05.03.2019 Aufrufe

Medical Tribune 10/2019

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

<strong>Medical</strong> <strong>Tribune</strong> | Nr. <strong>10</strong> | 6. März <strong>2019</strong> MEDIZIN 17<br />

auszubauen.“ Für das Team werden<br />

noch Bewerber gesucht*, im<br />

medizinischen Bereich vor allem<br />

Fachärzte für Kinder- und Jugendheilkunde<br />

sowie Fachärzte für Kinder-<br />

und Jugendpsychiatrie, aber<br />

auch Allge meinmediziner. Ein<br />

Hearing im Team sei das Um und<br />

Auf, betont Cavini, „wir wollen<br />

keine Einzel- Player anstellen, wir<br />

müssen als Team funktionieren“.<br />

Beide Häuser bieten mobilisierende<br />

Rehabilitation an – sei es<br />

für Kinder und Jugendliche mit<br />

angeborenen Fehlbildungen und<br />

chronischen Erkrankungen, aber<br />

auch nach Verletzungen wie z.B.<br />

Schädel-Hirn-Traumata oder nach<br />

Operationen komplexer Frakturen<br />

(Indikationen siehe Kasten).<br />

Im Erwachsenen-Bereich schicke<br />

man mittlerweile viele Patienten<br />

automatisch auf Reha, „nun wachen<br />

wir endlich auf und schaffen<br />

ein Angebot für Kinder“.<br />

Momentan sei die Vorstellung<br />

in Fachkreisen verbreitet, dass<br />

man etwa nach einem schweren<br />

Schädel-Hirn-Trauma ein Kind<br />

gar nicht auf Reha schicken brauche,<br />

das sei früher ja auch ambulant<br />

gegangen. „Da müssen wir<br />

gemeinsam dringend an einer<br />

neuen Reha-Kultur für Kinder arbeiten“,<br />

betont Cavini, „damit der<br />

Reha-Aufenthalt Teil der Behandlungs-<br />

und Betreuungskette wird.“<br />

Ein großer Schwerpunkt in<br />

beiden Häusern werden psychosomatische<br />

Störungen sein. „In<br />

Bad Erlach werden wir einen<br />

Schwerpunkt legen auf Säuglinge<br />

und Kleinkinder mit Bindungsund<br />

Regulationsstörungen“, unterstreicht<br />

die Pädiaterin. Das<br />

sei „Präventionsarbeit“, weil auffällige<br />

Kinder später im Jugendlichen-<br />

oder Erwachsenenalter<br />

„psychiatrische Schwerstfälle“<br />

werden können.<br />

Kokon für Kind und Team<br />

Um das Herausragende des medizinisch-therapeutischen<br />

Konzepts<br />

mit dem Namen „Kokon“ zu beschreiben,<br />

holt Cavini etwas aus. In<br />

einem langen und intensiven Prozess<br />

habe ein Kernteam, bestehend<br />

aus den Managementpartnern,<br />

Marketingexperten, Architekten<br />

und medizinisch-therapeutischen<br />

Prim. Dr. Anna<br />

Maria Cavini<br />

Kinder- und<br />

Jugendreha<br />

Bad Erlach<br />

und pflegerischen Fachleuten, die<br />

Marke „Kokon“ entwickelt. Wichtig<br />

sei die Arbeit im multiprofessionellen<br />

Team im Sinne des<br />

bio-psycho- sozialen Modells, unabhängig<br />

von der Diagnose: „Jedes<br />

Trauma am Körper des Kindes<br />

macht natürlich auch ein Trauma<br />

in der Psyche des Kindes.“<br />

Daher stehe das Kind, der Jugendliche<br />

im Mittelpunkt, „nicht<br />

wir als Experten gehen her und<br />

sagen: Das ist der Fahrplan.“ Dieser<br />

werde vielmehr mit dem Kind<br />

und der Familie erstellt: Was sind<br />

momentan eure größten Bedürfnisse?<br />

Wo wollt ihr hin? Was ist<br />

eure größte Motivation, um die<br />

Situation zu verbessern? „‚Kokon‘“,<br />

erklärt Cavini, „stellt den professionellen<br />

Rahmen, die Gegebenheiten<br />

dar. Wir geben Raum zur Entfaltung,<br />

aber bestimmen nicht, wo<br />

der Weg hingeht.“ Das gilt auch für<br />

das Team: „Je besser die Mitarbeiter<br />

sich entfalten können, desto besser<br />

können sie ihre Arbeit am Patienten<br />

verrichten.“<br />

Nicht alles zu „reparieren“<br />

Die Grundidee dahinter: „Mediziner<br />

und Therapeuten von der Vorstellung<br />

wegzuführen, alles reparieren<br />

zu können.“ Essenziell sei,<br />

die neue Situation auch anzunehmen:<br />

„Es nützt nichts, wenn wir<br />

uns nach der Reha bewegen können,<br />

aber ein Leben lang gegen die<br />

Diagnose ankämpfen und mit dem<br />

Trauma oder mit der Familie hadern,<br />

weil wir uns das Leben anders<br />

vorgestellt haben.“<br />

Neu ist laut Cavini auch die Art<br />

der Zusammenarbeit: „Wir gehen<br />

weg von streng hierarchischen<br />

Systemen und Denkweisen.“ Natürlich<br />

brauche es rechtlich eine<br />

kollegiale Führung und klare Regeln<br />

für die Verantwortung. Aber<br />

es gebe keine weiteren Leitungsfunktionen.<br />

Organisatorische<br />

Funktionen in den Sparten seien<br />

aufgeteilt, überbezahlt werde nur<br />

aufgrund von Expertise und sachlicher<br />

Kompetenz im Team. Die Mitarbeiter<br />

würden nach ihren Fähigkeiten<br />

ihr Ziel selber bestimmen,<br />

von dem aus Ko-Kreativität stattfinden<br />

könne und wo sie sich ebenfalls<br />

im Sinne von „Kokon“ entfalten<br />

können. Dabei dürfe man auch<br />

außerhalb der vorgeschriebenen<br />

Rollenbilder arbeiten: „Hat ein Mediziner<br />

z.B. eine Ausbildung im Bereich<br />

der Komplementärmedizin,<br />

kann er diese auch einbringen.“<br />

Kinder redeten beim Bau mit<br />

Erklärtes Ziel ist es, die beste Kinder-<br />

und Jugendreha-Einrichtung<br />

Österreichs zu werden. Wie sie<br />

das erreichen möchte? „Es gilt,<br />

mit entsprechend guten Leuten<br />

zu arbeiten und Bedingungen zu<br />

schaffen, dass sie weitere gute Interessenten<br />

ausbilden“, sagt Cavini,<br />

„daher wollen wir ein interdisziplinäres<br />

Curriculum auf die<br />

Beine stellen und sind gerade mit<br />

der FH Wiener Neustadt in Kommunikation.“<br />

Und natürlich gehe<br />

es „ganz viel“ um die Bedürfnisse<br />

der Kinder und Jugendlichen und<br />

deren Familien.<br />

Dies gilt auch beim Bau der Häuser.<br />

Das Kernteam hat daher schon<br />

am Anfang der Bauphase Fokusgruppen<br />

mit betroffenen Kindern<br />

samt Familien gebildet, um auf deren<br />

Wünsche einzugehen. In diesen<br />

Fokusgruppen waren Kinder,<br />

die in Österreich in Therapie sind<br />

oder mangels Plätze in Deutschland<br />

auf Reha waren. Sie hätten<br />

Reha-Angebot für Kinder<br />

wichtige Impulse gesetzt, „auf die<br />

wir unser Konzept aufbauen und<br />

an dem wir uns auch im weiteren<br />

Verlauf orientieren“.<br />

Ihre Begründung: „Wir Ärztinnen,<br />

Ärzte und die Managementpartner<br />

sind zwar fachliche Experten,<br />

aber lebensgeschichtlich fehlt<br />

uns diese Erfahrung. Das Wissen<br />

über das Leben mit der Krankheit,<br />

den Weg des Therapierens sowie<br />

der Reha bringen die Kinder und<br />

Jugendlichen mit, weil wir nichts<br />

herzaubern können, was nicht als<br />

Potenzial in den Kindern und Jugendlichen<br />

angelegt ist.“ Die Kollegiale<br />

Führung in Bad Erlach ist<br />

übrigens rein weiblich und bringt<br />

jahrelange Expertise im Bereich der<br />

Pädiatrie mit. Die Führungsriege<br />

sei aber bestrebt, ausreichend viele<br />

kompetente Männer als Mitarbeiter<br />

zu finden. Denn eine ausgewogene<br />

Geschlechterverteilung sei für<br />

den Erfolg wichtig.<br />

Krankenstand statt Urlaub<br />

Cavini nimmt jetzt schon das<br />

nächste Ziel in Angriff: Die Anerkennung<br />

von allen Eltern als Patienten.<br />

„Wir kämpfen dafür, dass<br />

z.B. auch Eltern von Kindern mit<br />

schweren Schädel-Hirn-Traumata,<br />

die nachgewiesenermaßen Familienorientierung<br />

brauchen, als Patienten<br />

genehmigt werden.“ Das<br />

Problem: Wenn die Eltern nicht als<br />

Patienten gelten, müssen sie sich<br />

Urlaub nehmen.<br />

■<br />

* Mehr auf: https://kokon.rehab/jobs<br />

In Bad Erlach (114 Plätze plus <strong>10</strong>4 Betten für Begleitpersonen) und in<br />

Rohrbach-Berg (77 plus 67) zugelassene Indikationen:<br />

▶ Erkrankungen, angeborene Fehlbildungen und Folgezustände nach<br />

Verletzungen des Stütz- und Bewegungsapparates sowie Rheumatologie,<br />

▶ nach Verletzungen des zentralen und peripheren Nervensystems,<br />

▶ kinder- und jugendpsychiatrische Störungen und entwicklungs- und<br />

sozialpädiatrische Störungen (z.B. Aufmerksamkeitsstörungen, depressive<br />

Störungen, Angststörungen, soziale Interaktionsstörungen,<br />

Traumafolge störungen, Regulationsstörungen, Bindungsstörungen,<br />

Essstörungen in der Stabilisierungsphase, somatoforme Störungen wie<br />

chronische Schmerzen oder Entwicklungsstörungen).<br />

Zusätzliche Indikationen in Rohrbach-Berg:<br />

▶ Erkrankungen, angeborene Fehlbildungen und Störungen des Herz-<br />

Kreislauf-Systems (inkl. Mitbeteiligung bei systemischen Erkrankungen),<br />

▶ Erkrankungen der Atmungsorgane (inkl. Mitbeteiligung bei z.B. zystischer<br />

Fibrose).

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!