Medical Tribune 10/2019

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10 MEDIZIN Medical Tribune | Nr. 10 | 6. März 2019 Mikrobiom und Krebs SERIE ■ Die Zusammensetzung der Mikrobiota des Darms hat nicht nur Auswirkungen auf das Krebsrisiko, sondern auch auf den Erfolg von Immuntherapien. Im Fokus der Forschung stehen vor allem bestimmte Bakterien-Cluster und Biofilme. MIKROBIOM DR. RÜDIGER HÖFLECHNER Folge 12 Welche Rolle spielen die Mikroorganismen des Darms in der Pathogenese kolorektaler Karzinome (CRC)? Auf der einen Seite hat das Mikrobiom eine protektive Funktion und schützt das Kolon durch die Produktion von kurzkettigen Fettsäuren und anderen antiinflammatorischen Metaboliten, die Regulation des Zellwachstums in den Krypten und die Aufrechterhaltung der Integrität der intestinalen Barriere. Zum anderen können Mikrobiota die Krebsentstehung aber auch fördern. In welcher Form sie zur Karzinogenese beitragen, ist allerdings in weiten Teilen noch ungeklärt. Drei Erklärungsversuche Diskutiert werden drei Modelle 1 : Eine Möglichkeit ist, dass einzelne genotoxisch wirkende Bakterien wie E. coli, B. fragilis oder F. nucleatum zu DNA-Schäden im Darmepithel führen. Das zweite Modell geht davon aus, dass das Mikrobiom in seiner Gesamtheit die Krebsentstehung fördert oder bremst. Der dritte hypothetische Mechanismus ist eine Kombination der ersten beiden Modelle: Einzelne selbst nicht toxische Mikroben verändern durch ihr übermäßiges Wachstum die Zusammensetzung des Mikrobioms und beeinflussen damit auch das Krebsrisiko. Auf diese Weise könnte etwa eine durch westliche Ernährung oder Alkoholismus getriggerte Dysbiose die Entstehung von Dickdarmkrebs begünstigen. In den bisherigen Studien zeigt sich ein sehr heterogenes Bild: Es konnte kein einziger Keim identifiziert werden, der in allen Untersuchungen bei Krebspatienten häufiger oder seltener war. Typische Cluster Aufschlussreicher sind Untersuchungen von Bakterien-Clustern: In einer sehr aufwendigen Studie führten irische Forscher bei 99 CRC-Patienten, 103 gesunden Kontrollpersonen und 33 Menschen mit Polypen jeweils fünf Mukosabiopsien durch und untersuchten zusätzlich die Mikrobiota in der Mundhöhle und im Stuhl. 2 Dabei konnten sechs Cluster von Mukosa-Mikrobiota identifiziert werden, die bei CRC-Patienten und Gesunden unterschiedlich stark vertreten waren. Interessant war, dass die Zusammensetzung des Mikrobioms auch zwischen rechts- und linksseitigen Kolonkarzinomen divergierte. Tumorpatienten hatten in gesunden Kolonabschnitten dieselben Mikrobiom-Veränderungen wie im Tumorareal. Sollte sich bestätigen, dass bestimmte Mikrobiota tatsächlich die Karzinomentstehung fördern, könnte das Mikro biom zu einem Ziel für die Prävention und das Management von Kolonkarzinomen werden. Biofilme Dass Bakterien, die sich mit einer schleimigen Matrix aus Bio-Polymeren vor dem Immunsystem und Fazit für die Praxis ▶ Das Mikrobiom von Patienten mit kolorektalen Karzinomen (CRC) unterscheidet sich signifikant von dem gesunder Kontrollpersonen. ▶ Bei rechtsseitigen CRC findet man in einem hohen Prozentsatz Biofilme, die im Mausmodell kanzerogen sind. ▶ Variationen des Mikrobioms können Unterschiede im Therapieerfolg mit Immun-Checkpoint-Inhibitoren erklären. ▶ Die Immuntherapie ist einer der spannendsten neuen Therapieansätze gegen verschiedene Arten von Tumoren. ▶ In den bisherigen Studien konnte kein einziger Keim identifiziert werden, der in allen Untersuchungen bei Krebspatienten häufiger oder seltener war. vor Antibiotika schützen, ein hohes pathogenes Potenzial haben, weiß man unter anderem von dentalen Plaques, chronischen Wunden, chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen und der familiären adenomatösen Polyposis (FAP). Im Kolon können Biofilme in die normalerweise sterile Schleimschicht eindringen, mit dem Epithel interagieren und dadurch eine Reihe von inflammatorischen und immunologischen Prozessen auslösen. Während bei Gesunden Biofilme im Kolon selten und in allen Abschnitten etwa gleich häufig zu finden sind (~ 12 %), steigt der Prozentsatz nachgewiesener Biofilme bei rechtsseitigen Kolonkarzinomen auf 89 %. 3 Im Gegensatz dazu sind CRC im Colon transversum, descendens und Sigmoid meist Biofilm-negativ. Auch die Zusammensetzung der bakteriellen Gemeinschaft dürfte von pathogenetischer Bedeutung sein: Anders als in Biofilmen von FAP-Patienten, die meist von Proteobakterien dominiert werden, geben bei CRC-assoziierten Biofilmen häufig Fusobakterien den Ton an. Als Hinweis auf eine kausale Rolle des Mikroorganismen-haltigen Schleimfilms bei der Karzinomentstehung werten Forscher, dass bei keimfrei und pathogenfrei aufgewachsenen Mäusen mit Biofilmen von CRC-Patienten Kolonkarzinome induziert werden können. Immuntherapie Die Immuntherapie ist einer der spannendsten neuen Therapieansätze gegen verschiedene Arten von Tumoren. Erfolgreich eingesetzt werden Immun-Checkpoint-Inhibitoren u.a. bei Melanomen, nicht-kleinzelligen Lungenkarzinomen, Nierenzellkarzinomen, und Plattenepithelkarzinomen. Allerdings reagieren nicht alle Patienten gleich gut auf die Behandlung mit Antikörpern gegen CTLA-4, PD-1 oder PD-L1. Bisher war man der Meinung, dass für das unterschiedliche Therapieansprechen v.a. genetische Unterschiede zwischen den Patienten verantwortlich seien. Neuere Untersuchungen deuten jedoch darauf hin, dass auch die Zusammensetzung der Darmflora eine entscheidende Rolle spielen dürfte. 4 Das sei ermutigend, meint der amerikanische Molekularbiologe Scott Bultman: „Es ist schließlich leichter, das Mikrobiom zu verändern als das Genom.“ 5 Im Herbst 2018 startete die erste Phase-I-Studie, in der Patienten mit fortgeschrittenen soliden Tumoren zusätzlich zu ihrer Immuntherapie ein lebendes Biotherapeutikum (MRx0518) verabreicht wird. 6 Diskutiert wird auch, inwieweit die Wirksamkeit von Chemotherapien und das Ausmaß der Nebenwirkungen von Tumortherapien ebenfalls durch die Zusammensetzung des Mikrobioms beeinflusst werden. ■ 1 Sears C et al., Cell Host & Microbe 2014; 15: 3117–328 2 Flemer B et al., Gut 2018; 67: 1454–63 3 Drewes J et al., NPJ Biofilms Microbiomes 2017; 3: 34 4 Pitt J et al., Immunity 2016; 44: 1255–69 5 Leslie M, Science 2015; 350: 614–5 6 ClinicalTrials.gov: NCT03637803 7 Drewes J et al., Br J Cancer 2016; 115: 273–80 FOTO: GECKO753/GETTYIMAGES
Medical Tribune | Nr. 10 | 6. März 2019 MEDIZIN 11 Die Rolle der Mikrobiota bei der Vorbeugung, Einleitung, Progression und Therapie von CRC Schutzfunktion des Mikrobioms beim kolorektalen Karzinom (CRC) 1. Mikrobielle Metaboliten: SCFA, Taurine usw. 2. Regulation der Proliferation der Epithelzellen in den Krypten: NLRP6, AIM2 Mikrobielle Auslösung und Progression des CRC 1. Genotoxische Bakterien: Ec (pks), ETBF, E. faecalis 2. Proinflammatorische Bakterien: Ec (pks), ETBF, F. nucleatum, E. faecalis 3. Dysbiose getriggert durch westliche Ernährung, Alkohol, Umwelt 4. Biofilme Mikrobiom und Krebstherapie 1. Effektivität der Chemotherapie 2. Effektivität der Immuntherapie 3. Barrieren-Integritätserhaltung: Stimulation von Darmschleim, AMPs, IGA-Produktion via PRRs und Inflammasome Aktion über verschiedene Signalwege wie NFκB, IL-6, Wnt, STAT3 Phosphorylierung, Th17, Polyamine usw. Bakterien PRR Links: Bakterien haben mehrere Schutzfunktionen gegen CRC, einschließlich Produktion von entzündungshemmenden Metaboliten und der Regulierung der Epithelzellproliferation in den Krypten. Sie spielen eine wichtige Rolle bei der Aufrechterhaltung und Reparatur der Dickdarmepithelbarriere, indem sie kontrollierte angeborene Immunreaktionen durch sogenannte PRRs auf Wirtszellen auslösen. Eine Unterbrechung der PRR-Signalgebung führt zu Verletzungen der Epithelbarriere und zu übermäßiger Entzündung, die die Tumorgenese fördern kann. Mitte: Weitere Wege, auf denen Bakterien die CRC-Tumorgenese initiieren oder fördern können, sind neben direkter Gentoxizität proinflammatorische Wirkungen, die entweder durch spezifische Mikroben, eine dysbiotische Mikrobiota als Ganzes und/oder Kolonbiofilme ausgelöst werden. Rechts: Immunreaktionen auf die kommensalen Bakterien sind wahrscheinlich essenziell für die Wirksamkeit von Chemo- und Immuntherapien. ABBILDUNG MODIFIZIERT NACH: DREWES J ET AL., BR J CANCER 2016;115:273–80 7 ; ALEK KAWKA Kolon-Epithelzellen sind mit der Schleimschicht (dunkelgelb) zum Darmlumen gerichtet. SCFA: kurzkettige Fettsäuren, AMPs: antimikrobielle Peptide (Antibiotika-Wirkung), PRR (Pattern recognition receptor): Rezeptoren, die mögliche schädigende Agens-Muster erkennen und eine Immunantwort starten. Musikalische Hilfe für junge Mütter INITIATIVE „YoungMum“ hat ein neues Zuhause im St. Josef-Krankenhaus in Wien. Bald wird zur Benefiz-Gala geladen. Seit 2003 haben schwangere Teenager in Wien eine Anlaufstelle: Das „YoungMum“-Team, bestehend aus Hebammen, Gynäkologen, einer Psychologin sowie einem Sozial- und Rechtsberater, hilft unentgeltlich und unbürokratisch. Die Jugendlichen werden von der Schwangerschaft bis zum ersten Geburtstag des Babys medizinisch betreut und erhalten soziale und rechtliche Unterstützung sowie 2.000 Mütter wurden von „YoungMum“ bereits betreut. Eva-Maria Scholz, hier mit Tochter Laura, war eine von ihnen. praktische Tipps für das Leben mit Baby. Mit Jahreswechsel ist die Einrichtung mit der Gynäkologie vom Göttlicher-Heiland-Krankenhaus ins St. Josef-Krankenhaus in Hietzing übersiedelt. Im April findet im Metropol die jährliche Benefiz-Gala „Musical Mamis“ statt: Die Musical-, Pop- und Comedy-Show macht gute Laune und kommt der Einrichtung zugute. „Mamis“ wie Monika Ballwein, Caroline Vasicek und Marika Lichter sorgen für Stimmung, aber auch „Papis“ wie Die Gebrüder Moped, Gernot und Reinwald Kranner sowie Alexander Eder („The Voice of Germany“) und viele andere Künstler. RED Musical Mamis 2019 Mittwoch, 10. April 2019, 20 Uhr Wiener Metropol (Hernalser Hauptstraße 55, 1170 Wien) Ticket-Hotline: 01/407 77 407 Eintritt: 30 Euro Spendenkonto St. Josef Krankenhaus GmbH/ YoungMum, Raiffeisenlandesbank Oberösterreich, BIC: RZOOAT2L, IBAN: AT75 3400 0002 0262 9590
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