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Es ist vielleicht nicht üblich etwas<br />
Persönliches zu schreiben, aber in vielen<br />
Artikeln berichtete ich über Erlebnisse, die<br />
mein Bruder Roland und ich gemeinsam<br />
unternahmen.<br />
Zahlreichen Lesern war er bekannt. Sie<br />
haben ihn an meinen elsässischen<br />
Veranstaltungen am Stoeberplatz, im<br />
Historischen Weinkeller des Bürgerspitals,<br />
rund ums Münster und anderswo gesehen,<br />
als er glücklich und stolz zum Ereignis<br />
passende Dokumente verteilte, deren Texte<br />
von mir, aber die elegante Ausführung von<br />
ihm stammten. In einer Ecke der letzten<br />
Seite steht diskret „RL“ mit der Jahreszahl.<br />
DAS UNTERHALTUNGSBLATT IN DEN DNA<br />
Fast 300 Artikel sind in 15 Jahren entstanden<br />
und Roland hat sie sorgfältig in Ordnern<br />
klassiert. Er hat auch alle Texte im Internet<br />
gespeichert und am Tag nach der<br />
Veröffentlichung in ein Format gebracht, das<br />
erlaubte, leicht Fotokopien zu machen, die<br />
wir in die ganze Welt verschickten.<br />
Als ich ihm im Krankenhaus am Sonntag, den<br />
18. Februar den Artikel über die „nutzlose<br />
Stopfkugel“ zeigte, freute er sich und sagte<br />
„lege mir die Zeitung auf mein Bureau neben<br />
den Computer, ich will das Bild verkleinern“<br />
Und dann fragte er „über was schreibst du<br />
das nächste Mal? Über’s Spital ?“ und lachte.<br />
Weder er noch ich dachten, dass er am<br />
folgenden Tag, am Montag, den 19 Februar<br />
friedlich für alle Ewigkeit einschlafen, sein<br />
großes Allgemeinwissen und seine<br />
professionellen Kapazitäten in allen Sparten<br />
die Computer betreffend an einen Ort<br />
mitnehmen würde, der uns für so viele<br />
offene Fragen unzugänglich ist.<br />
SEINE BLUMENZWIEBELN<br />
Zur Freude aller Passanten und sich selbst,<br />
pflanzte er jeden Herbst zahlreiche<br />
Blumenzwiebeln, die nun ohne ihn blühen,<br />
und die bewundernden Passanten wissen<br />
nicht, dass der Gärtner jetzt in einem fernen<br />
Garten ruht.<br />
DAS RECHT DES FAMILIENÄLTESTEN<br />
In unseren Familien, ist es das Recht des<br />
Familienältesten den Tannenbaum zu<br />
ES WAR EINMAL EINE KRISTALLDAME<br />
Jeanne LOESCH STRASBOURG<br />
8<br />
schmücken. So wie es Papa tat, so tat es<br />
auch Roland.<br />
Als am 13. Dezember, das kleine Köfferchen<br />
gepackt war, sagt er mir „ich ruhe mich noch<br />
aus und nehme später den Tram und den<br />
Bus zur Klinik. Geh heim, hesch so viel ze<br />
schaffe“<br />
Ahnungslos verließ ich seine Wohnung. Am<br />
Abend rief er an und alles war in Ordnung.<br />
Die große Operation fand am 14. Dezember<br />
statt und als ich morgens in seine Wohnung<br />
kam, stand der geschmückte Tannenbaum<br />
an der altgewohnten Stelle. Deshalb wollte<br />
er, dass ich nach Hause gehe, damit er den<br />
Baum schmücken konnte, weil er wusste,<br />
dass er am Christabend in der Klinik sein<br />
würde. Gern hätte ich sofort per Telefon<br />
meine Rührung und meine Freude Roland<br />
bekannt gegeben, aber zu jenem Moment lag<br />
er auf dem Operationstisch. Diese liebe<br />
große aufmerksame Überraschung zeigt,<br />
welch festes dickes Band uns verbindet !<br />
MEIN VIEL JÜNGERER BRUDER<br />
Seit Tagen geht mir das Lied „Ich hatt’einen<br />
Kameraden, einen besseren find’st du nit… er<br />
ging an meiner Seite, in gleichem Schritt und<br />
Tritt“ nicht aus dem Sinn. Jeder wohnte für<br />
sich, aber wir erlebten so viel Gemeinsames<br />
und jeder sorgte sich für den anderen.<br />
Kurz nach meiner feierlicher Kommunion kam<br />
Roland auf die Welt und schon als kleiner<br />
Stups nahmen wir ihn mit auf Reisen. Als<br />
Erwachsene flogen wir gemeinsam um die<br />
Welt. Reisen, die oft Anlass zu Artikeln im<br />
Unterhaltungsblatt wurden, wie die 100.<br />
Jahrfeier der Olympischen Spiele zu Ehren<br />
von Baron de Coubertin, der sich nur diese<br />
Spiele leisten konnte, weil seine Frau aus<br />
einer sehr reichen elsässischen Familie<br />
stammte, als wir mit 150 Elsässern durch<br />
Athen marschierten und auf der Ehrentribüne<br />
im Stadion reservierte Plätze hatten.<br />
Wir waren auch die „letzten Besucher im Museum<br />
von Dr Barnes“ in Philadelphia als wir<br />
im eisigen Jahrhundert-Blizzard stecken<br />
blieben und in Washington dem Präsidenten<br />
Clinton beim Irländer-Fest die Hand geben<br />
durften.