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6 GYNÄKOLOGIE<br />
<strong>Medical</strong> <strong>Tribune</strong> | Nr. <strong>10</strong> | 6. März <strong>2019</strong><br />
Im Vergleich zum Kaiserschnitt wird<br />
durch die Spontangeburt die positive<br />
Bindungsentwicklung zwischen<br />
Mutter und Kind eher gefördert.<br />
Fortsetzung von Seite 5<br />
▶ Plazentaprobleme, Placenta<br />
praevia<br />
▶ (mehrfache) frühere Sectiones<br />
bzw. Zustand nach größeren<br />
Operationen an der Gebärmutter<br />
▶ Querlage des Kindes<br />
▶ Schädel-Becken-Missverhältnis<br />
▶ Eklampsie<br />
▶ Drillingsschwangerschaften.<br />
▶ Weitere, auch nicht unmittelbar<br />
mit der Geburt zusammenhängende<br />
medizinische Probleme<br />
der Schwangeren oder des Kindes:<br />
▶ BMI ≥ 36<br />
▶ Präeklampsie<br />
▶ Small for gestational age<br />
▶ Infektionsvorbeugung (HIV<br />
etc.) oder<br />
▶ extreme Frühgeburtlichkeit.<br />
Pro und kontra<br />
Kaiserschnitt<br />
Der Kaiserschnitt ist als Operation<br />
mit unmittelbaren Risiken für die<br />
Mutter verbunden: Nachblutungen,<br />
thromboembolische Komplikationen,<br />
Wundheilungsstörung,<br />
Infektionen oder Verletzungen von<br />
Nachbarorganen sowie postoperative<br />
Schmerzen. Dazu kommen die<br />
Trennung vom Kind, gestörte Laktation<br />
mit Stillproblemen, längerer<br />
Spitalsaufenthalt, ein etwaiges<br />
traumatisches Erleben der operativen<br />
Entbindung mit Verlust des<br />
Geburtserlebnisses.<br />
Negative Auswirkungen können<br />
auch das Neugeborene betreffen<br />
und reichen von Narcotic<br />
Hangover, Respiratory Distress<br />
Syndrome bis hin zu fehlendem<br />
Kontakt mit dem mütterlichen<br />
Mikrobiom. Anpassungsstörungen<br />
und Stillprobleme können folgen.<br />
Univ.-Prof. DDr.<br />
Barbara Maier<br />
Wilhelminenspital,<br />
Wien<br />
Als Risiken der Spontangeburt<br />
fallen eine sekundäre Sectio, vaginal-operative<br />
Geburtsbeendigung<br />
durch Vakuum- oder Zangengeburt<br />
sowie Geburtsverletzungen<br />
ins Gewicht. Risiken für das Kind<br />
bestehen in Asphyxie, Kephalhämatom,<br />
Schulterdystokie.<br />
In der „Grundsatzerklärung“<br />
ist auch festgehalten, dass Spontangeburten<br />
(im Unterschied<br />
zum Kaiserschnitt) keine negativen<br />
Auswirkungen auf Folgeschwangerschaften<br />
haben. Bonding<br />
von Mutter und Kind sei bei<br />
einer Spontangeburt ganz anders<br />
möglich.<br />
Wiener Grundsatzerklärung<br />
zur Spontangeburt<br />
Die Stadt Wien möchte den Trend zum Kaiserschnitt<br />
stoppen und die Kaiserschnittrate bis zum Jahr 2025<br />
auf 25 Prozent senken. Das ist auch Teil des Ziel 1 der<br />
Wiener Gesundheitsziele „Von Anfang an gesundheitliche<br />
Chancengerechtigkeit für Kinder und Jugendliche<br />
erhöhen“. In der Grundsatzerklärung sind<br />
Geburt als natürlicher<br />
Prozess<br />
Ausgehend von den medizinisch-statistischen<br />
Hard Facts<br />
hat die Arbeitsgruppe der „Grundsatzerklärung“<br />
in Anlehnung an<br />
das Canadian Joint Statement der<br />
ACOG (American Congress of Obstetricians<br />
and Gynecologists) formuliert,<br />
dass „die Geburt ein natürlicher<br />
Prozess (ist), der von<br />
GeburtshelferInnen und Hebammen<br />
auch so verstanden und vermittelt<br />
werden sollte“ – dies natürlich<br />
vor dem Hintergrund<br />
medizinischer und/oder sozialer<br />
Risiken sowie kultureller Einstellungen<br />
und individueller Merkmale.<br />
Resümierend stellt Maier fest:<br />
„Die Wiener Grundsatzerklärung<br />
zur Erhöhung der Chance auf<br />
Spontangeburt gibt auch wesentliche<br />
Schritte an, wie die Senkung<br />
von Kaiserschnittraten ohne Inkauf<br />
nahme von zusätzlichen Risiken<br />
erfolgen kann.“ Diese Maßnahmen<br />
beinhalten:<br />
▶ Interventionen nur mit medizinischer<br />
Indikation<br />
▶ 1:1-Hebammenbetreuung<br />
▶ Zentrierung von geburtshilflichen<br />
Expertisen, zum Beispiel<br />
im Management von Steißgeburten,<br />
im Management von<br />
Zwillingsgeburten<br />
▶ Commitment zur physiologischen<br />
Geburt und Empowerment<br />
von Frauen schon in der<br />
Schwangerschaftsbetreuung<br />
durch niedergelassene Ärztinnen<br />
und Ärzte<br />
▶ Konzisere Entscheidungsfindung<br />
für einen Kaiserschnitt<br />
über Hilfsmittel wie Mikro blutanalysen<br />
▶ Befolgung der SOP (VBAC – Vaginal<br />
Birth after Caesarean)<br />
▶ Kommunikation der „Philosophie“<br />
und Kompetenz der geburtshilflichen<br />
Abteilung<br />
▶ Kontinuierliches Qualitätsmanagement<br />
von unmittelbaren<br />
Outcome-Daten, aber auch von<br />
Langzeitfolgen.<br />
■<br />
MedMonday der Gesellschaft der Ärzte:<br />
„Weichen stellen für einen guten Start –<br />
Schwangerschaft und Geburt“;<br />
Wien, Dezember 2018<br />
Wiener GrundsatzerklärunG<br />
zur spontanGeburt<br />
Die Chance auf<br />
Spontangeburt erhöhen<br />
Maßnahmen empfohlen zur Unterstützung und Beratung von schwangeren<br />
Frauen sowie für das Gesundheitspersonal und das Gesundheitssystem im<br />
größeren Rahmen.<br />
Sie können das Dokument als PDF hier herunterladen:<br />
https://gesundheitsziele.wien.gv.at/site/wiener-grundsatzerklaerungzur-spontangeburt/<br />
FOTOS: WILHELMINENSPITAL; RAPIDEYE/GETTYIMAGES