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4 DOSSIER: ??? Mobbing PSYCHOSCOPE 10/2011 X-X/200X Dossier Mobbing Auf Erwachsene muss Verlass sein Mobbingprävention im Kindergarten und in der Schule Die Berner Psychologin Prof. Dr. Françoise D. Alsaker hat die Mobbingforschung und -prävention durch ihren Fokus auf das Kindergartenalter international geprägt. Anhand des Berner Programms gegen Mobbing, «Be-Prox», diskutiert die Autorin in ihrem Psychoscope-Beitrag sechs zentrale Schritte in der Arbeit gegen Mobbing. In den 1990er-Jahren war der Begriff Mobbing noch nicht Bestandteil des deutschsprachigen Wortschatzes. Heute kennen bereits viele Schulkinder dieses Wort. Dennoch wird Mobbing bis heute oft zu spät erkannt. Dieser Artikel fasst die Forschungsresultate und wichtigsten Schlussfolgerungen zu Mobbing im schulischen Umfeld zusammen und präsentiert ein aktuelles Präventionsprogramm. Mobbing – ein Gruppenphänomen Mobbing im schulischen Umfeld wird von der aktuellen Forschung als ein aggressives Verhalten definiert, das von einem oder mehreren Schulkindern ausgeht und über längere Perioden, von Wochen bis zu Jahren, systematisch gegen ein bestimmtes Kind gerichtet wird. Da zumeist einzelne Schüler und Schülerinnen die ursprünglich mobbenden Kinder direkt unterstützen, entwickelt sich das Mobbing rasch zu einem komplexen Gruppengeschehen.
Foto: © Vlad − Fotolia.com Mobbing wird somit auch von den nicht direkt involvierten Schülerinnen und Schülern einer betroffenen Gruppe direkt und indirekt verstärkt. Zur Gruppe gehört zudem auch die Lehrperson, die, wie alle anderen – gewollt oder ungewollt – eine wichtige Rolle beim Verhindern oder Aufrechterhalten von Mobbingprozessen innehat. Die Konsequenz: • Die Lehrperson muss eine zentrale Stellung im Umgang mit Mobbing einnehmen und ihre Handlungsfähigkeit gegen Mobbing muss gestärkt werden; • Alle Kinder müssen in die Arbeit gegen Mobbing einbezogen werden. Mobbing – eine Machtdemonstration Für Präventions- und Interventionsziele wichtig zu verstehen ist als Erstes, dass Mobbing mit «normalen» Konflikten nichts gemeinsam hat – auch wenn einzelne Mobbingfälle nach einem Konflikt zwischen Schulkindern entstehen können. In Mobbingsituationen streiten die Beteiligten nicht um eine Sache, wie es in Konflikten der Fall ist: Mobbing ist eine reine Machtdemonstration und von Ungleichgewicht geprägt. Mobbende wollen Erfolg haben. Dieser Erfolg ist dadurch programmiert, dass sie ihren Opfern zahlenmässig überlegen sind. Oft wählen Mobber zudem Kinder als Opfer aus, von denen sie wenig Gegenwehr erwarten und/oder die keine Freunde in der Klasse haben, die sie verteidigen könnten. Daraus folgt: • Opfer brauchen die Hilfe ihrer Mitschüler und der Erwachsenen; • Das Verstärkungssystem um die Mobbenden muss aufgelöst werden. Mobbing – die Kunst des Vertuschens Zu Mobbingzwecken können alle Formen von aggressivem Verhalten verwendet werden, d.h., physische, verbale, non-verbale und sozial-aggressive Formen. Dabei ist die Unterscheidung zwischen direkten Handlungen, bei welchen die Täterschaft offensichtlich ist, und indirekten Formen wie z.B. Gerüchten, bei welchen es nicht immer eine klare Konfrontation gibt, sehr wichtig. Gerade die unterschwelligen (z.B. Gesten und paraverbale Formen) und sozial-aggressiven Formen (z.B. das Ausgrenzen oder Ignorieren) spielen bei Mobbing eine zentrale Rolle. Direkte Formen werden meistens ausser Sichtweite der Erwachsenen ausgeführt, an unübersichtlichen Orten oder auf dem Schulweg, oder sie werden so durchgeführt, dass sie sich umdeuten lassen. So täuschen die Mobber Unschuld vor, indem sie Unfälle oder Versprecher vorspielen oder zweideutige Gesten anwenden. Mobber können auch sehr subtile, für Erwachsene nur schwierig einzuordnende Vorgehensweisen verwenden, beispielsweise wenn sie das Opfer durch kaum erkennbare Handlungen provozieren. In der Folge nimmt die Lehrperson die Reaktion des Opfers wahr und ermahnt wiederum dieses für sein unangemessenes Verhalten. Solche subtilen Provokationen führen oft gar dazu, dass Lehrpersonen ein gewisses Verständnis für die Handlungen der Mobber haben. Das heisst, dass Lehrpersonen durch die Mobber regelrecht manipuliert werden. Dass Mobber im Allgemeinen manipulierend auftreten, ist ein reliabler empirischer Befund. Mobber verwenden auch häufig soziale Aggression, während andere aggressive Schüler eher direkte Aggressionsformen benutzen. Letztere zeigen auch höhere Impulsivität und soziale Enthemmung als die Mobber. Mobbende haben wenig emotionale Empathie und verstehen sich darauf, sich vor ihrer Verantwortung zu distanzieren (moral disengagement). Die unkontrolliert aggressiven Kinder hingegen werden häufig selber zu Opfern der manipulierenden Mobber. Mobbing – nur selten im Cyberspace Mit der Verbreitung elektronischer Medien breiten sich Mobbinghandlungen auch in der Cyberwelt aus. Neueste Befunde zeigen, dass es sich dabei meistens um dieselben Jugendlichen handelt, die sowohl in der Schule als auch im Cyberspace ein bestimmtes Opfer mobben oder sowohl in der Schule als per elektronische Medien gemobbt werden. Es muss auch betont werden, dass Cybermobbing sehr viel seltener als traditionelles Mobbing vorkommt. Trotzdem behalten die Cyberattacken eine Sonderstellung und sollten nicht 5
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