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Spectrum #5 2018

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UNILEBEN<br />

Eine Mensa für alle? Über fehlendes Entgegenkommen<br />

und spürbare Distanzierung<br />

Weshalb ist Picknicken verboten? Was, wenn man sich vegan oder glutenfrei ernährt? Fragen, die einen<br />

zweifeln lassen, ob die Universität Freiburg den Bedürfnissen und Ansprüchen der Studierenden gerecht<br />

wird.<br />

©Foto: Valentina Scheiwiller<br />

ALICA WENGER<br />

Die Uni-Mensa ist ein Begegnungsort,<br />

eine Art Ruheoase im hektischen<br />

Unialltag. Zumindest sollte sie das sein.<br />

Wie vielerorts, wird auch die Mensa der<br />

Universität Freiburg gut und gerne von<br />

Studierenden wie auch den Lehrpersonen<br />

besucht. Setzt man sich hier an<br />

einen der vielen Esstische, so wird eines<br />

ganz schnell klar: Picknickerinnen und<br />

Picknicker sind unerwünscht. Sollte<br />

man nun ungünstigerweise als einzige<br />

Person des Freundeskreises zur Billigvariante<br />

– hausgekochten Spaghetti und<br />

Tupperware – gegriffen haben, so wird<br />

man wohl oder übel gezwungen sein,<br />

den Mittag alleine ausserhalb der Mensamauern<br />

zu verbringen.<br />

Picknicken strengstens verboten<br />

Wo solch eine Situation früher durch<br />

aufmerksame Blicke und ein Quantum<br />

Apathie umgangen werden konnte, fuhr<br />

das Mensa-Management diesen Sommer<br />

neue, unübersehbare Geschütze<br />

auf. Schon länger gilt in der Mensa ein<br />

striktes Picknick-Verbot. Zu Semesterbeginn<br />

erreichte die Tupperware-Verachtung<br />

jedoch ein neues Hoch. Anstelle<br />

der üblichen Denkzettel starrte man<br />

am Pérolles 90 nun auf ein überdimensionales<br />

Verbotsschild. Eine dominantes<br />

rotweisses „Pic-nic interdit“ überdeckte<br />

plötzlich das herkömmliche Grau der<br />

Cafeteria-Tische. Die Ära der aggressiven<br />

Esstische war aber nicht von langer<br />

Dauer. Die radikale Massnahme sorgte<br />

schnell für Aufsehen. Nach einem Bericht<br />

in La Liberté, der frankophonen<br />

Lokalzeitung, erfolgte eine Rücktransformation<br />

in die altbekannten grauen<br />

Cafeteria-Tische.<br />

Vorliegende Gegebenheiten bilden unter<br />

Studierenden bereits seit geraumer<br />

Zeit Gegenstand hitziger Alltagsdiskussionen.<br />

Als besonders prekär werden<br />

dabei die Umstände im Universitätsgebäude<br />

Miséricorde empfunden. Hervorzuheben<br />

ist unter anderem das ständige<br />

Kontrolllaufen des Aufsichtspersonals<br />

durch die Tischreihen. Werden Tupperware<br />

und Besitzerin oder Besitzer<br />

entdeckt, so folgt die direkte Aufforderung<br />

zum Verlassen des Saales. Ob es<br />

sich um eine Einzelperson inmitten von<br />

zahlenden Konsumentinnen und Konsumenten<br />

oder um eine ganze Gruppe<br />

von Picknickerinnen und Picknickern<br />

handelt, scheint nicht relevant.<br />

Vielfältige Essgewohnheiten<br />

Tatsache ist, dass das tägliche Mittagessen<br />

einen nicht unbedeutenden Betrag<br />

des monatlichen Budgets umfassen<br />

kann. Nicht alle haben die finanziellen<br />

Mittel, um sich regelmässig ein Menü<br />

von mindestens 7,10 Franken leisten zu<br />

können. Doch das Geld ist nur einer von<br />

vielen Aspekten, die ein Mittagessen<br />

in der Mensa verunmöglichen können.<br />

Heutzutage leiden viele Menschen an<br />

Unverträglichkeiten. Dass eine Mensa<br />

den spezifischen Bedürfnissen gerecht<br />

wird, ist dementsprechend realitätsfremd.<br />

Als auf Gluten allergische, laktoseintolerante<br />

oder vegane Person ist<br />

man also mehrheitlich darauf angewiesen,<br />

sich individuell und angepasst zu<br />

ernähren. Das resultiert oftmals in der<br />

Eigenpräparation von Mahlzeiten. Ernährt<br />

man sich folglich anders als es<br />

der Norm entspricht, so wird man nicht<br />

nur von der Cafeteria, sondern indirekt<br />

auch vom Zugang zu sozialen Kontakten<br />

ausgeschlossen.<br />

Wie sieht es bei anderen Universitätsmensen<br />

aus?<br />

Im direkten Vergleich zeigen sich Universitäten<br />

wie Zürich, Basel oder Bern<br />

durchaus toleranter. Schnell wird erkennbar,<br />

dass anderorts viel mehr<br />

auf die Bedürfnisse und Wünsche der<br />

Studierenden eingegangen wird. Wo<br />

das Mitbringen von selbstgemachtem<br />

Essen nicht gefördert wird, wird es immerhin<br />

geduldet. An der Uni Freiburg<br />

derzeit ein unvorstellbares Szenario.<br />

Der Grund dafür ist wohl folgender:<br />

Anders als an anderen Universitäten<br />

wird unsere Mensa nicht vom Staat<br />

subventioniert, sondern ist im Grunde<br />

ein Privatunternehmen, welches direkt<br />

mit der Universität unter Vertrag steht.<br />

Ein Argument, von dem auch das Cafeteria-Personal<br />

bei direkter Konfrontation<br />

Gebrauch macht.<br />

Dennoch bleiben gewisse Tatsachen<br />

unverständlich. Trotz einer klaren Distanzierung<br />

des Unternehmens von der<br />

Universität befinden sich die Standorte<br />

direkt auf dem Universitätsareal. Auch<br />

sind die Restaurants ganz deutlich als<br />

Universitätsmensen gekennzeichnet<br />

und präsentieren ihre Tagesmenüs auf<br />

der offiziellen Webseite der Uni.<br />

Möglicherweise ist der Kern des Problems<br />

nicht die fehlende Kompromissbereitschaft<br />

des Unternehmens,<br />

sondern vielmehr die Passivität der<br />

Universität, welche sich auch im Mangel<br />

an alternativen Ess- und Sitzgelegenheiten<br />

zeigt.<br />

Wo bleibt die Unterstützung? Wo bleibt<br />

unsere „Mensa für alle“?<br />

11.<strong>2018</strong><br />

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