arzneimittel darf nicht angewendet werden bei Patienten mit bekannter Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff, andere Carbamat-Derivate oder einen der<br />

genannten sonstigen Bestandteile. Vorgeschichte mit Reaktionen an der Anwendungsstelle als Hinweis auf eine allergische Kontaktdermatitis mit Rivastigmin-Pflastern (siehe Abschnitt 4.4 der Fachinformation). Pharmakotherapeutische Gruppe: Psychoanaleptika, Antidementiva,<br />

Cholinesterasehemmer, ATC-Code: N06DA03. Liste der sonstigen Bestandteile: Film: Polyesterfilm, Fluoropolymer-beschichteter Polyesterfilm. Wirkstoffmatrix: Acrylklebstoff, Acrylatcopolymer Poly(butylmethacrylat-co-methylmethacrylat). Klebematrix: Silikonklebstoff. Drucktinte:<br />

schwarze Drucktinte. Art und Inhalt des Behältnisses: Die Rivastigmin ratiopharm transdermalen Pflaster sind einzeln in kindergesicherten, hitzeversiegelten Beuteln verpackt. Die Beutel bestehen aus einem mehrfach laminierten Verbundwerkstoff aus Papier/Polyethylenterephthalat<br />

(PET)/Aluminium/Polyacrylnitril (PAN). Ein Beutel enthält ein transdermales Pflaster. Die Beutel sind in einem Karton verpackt. Erhältlich in Packungen mit 7, 30, 60 und 90 Beuteln und in Bündelpackungen mit 60 (2 × 30) und 90 (3 × 30) Beuteln. Es werden möglicherweise nicht alle<br />

Packungsgrößen in den Verkehr gebracht. Inhaber der Zulassung: TEVA B.V., Swensweg 5, 2031 GA Haarlem, Niederlande, Tel.Nr.: +43/1/97007-0, Fax-Nr.: +43/1/97007-66, e-mail: info@ratiopharm.at. Verschreibungspflicht/Apothekenpflicht: Rezept- und apothekenpflichtig.<br />

Stand der Information: 03.2018.<br />

Weitere Hinweise zu Warnhinweisen und Vorsichtsmaßnahmen für die Anwendung, Wechselwirkungen mit anderen Mitteln, Nebenwirkungen und zutreffendenfalls Angaben über die Gewöhnungseffekte sind der veröffentlichten Fachinformation zu entnehmen.<br />

FOTO: WIKIMEDIA/JAMES HEILMAN, MD


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16 MEDIZIN<br />

■ TERMINE<br />

11.–14.3.<strong>2019</strong><br />

65. Fortbildungstagung<br />

im Rahmen d. Jahrestagung<br />

d. Österr. wissenschaftl.<br />

Gesellschaft für<br />

prophylaktische Medizin<br />

und Sozialhygiene<br />

Leitung: W. Eppel<br />

Ort: Kursaal, Bad Hofgastein<br />

Info: Ärztezentrale Med.Info,<br />

Tel.: 01/531 16-85<br />

azmedinfo@media.co.at<br />

www.medprophylaxe.at<br />

35 DFP-Punkte<br />

<strong>Medical</strong> <strong>Tribune</strong> | Nr. <strong>10</strong> | 6. März <strong>2019</strong><br />

„Wir brauchen eine neue<br />

Reha-Kultur für Kinder“<br />

REHABILITATION ■ Heuer werden die beiden Kinder- und Jugendreha-Zentren in Bad<br />

Erlach und Rohrbach-Berg eröffnet. <strong>Medical</strong> <strong>Tribune</strong> sprach mit der Wegbereiterin.<br />

15.–16.3.<strong>2019</strong><br />

2. Österr. D-A-CH Dreiländerkongress<br />

für klinische<br />

Forschung<br />

Leitung: Ch. Zielinski<br />

Ort: Hörsaalzentrum, MedUni Wien<br />

Info: Österr. Berufsverband für<br />

StudienassistentInnen, Study<br />

Nurses & Coordinators (ÖBVS),<br />

Tel.: 01/40 400-19400<br />

E-Mail: kongress<strong>2019</strong>@oebvs.at<br />

www.oebvs-kongress.at<br />

<strong>10</strong> DFP-Punkte<br />

16.3.<strong>2019</strong><br />

Frühling der Hepatologie<br />

Leitung: P. Fickert<br />

Ort: Med Campus Graz<br />

Info: A. Maier, Univ.-Klinik f. Innere<br />

Medizin Graz, Tel.: 0316/385 14388<br />

alexandra.maier@medunigraz.at<br />

www.oeggh.at<br />

9 DFP-Punkte<br />

16.3.<strong>2019</strong><br />

7. Oberösterreichischer<br />

Diabetestag f. ÄrztInnen<br />

Leitung: Prof. Dr. M. Clodi<br />

Ort: Schlossmuseum Linz<br />

Info: ÖDG, OBGAM<br />

www.oedg.at; www.obgam.at<br />

4 DFP-Punkte<br />

20.–23.3.<strong>2019</strong><br />

16 th St. Gallen International<br />

Breast Cancer<br />

Conference <strong>2019</strong><br />

Leitung: H.-J. Senn<br />

Ort: Austria Center Vienna, Wien<br />

Info: St. Gallen Oncology Conferences<br />

(SONK), Tel.: +41 (0)71 243 00 32<br />

info@oncoconferences.ch<br />

www.oncoconferences.ch<br />

27 DFP-Punkte<br />

ANITA GROSS<br />

Nach ihrer Rückkehr aus Deutschland<br />

vor mehr als einer Dekade hat<br />

sie das Thema nicht mehr losgelassen.<br />

Zwei Jahre sei sie auf der Kinder-<br />

und Jugendreha-Klinik Schönsicht<br />

in Berchtesgaden gewesen,<br />

erzählt Prim. Dr. Anna Maria Cavini.<br />

Wieder in Österreich hätte sie<br />

durch die Arbeit vieler Ärzte in der<br />

Kinder- und Jugendpädiatrie „einen<br />

aufbereiteten Boden“ vorgefunden.<br />

Schließlich sei es unter<br />

der Führung von Markus Wieser,<br />

dem Gründer des Fördervereins zur<br />

Kinder- und Jugendrehabilitation,<br />

„zum entscheidenden Vorstoß“ gekommen:<br />

Der Hauptverband entschloss<br />

sich, Betten für die Kinderund<br />

Jugendreha auszuschreiben.<br />

„Wir brauchen solche Einrichtungen<br />

dringend im Kinderbereich“,<br />

sagt Cavini, „weil es eine<br />

Schande ist, dass wir nach wie vor<br />

die Kinder ins Ausland schicken<br />

müssen.“ Meist könne nur eine<br />

kleine Auswahl fahren: „Die alleinerziehende<br />

Mama mit drei Kindern<br />

schafft es mit Job und schwer traumatisiertem<br />

oder schwerkrankem<br />

Kind sehr oft nicht ins Ausland.“<br />

Cavini unterstützte die Firma<br />

„Hospitals“ bei der Ausschreibung<br />

zweier Projekte. Freilich: Die Risikobereitschaft<br />

für das Investment<br />

und die jahrelange Expertise in der<br />

Erwachsenenreha seien von den<br />

beiden Betreiberfirmen der Projekte,<br />

„Hospitals“ und „Health Care<br />

Company“, und den mit ihnen verbundenen<br />

Investoren gekommen.<br />

„Nicht in Ruhe gelassen“<br />

Tatsächlich waren beide Bewerbungen<br />

erfolgreich und Cavini<br />

wurde gefragt, ob sie die Rolle der<br />

Ärztlichen Leitung eines Standorts<br />

übernehmen wolle: „Ich habe<br />

zwei Jahre ‚Nein‘ zu diesem Job<br />

gesagt, weil ich am anderen Ende<br />

von Österreich als Kinder- und Jugendärztin<br />

tätig war. Es hat mich<br />

aber nicht in Ruhe gelassen“, lacht<br />

die nunmehrige Ärztliche Leiterin<br />

von Bad Erlach in Niederösterreich.<br />

„Mir geht es nicht um Position<br />

und Titel, sondern darum,<br />

neue Strukturen zu schaffen und<br />

etwas Sinnvolles auf die Beine zu<br />

stellen“, stellt sie klar.<br />

Derzeit ist noch Baustelle. Geht<br />

alles nach Plan, startet Rohrbach<br />

in Oberösterreich den Patientenbetrieb<br />

Mitte August. Im Oktober<br />

folgt Bad Erlach, wobei bereits im<br />

September Personal aufgenommen<br />

werden soll. „Wir planen<br />

mit dem Kernteam und einer geringeren<br />

Patientenzahl anzufangen,<br />

um beste Qualität bieten zu<br />

können und sie Schritt für Schritt<br />

FOTOS: KOKON


<strong>Medical</strong> <strong>Tribune</strong> | Nr. <strong>10</strong> | 6. März <strong>2019</strong> MEDIZIN 17<br />

auszubauen.“ Für das Team werden<br />

noch Bewerber gesucht*, im<br />

medizinischen Bereich vor allem<br />

Fachärzte für Kinder- und Jugendheilkunde<br />

sowie Fachärzte für Kinder-<br />

und Jugendpsychiatrie, aber<br />

auch Allge meinmediziner. Ein<br />

Hearing im Team sei das Um und<br />

Auf, betont Cavini, „wir wollen<br />

keine Einzel- Player anstellen, wir<br />

müssen als Team funktionieren“.<br />

Beide Häuser bieten mobilisierende<br />

Rehabilitation an – sei es<br />

für Kinder und Jugendliche mit<br />

angeborenen Fehlbildungen und<br />

chronischen Erkrankungen, aber<br />

auch nach Verletzungen wie z.B.<br />

Schädel-Hirn-Traumata oder nach<br />

Operationen komplexer Frakturen<br />

(Indikationen siehe Kasten).<br />

Im Erwachsenen-Bereich schicke<br />

man mittlerweile viele Patienten<br />

automatisch auf Reha, „nun wachen<br />

wir endlich auf und schaffen<br />

ein Angebot für Kinder“.<br />

Momentan sei die Vorstellung<br />

in Fachkreisen verbreitet, dass<br />

man etwa nach einem schweren<br />

Schädel-Hirn-Trauma ein Kind<br />

gar nicht auf Reha schicken brauche,<br />

das sei früher ja auch ambulant<br />

gegangen. „Da müssen wir<br />

gemeinsam dringend an einer<br />

neuen Reha-Kultur für Kinder arbeiten“,<br />

betont Cavini, „damit der<br />

Reha-Aufenthalt Teil der Behandlungs-<br />

und Betreuungskette wird.“<br />

Ein großer Schwerpunkt in<br />

beiden Häusern werden psychosomatische<br />

Störungen sein. „In<br />

Bad Erlach werden wir einen<br />

Schwerpunkt legen auf Säuglinge<br />

und Kleinkinder mit Bindungsund<br />

Regulationsstörungen“, unterstreicht<br />

die Pädiaterin. Das<br />

sei „Präventionsarbeit“, weil auffällige<br />

Kinder später im Jugendlichen-<br />

oder Erwachsenenalter<br />

„psychiatrische Schwerstfälle“<br />

werden können.<br />

Kokon für Kind und Team<br />

Um das Herausragende des medizinisch-therapeutischen<br />

Konzepts<br />

mit dem Namen „Kokon“ zu beschreiben,<br />

holt Cavini etwas aus. In<br />

einem langen und intensiven Prozess<br />

habe ein Kernteam, bestehend<br />

aus den Managementpartnern,<br />

Marketingexperten, Architekten<br />

und medizinisch-therapeutischen<br />

Prim. Dr. Anna<br />

Maria Cavini<br />

Kinder- und<br />

Jugendreha<br />

Bad Erlach<br />

und pflegerischen Fachleuten, die<br />

Marke „Kokon“ entwickelt. Wichtig<br />

sei die Arbeit im multiprofessionellen<br />

Team im Sinne des<br />

bio-psycho- sozialen Modells, unabhängig<br />

von der Diagnose: „Jedes<br />

Trauma am Körper des Kindes<br />

macht natürlich auch ein Trauma<br />

in der Psyche des Kindes.“<br />

Daher stehe das Kind, der Jugendliche<br />

im Mittelpunkt, „nicht<br />

wir als Experten gehen her und<br />

sagen: Das ist der Fahrplan.“ Dieser<br />

werde vielmehr mit dem Kind<br />

und der Familie erstellt: Was sind<br />

momentan eure größten Bedürfnisse?<br />

Wo wollt ihr hin? Was ist<br />

eure größte Motivation, um die<br />

Situation zu verbessern? „‚Kokon‘“,<br />

erklärt Cavini, „stellt den professionellen<br />

Rahmen, die Gegebenheiten<br />

dar. Wir geben Raum zur Entfaltung,<br />

aber bestimmen nicht, wo<br />

der Weg hingeht.“ Das gilt auch für<br />

das Team: „Je besser die Mitarbeiter<br />

sich entfalten können, desto besser<br />

können sie ihre Arbeit am Patienten<br />

verrichten.“<br />

Nicht alles zu „reparieren“<br />

Die Grundidee dahinter: „Mediziner<br />

und Therapeuten von der Vorstellung<br />

wegzuführen, alles reparieren<br />

zu können.“ Essenziell sei,<br />

die neue Situation auch anzunehmen:<br />

„Es nützt nichts, wenn wir<br />

uns nach der Reha bewegen können,<br />

aber ein Leben lang gegen die<br />

Diagnose ankämpfen und mit dem<br />

Trauma oder mit der Familie hadern,<br />

weil wir uns das Leben anders<br />

vorgestellt haben.“<br />

Neu ist laut Cavini auch die Art<br />

der Zusammenarbeit: „Wir gehen<br />

weg von streng hierarchischen<br />

Systemen und Denkweisen.“ Natürlich<br />

brauche es rechtlich eine<br />

kollegiale Führung und klare Regeln<br />

für die Verantwortung. Aber<br />

es gebe keine weiteren Leitungsfunktionen.<br />

Organisatorische<br />

Funktionen in den Sparten seien<br />

aufgeteilt, überbezahlt werde nur<br />

aufgrund von Expertise und sachlicher<br />

Kompetenz im Team. Die Mitarbeiter<br />

würden nach ihren Fähigkeiten<br />

ihr Ziel selber bestimmen,<br />

von dem aus Ko-Kreativität stattfinden<br />

könne und wo sie sich ebenfalls<br />

im Sinne von „Kokon“ entfalten<br />

können. Dabei dürfe man auch<br />

außerhalb der vorgeschriebenen<br />

Rollenbilder arbeiten: „Hat ein Mediziner<br />

z.B. eine Ausbildung im Bereich<br />

der Komplementärmedizin,<br />

kann er diese auch einbringen.“<br />

Kinder redeten beim Bau mit<br />

Erklärtes Ziel ist es, die beste Kinder-<br />

und Jugendreha-Einrichtung<br />

Österreichs zu werden. Wie sie<br />

das erreichen möchte? „Es gilt,<br />

mit entsprechend guten Leuten<br />

zu arbeiten und Bedingungen zu<br />

schaffen, dass sie weitere gute Interessenten<br />

ausbilden“, sagt Cavini,<br />

„daher wollen wir ein interdisziplinäres<br />

Curriculum auf die<br />

Beine stellen und sind gerade mit<br />

der FH Wiener Neustadt in Kommunikation.“<br />

Und natürlich gehe<br />

es „ganz viel“ um die Bedürfnisse<br />

der Kinder und Jugendlichen und<br />

deren Familien.<br />

Dies gilt auch beim Bau der Häuser.<br />

Das Kernteam hat daher schon<br />

am Anfang der Bauphase Fokusgruppen<br />

mit betroffenen Kindern<br />

samt Familien gebildet, um auf deren<br />

Wünsche einzugehen. In diesen<br />

Fokusgruppen waren Kinder,<br />

die in Österreich in Therapie sind<br />

oder mangels Plätze in Deutschland<br />

auf Reha waren. Sie hätten<br />

Reha-Angebot für Kinder<br />

wichtige Impulse gesetzt, „auf die<br />

wir unser Konzept aufbauen und<br />

an dem wir uns auch im weiteren<br />

Verlauf orientieren“.<br />

Ihre Begründung: „Wir Ärztinnen,<br />

Ärzte und die Managementpartner<br />

sind zwar fachliche Experten,<br />

aber lebensgeschichtlich fehlt<br />

uns diese Erfahrung. Das Wissen<br />

über das Leben mit der Krankheit,<br />

den Weg des Therapierens sowie<br />

der Reha bringen die Kinder und<br />

Jugendlichen mit, weil wir nichts<br />

herzaubern können, was nicht als<br />

Potenzial in den Kindern und Jugendlichen<br />

angelegt ist.“ Die Kollegiale<br />

Führung in Bad Erlach ist<br />

übrigens rein weiblich und bringt<br />

jahrelange Expertise im Bereich der<br />

Pädiatrie mit. Die Führungsriege<br />

sei aber bestrebt, ausreichend viele<br />

kompetente Männer als Mitarbeiter<br />

zu finden. Denn eine ausgewogene<br />

Geschlechterverteilung sei für<br />

den Erfolg wichtig.<br />

Krankenstand statt Urlaub<br />

Cavini nimmt jetzt schon das<br />

nächste Ziel in Angriff: Die Anerkennung<br />

von allen Eltern als Patienten.<br />

„Wir kämpfen dafür, dass<br />

z.B. auch Eltern von Kindern mit<br />

schweren Schädel-Hirn-Traumata,<br />

die nachgewiesenermaßen Familienorientierung<br />

brauchen, als Patienten<br />

genehmigt werden.“ Das<br />

Problem: Wenn die Eltern nicht als<br />

Patienten gelten, müssen sie sich<br />

Urlaub nehmen.<br />

■<br />

* Mehr auf: https://kokon.rehab/jobs<br />

In Bad Erlach (114 Plätze plus <strong>10</strong>4 Betten für Begleitpersonen) und in<br />

Rohrbach-Berg (77 plus 67) zugelassene Indikationen:<br />

▶ Erkrankungen, angeborene Fehlbildungen und Folgezustände nach<br />

Verletzungen des Stütz- und Bewegungsapparates sowie Rheumatologie,<br />

▶ nach Verletzungen des zentralen und peripheren Nervensystems,<br />

▶ kinder- und jugendpsychiatrische Störungen und entwicklungs- und<br />

sozialpädiatrische Störungen (z.B. Aufmerksamkeitsstörungen, depressive<br />

Störungen, Angststörungen, soziale Interaktionsstörungen,<br />

Traumafolge störungen, Regulationsstörungen, Bindungsstörungen,<br />

Essstörungen in der Stabilisierungsphase, somatoforme Störungen wie<br />

chronische Schmerzen oder Entwicklungsstörungen).<br />

Zusätzliche Indikationen in Rohrbach-Berg:<br />

▶ Erkrankungen, angeborene Fehlbildungen und Störungen des Herz-<br />

Kreislauf-Systems (inkl. Mitbeteiligung bei systemischen Erkrankungen),<br />

▶ Erkrankungen der Atmungsorgane (inkl. Mitbeteiligung bei z.B. zystischer<br />

Fibrose).


18 PROF. HAMMERS LITERATUR-SCREENING<br />

<strong>Medical</strong> <strong>Tribune</strong> | Nr. <strong>10</strong> | 6. März <strong>2019</strong><br />

Brustkrebsfortschritte retten Leben<br />

Amerikanische Forscher haben<br />

versucht zu quantifizieren, in welchem<br />

Ausmaß die Verbesserung<br />

der Brustkrebstherapie und die<br />

vermehrte Inanspruchnahme des<br />

Mammographie-Screenings zu<br />

einer Reduktion der Brustkrebsmortalität<br />

geführt haben.<br />

Dazu haben sie Daten aus der<br />

SEER (Surveillance, Epidemiology<br />

and End Results)-Datenbank<br />

für den Zeitraum zwischen<br />

1989 und 2018 analysiert, um die<br />

Für die Praxis<br />

altersadjustierten Mortalitätsraten<br />

durch weiblichen Brustkrebs<br />

und Populationsdaten zur Schätzung<br />

der Anzahl von Todesfällen<br />

durch Brustkrebs zu erfassen.<br />

Dabei wurden vier unterschiedliche<br />

Annahmen zu vergangenen<br />

Mortalitätsraten zu<br />

einem Zeitpunkt, als Mammographie-Screenings<br />

und verbesserte<br />

Behandlung noch fehlten,<br />

zur Schätzung vermiedener Todesfälle<br />

herangezogen.<br />

In den USA kam es infolge vermehrter Nutzung des Mammographie-<br />

Screenings und von Fortschritten in der Behandlung des Brustkrebses<br />

zwischen 1989 und 2018 zur Vermeidung von 400.000 bis 600.000 Brustkrebs-bezogenen<br />

Todesfällen. Patientinnen sollten über den nachweislichen<br />

Nutzen von Screenings und Therapien aufgeklärt werden.<br />

Univ.-Prof.<br />

Dr. Heinz Hammer<br />

berichtet jede Woche über<br />

ausgewählte Studien und<br />

ihre Relevanz für die Praxis.<br />

Dafür wurde die Differenz<br />

zwischen den von der SEER-Datenbank<br />

ausgegebenen Mortalitätsraten<br />

und den vergangenen<br />

Mortalitätsraten für jede 5-Jahre-Altersgruppe<br />

verwendet.<br />

Die Forscher errechneten, dass<br />

die Anzahl der pro Jahr vermiedenen<br />

Mammakarzinom-Todesfälle<br />

im Jahr 2012 um etwa 20.900 bis<br />

33.800 reduziert wurde, im Jahr<br />

2015 um etwa 23.700 bis 39.400,<br />

und im Jahr 2018 um etwa 27.<strong>10</strong>0<br />

bis 45.700.<br />

Die Abnahme der Mortalitätsraten<br />

für Mammakarzinom lagen<br />

zwischen 39 % und 51 % im Jahr<br />

2012, zwischen 42 % und 54 % im<br />

Jahr 2015 und zwischen 45 % und<br />

58 % im Jahr 2018. Die kumulativen,<br />

vermiedenen Mammakarzinom-Todesfälle<br />

seit dem Jahr<br />

1989 wurden errechnet als zwischen<br />

237.200 und 370.400 im<br />

Jahr 2012 beziehungsweise als<br />

zwischen 384.000 und 614.500<br />

im Jahr 2018.<br />

Hendrick RE et al., Cancer. <strong>2019</strong>;<br />

doi: <strong>10</strong>.<strong>10</strong>02/cncr.31954<br />

Stillen schützt mehr als 30 Jahre vor Ovarialkrebs<br />

In einer Studie wurde die Auswirkung<br />

des Stillens für eine Dauer von<br />

zumindest drei Monaten auf das<br />

langfristige Risiko für die Entwicklung<br />

eines Ovarialkarzinoms untersucht.<br />

Dazu wurden Daten von<br />

689 Frauen mit epithelialem Ovarialkarzinom<br />

mit den Daten von<br />

1.572 gesunden Frauen (als Kontrollpersonen)<br />

verglichen. Es stellte<br />

sich heraus, dass Frauen, die eines<br />

ihrer Kinder stillten, ein um 30 %<br />

niedrigeres Risiko für ein epitheliales<br />

Ovarialkarzinom hatten, im<br />

Vergleich zu Frauen, die nie gestillt<br />

hatten. Innerhalb der letzten zehn<br />

Jahre erfolgtes Stillen reduzierte<br />

das Risiko um 44 %. Der schützende<br />

Effekt von Stillen nahm bei längerer<br />

Beobachtungsdauer ab, blieb<br />

aber für länger als 30 Jahre nach<br />

der letzten Stillzeit signifikant – zu<br />

diesem Zeitpunkt war das Krebsrisiko<br />

noch immer um 31 % niedriger.<br />

Eine Stillzeit von durchschnittlich<br />

drei Monaten senkte das Risiko<br />

um 27 % im Vergleich zu Nicht-Stillen.<br />

Eine längere Stilldauer von bis<br />

zu einem Jahr und länger als einem<br />

Jahr senkte das Risiko um 25 % bzw.<br />

Für die Praxis<br />

38 %. Auch eine höhere Anzahl von<br />

Stillzeiten, z.B. nach mehrfachen<br />

Geburten, war mit einer höheren<br />

Risikoreduktion assoziiert.<br />

Modugno F et al., Gynecol Oncol. <strong>2019</strong>;<br />

doi: <strong>10</strong>.<strong>10</strong>16/j.ygyno.<strong>2019</strong>.01.017<br />

Stillen senkt langfristig das Risiko für epithelialen Ovarialkrebs um 30 %.<br />

Eine längere Stilldauer und häufigere Stillzeiten sind mit einem höheren<br />

Schutz assoziiert.<br />

Mütterlicher Stress und kindliches Übergewicht<br />

FOTO: VANESSA HAMMER<br />

Kindliche Adipositas wird in zunehmendem<br />

Maße als medizinisches<br />

Problem erkannt. Verschiedene<br />

externe Faktoren, wie z.B.<br />

Werbung, sind als Risikofaktoren<br />

bekannt. Deutsche Forscher haben<br />

nun untersucht, ob mütterlicher<br />

Für die Praxis<br />

Stress der Mutter im ersten Lebensjahr eines Kindes ist ein Risikofaktor<br />

dafür, dass das Kind übergewichtig wird; dies gilt vor allem für Mädchen.<br />

Die Autoren empfehlen daher, dass Hebammen, Frauen-, Kinder- und<br />

Hausärzte im ersten Jahr nach der Geburt des Kindes besonders<br />

auf Anzeichen von Stress bei der Mutter aufmerksam sein sollten.<br />

Stress während der Schwangerschaft<br />

sowie in den ersten beiden<br />

Lebensjahren des Kindes zur<br />

Entwicklung von Übergewicht bei<br />

den Kindern beitragen kann. Für<br />

die Studie wurden Daten von 498<br />

Mutter-Kind-Paaren aus der Mutter-Kind-Studie<br />

„LiNA“ ausgewertet.<br />

Der empfundene Stress der<br />

Mütter wurde mit validierten Fragebogen<br />

erhoben und umfasste<br />

Sorgen und Ängste, Gefühle von<br />

Anspannung, allgemeine Zufriedenheit<br />

sowie den Umgang mit<br />

täglichen Anforderungen. Die<br />

Daten zum empfundenen Stress<br />

der Mütter wurden mit der Entwicklung<br />

des BMI der Kinder bis<br />

zu ihrem fünften Lebensjahr verglichen.<br />

Es stellte sich heraus, dass bei<br />

Müttern, die im ersten Lebensjahr<br />

ihres Kindes viel Stress hatten, die<br />

Wahrscheinlichkeit groß war, dass<br />

ihre Kinder in den ersten fünf Lebensjahren<br />

einen erhöhten BMI<br />

entwickeln. Dieser Zusammenhang<br />

war besonders deutlich bei<br />

Mädchen.<br />

Der empfundene Stress der<br />

Mütter während der Schwangerschaft<br />

sowie während des zweiten<br />

Lebensjahres des Kindes hatte<br />

keine Auswirkungen auf den BMI<br />

der Kinder.<br />

Leppert B et al., BMC Public Health. 2018;<br />

18: 1211


<strong>Medical</strong> <strong>Tribune</strong> | Nr. <strong>10</strong> | 6. März <strong>2019</strong> WIRTSCHAFT | PRAXISFÜHRUNG 19<br />

Gut prüfe, wer sich (ewig) bindet<br />

KOOPERATIONEN ■ Zusammenarbeit in Ordinationen kennt viele Facetten. Die Partnerschaften haben aber eines<br />

gemeinsam: Jede Praxiskooperation braucht eine vertragliche Grundlage.<br />

FOTO: EDHAR/GETTYIMAGES<br />

JOSEF RUHALTINGER<br />

Der Teamgedanke zählt unter niedergelassenen<br />

Ärzten traditionell<br />

nicht zu den ausgeprägtesten<br />

Grundhaltungen. Das Konzept des<br />

Freiberuflers hat stark individuelle<br />

Eigenschaften. In den vergangenen<br />

15 Jahren haben sich die Rahmenbedingungen<br />

für die extramurale<br />

Medizin aber stark verändert.<br />

Work-Life-Balance, familientaugliche<br />

Arbeitszeiten, Teamarbeit –<br />

neue Werte verdrängen zusehends<br />

das Berufsbild des unabhängigen<br />

Einzelkämpfers, der sich allein<br />

durch Wind und Sturm kämpft.<br />

In absoluten Zahlen sind die<br />

teamorientierten Gruppenpraxen<br />

oder Primärversorgungseinheiten<br />

mit Gesellschaftsverträgen in der<br />

verschwindenden Minderheit: Von<br />

den aktuell 21.000 Ordinationen in<br />

Österreich sind weniger als tausend<br />

als Gruppenpraxen oder Primärversorgungseinrichtungen<br />

aufgestellt.<br />

Beziehungsreich<br />

Die Mehrheit der niedergelassenen<br />

Mediziner ist immer noch als<br />

Einzelunternehmen organisiert.<br />

Aber man muss nicht gleich heiraten,<br />

wenn man zusammen sein<br />

will. Viele Praxen kooperieren in<br />

Organisationsformen, die Zusammenarbeit<br />

auf ein regelmäßiges<br />

Fundament stellt, ohne gleich eine<br />

gemeinsame OG oder GmbH zu<br />

gründen. Dafür gibt es viele Abstufungen:<br />

Netzwerke, Ordinationsgemeinschaften,<br />

Ärztezentren oder<br />

Gerätegemeinschaften verlangen<br />

nach verschiedenen Formen der<br />

Integration und Zusammenarbeit.<br />

Ihnen ist aber eines gemeinsam:<br />

Die Kooperationen brauchen klare<br />

schriftliche Spielregeln, sprich Verträge,<br />

und ein gemeinsames Commitment.<br />

Soziale Toleranz und Regeln<br />

sind die Voraussetzung dafür,<br />

dass Vereinbarungen länger als bis<br />

zur ersten Kostenrechnung halten.<br />

Unter Ärzten<br />

In Gruppenpraxen arbeiten Mediziner<br />

auf Basis eines gemeinsamen<br />

Kassenvertrags zusammen,<br />

gründen eine gemeinsame Gesellschaft<br />

und treten gemeinsam nach<br />

außen mit allen steuerlichen und<br />

haftungsrechtlichen Konsequenzen<br />

auf.<br />

Die weitaus häufigere Erscheinungsform<br />

einer Ärztekooperation<br />

ist aber jene der Praxisgemeinschaft<br />

mit ihren Unterarten:<br />

Mediziner – mit oder ohne Kassenvertrag<br />

– nutzen gemeinsame<br />

Ressourcen, wirken nach außen<br />

rechtlich und finanziell aber selbstständig.<br />

Jeder Arzt, der sich einer<br />

Praxisgemeinschaft anschließt,<br />

bleibt sein eigener Herr. Bei diesen<br />

Regie- oder Apparategemeinschaften<br />

geht es vorrangig um die<br />

Aufteilung von Kosten.


20 WIRTSCHAFT | PRAXISFÜHRUNG<br />

<strong>Medical</strong> <strong>Tribune</strong> | Nr. <strong>10</strong> | 6. März <strong>2019</strong><br />

Fortsetzung von Seite 19<br />

Das Spektrum reicht von gleichberechtigten<br />

Medizinern, die eine<br />

Art Ärztezentrum gründen und die<br />

Kosten zu gleichen Teilen übernehmen,<br />

bis hin zu Formen der<br />

Untervermietung, bei denen der<br />

Eigentümer einem Kollegen einen<br />

Raum oder Apparate in der Praxis<br />

zur Verfügung stellt und dafür<br />

Nutzungsentgelt kassiert. Zu beachten<br />

ist allerdings, dass Ordinations-<br />

und Apparategemeinschaften<br />

nur zwischen freiberuflichen<br />

Ärzten begründet werden dürfen.<br />

Die Einsparpotenziale einer<br />

Praxisgemeinschaft liegen vor allem<br />

in der gemeinsamen Nutzung<br />

von Räumen, Geräten und der Verteilung<br />

der Personalkosten. Das<br />

Einsparpotenzial wird von Steuerberatern<br />

mit rund 20 Prozent<br />

veranschlagt, die gegenüber herkömmlichen<br />

Einzelpraxen mobilisiert<br />

werden können. Neben<br />

den geteilten Raumnutzungskosten<br />

kann man Einkaufsvorteile<br />

erkämpfen und gemeinsam abgeschlossene<br />

Versicherungen billiger<br />

verhandeln. Und das alles, ohne –<br />

wie in der Gemeinschaftspraxis –<br />

eine Art berufliche Ehe schließen<br />

zu müssen.<br />

Die Knackpunkte<br />

Absichten sind als Fundament einer<br />

Zusammenarbeit zu wenig, um<br />

bei Gegenwind Bestand zu haben.<br />

Schriftliche Nutzungsvereinbarungen<br />

müssen in jeder Kooperation<br />

die elementarsten Grundfragen<br />

regeln.<br />

Finden Sie hier nun die wichtigsten<br />

Punkte, die in Praxisgemeinschaften<br />

vertraglich geregelt<br />

werden müssen:<br />

Kündigung und Trennung:<br />

Die Umstände einer Beendigung<br />

der Zusammenarbeit müssen genau<br />

geregelt sein. Dies wird unter<br />

den meist positiven Umständen<br />

der Einigung nur ungern angesprochen.<br />

Aber über Fristen, Kautionen<br />

und weitere Ansprüche muss<br />

Klarheit herrschen.<br />

Investitionen, Reparaturen:<br />

Stehen die Partner gemeinsam im<br />

Mietvertrag, ist zu klären, ob Investitionen<br />

gemeinsam beschlossen<br />

und geteilt werden. Bei der<br />

Weitervermietung von Räumlichkeiten<br />

braucht es eine Klärung, wie<br />

mit Schäden umzugehen ist. Gewöhnliche<br />

Abnutzung ist durch<br />

die Miete gedeckt. Bei Apparategemeinschaften<br />

wird es oft etwas<br />

detaillierter: Was passiert, wenn<br />

der Mietpartner den Drucker oder<br />

Kopierer ruiniert? Ist dies im Nutzungsentgelt<br />

berücksichtigt oder<br />

nicht?<br />

Definition der Nutzungszeiten:<br />

Häufig wird das zeitliche Ausmaß<br />

der Tätigkeit falsch eingeschätzt<br />

und eine zu geringe Time-Sharing-<br />

Nutzung festgelegt. Eine Ausweitung<br />

der Tätigkeit kann dann zu<br />

Problemen mit dem Nutzungsüberlasser<br />

führen. Das bedeutet:<br />

Für den Partner gibt es keine Möglichkeiten<br />

des Wachstums. Ein<br />

Übergangscharakter einer derartigen<br />

Vereinbarung muss sich vor<br />

allem in den Ausstiegsregeln wiederfinden.<br />

Nebenkosten: Auch Kleinigkeiten<br />

wie Reinigungszeiten und<br />

-kosten müssen geklärt werden.<br />

Nichts ist unangenehmer, als<br />

wenn die Partnerordination am<br />

Morgen die Restarbeiten des Vorabends<br />

wegräumen muss.<br />

Personalkosten: Besonders<br />

heikel wird die Regelung über<br />

die Aufteilung der Vergütung<br />

für Assistentinnen: Kosten dürfen<br />

nur aliquot weiterverrechnet<br />

werden. Steuerberater empfehlen<br />

den Ausweg, Mitarbeiter von<br />

allen Kooperationspartnern auf<br />

Teilzeitbasis anzumelden. Dies<br />

bedarf allerdings der Einwilligung<br />

des Teams.<br />

Untervermietung<br />

Bei allen Kooperationen ist für die<br />

notwendige Transparenz zu sorgen.<br />

Gerade bei der Nutzungsüberlassung<br />

von medizinischen<br />

Geräten zählt es zu den Voraussetzungen,<br />

dass der Betreiber nur<br />

die anfallenden Kosten inklusive<br />

einer geregelten Finanzierungsabgeltung<br />

weitergibt. Zu beachten<br />

ist, dass der Eigentümer oder<br />

Hauptmieter keine Gewinne aus<br />

dieser Untervermietung mit Apparatenutzung<br />

ziehen darf, wenn<br />

er keine steuerlichen und standesrechtlichen<br />

Konsequenzen heraufbeschwören<br />

will.<br />

■<br />

Spielregeln für eine Gruppenpraxis<br />

Gruppenpraxen und Primärversorgungszentren verlangen noch mehr als<br />

Praxiskooperationen nach belastbaren vertraglichen Regeln. In der Realität<br />

steht meist ein Mehrheitsgesellschafter einem oder mehreren Minderheitspartnern<br />

gegenüber – und beide Beteiligten wollen ihre gesellschaftsrechtlichen<br />

Interessen gewahrt wissen. Steuerberater empfehlen dabei, auf zwei<br />

Formen der Willensvereinbarung zurückzugreifen: Der Gesellschaftervertrag<br />

regelt die elementaren Prinzipien der Kooperation. Das sind Fragen wie<br />

Honorar, Arbeitszeit, Kostenbeteiligung und Willensbildung – wer darf was<br />

entscheiden? Die weniger formelle Geschäftsordnung widmet sich den Dingen<br />

des Alltags, die von Fall zu Fall geändert oder adaptiert werden. Dabei<br />

geht es um die Wahl der Ordinationsfahrzeuge, Beschäftigung von Ehepartnern,<br />

Mitarbeiterwahl oder Sprechstundeneinteilung. Die Aufteilung hat ihren<br />

Grund: Der formelle Gesellschaftervertrag sollte nicht ohne notariellen<br />

Beistand erstellt oder geändert werden. Die Geschäftsordnung hingegen<br />

bedarf nur der schriftlichen Übereinkunft der Partner.<br />

■ DIE PRAKTISCHE FRAGE<br />

Mag. Iris Kraft-Kinz<br />

MEDplan, 1120 Wien,<br />

Tel. 01/817 53 50-260<br />

Die Ausgaben für die Ordinationsmitarbeiter<br />

sind neben Miete und<br />

Material der größte Kostenblock einer<br />

Ordination. Daher ist der Vergleich<br />

zu anderen Ordination wichtig.<br />

Wir haben unter unseren 400<br />

Ordinationen, die wir zu unseren<br />

Klienten zählen, einen Überblick<br />

Wie prüfe ich meine<br />

Personalkosten?<br />

über die diversen Kostenpositionen<br />

erstellt. Interessanterweise ergibt<br />

sich bei den Ausgaben für Mitarbeiter<br />

ein sehr homogenes Bild<br />

erhalten. Ihr Anteil liegt bei 16 bis<br />

19 Prozent des Umsatzes und ist in<br />

allen Fachrichtungen und Ordinationsgrößen<br />

sehr einheitlich – Ausreißer<br />

nach oben und untern gibt<br />

es kaum. Eine Erklärung liegt darin,<br />

dass die Löhne für Sprechstundenhilfen<br />

und Assistentinnen sehr<br />

einheitlich angesetzt werden und<br />

Überzahlungen selten sind.<br />

Interessant ist, dass die Kostenanteile<br />

bei mehr als drei Mitarbeitern<br />

nicht oder kaum steigen.<br />

Mit den Mitarbeitern wächst auch<br />

die Zahl der Patienten – und zwar<br />

in proportionaler Größe. Der Umsatz<br />

pro Mitarbeiter bleibt kon stant<br />

und sinkt nicht, wie dies bei anderen<br />

Dienstleistern häufig der Fall<br />

ist. Zudem zeigt sich, dass der Wertschöpfungsfaktor<br />

in der Ordination<br />

allein der Arzt ist. Der Gewinn vor<br />

Steuern bleibt bei den analysierten<br />

Bilanzen mit 38 bis 41 Prozent unabhängig<br />

von der Mitarbeiterzahl<br />

konstant. Das bedeutet, der Arzt<br />

verdient nichts oder wenig an der<br />

Dienstleistung seiner Mitarbeiter.<br />

Hier bleibt für viele Mediziner<br />

ein interessantes Potenzial, seine<br />

Mitarbeiter so weit wie gesetzlich<br />

möglich mit Dienstleistungen am<br />

Kunden zu beauftragen und sie<br />

vom reinen Abwicklungsfaktor zu<br />

einem produzierenden Teil der Ordination<br />

zu machen.<br />

FOTO: MEDPLAN


<strong>Medical</strong> <strong>Tribune</strong> | Nr. <strong>10</strong> | 6. März <strong>2019</strong> WIRTSCHAFT | PRAXISFÜHRUNG 21<br />

Landärztin aus Leidenschaft<br />

PRAXISPORTRÄT Dr. Stefanie Essl übernahm 2016 eine Landarztpraxis. Im Sommer 2018 bekam sie ein Baby. Finanzielle<br />

Unterstützung gab’s nur für die Zeit des Mutterschutzes. Trotzdem bereut die Jungärztin ihre Entscheidung nicht.<br />

FOTOS: PRIVAT<br />

KARIN MARTIN<br />

Die Landarztpraxis von Dr. Stefanie<br />

Essl zeichnet sich durch ihre<br />

zentrale Lage am Hauptplatz der<br />

steirischen Gemeinde Passail (Bezirk<br />

Weiz) aus. Apotheke, Bushaltestelle<br />

und Parkplätze finden<br />

sich in unmittelbarer Nähe. Das<br />

Haus ist im Besitz der Gemeinde.<br />

Die bestehenden Räumlichkeiten<br />

werden von der Jungärztin gemietet.<br />

Die Ordination hat an fünf Tagen<br />

die Woche geöffnet, zweimal<br />

nachmittags. Das Praxisteam setzt<br />

sich aus drei Ordinationsassistentinnen<br />

und einer Reinigungskraft<br />

zusammen.<br />

Essl hat die Ordination in<br />

der knapp 4.300-Einwohner-Gemeinde<br />

2016 von ihrem Vorgänger<br />

übernommen. Dieser wollte<br />

zurück in den städtischen Bereich<br />

und hat die Landarztpraxis<br />

als Nachfolgeordination ausgeschrieben.<br />

„Nach reiflicher und intensiver<br />

Überlegung habe ich mich<br />

für eine Bewerbung entschieden,<br />

da mein Mann und ich tief mit<br />

der Gegend verwurzelt sind“, erzählt<br />

die gebürtige Steirerin. „Ich<br />

bin im Ort aufgewachsen, in die<br />

Schule gegangen, habe Verwandte<br />

und Freunde hier.“ Nach Zusage<br />

der Kassenstelle brach die damals<br />

32-Jährige ihre Facharztbildung ab<br />

– und wurde zur jüngsten Allgemeinmedizinerin<br />

mit eigener Ordination<br />

in der Steiermark.<br />

„Die ganze Bürokratie im Hintergrund,<br />

die ein eigener Betrieb<br />

mit sich bringt“ hat Essl zu Beginn<br />

sehr wohl als „abschreckend“ und<br />

„sehr fordernd“ erlebt. Die 1985 Geborene<br />

hatte keinerlei Erfahrung<br />

auf diesem Gebiet. „Gott sei Dank<br />

hatte ich Leute um mich, die mich<br />

in dieser Zeit unterstützt und gut<br />

beraten haben“, schildert sie.<br />

Auch die Investitionen seien am<br />

Anfang „ein sehr großer Brocken,<br />

jedoch überschaubar“ gewesen:<br />

„Leider kam aber relativ rasch die<br />

Ernüchterung in Form von unerwarteten<br />

Kosten, welche die Übernahme<br />

einer älteren Ordination<br />

mit sich bringt.“ Denn: Während<br />

der Standort der Ordination ideal<br />

ist, ist es das Gebäude, wegen seiner<br />

alten Bausubstanz, weniger.<br />

„Die Räumlichkeiten sind zu klein,<br />

es gibt wenig Tageslicht – jedoch<br />

fast keine Möglichkeiten zu expandieren“,<br />

so die junge Kollegin.<br />

„Was man macht, soll<br />

bezahlt werden, so wie in<br />

allen anderen Berufen auch.“<br />

Dr. Stefanie Essl<br />

Dauerbaustelle<br />

Gleichzeitig sei eine Erweiterung<br />

und umfassende Sanierung unumgänglich.<br />

„Seit der Praxiseröffnung<br />

gibt es beinahe jedes Monat<br />

Dinge, die erneuert werden<br />

müssen“, sagt Essl.<br />

Inwieweit das Einkommen<br />

ausreicht, kann sie nach wie vor<br />

schwer sagen, da in den ersten Jahren<br />

die Steuervor- und -nachzahlungen<br />

sowie die Ärztekammerabgaben<br />

erst eingestuft werden<br />

müssen: „Man hofft, dass es durch<br />

die angekündigten Leistungserhöhungen<br />

der Sozialversicherungen<br />

auch zu einer Verbesserung des<br />

Einkommens kommt. Dies ist jedoch<br />

noch abzuwarten.“<br />

Am eigenen Leib hat Essl gerade<br />

erlebt, wie schwierig es als Selbstständige<br />

ist, Mutter zu werden. Ihr<br />

erstes Kind kam im Sommer zur<br />

Essl wurde nicht nur von den jüngsten Patienten schnell akzeptiert.<br />

Welt. Finanzielle Unterstützung<br />

gibt es nur für die Zeit des Mutterschutzes.<br />

Gute Vertretungsärzte<br />

sind teuer und schwer zu bekommen<br />

und müssen über den Mutterschutz<br />

hinaus aus eigener Tasche<br />

bezahlt werden. „Von der Familie<br />

und dem Partner braucht man definitiv<br />

viel Unterstützung“, so die<br />

junge Ärztin und Mutter. Wichtig<br />

sei ein Partner, der selbst auch mit<br />

beiden Beinen im Leben steht und<br />

Verständnis für die Situation mitbringt.<br />

Trotz diverser Schwierigkeiten,<br />

die sich für Selbstständige<br />

im Zuge der Familienplanung ergeben,<br />

rät Essl, sich davon nicht<br />

abschrecken zu lassen, wenn man<br />

Kinder möchte. Denn den „richtigen<br />

Zeitpunkt“ gebe es einfach<br />

nicht. Grundsätzlich sei alles lösbar<br />

und selbst die beste Arbeit<br />

könne die wunderbaren Momente<br />

mit dem Nachwuchs nicht ersetzen.<br />

„Die Zeit, die mit der Familie<br />

bleibt, muss man einfach richtig<br />

genießen und nutzen!“ Umgekehrt<br />

sollte man nicht wegen der<br />

schwierigeren Familienplanung<br />

das Landarztdasein „verteufeln“<br />

und immer nach Ausflüchten suchen:<br />

„Es ist zwar ein anspruchsvoller,<br />

jedoch überaus schöner<br />

Beruf, den ich engagierten Kolleginnen<br />

und Kollegen nur empfehlen<br />

kann!“<br />

Auf die Frage, ob sich die Arbeit<br />

in einer Landarztpraxis generell<br />

mit einer modernen Lebensführung<br />

vereinbaren lasse, antwortet<br />

die Jungärztin mit einer Gegenfrage:<br />

„Was bezeichnet eine moderne<br />

Lebensführung? Man passt<br />

sich den Gegebenheiten an. Freizeit<br />

ist oft sehr knapp bemessen,<br />

man muss die Gelegenheiten dann<br />

einfach besser nutzen.“ Was leicht<br />

unterschätzt werde, seien die bürokratischen<br />

Tätigkeiten und die<br />

Hausbesuche.<br />

Süße Unabhängigkeit<br />

Essl weiß jedoch auch um die Vorteile<br />

einer eigenen Ordination:<br />

Man ist sein eigener Boss. Der<br />

Alltag ist abwechslungsreich. Die<br />

Menschen geben einem sehr viel<br />

zurück. Die jahrelange Betreuung<br />

der Patienten ist zwar anspruchsvoll,<br />

doch eine besonders schöne<br />

Erfahrung. Diese sind keine „anonymen<br />

Ziffern“ im System wie im<br />

Krankenhaus. Auch den kurzen<br />

Weg von drei Minuten zur Arbeit<br />

weiß die Landärztin zu schätzen.<br />

„Davor waren es 50 Minuten bei<br />

schönem Wetter und bis zu 90 Minuten<br />

bei Schneefall – und das war<br />

nur eine Strecke!“, gibt sie zu bedenken.<br />

In einem PHC statt in einer Einzelordination<br />

zu arbeiten, hätte<br />

sich Essl nicht vorstellen kön-


22 WIRTSCHAFT | PRAXISFÜHRUNG<br />

<strong>Medical</strong> <strong>Tribune</strong> | Nr. <strong>10</strong> | 6. März <strong>2019</strong><br />

Fortsetzung von Seite 21<br />

nen. Denn einer der Entscheidungsgründe<br />

für die Praxisübernahme<br />

sei ja die Unabhängigkeit<br />

gewesen, sagt sie. „Eine Gruppenpraxis<br />

wäre eventuell eine Überlegung<br />

wert, müsste dann aber sicher<br />

hervorragend durchgeplant<br />

sein, damit sie reibungslos funktioniert.“<br />

Wertvolle Erfahrungen<br />

Eine gute Abwechslung sieht<br />

die Landärztin in der Lehrpraxis:<br />

„Man kann sich mit Studenten<br />

und Jungärzten austauschen<br />

und in dieser Zeit die Attraktivität<br />

des Berufes herzeigen.“ Sie<br />

hatte selbst während ihrer Turnuszeit<br />

das, wie sie meint, Privileg,<br />

in einer sehr gut geführten<br />

Lehrpraxis im Burgenland arbeiten<br />

zu dürfen.<br />

Offene Stellen in der Steiermark<br />

„Dort habe ich viel für die Arbeit,<br />

aber auch fürs Leben gelernt“,<br />

erinnert sie sich. „Ohne diese Erfahrung<br />

wäre die Tätigkeit in der<br />

Ordination nicht zu bewältigen.“<br />

Weiters hat die Jungmedizinerin<br />

bei einem Kollegen im Ort während<br />

ihrer vorherigen Tätigkeit im<br />

Krankenhaus mehrmals am Wochenende<br />

Vertretungen gemacht.<br />

Dadurch ergab sich ein guter Einblick<br />

ins spätere Berufsleben. Auch<br />

ein Praxisseminar von Ärztekammer<br />

und GKK besuchte sie. Von ihrem<br />

Vorgänger bekam sie hingegen<br />

kaum Unterstützung.<br />

Hausbesuche macht die Landärztin<br />

fast täglich. Wobei der Aufwand<br />

sehr unterschiedlich ausfällt.<br />

Manche dauern nur wenige<br />

Minuten. Andere beanspruchen<br />

„Unmengen an Zeit“. „Generell<br />

nehmen die Hausbesuche sicher<br />

ein Drittel meiner Tätigkeit ein“,<br />

44 kassenärztliche Stellen wurden in der Steiermark zuletzt ausgeschrieben<br />

(17 davon als Nachfolgepraxen), 30 betreffen die Allgemeinmedizin. Nicht wenige<br />

Stellen wurden bereits zum wiederholten Male ausgeschrieben, weil sich<br />

niemand dafür findet. Abhilfe soll ein neues, zwischen Ärztekammer und GKK<br />

ausverhandeltes Konzept bringen. Ärzte, die eine schwer zu besetzende Kassenstelle<br />

übernehmen, erhalten eine attraktive Starthilfe: 70.000 Euro für eine<br />

Einzelpraxis und sogar <strong>10</strong>5.000 Euro für eine Gruppenpraxis. Insgesamt<br />

nimmt die Steiermärkische GKK für die Stärkung der ärztlichen Versorgung<br />

somit 3,85 Millionen Euro in die Hand.<br />

schätzt sie. „Außerdem weiß man<br />

oft nicht, was einen erwartet, es<br />

kann von RR-Messen und Routineuntersuchungen<br />

bis hin zu medizinischen<br />

Notfällen alles passieren.<br />

Oft können die Angehörigen<br />

die jeweilige Situation nur schwer<br />

einschätzen.“<br />

Viel Wertschätzung<br />

Als „großes Glück“ bezeichnet<br />

Essl, dass sie von den Patienten<br />

sehr schnell und gut akzeptiert<br />

wurde. „Ab Beginn meiner Tätigkeit<br />

habe ich mich dieser mit<br />

voller Energie gewidmet, und<br />

ich denke, dass die Menschen<br />

das gespürt und mir deshalb von<br />

Anfang an viel Wertschätzung<br />

entgegengebracht haben.“ Die Bekanntheit<br />

als Ärztin in einer kleinen<br />

Gemeinde sei nicht in der Arbeit<br />

das Problem, sondern eher in<br />

der Freizeit. Da Patienten doch<br />

immer wieder der Versuchung erliegen,<br />

von ihren Problemen und<br />

Leiden zu berichten.<br />

Von der Politik und der Sozialversicherung<br />

wünscht sich Essl<br />

die Sicherung und Aufwertung<br />

des Allgemeinmediziners als Berufsstand,<br />

eine Anpassung der<br />

Leistungen und die Bezahlung aller<br />

zu verrichtenden Tätigkeiten<br />

ohne Deckelung: „Was man macht,<br />

soll bezahlt werden, so wie in allen<br />

anderen Berufen auch.“<br />

Wichtig ist ihr darüber hinaus<br />

eine bessere Finanzierung der<br />

Lehrpraxis, damit mehr Jungärzte<br />

dieses Angebot nutzen können<br />

und wollen. Sowie der Erhalt der<br />

bestehenden Laborgemeinschaften.<br />

Denn diese seien eine unverzichtbare<br />

Unterstützung für eine<br />

qualitative Diagnostik.<br />

Weise Worte<br />

Die Entscheidung für die Landarztpraxis<br />

würde Stefanie Essl auf<br />

jeden Fall wieder treffen. „Es gibt<br />

Tage, da läuft alles wie im Bilderbuch,<br />

und dann gibt es natürlich<br />

auch weniger gute Tage“, sagt sie<br />

ehrlich. „Doch die gibt es in jedem<br />

Beruf. Und ich empfinde sie dennoch<br />

als positive Erfahrung, aus<br />

der man lernen kann und auch lernen<br />

soll.“ ■<br />

Praxissteckbrief<br />

Dr. Stefanie Essl<br />

Ärztin für Allgemeinmedizin<br />

Markt 13, 8162 Passeil<br />

Tel. 03179/23640<br />

ÖÄK-Diplom Kompl. Med.:<br />

Akupunktur, ÖÄK-Diplom-Fortbildung<br />

Vorsorgeuntersuchungen,<br />

DMP Therapie Aktiv<br />

IMPRESSUM<br />

MEDICAL TRIBUNE<br />

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<strong>Medical</strong> <strong>Tribune</strong> | Nr. <strong>10</strong> | 6. März <strong>2019</strong> MEDIZIN UND ICH VON A BIS Z 23<br />

Ab jetzt bin ich Ärztin mit Grenzen<br />

FOTO: FURGLER<br />

Von<br />

Dr. Ulrike Stelzl<br />

Kassen ärztin<br />

für Allgemeinmedizin<br />

in Graz<br />

Gerade lese ich einen Artikel, der<br />

mich warnt, dass wir Ärzt/innen<br />

häufiger „Burnout“-gefährdet sind<br />

als viele andere Berufsgruppen.<br />

Nur Lehrer oder Feuerwehrleute<br />

übertreffen uns noch. Eigentlich<br />

mag ich die Diagnose „Burnout“<br />

überhaupt nicht. Weil sie einfach<br />

so „in“ ist und weil schon jeder<br />

Sechzehnjährige, von dem ein wenig<br />

Leistung gefordert wird, sich<br />

als potenzielles Opfer dieser heimtückischen<br />

Erscheinung wähnt.<br />

S wie Selbstevaluation<br />

Ich sehe Leistung als etwas sehr<br />

Positives und bin außerdem der<br />

Überzeugung, dass gelegentliche<br />

Selbstüberwindung und ein Tritt<br />

in den Allerwertesten bekömmlicher<br />

sind als arm sein und jammern.<br />

Ab er wie schon Paracelsus<br />

sagte: Die Dosis macht das<br />

Gift. Und da ich derzeit vor lauter<br />

Tritt in den eigenen Allerwertesten<br />

schon blaue Flecken habe<br />

und in meinem Kopf ein Dauerohrwurm<br />

spukt: „Still, still, still,<br />

weil ich endlich schlafen will …“<br />

(Weihnachtslied etwas abgewandelt),<br />

dämmert mir, dass Handeln<br />

angesagt ist.<br />

Eine kurze Selbstevaluation<br />

zeigt mir Schlafstörungen. Interne<br />

aufgrund von Grübeln und<br />

massiven Nackenschmerzen und<br />

externe aufgrund eines schnarchenden<br />

Katers in unserem Bett.<br />

Die Verleugnung der eigenen Bedürfnisse<br />

ist insofern kein Thema,<br />

als mir im Moment keine Bedürfnisse<br />

einfallen, die ich verleugnen<br />

könnte. Und für den Verlust der Erholungsfähigkeit<br />

kann ich leider<br />

auch nichts. Diese ist irgendwie<br />

zwischen kranken Schwiegereltern,<br />

kaputtgehenden lebenswichtigen<br />

Systemen in Haushalt und<br />

Ordi und der Intensivpflege einer<br />

todkranken Katze (Vergiftung?)<br />

verlustig gegangen.<br />

„Mein Bedürfnis, die Welt zu retten und<br />

es dabei auch noch allen recht zu<br />

machen, bringt mich noch ins Grab.“<br />

Zeit, an mich zu denken<br />

Da nun aber die Schwiegereltern<br />

wieder wohlauf sind, alles Lebenswichtige<br />

repariert und besagte<br />

Katze wieder ein normales Bilirubin,<br />

einen wenigstens unterdurchschnittlichen<br />

Hämatokrit und ein<br />

fast normales Körpergewicht hat,<br />

kann ich endlich anfangen, an<br />

mich zu denken.<br />

Ich weiß ja eh, woran es bei mir<br />

krankt. Da sind einmal die Ansprüche<br />

an die eigene Person und der<br />

mir innewohnende Perfektionismus.<br />

Diesbezüglich bin ich mir<br />

aber noch nicht einmal sicher, ob<br />

ich diesen Teil wirklich loslassen<br />

möchte. Denn immerhin macht er<br />

die Qualität in meiner Arbeit aus.<br />

Und abgesehen von der medizinischen<br />

Qualität will ich, dass es hier<br />

blitzsauber ist, dass die Patienten<br />

möglichst keine Wartezeiten haben<br />

und dass sie rundherum gut versorgt<br />

und auch gegebenenfalls von<br />

uns gut durchorganisiert werden.<br />

Nein, da will ich nicht ansetzen.<br />

Vielleicht erlaube ich mir als<br />

kleines Zugeständnis in der Grippezeit,<br />

dass die Einschubtermine<br />

ein bisschen länger im Wartezimmer<br />

sitzen, ohne dass ich deshalb<br />

ein schlechtes Gewissen bekomme<br />

oder mir vor lauter Hektik<br />

übel wird.<br />

Wo aber dringend angesetzt gehört,<br />

ist die Fähigkeit, mich abzugrenzen.<br />

Das führt mir der heutige<br />

Tag ganz klar vor Augen. Mein Bedürfnis,<br />

die Welt zu retten und es<br />

dabei auch noch allen recht zu machen,<br />

bringt mich sonst ins Grab.<br />

Also bin ich ab heute Ärztin mit<br />

Grenzen.<br />

Die erste Grenze setzen wir bei<br />

neuen Patienten. Natürlich nehmen<br />

wir trotzdem jeden Tag welche.<br />

Weil sie in unmittelbarer<br />

Nähe wohnen oder weil sie in der<br />

Türe stehen und ganz arm sind.<br />

Standhaft bleiben<br />

Heute ruft eine Dame an, ihr<br />

Hausarzt geht in Pension und sie<br />

will einen Termin bei mir. Meine<br />

Assistentin erklärt ihr, dass wir<br />

derzeit keine neuen Patienten<br />

nehmen, vor allem da der Hausarzt<br />

ja noch gar nicht in Pension<br />

ist. Sie wird ein wenig unangenehm<br />

und verlangt, mit mir<br />

zu sprechen. Kein schönes Gespräch,<br />

das folgendermaßen endet:<br />

„Das hab ich ja noch nie gehört,<br />

dass ein Arzt keine Patienten<br />

mehr nimmt, dürfen Sie das überhaupt?“<br />

So wie ich das sehe, hätten<br />

wir beide sowieso keine liebevolle<br />

Beziehung aufgebaut. Und<br />

natürlich droht sie mir, dass die<br />

Sache ein Nachspiel haben wird.<br />

Aber ich bleibe standhaft. Ich will<br />

mich nicht mehr erpressen lassen,<br />

zumal nach meiner leidvollen Erfahrung<br />

da nix Gescheites rauskommt<br />

und im Endeffekt nicht<br />

nur der Arzt, sondern auch der<br />

Patient darunter leidet.<br />

Meine nächste Tat ist es, eine<br />

Pharmareferentin zu vergraulen.<br />

Ich mag die Dame sehr, und als sie<br />

noch mit Antibiotika und später<br />

mit Antidepressiva unterwegs war,<br />

habe ich ihr auch gerne zugehört.<br />

Jetzt vertritt sie aber ein Produkt,<br />

das ich nicht mal erstverschreiben<br />

darf und für das ich einfach nicht<br />

die Patientenzielgruppe habe. Ich<br />

bitte sie um Verständnis, dass ich<br />

diesbezüglich keine Information<br />

haben möchte, auch keine Guidelines<br />

und auch keine tolle Computerpräsentation.<br />

Ich will mich<br />

dafür nicht interessieren müssen<br />

und das bissi Resthirn, das mir an<br />

Tagen wie heute noch übrigbleibt,<br />

gezielt einsetzen. Sie ist bitterböse<br />

auf mich, und fast wäre ich umgekippt<br />

und hätte mir ihr zuliebe die<br />

Präsentationen reingezogen. Aber<br />

heute muss ich lernen, nicht gemocht<br />

zu werden.<br />

So auch von Patientin T., die<br />

drei Minuten vor Ordinationsende<br />

anruft. Sie ist seit einer Woche<br />

krank und möchte heute unbedingt<br />

noch vorbeikommen.<br />

Natürlich fühle ich mich sofort<br />

verantwortlich, schaffe es aber<br />

dann doch, Nein zu sagen. Denn<br />

heute will ich heim und meine Bedürfnisse<br />

suchen. Wer weiß, vielleicht<br />

finde ich ja eines?<br />

MT-INTERAKTIV<br />

Sagen Sie uns Ihre Meinung:<br />

feedback@medical-tribune.at


24<br />

RÄTSEL<br />

<strong>Medical</strong> <strong>Tribune</strong> | Nr. <strong>10</strong> | 6. März <strong>2019</strong><br />

ugs.:<br />

dicker<br />

Bauch<br />

sich<br />

entspannen<br />

(engl.)<br />

Ort im<br />

Seewinkel<br />

Teil des<br />

Herzens<br />

Heilpflanze,<br />

Korbblütler<br />

5<br />

Hautentzündung<br />

der „Vater<br />

Ägyptens“<br />

Zeiteinheit<br />

Abk.:<br />

Medizin<br />

gesetzlich<br />

Wechseltierchen<br />

3<br />

flüssiger<br />

Teil des<br />

Blutes<br />

Männerkurzname<br />

Schluss<br />

spött.:<br />

schöner<br />

Mann<br />

antikes<br />

Volk im<br />

Iran<br />

2<br />

Niesen<br />

nachahmender<br />

Ruf<br />

Teil des<br />

Schafts<br />

antiker<br />

Säulen<br />

Mühsal,<br />

Qual<br />

Verbindung<br />

zwischen<br />

Muskel und<br />

Knochen<br />

das Gegenstück<br />

zum<br />

Yang<br />

(chines.)<br />

spanisch:<br />

Taube<br />

7<br />

japanischer<br />

Kaisertitel<br />

Stadt<br />

der Elfenbeinküste<br />

eingedickter<br />

Fruchtsaft<br />

abweichend,<br />

ungewöhnlich<br />

amerik.<br />

Luftfahrtpionier<br />

† 1954<br />

Computermesse<br />

in<br />

Hannover<br />

(Kurzw.)<br />

Aktion,<br />

Handlung<br />

rechtschaffen,<br />

ehrlich<br />

Pariser<br />

Opernhaus<br />

Verwaltungsbezirk<br />

im MA.<br />

Abscheu<br />

Zeichen<br />

für<br />

Kosinus<br />

6<br />

amerik.<br />

Showstar<br />

(Frank)<br />

† 1998<br />

®<br />

svd2011-288<br />

Ausdehnungsbegriff<br />

ärmelloser<br />

Umhang<br />

Vorname<br />

der US-<br />

Sängerin<br />

Streisand<br />

ind.<br />

Bundesstaat<br />

1<br />

Schlange<br />

in „Das<br />

Dschungelbuch“<br />

Geburtsort<br />

des Dichters<br />

Rosegger<br />

† 1918<br />

zu den<br />

Ohren<br />

gehörend<br />

(Med.)<br />

Stadt<br />

an der<br />

Warthe<br />

(Polen)<br />

2<br />

4<br />

Name<br />

norwegischer<br />

Könige<br />

3<br />

Bogenreihe<br />

Hawaii-<br />

Insel<br />

Kfz-Z.<br />

Indien<br />

4<br />

Meerenge<br />

der<br />

Ostsee<br />

Mutter<br />

(Kosename)<br />

Moralbegriff<br />

eingelegtes<br />

Tierprodukt<br />

Koseform<br />

von<br />

Therese<br />

5<br />

1<br />

(frz.)<br />

altröm.<br />

Göttin<br />

d. Handwerks<br />

Hafenstadt<br />

in<br />

Israel<br />

stark<br />

duftende<br />

Schnittblume<br />

6<br />

7<br />

mild,<br />

sanft<br />

MT-Rätsel<br />

Fast jede Frau ist irgendwann mit altbekannten Killerphrasen wie „Der Pay Gap ist ein Mythos“ oder „Karrieregeile Rabenmutter“<br />

konfrontiert und weiß ihnen oft nichts entgegenzusetzen. Hier will „No More Bullshit – Das Handbuch gegen sexistische Stammtischweisheiten“<br />

(Hrsg. Frauennetzwerk Sorority, Kremayr & Scheriau 2018, ISBN 978-3-218-01134-1) Abhilfe schaffen: Es entlarvt<br />

sexis tische Bullshit-Phrasen und liefert schlagkräftige Gegenargumente. Das Buch gibt gute Denkanstöße und ist witzig illustriert.<br />

Schicken Sie die Lösung per Fax (01/54600-735) oder E-Mail (sekretariat@medizin-medien.at) bis 12. März <strong>2019</strong> an die Redak tion<br />

und gewinnen Sie dieses Buch. – Das Lösungswort aus MT 9 lautet „Atemwege“.<br />

Mit Ihrer Teilnahme akzeptieren Sie unsere AGB und erklären sich damit einverstanden, dass die von Ihnen übermittelten personenbezogenen<br />

Daten für die Durchführung und Abwicklung verwendet und, wie in der Datenschutzerklärung ersichtlich, verarbeitet werden. Die AGB und<br />

Datenschutzerklärung der Medizin Medien Austria GmbH finden Sie auf medonline.at DVR-Nr.: 4007613<br />

■ MEDICAL QUIZ<br />

1. Auf welchem Gelände wurde kürzlich eine<br />

Ignaz-Semmelweis-Statue des ungarischen<br />

Bildhauers Péter Párkányi Raab enthüllt?<br />

□ a MedUni Wien<br />

□ b Semmelweis-Klinik<br />

□ c Ungarische Botschaft<br />

2. Die Ordensschwestern der Elisabethinen<br />

konnten neulich die neu zu ihnen übersiedelten<br />

Abteilungen begutachten, insbesondere ...<br />

□ a ... das mobile Röntgengerät<br />

□ b ... den Inkubator<br />

□ c ... den Da-Vinci-Roboter<br />

3. Bis 29. März kann man sich noch für den<br />

Aufnahmetest zum Medizinstudium anmelden.<br />

Wie viele Studienplätze gibt es im Herbst?<br />

□ a 1.086 Studienplätze<br />

□ b 1.680 Studienplätze<br />

□ c 1.860 Studienplätze<br />

Auflösung <strong>Medical</strong> Quiz: 1 a Die Semmelweis-Universität Budapest schenkte der MedUni Wien die Statue (v.l.n.r.: Anita Heczegh und Staatspräsident Janos Àder, MedUni-Rektor Markus Müller und der Rektor<br />

der Semmelweis-Universität Budapest, Béla Merkely). 2 c Anlässlich der Übersiedlung der Urologie vom Ordensklinikum Linz Barmherzige Schwestern zu den Elisabethinen führt Prim. Dr. Wolfgang Loidl den Ordensschwestern<br />

den Da-Vinci-Roboter vor. 3 b Für das Studienjahr <strong>2019</strong>/20 stehen für Human- und Zahnmedizin insgesamt 1.680 Plätze zur Verfügung, davon 740 an der Medizinischen Universität Wien, 400 an<br />

der Medizinischen Universität Innsbruck, 360 an der Medizinischen Universität Graz und 180 an der Medizinischen Fakultät der JKU Linz.<br />

FOTO: FOTOS: MEDUNI WIEN/ZSOLT MARTON; ORDENSKLINIKUM LINZ/STEFAN ZAUNER; MED UNI INNSBRUCK

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