FOCUS_19_Puma
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WIRTSCHAFT<br />
Björn Gulden lebt<br />
gerade in Extremen.<br />
Da sorgt er<br />
sich um <strong>Puma</strong>-<br />
Mitarbeiter in<br />
der Ukraine, aber<br />
auch in Russland.<br />
Dann aber fliegt der Norweger<br />
in die USA und trifft Hip-<br />
Hop-Milliardär Jay-Z. Seit<br />
Gulden Chef ist, gedeiht der<br />
Sportkonzern aus Herzogenaurach<br />
jedenfalls prächtig:<br />
der Umsatz so hoch wie nie,<br />
die Nachfrage nach Sneakern<br />
riesig. Aber wie geht’s weiter<br />
in solchen Kriegszeiten?<br />
Herr Gulden, bislang rüstete<br />
<strong>Puma</strong> die russische Basketball-Nationalmannschaft<br />
ebenso aus wie Schachtar<br />
Donezk, den wichtigsten<br />
Fußballklub der Ukraine. Was<br />
bedeutet der Krieg zwischen<br />
den beiden Ländern für <strong>Puma</strong>?<br />
Zumindest in Russland<br />
wurden alle Verträge suspendiert.<br />
Da gibt’s aktuell also<br />
keine Grundlage für irgendein<br />
Sponsorengeschäft.<br />
Anders als andere Unternehmen<br />
hat <strong>Puma</strong> seine Shops in<br />
Russland nur bis auf Weiteres<br />
geschlossen. Hoffen Sie auf Entspannung?<br />
Die Forderung, sich von so einem Land<br />
zu trennen, hört sich schön einfach an.<br />
Aber wir tragen dort Verantwortung für<br />
130 Shops und vor allem 1300 Beschäftigte.<br />
Die gehören zu unserer <strong>Puma</strong>-Familie.<br />
Also müssen wir ihnen eine gewisse<br />
Sicherheit und Perspektive geben.<br />
Sie zahlen die Gehälter weiter?<br />
Ja. Und wir kümmern uns zudem um<br />
Fortbildungskurse und andere Incentives,<br />
um unsere Leute aktiv zu halten. Übrigens<br />
haben wir hier in Herzogenaurach<br />
auch ein Dutzend russische Mitarbeiter.<br />
Die können ja nichts für den Konflikt.<br />
Wie helfen Sie Ihren Beschäftigten<br />
aus der Ukraine?<br />
Wir haben ein altes Sanatorium zu<br />
einem „Safe House“ umgestaltet, in dem<br />
Platz für 300 Menschen ist, zunächst mal<br />
Frauen und Kinder. Auch Kolleginnen von<br />
Adidas wurden schon aufgenommen. Zurzeit<br />
haben wir 113 Ukrainer hier in Erlangen,<br />
wo wir Wohnungen für sie angemietet<br />
haben. Manche arbeiten schon bei<br />
uns. Einige unserer Leute sind außerdem<br />
mehrfach mit Kleinbussen in<br />
die Ukraine gefahren – auf<br />
dem Hinweg mit Lebensmitteln,<br />
auf dem Rückweg mit<br />
evakuierten Menschen. Das<br />
rührt mich schon.<br />
Wollen Sie sich als Vorstandschef<br />
politisch positionieren?<br />
Müssen Sie es?<br />
Weder noch. Ich habe mit<br />
Politik nichts zu tun, sondern<br />
ich verkaufe Schuhe.<br />
Selbst russische Sportler<br />
ergreifen Partei …<br />
… und alle müssen selbst<br />
wissen, was sie tun. Ich würde<br />
nur davor warnen, russische<br />
Sportler unter Druck zu<br />
setzen, sich irgendwie zu positionieren.<br />
Immerhin leben viele in ihrem Heimatland.<br />
Da kann ich aus dem Westen leicht<br />
Statements einfordern. Natürlich finde<br />
ich diesen Konflikt unfassbar schlimm.<br />
Es ist auch für uns Europäer eine Niederlage,<br />
dass an unserer Ostgrenze nun<br />
so viele Menschen sterben müssen. Es<br />
»<br />
Auch Boris<br />
Becker<br />
bleibt ein<br />
Teil der<br />
<strong>Puma</strong>-<br />
Familie<br />
«<br />
Björn Gulden,<br />
<strong>Puma</strong>-Chef<br />
ist aber nicht so leicht, den<br />
Helden zu spielen, wenn man<br />
mittendrin steckt.<br />
Hat sich die Idee vom Wandel<br />
durch Handel erledigt?<br />
Das denke ich nicht. Aber<br />
was da falsch gelaufen ist,<br />
will ich nicht beurteilen. An<br />
zu wenig sportlichem Austausch<br />
kann es nicht gelegen<br />
haben. Die Russen hatten<br />
zuletzt Olympische Winterspiele,<br />
die Leichtathletik- so -<br />
wie die Fußball-Weltmeisterschaft,<br />
die Formel 1.<br />
Kann man als globale Sportmarke<br />
die Politik ignorieren?<br />
Das Schöne an unserem<br />
Job: Sport ist vielleicht der<br />
größte Brückenbauer der<br />
Welt. Ich bin schon aus Prinzip<br />
für einen stets freien<br />
Austausch von Menschen und<br />
Waren. Zugleich habe ich Riesenrespekt<br />
vor anderen Kul -<br />
turen, die das teils nicht alle<br />
so sehen wie wir und sich<br />
trotzdem unfassbar entwickelt<br />
haben. Schauen Sie<br />
nur, wie sich China in den vergangenen<br />
Jahrzehnten verändert<br />
hat!<br />
Welche Folgen haben die<br />
drastischen Corona-Lockdowns,<br />
die China aktuell<br />
wieder verhängt hat?<br />
Das kann ich noch nicht<br />
genau sagen. Unser Büro dort<br />
ist seit rund sechs Wochen<br />
geschlossen – wie die ganze<br />
Region. Die Leute sitzen<br />
zu Hause und können nicht<br />
raus, können also auch kaum<br />
einkaufen oder gar shoppen<br />
gehen. Die Produktion läuft.<br />
Aber jetzt macht der Schiffsverkehr<br />
Probleme.<br />
<strong>Puma</strong> ist Mitglied einer<br />
Industrievereinigung, die<br />
vergangenes Jahr ankündigte,<br />
wegen der Menschenrechtslage<br />
in der Provinz Xinjiang von<br />
dort keine Baumwolle mehr beziehen zu<br />
wollen. Daraufhin wurden Sie und andere<br />
Konzerne boykottiert. Was lernen Sie daraus?<br />
Dass man lieber mal die Klappe hält?<br />
Die chinesischen Kunden wollten ja<br />
unsere Produkte kaufen. Und das tun sie<br />
mittlerweile auch wieder. Was Menschenrechte<br />
angeht, hat sich in China schon<br />
Fotos: Maria Bayer für <strong>FOCUS</strong>-Magazin, dpa<br />
60 <strong>FOCUS</strong> <strong>19</strong>/2022