16.07.2021 Aufrufe

Zdirekt! 02-2021

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

DAS FACHMAGAZIN FÜR ZEITARBEIT <strong>02</strong>/2<strong>02</strong>1<br />

RICHTUNGSWAHL<br />

FÜR ZEITARBEIT


2<br />

EDITORIAL<br />

Zeitarbeitsbranche braucht<br />

politische Planungssicherheit<br />

In den vergangenen fünf Legislaturperioden standen<br />

stets auch Veränderungen des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes<br />

(AÜG) auf der Tagesordnung des Bundestages.<br />

Mal ging es um Liberalisierungen, wie die<br />

Abschaffung der Höchstüberlassungsdauer, mal gab es<br />

Anpassungen an EU-Richtlinien, dann wurde eine Lohnunterschranke<br />

allgemeinverbindlich normiert oder mit<br />

der letzten AÜG-Reform wieder eine Rolle rückwärts<br />

mit vormaligen Restriktionen vorgenommen. Selbst ein<br />

faktisches Einsatzverbot von Zeitarbeit in der Fleischindustrie<br />

war leider kein Tabu mehr – wie bislang nur im<br />

Bauhauptgewerbe grundsätzlich vorgesehen.<br />

Dieses Hü und Hott führt dazu, dass die Personaldienstleistungsbranche<br />

immer wieder in den Fokus von kontroversen<br />

Debatten gerät und der Eindruck vermittelt<br />

wird, hier gehe es um Akteure, die stets neu gesetzlich<br />

eingehegt werden müssten. Anlass für die Aktivitäten<br />

des Gesetzgebers waren aber nur einzelne krasse<br />

Vorfälle, wie etwa bei Schlecker oder Tönnies, die verallgemeinert<br />

wurden, um Handlungsdruck zu rechtfertigen.<br />

Nach dem Motto: mitgehangen, mitgefangen.<br />

Zum Leidwesen aller anständig arbeitenden Zeitarbeitsunternehmen.<br />

Wird sich diese fatale Ungewissheit in der „Quo-vadis-<br />

Frage“ auch in der nächsten Wahlperiode einstellen?<br />

Schaut man in die Programme der Parteien zur Bundestagswahl<br />

findet man ein breites Spektrum an Forderungen<br />

– vom Verbot der „Leiharbeit“ über Einsatzquoten<br />

beziehungsweise Entgeltregelungen („Equal pay nebst<br />

Flexibilitätsprämien“) und Abschaffung der Tariföffnungsklausel<br />

bis zum Erhalt des Status quo oder vorsichtigen<br />

Reformschritten, wie die Abschaffung der<br />

Höchstüberlassungsdauer von 18 Monaten. Als Branchen-Arbeitgeberverband<br />

sind wir parteipolitisch<br />

neutral und rufen nicht zur Stimmabgabe für eine bestimmte<br />

Partei auf. Aber wir haben klare Auffassungen,<br />

welche positiven Beiträge die Zeitarbeit für den<br />

Beschäftigungsmarkt und die Gesellschaft insgesamt<br />

leisten kann, wenn bestimmte Leitplanken beachtet<br />

werden. Diese haben wir in Wahlprüfsteinen an die<br />

Parteien und Kandidaten für den neuen Bundestag<br />

zusammengefasst.<br />

Die Bundesregierung steht vor gewaltigen Aufgaben.<br />

Es geht nicht nur um den Klimawandel, sondern auch<br />

um den grundlegenden (digitalen) Strukturwandel in<br />

der Wirtschaft und auf dem Arbeitsmarkt. Eigentlich<br />

wären für solche Probleme die Mehrheiten einer kompromissfähigen,<br />

großen, aber nicht nur dualen Koalition<br />

nötig. Fest steht aus unserer Sicht: Wer die Wege in die<br />

Zeitarbeit zukünftig noch schmaler machen will, wer<br />

Verbotsschilder auf diesen Pfaden aufstellen will oder<br />

Zerrbilder über unsere Branche entwirft, der verspielt<br />

die Integrationschancen vieler Menschen und handelt<br />

auch volkswirtschaftlich unverantwortlich. Denn gerade<br />

auch in der Corona-Pandemie haben wir wieder<br />

gezeigt: Wir sind nicht das Problem, sondern wichtiger<br />

Bestandteil von Lösungen. Die Branche steht für Flexibilität<br />

und (tarifierte) Sicherheit und hat es verdient,<br />

auch von der Politik als (schadstofffreier) Antriebsmotor<br />

gefördert, statt gedrosselt zu werden.<br />

RA Werner Stolz | iGZ-Hauptgeschäftsführer


Z direkt! <strong>02</strong>/2<strong>02</strong>1<br />

INHALT 3<br />

Inhalt<br />

EDITORIAL ..................................................................................................... 2<br />

KOMPAKT ...................................................................................................... 4<br />

TITELTHEMA<br />

Richtungswahl für Zeitarbeit – was wäre wenn ........................................... 6<br />

Zeitarbeit im Bundestagswahlkampf – was der iGZ fordert ........................ 8<br />

Wahlprogramme im Check – die Rolle der Zeitarbeit ................................ 11<br />

Kanzlerkandidaten im Check – wer wo überzeugt .................................... 14<br />

Bundestagswahlkampf 2<strong>02</strong>1 – die Sicht des Wahlforschers ...................... 18<br />

Wahlkämpfe der Vergangenheit – Rezzo Schlauch blickt zurück.................... 20<br />

So funktioniert politisches Engagement ..................................................... 22<br />

Wahlkampf in der Zeitarbeit – ein Ortsbesuch .......................................... 24<br />

Vorsicht – Vorurteile gegen die Zeitarbeit .................................................. 26<br />

Erfolgsmodell Zeitarbeit – mit Bundestagsabgeordneten diskutiert ........ 28<br />

GASTBEITRAG<br />

Die Causa Fleisch – wie sie Prof. Thüsing sieht .......................................... 30<br />

CORONAKRISE<br />

Optimistisch trotz Umsatzeinbußen ...............................................................<br />

DIGITAL UNTERWEGS<br />

iGZ-Mitgliederversammlung – Schubert bestätigt ..................................... 35<br />

iGZ-Bundeskongress – live aus dem Greenscreen-Studio .......................... 36<br />

iGZ-Bundeskongress – Ich glaub`, mein Schwein pfeift ............................. 38<br />

iGZ-Forum Personalmanagement – das neue Normal ............................... 40<br />

32<br />

BILDUNG<br />

Zeitarbeit in der Handball-Bundesliga ......................................................... 42<br />

PDK: Vier neue Azubi-Botschafter .............................................................. 44<br />

Sommer der Berufsausbildung – Mitmachen gewollt ............................... 46<br />

AKTIV<br />

Werbefläche für den guten Zweck – Kunst auf dem Rad ......................... 48<br />

Matchtime-personal.de – passende Zeitarbeitnehmer finden .................. 50<br />

Die in diesem Text verwendeten Personenbezeichnungen erfolgen geschlechterunabhängig. Sie werden ausschließlich aus Gründen der besseren Lesbarkeit verwendet.


4<br />

KOMPAKT<br />

<strong>Zdirekt</strong>! für mediaV-Award nominiert<br />

DAS FACHMAGAZIN FÜR ZEITARBEIT <strong>02</strong>/2<strong>02</strong>0<br />

LICHTBLICKE<br />

in der Coronakrise<br />

Gleich für zwei Kategorien ist der iGZ für den mediaV-Award<br />

nominiert: für die beste Verbandszeitschrift und für das beste<br />

Titelbild. In der ersten Hochphase der Pandemie hatte sich<br />

der iGZ dazu entschlossen, Lichtblicke für die Zeitarbeit in<br />

der Coronakrise zu suchen und abzubilden. Das Titelbild der<br />

Ausgabe 2/2<strong>02</strong>0 zeigt unter dem Motto „Lichtblicke in der<br />

Coronakrise“ echte Gesichter von Zeitarbeitskräften aus der<br />

Kampagne „Zeitarbeit: Eine gute Wahl. In der Krise.“ – ganz<br />

so wie unsere Branche ist: vielseitig, kompetent und flexibel.<br />

Die <strong>Zdirekt</strong>! erfüllt den klassischen Anspruch eines Verbandsmagazins,<br />

über News aus dem Verbandsleben zu berichten.<br />

Als Fachmagazin beleuchtet es aber vor allem arbeitsmarktpolitisch<br />

relevante Themen und liefert Handlungshilfen für<br />

Personaldienstleister.<br />

CORONA-SCHATTEN:<br />

Kommt ein Verbot der Zeitarbeit<br />

in der Fleischwirtschaft?<br />

Mit dem mediaV-Award – ausgelobt vom Fachmagazin Verbändereport<br />

– werden herausragende Kommunikationsprojekte<br />

von Verbänden und<br />

Organisationen geehrt. Die<br />

Verleihung findet am 30. August<br />

statt.<br />

Nominiert für Beste Zeitschrift/<br />

Bestes Magazin 2<strong>02</strong>1<br />

Evaluation der AÜG-Reform<br />

Vor vier Jahren ist das Gesetz zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes<br />

(AÜG) in Kraft getreten. Gemäß § 20<br />

AÜG wird es derzeit im Auftrag des Bundesministeriums für<br />

Arbeit und Soziales (BMAS) evaluiert und die Wirksamkeit der<br />

Neuregelung des Gesetzes überprüft. Durchgeführt wird der<br />

Forschungsauftrag von der Bietergemeinschaft Institut für Angewandte<br />

Wirtschaftsforschung (IAW) an der Universität Tübingen<br />

und dem infas – Institut für angewandte Sozialforschung. Der<br />

iGZ hat den mitverantwortlichen Kooperationspartner Prof. Dr.<br />

Lutz Bellmann nach einem Zwischenstand gefragt. Die Antwort:<br />

„Unser Vertrag mit dem BMAS legt fest, dass die Bearbeiter des<br />

Forschungsvorhabens bis zu einer Veröffentlichung durch das<br />

Ministerium zur Verschwiegenheit verpflichtet sind.“ Ergebnisse aus den Befragungen von Zeitarbeitsunternehmen<br />

und -kräften, Kundenbetrieben, Branchenexperten sowie Arbeitgeberverbänden und<br />

Gewerkschaften werden also wohl erst im kommenden Jahr veröffentlicht.


Z direkt! <strong>02</strong>/2<strong>02</strong>1<br />

KOMPAKT 5<br />

DER iGZ-PODCAST<br />

ZUR ZEITARBEIT<br />

Die neueste Episode des iGZ-Verbandspodcasts steht<br />

ganz im Zeichen der Veränderung. Auf zu neuen Ufern<br />

hat sich Marcel Speker gemacht: Der bisherige Leiter<br />

des iGZ-Fachbereichs Kommunikation verlässt den Verband<br />

nach mehr als zehn Jahren und übernimmt die<br />

Leitung des Ludwig-Windthorst-Hauses in Lingen, einer<br />

der größten Heimvolkshochschulen in Niedersachsen.<br />

Verbandelt-Gastgeberin Sara Schwedmann sprach mit<br />

ihm über seine Erfahrungen in der Zeitarbeit, darüber,<br />

was die Branche ausmacht und wo er ihre und die<br />

Zukunft des iGZ sieht. Zu hören auf allen gängigen<br />

Podcast-Portalen!<br />

Anzeige<br />

HABEN SIE<br />

EINE FESTE<br />

BEZIEHUNG?<br />

KUNDENBINDUNG DURCH INNOVATION<br />

11A | EINE LÖSUNG FÜR ALLE<br />

▪ Jetzt kostenlos testen.<br />

▪ Unkompliziert implementieren.<br />

▪ Abläufe automatisieren.<br />

▪ (Master Vendor) Kunden gewinnen,<br />

binden und begeistern.<br />

Machen Sie jetzt den Test:<br />

www.dein11a.de/testen


6<br />

TITELTHEMA<br />

RICHTUNGSWAHL<br />

FÜR ZEITARBEIT<br />

Richtungswahl – was ist das eigentlich? Per Definition<br />

eine Wahl, von der eine Wende in der<br />

politischen Richtung erwartet wird. Wird die<br />

Bundestagswahl am 26. September eine Richtungswahl<br />

sein? Fakt ist: Die Ära Merkel endet.<br />

Doch wer schreibt dann neue Geschichte im Bundeskanzleramt?<br />

Und wie steht derjenige – oder<br />

diejenige – zur Zeitarbeit?


Z direkt! 01/2<strong>02</strong>1<br />

TITELTHEMA 7<br />

Nicht der Wind bestimmt die Richtung, sondern die<br />

Stellung der Segel – das wissen nicht nur Könner von<br />

Halsen und Wenden. Das Sprichwort dient als Metapher<br />

für so viele Themen und Herausforderungen unserer<br />

Zeit – und zeigt gleichzeitig aber auch auf, dass<br />

jeder Einzelne seinen Beitrag leisten kann. Für unsere<br />

Zukunft macht es einen Unterschied, welchen Kurs wir<br />

heute setzen – egal, ob uns der Wind ins Gesicht bläst,<br />

er von der Seite kommt, er kalt und nass ist oder uns<br />

im besten Fall von hinten antreibt. Im September wählt<br />

Deutschland eine neue Regierung – und damit eine<br />

neue Zukunft. Eine Richtungswahl für unsere Branche,<br />

denn die Mächte an der Entscheidungs-Pinne – um im<br />

Boot zu bleiben – werden danach andere sein.<br />

Umso wichtiger ist es, im Vorfeld der Wahl allen (potenziellen)<br />

politischen Beteiligten klarzumachen, was<br />

die Zeitarbeit ist und wofür wir als Branche stehen.<br />

Zeitarbeit als flexible Beschäftigungsform ist ein unverzichtbares<br />

Element in der modernen Arbeitswelt. Sie<br />

ermöglicht es den Unternehmen und der Wirtschaft,<br />

effizient und flexibel auf eine volatile Nachfrage zu<br />

reagieren und sich gleichzeitig auch bestmöglich zu<br />

spezialisieren. Dazu bedarf es aber guter, moderner und<br />

kluger Rahmenbedingungen. Unternehmen brauchen<br />

Zutrauen und Freiraum, sie brauchen Luft zum Atmen,<br />

Experimentieren und Wachsen, statt immer neuer Regularien<br />

und Vorschriften.<br />

Laut einer Blitzumfrage des Marktforschungsunternehmens<br />

Lünendonk & Hossenfelder zu Beginn dieses Jahres<br />

rechnet ein Drittel der befragten Personaldienstleister<br />

mit einer weiteren Regulierung der Zeitarbeit nach der<br />

Bundestagswahl. Von einer Liberalisierung gehen hingegen<br />

14 Prozent aus. Dieser „geschäftsfreundlichere“<br />

Ansatz wird vor allem von CDU / CSU und FDP erwartet,<br />

wohingegen regulierende Maßnahmen mit einer Regierungsbeteiligung<br />

von BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN, Die<br />

Linke oder SPD in Verbindung gebracht werden.<br />

Wie stark soll der Staat in den Arbeitsmarkt eingreifen<br />

und wie viel überlässt er den Marktkräften sowie den<br />

Tarifparteien und Sozialpartnern? Vor allem an diesem<br />

Punkt scheiden sich die Ansichten der politischen Parteien:<br />

SPD und Grüne setzen auf klare staatliche Reglementierung.<br />

Ihre Wahlprogramme überschneiden sich<br />

in einigen Punkten, angefangen bei der Forderung nach<br />

zwölf Euro Mindestlohn über ein Recht auf Homeoffice<br />

und Weiterbildung bis hin zur härteren Regulierung der<br />

Zeitarbeit, wie Equal Pay ab dem ersten Tag. Die Union<br />

von CDU / CSU will flexible Arbeitsverhältnisse wie Zeitarbeit,<br />

Werkverträge und sachgrundlos befristete Jobs<br />

weitgehend beibehalten. Die Liberalen der FDP wollen<br />

die Zeitarbeit erleichtern.<br />

Letzteres begrüßt der iGZ natürlich. Denn die Coronakrise<br />

hat die Zeitarbeitsbranche hart getroffen. So langsam<br />

geht es wieder aufwärts: Nach dem coronabedingten<br />

Rückgang sind derzeit viele Unternehmen wieder verstärkt<br />

auf Mitarbeitersuche, wie das Beschäftigungsbarometer<br />

des Münchner Forschungsinstituts ifo zeigt. Vor<br />

allem Betriebe aus dem Maschinenbau und der Elektroindustrie<br />

wollen demnach neue Stellen schaffen und<br />

besetzen. Aber auch im Handel macht sich nach ifo-<br />

Angaben vorsichtig eine positive Tendenz bemerkbar.<br />

Eine Bundestagswahl ist vor allem auch eine Personenwahl.<br />

Längst bringen sich die aussichtsreichsten<br />

Kandidaten in Stellung – oder versuchen, nicht allzu<br />

sehr in den Gegenwind aus gegnerischer Richtung zu<br />

geraten. Wie zuletzt die Grünen-Spitzenkandidatin Annalena<br />

Baerbock, die sich nach den Plagiatsvorwürfen<br />

in einer Glaubwürdigkeitsdiskussion wiederfindet. Wie<br />

die einzelnen Kanzlerkandidaten zum Thema Zeitarbeit<br />

stehen, lesen Sie auf den folgenden Seiten. Aber auch<br />

Wahlforscher Jürgen W. Falter kommt zu Wort und<br />

ordnet den Wahlkampf ein – und wir blicken mit dem<br />

ehemaligen Grünen-Politiker Rezzo Schlauch – dem Co-<br />

Architekten der Arbeitsmarktreformen unter „Mister<br />

Zeitarbeit“ Wolfgang Clement – auf die Wahlkämpfe<br />

der vergangenen zwanzig Jahre zurück. Der Wahlkampf<br />

in der Zeitarbeit vor Ort und wie sich Zeitarbeitsunternehmen<br />

für die Branche politisch engagieren können,<br />

sind weitere Themen dieser <strong>Zdirekt</strong>!-Ausgabe. Auf unserer<br />

Doppelseite in der Heftmitte räumen wir mit Vorurteilen<br />

gegen die Zeitarbeit auf – plakativ, auch zum<br />

Aufhängen an jede (Wahl-)Büro-Wand. Nicht der Wind<br />

bestimmt die Richtung, sondern die Stellung der Segel.<br />

Setzen wir die Segel und Leinen los in Richtung beste<br />

Zukunft für die Zeitarbeit. SaS


8<br />

TITELTHEMA<br />

Zeitarbeit im<br />

Bundestagswahlkampf<br />

Im September wird ein neuer Bundestag gewählt – in einer Zeit, in der wirtschaftlicher<br />

Aufschwung nach der Coronakrise zwingend notwendig ist. Deutschland hat<br />

den stärksten Rückgang des Bruttoinlandsprodukts seit Beginn der vierteljährlichen<br />

Berechnungen im Jahr 1970 erlebt, die strukturelle Arbeitslosigkeit steigt und<br />

die Staatsverschuldung hat ein neues Rekordhoch erreicht. Für den Interessenverband<br />

Deutscher Zeitarbeitsunternehmen ist klar: Deutschland muss alle Kräfte<br />

bündeln, um schnell aus der Rezession zu gelangen und die Schäden für den<br />

Arbeitsmarkt, besonders für<br />

Geringqualifizierte,<br />

so klein wie möglich<br />

zu halten.<br />

Vor diesem Hintergrund stellt der iGZ folgende arbeitsmarktpolitische<br />

Forderungen für den kommenden Bundestagswahlkampf:<br />

Erfolgsmodell Zeitarbeit fördern<br />

Im dringend benötigten Wiederaufschwung nach der Coronakrise<br />

sind die Unternehmen auf flexible Instrumente angewiesen, um<br />

Wachstum abzusichern. Die Zeitarbeit gewährleistet dies mit tariflich<br />

geregelter Sicherheit für die Beschäftigten. Dieses Erfolgsmodell muss<br />

gefördert werden.<br />

Diskussion um sektorale Einsatzverbote beenden<br />

Viele Menschen wählen bewusst die Beschäftigungsform Zeitarbeit.<br />

Gleichwohl gibt es in politischen Bereichen Tendenzen, sektorale<br />

Einsatzverbote für die Arbeitnehmerüberlassung zu fordern. Diese<br />

Diskussionen müssen beendet werden.<br />

Zeitarbeitsverbot in Bauhauptgewerbe und Fleischindustrie<br />

beseitigen<br />

Im Bauhauptgewerbe gibt es immer noch ein faktisches Zeitarbeitsverbot,<br />

ebenso bei der Beschäftigung von Drittstaatsangehörigen und<br />

in der Fleischindustrie. Diese antiquierten und verfassungsrechtlich<br />

zweifelhaften Branchenrestriktionen müssen aufgehoben werden.<br />

Höchstüberlassungsdauer abschaffen<br />

Eine Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft hat ergeben, dass<br />

rund ein Drittel der Zeitarbeitskräfte wegen der Höchstüberlassungsdauer<br />

aus ihrem Kundeneinsatz abgemeldet worden ist – verbunden<br />

mit Gehaltseinbußen. Die Höchstüberlassungsdauer muss abgeschafft<br />

werden.


Z direkt! <strong>02</strong>/2<strong>02</strong>1<br />

TITELTHEMA 9<br />

Kurzarbeit generell für die Zeitarbeit öffnen<br />

In der Coronakrise hat sich die monatliche Auszahlung<br />

von Kurzarbeitergeld an bis zu 142.000 Beschäftigte<br />

der Zeitarbeitsbranche als das effektivste Mittel erwiesen,<br />

um Arbeitsplätze auch in dieser Branche zu erhalten.<br />

Das Instrument muss auch regulär für die Zeitarbeit<br />

geöffnet werden.<br />

Schriftform- durch Textformerfordernis ersetzen<br />

Das Schriftformerfordernis im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz<br />

ist ein Relikt aus analogen Zeiten. Der<br />

Ersatz durch Textform würde jegliche Kontrollmöglichkeiten<br />

erhalten und zugleich enormen bürokratischen<br />

Aufwand beseitigen. Die Schriftform muss durch eine<br />

zeitgemäße Textform ersetzt werden.<br />

(Nach-)Qualifizierung fördern<br />

Zeitarbeit ist eine wichtige Integrationshilfe für Berufseinsteiger,<br />

Migranten, Flüchtlinge, Geringqualifizierte,<br />

(Langzeit-)Arbeitslose etc. Die (Nach-)Qualifizierung<br />

dieser Personenkreise muss intensiv gefördert werden.<br />

Tarifverträge respektieren<br />

Die Zeitarbeitsbranche zeichnet sich durch ein flächendeckendes,<br />

gut austariertes System von Tarifverträgen<br />

aus. Im Interesse der Tarifautonomie müssen diese Regeln<br />

zwischen DGB-Gewerkschaften und den Arbeitgeberverbänden<br />

iGZ und BAP ohne weitere gesetzliche<br />

Eingriffe respektiert werden.<br />

WAHLPRÜFSTEINE AN<br />

PARTEIEN VERSCHICKT<br />

Der iGZ hat seine Forderungen als Wahlprüfsteine<br />

an die Parteien verschickt. Über deren<br />

Reaktionen wird der Verband beizeiten berichten.<br />

Die Parteien haben<br />

aber vorab im iGZ-Blog<br />

Stellung bezogen – die<br />

Blogbeiträge sind zu<br />

lesen unter www.igzeitarbeit.de/presse/<br />

blogeintraege. SaS<br />

Anzeige<br />

Finanzdienstleister<br />

•Factoring<br />

•Rechnungsstellung <br />

•Debitorenmanagement<br />

•Forderungsmanagement<br />

<br />

<br />

Inkasso & Treuhand<br />

•Professioneller Forderungseinzug<br />

• Mahnwesen<br />

• Titulierung<br />

• Vollstreckung


!<br />

Soll auch aus Ihrem Team jemand im Rampenlicht<br />

stehen? Dann machen Sie mit!<br />

Wir suchen Zeitarbeitskräfte, die mit ihrem Gesicht und ihrer<br />

beruflichen Geschichte Teil unserer Kampagne werden<br />

wollen. Bei Interesse schreiben Sie eine E-Mail an Jenny<br />

Rohlmann – rohlmann@ig-zeitarbeit.de.<br />

!<br />

www.zeitarbeit-einegutewahl.de


Z direkt! <strong>02</strong>/2<strong>02</strong>1<br />

TITELTHEMA 11<br />

Bundestagswahl 2<strong>02</strong>1<br />

Was die Parteien wollen<br />

Die Parteien haben ihre Programme für die Bundestagswahl am 26. September beschlossen.<br />

Der Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen hat sich die<br />

Programme näher angeschaut – mit der Frage: Welche Rolle spielt die Zeitarbeit in<br />

den politischen Planungen? Das Ergebnis: Zeitarbeit nimmt bei allen Parteien eine<br />

wichtige Rolle ein. Bei der Ausgestaltung dieser Rolle gehen die Meinungen aber weit<br />

auseinander. Dass es Veränderungen für die Zeitarbeitsbranche in der kommenden<br />

Legislaturperiode geben wird, steht also fest. Die Richtung jedoch ist offen!<br />

© Deutscher Bundestag | Thomas Trutschel | photothek.net


12<br />

TITELTHEMA<br />

Aus Respekt vor deiner Zukunft.<br />

Zeitarbeitnehmer sollen ab dem ersten Tag den gleichen Lohn wie Festangestellte<br />

erhalten. Zudem soll es mehr „echte“ Mitbestimmungsrechte<br />

beim Einsatz von Zeitarbeit geben.<br />

»Zeitarbeit wird zu Unrecht von der SPD ins<br />

Visier genommen. Anstatt die restriktiven<br />

Schrauben fester zu ziehen, müssten endlich ihre<br />

nachhaltigen Integrationserfolge anerkannt werden.<br />

Kein anderer Wirtschaftszweig hat im vergangenen<br />

Jahr so vielen Langzeitarbeitslosen den<br />

Einstieg in den ersten Arbeitsmarkt ermöglicht wie<br />

die Zeitarbeitsbranche.«<br />

Das Programm für Stabilität und Erneuerung.<br />

Gemeinsam für ein modernes Deutschland.<br />

Die Union will Zeitarbeit erhalten. Sie betont, dass<br />

Zeitarbeit eine wichtige Brücke in den Arbeitsmarkt<br />

für Geringqualifizierte und Langzeitarbeitslose darstellt.<br />

Zudem wählen immer mehr Fachkräfte eine<br />

Tätigkeit in der Zeitarbeitsbranche. Konjunkturelle<br />

Schwankungen machen die Zeitarbeit zu einem<br />

wichtigen Flexibilisierungselement auf dem Arbeitsmarkt,<br />

welches nahezu vollständig tarifvertraglich<br />

geregelt ist.<br />

»Es ist erfreulich, dass die CDU die vielfältigen und wichtigen Funktionen<br />

von Zeitarbeit auf dem Arbeitsmarkt wertschätzt. Richtig ist, dass in Zeiten<br />

einer globalisierten Weltwirtschaft und volatiler Märkte, Flexibilisierungsinstrumente<br />

wie Zeitarbeit für deutsche Unternehmen unabdingbar geworden sind. Mit Blick<br />

auf den sich verschärfenden Fachkräftemangel braucht es dennoch weitere Deregulierungsschritte,<br />

damit die Zeitarbeit ihr volles Potenzial entfalten kann.«


Z direkt! <strong>02</strong>/2<strong>02</strong>1<br />

TITELTHEMA 13<br />

Deutschland. Alles ist drin.<br />

Zeitarbeitnehmer sollen vom ersten Tag an den gleichen<br />

Lohn für gleiche Arbeit bekommen wie Stammbeschäftigte.<br />

Dazu kommt eine Flexibilitätsprämie.<br />

»Die Vorteile und Errungenschaften von Zeitarbeit für Beschäftigte und<br />

Unternehmen erkennen die Grünen nicht an. Anstatt dessen reduzieren<br />

sie Zeitarbeit auf das Abdecken von Auftragsspitzen und rechtfertigen damit weitere<br />

Regulierungsschritte. Es gibt aber nicht die eine Kernfunktion von Zeitarbeit.<br />

Vielmehr müssen die zahlreichen Funktionen für die unterschiedlichen Akteure –<br />

getreu der iGZ-Vision ›wählen, nutzen, wertschätzen‹ – Grundlage für eine<br />

Entfesselung der Zeitarbeit sein. Wenn die Grünen eine stärkere Eindämmung<br />

flexibler Beschäftigungsformen wie Zeitarbeit fordern, aber gleichzeitig mehr Arbeitszeitsouveränität<br />

für Beschäftigte etablieren wollen, entsteht ein Zielkonflikt.<br />

Wahlarbeitszeitmodelle für Arbeitnehmer schaffen Flexibilitäts-Mehrbedarfe bei<br />

Unternehmen. Für diesen Konflikt fehlt den Grünen bisher eine Antwort.«<br />

Nie gab es mehr zu tun.<br />

Die Freien Demokraten wollen die Tarifautonomie<br />

in der Arbeitnehmerüberlassung stärken. Um die<br />

Integrationsfunktion der Zeitarbeit in den Arbeitsmarkt<br />

zu verbessern, planen sie gesetzliche Sondervorschriften,<br />

wie die Höchstüberlassungsdauer,<br />

aufzuheben.<br />

»Der iGZ begrüßt die Position der FDP, dass Zeitarbeit dieselbe<br />

Wertschätzung erfahren sollte, wie jede andere sozialversicherungspflichtige<br />

Beschäftigung auch. Die Einschätzung,<br />

dass Zeitarbeit Teilhabe für die Beschäftigten und Flexibilität für<br />

die Unternehmen sichert, ist richtig und sollte breitere Anerkennung<br />

erfahren.« DS


14<br />

TITELTHEMA<br />

Kanzlerkandidaten im Check:<br />

Wer wo überzeugt<br />

Am 26. September haben wir alle als Wähler die Qual der Wahl: Wer soll auf Bundeskanzlerin<br />

Angela Merkel folgen? Die vier Kanzler-Kandidaten der großen Volksparteien<br />

Bündnis 90 / Die Grünen, CDU / CSU, FDP und SPD stellen wir hier kurz vor –<br />

und beleuchten auch, wie sie zur Zeitarbeit stehen.<br />

Olaf Scholz<br />

„Scholzomat“ kann im politischen Geschäft nicht als<br />

liebevoller Kosename verstanden werden. 2003 bekam<br />

Olaf Scholz den Titel, da er Textbausteine auf<br />

Knopfdruck wiedergab – und zwar erkennbar. Dem<br />

Hamburger fällt es schwer, eine mitreißende politische<br />

Story zu erzählen, hinter der sich Massen versammeln<br />

können. Zwar sind Äußerungen aus seiner Juso-Zeit<br />

bekannt, die der Jobbeschreibung eines Jungsozialisten<br />

entsprechen: Die „kapitalistische Ökonomie“ wollte<br />

er „überwinden“ und die Bundesrepublik kritisierte er<br />

als „europäische Hochburg des Großkapitals“. Seiner<br />

Natur entsprach aber eher seine nachfolgende, grundsolide<br />

Existenz als langjähriger Anwalt und als Politiker,<br />

der die Tour durch die Parteiinstanzen ohne größere<br />

Auffälligkeiten durchlief.<br />

Das Rampenlicht erreichte ihn 20<strong>02</strong>, von Gerhard<br />

Schröder zum Generalsekretär ernannt. Schon damals<br />

verkündete dieser, Scholz „habe das Zeug zum Kanzler“.<br />

Ausgerechnet in der Hochzeit der Agenda 2010 bekam<br />

der Hamburger die Aufgabe, „die Sachentscheidungen<br />

der vergangenen Jahre (zu) ideologisieren“, wie er es<br />

selbst formulierte. Es gab wohl nichts, das ihm weniger<br />

gelegen hätte. Seine Wiederwahl mit nur 52,6 Prozent<br />

war die Quittung. Nach dem Rücktritt Gerhard Schröders<br />

als SPD-Vorsitzender 2004 verschwand Scholz wieder<br />

von der prominenten Bühne. Überwintert wurde fleißig<br />

und sachkundig in der zweiten Reihe in Bundestagsfraktion<br />

und Parteivorstand sowie kurzzeitig als Innensenator<br />

Hamburgs. Bundeskanzlerin Merkel, die als Synonym<br />

für Kompromisse hinter<br />

den Kulissen gelten kann<br />

und deren Sache visionäre<br />

Rhetorik auch nicht ist,<br />

wird es begrüßt haben, als<br />

die SPD Olaf Scholz 2007 für das sozialdemokratische<br />

Schlüsselressort Arbeit und Soziales im Bund auserkor.<br />

Hiernach, von 2011 bis 2018, die Regierung des kleinen<br />

Stadtstaats Hamburg zu führen, entsprach Scholz wohl<br />

sehr. Dennoch zog es ihn 2018 zurück nach Berlin in das<br />

mächtige Amt des Bundesfinanzministers – und zur erfolglosen<br />

Kandidatur um den SPD-Vorsitz.<br />

Solide im Hintergrund – so war Olaf Scholz bisher erfolgreich<br />

und so wurde er Kanzlerkandidat. Grundsätzlich<br />

dem moderaten SPD-Lager zugehörig, war sein<br />

arbeitsmarktpolitisches Wirken von der Finanz- und<br />

Wirtschaftskrise geprägt. Staatliche Hilfen in schwierigen<br />

Zeiten waren ihm bereits vor Corona vertraut. Die<br />

Schröder-Reformen hat er detailorientiert und nüchtern<br />

verteidigt. Kürzlich sprach er kritisch von „Leasingkräften“,<br />

„also einer Art Leiharbeit“ in der Pflege. Als Aktenwurm<br />

sollte er mehr Detailwissen vortragen. BT<br />

Foto: Bundseministerium für Finanzen


Z direkt! <strong>02</strong>/2<strong>02</strong>1<br />

TITELTHEMA 15<br />

Armin Laschet<br />

„Wir müssen uns nicht nur hinterher in die Augen<br />

schauen, sondern gemeinsam kämpfen.“ Markus Söder<br />

hat verloren. Armin Laschet ist Kanzlerkandidat der Union.<br />

Geht es nach ihm, wird er im September Chef der<br />

Bundesregierung, wie er vorher Ministerpräsident von<br />

Nordrhein-Westfalen und CDU-Parteivorsitzender geworden<br />

ist. Einfach stehenbleiben, wenn es hart wird.<br />

„Seine große Stärke sind die vielen Ideen, die er tagtäglich<br />

hat, doch mangelt es ihm gelegentlich an Durchsetzung“,<br />

heißt es in seinem Horoskop. Ein Beispiel<br />

gibt der Spitzenkandidat gleich mit dem Brücken-Lockdown,<br />

schnell in die TV-Kamera geworfen, doch von<br />

der Kanzlerin gestoppt. Typisch für den Wassermann-<br />

Geborenen, doch er steht auch für Offenheit. „Transparenz“<br />

möchte der 60-Jährige, „Lebendigkeit in der<br />

Demokratie“, den „Dialog“. „Das Leben der Menschen<br />

konkret verbessern!“ – „Nicht nur reden, sondern zuhören<br />

– entscheiden und handeln.“ Dies seien die drei<br />

Leitlinien, die ihn prägen, sagt der Ex-Jurastudent, der<br />

von seiner Geburt bis heute in Aachen lebt, sein braunes<br />

Reihenhaus nicht tauschen möchte und Bodenständigkeit<br />

als Image verkauft.<br />

„Die Zukunft der Menschen gestalten“ will der ehemalige<br />

Integrations- und Familienminister von NRW. Seine<br />

Erfahrungen in diesen zentralen Fragen könnten helfen.<br />

Denn die Nach-Pandemiezeiten werden die alten Fragen<br />

wieder auf die Tagesordnung setzen: Fachkräftemangel,<br />

Integration der Migranten, Frauenförderung und<br />

das Klima. Hier hält sich Laschet als Ministerpräsent des<br />

größten Bundeslandes mit Kohlebau-Problemen bisher<br />

im Hintergrund. Oder wenn es um Skandale geht: Als<br />

beim Fleischverarbeiter Tönnies Corona ausbrach, deckte<br />

der breite Rücken seines Arbeits- und Gesundheitsministers<br />

Karl-Josef Laumann den Chef. Armin Laschet<br />

ist auf seine Art ein „politisches Phänomen“. Die meisten<br />

Politiker hätten ihre Ambitionen bereits begraben,<br />

erst musste er Friedrich Merz beim Kampf um die CDU-<br />

Spitze aus dem Weg räumen, dann Söder. Bei seinem<br />

Coup, den ambitionierten Bundesgesundheitsminister<br />

Jens Spahn zum Verzicht zu bewegen, zeigte er seinen<br />

Machtinstinkt. Laschet ließ den bayerischen Ministerpräsidenten<br />

Söder auf das Berliner Spielfeld laufen, der<br />

riss den Ball an sich. Doch Laschet verzögerte das Spiel,<br />

ließ immer wieder quer spielen, bis der Bayer endlich<br />

wieder an die CDU abgab. Dass Laschet Friedrich Merz<br />

jetzt in sein Team holt, wieder ein Pass in die Tiefe,<br />

diesmal der CDU, denn nur gemeinsam können die<br />

Unionisten das Spiel noch gewinnen. Abpfiff ist am 26.<br />

September um 18 Uhr. AR<br />

Foto: CDU / Laurence Chaperon


16<br />

TITELTHEMA<br />

Annalena Baerbock<br />

„Ja, ich war noch nie Kanzlerin, auch noch nie Ministerin.“<br />

Aber die Politik lebe vom Wechsel. „Ich trete an<br />

für Erneuerung, für den Status quo stehen andere.“ Annalena<br />

Baerbock ist selbstbewusst. Negatives kann die<br />

erste Kanzlerkandidatin von BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN<br />

ausblenden und punktet damit: „Sie hat vermutlich dieselbe<br />

Qualität wie Angela Merkel, immer unterschätzt<br />

worden zu sein“, schreibt die französische Tageszeitung<br />

„Liberation“.<br />

© www.gruene.de<br />

Die Brandenburgerin hält auch nach der historischen<br />

Kandidatenkür mit – oder gegen – Robert Habeck, den<br />

charismatischen, regierungserfahrenen Nordländer,<br />

an ihrem Leitspruch fest: Ehrlichkeit, Transparenz und<br />

Toleranz. Erst 2005 steigt Baerbock bei den Grünen<br />

ein, parallel zum Masterstudium an der renommierten<br />

Londoner „School of Economics“. 2013 geht es in<br />

den Bundestag, seit 2018 ist die Mutter zweier Töchter<br />

Parteichefin – neben Habeck, ehemals Umweltminister<br />

in Schleswig-Holstein. Jetzt soll die 40-Jährige Bundeskanzlerin<br />

werden. Bis zu 28 Prozent erringen die<br />

Grünen in Umfragen, da kann es auch einer erfahrenen<br />

Trampolinspringerin schwindelig werden.<br />

Nur wer das Vertrauen der Bürger genießt, wird gewählt.<br />

Nur wer sich auf seine Minister verlassen kann,<br />

bleibt Regierungschef. An elf Landesregierungen sind<br />

die Grünen beteiligt, die CDU / CSU bringt es nur auf<br />

acht. Kaum eine Machtoption geht ohne die Klimaverfechter,<br />

die es vom linken Rand in die bürgerliche<br />

Mitte geschafft haben. Vorbei die Zeit als Farbbeutel in<br />

Delegiertenversammlungen auf Vordenker wie Joschka<br />

Fischer flogen, heute werden linke Krawalle wie am 1.<br />

Mai scharf kritisiert. „Barrikaden anzuzünden und gewaltsam<br />

auf Polizistinnen und Polizisten loszugehen, ist<br />

kriminell und in keinster Weise akzeptabel“, kommentierte<br />

Baerbock. Noch setzen die Grünen nicht überall<br />

derartige Ausrufezeichen. Das Wahlprogramm kommt<br />

unkonkret daher, eine Lernerfahrung aus dem Wahlkampf<br />

2017, wo die Grünen vorher alles durchgerechnet<br />

hatten und jede Zahl zerpflückt wurde. „Deutschland.<br />

Alles ist drin“ heißt trotzdem der Titel. Und er ist variabel.<br />

Als das Bundesverfassungsgericht den Berliner Mietendeckel<br />

kippte, rutschte die Forderung gleich auf die<br />

Liste der Grünen. Angst, dass unpopuläre Forderungen<br />

wie „Fünf Mark für den Liter Benzin“ oder der „Veggie-<br />

Day“ den Marsch an die Regierungsspitze noch aufhalten<br />

kann, weisen die Wahlkampfstrategen von sich. Im<br />

Arbeitsmarktprogramm zeigt sich vieles identisch mit<br />

der SPD: 12 Euro Mindestlohn, Ende der Befristungen,<br />

Eindämmung der Werkverträge und Equal Pay plus Flexizulage<br />

für Zeitarbeitnehmer. Dieser Punkt wird bei<br />

Koalitionsverhandlungen von Annalena Baerbock zu<br />

Grün-Rot-Rot sehr kurz werden. AR


Z direkt! <strong>02</strong>/2<strong>02</strong>1<br />

TITELTHEMA 17<br />

Christian Lindner<br />

Wer in den 2000er Jahren Politikwissenschaft in Bonn<br />

studiert hat, konnte im Hörsaal auf Christian Lindner<br />

treffen. Um den späteren FDP-Vorsitzenden zu verstehen,<br />

dürften neben Porsche und Start-Up andere<br />

Schlaglichter aus dieser Zeit bedeutender sein. In einem<br />

Sammelband über Föderalismustheorien schrieb er<br />

seinerzeit: „Frühere Phasen der Staatenbildung lassen<br />

„institutionelle Sedimente“ zurück, die eine von den<br />

Ausgangsbedingungen unabhängige, selbstreproduktive<br />

Stabilität gewinnen und eo ipso nur Strukturvariationen<br />

erlauben.“<br />

Die theoretisch fundierte Vogelperspektive entspricht<br />

seinem Grundwesen und begleitete seinen rasanten<br />

politischen Aufstieg (2004: Landesgeneralsekretär<br />

NRW, 2009: Bundesgeneralsekretär, 2012: Landesvorsitzender<br />

NRW, 2013: Bundesvorsitzender, 2017: Fraktionsvorsitzender<br />

im Bundestag). Der 42-Jährige kennt<br />

den Teich, in dem er schwimmt und spricht mitunter<br />

mehr über den Teich als über dessen kleine Fische. Deren<br />

Belange kümmern ihn, Faszination lösen sie jedoch<br />

erst über ihre Interaktion mit dem Teich aus. Stets in<br />

Führungspositionen waren die großen Linien seine Materie,<br />

weniger die Detailregelungen.<br />

Zufälle und ein taktisch kluger Rücktritt als Generalsekretär<br />

ließen ihn stets als Retter und nicht als<br />

Machtdrängler auftreten. 2012 führte der gebürtige<br />

Wermelskirchener seine Partei in NRW gegen einen<br />

Krisentrend mit starkem Ergebnis in den Landtag und<br />

2017 gelang ihm als Bundesvorsitzender der Wiedereinzug<br />

in den Bundestag. Die ersten „Jamaika“-Koalitionsverhandlungen<br />

der Bundesgeschichte endeten sodann<br />

mit dem Satz: „Es ist besser nicht zu regieren, als falsch<br />

zu regieren.“<br />

Hier stehen Christian Lindner und die FDP (beide darum<br />

kämpfend, nicht als identisch wahrgenommen zu werden)<br />

nun: Die FDP wurde aus der Versenkung geholt,<br />

theoretisch wieder grundiert, aber von der Bundesregierung<br />

ferngehalten. Lindner wird gegebenenfalls<br />

zeigen müssen, wie er und seine FDP in Regierungsverantwortung<br />

agieren. Die Arbeitsmarktpolitik hat<br />

Lindner mitunter in seine großen liberalen Linien integriert:<br />

Marx´ großer Fehler sei es gewesen, Arbeit nur als<br />

Mittel zum Broterwerb zu betrachten, vielmehr könne<br />

der Mensch durch sie auch zur Persönlichkeit reifen.<br />

Freiraum, Bildungsmöglichkeiten und Respekt vor jeder<br />

Leistung verkündet er als Grundprinzipien. Zeitarbeit,<br />

äußerte er einmal, sei „vor allem ein wichtiges Instrument<br />

zur Arbeitsmarktintegration. […] Insbesondere<br />

für geringer qualifizierte Bewerber ist dies eine große<br />

Chance.“ Richtig, aber noch lange nicht alles – es könnte<br />

größer gedacht werden. BT<br />

Foto: www.christian-lindner.de


18<br />

TITELTHEMA<br />

Interview<br />

Bundestagswahlkampf 2<strong>02</strong>1<br />

So einen Wahlkampf wie für diese Bundestagswahl hat es zuvor noch nie gegeben:<br />

Bedingt durch die Coronapandemie können die Parteien ihre Wähler kaum über die<br />

üblichen Wege und Kanäle erreichen, Wahlkampfveranstaltungen vor Ort finden –<br />

wenn überhaupt – nur im kleinen Rahmen statt. Der Wahlkampf wird immer digitaler<br />

und medialer. <strong>Zdirekt</strong>!-Chefredakteurin Sara Schwedmann sprach mit Wahlforscher<br />

Professor Jürgen W. Falter über die Bundestagswahl und die Bedeutung der<br />

Zeitarbeit im Wahlkampf.<br />

Prof. Falter, Sie haben einige Bundestagswahlkämpfe<br />

erlebt. Was für ein Bundestagswahlkampf<br />

ist 2<strong>02</strong>1 – inmitten der Pandemie – möglich?<br />

Das wird sehr davon abhängen, wie die Umfrage-Lage<br />

aussieht – ob sich möglicherweise so etwas wie die<br />

Chance einer Grün-Rot-Roten Mehrheit abzeichnet.<br />

Dann werden wir mit Sicherheit einen Lagerwahlkampf<br />

bekommen: auf der einen Seite CDU, CSU und FDP, auf<br />

der anderen Seite Grüne, SPD und Linke. Denn eines<br />

ist sicher, wenn die Grünen die Chance haben, das<br />

Kanzleramt zu besetzen, dann werden sie diese Chance<br />

wahrnehmen. Und zwar egal, in welcher Koalition.<br />

Wie schätzen Sie die Chancen der Grünen ein?<br />

Werden wir die erste grüne Bundeskanzlerin erleben?<br />

Das ist heute sehr schwer zu sagen. Generell würde<br />

ich sagen, die Unionsparteien werden wieder stärkste<br />

Partei. Das zeichnet sich sehr klar und deutlich ab. Aber<br />

das heißt ja nicht, dass es nicht Mehrheiten jenseits<br />

der Union geben könnte. Da könnte ich mir schon vorstellen,<br />

dass es ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit wenigen<br />

Prozentpunkten Unterschied gibt – zwischen auf der<br />

einen Seite Grün-Rot-Rot, auf der anderen Seite die<br />

anderen Parteien<br />

Der Klimawandel ist eines der großen Themen dieser<br />

Bundestagswahl. Welche Bedeutung messen<br />

Sie der Zeitarbeit im Bundestagswahlkampf bei?<br />

In ihrer Verzweiflung greifen SPD und Linke dieses<br />

Thema auf, weil ihnen nichts anderes einfällt. Aber es<br />

ist doch eher ein peripheres Thema in der aktuellen<br />

Debatte-Lage. Hubertus Heil wird sicherlich sein Heil<br />

darin suchen, das Thema Zeitarbeit zu instrumentalisieren.<br />

Aber das ist etwas, was die Leute eigentlich nicht<br />

wirklich interessiert im Augenblick. Da sind ganz andere<br />

Dinge wichtig. Die Folgen der Klimapolitik brennen<br />

© JGU | Foto Hartmann


Z direkt! <strong>02</strong>/2<strong>02</strong>1<br />

TITELTHEMA 19<br />

den Menschen unter den Nägeln und nagen an den<br />

Geldbeuteln. In Sachsen-Anhalt haben wir erlebt, dass<br />

man mit den Ankündigungen von teureren Kraft- und<br />

Heizstoffen die Wähler verschreckt. Und das wird sie<br />

viel stärker bewegen als die Frage, ob es Zeitarbeit gibt<br />

und wie die organisiert ist. Die meisten kapieren gar<br />

nicht, dass das ein Flexibilitätsmoment in unserem Arbeitsmarkt<br />

ist, ohne den wir viel schlechter darstünden.<br />

Zur Zeitarbeit haben Viele eine Meinung, aber nur<br />

Wenige wissen tatsächlich, wie sie funktioniert.<br />

Wenn man sich die Gesetze der Vergangenheit<br />

anschaut, hat man den Eindruck, dass sich die<br />

Politik nicht selten eher an der gesellschaftlichen<br />

Meinung als an den Branchenrealitäten orientiert.<br />

Wird Symbolpolitik dieser Art ein Phänomen sein,<br />

an das wir uns alle gewöhnen müssen?<br />

Das ist auf jeden Fall nicht weniger geworden als früher.<br />

Symbolpolitik haben wir eigentlich immer schon<br />

gehabt. Aber es ist auch das blinde Befolgen von Strömungen<br />

der öffentlichen oder auch der veröffentlichten<br />

Meinung. Denken Sie nur an den zweiten Atomausstieg<br />

nach der Havarie des Kraftwerks in Japan aufgrund der<br />

durch ein Seebeben ausgelösten Flutwelle. Das war<br />

eine nachträglich gesehen zu schnelle Reaktion auf eine<br />

unzweifelhaft gegen die Atomkraft mobilisierte öffentliche<br />

Meinung und sicherlich eine Fehlentscheidung, da<br />

keinerlei Szenarien zugrunde lagen, wie der Ausstieg im<br />

Einzelnen bewerkstelligt werden könnte. Wir sind selbst<br />

heute noch nicht so weit, dass wir garantieren können,<br />

dass 2<strong>02</strong>2 Bayern auch dann dauerhaft mit Strom versorgt<br />

wird, wenn die Franzosen ihren Strom selbst brauchen.<br />

Diese Art von Symbolpolitik und das Reagieren<br />

der Politik auf Strömungen der öffentlichen Meinung<br />

hat es immer schon gegeben, das wird es auch weitergeben.<br />

Die Diskussionen in den sozialen Netzwerken<br />

verstärken dies mittlerweile erheblich. Wenn da einige<br />

Hunderttausende einen Shitstorm entfachen, ist das<br />

trotz allem nur ein Bruchteil der gesamten Bevölkerung.<br />

Das ist streng genommen kaum wahlrelevant, trotzdem<br />

springt die Politik regelmäßig darauf an.<br />

So wie in der Fleischindustrie und dem Verbot der<br />

Zeitarbeit.<br />

Ja, aber da gibt es ja zumindest noch etwas Hoffnung,<br />

da laufen noch die Verfassungsbeschwerden. Die Zeitarbeit<br />

hat es auch schon ein paar Mal erlebt, große<br />

Worte und Verbote, und es gibt sie immer noch. Wo es<br />

notwendig ist, wenn Spitzen da sind oder bei vorübergehenden<br />

Engpässen, kann man die Leute ja nicht auf<br />

Dauer einstellen. Da holt man sich die Spezialisten dann<br />

lieber auf diese Weise für zwei Jahre ins Haus.<br />

Fast alle Parteien tun sich im Wahljahr schwer,<br />

auch weil sie am Corona-Krisentisch von Bund<br />

und Ländern sitzen. Viele Defizite sind sichtbar<br />

geworden. Kann eine Partei trotzdem ein Aufbruchssignal<br />

senden?<br />

Ja, die Grünen versuchen, ein Aufbruchssignal zu senden,<br />

was aber nach hinten losgehen kann, wenn die<br />

Menschen merken, wie sehr das wirklich in ihr persönliches<br />

Leben eingreift – vor allem auf dem Land. Das<br />

Ende des Verbrennungsmotors bis 2030 oder vielleicht<br />

noch früher zu fordern, ist technologieblind und ideologisch.<br />

Vernünftig wäre zu sagen, wir haben bestimmte<br />

Grenzwerte, die bis 2030 eingehalten werden müssen.<br />

Liebe Automobilindustrie, wie Ihr das macht, ist uns<br />

egal, ob mit dem Verbrenner oder mit der Batterie oder<br />

mit Wasserstoff, aber Ihr müsst es machen. Das wäre<br />

technologieoffene Politik.<br />

Welche Bedeutung kommt bei dieser Bundestagswahl<br />

den Wechselwählern zu? Werden sie noch<br />

mehr als in der Vergangenheit das Zünglein an<br />

der Waage sein?<br />

Die Zahl der potenziellen Wechselwähler ist gestiegen.<br />

Das hat etwas damit zu tun, dass alte Gewissheiten<br />

so nicht mehr existieren – beispielsweise die Gewissheit:<br />

Ein Gewerkschafter kann nur SPD wählen oder<br />

ein praktizierender Katholik kann nur CDU wählen.<br />

Das ist bestenfalls noch eine unverbindliche Leitlinie.<br />

Es gibt mehr Abweichungen davon als früher, und es<br />

gibt viel weniger Gewerkschafter und praktizierende<br />

Katholiken. Das heißt also, das Wechselwählerpotenzial<br />

ist größer geworden, die Parteibindungen sind längst<br />

nicht mehr so ausgeprägt. Daher spielen Kandidaten<br />

und aktuelle politische Streitfragen eine größere Rolle<br />

als früher. Ich rechne durchaus damit, dass die Zahl der<br />

Wechselwähler im Vergleich zu früheren Wahlen nochmals<br />

steigt. SaS<br />

Das gesamte Interview lesen Sie auf<br />

https://ig-zeitarbeit.de/presse/artikel/<br />

bundestagswahlkampf-2<strong>02</strong>1<br />

Jürgen Falter ist einer der renommiertesten deutschen Politikwissenschaftler.<br />

Der 77-Jährige hat eine Forschungsprofessur an der<br />

Universität Mainz inne und ist durch zahllose Fernsehauftritte als<br />

Wahl- und Parteienforscher bekannt. Falter bekleidete zuvor Professuren<br />

an der Hochschule der Bundeswehr München, der Freien<br />

Universität Berlin und der Johannes Gutenberg-Universität Mainz.


20<br />

TITELTHEMA<br />

Interview<br />

Bundestagswahlkämpfe<br />

1998, 2<strong>02</strong>1 und dazwischen<br />

In der Zeit der rot-grünen Regierungskoalition unter Bundeskanzler Gerhard Schröder<br />

prägte er die Politik von BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN entscheidend mit: Rezzo Schlauch.<br />

Von 1998 bis 20<strong>02</strong> führte Schlauch gemeinsam mit Kerstin Müller die grüne Bundestagsfraktion,<br />

von 20<strong>02</strong> bis 2005 war Schlauch Parlamentarischer Staatssekretär<br />

im Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft unter Superminister Wolfgang<br />

Clement. In mehr als 40 Jahren politischem Engagement hat Schlauch viel erlebt –<br />

unter anderem die Agenda 2010 mit tiefgreifenden Arbeitsmarktreformen auch für<br />

die Zeitarbeit. Im <strong>Zdirekt</strong>!-Interview mit Benjamin Teutmeyer, stellvertretender iGZ-<br />

Fachbereichsleiter Politische Grundsatzfragen, schaut er zurück – und nach vorn.<br />

Foto: Wilhelm Betz Fotografie<br />

Sie haben insgesamt elf Bundestagswahlen miterlebt,<br />

seitdem Sie 1980 Parteimitglied wurden.<br />

Wie hat sich der Wahlkampf in der Zeit verändert?<br />

Im Vergleich zu den 80iger Jahren-Wahlkämpfen<br />

haben wir es heute mit einer komplett anderen öffentlichen<br />

Kommunikation zu tun. Die direkte Kommunikation<br />

zwischen Kandidat*innen und Bürger*innen<br />

im Straßenwahlkampf, in Veranstaltungssälen in Bierzelten<br />

und auf Marktplätzen ist weitgehend einem<br />

medial ausgetragenen Wahlkampf gewichen mit den<br />

Eigendynamiken der elektronischen Plattformen vom<br />

Shitstorm bis zum anonymen Versuch vom Ausland,<br />

auf das Wahlkampfgeschehen Einfluss zu nehmen.


Z direkt! <strong>02</strong>/2<strong>02</strong>1<br />

TITELTHEMA 21<br />

Die Bundestagswahl 1998 führte zur ersten<br />

Regierungsbeteiligung von BÜNDNIS 90 / DIE<br />

GRÜNEN im Bund und erstmals wurde eine Bundesregierung<br />

vollständig abgewählt. Was ist<br />

Ihnen aus diesem Wahlkampf als besonders prägend<br />

in Erinnerung geblieben?<br />

Dass überall eine Wechselstimmung zum Greifen war.<br />

Bei allen Verdiensten von Kanzler Kohl um die Wiedervereinigung<br />

und die europäische Einigung, die<br />

Leute hatten die Nase von 16 Jahren Kanzlerschaft<br />

gestrichen voll, sie wollten den Wechsel. Ähnliches<br />

ist mindestens im jetzigen Vorwahlkampf zu spüren;<br />

heute aber nicht in erster Linie an Personen sondern<br />

an Inhalten wie bspw. dem Klimawandel festgemacht.<br />

Wenn Sie ehrlich in sich gehen: 1998 hätte Ihnen<br />

jemand gesagt, im Jahr 2<strong>02</strong>1 wird sich ein beachtlicher<br />

Teil des Wahlkampfes auf Ihrem Handy<br />

abspielen – wie hätten Sie reagiert?<br />

Dieser Jemand*in hätte ich den Vogel gezeigt, ein<br />

Wahlkampf ohne direkte Kommunikation mit den<br />

Wähler*innen wäre für mich unvorstellbar gewesen<br />

und wenn ich es heute nochmal damit zu tun hätte,<br />

würde ich alles dran setzen, um diese Ebene der direkten<br />

Auseinandersetzung so weit wie möglich herzustellen.<br />

Wenn Sie ehrlich bleiben: Und wenn Ihnen 1998<br />

jemand gesagt, im Jahr 2<strong>02</strong>1 kann eine grüne<br />

Kandidatin Bundeskanzlerin werden – hätten Sie<br />

es geglaubt?<br />

Aus baden-württembergischer Perspektive hatten wir<br />

mehrheitlich zu dieser (Macht) Frage schon von früh<br />

an einen etwas beherzteren Zugang als in anderen Regionen<br />

der Republik. Wir hatten „Keine Angst vor der<br />

Macht“ und haben schon immer das Ziel gehabt, aus<br />

der 10 Prozent Zone nach oben auszubrechen.<br />

1998 soll ein späterer Bundeskanzler gesagt haben,<br />

zum Gewinnen brauche er „BILD, BAMS und<br />

Glotze“. Lässt sich heute analog sagen: „Zum Gewinnen<br />

brauche ich das Internet (sonst nichts)?<br />

Der Spruch war schon damals ein typischer Schröder<br />

und wird in seiner von Ihnen abgewandelten Form<br />

nicht richtiger. Gerade in Zeiten in der die höchste<br />

Währung einer Politiker*in Glaubwürdigkeit und Vertrauen<br />

ist. Wenn Internetaktivitäten nicht durch persönliches<br />

Engagement für politische Inhalte und das<br />

Gemeinwohl und direkte Kommunikation unterfüttert<br />

wird, wird es mit dem Gewinnen nichts.<br />

Sie waren unter „Mister Zeitarbeit“, wie der Stern<br />

Superminister Wolfgang Clement nannte, Staatssekretär<br />

und gelten als Co-Architekt von Arbeitsmarktreformen,<br />

wie auch der Tariföffnung für<br />

die Zeitarbeit. Wie sehen Sie die Entwicklung der<br />

Branche und welche Bedeutung messen Sie der<br />

Zeitarbeit im Bundestagswahlkampf bei?<br />

In Zeiten der Nahezu-Vollbeschäftigung, wie sie vor<br />

Beginn der Pandemie über einen langen Zeitraum anhielt,<br />

ist die Zeitarbeit naturgemäß nicht so stark im öffentlichen<br />

Fokus, es sei denn es kommt in bestimmten<br />

Bereichen zu arbeitsrechtlich und sozial skandalösen<br />

Zuständen wie in der Fleischindustrie. Es sollte im ureigensten<br />

Interesse der in der Zeitarbeit engagierten<br />

Firmen und der Firmen die Zeitarbeit nachfragen sein,<br />

solche Entwicklungen erst gar nicht zu zulassen.<br />

Immer wieder gibt es Versuche, die mit dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz<br />

bewirkte Deregulierung<br />

und Flexibilisierung der Zeitarbeit<br />

wieder aufzuheben. Inwieweit sollte sie aus Ihrer<br />

Sicht vielmehr als Medium der Qualifizierung und<br />

Weiterbildung weiterentwickelt anstatt eingeschränkt<br />

werden?<br />

Wenn Deregulierung und Flexibilisierung in der Praxis<br />

für die Betroffenen zu unhaltbaren bis skandalösen<br />

Strukturen wie in der Fleischindustrie führen, ist der Gesetzgeber<br />

gefordert, wie auch geschehen, zu intervenieren.<br />

Qualifizierung und Weiterbildung haben einen<br />

guten Klang, kommen aber, um beim Beispiel Fleischindustrie<br />

zu bleiben, nur für ganz wenige in Betracht<br />

und sind in diesem Bereich Augenwischerei. In solch<br />

problematischen Sparten geht es darum, möglichst<br />

soziale und arbeitsrechtliche vergleichbare Standards<br />

herzustellen, um prekäre Arbeitsverhältnisse zu vermeiden.<br />

Etwas anderes gilt im Bereich, in dem Facharbeiter<br />

im Rahmen von Zeitarbeit eingesetzt werden. Dort ist<br />

Qualifizierung und Weiterbildung ein wichtiger Ansatz<br />

um „Zeit- oder Leiharbeit“ zu überwinden und den Betroffenen,<br />

wenn sie es wollen, dauerhafte betriebliche<br />

Arbeitsverhältnisse zu ermöglichen. BT<br />

Rezzo Schlauch ist studierter Rechtsanwalt und Historiker. Der<br />

73-Jährige ist seit 1980 Mitglied der Partei BÜNDINIS 90 / DIE<br />

GRÜNEN. Von 1984 bis 1994 war er Mitglied der Grünen des<br />

Landtages von Baden-Württemberg und von 1994 bis 2005<br />

Mitglied des Bundestages. Er führte die Grünen von 1998 bis<br />

20<strong>02</strong> als Bundesfraktionsvorsitzender an, bevor er 20<strong>02</strong> Parlamentarischer<br />

Staatssekretär im Wirtschaftsministerium unter<br />

Wolfgang Clement wurde. Im Jahr 2005 zog sich Schlauch aus<br />

der Politik zurück.


22<br />

TITELTHEMA<br />

Tipps für politisches Engagement<br />

Arbeit statt Rampenlicht<br />

DIE ARBEIT EINES<br />

BUNDESTAGSABGEORDNETEN<br />

Wahlkreisabgeordnete erleben zeitliche und inhaltliche<br />

Überforderung als Normalität. Es kann nicht anders sein,<br />

denn buchstäblich die ganze Welt ist ihr Arbeitsgebiet.<br />

Spezialisierung und Filterung sind die Schlüssel, um arbeitsfähig<br />

zu bleiben. Hier können Sie ansetzen, denn<br />

Wahlkreisabgeordnete sehen Sie als Kunden.<br />

Parlamentarische Aufgaben<br />

Wahlkreisaufgaben<br />

Wahlkreisabgeordnete und Kandidaten für dieses Mandat verwenden einen überwiegenden Teil ihrer Zeit mit Wahlkreisarbeit.<br />

Die Tätigkeit in den Parlamenten ist hochspezialisiert, im Wahlkreis sind sie ausnahmslos für alles zuständig.<br />

Hier sind Abgeordnete mit Bus, Bahn und Jeans unterwegs – Arbeit statt Glamour.<br />

DIE BUNDESTAGSFRAKTION<br />

FRAKTIONSVORSTAND<br />

SPRECHER für Themengebiete<br />

2–3 Referenten<br />

Abgeordneter<br />

Referenten<br />

Abgeordneter<br />

Referenten<br />

Abgeordneter<br />

Referenten<br />

Der Weg der Information: Vom Wahlkreis zu den Entscheidern<br />

In Parteien und deren Parlamentsfraktionen sind sehr wenige Experten für Fachfragen zuständig. Wenn Abgeordnete<br />

Wünsche aus ihren Wahlkreisen bearbeiten müssen, leiten sie die Anliegen an diese Experten weiter – hier werden sie<br />

in fachliche Zusammenhänge sowie in die Beschlusslage der Partei- und Fraktionsgremien eingeordnet. Wenn diesen<br />

Experten eine kritische Masse ähnlicher Eingaben auffällt, legen sie die kritischen Punkte den Fachpolitikern auf Führungsebene<br />

vor. Auf diesem Weg können Anliegen aus der gelebten Praxis aus jedem Wahlkreis über die Filterfunktionen<br />

Druck auf die Entscheidungsträger ausüben. Nehmen auch Sie dieses Recht wahr! DS/BT


Z direkt! <strong>02</strong>/2<strong>02</strong>1<br />

TITELTHEMA 23<br />

Was Sie sich fragen sollten<br />

Kandidaten und Abgeordnete wollen vor allem eines: gegenüber Medien und Öffentlichkeit<br />

ihre eigene Geschichte erzählen. Denn auch sie wissen, mithilfe von Geschichten<br />

können Informationen besser aufgenommen und langfristig im Gedächtnis<br />

verankert werden. Damit das gelingt, besteht Ihre Aufgabe in Gesprächen nicht nur<br />

darin, mit Fakten zu glänzen. Mindestens genauso wichtig ist es, Antworten auf die<br />

zentralen Fragen der Politiker zu finden. Die Herausforderung für Sie lautet also: Wie<br />

kann ich mit meinen Anliegen und Botschaften Kandidaten und Abgeordneten helfen,<br />

ihre Geschichte besser zu erzählen?<br />

Auf diese Fragen suchen Kandidaten und Abgeordnete<br />

fortlaufend Antworten für ihre eigene Geschichte:<br />

Wer bin ich?<br />

Warum tue ich, was ich tue?<br />

Wofür bin ich hier?<br />

Was kannst du von mir lernen?<br />

Wem habe ich geholfen?<br />

Versuchen Sie im Gespräch, Antworten zu finden, indem<br />

Sie sich bei der Vorbereitung fragen:<br />

Welche Werte und Überzeugungen hat der Kandidat/<br />

Abgeordnete und welche Anknüpfungspunkte gibt es<br />

zu meinen Argumenten?<br />

Welche Maßnahmen hat der Kandidat/Abgeordnete<br />

(auch seine Partei) bereits umgesetzt und wie haben<br />

diese auf mich persönlich und/oder meine Anliegen<br />

gewirkt?<br />

Welche politischen Ziele hat sich der Kandidat/Abgeordnete<br />

gesteckt und welche Rolle spielen meine Anliegen<br />

dabei?<br />

Welche neuen Aspekte (auch Erfahrungen) kann ich<br />

aus dem Gespräch mit dem Kandidaten/Abgeordneten<br />

mitnehmen?<br />

Wie kann ich dem Kandidaten/Abgeordneten vermitteln,<br />

dass er mir mit dem Gespräch oder in der Vergangenheit<br />

geholfen hat?


24<br />

TITELTHEMA<br />

Wahlkampf in der Zeitarbeit<br />

In Coronazeiten ist auch der Wahlkampf ein anderer. Große Veranstaltungen, zu denen<br />

Menschenmassen zusammenkommen, wird es in diesem Jahr kaum geben. Die<br />

Parteien konzentrieren sich auf den digitalen Wahlkampf mit Diskussionsrunden,<br />

Fernsehdebatten nach Vorbild der amerikanischen Elefantenrunden und Infomaterialien<br />

auf Websites und per Video. Im kleinen Kreis und immer unter Einhaltung<br />

aller Corona-Schutzmaßnahmen sind aber auch persönliche Treffen möglich – so<br />

wie bei iGZ-Mitglied Armon in Rheinland-Pfalz.<br />

Patrick Schnieder (links) und Bruno Hebel (rechts)<br />

Pünktlich um 10 Uhr biegt der Kombi auf den Parkplatz<br />

der Zeitarbeitsfirma Armon in Wittlich. Ein Mann im<br />

grauen Anzug steigt aus und wird von Niederlassungsleiter<br />

Bruno Hebel begrüßt. Es ist der parlamentarische<br />

Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion<br />

Patrick Schnieder. In der Unions-Fraktion läuft so gut<br />

wie nichts ohne ihn: Als „PGF“ ist er eine der wichtigsten<br />

Personen innerhalb der Fraktion und enger Mitarbeiter<br />

des Fraktionsvorsitzenden Ralph Brinkhaus. In<br />

abgedunkelten Limousinen fährt ihn die Fahrbereitschaft<br />

des Deutschen Bundestags in Berlin von Termin<br />

zu Termin. In aller Regel sind die Parlamentswochen<br />

eng durchgetaktet – eine Besprechung jagt die nächste.<br />

Mit so einer wichtigen Persönlichkeit kommt man nicht<br />

„einfach so“ ins Gespräch, sollte man meinen.<br />

Stimmt aber nicht. Denn das deutsche Wahlsystem sieht<br />

mit dem Wahlkreis-Prinzip vor, dass jede Bürgerin und<br />

jeder Bürger einen eigenen regionalen Vertreter in Berlin<br />

haben. Und ganz egal, wie wichtig sie in Berlin sein<br />

mögen: Jede Bundestagsabgeordnete und jeder Bundestagsabgeordneter<br />

weiß, dass sie nur dann sicher im<br />

nächsten Bundestag wieder vertreten sein werden, wenn<br />

sie ihren Wahlkreis auch bei der nächsten Bundestagswahl<br />

direkt gewinnen. Patrick Schnieder nimmt das sehr<br />

ernst. Auf seiner Homepage kann man ein „Schwätzchen<br />

mit Schnieder“ vereinbaren. Er sagt: „Der Kontakt<br />

zu meiner Heimat und den Menschen, die ich in Berlin<br />

vertrete, ist mir sehr wichtig. Deshalb nutze ich jede Gelegenheit,<br />

die Anliegen der Bürgerinnen und Bürger kennenzulernen,<br />

gemeinsam nach politischen Lösungen zu<br />

suchen und diese dann auch in die Realität umzusetzen.“<br />

Das kann Armon-Niederlassungsleiter Bruno Hebel bestätigen.<br />

Über Instagram war er im April dieses Jahres<br />

mit dem Politiker in Kontakt getreten: „Patrick Schnieder<br />

hatte in einem Post dafür geworben, Unternehmensansiedlungen<br />

bei uns vor Ort zu erleichtern. Ich hatte<br />

dann in einem Kommentar darauf hingewiesen, dass wir<br />

schon jetzt viel zu wenige Arbeitskräfte haben und dass<br />

ich ihn gern dazu einmal sprechen würde. Noch am selben<br />

Tag hatte ich über Instagram die Gesprächszusage


Z direkt! <strong>02</strong>/2<strong>02</strong>1<br />

TITELTHEMA 25<br />

von Herrn Schnieder.“ Sicherlich mag es nicht hinderlich<br />

gewesen sein, dass Schnieder bereits im vergangenen<br />

Bundestagswahlkampf Bruno Hebel einen Besuch abgestattet<br />

hatte. Doch auch hier hatte Hebel die Initiative<br />

ergriffen: „Ich hatte ihn einfach mal angemailt. Man hat<br />

ja immer ein Thema.“ Damals seien es die Zeitarbeitsrestriktionen<br />

im Bauhauptgewerbe gewesen, über die<br />

er mit dem Politiker sprechen wollte. „Meine Meinung<br />

ist, dass die Politik insgesamt zu wenig über Zeitarbeit<br />

weiß“, beschreibt Hebel seine Motivation.<br />

„Das ist genau der richtige Weg“, freut sich Andrea<br />

Resigkeit, Leiterin des iGZ-Hauptstadtbüros. „Wir empfehlen<br />

den Mitgliedsunternehmen in der Tat, direkt mit<br />

den Abgeordneten Kontakt aufzunehmen. Und das<br />

funktioniert über die Wahlkreis-Kontakte in aller Regel<br />

am besten.“ Der Verband selbst ist gegenüber seinen<br />

Ansprechpartnern, den Fachpolitikern, natürlich auch<br />

im Wahlkampf aktiv. Allerdings sei die Direktansprache<br />

durch Unternehmerinnen und Unternehmer, die aus ihrer<br />

eigenen Tätigkeit noch authentischer berichten können,<br />

dadurch nicht zu ersetzen. Der iGZ unterstützt seine<br />

Mitgliedsunternehmen durch entsprechende Materialien<br />

sowie bei der Pressearbeit und durch eine anschließende<br />

Berichterstattung in unseren Verbandsmedien, ergänzt<br />

Pressesprecher Wolfram Linke. „Wir haben die Erfahrung<br />

gemacht, dass insbesondere auch Kandidaten, die einen<br />

Amtsinhaber herausfordern, dankbar für solche Termine<br />

sind, weil sie sich natürlich auch erstmal bekannt machen<br />

müssen und wollen“, so Linke. Außerdem erinnert<br />

er daran, dass „der Kandidat von heute nicht selten der<br />

Amtsinhaber von morgen ist.“<br />

In diesem Sinne ruft Resigkeit die iGZ-Mitglieder auf,<br />

ähnlich aktiv zu werden, auf die Abgeordneten oder<br />

Kandidaten vor Ort zuzugehen und um Gesprächstermine<br />

zu bitten: „Nur wenn es uns gelingt, mehr Hintergrundwissen<br />

und Positivbeispiele über die Zeitarbeit bei<br />

den politisch Handelnden zu verankern, sind wir letztlich<br />

besser vor falschen oder schädlichen politischen<br />

Beschlüssen geschützt.“<br />

Bei Patrick Schnieder in Wittlich ist die Botschaft angekommen.<br />

„Zeitarbeit ist bedeutsam für unseren Arbeitsmarkt.<br />

Sie ist wichtig für die Integration in den<br />

Arbeitsmarkt, sie ist wichtig als Rekrutierungselement<br />

für Unternehmen und sie kann zu Flexibilisierung beitragen“,<br />

sagte der parlamentarische Geschäftsführer<br />

der CDU/CSU-Bundestagsfraktion bei dem Termin zu<br />

Bruno Hebel. Und so stand es schließlich auch in der<br />

Pressemitteilung. MS


26<br />

TITELTHEMA<br />

Vorsicht – Vorurteile!<br />

Vorurteile gegenüber Zeitarbeit gibt es zu Genüge – ob aufgrund von ideologischen<br />

Überzeugungen, anekdotischer Evidenz oder dem oft zur Schau getragenen Zeitgeist<br />

„meinungsreich, aber kenntnisarm“. Grund genug, um mit den fünf schlimmsten<br />

Vorurteilen aufzuräumen.<br />

»Zeitarbeit ersetzt Stammpersonal.« Falsch!<br />

Der Anteil der Zeitarbeit an der Gesamtwirtschaft reduzierte sich von 2017 bis 2019 von 2,8 auf 2,3 Prozent.<br />

Gleichzeitig stieg die Gesamtbeschäftigung.<br />

2017 1.032.221<br />

37.181.750<br />

2018<br />

2019<br />

1.000.520<br />

895.472<br />

37.839.474<br />

38.294.803<br />

Anzahl der Zeitarbeitskräfte Zahl der Beschäftigten insgesamt<br />

Quelle: Bundesagentur für Arbeit | Juni 2<strong>02</strong>0<br />

»Zeitarbeitskräfte sind die Ersten, die in<br />

der Pandemie entlassen werden.« Falsch!<br />

In der Coronakrise wurden im Vergleich zu 2019 weniger Beschäftigte von Zeitarbeitsbetrieben arbeitslos gemeldet<br />

und mehr Langzeitarbeitslose fanden in der Zeitarbeitsbranche einen neuen Job.<br />

NEU<br />

ARBEITSLOS<br />

GEMELDETE<br />

2019 / 2<strong>02</strong>0<br />

ANTEIL<br />

AN ALLEN EHEMALS<br />

LANGZEITARBEITSLOSEN<br />

2<strong>02</strong>0<br />

ZEITARBEITSBRANCHE<br />

Nov. 2019<br />

ZEITARBEITSBRANCHE<br />

28.000 Jan. 2<strong>02</strong>0 9,9 %<br />

Nov. 2<strong>02</strong>0 20.000<br />

Dez. 2<strong>02</strong>0 21,6 %<br />

Quelle: Bundesagentur für Arbeit | März 2<strong>02</strong>1 Quelle: Bundesagentur für Arbeit | März 2<strong>02</strong>1


Z direkt! <strong>02</strong>/2<strong>02</strong>1<br />

TITELTHEMA 27<br />

»Zeitarbeitskräfte sind unterbezahlt.« Falsch!<br />

Die bundeseinheitliche Lohnuntergrenze<br />

in der Zeitarbeit beträgt<br />

10,45 Euro pro Stunde und liegt<br />

somit deutlich über dem gesetzlichen<br />

Mindestlohn. Zusätzlich<br />

gibt es tarifliche Branchenzuschläge,<br />

Urlaubs- und Weihnachtsgeld,<br />

Mehrarbeitszuschläge und einen<br />

Gewerkschaftsbonus. Quelle: Tarifverträge iGZ-DGB-Tarifgemeinschaft 2<strong>02</strong>0–2<strong>02</strong>2<br />

»Zeitarbeit ist keine gute Arbeit.« Falsch!<br />

Zeitarbeit unterliegt den arbeits- und arbeitsschutzrechtlichen Regelungen wie andere Arbeitsverhältnisse auch.<br />

93%<br />

88%<br />

der Zeitarbeitnehmer<br />

sind sozialversicherungspflichtig<br />

beschäftigt.<br />

der Zeitarbeitsverhältnisse<br />

sind tarifiert.<br />

Quelle: Bundesagentur für Arbeit | Juni 2<strong>02</strong>0 Quelle: Statistisches Bundesamt | April 2018<br />

»Der Einsatz von Zeitarbeitskräften in der<br />

Pflege hat massiv zugenommen.« Falsch!<br />

Der Anteil von Zeitarbeitskräften in der Pflege ist unterdurchschnittlich<br />

niedrig und seit Juni 2018 leicht gesunken.<br />

2,07 %<br />

ZEITARBEITSKRÄFTE IN DER PFLEGE<br />

Juni 2018<br />

Juni 2<strong>02</strong>0<br />

35.828<br />

35.661<br />

Zeitarbeitskräfte<br />

in<br />

der Pflege<br />

2<strong>02</strong>0<br />

Quelle: Bundesagentur für Arbeit | Juni 2<strong>02</strong>0<br />

DS


28<br />

TITELTHEMA<br />

Erfolgsmodell Zeitarbeit<br />

Die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V. (vbw) hat eine digitale Kongress-<br />

Reihe für neue Bundestagsabgeordnete organisiert. Unter der Moderation von<br />

vbw-Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt werden seit Mai mehrere digitale<br />

Runden in den Regionen angeboten, um mit den neu nominierten Bundestagsabgeordneten<br />

aller Parteien über die Vor- und Nachteile der Zeitarbeit zu diskutieren.<br />

Bei einer Veranstaltung war auch der iGZ dabei.<br />

Foto: vbw – Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V.<br />

Bertram Brossardt<br />

Zu Beginn stellten Vertreter von Unternehmen ausführlich<br />

in Praxisberichten dar, warum und in welchem Umfang<br />

sie Personaldienstleistungen in Anspruch nehmen –<br />

so etwa in der Auftaktveranstaltung Michael Ullrich,<br />

Senior Vice President und Chief Financial Officer bei<br />

Linde. Anschließend hatten die Parteivertreter Gelegenheit,<br />

ihre jeweiligen arbeitsmarktpolitischen Positionen<br />

vorzustellen.<br />

Alle Beteiligten waren sich einig, dass die Corona-Pandemie<br />

auch die Arbeitswelt nachhaltig verändert habe.<br />

Die fortschreitende Digitalisierung etwa hat durch die<br />

Pandemie einen gewaltigen Schub erfahren. Das sei<br />

eine Chance für alle – für Arbeitgeber und Arbeitnehmer<br />

gleichermaßen. Andere coronagetriebene Veränderungen<br />

der Arbeitswelt sieht die Bayerische Wirtschaft<br />

eher negativ, wie der vbw-Hauptgeschäftsführer Brossardt<br />

im einleitenden Grundsatzreferat ausführte.<br />

Nachfolgend einige wesentliche Passagen aus dieser<br />

viel beachteten Rede:<br />

» Uns allen muss bewusst sein: Flexible Beschäftigungsformen<br />

wie Zeitarbeit sind für die Unternehmen in<br />

unserem Land überlebenswichtig und dürfen nicht<br />

weiter angetastet werden! Wir brauchen sie, wenn<br />

wir gestärkt aus der Krise kommen und wirtschaftlich<br />

erfolgreich bleiben wollen. In Anbetracht dieser weiterhin<br />

kritischen Situation müssen wir alles daransetzen,<br />

die Konjunktur in Schwung zu bekommen.<br />

Mit Blick auf den Faktor Arbeit heißt das: Wir dürfen<br />

nicht fesseln, wir müssen entfesseln! Wir dürfen nicht<br />

unbeweglich und starr sein, wir müssen dynamisch<br />

und flexibel werden! Wir dürfen nicht beschränken,<br />

wir müssen Schranken beseitigen!


Z direkt! <strong>02</strong>/2<strong>02</strong>1<br />

TITELTHEMA 29<br />

Es gilt die Formel: Um das Tempo der wirtschaftlichen<br />

Erholung zu intensivieren, müssen wir Beschäftigung<br />

flexibilisieren. Das gilt im Übrigen auch mit Blick auf<br />

die Befristungs- und Arbeitszeitregelungen. Eine verschärfte<br />

Regulierung von Beschäftigung hingegen<br />

wäre kontraproduktiv. Auch die Zeitarbeit steht zu<br />

Unrecht in Verruf. Sie hat zwei Funktionen, die für<br />

unsere Volkswirtschaft von immenser Bedeutung<br />

sind: Zum einen ermöglicht Zeitarbeit den Unternehmen<br />

beim Personaleinsatz höchste Flexibilität. Das<br />

ist gerade jetzt, in der Krise, ungeheuer wichtig, damit<br />

sich angeschlagene Firmen wieder aufrappeln<br />

können. Zum anderen ist die Zeitarbeit aber auch<br />

für viele Arbeitsuchende von existenziellem Wert:<br />

Gerade Geringqualifizierte nutzen sie als Brücke in<br />

den Arbeitsmarkt. Zwei Drittel derjenigen, die 2019<br />

eine Tätigkeit als Zeitarbeitnehmer aufgenommen<br />

haben, waren zuvor ohne Beschäftigung. 16 Prozent<br />

waren länger als ein Jahr beschäftigungslos. Hinzu<br />

kommt, dass viele Zeitarbeiterinnen und Zeitarbeiter<br />

den Sprung in ein konventionelles Beschäftigungsverhältnis<br />

schaffen. Diesen Beschäftigungsmotor dürfen<br />

wir nicht einfach abwürgen!<br />

Als vbw setzen wir uns deshalb dafür ein, die<br />

Höchstüberlassungsdauer abzuschaffen – zumindest<br />

in Krisenzeiten und den ersten Monaten der Erholung.<br />

Denn Fakt ist doch: Wenn ein Zeitarbeitseinsatz<br />

nur wegen der Höchstüberlassungsdauer beendet<br />

wird, erhöht das in wirtschaftlich schwierigen Zeiten<br />

die Gefahr, arbeitslos zu werden. Das sollten wir verhindern!<br />

Auch die ausufernde Bürokratie des 2017 reformierten<br />

Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes muss<br />

deutlich zurückgestutzt werden. Umfangreiche Melde-<br />

und Hinweispflichten sind ebenso unnötig wie<br />

das Schriftformerfordernis, das den Unternehmen<br />

Zeit und Nerven kostet. Ein Textformerfordernis sollte<br />

im 21. Jahrhundert völlig ausreichen!<br />

Arbeit ist in Deutschland nicht nur teuer, sondern<br />

auch an unzählige Vorgaben gebunden. Das wiederum<br />

stellt eine ernstzunehmende Gefahr für den bislang<br />

so robusten Arbeitsmarkt dar. Diese Stabilität ist<br />

aber nicht gottgegeben! Das müssen wir uns immer<br />

wieder vor Augen führen!<br />

Die Unternehmen in Deutschland brauchen Luft zum<br />

Atmen, um den Konjunktureinbruch zu überwinden,<br />

Innovationen in Gang zu bringen und Arbeitsplätze<br />

zu schaffen bzw. zu erhalten.<br />

Kurzum: Flexibilität ist das Gebot der Stunde, um<br />

in der Post-Corona-Zeit wieder auf die Beine zu<br />

kommen. Wir sollten Zeitarbeit und Werkverträge<br />

deshalb nicht dämonisieren, sondern sie als das betrachten,<br />

was sie sind: Unverzichtbare Instrumente<br />

aus dem Werkzeugkasten zum Wiedererstarken unseres<br />

Corona-geschwächten Landes! « WS<br />

Anzeige<br />

# Easy Homeoffice<br />

mit E+S Personaldienstleister<br />

... damit Sie sich auf die wichtigen<br />

Dinge im Leben konzentrieren können!<br />

Mit uns bleiben Sie flexibel -<br />

jetzt und in Zukunft!<br />

www.es-software.de<br />

vertrieb@es-software.de


30<br />

GASTBEITRAG<br />

Verbot der Zeitarbeit in der Fleischwirtschaft<br />

Der Ball liegt in Karlsruhe<br />

Das Verbot von Zeitarbeit ist kühn und verfassungsrechtlich<br />

wie europarechtlich nicht zu rechtfertigen.<br />

Wer mir nicht glaubt, der mag einer Vielzahl von Arbeitsrechtlern<br />

glauben – Professoren, Richtern, Anwälten,<br />

allesamt Autoren und Herausgeber von Kommentaren<br />

zum Arbeitgeberüberlassungsgesetz, Kenner der Materie:<br />

Professor Dr. Burkhard Boemke, Professor Franz<br />

Josef Düwell, Professor Dr. Stefan Greiner, Professor Dr.<br />

Wolfgang Hamann, Professor Dr. Heinz-Jürgen Kalb, Dr.<br />

Martin Kock, Professorin Dr. Anja Mengel, Dr. Guido<br />

Motz, Professor Dr. Peter Schüren, Professor Dr. Rolf<br />

Wank. Wir haben einen gemeinsamen Beitrag in der<br />

Neuen Zeitschrift für Arbeitsrecht (NZA 2<strong>02</strong>0, S. 1160<br />

ff.) veröffentlicht, weil wir zwar das Ziel des Gesetzes<br />

teilen, dafür jedoch geeignete und verhältnismäßige<br />

Mittel einfordern. Dazu gehört das Verbot der Zeitarbeit<br />

nicht. Zurecht ist man daher nach Karlsruhe gegangen:<br />

Der Ball liegt damit beim Bundesverfassungsgericht.<br />

Das hat Anträge auf einstweilige Anordnungen zwar<br />

abgelehnt, hat aber klar gesagt, wie schwierig die<br />

Rechtslage ist. In seinem Beschluss vom 29.12.2<strong>02</strong>0<br />

nahm es unter anderem auf diese Stellungnahme Bezug<br />

und machte deutlich: „Die hier aufgeworfenen verfassungsrechtlichen<br />

Fragen nicht nur der Regelung an<br />

sich, sondern der Regelung, die ohne Übergangsfrist in<br />

Kraft tritt […], bedürfen jedenfalls sorgfältiger Prüfung,<br />

deren Ausgang offen ist.“<br />

Die Kritik hat einen einfachen Grund: Sowohl der europäische<br />

als auch der deutsche Gesetzgeber haben die<br />

Zeitarbeit reguliert. Es existiert ein Erlaubnisvorbehalt,<br />

der unseriöse Verleiher ausschließt. Seit 2017 besteht<br />

zum Schutz vor Substituierung der Stammbelegschaft<br />

eine Höchstüberlassungsdauer und zur sozialen Absicherung<br />

der Zeitarbeitnehmer eine verbesserte Regelung<br />

zur Gleichstellung mit Stammarbeitnehmern<br />

(Equal-Pay-Gebot). Die Tätigkeit bei dem Entleiher unterliegt<br />

den für den Betrieb des Entleihers geltenden<br />

öffentlich-rechtlichen Vorschriften des Arbeitsschutzrechts;<br />

die sich hieraus ergebenden Arbeitgeberpflichten<br />

obliegen dem Entleiher. Der Betriebsinhaber ist<br />

persönlich verantwortlich. Anders als bei Werkverträ-


Z direkt! <strong>02</strong>/2<strong>02</strong>1<br />

GASTBEITRAG 31<br />

gen kann nicht auf die Verantwortung eines Dritten verwiesen<br />

werden. Es entsteht kein Überwachungs- und<br />

Korrekturdefizit, wie es wegen der Werkvertragsketten<br />

von den Zoll- und Arbeitsschutzbehörden beklagt wird;<br />

denn der Betriebsinhaber ist als Entleiher vor Ort stets<br />

„greifbar“. Ihm können die erforderlichen Maßnahmen<br />

zur Abhilfe aufgegeben werden. Zudem sind die Zeitarbeitnehmer<br />

seit fast 20 Jahren im Entleiherbetrieb<br />

wahlberechtigt. Seit 2017 ist klargestellt, dass sie nicht<br />

nur „wählen“, sondern auch für die Schwellenwerte der<br />

Betriebsverfassung „zählen“. So ist sichergestellt, dass<br />

der Betriebsrat sie gegenüber dem Betriebsinhaber vertreten<br />

kann. Die tragenden Gründe, die für ein Verbot<br />

der Werkverträge sprechen, gelten demnach nicht für<br />

ein Zeitarbeitsverbot.<br />

Die Gesetzesbegründung versucht, das Verbot mit dem<br />

Hinweis zu rechtfertigen, die Einheit von Arbeitsvertragsarbeitgeber<br />

und Weisungsgeber erleichtere die<br />

Kontrolle von Arbeitsverstößen. Das mag zuweilen<br />

stimmen – doch könnte man mit diesem Argument<br />

jegliche Zeitarbeit in jeglicher Branche verbieten. Das<br />

kann schon aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht<br />

rechtens sein. Die Karlsruher Richter haben deutlich<br />

gemacht, dass ein Verbot der Zeitarbeit ohne hinreichende<br />

sachliche Gründe unzulässig ist. Zu Recht weist<br />

das Gericht darauf hin, dass „Grundrechte nicht nur<br />

nach Maßgabe dessen bestehen, was an Verwaltungseinrichtungen<br />

vorhanden ist“. Führt die Aufstockung<br />

von Kontrolleinrichtungen zur Gewährleistung eines<br />

effektiven Schutzniveaus bei milderer Einschränkung,<br />

so gebührt dieser unter dem Aspekt der Erforderlichkeit<br />

der Vorrang. Vor allem aber ist das Verbot an den Vorgaben<br />

des Artikel 4 der Leiharbeitsrichtlinie zu messen:<br />

Es braucht hinreichende Gründe des Allgemeininteresses<br />

für ein Verbot. Zu diesen Gründen gehören der<br />

Schutz der Zeitarbeitnehmer, die Erfordernisse von Gesundheitsschutz<br />

und Sicherheit am Arbeitsplatz sowie<br />

die Notwendigkeit, das reibungslose Funktionieren des<br />

Arbeitsmarktes zu gewährleisten und Missbrauch der<br />

Zeitarbeit zu verhüten. Und eben diese Gründe sind in<br />

einer solchen Pauschalität nicht ersichtlich.<br />

Mein Fazit ist eindeutig: Das Gesetz ist weder mit Verfassungs-<br />

noch Europarecht zu vereinbaren. Das heißt<br />

indes nicht, dass der Gesetzgeber nicht handeln kann –<br />

und soll. Doch er sollte sich auf die Fehlentwicklungen<br />

konzentrieren, die tatsächlich dem Arbeitnehmerschutz<br />

entgegenstehen. Schon im Eckpunktepapier<br />

des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom<br />

20.5.2<strong>02</strong>0 werden die Missstände benannt, denen<br />

abgeholfen werden soll: „Überbelegungen und Wuchermieten,<br />

Verstöße gegen Hygiene-, Abstands- und<br />

Arbeitsschutzbestimmungen (insbesondere fehlende<br />

Schutzausrüstung, zu geringer Sicherheitsabstand, keine<br />

arbeitsmedizinische Versorgung) sowie Verstöße<br />

gegen das Mindestlohn- und Arbeitszeitgesetz.“ Eben<br />

daran ist anzuknüpfen. Deshalb täte der Gesetzgeber<br />

gut daran, mutig voranzuschreiten, fokussiert auf das,<br />

was wirklich hilft: mehr Kontrollen, präzisere Vorgaben<br />

für angemessene Unterkünfte und für eine fälschungssichere<br />

digitale Arbeitszeiterfassung, damit der Arbeitsund<br />

Gesundheitsschutz gewährleistet und auch jede<br />

Arbeitsstunde wirklich bezahlt wird. Das Verbot der<br />

Zeitarbeit sollte nicht zum Beifang werden. Die Augen<br />

richten sich auf Karlsruhe – ich bin gespannt.<br />

Prof. Dr. Gregor Thüsing, Master of Laws (LL.M. Harvard), ist seit 2004<br />

Lehrstuhlinhaber und Direktor des Instituts für Arbeitsrecht und Recht<br />

der sozialen Sicherheit der Universität Bonn. Thüsing besitzt die venia<br />

legendi – Lehrberechtigung – für die Fächer Bürgerliches Recht, Arbeits-<br />

und Sozialrecht, Rechtsvergleichung und Kirchenrecht. Er ist Autor<br />

zahlreicher Fachpublikationen, vielfacher Sachverständiger im deutschen<br />

Bundestag und nimmt regelmäßig in der Tagespresse zu aktuellen Fragen<br />

des Arbeits- und Sozialrechts Stellung.


32<br />

CORONAKRISE<br />

Trotz Umsatzeinbußen<br />

optimistisch in die Zukunft<br />

Die Zeitarbeit gehört – neben der Gastronomie – zu den Branchen, die am schwersten<br />

von der Coronakrise getroffen wurden. Dabei hatten und haben die Unternehmen<br />

nicht nur mit den konjunkturellen Eintrübungen durch Lockdowns und damit verbundene<br />

Auftragsrückgänge zu kämpfen: Bereits vor der Viruspandemie hatte sich die<br />

wirtschaftliche Lage eingetrübt.<br />

Weitere Stolpersteine – wie etwa das Verbot von Zeitarbeit<br />

in der Fleischindustrie und die Beschränkungen<br />

durch die Reform des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes<br />

(Überlassungshöchstdauer von 18 Monaten, Equal Pay<br />

etc.) – sorgten zusätzlich für ausgeprägte Auftrags- und<br />

damit Arbeitsplatzverluste in der Zeitarbeitsbranche. Einziger<br />

Lichtblick: Das Kurzarbeitergeld wurde auch für die<br />

Zeitarbeit gewährt und intensiv in Anspruch genommen.<br />

In Zahlen ausgedrückt musste die Branche beispielsweise<br />

im April 2<strong>02</strong>0 zwischenzeitlich ein Minus von fast<br />

110.000 Mitarbeitern im Vergleich zu April 2019 verkraften.<br />

Über ein Drittel – 36,4 Prozent – der Zeitarbeitsunternehmen<br />

beantragten in dieser Phase Kurzarbeit.<br />

Auch das Zahlenwerk der aktuellen Lünendonk-Studie<br />

2<strong>02</strong>1 dokumentiert, welch’ tiefe Spuren diese größte<br />

Wirtschaftskrise der Nachkriegszeit hinterlassen hat.<br />

Die Lünendonk & Hossenfelder GmbH errechnete für<br />

2<strong>02</strong>0 ein Marktvolumen von 27,2 Milliarden Euro, was<br />

einem Minus von 12,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr<br />

entspricht.<br />

Firmen gaben auf oder fusionierten – das wirbelte vor<br />

allem auch die Liste der Top 20 der Zeitarbeitsbranche<br />

kräftig durcheinander: Marktführer ist unverändert<br />

Randstad mit einem Umsatz von 1,56 Milliarden Euro.<br />

Noch im Vorjahr verzeichnete das Unternehmen knapp<br />

1,93 Milliarden Euro. Dem Umsatzrückgang von 19,0<br />

Prozent steht ein Rückgang der Zeitarbeitnehmenden<br />

von 22,2 Prozent gegenüber. Auf Rang zwei folgt wie<br />

in den Vorjahren Adecco mit nun knapp 1,11 Milliarden<br />

Euro (-17,2 Prozent). Erstmals seit 2015 ist Persona<br />

Service aus Lüdenscheid mit einem Umsatz von 557<br />

Millionen Euro (-21,4 Prozent) wieder auf Rang drei<br />

gelistet. Persona tauscht den Listenplatz mit Manpower<br />

(537 Millionen Euro, -26,7 Prozent). Neu auf Listenplatz<br />

sechs ist House of HR Germany, die seit dem Zusammenschluss<br />

von Timepartner und Zaquensis gemeinsam<br />

berichten. Beide Unternehmen zusammen kommen auf<br />

ein Umsatzminus von 56,5 Millionen Euro (-14,5 Prozent).<br />

Hays Professional Solutions verzeichnet ebenfalls<br />

einen Umsatzrückgang und erreicht nun 294,3 Millionen<br />

Euro (-23,1 Prozent) und Rang sieben des Rankings.<br />

-19,0 %<br />

Randstad<br />

-17,2 %<br />

Adecco<br />

-21,4 %<br />

Persona Service<br />

-26,7 %<br />

Manpower<br />

-14,5 %<br />

House of HR Germany<br />

-23,1 %<br />

Hays Professional Solutions


Z direkt! <strong>02</strong>/2<strong>02</strong>1<br />

CORONAKRISE 33<br />

Amadeus FiRe + 20,2 %<br />

Gi Group + 65,6 %<br />

Es gibt aber auch Zeitarbeitsunternehmen, die für das abgelaufene Geschäftsjahr<br />

ein Plus verbuchen. Zwei Unternehmen aus den Top 20 steigerten<br />

den Umsatz. Sowohl von Amadeus FiRe (+20,2 Prozent und Rang 8,<br />

2<strong>02</strong>0: Rang 13) als auch von der Gi Group (+65,6 Prozent, Rang 17, 2<strong>02</strong>0:<br />

Rang 25) wurden übernommene Gesellschaften konsolidiert. Amadeus<br />

FiRe ist damit erstmals in den Top 10 vertreten. Hier spiegelt sich wider,<br />

was die Personaldienstleistungsbranche vor allem ausmacht: Vielfalt und<br />

Flexibilität. Das schnelle Reagieren auf ständig sich ändernde Marktbedingungen<br />

sorgte auch in Zeiten des Lockdowns dafür, dass die Zeitarbeit eine<br />

wichtige Rolle in der Versorgung der Bevölkerung und der Sicherung von<br />

Logistik spielte.<br />

Während die Zahlen in den produzierenden Wirtschaftszweigen – und hier<br />

insbesondere der Autoindustrie – bereits vor drei Jahren langsam durch den<br />

Strukturwandel in den Sinkflug gingen, ergaben sich plötzlich zusätzliche<br />

Personalbedarfe in ganz anderen Sparten wie etwa im Pflegesektor oder in<br />

Logistikbereichen. Dank des Kurzarbeitergeldes konnte die Branche zahlreiche<br />

Arbeitskräfte halten, die nun sofort wieder einsatzbereit sind. Ähnlich<br />

wie nach der Wirtschaftskrise 2011 steigt die Zahl der Aufträge – Zeitarbeit<br />

wird häufig von den Kundenunternehmen genutzt, um flexibel auf die Auftragslage<br />

reagieren zu können. Nun bleibt abzuwarten, ob – analog zur sich<br />

stabilisierenden Wirtschaftslage im Jahr 2011 – auf die Zeitarbeit erneut<br />

eine Übernahmewelle ihrer Zeitarbeitskräfte zurollt. Die aktuelle Erholung<br />

am Arbeitsmarkt drückt sich nun an den Zahlen der Beschäftigten aus: Allein<br />

im März dieses Jahres stieg die Zahl der Beschäftigten in der Zeitarbeitsbranche<br />

um 22.300 auf insgesamt 682.900. Nach Lünendonk-<br />

Einschätzung wird es aber noch eine Weile dauern, bis sich die Wirtschaft<br />

von diesem Einschnitt wieder erholt haben wird. Die Branche erweist sich<br />

nichtsdestotrotz einmal mehr als Frühindikator für die Wirtschaft. Insoweit<br />

kann die Personaldienstleistungsbranche mit Optimismus in die Zukunft<br />

schauen. WLI<br />

Anzeige<br />

Quelle: Marktforschungsunternehmen Lünendonk & Hossenfelder GmbH


Ihr professioneller Partner für<br />

sicheren Mitarbeitershuttle<br />

Die AGT stellt deutschland- und europaweit für<br />

Unternehmen und Personaldienstleister Fahrzeuge mit<br />

Fahrer aller Größen zur Verfügung um Mitarbeiter,<br />

Zeitarbeiter oder Aushilfskräfte täglich sicher und<br />

zuverlässig zur Arbeit zu bringen. Die Streckenführungen und<br />

Abfahrtzeiten bestimmt der Kunde selbst und unabhängig<br />

von bestehenden Verkehrsanbindungen durch den<br />

öffentlichen Nahverkehr. Wir fahren Sie von Ihrem Wunsch-<br />

Abfahrtsort zu Ihrem Wunsch-Zielort zu jeder Tag- und<br />

Nachtzeit rund um die Uhr.<br />

Als größte Service- und Dienstleistungsagentur der<br />

Buslogistik stellen wir täglich über 150 Busse zur Verfügung<br />

um Mitarbeiter in Mehrschicht-Systemen zu Betriebsstätten<br />

und Werkshallen zu shuttlen. Mit unserem Netzwerk aus über<br />

1.000 Bus- und Kooperationspartnern in Deutschland und<br />

Europa sind wir Ihr professioneller Dienstleister für<br />

zuverlässige und sichere Beförderung Ihrer Mitarbeiter.<br />

Ihre Vorteile<br />

• Höhere Mitarbeiter-Zufriedenheit<br />

• Verringerung der Personalfluktuation<br />

• Steigerung der Mitarbeitermobilität<br />

• 24/ 7 Leitzentrale für ganz Deutschland und Europa<br />

• Individuelle und fachliche Beratung durch ein Projektteam<br />

mit persönlichem Kontakt<br />

• Bedarfsgerechte Anpassung der Mitarbeiterzahl<br />

• Individuelle Routenplanung und flexible Zeitpläne<br />

• Flexible Beförderungskapazitäten (Fahrzeuge mit 8/ 20/<br />

50/ 80/ 100 Plätzen)<br />

• Effektive und sichere Hygienekonzepte zum Schutz der<br />

Mitarbeiter<br />

DAS HYGIENEKONZEPT<br />

Unsere Stärken<br />

• Kostenlose Bedarfs- und Standortanalyse<br />

• Individuelle Routenplanung mit abgestimmten<br />

Zu- und Ausstiegen für die Mitarbeiter<br />

• Professionelles Backoffice-Team zur<br />

Prozessüberwachung, einschließlich Reporting<br />

• Bessere Kontrollfunktion durch digitale<br />

Hilfsmittel (Live-Tracking/ GPS-Funktionen)<br />

• Koordination vor Ort über ein professionelles<br />

AGT-Team in ganz Deutschland/ Europa<br />

• Langjährige Erfahrung in der Busmobilität und<br />

Personenbeförderung<br />

Besuchen Sie unsere Webpage für die direkte Buchung eines Mitarbeitershules unter<br />

www.mitarbeitershule.com oder rufen Sie uns an unter 0800 50 50 50 3!


Z direkt! <strong>02</strong>/2<strong>02</strong>1<br />

DIGITAL UNTERWEGS 35<br />

iGZ-Mitgliederversammlung<br />

Schubert bleibt im Amt<br />

Nahezu einstimmig hat das virtuelle Plenum Irene Schubert als stellvertretende<br />

iGZ-Bundesvorsitzende bestätigt. Die Unternehmerin hatte das Amt nach dem tragischen<br />

Ableben ihrer Vorgängerin Manuela Schwarz zunächst kommissarisch übernommen.<br />

Als Beisitzer rückte Walter Schäfer in den iGZ-Bundesvorstand.<br />

Dass Zeitarbeit nicht nur in Sachen Flexibilität, sondern<br />

auch bei der Digitalisierung ein echter Vorreiter ist, zeigte<br />

die hohe Teilnehmerzahl von 209 bei der Mitgliederversammlung.<br />

Zum Auftakt stellte der iGZ-Bundesvorsitzende<br />

Christian Baumann den Rechenschaftsbericht 2<strong>02</strong>1<br />

vor, der auch unter www.ig-zeitarbeit.de nachgelesen<br />

werden kann. Baumann hob – mit Blick auf die vielen<br />

Behinderungen durch den Corona-Lockdown – unter<br />

anderem besonders die enge Zusammenarbeit von<br />

Haupt- und Ehrenamt im iGZ hervor, die von großer<br />

Professionalität geprägt sei. In kurzen Einspielern stellten<br />

sich die Mitglieder des iGZ-Bundesvorstands vor<br />

und nahmen zu aktuellen Themen und Aufgabenfeldern<br />

des Verbandes Stellung.<br />

NEUEINTRITTE STABIL<br />

Im Anschluss rief der Versammlungsleiter, iGZ-Hauptgeschäftsführer<br />

Werner Stolz, den Finanzbericht auf, den<br />

Vorstandsmitglied Martin Liebert vorstellte. Als erfreulich<br />

bezeichnete Liebert die trotz Corona zu verzeichnende<br />

Konstanz der Neueintritte. Nichtsdestotrotz sei ein Rückgang,<br />

hauptsächlich durch die pandemiebedingten Insolvenzen,<br />

zu verzeichnen – aktuell liege die Mitgliederzahl<br />

bei 3.523. Dirk Wiesner bescheinigte dem Vorstand in<br />

seiner Funktion als Rechnungsprüfer gemeinsam mit<br />

Jaroslaw Kral denn auch einwandfreie Kassenführung<br />

und beantragte Entlastung. Dem wurde ebenso einhellig<br />

zugestimmt wie dem Haushaltsplan für das Jahr 2<strong>02</strong>1.<br />

RECHNUNGSPRÜFER UND TARIFKOMMISSION<br />

Neben den Wahlen in den Bundesvorstand standen<br />

auch die Neuwahlen von zwei Rechnungsprüfern auf<br />

der Tagesordnung: Per virtuellem Abstimmungstool<br />

wählten die Mitglieder Nicole Piontek und Jaroslaw Kral<br />

ins Amt. Einen kleinen Wahlmarathon galt es unter dem<br />

nächsten Programmpunkt zu bewältigen: In die Tarifkommission<br />

gewählt wurden: Dr. Timm Eifler, Carsten<br />

Ahrens, Ulrike Kücker, Martin Liebert, Vanessa Nier,<br />

Robert Schäfer, Andreas Haßenewert, Volker Homburg,<br />

Janne Maurer, Michael Bezverkhniy, Michael Haitz,<br />

Gerriet Cornelius, Thomas Dick, Nicole Piontek, Florian<br />

Meyer, Matthias Klösch, Lars Pogadl-Kamper, Ulrich<br />

Angenendt, Frank Grossnick und Carsten Scholz. Als Ersatz<br />

wurden gewählt: Maik Neumann, Jörg Jennerjahn,<br />

Marc Papajewski, Walter Schäfer und Kai Rügge.<br />

SATZUNG GEÄNDERT<br />

Die Digitalisierung erfordert auch Anpassungen in der<br />

Satzung des Interessenverbandes. Auf Antrag stimmten<br />

die Mitglieder den Änderungen zu, die nun auch<br />

Veranstaltungen und Versammlungen in digitaler Form<br />

gewährleisten. Unter den Punkt Verschiedenes fiel die<br />

Verabschiedung des Leiters der iGZ-Abteilung Kommunikation,<br />

Marcel Speker, der nach zehn Jahren Verbandstätigkeit<br />

den Job wechselt. WLI<br />

Irene Schubert | Werner Stolz | Christian Baumann | Marcel Speker


36<br />

DIGITAL UNTERWEGS<br />

iGZ-Bundeskongress<br />

Flexibilität entscheidet über<br />

Sieg oder Niederlage<br />

Mit Blick auf die Entwicklung der Coronapandemie und die Ausbreitung der Delta-<br />

Variante hatte der Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen entschieden,<br />

auch seinen Bundeskongress digital auszutragen. Mehr als 300 Teilnehmer<br />

wohnten dem Event bei, das aus einem Studio aus Emsdetten live gestreamt wurde.<br />

Anke Plättner<br />

Jana Schimke<br />

Die Zeitarbeit hat die Coronapandemie bedingungslos<br />

akzeptiert und flexibel auf die geänderten Bedingungen<br />

reagiert, sagte der iGZ-Bundesvorsitzende Christian<br />

Baumann zum Auftakt. Zahlreiche Mitarbeiter seien<br />

qualifiziert und dann im Einzelhandel und den Gesundheitsämtern<br />

eingesetzt worden. Demgegenüber stünden<br />

zahlreiche Arbeitsplatzverluste in den Bereichen<br />

Gastronomie und Produktion. Baumann schaute auch<br />

nach vorn und erinnerte an die Bundestagswahl im<br />

Herbst. „Wir sind in der Lage, unsere Bedingungen<br />

mit den Sozialpartnern selbst zu gestalten und zu realisieren“,<br />

reagierte er auf die teils abenteuerlichen Formulierungen<br />

mancher Wahlprogramme zum Thema<br />

Zeitarbeit. Der iGZ-Bundesvorsitzende forderte ein, das<br />

hohe Gut der Tarifautonomie zu respektieren.<br />

MASSIVE EINSCHRÄNKUNGEN<br />

Unter dem Deckmantel der Schutzbedürftigkeit habe<br />

es massive Einschränkungen der Zeitarbeit gegeben,<br />

erinnerte er an das Zeitarbeitsverbot in der Fleischindustrie.<br />

Dieser Logik sei nicht mehr zu folgen, die<br />

Verfassungsbeschwerde gegen diese Regulierung die<br />

logische Schlussfolgerung. „Die Verfügbarkeit von Flexibilität<br />

wird über Sieg oder Niederlage der deutschen<br />

Wirtschaft entscheiden“, unterstrich Baumann auf die<br />

große Tragweite solch sensibler Entscheidungen. Worte,<br />

die ankamen bei den über 300 Teilnehmern des<br />

digitalen iGZ-Bundeskongresses, der ein abwechslungsreiches<br />

Programm bot: Leonie Gebers, Staatssekretärin<br />

im Bundesministerium für Arbeit und Soziales, richtete<br />

zunächst ein Grußwort an das digitale Forum. „Wir<br />

Der iGZ dankt seinen Sponsoren


Z direkt! <strong>02</strong>/2<strong>02</strong>1<br />

DIGITAL UNTERWEGS 37<br />

kämpfen um jeden Arbeitsplatz. Wichtig dabei ist die<br />

Kurzarbeit“, erläuterte die Staatssekretärin eingangs.<br />

Das koste zwar viel Geld, sei aber richtig ausgegeben.<br />

Trotz des Lockdowns sei es zahlreichen Unternehmen<br />

möglich gewesen, damit ihre Mitarbeiterschaft zu halten.<br />

In den Hintergrund, aber nicht verdrängt, habe<br />

das Coronavirus die Aufgaben, die in den kommenden<br />

Jahren auf der Agenda der Wirtschaft stehen. Unter anderem<br />

sprach Gebers die Digitalisierung und die duale<br />

Ausbildung an. Jetzt gelte es, Beschäftigungsfähigkeit<br />

zu sichern, um den Arbeitsmarkt zu stabilisieren, setzte<br />

sie auf Weiterbildung.<br />

EIN WEITER WEG<br />

Wie der Neustart nach Corona in der sozialen Marktwirtschaft<br />

gelingt, erläuterte Oliver Zander, Hauptgeschäftsführer<br />

Gesamtmetall. Zander unterstrich das<br />

enge Zusammengehen sowohl der beiden Branchen als<br />

auch der Verbände. Es sei aber noch ein weiter Weg<br />

bis zum Vorkrisenniveau 2018 meinte der Hauptgeschäftsführer<br />

angesichts der konjunkturellen Einbrüche<br />

wegen Corona. Für das aktuelle Jahr sei jedoch schon<br />

ein schneller Aufholprozess zu vermerken. „Die Produktionserwartungen<br />

stabilisieren sich auf hohem Niveau<br />

und das ist auch für die Zeitarbeit eine gute Nachricht“,<br />

zeigte sich Zander optimistisch. Das äußere sich zudem<br />

in den rückläufigen Kurzarbeiterzahlen.<br />

BRÜCKE IN DEN ARBEITSMARKT<br />

Als „Chance“ bezeichnete Daniel Terzenbach, Vorstand<br />

Regionen der Bundesagentur für Arbeit, die<br />

Zeitarbeit hinsichtlich der aktuellen Herausforderungen<br />

des Arbeitsmarktes: Nie zuvor habe es einen dermaßen<br />

großen Einbruch in der Wirtschaft gegeben<br />

wie mit der Coronapandemie im vergangenen Jahr.<br />

Nicht nur, dass die Beschäftigtenzahlen innerhalb kürzester<br />

Zeit massiv zurückgingen – auch habe es mit<br />

sechs Millionen Anzeigen zur Kurzarbeit noch nie eine<br />

so hohe Zahl dazu gegeben. In der Coronakrise habe<br />

sich sowohl die Vorreiterrolle der Zeitarbeit als auch<br />

deren Risiken gezeigt. Es sei absolut richtig gewesen,<br />

das Instrument der Kurzarbeit in der Zeitarbeit einzusetzen,<br />

betonte er die Rolle der Branche als Konjunkturbarometer.<br />

In diesem Zusammenhang erinnerte er<br />

daran, dass gerade die Zeitarbeit für Beschäftigte, die<br />

sonst in der Wirtschaft keine Chance hätten, eine Brücke<br />

in den Arbeitsmarkt sei.<br />

INTERVIEWS MIT POLITIKERN<br />

Im Schatten der Bundestagswahl sprach die Kongressmoderatorin<br />

Anke Plättner mit den Vertretern der politischen<br />

Parteien: Unter dem Titel „Ideale Impfdosis für<br />

den Aufschwung – wie viel Zeitarbeit brauchen wir?“<br />

kamen dabei Jana Schimke MdB CDU/CSU, Bernd Rützel<br />

MdB SPD, Michael Theurer MdB FDP, sowie für die<br />

Gewerkschaften Stefan Körzell DGB-Vorstandsmitglied,<br />

und für den Zeitarbeitgeberverband Werner Stolz, iGZ-<br />

Hauptgeschäftsführer, zu Wort. Mehr zu diesen Interviews<br />

lesen Sie online auf www.ig-zeitarbeit.de.<br />

„Krisen als wichtige Entkalkungsfunktion – Lektionen<br />

für Unternehmen nach der Krise“ lautete das Thema<br />

des Vortrags von Anja Förster, Bestsellerautorin und<br />

Gründerin Rebels at Work. Krisen, so die Referentin,<br />

haben auch eine hohe Nützlichkeit. Dass Krisen passieren,<br />

könne man nicht verhindern – die Herausforderung<br />

sei die Reaktion darauf. Es gelte, in die Offensive zu<br />

gehen, um Veränderungskräfte freizusetzen. Dazu sei<br />

„Z.F.D.B.“ notwendig, das stehe für „Zeit für die Birne“<br />

und bedeute schlicht, alles technisches Gerät beiseite<br />

zu schieben, um sich Zeit zum Nachdenken zu geben.<br />

MENSCH, ÄRGERE DICH NICHT<br />

Corona und die Nach-Merkel-Ära: Die Bundestagswahl<br />

2<strong>02</strong>1 unter neuen Vorzeichen betrachtete Hajo<br />

Schumacher, Journalist, Buchautor und Moderator aus<br />

journalistischer Sicht. Unter der Überschrift „Mensch,<br />

ärgere Dich nicht“ spielte er die verschiedenen Möglichkeiten<br />

des Wahlausgangs durch. Der ehemalige<br />

Spiegelredakteur beleuchtete dabei auch die Politik der<br />

vergangenen Jahre und deren Ergebnisse. Mit einem<br />

Schlusswort beendete schließlich der iGZ-Bundesvorsitzende<br />

Christian Baumann den iGZ-Bundeskongress.<br />

WLI<br />

Hajo Schumacher<br />

Ihre HR-Software für Recruiting<br />

und Workforcemanagement.


38<br />

DIGITAL UNTERWEGS<br />

iGZ-Bundeskongress<br />

Ich glaub´, mein Schwein pfeift<br />

Seit dem 1. April ist die Zeitarbeit in der Fleischindustrie verboten. Vier Zeitarbeitsunternehmen,<br />

darunter zwei iGZ-Mitgliedsunternehmen, gehen dagegen rechtlich<br />

vor und haben in Karlsruhe Verfassungsbeschwerde eingelegt. Der Stand der Klagen<br />

und das Für und Wider des Verbots der Zeitarbeit wurden auch beim iGZ-Bundeskongress<br />

diskutiert – in einer Runde unter anderem mit Vertretern des Verbands<br />

der Ernährungswirtschaft, der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten, Wissenschaftlern<br />

und iGZ-Mitgliedsunternehmen.<br />

Prof. Dr. Peter Schüren | RA Vehid Alemić | Roger Lothmann | Anke Plättner<br />

„In der Geschäftsführung waren wir uns sofort einig,<br />

gegen das Arbeitsschutzkontrollgesetz vorgehen zu<br />

wollen und zu müssen. Das Verbot der Zeitarbeit in der<br />

Fleischindustrie ist für uns nicht existenziell, aber uns<br />

ist schon ein nicht unerheblicher Geldbetrag flöten gegangen“,<br />

berichtete Roger Lothmann, Geschäftsführer<br />

von iGZ-Mitglied TIMEPARTNER Personalmanagement<br />

GmbH. „Für uns ist nicht nachvollziehbar, warum wir<br />

mit Werkverträgen in einen Topf geworfen und reglementiert<br />

werden. Daher haben wir uns für den Weg<br />

der Verfassungsbeschwerde entschieden.“ Unterstützung<br />

bekam Lothmann von Arbeitswissenschaftler Prof.<br />

Dr. Peter Schüren: „Das Vorgehen der Regierung ist<br />

schlichtweg ineffektiv, weil das Gesetz einfach klotzig<br />

draufhaut und Werkverträge und Zeitarbeit in ihrer<br />

Gesamtheit verbietet. Wir hatten drei Problemzonen –<br />

Arbeitszeit, Arbeitssicherheit und Wohnbedingungen.<br />

Alle drei Dinge muss man separat betrachten und an<br />

den einzelnen Stellschrauben drehen,“ sagte der Wissenschaftler<br />

der Westfälischen Wilhelms-Universität<br />

Münster. „Das ist auch möglich – ohne, dass ich den<br />

Arbeitgeber wechsele.“


Z direkt! <strong>02</strong>/2<strong>02</strong>1<br />

DIGITAL UNTERWEGS 39<br />

SELBSTVERPFLICHTUNGEN AUS<br />

GEWERKSCHAFTSSICHT WIRKUNGSLOS<br />

Dr. Susanne Uhl von der Gewerkschaft Nahrung-<br />

Genuss-Gaststätten hat da andere Erfahrungen gesammelt.<br />

Sie berichtete auf Nachfrage von Moderatorin<br />

Anke Plättner von überwiegend negativen Erlebnissen:<br />

„Aus meiner Sicht war das Gesetz in der Situation die<br />

einzige Möglichkeit. Ich begleite schon seit 2012 Menschen<br />

in der Fleischindustrie. Und die ganzen Kodexe<br />

und Selbstverpflichtungen haben dort nichts verbessert“,<br />

so Uhl. Dass etwas gegen die Zustände getan<br />

werden musste, darin war sich die Runde einig. „Wir<br />

sagen auch nicht, dass das Arbeitsschutzkontrollgesetz<br />

insgesamt Quatsch ist, wir begrüßen weitere Kontrollen.<br />

Aber die Zeitarbeit zu verbieten, ist falsch, weil es<br />

nun mal Unterschiede zwischen Werkverträgen und<br />

Zeitarbeit gibt“, betonte iGZ-Geschäftsführer Martin<br />

Dreyer. „Arbeitsschutz beispielsweise ist für uns ein<br />

ganz wichtiges Thema. So haben wir innerhalb von<br />

zehn Jahren die Unfallquote massiv senken können. Das<br />

Gesetz ist für mich ein unverhältnismäßiger Eingriff.“<br />

SOZIALPARTNERSCHAFTLICHE UND<br />

TARIFLICHE LÖSUNGEN<br />

Vehid Alemić appellierte für andere, gemeinsam erarbeitete<br />

Lösungen. Der Hauptgeschäftsführer des Verbands<br />

der Ernährungswirtschaft e.V. (VdEW) unterstrich<br />

beim iGZ-Bundeskongress: „Aus meiner Sicht wäre es<br />

wesentlich effektiver, über sozialpartnerschaftliche und<br />

tarifliche Lösungen gegen die Probleme vorzugehen.“<br />

Die Fleischindustrie sei extrem heterogen. Eines habe<br />

sie aber gemein: „Die Unternehmen der Branche leben<br />

vor allem vom Saisongeschäft in den warmen Monaten.<br />

In der Grill-Saison brauchen wir temporär mehr<br />

Mitarbeiter. Durch das Verbot der Zeitarbeit müssen wir<br />

nun schauen, wie wir diesen Bedarf zeitlich begrenzt<br />

decken – durch befristete Arbeitsverträge.“ Diese seien<br />

allerdings für die Mitarbeiter deutlich schlechter als<br />

Zeitarbeitsverträge und für die Unternehmen schwieriger<br />

zu organisieren.<br />

STEUERUNGSINSTRUMENTE FÜR<br />

SAUBERE VERTRÄGE<br />

Das Gesetz sei so nicht notwendig, ist sich Prof. Schüren<br />

sicher: „Es gibt Steuerungsinstrumente, wie man die<br />

Werkverträge sauber bekommt. Allein wenn die Arbeitszeit<br />

sauber erfasst und diese Zeit auch bezahlt<br />

würde, wäre die Lebenssituation der Menschen eine<br />

ganz andere.“ Daran sollte gearbeitet werden. Das<br />

Arbeitszeitgesetz zu nehmen und zu verbessern, das<br />

könnten sie gemeinsam in der nächsten Legislaturperiode<br />

angehen, lud Gewerkschaftlerin Uhl Professor<br />

Schüren ein: „Es gibt vielfältige Probleme, wie dass die<br />

Menschen in der Fleischindustrie trotz Krankschreibung<br />

gezwungen werden, zu arbeiten, und die schlechte<br />

Unterbringungssituation. Dagegen muss in der Gesamtheit<br />

vorgegangen werden.“<br />

GUTE ERFOLGSAUSSICHTEN FÜR<br />

VERFASSUNGSKLAGE<br />

Allen Mitarbeitern in der Fleischindustrie die besten<br />

Arbeitsbedingungen zu ermöglichen, liegt auch TIME-<br />

PARTNER-Geschäftsführer Lothmann am Herzen: „Was<br />

können wir besser machen? Wenn die Töpfe Werkvertrag<br />

und Zeitarbeit klar auseinandergehalten würden,<br />

hätten wir schon viel gewonnen. Ich habe in der<br />

Fleischindustrie auch Werkverträge gesehen, die nicht<br />

sauber waren. Klappern gehört zum Handwerk, wir<br />

müssen an unserem Image arbeiten. Wir sind gut, wir<br />

sind gut aufgestellt – und deshalb klagen wir auch,<br />

weil wir unfair behandelt werden.“ Der Appell von<br />

iGZ-Geschäftsführer Dreyer lautet: „Stellt gern mehr<br />

Kontrolleure ein, denn wir haben nichts zu verbergen.<br />

Aber mit einem Gesetz pauschal auf jegliche Zeitarbeit<br />

draufzuhauen, ist einfach unverhältnismäßig.“ Ob das<br />

Gericht in Karlsruhe dies genauso sieht? „Ich schätze<br />

die Chancen der klagenden Zeitarbeitsunternehmen als<br />

gut ein“, schloss Prof. Schüren die Diskussionsrunde.<br />

„Voraussichtlich zu Anfang des neuen Jahres wird es<br />

dazu aus Karlsruhe eine Entscheidung geben.“ SaS<br />

Personaldienstleistung smarter managen


40<br />

DIGITAL UNTERWEGS<br />

iGZ-Forum Personalmanagement<br />

Motivation durch<br />

sinnvolle Arbeit<br />

Mit neuen Ideen für neues Arbeiten beschäftigten sich die Referenten und rund 150<br />

Teilnehmer des iGZ-Forums Personalmanagement via Internet: Ganz im Fokus des<br />

Themas Bildung stand die digitale Veranstaltung, die von Clemens von Kleinsorgen,<br />

stellvertretender Leiter iGZ-Fachbereich Bildung und Personal / Qualifizierung, und<br />

Claudia Schütte, Organisations- und Personalentwicklung, iGZ-Fachbereich Bildung<br />

und Personal/Qualifizierung, eröffnet wurde.<br />

Clemens von Kleinsorgen<br />

Lasse Rheingans<br />

„Quo vadis, Bildung?“ fragten denn auch Irene Schubert,<br />

stellvertretende iGZ-Bundesvorsitzende, und<br />

Christian Bloom, Leiter des iGZ-Fachbereichs Bildung<br />

und Personal / Qualifizierung, zum Auftakt – und lieferten<br />

die Antwort gleich mit. „Bildung ist ganz hoch<br />

angesiedelt und hat einen hohen Stellenwert im iGZ“,<br />

betonte Bloom. Irene Schubert erinnerte in diesem Zusammenhang<br />

an den Fachkräftemangel, auch daher<br />

habe Bildung eine ganz hohe Priorität. Dabei spiele<br />

die Digitalisierung eine große Rolle. Als Beispiel nannten<br />

beide die neue digitalisierte iGZ-Lernplattform.<br />

Bloom: „Wir haben das Präsenzangebot komplett auf<br />

digital umgestellt und werden künftig gemischte Formate<br />

anbieten.“<br />

KOMPETENZEN WEITERENTWICKELN<br />

„Ideenmanagement als Innovationstreiber“ lautete das<br />

Thema von Dipl.-Ing. Hans-Rüdiger Munzke, „Mitarbeiter<br />

mitnehmen und deren Kompetenzen weiterentwickeln“<br />

sein Credo. Zum Motor des Erfolgs erläuterte der<br />

Referent: „Das wahre Geheimnis des Erfolgs ist die Begeisterung.“<br />

Es gelte, gute Ideen schnell zu erkennen,<br />

sie richtig einzuordnen und damit Chancen zu nutzen.<br />

Damit werde die Ertragskraft gesteigert, die Effizienz<br />

verbessert und der Kundennutzen gemehrt.<br />

VIELSCHICHTIGE DIGITALISIERUNG<br />

Der Medienwissenschaftler Lasse Rheingans richtete<br />

unter dem Titel „New Work – New Normal“ den Blick


Z direkt! <strong>02</strong>/2<strong>02</strong>1<br />

DIGITAL UNTERWEGS 41<br />

auf die moderne Arbeitswelt. Mit dem Arbeitszeitmodell<br />

in seiner Agentur – weniger Stunden arbeiten bei<br />

gleichem Gehalt – sorgte Rheingans bundesweit für<br />

Aufsehen. Vieles sei im Wandel und im Umbruch verwies<br />

er auf die Vielschichtigkeit von unter anderem<br />

Internationalisierung und Digitalisierung. Die Verzahnung<br />

verschiedenster Vorgänge erläuterte er anhand<br />

des Rückgangs der Kaugummi-Umsätze seit Einführung<br />

des iPhones – in der Langeweile wurde das Kauen<br />

durch die neue Technik als Tätigkeit ersetzt. Durch<br />

moderne Entwicklungen seien zahlreiche technische<br />

Einrichtungen obsolet geworden, und das habe ganze<br />

Wirtschaftszweige vielfach durcheinandergewirbelt.<br />

Diese Entwicklung lasse sich nicht aufhalten: „Sie passiert,<br />

und sie passiert immer schneller.“ Dem hinke die<br />

Arbeitswelt oft noch hinterher. Massiv unter Beschuss<br />

sei etwa der Handel, verwies Rheingans auf den Einfluss<br />

von Amazon. Das wirke sich auch auf die Beschäftigten<br />

aus. Burn-out, Work-Life-Balance und Teilzeitmodelle<br />

seien Reaktionen auf diese Entwicklungen.<br />

Längst finde auch eine neue Form der Auswahl statt:<br />

„Die Millenials wollen nicht mehr für jeden arbeiten“, erläuterte<br />

er, dass sich der Nachwuchs mittlerweile seinen<br />

Arbeitgeber aussuche. Laut einer Untersuchung machen<br />

70 Prozent der Mitarbeiter Dienst nach Vorschrift, 15<br />

Prozent haben laut Rheingans eine emotionale Bindung<br />

und sind engagiert, und 15 Prozent haben sich innerlich<br />

komplett von ihrem Job verabschiedet. Rheingans<br />

verwies auf lösungsorientierte Ansätze auf Basis eines<br />

strukturierten Arbeitsablaufs, der auch Raum für kreative<br />

Pausen lasse und Aussicht auf arbeitsfreie Zeiten biete.<br />

SINNMÖGLICHKEITEN BIETEN<br />

Was Führungskräfte zu sinnstiftender Arbeit beitragen<br />

können, erklärte Prof. Dr. Nico Rose, Professor für<br />

Wirtschaftspsychologie an der International School of<br />

Management (ISM), den Teilnehmern aus seinem Homeoffice.<br />

Zum Auftakt zitierte er den österreichischen Neurologen<br />

und Psychiater, Viktor Frankl, der im Kontext<br />

des Themas formulierte: „Wer Menschen motivieren will<br />

und Leistung fordert, muss Sinnmöglichkeiten bieten.“<br />

Der Mensch habe einen Willen zum Sinn und könne<br />

nicht anders. Als „Quatsch“ bezeichnete er dabei die<br />

Vorstellung, ein Unternehmen definiere das „Warum“<br />

seiner Arbeit und schon funktioniere die Belegschaft<br />

und das Arbeiten sei sinnvoll. Werde die Arbeit als sinnstiftend<br />

empfunden, erzeuge das viele positive Effekte –<br />

sie sei dann beispielsweise auch ein Schutzfaktor gegen<br />

Depressionen. Laut einer Studie würden, so Rose,<br />

90 Prozent Einkommenseinbußen hinnehmen, um eine<br />

sinnvoller gestaltete Arbeit zu haben. Die Verzichtbereitschaft<br />

reiche bis hin zu einem Viertel des Einkommens.<br />

Anschließend ging´s in die Workshops: „Serious Gaming –<br />

Trends, Vorteile und Praxisbeispiel“ lautete das Thema<br />

von Christine Stütz, Senior Consultant bei HRpepper<br />

GmbH & Co. KgaA. Über „Wert-volle Unternehmen =<br />

Wert-volle Zeitarbeit. Workshop mit der LEGO® SERI-<br />

OUS PLAY® Methode“ referierte Julian Kea, Serious<br />

Games Facilitator und Team-Coach. Anna-Carina Kern,<br />

Referentin und Trainerin am Institut der deutschen Wirtschaft<br />

Akademie, beschäftigte sich mit „Nutzerzentrierte<br />

Ideenfindung in HR: Mit Design Thinking das virtuelle<br />

Onboarding-Erlebnis neugestalten“. WLI<br />

Anzeige<br />

Zeit für einen Wechsel.<br />

Gemeinsam planen, migrieren & durchstarten.<br />

Ihre<br />

Branchensoftware<br />

für den Mittelstand<br />

Ein Produkt von<br />

Sichere Zukunft<br />

• moderne, zukunftsorientierte Technologie<br />

• transparentes und planbares Preismodell<br />

• kontinuierliche und vertrauensvolle<br />

Zusammenarbeit<br />

Unschlagbare Features<br />

• anpassbare, intuitive Bedienoberfl äche<br />

• individuelle und geführte Workfl ows<br />

• nützliche Apps für Ihre Mitarbeiter und<br />

Disponenten<br />

Persönliche Beratung<br />

Telefon 094<strong>02</strong> 478472-0<br />

E-Mail info@gedat.de<br />

Website www.timejob.de/offi ce<br />

Bester Service<br />

• direkte, freundliche Ansprechpartner<br />

von A (wie Anfang) bis Z (wie Zukunft)<br />

• persönlicher 24-Stunden-Service<br />

• individuelle Migrationsbegleitung<br />

Umfangreiche Erfahrung<br />

• GEDAT – über 35 Jahre am Markt<br />

• führender Anbieter für Branchensoftware<br />

• die enge Zusammenarbeit mit unseren<br />

Kunden ist der Garant für Ihren Erfolg


42<br />

BILDUNG<br />

Mit Zeitarbeit doppelten<br />

Wurf gelandet<br />

Handball und Zeitarbeit? Das hat doch nichts miteinander zu tun! Jannek Klein<br />

beweist das Gegenteil: Der 22-Jährige ist Junioren-Nationalspieler und macht –<br />

dank eines iGZ-Mitgliedsunternehmens – derzeit seine Ausbildung zum Personaldienstleistungskaufmann.<br />

Und er ist nicht der erste Bundesliga-Handballer, der seine<br />

Zukunft in der Zeitarbeit sieht.<br />

Jannek Klein (links) und Christian Klimek (rechts)<br />

Der No-Look-Pass aus dem halbrechten Rückraum von<br />

Jannek Klein an Kreisläufer Christian Klimek ist einstudiert<br />

und kommt fast immer verlässlich an. Die beiden<br />

Bundesliga-Handballer der Eulen Ludwigshafen verstehen<br />

sich blind. Das gilt nicht nur „auf der Platte“,<br />

sondern auch im Berufsleben: Beide arbeiten beim iGZ-<br />

Mitgliedsunternehmen TIMEPARTNER und sitzen dort<br />

Schreibtisch an Schreibtisch.<br />

Der 22-jährige Klein hat im Handball schon viel erlebt:<br />

Mit 15 Jahren zog er von zuhause in das Sportinternat<br />

der SG Flensburg-Handewitt. Nach dem Realschul-Abschluss<br />

begann er parallel zum Handball eine Ausbildung<br />

zum Kaufmann für Bürokommunikation. Mit 19<br />

Jahren wechselte er dann in die Jugend der Handballer<br />

vom FC Barcelona. Eigentlich sollte er dort zwei Jahre<br />

bleiben, doch nach einem Jahr löste er den Vertrag<br />

wieder auf: „Das Training fand dort immer erst in den<br />

Abendstunden statt. Jeden Tag einfach nur rumzugammeln<br />

ist aber nicht mein Ding. Irgendwann hat man<br />

auch am Strand alles gesehen. Deswegen wollte ich<br />

wieder zurück nach Deutschland.“ So wechselte er zu<br />

den Eulen Ludwigshafen, weil bei ihnen das Gesamtpaket<br />

stimmte. Und zu diesem Paket gehörte auch das<br />

Angebot eines der Sponsoren, dem Junioren-Nationalspieler<br />

eine Ausbildung zu ermöglichen.


Z direkt! <strong>02</strong>/2<strong>02</strong>1<br />

BILDUNG 43<br />

„Dass wir die Eulen als Sponsor unterstützen, ist regional<br />

und historisch gewachsen“, erklärt Thomas Dick,<br />

Geschäftsführer von TIMEPARTNER. Er war früher als Regionalleiter<br />

für diesen Bereich zuständig und hat die Partnerschaft<br />

begründet: „Ich bin bei einer Veranstaltung<br />

vor einigen Jahren zufällig dem jungen Christian Klimek<br />

begegnet. Wir kamen ins Gespräch und er erzählte, dass<br />

er einen Ausbildungsplatz sucht. Ein paar Tage später hat<br />

er bei uns im Büro den Ausbildungsvertrag unterschrieben“,<br />

erinnert er sich. Als Klein vor seinem Wechsel nach<br />

Ludwigshafen stand, kam der Verein wieder auf TIME-<br />

PARTNER zu. „Als Personaldienstleister ist es doch klar,<br />

dass wir den Verein bei der Berufsausbildung der Spieler<br />

unterstützen“, sagt Dick. Insgesamt findet er, dass die<br />

Eulen wunderbar zur Zeitarbeit und zu TIMEPARTNER<br />

passen: „Die leben von ihrer Einstellung, sie machen das<br />

Beste aus jeder Situation und geben nicht auf. Es ist die<br />

Mentalität, die ich an dem Verein mag.“<br />

Der Arbeitsalltag gestaltet sich so, dass sich die Arbeitszeiten<br />

von Jannek Klein an seinen Trainings- und<br />

Spielterminen orientierten. Aufgrund der in Flensburg<br />

begonnenen Lehre konnte er die Ausbildung zum Personaldienstleistungskaufmann<br />

(PDK) auf zwei Jahre<br />

verkürzen. Aktuell läuft es ganz gut für ihn: Die schriftlichen<br />

PDK-Prüfungen hat er bereits bestanden und<br />

auch bei den Eulen hat er seinen Vertrag verlängert. Die<br />

Ausbildung ist für Klein wichtig: „Der Handballsport<br />

ist schnell und hart. Gott sei Dank bin ich bislang von<br />

schlimmeren Verletzungen verschont geblieben. Trotzdem<br />

ist der PDK mein Plan B – auch für die Zeit nach der<br />

Handball-Karriere.“ Deswegen wird er auch nach Abschluss<br />

der Ausbildung mit 20 Stunden in Teilzeit, wie<br />

Kollege Klimek, bei TIMEPARTNER bleiben. Darauf hat<br />

er sich kürzlich mit Thomas Dick verständigt. Er ist froh,<br />

dass Klimek und Klein bei TIMEPARTNER arbeiten: „Die<br />

beiden sind kommunikativ, intelligent und haben eine<br />

schnelle Auffassungsgabe. Das ist im Handball genauso<br />

wichtig, wie bei uns.“ Insgesamt seien Leistungssportler<br />

extrem diszipliniert.<br />

Eindruck, er würde sich auf dem Erreichten ausruhen:<br />

„Natürlich bin ich stolz auf das, was ich erreicht habe.<br />

Aber für den dritten Platz bei der U21-Europameisterschaft<br />

kann ich mir hier bei den Eulen auch nichts<br />

kaufen. Da muss ich mich jede Woche im Training neu<br />

beweisen.“ Im Ludwigshafener Bundesligakader ist er<br />

einer der Jüngsten. Er weiß, dass ihm vor allen Dingen<br />

Erfahrung fehlt: „Ich muss ruhiger, cleverer und selbstbewusster<br />

werden. Manchmal bin ich noch zu ungestüm.<br />

Und ich muss an meinem Körper arbeiten – in<br />

der Bundesliga sind ganz schöne Brocken unterwegs.“<br />

Doch er bekommt seine Einsatzzeiten. Immerhin 30<br />

Saisontore stehen für den 22-Jährigen zu Buche, der<br />

mittlerweile nicht nur im Angriff, sondern auch in der<br />

Abwehr zum Zuge kommt. „Da helfen mir sicherlich<br />

auch meine Erfahrungen aus Barcelona. In Spanien wird<br />

ganz anders verteidigt als in Deutschland“, berichtet<br />

Klein. „Während wir in Deutschland sehr robust zur<br />

Sache gehen, lesen die Spanier das Angriffsspiel und<br />

zwingen den Gegner zu Fehlern.“<br />

Der 31-jährige Christian Klimek ist von dem jungen<br />

Mitspieler überzeugt: „Er hat ein Riesenpotenzial. Für<br />

sein Alter hat er ein sehr reifes Spielverständnis. Dazu<br />

kommt, dass Jannek extrem diszipliniert und ehrgeizig<br />

ist. Und das ist es, was den Unterschied macht, denn talentiert<br />

sind Viele.“ Klimek und Klein sind aber nicht nur<br />

Kollegen. Sie verbindet eine tiefe Männerfreundschaft:<br />

„Wir haben in unserer Biografie so viele Parallelen, dass<br />

ich mich in ganz vielen Punkten in ihm wiedererkenne“,<br />

sagt Klimek, nicht ohne ziehväterlichen Stolz. MS<br />

Jannek Klein ist zudem sehr reflektiert. Er kennt seine<br />

Stärken und seine Schwächen ganz genau – und arbeitet<br />

kontinuierlich daran. Zu keiner Zeit hat man den


44<br />

BILDUNG<br />

Neue PDK-Azubi-Botschafter<br />

Aus 2 mach 4<br />

Gut 400.000 Auszubildende haben im vergangenen Jahr – mitten in der Coronapandemie<br />

– einen Ausbildungsvertrag abgeschlossen. Nach den neuesten Zahlen<br />

des Kompetenzzentrums Fachkräftesicherung am Institut der Deutschen Wirtschaft<br />

blieben knapp 60.000 Stellen unbesetzt, während etwa 78.000 Bewerber keinen<br />

Ausbildungsplatz fanden. Seit den Jahr 2008 gehört die Ausbildung zum Personaldienstleistungskaufmann<br />

(PDK) zu den Top 100 der beliebtesten Berufsausbildungen<br />

in Deutschland. Damit Auszubildende und Betriebe auch in Zukunft in diesem attraktiven<br />

Ausbildungsverhältnis zusammenfinden, hat der iGZ einige Initiativen gestartet.<br />

Jimmy Dervisi<br />

Donika Shatrolli<br />

Nach aktuellen Studien des IW wünschen sich Azubis<br />

vor allem dreierlei von ihrem zukünftigen Arbeitgeber:<br />

Sie möchten mehr erfahren über ihre Arbeitstätigkeiten,<br />

mehr wissen über die Anforderungen im Beruf und<br />

legen gleichzeitig Wert auf einen frühzeitigen persönlichen<br />

Kontakt zum Unternehmen. Diese Anliegen erfüllt<br />

der iGZ durch seine aktuellen PDK-Broschüren, vier<br />

neue PDK-Azubi-Botschafter und die Einladung an alle<br />

iGZ-Mitgliedsunternehmen, sich im August am bundesweiten<br />

„Sommer der Berufsausbildung“ der Allianz für<br />

Aus- und Weiterbildung zu beteiligen.<br />

In den beiden Broschüren „An Bord der Zeitarbeit“ und<br />

„Jetzt geht’s ab“ geht der iGZ allen wesentlichen Fragen<br />

nach, die potenzielle PDK-Ausbilder und PDK-Auszubildende<br />

haben. „Mit unseren Broschüren wollen wir<br />

junge Menschen, ihre Eltern und Betriebe umfassend<br />

informieren und dafür gewinnen, Ausbildungsverträge<br />

abzuschließen“, erläutert Irene Schubert, stellvertretende<br />

iGZ-Bundesvorsitzende. „Bei der Entscheidung<br />

für einen Azubi geben Arbeitgeber den Startschuss für<br />

einen längeren Prozess – dem ‚Onboarding‘“, ergänzt<br />

sie. Genau dazu liefert die Ausbilder-Broschüre wertvolle<br />

Tipps.<br />

CIAO LAURA UND SERGEN<br />

Bislang haben die zwei Auszubildenden Laura und<br />

Sergen ihren Ausbildungsberuf auf der Internetseite<br />

www.pdk-ausbildung.de und in den Social-Media-Kanälen<br />

bei Instagram & Co. vorgestellt. Inzwischen haben<br />

beide ihre Berufsausbildung erfolgreich abgeschlossen.<br />

Daher berichten ab sofort die PDK-Auszubildenden<br />

Tarek Abdul Ghani, Jimmy Dervisi, Donika Shatrolli und<br />

Jana Sommerfeld über ihren Ausbildungsalltag. Sie<br />

kommen aus verschiedenen Teilen Deutschlands, und<br />

ihre Wege sind so vielfältig wie der Beruf selbst.


Z direkt! <strong>02</strong>/2<strong>02</strong>1<br />

BILDUNG 45<br />

Tarek Abdul Ghani<br />

Jana Sommerfeld<br />

Tarek Abdul Ghani ist 19 Jahre alt und kommt aus<br />

Frankenthal in der Pfalz. Er fängt im Herbst mit der Ausbildung<br />

an. Warum er sich für diese Ausbildung entschieden<br />

hat? „Es macht mir Spaß, mit Menschen zu arbeiten,<br />

der Beruf wird nie zur Routine und ich habe Tag für Tag<br />

die Chance, Menschen in Arbeit zu bringen.“<br />

Jana Sommerfeld hatte sich zunächst für eine ganz andere<br />

berufliche Laufbahn entschieden. Nach dem Start<br />

eines dualen Studiums im Finanzamt hat die 23-jährige<br />

Wiesbadenerin die Weichen komplett neu gestellt: „Da<br />

dies die einzige Ausbildung ist, bei der man den vollen<br />

Fokus auf Personalthemen hat.“<br />

Donika Shatrolli, ebenfalls 23 Jahre alt, hat als Disponentin<br />

in der Sicherheitsbranche gearbeitet, bevor sie<br />

in die Personaldienstleistung kam. „Die Ausbildung ist<br />

immer abwechslungsreich“, erzählt die Koblenzerin.<br />

Der schönste Moment in der Ausbildung ist für sie,<br />

„wenn ein Bewerber, der die Hoffnung auf Arbeit<br />

schon fast aufgegeben hat, durch uns eine neue Chance<br />

erhält.“<br />

Jimmy Dervisi hat vor dem Beginn seiner Ausbildung<br />

ein halbes Jahr in Köln im Brühler Freizeitpark gearbeitet.<br />

Was den 20-Jährigen bewegt hat, diesen<br />

Berufsweg einzuschlagen? „Die Personalbranche hat<br />

mich schon immer begeistert – außerdem sehe ich die<br />

Ausbildung als Teil meiner weiteren Persönlichkeitsentwicklung.“<br />

Worauf sich Jimmy Dervisi bei seiner<br />

Tätigkeit am meisten freut? „Auf die tägliche Arbeit<br />

mit den Bewerbern.“ BR<br />

Mehr zur PDK-Ausbildung:<br />

www.ig-zeitarbeit.de/bildung/pdk<br />

www.pdk-ausbildung.de<br />

Facebook:<br />

@MachDeinDingPDK<br />

Instagram:<br />

@pdk_ausbildung<br />

PDK-Broschüren bestellen:<br />

www.ig-zeitarbeit.de/igz/shop


46<br />

BILDUNG<br />

Sommer der<br />

Berufsausbildung<br />

Die duale Ausbildung ist ein attraktiver Exportschlager „Made in Germany“. Von<br />

Griechenland über Portugal bis hin zu Spanien gilt sie als Garant für gut ausgebildete<br />

Fachkräfte und eine geringe Jugendarbeitslosigkeit. Doch aktuell ist es aufgrund der<br />

Coronapandemie nicht leicht, Angebot und Nachfrage auf dem Ausbildungsmarkt<br />

zusammenzubringen. Erstmals seit der deutschen Einheit ist die Zahl der neuen Ausbildungsverträge<br />

unter die 500.000er-Marke gesunken, während gleichzeitig weniger<br />

junge Menschen einen Ausbildungsplatz suchten. Das betrifft auch den Ausbildungsgang<br />

zum Personaldienstleistungskaufmann (PDK). Daher heißt es jetzt für Unternehmen<br />

der Zeitarbeitsbranche, junge Bewerber möglichst gezielt anzusprechen.


Z direkt! <strong>02</strong>/2<strong>02</strong>1<br />

BILDUNG 47<br />

„Wir unterstützen Unternehmen bei der Sicherung ihres<br />

Fachkräftenachwuchses. Die duale Ausbildung ist<br />

ein wichtiger Faktor, um jungen Menschen eine zukunftsorientierte<br />

Berufsperspektive zu ermöglichen“,<br />

erläutert Yvonne Kohlmann, Geschäftsführerin von<br />

SCHULEWIRTSCHAFT Deutschland. Hilfe erhalten Unternehmen<br />

durch den bundesweiten „Sommer der<br />

Berufsausbildung", den die Partner der Allianz für Ausund<br />

Weiterbildung initiiert haben. Die Allianz aus Bund,<br />

Ländern, Sozialpartnern und der Bundesagentur für Arbeit<br />

(BA) verfolgt das Ziel, möglichst vielen jungen Menschen<br />

im Jahr 2<strong>02</strong>1 eine Berufsausbildung im Betrieb zu<br />

ermöglichen. Im Kern geht es darum, Schulabgänger,<br />

ihre Familien sowie potenzielle Ausbildungsbetriebe<br />

zusammenzubringen und so den Abschluss weiterer<br />

Ausbildungsverträge zu ermöglichen.<br />

AKTIVITÄTEN IM AUGUST<br />

Dabei sollen Themen- und Aktionstage auf Bundesebene<br />

von Partnern vor Ort regional aufgegriffen und in<br />

die Praxis umgesetzt werden. Einzelne Allianz-Partner<br />

haben eine Patenschaft für bestimmte Themen übernommen.<br />

So unterstützt beispielsweise die Bundesvereinigung<br />

der Deutschen Arbeitgeberverbände die BA<br />

bei der Umsetzung des Themas „Deine Region bietet<br />

dir viele spannende Berufe und Ausbildungen – lerne sie<br />

im Betrieb kennen.“ Dazu werden im August zahlreiche<br />

Aktivitäten stattfinden, bei denen sich auch iGZ-Mitgliedsunternehmen<br />

einbringen können. „Unternehmen<br />

leisten bei der Berufsentscheidung wertvolle Hilfe, indem<br />

sie zum Tag der offenen Tür einladen oder Betriebspraktika<br />

anbieten“, erläutert Yvonne Kohlmann.<br />

GENERATION Z<br />

Aber Ausbildungsbetriebe können noch mehr tun, um<br />

junge Talente für sich zu gewinnen: Sie können die<br />

Jahrgänge der Bewerber, die Generation Z, näher unter<br />

die Lupe nehmen und auf sie eingehen. Mitglieder<br />

der Generation Z sind um die Jahrtausendwende herum<br />

bis in die 2010er-Jahre geboren und in einer Gesellschaft<br />

aufgewachsen, in der man über das Internet<br />

und in sozialen Medien kommunizieren, sich informieren<br />

und sich selbst darstellen kann. Für sie ist es also<br />

völlig normal, das Smartphone und das Internet zu<br />

nutzen. Am liebsten greifen junge Menschen auf die<br />

Angebote von YouTube, WhatsApp und Instagram zu.<br />

Für die Kommunikation wird immer häufiger Snapchat<br />

verwendet. Facebook ist mittlerweile eher etwas für<br />

„alte Hasen“ und wird nur noch von wenigen jungen<br />

Menschen aktiv genutzt.<br />

ELTERNBETEILIGUNG<br />

Mindestens ebenso wichtig sei es im diesjährigen<br />

„Sommer der Berufsausbildung“ aber auch, so Yvonne<br />

Kohlmann, die Eltern von Schulabgängern frühzeitig<br />

mit ins Boot zu holen. Denn laut einer aktuellen Studie<br />

des Meinungsforschungsinstituts YouGov gaben<br />

76 Prozent der befragten Eltern an, keine Vorstellung<br />

davon zu haben, welche Berufe es künftig geben wird.<br />

„Dabei sind Eltern nach wie vor die wichtigsten Ratgeber<br />

bei der Berufswahl“, so Kohlmann weiter. Mit<br />

Blick auf Elternveranstaltungen im Betrieb empfiehlt die<br />

Bildungsexpertin zu überlegen, wie Eltern am besten<br />

erreicht werden können, welche Kommunikationskanäle<br />

sich anbieten und ob zum Beispiel Schüler in die<br />

Gestaltung der Einladungen einbezogen werden sollen.<br />

LOGO-KOFFER<br />

Um alle Aktivitäten, die als Teil des „Sommers der Berufsausbildung“<br />

von den iGZ-Mitgliedsunternehmen<br />

geplant sind, visuell kenntlich zu machen, stellt der iGZ<br />

auf Wunsch den von SCHULEWIRTSCHAFT Deutschland<br />

zusammengestellten Logo-Koffer der Allianz für<br />

Aus- und Weiterbildung zur Verfügung. Die darin enthaltenen<br />

Dateien sind so gestaltet, dass Interessierte<br />

auch ihre eigenen Logos mit dem des „Sommers der<br />

Berufsausbildung“ kombinieren können. So segeln<br />

alle Mitwirkenden in diesem Sommer unter einer Flagge!<br />

Wenn iGZ-Mitglieder ihre Veranstaltung auf der<br />

Deutschlandkarte sichtbar machen möchten, können<br />

sie auch den entsprechenden Anmeldebogen beim<br />

iGZ anfordern, ausfüllen und an die Verantwortlichen<br />

im Bundeswirtschaftsministerium mailen. Diese stellen<br />

die Veranstaltung dann auf der Deutschlandkarte ein.<br />

BR<br />

iGZ-Ansprechpartnerin<br />

Bettina Richter<br />

Digitale Bildung | Ausbildung<br />

b.richter@ig-zeitarbeit.de<br />

Tel. <strong>02</strong>51 32262-172


48<br />

AKTIV<br />

Mitmach-Aktion des iGZ<br />

Werbefläche für den guten Zweck<br />

Im Rahmen seines gesellschaftlichen Engagements unterstützt der Verband einen gemeinnützigen<br />

Verein oder eine Wohltätigkeitsorganisation, der oder die einem iGZ-<br />

Mitgliedsunternehmen am Herzen liegt. Mit einer kostenlosen ganzseitigen Anzeige<br />

in der <strong>Zdirekt</strong>! möchte der iGZ einerseits der Organisation bei ihrer Öffentlichkeitsarbeit<br />

helfen. Gleichzeitig unterstützt der Verband aber auch seine Leser dabei, sich in<br />

ihrer Region stark zu machen. Voraussetzung ist, dass genauso wie in der Zeitarbeitsbranche<br />

der Mensch im Mittelpunkt steht und die gemeinnützige Organisation einen<br />

Bezug zum einreichenden Unternehmen beziehungsweise Leser hat.<br />

Beim Rad- und Motorsportverein RMSV Concordia<br />

Kirchehrenbach e. V. wird es akrobatisch, wenn die<br />

jungen Kunstradfahrer ihre Vehikel besteigen. Es geht<br />

dabei um einen sehr ästhetischen Sport, bei dem eine<br />

oder zwei Personen auf einem speziell dafür gebauten<br />

Hallenrad teils waghalsige Übungen vorführen. In<br />

Kirchehrenbach trainieren die Kinder und Jugendlichen<br />

mehrmals in der Woche, entsprechend hoch ist das<br />

Niveau. Mit Faszination und Stolz erzählt iGZ-Regionalkreisleiter<br />

Peter Schütz, dass der Verein es schon bei<br />

vielen nationalen Wettkämpfen zu Auszeichnungen<br />

gebracht hat.<br />

GEMEINSCHAFT AUF ZWEI RÄDERN<br />

Der Geschäftsführer des iGZ-Mitgliedsunternehmens<br />

Bernhardt und Schütz Personaldienstleistungen mit<br />

Hauptsitz in Erlangen hat besonders intensive Beziehungen<br />

zum Verein: Seine drei Töchter fuhren jahrelang<br />

leidenschaftlich und erfolgreich Kunstrad und engagieren<br />

sich ehrenamtlich als Trainerinnen und im Vorstand.<br />

„Wir waren mit der ganzen Familie häufig von freitags<br />

bis sonntags auf Wettkämpfen unterwegs. Da wird man<br />

versierter Kunstradfahrer, auch ohne das Rad zu besteigen“,<br />

grinst Schütz. „Die Kunsträder, die zwischen<br />

zwei- und dreitausend Euro kosten, werden vom Verein<br />

gestellt. Dazu kommt die Sportkleidung, Fahrtkosten<br />

zu Veranstaltungen, Verpflegung und vieles mehr. Für<br />

uns war klar, dass wir mit unserem Unternehmen den<br />

Verein unterstützen“, betont er. Bernhardt + Schütz<br />

sponsert seit 1999 Trainingsanzüge und hilft zusammen<br />

mit anderen regionalen Unternehmen finanziell, damit<br />

der Kunstradverein die Aufgaben meistern kann. „Ich<br />

finde es toll, dass der Verein die Kinder und Jugendlichen<br />

bei ihrer Entwicklung begleitet. Hier lernen die<br />

jungen Menschen Zusammenhalt und sich aufeinander<br />

zu verlassen – wichtige Eigenschaften für ihre Zukunft“,<br />

so Peter Schütz. Der RMSV sei ein reiner Amateursportverein,<br />

bei dem es nicht um hohe Preisgelder gehe,<br />

sondern soziale Aspekte im Vordergrund stünden. In<br />

der Coronazeit fielen auch im Kunstradsport viele Gelegenheiten<br />

weg, Sponsorengelder zu sammeln. Deshalb<br />

freut sich der Verein über jede finanzielle Spritze.<br />

MACHEN SIE MIT!<br />

Möchten Sie auch einen Verein oder eine Organisation,<br />

die sich dem guten Zweck verschrieben hat, mit einer<br />

Anzeige in der <strong>Zdirekt</strong>! fördern? Der iGZ druckt kostenlos<br />

die ganzseitige Anzeige im Wert von 3.000 Euro<br />

ab und erläutert in einem kurzen Redaktionsbeitrag,<br />

warum Ihr Unternehmen die Organisation unterstützt.<br />

Die nächste <strong>Zdirekt</strong>! erscheint Ende September. Bitte<br />

reichen Sie Ihre Vorschläge bis zum 16. August per<br />

E-Mail unter presse@ig-zeitarbeit.de ein. Bei mehreren<br />

Vorschlägen entscheidet das Los. Voraussetzung ist,<br />

dass Sie in Ihrer E-Mail kurz diese Angaben machen:<br />

Name, Adresse der Organisation<br />

Was macht die Organisation?<br />

Wie sind Sie auf die Organisation gestoßen bzw. was<br />

verbindet Sie?<br />

Was finden Sie an der Organisation besonders gut?<br />

Ansprechpartner/in für den iGZ in der Organisation<br />

Die Organisation sollte bereits über eine druckbare<br />

Anzeige verfügen.<br />

Das Branchenmagazin <strong>Zdirekt</strong>! erscheint quartalsweise<br />

mit einer Auflage von bis zu 10.000 Exemplaren. Jede<br />

Ausgabe wird online bis zu 40.000 Mal abgerufen und<br />

erreicht eine Leserschaft aus Personaldienstleistern und<br />

Entscheidern aus Politik, Bildung und Wirtschaft.


www.concordia-kirchehrenbach.de<br />

SPENDENKONTO<br />

Kontoinhaber: RMSV Concordia Kirchehrenbach e. V<br />

VR Bank Bamberg-Forchheim<br />

IBAN: DE 29 7639 1000 0005 4007 91<br />

BIC: GENODEF1FOH


Das Stellenportal der Zeitarbeit<br />

Matchtime<br />

PASSENDE<br />

ZEITARBEITNEHMER<br />

FINDEN!<br />

Wer über die Zeitarbeit in der Pflege arbeitet, der hat sich ganz bewusst dazu entschieden,<br />

immer wieder die Einrichtung, die Station, den Fachbereich oder auch<br />

die Stadt zu wechseln. Während der Coronapandemie ist es allerdings ganz oft so,<br />

dass wir wöchentlich oder auch tageweise immer wieder auf anderen Stationen<br />

eingesetzt werden. Das liegt meiner Meinung nach daran, dass ganze Stationen<br />

geschlossen werden; oft wegen abgesagter Operationen oder krankheitsbedingten<br />

Personalausfällen.<br />

Schnell. Kostenlos. Bundesweit.<br />

Die Vermittlungsplattform matchtime-personal verfügt über neue Features: Der Suchradius kann nun individuell eingestellt werden.<br />

Ein Wunsch, den viele Nutzer geäußert hatten. Damit können registrierte Zeitarbeitsunternehmen selbst anpassen, wann<br />

sie über einen eingestellten Kundenbedarf automatisch per Mail informiert werden möchten. So können die Personaldienstleister<br />

die Benachrichtigungsfunktion an ihre örtlichen und organisatorischen Besonderheiten anpassen. Unter dem Menüpunkt<br />

„Personalfakten“ finden sich dazu ab sofort regelmäßig aktuelle Neuigkeiten, die auch für Personalabteilungen interessant sind.<br />

Auf diesem Wege soll für noch mehr Kunden-Traffic auf der Seite gesorgt werden. Die Meldungen stammen aus einer Kooperation<br />

mit der Zeitschrift Personalwirtschaft. MS<br />

IMPRESSUM<br />

Herausgeber<br />

iGZ – Interessenverband Deutscher<br />

Zeitarbeitsunternehmen e.V.<br />

PortAL 10 | Albersloher Weg 10<br />

48155 Münster<br />

iGZ-Hauptstadtbüro Berlin<br />

Schumannstr. 17<br />

10117 Berlin<br />

presse@ig-zeitarbeit.de<br />

www.ig-zeitarbeit.de<br />

Verantwortlich<br />

Werner Stolz (WS)<br />

Hauptgeschäftsführer<br />

Chefredaktion<br />

Sara Schwedmann (SaS)<br />

Redaktion<br />

George Buterus (GB)<br />

Wolfram Linke (WLI)<br />

Andrea Resigkeit (AR)<br />

Marcel Speker (MS)<br />

Texte<br />

Bettina Richter (BR)<br />

Jenny Rohlmann (JR)<br />

Diandra Schlitt (DS)<br />

Benjamin Teutmeyer (BT)<br />

Art Direction<br />

Tanja Kossack<br />

Fotos<br />

Timo Beylemans<br />

Wolfram Linke<br />

Sara Schwedmann<br />

Druck<br />

IVD GmbH & Co. KG<br />

Wilhelmstraße 240<br />

49475 Ibbenbüren<br />

PEFC-Logo<br />

CO 2<br />

-Logo


Top leistung<br />

BESTER SERVICE<br />

MEHR ZEIT FÜR NEUE MÖGLICHKEITEN<br />

Mit unserem smarten Versicherungsservice für Zeitarbeitsfirmen haben Sie ab sofort mehr Zeit fürs Wesentliche:<br />

Ihr Business. Wir halten Ihnen den Rücken frei – unkompliziert, unbürokratisch und flexibel. Ihr<br />

Ansprechpartner? Ist vor Ort für Sie da. Schnellen Service rund um Bescheinigungen, Gesundheitskarten<br />

und Co.? Gibt’s rund um die Uhr. Praxisnahe Lösungen? Selbstverständlich.<br />

Vertrauen Sie dem Service-Champion unter den Krankenkassen und vereinbaren Sie noch heute Ihren<br />

persönlichen Beratungstermin: 040 637093-48 oder alexander.stoll@viactiv.de.<br />

viactiv.de/alexander-stoll


SEMINARE<br />

Bewerbermarkt der Zukunft<br />

26.08.2<strong>02</strong>1 | Nürnberg<br />

Zeitarbeit aktuell: Neues aus der Rechtsprechung und vom Gesetzgeber<br />

26.08.2<strong>02</strong>1 | Nürnberg<br />

Erste Schritte in die Zeitarbeit<br />

31.08.2<strong>02</strong>1 – <strong>02</strong>.09.2<strong>02</strong>1 | Münster<br />

Erfolgreich in der Personalgewinnung – Strategien für Azubis<br />

22.09.2<strong>02</strong>1 | Münster<br />

Führung mit Zielen und KPIs<br />

17.09.2<strong>02</strong>1 | München<br />

Mitarbeiterbindung und -motivation erhöhen – Fluktuation senken<br />

20.10.2<strong>02</strong>1 | Köln<br />

TERMINE<br />

PERSONAL.PRAXIS.WEST.<br />

08.09.2<strong>02</strong>1 | Westfalenhallen Dortmund + online<br />

POTSDAMER RECHTSFORUM<br />

06.10.2<strong>02</strong>1 | Dorint Sanssouci Hotel Potsdam

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!