13 novembre 2008 - Guy Laffaille
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«Symphonie für eine Tenor- und eine Altstimme und Orchester»<br />
komponiert hatte. Zugleich wendete er die Haupttonart d-moll<br />
von Beethovens und Bruckners letzten Symphonien in seiner<br />
eigenen Neunten nach D-Dur, der Tonart seiner zwanzig Jahre<br />
früher entstandenen Ersten Symphonie. Nach den fünf-, sechs- oder<br />
nur zweisätzigen Vorgängerwerken findet Mahler in seiner Neunten<br />
wieder zur klassischen Viersätzigkeit zurück, mit einem Kopfsatz<br />
in Sonatenform und einem Scherzo als zweiten Satz. Er wendet<br />
den Sonatenzyklus jedoch völlig neu, indem er die sonst übliche<br />
Reihung von drittem und viertem Satz umkehrte und das Werk<br />
nach einem Rondo mit einem großen Adagio beschließt, wie es<br />
vor ihm Tschaikowsky in seiner Sechsten Symphonie «Pathétique»<br />
und er es selbst bereits in seiner Dritten Symphonie getan hatte. Der<br />
schon von Tschaikowsky und Bruckner stärker gewichtete Form<br />
des Adagios verlieh er mit der Satzfolge langsam – schnell –<br />
schnell – langsam ihre im symphonischen Zyklus angemessene,<br />
sowohl exponierende als auch überhöhende, summierende und<br />
abrundende Position als Kopfsatz und Finale.<br />
Von musikhistorischer Tragweite ist Mahlers Neunte Symphonie,<br />
weil hier alle Themen aus einer elementaren musikalischen Substanz<br />
entfaltet werden und dieses Kompositionsverfahren wenig<br />
später für die Wiener Schule maßgeblich wurde, namentlich für<br />
die musikalischen Miniaturen Anton Weberns. Die ersten sechs<br />
Takte des Kopfsatzes sind beispielhaft für die Dichte und Prägnanz<br />
des Verfahrens. Alle Elemente und ihre Varianten sind hier<br />
von Bedeutung. Den Anfang macht ein Leitrhythmus aus punktierten<br />
und synkopierten Vierteln im Horn auf gleich bleibender<br />
Tonhöhe. Als zweites exponiert die Harfe – jetzt bei gleich bleibender<br />
Rhythmik – ein Motiv aus aufsteigender kleiner Terz und<br />
abfallender großer Sekunde, eine Viertonfigur, die thematisch<br />
dem rückwärts gespielten Zentralmotiv aus dem Lied von der Erde<br />
entspricht. Tatsächlich wurde vielfach behauptet, die Symphonie<br />
N° 9 beginne da, wo das Lied von der Erde ende, mit dem Abschied.<br />
Das dritte Motiv ergibt sich nachgerade folgerichtig als Kombination<br />
aus dem bisherigen Rhythmus- und Viertonmotiv in<br />
intervallischer Spreizung zur auf- und absteigenden Quart-Quint-<br />
Figur, die vom Horn im Forte geblasen und gestopft zugleich eine<br />
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