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KUNST ALS KAPITALANLAGE

KUNSTINVESTOR AUSGABE FEBRUAR 2020 Chefredakteur: Michael Minassian

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AUSGABE FEBRUAR 2020
Chefredakteur: Michael Minassian

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KUNST.INVESTOR

LENNART NILSSON - THE BEGINNING

Am 30. April 1965 machte das Life Magazine mit einem

Cover auf, das in die Geschichte eingehen sollte:

Fötus, 18 Wochen hieß das Titelbild des schwedischen

Fotojournalisten Lennart Nilsson (1922–2017) lapidar

und bedeutete eine Sensation. Was bis dato höchstens

eine Handvoll Wissenschaftler und Mediziner erblickt

hatte, wurde nun in Farbe und brillanter Schärfe bis ins

Detail für die breite Öffentlichkeit sichtbar: das Leben

vor der Geburt. In Kooperation mit dem Nachlass des

Fotografen zeigt WestLicht rund 100 von Nilssons

Arbei- ten erstmals in einer umfangreichen Ausstellung.

Die Gesamtauflage des Life Magazine von 8 Millionen

war binnen weniger Tage vergriffen, der Titel blieb die

am schnellsten verkaufte Ausgabe in der Geschichte

der Zeitschrift, vor der Mondlandung und dem

Kennedy- Attentat. Der Stern publizierte die Bilder

ebenso wie Paris Match. Noch im selben Jahr

veröffentlichte Nilsson mit A Child is Born eine

erweiterte Version des Life Bildessays als Buch für

werdende Eltern – ein Bestseller bis heute, der in 20

Sprachen übersetzt und in bislang sechs Auflagen über

50 Millionen Mal verkauft wurde.

Auch 55 Jahre später in heutigen Zeiten von 3D-

Ultraschall faszinieren die Bilder, entstanden weit vor

dem allgemeinen Einsatz der Sonografie in der

Geburtsvorbereitung in den 1970er-Jahren, durch ihre

frappierende Detailfülle und Qualität. Nilsson hatte seit

den 1950er-Jahren an den Aufnahmen gearbeitet,

ausgerüstet mit Spezialkameras, Linsen und

Endoskopen, die Firmen wie Zeiss oder Jungers

Optiska für ihn und mit ihm ent- wickelten. Über die

technische Pionierleistung hinaus ist es aber vor allem

der kaum zu überschätzende kulturelle Ein- fluss, der

die Bilder zu Meilensteinen der Fotografie im 20.

Jahrhundert macht. im Alleingang haben sie die

populäre Vorstellung vom Wachstum eines Kindes im

Mutterleib geprägt – unabhängig von der Tatsache,

dass nur ein Teil der Fotografien tatsächlich in utero

entstand und es sich bei der Mehrzahl der Aufnahmen

um vorzeitig beendete Schwangerschaften handelt. Die

Bilder und ihre eigene Ästhetik – der zerbrechliche, fast

transparent erscheinende Fötus, der ruhig vor einem

dunklen Hintergrund zu schweben scheint – trafen

gera- de in einem von Umbrüchen zerrissenen

Jahrzehnt wie den 1960ern einen Nerv: als Ikonen

eines universellen Humanismus und als Dokumente

eines noch weitgehend intakten Fortschrittsoptimismus.

Schließlich wurden mit ihrer Publikation

Schwangerschaft und pränatale Entwicklung mit einem

Mal zum öffentlichen Diskussi- onsgegenständen und

es dauerte nicht lang, bis die Bilder von der Pro-Life-

Bewegung gekapert wurden, eine Verwendung, gegen

die sich Nilsson freilich stets gewehrt hat. Foto: ©

WestLicht

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