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Quality Engineering 05.2023

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» TECHNIK lastung“,

» TECHNIK lastung“, erklärt der BAM-Experte. „Das heißt, diese Defekte, die von einem Hohlraum ab 30 Mikrometer bis hin zur Delamination einzelner Schichten reichen, müssen möglichst verhindert werden. Hilfreich ist, sich in einem metallographischen Querschliff im Mikroskop anzuschauen, wie breit und tief die Schmelzbäder sind.“ Allerdings haben Defekte ihre Ursache teilweise auch in den vor- und nachgelagerten Schritten: Vorgelagert ist zum Beispiel die Materiallagerung. Durch das Einhalten der richtigen Lagerbedingungen kann man zum Beispiel laut Hilgenberg beim LPDB eine Feuchtigkeitsaufnahme des Ausgangsmaterials vermeiden und damit typische Fehlerbilder wie Gasporen oder metallurgische Poren. „Ursache dafür sind Löslichkeitsverluste von Gasen, insbesondere gast Wasserstoff bei der Erstarrung in der Metallschmelze gerne aus, vor allem bei Aluminium-Legierungen. Die Wirkung: Ein hoher Anteil von Poren reduziert die Schwingfestigkeit des additiv gefertigten Bauteils, auf die statische Festigkeit hat dies allerdings nur geringen Einfluss.“ Die richtige Materiallagerung ist zwar das eine, doch hat das IPH im Projekt Saviour festgestellt, dass selbst innerhalb eines ABS-Masterbatches Rollen unvor, bereiten sie keine Probleme. Wenn sie aber perlschnurartige Konfigurationen bilden, dann sind sie durchaus kritisch für die mechanischen Eigenschaften des Bauteils. Schwingfestigkeit, Bruchfestigkeit, Korrosions- und Ermüdungsbeständigkeit der Teile sind dann beeinträchtigt. Durch eine gute Parametrisierung lässt sich dies aber gut in den Griff bekommen“, so Hilgenberg. Ungeschmolzene Pulverpartikel können zu Rissen führen Der gefürchtetste Defekt beim LPBF, der sich ist laut Hilgenberg ebenfalls durch eine gute Prozesskontrolle abwenden lässt, ist der Bindefehler, der auch aus der Schweißtechnik bekannt ist. Er entsteht dadurch, dass der Anwender die Tiefe und Breite des Schmelzbads falsch eingeschätzt hat und er dadurch die einzelnen Bahnen mit einem zu großen Abstand geplant hat. Es bilden sich dann unregelmäßig ausgestaltete Hohlräume mit ungeschmolzenen Pulverpartikeln; prinzipiell kann dieser Fehler bei allen Werkstoffen auftreten, aber besonders sehr viskosen Schmelzen wie zum Beispiel Nickel-Basis-Legierungen. „Dadurch entstehen scharfkantige Spitzen, ein idealer Ausgangspunkt für Risse bei einer schwingenden Be- Leitfaden für die Materialextrusion Das Fraunhofer IPA und die Universität Bayreuth haben den Anwenderleitfaden „Qualitätssicherung in der additiven Materialextrusion“ (MEX) für die Serienfertigung erstellt. Darin sind wesentliche Handlungsempfehlungen zur qualitativen und quantitativen Bestimmung der Qualität eines additiv gefertigten Bauteils zusammengestellt, die bei der Planung, Fertigung und Kontrolle in der additiven MEX-Prozesskette von Bedeutung sein können. Zudem wird beschrieben, welche Teilprozesse entlang der Prozesskette einen relevanten Einfluss auf die Bauteilqualität und Reproduzierbarkeit haben. Diese bilden die Basis für ein universell anwendbares Vorgehensmodell zur Beurteilung der Bauteilqualität, das neben der Erfassung der Bauteilqualität auch den Qualitätssicherungsprozess umfasst. Hierfür haben die Forscher für die Vergleichbarkeit von Bauteilen ein Güteklassensystem entwickelt, das die objektive Quantifizierung der Bauteilqualität ermöglicht. Dazu werden existierende Normen und Richtlinien der additiven Fertigung herangezogen, die für MEX geeignet sind. Kern des Vorgehensmodells ist die Evaluierung von Qualitätsmerkmalen und deren Prüfverfahren anhand geeigneter Prüfkörper und Referenzbauteile sowie deren quantitativer und qualitativer Bewertung mittels einer Qualitätsmatrix. Der Fokus liegt auf den Qualitätsmerkmalen Zugfestigkeit, Oberflächenbeschaffenheit sowie Form- und Maßhaltigkeit. Der Anwenderleitfaden einschließlich Checklisten, Arbeitsanweisungen und Bewertungssystem für das Referenzbauteil steht hier zum Download zur Verfügung: http://hier.pro/0IT58 48 Quality Engineering » 05 | 2023

Bild: IPH Anne Rathje, Projektingenieurin am Institut für Integrierte Produktion IPH Hannover: „Unser Konzept aus Sensornetzwerk und KI, das wir im Projekt Saviour für ein thermoplastisches Materialextrusionsverfahren entwickelt haben, soll ein Grundgerüst sein, das auch für andere additive Fertigungsverfahren verwendet werden kann.“ terschiedlicher Qualität auftauchten. „Solche Ausreißer lassen sich nur mit Zugproben des Filaments identifizieren“, sagt IPH-Forscherin Rathje. Nachgelagerte Prozesse, die wiederum die Qualität von Bauteilen beeinflussen, sind bei nahezu allen additiven Fertigungsverfahren notwendig. „Das Entpulvern zum Entfernen der Stützstrukturen beim LPBF zum Beispiel ist aktuell noch ein sehr manueller Prozess. Und danach müssen die Bauteile in der Regel spannungsarm geglüht werden, um das Niveau der Eigenspannungen zu reduzieren. Darauf kann man nur bei bestimmten Aluminiumlegierungen verzichten“, erklärt Hilgenberg. Normen sind aktuell noch Gegenstand der Forschung Die BAM wird zudem immer wieder mit Fragen von Anwendern konfrontiert wie: Wie viele Defekte dürfen wir uns bei der additiven Fertigung erlauben? Gibt es Obergrenzen von diesen Defekten? Wie groß dürfen diese sein? Eine Antwort darauf kann die Bundesbehörde noch nicht geben. „Es gibt aktuell in der additiven Fertigung noch keinen allgemeingültigen Aussagen und Bewertungskategorien und -kriterien, wie wir sie zum Beispiel mit der DIN EN ISO 5817:2014–6 aus der Schweißtechnik kennen. Dies ist aber Forschungsgegenstand“, stellt Hilgenberg klar. In der ISO 5817:2014–6 ist zum Beispiel angegeben, wie groß eine Pore oder ein Riss sein darf. Statt einer Norm geben Endanwender heute stattdessen selbst Höchstwerte für ihre Abnahmeprozesse an. „Welche Qualitätsfaktoren für ein Bauteil greifen, ist ja je nach Anwendung sehr individuell. Das können schöne Oberfläche sein oder auch mechanische Eigenschaften wie Hochfestigkeit“, ergänzt IPH-Forscherin Rathje. Neben Insitu-Monitoring-Lösungen für die Prozessüberwachung sind Prüfmaschinen etwa für Zugoder Dauerschwingversuche sowie die Metallografie das Mittel der Wahl für die Qualitätssicherung in der additiven Fertigung. „Der Goldstandard bei der Prüfung der fertigen Bauteile auf Defekte ist aber aktuell die Computertomografie (CT)“, sagt Professor Bruno Giovanni, Leiter des Fachbereich Mikro-Zerstörungsfreie Prüfung an der BAM. „Mit der CT lassen sich sowohl Wanddicken als auch Oberflächenrauheiten sowie Abweichungen bei Form und Größe von additiv gefertigten Bauteilen ermitteln. Dabei sind – wie mit dem Mikroskop – beliebige Schnitte durch das Bauteil machbar. Und auch Restpulver in Gitterstrukturen entdeckt der CT – dies ist besonders in medizinischen Anwendungen wie Implantaten wichtig.“ Die BAM hat für diese Anwendung eigens eine KI-Lösung entwickelt. Auch Pulvercharakterisierungen sind mit der CT möglich: Porosität und Größenverteilungen macht sie transparent. Giovanni: „Dies ist bei neuem und bei rezykliertem Pulver von Vorteil.“ Angesichts der hohen Komplexität der Qualitätssicherung in der additiven Fertigung gibt Hilgenberg aber Entwarnung: „Defekte sind normal, das kennen wir ja von anderen Verfahren. 100 % perfekte Bauteile gibt es nirgendwo. Das kann also auch gar nicht der Maßstab für die additive Fertigung sein. Wir müssen vielmehr besonders kritische Defekte ausschließen und auch ein bisschen lernen, mit den Defekten zu leben.“ Webinar-Reihe der BAM Die Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) bietet derzeit eine Webinar-Reihe zum Thema „Vielschichtig: Methoden-Einblick für die Qualitätssicherung in der additiven Fertigung“ an. Zwei der insgesamt fünf Termine stehen noch an: Am 16.11.2023 geht es um die Thermografie, am 7.12.2023 um mechanische Eigenschaften und Mikrostruktur. Wer sich dafür anmeldet, kann die anderen drei Vorträge (Additive Fertigungsverfahren und Defekte, Computertomografie sowie Wirbelstromprüfung) im Webcast anschauen. http://hier.pro/sOZY1 Quality Engineering » 05 | 2023 49

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