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13 novembre 2008 - Guy Laffaille

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Das Umschlagen vom Kopfsatz zum zweiten Satz könnte nicht<br />

schroffer sein. Das gleiche gilt vom Wechsel der irrwitzig rasenden<br />

Rondo-Burleske zum Schlussadagio. In der Symphonik vor Mahler<br />

sind diese Gegensätze ohne Beispiel. Das in seiner motivischen<br />

Substanz ganz auf Einheit angelegte Werk zerfällt in expressive<br />

Extreme. Ursprünglich überschrieb Mahler den zweiten Satz<br />

«Menuetto infinito», wohl wegen der Konzeption als ein zu irrealen,<br />

phantasmagorischen Dimensionen immer weiter und<br />

weiter ausgesponnener Tanz. Das Durchführungsscherzo basiert<br />

auf drei Themengruppen: gemächlichem Ländler, raschem Walzer<br />

und ganz langsamem Ländler. In der Art und Weise, wie diese<br />

Themen das von ihnen beschworene Idiom zitieren und wie sie<br />

zugleich de-komponiert, neu zusammengesetzt und mit den<br />

Tempi der jeweils anderen Themen kombiniert werden, nannte<br />

Adorno den «ersten exemplarischen Fall musikalischer Montage,<br />

Strawinsky vorwegnehmend». Willem Mengelberg hob die<br />

«grimmige Lustigkeit» des Satzes hervor. Tatsächlich hat die überdrehte<br />

Raserei etwas von der pathologischen, nicht zu bremsenden<br />

Redseligkeit von Verzweifelten, Gequälten oder Geschockten.<br />

Der verhetzte Walzer wird erneut vom Leitmotiv der fallenden<br />

Sekunde bestimmt und gerät mit seinem desperaten Übermut<br />

zum Totentanz, der am Schluss in seine Einzelteile zerflattert.<br />

Der dritte Satz, Rondo-Burleske, macht sich lustig über das, was<br />

ihn zusammenhält: die Rondo-Form, die normalerweise einem<br />

eher homophonen Satz entspricht, hier aber bis zum Irrwitz mit<br />

polyphonem Rankenwerk überfrachtet wird; den akademischen<br />

Kontrapunkt, der mit Pseudofugen und hysterischen Engführungen<br />

parodiert wird und den Mahler – wie Wagner in den Meistersingern<br />

– humoristisch mit Schulmeisterei, Borniertheit und Zopfigem<br />

assoziierte. Immer wieder spielen sich schlichte Begleitfiguren<br />

so in den Vordergrund, dass sie zu Hauptthemen werden und<br />

sich eigene Begleitungen suchen, die dann ihrerseits die Oberhand<br />

gewinnen und an die Stelle des Themas treten. Gewidmet<br />

hat Mahler den Satz «meinen Brüdern in Apoll», vermutlich um<br />

den Meistern der abendländischen Polyphonie zu gedenken.<br />

Schließlich ist die Rondo-Burleske eine derbe Posse über die<br />

seelenvollen Hauptthemen des Finales, deren Tonvorrat sie bis<br />

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